INDISCHES FILMFESTIVAL STUTTGART 2018 SCHULTAG - INFORMATIONEN ZUM SCHULTAG BEIM 15. INDISCHEN FILMFESTIVAL
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15. INDISCHES FILMFESTIVAL STUTTGART 2018 SCHULTAG INFORMATIONEN ZUM SCHULTAG BEIM 15. INDISCHEN FILMFESTIVAL STUTTGART
EINFÜHRUNG Das Filmbüro Baden-Württemberg e.V. veranstaltet am Donnerstag, 19. Juli 2018, im Rahmen des 15. Indischen Filmfestivals Stuttgart einen Schultag für SchülerInnen der 9. bis 12. Klasse. Der Schultag PROGRAMM wird von der Robert Bosch Stiftung gefördert. Mit dem zweitgrößten Bildungswesen weltweit muss sich Indien 9:30 UHR einer enormen Verwaltungsarbeit und einer Vielzahl an Reformen Ankunft und Anmeldung an der Festivalkasse im und Maßnahmen widmen, um sein unausgewogenes Bildungssys- Metropol Kino, Bolzstr. 10, in der Stuttgarter Innenstadt. tem weiter verbessern zu können. Disparitäten der Bildungseinrich- tungen gilt es nicht nur zwischen den jeweiligen Staaten der 35 Bun- 9:45 UHR desterritorien anzugleichen. Auch die großen Unterschiede zwischen Einlass in den Saal privaten und staatlichen (Hoch-) Schulen und das Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land stellen Indien vor eine Vielzahl an Heraus- 10:00 UHR forderungen. Begrüßung und Einführung in das Thema durch einen Referenten. Neben der Bekämpfung des hohen Analphabetismus nehmen na- Anschließend Vorführung des Films ‚Ubuntu’ tionale Kooperationsprojekte die Chancengerechtigkeit von Frauen (Marathi mit englischen UT) und Randgruppen in Angriff – beispielsweise durch den Aufbau von und Gespräch mit dem Regisseur Pushkar Shrotri. Fernlehrinstituten. Doch trotz der 1,4 Millionen staatlich anerkannten Schulen bleibt tausenden von Kindern der Zugang zur Bildung ver- ca. 13:00 UHR wehrt. Oft steht die soziale Benachteiligung ökonomisch schwacher Ende der Veranstaltung Gruppen im Weg, wobei Kinderarbeit und Zwangsverheiratungen Minderjähriger eine große Rolle spielen. Aufgrund von Lehrermangel und dürftiger Ausstattung kann auch die Qualität des Unterrichts nicht flächendeckend gewährleistet werden. Bei der PISA Studie 2009 erreichte Indien den vorletzten Rang unter allen Teilnehmerländern, während China mit dem welt- weit größten Bildungswesen auf dem ersten Platz landete. Reprä- sentativ sind diese Ergebnisse zwar nicht, aber sie liefern einen gu- ten Anhaltspunkt dafür, welch große Aufgaben das Land noch zu bewältigen hat. Trotz der zahlreichen Hindernisse und Herausforderungen ist es In- dien in den letzten Jahren jedoch gelungen, eine schmale Bildungs- elite hervorzubringen. Die größte Demokratie der Welt kann mit Stolz behaupten, seine Wissenschaftler zur globalen Wirtschaftselite ge- wichtiger Forschungsgebiete zu zählen – beispielsweise auf dem Gebiet der Biotechnologie oder der Raumfahrt. Mit Bewunderung blickt die Welt auf dieses Land der Gegensätze, auf seine Hoffnungs- träger und seine Fortschritte. Auch der diesjährige Schulfilm ‚Ubuntu‘ handelt von Hoffnung, Zu- sammenhalt und Fortschritt und zeigt auf, wie wichtig der Zugang zu Bildung besonders in den ländlichen Regionen Indiens sein kann.
15. INDISCHES FILMFESTIVAL STUTTGART 2018 WWW.INDISCHES-FILMFESTIVAL.DE SPIELFILM, 2017, 115 Min. Marathi mit englischen Untertiteln DER FILM 19. Juli 2018, 9.30 Uhr Metropol Kino, Saal 2 UBUNTU INHALT REGIE UBUNTU - EINE LEBENSPHILOSOPHIE In einem kleinen Dorf unterrichtet ein Lehrer Pushkar Shrotri ist Regisseur und Schau- Der afrikanische Begriff „Ubuntu“ bezeich- eine Klasse von nur 15 Schülern. Mit moder- spieler in Filmen und Theaterstücken. Er net eine Lebensphilosophie und entspringt ner Pädagogik versucht er praxisnah, den schloss sein Studium am M. L. Dahanukar den Bantusprachen Südafrikas. Sinngemäß Kindern verschiedene Sichtweisen auf das College ab. 2014 erhielt er für ‚Rege’ (2014) übersetzt bedeutet Ubuntu „Eine Person ist Leben zu eröffnen. den Preis als bester Nebendarsteller auf der eine Person durch andere Personen“ und Maharashtracha Favourite Kon. Für seinen meint damit die Beziehung zwischen Indivi- Film ‚Ubuntu’ (2017) war er zum ersten Mal duum und Gesellschaft und den Glauben an Als die Klasse versehentlich ein Feuer ent- als Regisseur, Produzent und Drehbuchau- die Nächstenliebe. Sich sebst als Teil eines facht, verkündet der Dorfälteste, die Schule tor tätig. Ganzen zu erfahren und in einer friedlichen, zu schließen, sollte diese nicht von minde- teilenden, sich gegenseitig respektierenden stens 35 Kindern besucht werden. Ausge- Gemeinschaft zu leben, ist das Ziel dieser Philosophie. rechnet jetzt muss der Lehrer zu seiner Nach dem Ende der Apartheid und seit den schwangeren Frau zurück. ersten demokratischen Wahlen im Jahr 1994 ist Ubuntu ein wichtiger Grundsatz des „neuen Südafrikas“ geworden und wird von Er beauftragt seine älteste Schülerin Guri, politischen und religiösen Autoritäten oft dafür zu sorgen, dass die Schüler trotzdem benutzt, um ein respektvolles Miteinander weiterhin kommen. Doch kurz darauf droht zwischen Individuen einzufordern. Guris bester Freundin die Zwangsheirat und ihr Bruder soll arbeiten gehen, um die Mitgift zu finanzieren. Um die Schule doch noch zu retten, wendet sich Guri schließlich an die Öffentlichkeit. ‚Ubuntu’ ist die Geschichte von Kindern, die für Recht auf Bildung und damit für ihre Zukunft kämpfen. Tickets: 5 € pro Schüler (2 Begleitpersonen pro Klasse frei) DER FILM WIRD IM PROGRAMM DES Ort: Metropol Kino, Bolzstraße 10, 70173 Stuttgart 15. INDISCHEN FILMFESTIVALS STUTTGART Tag: Donnerstag, 19. Juli 2018 AM SAMSTAG, 21. JULI 2018 UM 16 UHR Beginn: 10.00 Uhr (Einlass ab 9.45 Uhr) ALS WIEDERHOLUNG GEZEIGT.
INFO UBUNTU DATUM Donnerstag, 19. Juli 2018, 9:30 Uhr ORT Der Film wird im Metropol Kino, Bolzstraße 10 in 70173 Stuttgart, gezeigt. ANMELDUNG FÜR SCHULKLASSEN Da nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen zur Verfügung steht, bitten wir um eine möglichst schnelle Anmeldung mit dem Anmeldeformular, das Sie uns per Fax an 0711 22 10 69 oder per E-Mail an forelli@filmbuerobw.de zusenden können. Anmeldeformular unter www.indisches-filmfestival.de unter der Rubrik ‚Rahmenprogramm‘ - Schultag. KOSTEN 5 € pro SchülerIn (zwei Begleitpersonen pro Schulklasse sind frei). Der Gesamtbetrag kann am Tag der Veranstaltung vor Veranstaltungsbeginn an der Festivalkasse im Metropol Kino entrichtet werden. Bei Fragen steht Ihnen Lisa Forelli gerne unter (0)711 - 22 10 67 oder forelli@filmbuerobw.de zu Verfügung. VERANSTALTER Filmbüro Baden-Württemberg e.V. Friedrichstraße 37 70174 Stuttgart T +49 (0)711 - 22 10 67 F +49 (0)711 - 22 10 68 E-Mail: forelli@filmbuerobw.de LINK ZUM FILM TRAILER INFORMATIONEN UNTER: www.indisches-filmfestival.de https://www.youtube.com/watch?v=atSfdmYrcUc www.filmbuerobw.de www.jugendfilmpreis.de Schultag im Rahmen des 15. Indischen Filmfestivals Stuttgart 2018 Donnerstag, 19. Juli 2018 Filmbüro Baden-Württemberg e.V. Rückantwort: Per Fax an 0711 22 10 69 Alissa Papendick Per E-Mail an papendick@filmbuerobw.de Friedrichstraße 37 70174 Stuttgart Anmeldung Interner Vermerk: Veranstaltungstag: Schule Straße, Hausnr. PLZ, Stadt Ansprechperson Telefonnummer Faxnummer E-Mail Klasse Schülerzahl* Bitte informieren Sie mich weiterhin über Veranstaltungen für Schülerinnen und Schüler sowie Schulangebote des Filmbüro Baden-Württemberg. * Die Abrechnung erfolgt an den Kinokassen entsprechend der tatsächlichen Anzahl der Schüler am Veranstaltungs- tag. Sollten mehr als 5 Schüler fehlen, würden wir uns über eine frühstmögliche Rückmeldung freuen. Letztmögliche Anmeldung bis 12.7.2018. Die Anmeldungen werden nach Eingang berücksichtigt. Sollte die Veranstaltung ausverkauft sein, erhalten Sie umgehend eine Rückmeldung. Datum, Ort Unterschrift Ort: Metropol Kino, Bolzstraße 10, 70173 Stuttgart Zeit: 9:30 Uhr Anmeldung 10:00 Uhr Begrüßung und Einführung in das Thema durch Referenten anschließend Vorführung des Films (Titel wird Ende Mai veröffentlicht) und Gespräch mit dem Filmteam Preis: 5 € pro Schüler (2 Begleitpersonen pro Schulklasse frei) Filmbüro Baden-Württemberg e.V. BW-Bank Stuttgart Telefon: +49 (0)711 22 10 67 Friedrichstraße 37, 70174 Stuttgart Konto: 111 01 71 BLZ: 600 501 01 Telefax: +49 (0)711 22 10 69 Amtsgericht Stuttgart - VR 3840 IBAN: DE89 6005 0101 0001 1101 71 E-Mail: info@filmbuerobw.de USt-IdNr.: DE186820951 BIC/SWIFT: SOLA DE ST Web: www.filmbuerobw.de
ANHANG EXPANSION, QUALITÄT, GERECHTIGKEIT HERAUSFORDERUNGEN DES INDISCHEN BILDUNGSSYSTEMS SÖHNE HABEN VORRANG INDISCHE MÄDCHEN BEKOMMEN DIE SCHLECHTERE SCHULBILDUNG THEMENBLÄTTER IM UNTERRICHT / NR. 100 BILDUNGSGERECHTIGKEIT
bpb.de - Indien - Größte Demokratie der Welt - Bildungssystem http://www.bpb.de/internationales/asien/indien/44534/indiens-bi... URL: http://www.bpb.de/internationales/asien/indien/44534/indiens-bildungssystem Pfad: Internationales / Asien / Indien / Bildung und Kultur / Indiens Bildungssystem 7.4.2014 | Von: Dr. Doris Hillger Dr. Doris Hillger Dr. Doris Hillger ist Regionalmanagerin für Indien/Südasien im OAV – German Asia-PaciVc Business Association. Sie promovierte am GIGA Institut für Asienstudien zum Thema Bildungsgovernance in Indien und leitete von 2009 bis 2012 das Heidelberg Center South Asia der Universität Heidelberg in New Delhi. Expansion, Qualität, Gerechtigkeit Herausforderungen des indischen Bildungssystems Indiens Regierung hat für den Bildungsbereich den wegweisenden Grundsatz "Expansion, Qualität, Gerechtigkeit" formuliert. Allerdings wurde bislang nur die Expansion erfolgreich gemeistert. Die Gewährleistung von qualitativen Mindeststandards in Schule, Hochschule und Berufsbildung ist dagegen bislang ebenso wenig gelungen wie die damit verbundene Sicherstellung von Chancengerechtigkeit. Die Gründe dafür sind vielfältig. Mit seinen mehr als 1,4 Millionen staatlich anerkannten Schulen, etwa 33.000 Colleges und 659 Universitäten ist das indische Bildungssystem heute eines der größten weltweit. Trotz des beeindruckenden Anstiegs der Einschulungszahlen und Übergangsraten in die weiterführenden Schulen sowie dem massiven Ausbau des Hochschulsystems steht es vor enormen Herausforderungen. Der Mangel an qualiVzierten Lehrkräften sowie rückläuVge Schülerleistungen in staatlichen Schulen und die daraus resultierenden steigenden Ausgaben der Haushalte für Bildung in Privatschulen werfen die Frage nach einem vernünftigen Verhältnis von Expansion und Qualität auf. Bildung seit der Unabhängigkeit: Ein Überblick Nach der Unabhängigkeit wurde der ^ächendeckende Zugang zu staatlicher Schulbildung in den Handlungsdirektiven zur indischen Verfassung (Directive Principles of State) als innerhalb von zehn Jahren zu erreichendes Ziel zentral- und bundesstaatlicher Politik festgeschrieben. Da aber Bildung in der föderalen Verfassung Indiens zunächst reine Länderaufgabe war und es den Bundesstaaten freigestellt war, eine Schulp^icht einzuführen, entwickelte sich das öffentliche Schulsystem in den ersten 40 Jahren der Republik höchst divergent. Dies ist zum einen auf die unterschiedlichen Ausgangslagen zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit zurückzuführen, zum anderen auf die Priorität, die die Landesregierungen sozialen Reformen im Allgemeinen und der Bildungspolitik im Besonderen zumaßen. Alphabetisierungsraten – ausgewählte Bundesstaaten Bundesstaat Alphabetisierungsrate (%) 1951 1961 1971 1981 1991 2001 2011 Andhra Pradesh na 21,19 24,57 35,66 44,08 60,47 67,02 Bihar 13,49 21,95 23,17 32,32 37,49 47 61,8 Delhi na 61,95 65,08 71,94 75,29 81,67 86,21 Gujarat 21,82 31,47 36,95 44,92 61,29 69,14 78,03 Himachal Pradesh na na na na 63,86 76,48 82,8 Kerala 47,18 55,08 69,75 78,85 89,81 90,86 94,0 Madhya Pradesh 13,16 21,41 27,27 38,63 44,67 63,74 69,32 Maharashtra 27,91 35,08 45,77 57,24 64,87 76,88 82,34 Rajasthan 8,5 18,12 22,57 30,11 38,55 60,41 66,11 Tamil Nadu na 36,39 45,4 54,39 62,66 73,45 80,09 Uttar Pradesh 12,02 20,87 23,99 32,65 40,71 56,27 67,68 1 von 5 30.05.18, 11:51
bpb.de - Indien - Größte Demokratie der Welt - Bildungssystem http://www.bpb.de/internationales/asien/indien/44534/indiens-bi... Indien gesamt 18,33 28,3 34,45 43,57 52,21 64,84 72,99 Quelle: Economic Survey 2012-13, Office of the Registrar General, 2012, Ministry of Home Affairs, Government of India und Zensus 2011 Um die Ausbildung der politischen Elite zu gewährleisten wurde früh ein Netz zentralstaatlich Vnanzierter und kontrollierter Schulen (Central Schools) aufgebaut, die vor allem für die Schulbildung der Kinder von Staatsdienern sorgen sollten. Neben den aus der christlichen Mission entstandenen Convent Schools bildeten sie lange das Rückgrat der Eliteausbildung in Indien. Seit den 90er Jahren verbreiteten sich private sogenannte internationale Schulen (International Schools), oftmals gegründet von Unternehmern oder Politikern, die inzwischen ebenfalls erheblich zur Ausbildung der Eliten beitragen. Der Hochschulsektor entwickelte sich ähnlich: Die zentralstaatlich Vnanzierten Central Universities und Indian Institutes konnten sich aufgrund der vergleichsweise großzügigen Vnanziellen Ausstattung zu international konkurrenzfähigen Bildungs- und Forschungseinrichtungen entwickeln, während die Mehrzahl der von den Bundesstaaten getragenen State Universities und deren angeschlossene Colleges, die die Masse der Studierenden ausbilden, unter UnterVnanzierung und Mangel an qualiVziertem Lehrpersonal litten. Struktur des Bildungssystems Prägend für das indische Bildungssystem ist die Koexistenz verschiedener Schulformen – staatliche und private Institutionen einerseits sowie formale und nicht formale Institutionen andererseits. Seit 1986 gibt es eine landesweit verbindliche Grundstruktur der Schulbildung, die so genannte Zehn-Plus-Zwei-Struktur – zehn Jahre Schulausbildung bis zur Sekundarstufe und zwei Jahre Oberstufe. Zusätzlich gibt es berufsbildende Schulen, die Schüler nach Abschluss der Sekundarstufe auf den Eintritt in das Berufsleben vorbereiten (z.B. Polytechnische Schulen). Der Abschluss der Oberstufe berechtigt zur Teilnahme an den Aufnahmeprüfungen der Universitäten, Technischen Hochschulen und Engineering Colleges. An den Universitäten und Colleges gibt es in der Regel dreijährige Bachelor- Studiengänge, darauf aufbauend zwei Jahre bis zum Master und weitere zwei bis drei Jahre bis zum Doktorgrad. An den Technischen Hochschulen führt das Studium meist nach vier Jahren zum Bachelor. Ferner gibt es Fernuniversitäten auf zentral- und bundesstaatlicher Ebene, die ein Studium neben der Erwerbstätigkeit ermöglichen. \r\nNeben den beschriebenen Institutionen des formalen Bildungssystems haben sich diverse nicht-formale Strukturen entwickelt, die sich bis in den Hochschulbereich erstrecken. Nicht formale Institutionen staatlicher und privater Träger richten sich an Kinder und Jugendliche, denen aus verschiedenen Gründen – Erwerbstätigkeit, Arbeitsmigration der Familie oder Versorgung jüngerer Geschwister – der Besuch einer formalen Schule nicht möglich ist. Sie decken ebenfalls den Bereich Erwachsenenbildung ab. Wirtschaftliche Öffnung und Bildungsreformen Seit RatiVzierung der National Policy on Education 1986 ist Bildung eine gemeinsame Aufgabe von Zentralregierung und Bundesstaaten. Das Gesetz ermöglichte es, nationale Bildungsprogramme für rückständige Regionen durchzuführen, die zum größten Teil von der Zentralregierung Vnanziert und gesteuert wurden. In der Folge der Zahlungsbilanzkrise von 1990 wurden als Teil des Bedingungspaketes für die Kredite von Weltbank und Internationalem Währungsfonds umfangreiche Reformen zur wirtschaftlichen Öffnung und zur Dezentralisierung der öffentlichen Verwaltung angeschoben, die auch das Bildungssystem maßgeblich veränderten. Hatte die Zentralregierung bislang überproportional in die Sekundar- und Tertiärbildung investiert, so verschob sich nun der Fokus auf die Elementarbildung: zwischen 1990 und 2005 wuchs deren Anteil an den Gesamtausgaben von 14 auf über 50 Prozent. Die wichtigste Initiative war das von der Weltbank Vnanzierte District Primary Education Programme (DPEP). Dieses Projekt hatte Modellcharakter für viele der nachfolgenden Reformen des Schulbildungssektors. Mit der Au^age des nationalen Bildungsprogramms "Bildung für alle" (Sarva Shiksha Abhiyan, SSA) zur Universalisierung der Elementarbildung im Jahr 2002 und den damit verbundenen Maßnahmen zur Sicherung der Infrastruktur übernahm die Zentralregierung die Kontrolle über den Aufbau des öffentlichen Schulsystems in den Bundesstaaten. Seither sind die Einschulungsraten ^ächendeckend weiter gestiegen. RückläuVg entwickelt haben sich die gravierenden Unterschiede zwischen dem Alphabetisierungsniveau in ländlichen und städtischen Gebieten einerseits sowie zwischen den Geschlechtern 2 von 5 30.05.18, 11:51
bpb.de - Indien - Größte Demokratie der Welt - Bildungssystem http://www.bpb.de/internationales/asien/indien/44534/indiens-bi... andererseits. So ist die Differenz zwischen ländlichen und städtischen Gebieten in den letzten zehn Jahren von 20 auf 15 Prozent gesunken, zwischen Männern und Frauen im Landesdurchschnitt von 22 auf 16 Prozent. Die Einschulungsraten auf Grundschulebene sind inzwischen in allen Bundesstaaten sowohl für Mädchen als auch für Jungen bei annähernd 100 Prozent angekommen, nehmen jedoch in der Sekundarstufe deutlich ab. Die Übergangsrate von der Grundschule in die Mittelschule (Klasse 6-7) lag 2011 landesweit bei 87 Prozent, in der Sekundarstufe I (Klasse 8-10) waren es nur noch 71 Prozent. Um den Zugang aller Haushalte zu einer Sekundarschule bzw. zur Oberstufe sicherzustellen hat die indische Zentralregierung 2009 das Nationale Programm für die Sekundarbildung (Rashriya Madhyamik Shiksa Abhiyan, RMSA) aufgelegt. Analog zum SSA wird zunächst auf die Aufstockung der Infrastruktur bestehender und den Aufbau neuer Sekundarschulen gesetzt, gleichzeitig sollen alle Schulen einem einheitlichen Prüfungsregime unterworfen werden. Im Sekundarschulsektor ist der Anteil der Privatschulen deutlich höher als im Elementarbereich, im Landesmittel waren es bereits 2008 etwa 53 Prozent. Mit der Universalisierung der Elementarbildung sind zwei bedenkliche Trends verbunden: Seitdem im Jahr 2010 das Grundrechts auf Bildung (Right to Education, RTE) in Kraft getreten ist, ist ein messbarer Abfall der ohnehin schwachen Schülerleistungen vor allem in staatlichen Schulen zu verzeichnen. Dies führt zu einem Exodus aus dem staatlichen Schulsystem, der sowohl dem öffentlich wahrgenommenen Verfall staatlicher Schulen als auch dem langsam steigenden Einkommen der Landbevölkerung geschuldet ist. Mit der wachsenden Kluft zwischen dem Lernerfolg von Schülern in privaten und staatlichen Einrichtungen schrumpft die Chance auf Bildungsaufstieg der Kinder aus armen Familien, die sich die Aufwendung von Schulgebühren nicht leisten können. Quantität auf Kosten von Qualität? Ähnlich wie in Deutschland gab es auch in Indien lange keine systematischen Schülerleistungsstudien. Erst mit dem von der Nichtregierungsorganisation Pratham veröffentlichten Annual Status of Education Report (ASER) werden seit 2005 regelmäßig Leistungsstände im Lesen und Rechnen erhoben, sowohl in staatlichen als auch in privaten Schulen. Die Ergebnisse rüttelten die indische Öffentlichkeit auf: Der ASER Studie zufolge konnten landesweit nur 55 Prozent der Fünftklässler einen Text der Klassenstufe 2 fehlerfrei lesen und verstehen, während nur 35 Prozent eine einfache Divisionsaufgabe bewältigten. In privaten Schulen lag der Anteil im Schnitt 10 Prozent höher. Allerdings – und das ist wichtig zur Kenntnis zu nehmen – wird die ASER- Erhebung bislang nur in ländlichen Gebieten durchgeführt. Das Leistungsniveau in den größeren Städten dürfte aufgrund der Vielzahl privater, internationaler und zentralstaatlicher Schulen deutlich höher liegen. Einen weiteren Hinweis auf die Qualität der Schulbildung unter Einbezug städtischer Schulen gibt die PISA Studie von 2009. Erstmals nahmen Schüler aus den Bundesstaaten Tamil Nadu im Süden und Himachal Pradesh im Norden des Landes an PISA teil. Beide gelten als Leistungsspitzen innerhalb Indiens, doch die Ergebnisse waren ernüchternd: Nur 11 bis 15 Prozent der getesteten Schüler und Schülerinnen erreichten die von der OECD deVnierte Basiskompetenz zur erfolgreichen Teilnahme am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben (OECD-Durchschnitt: 81 Prozent). Wie der Annual Status of Education Report für 2012 zeigt, Vel das Kompetenzniveau in den letzten drei Jahren auf dem Land ^ächendeckend ab, wobei der Trend in Privatschulen deutlich schwächer ausgeprägt ist. Dies wird auf eine Reihe von Reformen zurückgeführt, die mit Inkrafttreten des RTE einsetzen. Sie sehen die Abschaffung der Jahresabschlussprüfung und Ersatz durch ein System der kontinuierlichen Evaluierung der Kinder vor. Zudem wurde das Sitzenbleiben in den Klassenstufen 1 bis 8 abgeschafft. Dies entspricht zwar dem Stand der internationalen bildungswissenschaftlichen Debatte, das Wegfallen des Lern- bzw. Lehrdrucks und die Überforderung der Lehrkräfte mit der kontinuierlichen Evaluierung führt jedoch offenbar dazu, dass der Lernerfolg sinkt. In der Folge verschärft sich die Abwanderung aus den staatlichen Schulen: Im Mittel steigt auf dem Land seit 2010 der Anteil an Grundschülern, die Privatschulen besuchen, um 10 Prozent jährlich, und dürfte im Landesdurchschnitt inzwischen bei 40 Prozent liegen. In den Städten bedienen private Schulen je nach Bundesstaat zwischen 60 und 90 Prozent aller Schüler. Unter den Bedingungen eines derart gespaltenen Schulsystems ist das Grundrecht auf eine qualitativ anständige, kostenfreie Grundbildung für alle Kinder nicht mehr als Makulatur, zumal die Qualitätskomponente – also der Lernerfolg der Schüler – nicht einklagbar ist. Massiver Ausbau des Hochschulsektors Waren die letzten 15 Jahre geprägt von Investitionen in die Infrastruktur des Elementarbildungssektors, so hat sich im elften 3 von 5 30.05.18, 11:51
bpb.de - Indien - Größte Demokratie der Welt - Bildungssystem http://www.bpb.de/internationales/asien/indien/44534/indiens-bi... und zwölften Fünfjahresplan der Fokus deutlich auf die tertiäre Bildung und die Berufsausbildung verschoben. So deVzitär das Schulsystem insgesamt auch sein mag, produziert es doch eine rasant wachsende Zahl an Schulabsolventen, die Jahr für Jahr auf den Arbeitsmarkt und in die Hochschulen drängen. Hinzu kommt die Demographie – die Hälfte der indischen Bevölkerung ist jünger als 25 Jahre. Den jährlich etwa 13 Millionen Schulabsolventen und Schulabbrechern stehen etwa 3,5 Millionen Studien- und Ausbildungsplätze gegenüber. Um den Bedarf der Wirtschaft an qualiVzierten Arbeitskräften zu decken strebt die Unionsregierung mit ihrem National Skill Development Program die QualiVzierung von 500 Millionen jungen Arbeitskräften und eine Erhöhung der Studierendenquote von momentan knapp 18 auf 30 Prozent bis 2022 an. Der hierzu erforderliche Ausbau der Studien- und Ausbildungsplätze soll nach dem Willen der Regierung auch durch massives privatwirtschaftliches Engagement realisiert werden. Der Hochschulsektor hat bereits in den letzten sieben Jahren ein rasantes Wachstum erfahren: zwischen 2006 und 2013 entstanden rund 12.000 neue Colleges und 270 Universitäten, 65 Prozent davon im privaten Sektor. Über 60 Prozent aller Studierenden sind in privaten Colleges und Universitäten eingeschrieben. Wie im Schulsektor ist auch hier die Qualität der Einrichtungen höchst unterschiedlich. Gemessen am jeweiligen Anteil an der Bevölkerung ergibt sich in puncto Zugang zum Hochschulsystem ein differenziertes Bild. Während der Anteil der Studierenden aus den unteren Kastengruppen (Scheduled Castes), die über Jahrzehnte im Fokus der Inklusionspolitik standen, sich mit 12,5 Prozent ihrem Bevölkerungsanteil angenähert hat, sind vor allem Angehörige der indischen Stammesbevölkerung (Schedules Tribes) und die muslimische Bevölkerung in den Hochschulen deutlich unterrepräsentiert. So waren 2011 nur jeweils etwas über 4 Prozent der Studierenden Angehörige der Scheduled Tribes (Bevölkerunganteil 8,6 Prozent) oder Muslime (Bevölkerungsanteil ca. 14 Prozent). Mit Beginn der elften Planungsperiode (2007-2011) investierte die Zentralregierung massiv in den Ausbau der sogenannten Exzellenzzentren, indem nach regionalem Proporz unter anderem neun neue Indian Institutes of Technology (IITs) sowie fünf Indian Institutes of Science Education and Research (IISER) und 15 Central Universities aufgebaut wurden. Absolventen dieser Einrichtungen haben exzellente Karrierechancen auf dem indischen und dem internationalen Arbeitsmarkt. Ein Blick auf die Produktivitätsrate im indischen Wissenschaftssystem, gemessen an der Publikationsdichte sowie Anzahl der internationalen Kooperationen, zeigt, dass Indien in den letzten zehn Jahren einen deutlichen Anstieg seiner wissenschaftlichen Produktivität verzeichnen konnte. Deutschland ist hinter den USA wichtigster internationaler Kooperationspartner. Dringend notwendige Reform der Berufsbildung Die Masse der Studierenden wird jedoch nicht in den Exzellenzzentren, sondern in den bundesstaatlichen Universitäten und Colleges (State Universities / State Colleges) ausgebildet, die fast ^ächendeckend unter UnterVnanzierung und einem Mangel an qualiVzierten Lehrkräften leiden. Dies führt zu der paradoxen Situation, dass trotz steigender Absolventenzahlen ein Fachkräftemangel herrscht, da die große Masse der Studienabgänger nicht die adäquaten QualiVkationen für die wachsende Wirtschaft mitbringt. Die im Auftrag verschiedener internationaler und indischer Großkonzerne durchgeführte National Employability Study stuft die unmittelbare Beschäftigungsfähigkeit indischer Absolventen im Mittel bei unter 15 Prozent ein. Der Großteil der Absolventen braucht sektoren- und funktionsübergreifend eine intensive betriebliche Fortbildung, um in Unternehmen einsetzbar zu sein. Vor diesem Hintergrund hat in den letzten zehn Jahren die lange politisch vernachlässigte Berufsausbildung verstärkt Aufmerksamkeit erfahren. Der Fokus liegt auf dem Ausbau des Netzes der berufsbildenden Schulen, der Überarbeitung der Lehrpläne und einer verbesserten Ausbildung der Ausbilder – letzteres unter verstärkter Beteiligung der Industrie und ausländischer Kooperationspartner – um Qualität und Reichweite der beru^ichen Ausbildung zu stärken. Gleichzeitig soll über ein Netz an Community Colleges die an Schlüsselkompetenzen orientierte Weiterbildung unqualiVzierter Erwerbstätiger in ländlichen Regionen vorangetrieben werden, um die Produktivität im informellen Sektor ^ächendeckend steigern zu können. Ausblick Betrachtet man die Formel "Expansion, Qualität, Gerechtigkeit", die die indische Regierung seit der elften Planungsperiode für alle drei Bildungssektoren ausgegeben hat, als ein Kontinuum, so wurde bislang vor allem die Expansion erfolgreich gemeistert. Indien hat jedoch sowohl bei der Gewährleistung von qualitativen Mindeststandards wie auch der Chancengerechtigkeit noch große Aufgaben vor sich. 4 von 5 30.05.18, 11:51
bpb.de - Indien - Größte Demokratie der Welt - Bildungssystem http://www.bpb.de/internationales/asien/indien/44534/indiens-bi... Ausgehend von den Entwicklungen des Schulsektors in den letzten 25 Jahren steht zu befürchten, dass sich auch im tertiären und berufsbildenden Sektor ein ähnlich fragmentiertes Szenario etablieren wird, bestehend aus einer Vielzahl privater Anbieter unterschiedlichster Qualität, einem unter seinen Möglichkeiten bleibenden Netz staatlicher Institutionen und einem Parallelsystem informaler, dezentral organisierter Einrichtungen für die unterversorgte Landbevölkerung. Ohne eine Harmonisierung des Bildungssystems auf allen Ebenen wird sich Chancengerechtigkeit nicht verwirklichen lassen. Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-nc-nd/3.0/ Der Name des Autors/Rechteinhabers soll wie folgt genannt werden: by-nc-nd/3.0/ Autor: Dr. Doris Hillger für bpb.de Urheberrechtliche Angaben zu Bildern / Grafiken / Videos finden sich direkt bei den Abbildungen. 5 von 5 30.05.18, 11:51
Söhne haben Vorrang | bpb http://www.bpb.de/internationales/asien/indien/189196/bildungs... URL: http://www.bpb.de/internationales/asien/indien/189196/bildungschancen-maedchen-und-jungen Pfad: Internationales / Asien / Indien / Bildung und Kultur / Bildungschancen: Mädchen und Jungen 8.4.2014 | Von: Stefan Mentschel Stefan Mentschel ist Politikwissenschaftler und Journalist. Seit 2006 lebt und arbeitet er in Neu-Delhi. Das vorliegende Indien-Dossier hat er für die Bundeszentrale konzipiert und redaktionell betreut. Söhne haben Vorrang Indische Mädchen bekommen die schlechtere Schulbildung Laut Gesetz haben alle indischen Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren das Recht auf eine kostenlose Schulbildung. An den Grundschulen ist das Verhältnis von Jungen und Mädchen deshalb auch annähernd gleich. Allerdings ändert sich das nach der vierten Klasse, wenn viele Mädchen die Ausbildung abbrechen. Aber auch Mädchen, die einen Schulabschluss machen, werden oft benachteiligt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Jeden Morgen das gleiche Ritual: Vor Unterrichtsbeginn nehmen die Kinder auf dem Hof der kleinen Grundschule Aufstellung. Nach ein paar anfeuernden Worten des Klassensprechers über die Bedeutung des Geißigen Lernens für das Leben wird gesungen – erst ein Lied über die Liebe der Kinder zu ihrem Heimatland Indien, dann die Nationalhymne. Die Dorfschule liegt ein paar Autostunden nordöstlich der Hauptstadt Neu-Delhi. Knapp 30 Mädchen und Jungen lernen hier von der ersten bis zur vierten Klasse – in einem einzigen Raum, unterrichtet von nur einer Lehrerin. Das ist Standard in vielen ländlichen Regionen Indiens. Auch deshalb haben staatliche Grundschulen, in die rund 80 Prozent aller indischen Kinder gehen, keinen guten Ruf. Anders als private Schulen sind sie jedoch kostenlos. Grundlage dafür ist ein Gesetz von 2009, dass das Grundrecht auf Schulbildung für jedes Kind im Alter von 6 bis 14 Jahren garantiert. "Seit Inkrafttreten des Right to Education Act sind die Einschulungszahlen landeweit gestiegen", berichtet die Erziehungswissenschaftlerin Minati Panda von der Delhier Jawaharlal-Nehru-Universität. Laut o`zieller Statistik besuchten inzwischen fast alle Kinder eine Grundschule, auch das Verhältnis von Mädchen und Jungen sei dort annähernd gleich. Hohe Abbrecherquote bei Mädchen Ähnlich wie in Deutschland ist die Verantwortung für die Bildung auch in Indien zwischen den einzelnen Bundesstaaten und der Zentralregierung aufgeteilt. Prägend für das Bildungssystem ist das Nebeneinander von staatlichen, halbstaatlichen und privaten Institutionen. Seit Mitte der 80er Jahre gibt es jedoch eine landesweit einheitliche Grundstruktur der Schulbildung, das so genannte Zehn-Plus-Zwei-System – zehn Jahre Schulausbildung bis zur Sekundarstufe und zwei Jahre Oberstufe. "Um den Erfolg der staatlichen Bildungspolitik bewerten zu können, dürfen jedoch nicht nur die Einschulungsstatistiken herangezogen werden", sagt Minati Panda. Die Qualität des Unterrichts, die Ausstattung der Schulen und die Ausbildung der Lehrer müsse ebenso in Betracht gezogen werden. Interessant sei aber auch ein Blick auf die Abbrecherzahlen. "Denn 40 Prozent der indischen Mädchen verlassen auch heute noch die Schule vor Beginn der fünften Klasse." Die Gründe dafür sind vielfältig. "Einer ist die traditionelle Bevorzugung von Söhnen durch Eltern und Familie in Indien", weiß die Wissenschaftlerin. Vor allem in ärmeren Schichten sei die Abbrecherquote bei den Mädchen sehr hoch, denn dort genieße die Ausbildung des Sohnes höhere Priorität. Die Mädchen dagegen würden schon früh auf ihre spätere Rolle als Ehefrau und Mutter vorbereitet. "Sie müssen im Haushalt oder bei der Betreuung kleinerer Geschwister helfen, wofür nach Ansicht vieler Eltern eine elementare Schulbildung wie das Erlernen von Lesen und Schreiben mehr als ausreichend ist." Anders ist es, wenn die Schulen mehr anzubieten haben. So gebe es etwa im Bundesstaat Orissa im Osten Indiens 30 Schulen einer nichtstaatlichen Organisation, an denen auch handwerkliche Fähigkeiten vermittelt würden, berichtet Minati Panda. "Die 1 von 2 30.05.18, 12:02
Söhne haben Vorrang | bpb http://www.bpb.de/internationales/asien/indien/189196/bildungs... Mädchen lernen dort nähen, stricken und weben. Man hilft ihnen auch, ein eigenes Bankkonto zu eröffnen und mit Geld umzugehen. Diese Art von lebensnaher Ausbildung wird von vielen Eltern unterstützt." Eltern haben Angst um ihre Töchter In ländlichen Regionen sei aber neben den Unterrichtsinhalten auch der Sicherheitsaspekt für die hohen Abrecherzahlen mitverantwortlich. Während es Grundschulen in fast jedem Dorf gebe, seien die Mittelschulen oftmals weiter entfernt, sagt Minati Panda. "Viele Familien haben schlicht Angst davor, ihre Töchter allein in eine Schule außerhalb ihrer vertrauten Umgebung zu schicken." Hintergrund seien Berichte über tatsächliche oder angebliche sexuelle Übergriffe gegen Mädchen und junge Frauen im Umfeld von Schulen oder auf dem Weg dorthin. "Sobald die Mädchen in die 4. oder 5. Klasse gehen, entwickeln viele Eltern ein großes Misstrauen gegenüber der Schule. Sie vertrauen weder den Männern entlang des Schulwegs noch in den Institutionen. Deshalb behalten sie ihre Töchter lieber zu Hause." Die Regierung hätten das Problem inzwischen erkannt, bislang aber noch keine Abhilfe geschaffen. Auch Familien der unteren Mittelschicht legen bei der Ausbildung ihrer Söhne und Töchter oftmals unterschiedliche Maßstäbe an: "Beide Kinder werden bis zur Oberstufe in die Schule geschickt. Aber während der Junge auf eine private englischsprachige Schulen gehen darf, besucht seine Schwester die kostenlose und qualitativ schlechtere staatliche Schule", berichtet die Dozentin. In derselben Familie bekomme der Junge zudem regelmäßig Nachhilfe, das Mädchen nicht. "Nach dem Schulabschluss setzt sich diese Diskriminierung fort. Der Junge darf an ein renommiertes College, das Mädchen muss sich mit einem weniger bekannten Institut zufrieden geben." Männer bestimmen den Gang der Dinge Thema ist das an Indiens bislang Schulen kaum. Auch über die Rolle von Frauen und Mädchen in der Gesellschaft wird immer noch zu selten thematisiert – sowohl von den Lehrkräften als auch in den Schulbüchern. "Ein Grund dafür ist, dass die indische Gesellschaft eher verschämt über die Beziehung zwischen Mann und Frau oder über Fragen zu Sexualität und Erwachsensein spricht", glaubt Minati Panda. Und wenn diese Aspekte doch einmal zur Sprache kämen, dann höchsten am Rand und stark verkürzt. "Aber es ist ohnehin nicht ausreichend, nur die Bildungsinhalte zu reformieren", lndet sie. "Die Art und Weise wie Frauen in der Gesellschaft behandelt werden, muss sich ändern – sowohl in den Familien als auch in Institutionen wie der Schule." Das allerdings lasse weiter auf sich warten. Zwar gebe es Bewegung, die patriarchale Struktur sei jedoch weiterhin fest verankert in der indischen Politik, in Verwaltung und Wissenschaft aber auch im privaten Umfeld. "Die Männer bestimmen in fast allen Bereichen dieser Gesellschaft den Gang der Dinge." Vor diesem Hintergrund wird in Familien der oberen Mittelschicht inzwischen großer Wert auf die Ausbildung der Töchter gelegt. "Viele Eltern sind sich der starken Hierarchien bewusst", sagt Minati Panda. "Sie wissen, dass Frauen in der Gesellschaft benachteiligt werden und verwundbar sind. Sie investieren viel Geld, um ihre Töchter mit einer exzellenten Bildung und anderen Fähigkeiten zu rüsten, damit die sich im Leben durchsetzen können." Doch auch in den anderen Bevölkerungsgruppen setzt allmählich ein Umdenken ein. Umesh Chandra arbeitet als Büroassistent in Delhi. Er hat zwei Töchter, fünf und acht Jahre alt. Jeden Monat legt er einen Teil seines Einkommens von umgerecht 250 Euro für deren Ausbildung beiseite. "Es ist wichtig, dass Mädchen zur Schule gehen, um auf derselben gesellschaftlichen Stufe wie Jungen zu stehen", sagt er. "Denn wenn Mädchen gut ausgebildet sind, dann können sie auch zur Entwicklung unseres Landes beitragen." Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-nc-nd/3.0/ Der Name des Autors/Rechteinhabers soll wie folgt genannt werden: by-nc-nd/3.0/ Autor: Stefan Mentschel für bpb.de Urheberrechtliche Angaben zu Bildern / Grafiken / Videos finden sich direkt bei den Abbildungen. 2 von 2 30.05.18, 12:02
— Themenblätter im Unterricht Nr. 100: — Autor: Robby Geyer — Erste Auflage: Oktober 2013 — Internet: www.bpb.de/themenblaetter Bildungsgerechtigkeit Themenblätter im Unterricht / Nr. 100 Bildungsgerechtigkeit — Doppelseitiges Arbeitsblatt im Abreißblock (31 Stück) und Hinweise für den Einsatz im Unterricht
— Internet: www.bpb.de/themenblaetter — Erste Auflage: Oktober 2013 — Autor: Robby Geyer — Themenblätter im Unterricht Nr. 100: Bildungsgerechtigkeit Vorab Inhalt „ Vorab: Zum Autor, Impressum, Lieferbare Themenblätter im Unterricht Lehrerblatt 01– 06: Anmerkungen für die Lehrkraft und Kopiervorlage Arbeitsblatt A / B: Doppelseitiges Arbeitsblatt im Abreißblock (31 Stück) zum Thema „Bildungsgerechtigkeit“ Hinweise: Weiterführende Literatur und Internetadressen Rückseite: Fax-Bestellblatt — Zum Autor — Lieferbare Themenblätter im Unterricht Robby Geyer, Nr. 10: Wer macht was in Europa? Bestell-Nr. 5.360 (neu 2006) geb. 1978, Studium Nr. 37: 20. Juli 1944 – Attentat auf Hitler. Bestell-Nr. 5.387 (neu 2008) der Politikwissen- Nr. 46: Europa in guter Verfassung? Bestell-Nr. 5.396 schaft, Geschichte Nr. 48: Politische Streitkultur. Bestell-Nr. 5.941 Südasiens und Er- wachsenenbildung; Nr. 54: Entscheiden in der Demokratie. Bestell-Nr. 5.947 (neu 2008) seit 2001 in der politischen Bildung Nr. 55: Baukultur und Schlossgespenster. Bestell-Nr. 5.948 und seit 2012 als Fachreferent Nr. 60: Deutschland für Europa. Bestell-Nr. 5.953 bei der Landeszentrale für politische Nr. 63: Akteure in der Politik. Bestell-Nr. 5.956 (neu 2009) Bildung Baden-Württemberg tätig. Nr. 66: Mitmischen: Neue Partizipationsformen. Bestell-Nr. 5.959 Arbeitsschwerpunkte: Staat und Nr. 68: Unternehmensethik. Eigentum verpflichtet. Bestell-Nr. 5.961 Gesellschaft, Europäische Integration, Globalisierung, Freiheit und Sicher- Nr. 69: Olympialand China. Bestell-Nr. 5.962 heit, Indien sowie Evaluation in der Nr. 70: US-Präsidentschaftswahl 2008. Bestell-Nr. 5.963 politischen Bildung. Nr. 71: Mobilität und Umwelt. Bestell-Nr. 5.964 Nr. 74: Terrorabwehr und Datenschutz. Bestell-Nr. 5.967 Veröffentlichungen bei der bpb: - verschiedene Themenblätter im Nr. 75: Bedrohte Vielfalt – Biodiversität. Bestell-Nr. 5.968 Unterricht; Nr. 76: Wasser – für alle!? Bestell-Nr. 5.969 (neu 2009) - Thema im Unterricht: Politik für Nr. 77: Armut – hier und weltweit. Bestell-Nr. 5.970 (neu 2010) Einsteiger, Gesellschaft für Einsteiger Nr. 78: Der Bundestag – Ansichten und Fakten. Bestell-Nr. 5.971 (neu 2009) Nr. 79: Herbst ’89 in der DDR. Bestell-Nr. 5.972 (neu 2011) Nr. 80: 17. Juni 1953 – Aufstand in der DDR. Bestell-Nr. 5.973 (Restauflage) — Impressum Nr. 81: Demokratie – was ist das? Bestell-Nr. 5.974 — Herausgeberin: Bundeszentrale für Nr. 82: Staatsverschuldung – unvermeidbar und gefährlich? Bestell-Nr. 5.975 (Restauflage) politische Bildung/bpb, Adenauerallee 86, Nr. 83: Meilensteine der Deutschen Einheit. Bestell-Nr. 5.976 53113 Bonn, www.bpb.de — E-Mail der Redaktion: moeckel@bpb.de Nr. 84: Afghanistan kontrovers. Bestell-Nr. 5.977 (keine Bestellungen!) Nr. 85: Zusammengewachsen? 20 Jahre Deutsche Einheit. Bestell-Nr. 5.978 — Autor: Robby Geyer Nr. 86: Konjunktur – Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Bestell-Nr. 5.979 (neu 2013) — Redaktion: Iris Möckel (verantwortlich), Simone Albrecht Nr. 87: Arbeitslosigkeit – Ausmaß, Struktur, Ursachen. Bestell-Nr. 5.980 (Restauflage) — Gestaltung: Leitwerk. Büro für Nr. 88: Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung. Bestell-Nr. 5.981 (neu 2013) Kommunikation, Köln, www.leitwerk.com Nr. 89: Mitte der Gesellschaft. Bestell-Nr. 5.982 — Titelfoto: © Pierre-Yves Ginet / laif — Druck: Bonifatius GmbH, Paderborn Nr. 90: Vorurteile. Bestell-Nr. 5.983 (neu ab Ende 2013) Nr. 91: Sprache und Politik. Bestell-Nr. 5.984 Nr. 92: Wachstum ohne Ende? Bestell-Nr. 5.985 (neu ab Ende 2013) Nr. 93: Antisemitismus. Bestell-Nr. 5.986 Nr. 94: Lust auf Lernen? Bestell-Nr. 5.987 (neu ab Ende 2013) Nr. 95: Medien und Politik. Bestell-Nr. 5.988 Nr. 96: Gerechter Klimaschutz. Bestell-Nr. 5.989 (mit Spicker „7 aktuelle Fragen an die Politik“) — Urheberrechte: Text und Illustrationen sind urheberrechtlich geschützt. Der Text kann in Nr. 97: Mobbing in der Schule. Bestell-Nr. 5.990 (mit Spicker „Verstehen wir uns richtig?“) Schulen zu Unterrichtszwecken vergütungs- Nr. 98: Was denken Nazis? Bestell-Nr. 5.991 (mit Spicker „Bundestagswahl 2013 kurzgefasst“) frei vervielfältigt werden. Bei allen gesondert Nr. 99: Bevölkerungsentwicklung und Renten. Bestell-Nr. 5.992 bezeichneten Fotos, Grafiken und Karikaturen liegen die Rechte nicht bei uns, sondern bei Nr. 100: Bildungsgerechtigkeit. Bestell-Nr. 5.993 den Agenturen. Nr. 101: Frieden und Sicherheit. Bestell-Nr. 5.994 — Haftungsausschluss: Die bpb ist für den Inhalt der aufgeführten Internetseiten nicht verantwortlich. — Tipp: Eine Liste sämtlicher Ausgaben (auch der vergriffenen) finden Sie im Internet. Jede — Erste Auflage: Oktober 2013, Themenblätter-Ausgabe kann dort als Farb- oder Schwarz-Weiß-PDF heruntergeladen werden: Bestell-Nr. 5.993, ISSN 0944-8357 (siehe Bestellcoupon auf der vorletzten Seite) www.bpb.de / themenblaetter . — Neu: Arbeitsmaterialien zur Zeitgeschichte. Mehr unter: www.bpb.de / shop / falter — Herausgeberin: Bundeszentrale für politische Bildung / bpb — Verantwortliche Redakteurin: Iris Möckel — Gestaltung: www.leitwerk.com
— Themenblätter im Unterricht Nr. 100: — Autor: Robby Geyer — Erste Auflage: Oktober 2013 — Internet: www.bpb.de/themenblaetter Bildungsgerechtigkeit LehrerbLatt Bildungsgerechtigkeit 01 Bildung – das Vorhandensein von Wissen, Fähigkeiten, Kompetenzen und Verhaltensformen – ist das Ergebnis lebenslangen Lernens, das unbewusst oder be- wusst angeleitet, gesteuert, aber auch intuitiv oder autodidaktisch geschehen kann. Bildung als Menschenrecht – Aufgaben und Funktionen 2 steht für die weibliche Form des vorangegangenen Begriffs Das Recht auf Bildung ist als eigenständiges Menschenrecht in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ von 1948 festgeschrieben. Auch im „Internationalen Pakt über die wirtschaftlichen, — Ziel dieser Ausgabe: sozialen und kulturellen Rechte“ von 1966 (Artikel 13) sowie in der „Europäischen Menschenrechts- Außer mit der Analyse und Be- konvention“ (Zusatzprotokoll) und der „Grundrechtecharta der Europäischen Union“ (Artikel 14) wertung der Bildungschancen im ist es verankert. Darüber hinaus ist das Recht auf Bildung auch ein zentrales Element, um andere deutschen Schulsystem sollen sich die Schüler# mit ihrer eigenen Menschenrechte (z. B. die Menschenwürde) zu garantieren. Bildungsbiografie beschäftigen. Der Bildung und einem erfolgreichen Bildungssystem kommt eine Schlüsselstellung hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes, des geistigen und materiellen Wohlstands — Artikel 26 der der Individuen und des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu. Bildung ist eine wichtige Ressource Allgemeinen Erklärung für die Lebenschancen des Einzelnen#. Ein modernes Bildungsverständnis orientiert der Menschenrechte sich dabei an den drei folgenden Aufgaben (nach: Bildungsbericht 2012, S. 2, siehe „Weiter- führende Hinweise“ hinten): ( 1 ) Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Der Unterricht muss 1. Förderung der individuellen Regulationsfähigkeit wenigstens in der Elementar- und Grundschule unentgeltlich sein. Der Einzelne soll durch Bildung die Möglichkeit erhalten, sein eigenes Leben innerhalb der Der Elementarunterricht ist obligato- Gemeinschaft, sein persönliches Verhalten und sein Verhältnis zur Umwelt selbst zu planen und risch. Fachlicher und beruflicher zu gestalten. Unterricht soll allgemein zugänglich sein; die höheren Studien sollen 2. Förderung von gesellschaftlicher Teilhabe und Chancengleichheit alle nach Maßgaben ihrer Fähigkeiten und Leistung in gleicher Weise offen- Bildung soll den Menschen ermöglichen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und sich ein- stehen. zubringen. Weiterhin soll Bildung Benachteiligungen, die sich aus der sozialen oder ethnischen Herkunft, auf Grund der Religionszugehörigkeit oder des Geschlechts ergeben, entgegenwirken. ( 2 ) Die Ausbildung soll die volle Entfaltung der menschlichen 3. Förderung der Humanressourcen Persönlichkeit und die Stärkung der Bildung ist einerseits wichtig, um den quantitativen und qualitativen Bedarf an Arbeitskräften Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum Ziel haben. abzudecken, der für die wirtschaftliche Entwicklung wichtig ist. Andererseits soll sie jedem Sie soll Verständnis, Toleranz und Einzelnen Wissen und Kompetenzen vermitteln, die es ihm ermöglichen, eine seiner Fähigkeiten Freundschaft zwischen allen Völkern und Neigungen entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben. und allen ethnischen oder religiösen Gruppen fördern und die Tätigkeit der Vereinten Nationen zur Aufrecht- Da Bildung über den Zugang zu Beschäftigung und sich daraus ergebende soziale Positionen mit- erhaltung des Friedens begünstigen. entscheidet, die zu Privilegien oder Benachteiligungen führen können, kommt ihr eine Platzierungs- ( 3 ) In erster Linie haben die Eltern funktion innerhalb einer Gesellschaft zu. Soziale Mobilität ist eng mit dem Bildungsniveau ver- das Recht, die Art der ihren knüpft. Weiterhin hat das Bildungssystem eine Auslese- und Selektionsfunktion. Schüler# Kindern zuteil werdenden Bildung werden zum einen auf Grund ihrer Fähigkeiten und Leistungen auf unterschiedliche Bildungs- zu bestimmen. gänge verteilt. Zum anderen entscheidet nicht nur das Leistungsprinzip, sondern es kommt auch zu einer sozialen Auslese. Dies ist dann problematisch, wenn das Bildungssystem zugleich Chancengleichheit gewähren soll. — Zukunftsaufgaben Chancengleichheit zielt dabei auf die gerechte Verteilung von Lebens- und Zugangschancen, die 50.000 Menschen verlassen jedes u. a. auch durch staatliche Maßnahmen hergestellt werden muss. Dies meint, dass alle Personen Jahr ohne Abschluss die Schule. 22 Arbeitslose kommen auf eine offene unabhängig von Merkmalen der Herkunft oder des Geschlechts gefördert werden, sodass sie Stelle für Ungelernte. 1,5 Millionen sich entsprechend ihren Voraussetzungen, Neigungen und Interessen optimal entwickeln können Menschen im Alter von 15 – 25 Jahren (vgl. Bildungsbericht 2012, S. 210). haben keine Berufsausbildung. — Quelle: DIE ZEIT vom 26.9.2013 — Herausgeberin: Bundeszentrale für politische Bildung / bpb — Verantwortliche Redakteurin: Iris Möckel — Gestaltung: www.leitwerk.com
— Internet: www.bpb.de/themenblaetter — Erste Auflage: Oktober 2013 — Autor: Robby Geyer — Themenblätter im Unterricht Nr. 100: Bildungsgerechtigkeit LehrerbLatt 02 Schulwesen in Deutschland im Wandel Zu den Bildungseinrichtungen gehören auch die Hochschulen sowie die Kindertagesstätten. Von den über 16,8 Mio. Bildungs- Bildungspolitik ist in Deutschland Aufgabe der (Bundes-) Länder. teilnehmenden deutschlandweit im Schuljahr 2010 / 11 be- Durch zahlreiche Reformen in den letzten Jahrzehnten, teilweise suchten etwa 8,8 Mio. eine allgemeinbildende Schule und etwa in allen 16 Ländern, hat sich die Bildungslandschaft immer 2,7 Mio. eine berufliche Schule. Im Vergleich dazu lag die weiter ausdifferenziert. In den Ländern gibt es zahlreiche Schul- Gesamtzahl an Bildungsteilnehmenden im Schuljahr 1998 / 99 formen und unterschiedliche Bildungsgänge. Trotz verschiedener noch bei über 17,6 Mio. Nach der Grundschule besuchen Schultypen besteht die Dreiteilung im Sekundarbereich in Haupt- die meisten Schüler# das Gymnasium: 2010 / 11 waren dies schule, Realschule und Gymnasium – insbesondere was die 2,4 Mio. Jugendliche. Schulabschlüsse angeht – jedoch weiterhin. Im nicht-gymnasialen Bereich wurden Schulformen als Mischung aus Haupt- und Bildungsbeteiligung in Deutschland Realschule gebildet, um in erster Linie ein eigenständiges Hauptschulangebot, welches oftmals als „Restschuleangebot“ Die Bildungsbeteiligung in Deutschland hat in den letzten Jahr- gesehen wird, zu vermeiden (vgl. Dedering / Holtappels in Hand- zehnten stark zugenommen. Ursächlich hierfür ist die Bildungs- buch Bildungsforschung, 2010, S. 365 / 366). expansion. Damit ist der Ausbau des Bildungsangebots im sekundären und tertiären Bereich gemeint. Seit den 1960er Jahren entstanden zahlreiche neue Real- und Gesamtschulen, Gym- — Gliederung des deutschen Bildungssystems nasien und Fachschulen sowie Universitäten und Hochschulen. Dies führt dazu, dass immer mehr Menschen über mittlere oder Tertiärbereich: Universität und (Fach-)Hochschule; Berufsakademie; Fachschule; Abendschule; höhere Bildungsabschlüsse bzw. Qualifikationen verfügen und Bereich der Weiterbildung junge Menschen länger im Bildungssystem verweilen. Gesamtgesellschaftlich führt dies zu einer Höherqualifizierung parallel dazu: Förder- und Sonderschulen Sekundarbereich II: Klassen 10 / 11 bis 13 in der Gymnasialen Oberstufe oder Fach- der Bevölkerung bzw. zu einer Verbesserung der Qualifikations- bzw. Berufliches Gymnasium; Berufsvorbereitungsjahr; struktur. Besonders verdeutlichen dies die Zahlen, wenn man Berufsschule im Rahmen der dualen Ausbildung verschiedene Altersgruppen vergleicht (siehe Schaubild unten). Alter Hat in der Bevölkerungsgruppe der heute 60- bis 65-Jährigen Sekundarbereich I: Klassen 5 bis 9 / 10 fast jeder Zweite einen Hauptschulabschluss und nur 19,6 Pro- an Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Gesamtschule; zahlreiche Mischformen: Werkrealschule, Regelschule, zent die Hochschulreife, so ist es in der Altersgruppe der Mittelschule, Sekundarschule 20- bis 25-Jährigen fast umgekehrt. Hier verfügen 42,1 Prozent über die Hochschulreife, während nur noch 12,8 Prozent einen Primarbereich: Vierjährige Grundschule; Hauptschulabschluss gemacht haben. in Berlin und Brandenburg 6 Jahre Die aktuellen Aufstiegschancen von Hauptschulabsolventen# reichen von Meister# (Handwerk) über Fachwirt# (IHK) zu Elementarbereich: Kinderkrippe und Kindergarten Berufsoberschulen mit (Fach-) Abitur. — Quelle: Bildungsbericht 2012, S. XI; eigene Darstellung, © Leitwerk — Ausgewählte Bevölkerungsgruppen 2010 Nach Angaben des aktuellen Bildungsberichts gab es 1998 / 99 nach Bildungsabschluss (in Prozent) in Deutschland 42.327 allgemeinbildende Schulen. In den Haupt- Abschluss Mittlere Hoch- Jahren 2010 / 11 sank diese Zahl auf 34.486 (davon waren schul- POS * Reife schulreife 3.373 in freier Trägerschaft). Dieser Rückgang ist in erster Linie abschluss dem demografischen Wandel und der damit einhergehenden insgesamt 37,0 7,1 21,7 25,8 sinkenden Zahl von Schülern# geschuldet. Durch das G8 („Turboabitur“) sind die 13er Jahrgänge der Gymnasien weg- 20 – 25 Jahre 12,8 – 33,0 42,1 gefallen. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der beruflichen 40 – 45 Jahre 25,5 12,7 26,0 31,3 Schulen auf über 8.868 zu. Obwohl es etwa 150 Berufsschulen 60 – 65 Jahre 48,4 10,9 15,7 19,6 in Trägerschaft der öffentlichen Hand weniger gab, nahm die Zahl derer in freier Trägerschaft um über 400 zu. — Quelle: Bildungsbericht 2012, * Polytechnische Oberschulen S. 236; eigene Darstellung in der früheren DDR — Herausgeberin: Bundeszentrale für politische Bildung / bpb — Verantwortliche Redakteurin: Iris Möckel — Gestaltung: www.leitwerk.com
— Themenblätter im Unterricht Nr. 100: — Autor: Robby Geyer — Erste Auflage: Oktober 2013 — Internet: www.bpb.de/themenblaetter Bildungsgerechtigkeit LehrerbLatt 03 Triebfedern der Bildungsexpansion waren und sind ein ange- 6,6 Prozent der Schulabgänger ohne Abschluss blieben. Die stiegener Bedarf an Bildung (neue Qualifikationsanforderungen) Quote bei Deutschen lag bei 5,9, bei Ausländern# hingegen bei durch Fortschritte in Wissenschaft und Technik, die zu einer 13,1 Prozent. Umgekehrt verließen 35,7 Prozent der deutschen Technologisierung von Arbeits- und Lebenswelt geführt haben. Absolventen# die Schule mit der allgemeinen Hochschulreife. Außerdem kommt es zu einer zunehmenden Komplexität von Bei den Ausländern# waren es nur 13,2 Prozent. Wirtschaft und Gesellschaft, die sich in der Zunahme von Differenzierung und Spezialisierung äußert. Dies alles kumuliert — Klassenwiederholung bei 15-Jährigen nach im Begriff der Wissensgesellschaft als Ausdruck der gesellschaft- sozialökonomischem Status (in Prozent) lichen Modernisierung und des sozialen Wandels. Der Wandel in der Arbeitswelt lässt sich auch durch die Veränderung ohne mit von der Industrie- hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft Migrations- Migrations- beschreiben. Immer mehr Menschen arbeiten im Dienstleistungs- insgesamt hintergrund hintergrund bereich, in dem oftmals anspruchsvollere Kenntnisse und insgesamt 20,8 17,2 29,1 Qualifikationen vorausgesetzt werden. hoher Status 14,0 13,0 19,2 Bildungsbeteiligung und schwierige Lebenslagen mittlerer Status 19,3 16,9 27,2 niedriger Status 26,6 21,9 33,2 In Deutschland spielen soziale Herkunft und familiäre Verhältnisse eine zentrale Rolle für die Bildungsbeteiligung und den Kompetenz- — Quelle: Bildungsbericht 2012, S. 258; eigene Darstellung erwerb junger Menschen. Merkmale des familiären Umfelds wie Bildungsniveau, sozioökonomischer Status und Erwerbs- Bildungstrichter beteiligung beeinflussen die Bildungs- und Entwicklungsprozesse. Besonders eindrücklich zeigt der so genannte Bildungstrichter, Insbesondere dann, wenn Kinder und Jugendliche in sogenannten wie sich der familiäre Bildungshintergrund auf den Bildungsweg Risikolagen aufwachsen, verlaufen solche Prozesse schwieriger. auswirkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Akademiker-Kinder die Zu diesen zählt die Herkunft aus einem „bildungsfernen“ gymnasiale Oberstufe besuchen, ist 1,8 mal höher als bei Kindern Elternhaus, wenn kein Elternteil einen Bildungsabschluss hat. von Nicht-Akademikern#, und die Wahrscheinlichkeit bei Zweitens spricht man von einer sozialen Risikolage, wenn Akademiker-Kindern, ein Studium zu beginnen, ist sogar die Eltern nicht erwerbstätig sind und drittens von einer finanzi- 3,3 mal höher im Vergleich zu Kindern von Nicht-Akademikern# ellen Risikolage, wenn das Einkommen unterhalb der Armuts- (vgl. 20. Sozialerhebung, S. 110 / 111). Im Zeitverlauf ist auffällig, gefährdungsquote liegt. dass der Anteil bei den Studierenden, bei denen auch beide Der Bildungsbericht 2012 zeigt, dass der Anteil von Kindern Elternteile einen akademischen Abschluss (Bildungsherkunft und Jugendlichen, die sich in Risikolagen befinden, zwischen hoch) haben, zwischen 1985 und 2012 von 8 auf 22 Prozent 2005 und 2010 leicht zurückgegangen ist. Zugleich zeigt gestiegen ist. Im gleichen Zeitraum ist der Anteil der Studie- sich, dass besonders die Kinder von Alleinerziehenden und renden mit niedriger Bildungsherkunft (max. ein Elternteil Migranten# überdurchschnittlich stark betroffen sind (siehe mit beruflichem Abschluss) von 29 auf 9 Prozent gesunken Bildungsbericht 2012, S. 225). (vgl. 20. Sozialerhebung, S. 88 / 89). Benachteiligung im Bildungswesen Bildung und Erwerbsarbeit Benachteiligungen im Bildungssystem lassen sich heute haupt- Zusammenhänge gibt es auch zwischen einem hohen Ausbil- sächlich bezüglich der sozialen Herkunft und eines Migrations- dungsniveau und einem hohen Einkommen. So lag das monatli- hintergrunds feststellen. Zudem sind Migrantenkinder deutlich che Bruttoeinkommen eines Vollzeitbeschäftigten# mit Hoch- stärker von Risikolagen betroffen. Die oben stehende Tabelle schulabschluss durchschnittlich bei 4.500 Euro (Mann) bzw. zu den Klassenwiederholungen verdeutlicht diese Problematik 3.211 Euro (Frau), während es bei Personen mit Hauptschulab- eindrucksvoll. Auch bei den Kompetenzen (z. B. Lesefähigkeit) schluss und beruflicher Ausbildung bei 2.300 bzw. 1.500 Euro lag. zeigen sich nach wie vor schlechtere Werte für Schüler# mit Außerdem steigt mit dem Bildungsniveau auch die Wahrschein- Migrationshintergrund, wenngleich hier in den letzten Jahren lichkeit, einen Arbeitsplatz zu haben. Umgekehrt sind die Er- Fortschritte erzielt wurden. Während 3,6 Prozent aller 15-Jährigen werbslosigkeit bzw. die Nicht-Erwerbstätigkeit bei Personen in der untersten Kompetenzstufe sind, liegt der Anteil bei ohne Abschluss oder mit Hauptschulabschluss deutlich höher der 1. bzw. 2. Migrantengeneration bei 9,8 bzw. 9,7 Prozent. als bei Studierten (9,6 zu 2,7 bzw. 34,3 zu 10,1 Prozent). Als drittes Beispiel lässt sich anführen, dass 2010 insgesamt — Herausgeberin: Bundeszentrale für politische Bildung / bpb — Verantwortliche Redakteurin: Iris Möckel — Gestaltung: www.leitwerk.com
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