Sicherheit im Smart Grid - Eckpunkte für ein Energieinformationsnetz - Stiftungs-Verbundkolleg
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Sicherheit im Smart Grid Eckpunkte für ein Energieinformationsnetz Claudia Eckert 1101 1110 1010 1101 1011 1110 1110 1111 Stiftungs-Verbundkolleg 90
Seite 1 Sicherheit im Smart Grid Eckpunke für ein Energieinformationsnetz Inhaltsverzeichnis Impressum Stiftungsreihe 90 1 Einleitung 3 Redaktion Dr. Dieter Klumpp 2 Herausforderungen durch das Smart Grid 4 (Leitung) Petra Bonnet M.A. 3 Sicherheit und Datenschutz 8 3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen 8 3.2 Technische Rahmenbedingungen 9 3.3 Organisatorische Rahmenbedingungen und Sicherheitsmanagement 10 4 Stand der Technik 11 4.1 Smart Meter und Messtechnik 12 Druck der Broschüre 4.2 Kommunikationsinfrastrukturen 15 DCC Kästl GmbH & Co. KG 4.3 IKT-gestützte Energiemanagementsysteme 16 Alle Rechte vorbehalten © 2011 4.4 Normungsaktivitäten 18 Die Alcatel-Lucent Stiftung 5 Ausgewählte Angriffsszenarien 20 für Kommunikationsfor- schung ist eine nichtrechts- fähige Stiftung in der treu- 6 Forschungsbedarf 24 händerischen Verwaltung des Stifterverbandes für die 6.1 Smart Meters, Gateways, Sensorik 25 Deutsche Wissenschaft. 6.2 Kommunikationsinfrastruktur 26 Angaben nach § 5 TMD/ 6.3 Energiemanagementsysteme 27 § 55 RfStv 7 Erstellen einer Roadmap „IT-Sicherheit im Smart Grid“ 29 Stifterverband für die Deut- 7.1 Handlungsempfehlungen zur Erstellung einer sche Wissenschaft e.V. Barkhovenallee 1 nationalen Sicherheits-Roadmap 30 45239 Essen Telefon: (02 01) 8401-0 7.2 Entwicklung einer Forschungsagenda 33 Telefax: (02 01) 8401-301 E-Mail: 8 Zusammenfassung 34 mail@stifterverband.de Geschäftsführer: Prof. Dr. Andreas Schlüter Projekt NEWISE 37 (Generalsekretär) ISSN 0932-156x
Seite 3 Sicherheit im Smart Grid - Eckpunke für ein Energieinformationsnetz Claudia Eckert, Christoph Krauß, Peter Schoo Das Energieinformationsnetz ist eine sicherheits- 1 Einleitung kritische Infrastruktur, deren Ausfall oder (par- Energie gehört zu den Lebensadern der interna- tielle) Störung gravierende gesellschaftliche und tionalen Wirtschaft. Während die fossilen Ener- volkswirtschaftliche Schäden nach sich zieht. Ne- gieträger zunehmend knapper werden, steigt in ben den erforderlichen Netzen, um Daten recht- Folge der fortschreitenden Industrialisierung der zeitig, korrekt, Privatsphären-bewahrend, ver- Energiebedarf gewaltig mit gravierenden Konse- traulich und vollständig (aus Sicht des Dienstes, quenzen für den Klimaschutz. Die Verknappung der die Daten benötigt) zwischen allen beteiligten der fossilen Energiequellen und die ungelöste Parteien auszutauschen, werden insbesondere Umweltproblematik der Nuklearenergie erfor- auch dezentral betriebene, kooperative Mana- dern nachhaltig wirkende Lösungen, um den gementsysteme und verteilte Service-Plattfor- steigenden Energiebedarf zu befriedigen und men benötigt, um Angebot- und Nachfrage so- gleichzeitig die Umwelt zu schonen. Notwendig wohl auf einer mikroskopischen Ebene (räumli- sind Energie-Systeme zur breitflächigen Nutz- cher Nahbereich) als auch auf einer makros- barmachung erneuerbarer Energien und die sys- kopischen Ebene (zwischen Energieversorgern, tematische Umsetzung von Energiesparmaß- Länder- und Kontinent-übergreifend) zu koordi- nahmen. Im Gegensatz zu konventionellen Ener- nieren. Im Folgenden bezeichnen wir ein solches giequellen weisen aber erneuerbare Energie- komplexes System von Systemen bestehend aus quellen wie Wind, Sonne oder Wasserkraft ein IKT-Infrastrukturen und Energieinformations- stark zeitvariantes Verhalten auf und können nur managementsystemen als Energieinformations- gekoppelt mit Energiespeicherverfahren zum netz bzw. in Übernahme der englisch sprachli- Einsatz kommen. Die klassische Lösung eines Ver- chen Beschreibung als Smart Grid. bundes von Grundlast- und zugeschalteten Spit- Abbildung 1 veranschaulicht ein solches System. zenlast-Kraftwerken mit einer hierarchischen Die European Technology Platform Smart Grids Verteilung von Energie zur Verteilnetzebene (vgl. [ETPS2008]) definiert ein Smart Grid wie muss strukturell verändert werden, da erneuer- folgt: “A Smart Grid is an electronically network bare Energien beispielsweise durch Photovoltaik- that can intelligently integrate actions of all users anlagen auch auf Verteilnetzebene eingespeist connected to it – generators, consumers and werden und damit die Energiegewinnung nicht those that do both – in order to efficiently deliver mehr hierarchisch sondern dezentral ist. Dies er- sustainable, economic and secure electricity sup- fordert eine geeignete IKT-Infrastruktur zur plies.“ Das National Institute of Standards and Steuerung des Energietransports. Technology (NIST) in den USA nimmt eine etwas Durch ein dezentrales Management der Ver- erweiterte Sicht auf das Smart Grid ein, die auch brauchs- und Angebotsdaten ermöglicht die diesem Papier zugrunde liegt. Das Smart Grid steuernde IKT-Infrastruktur, den Stromverbrauch gemäß NIST (vgl. [EPR2009]) ist: „… moderniza- nachhaltig zu senken und dabei gleichzeitig die tion of the electricity delivery system so it moni- Energiekosten zu reduzieren, aber dennoch die tors, protects and automatically optimizes the Versorgungssicherheit zu gewährleistet. Dies operation of its interconnected elements, from dient letztlich auch dem Klimaschutz. the central and distributed generator through
Seite 4 Abbildung 1: Komponenten eines Smart Grid the high-voltage transmission network and the gesteuert, betrieben und gewartet. Sie bestehen distribution system, to industrial users and build- aus einer Vielfalt heterogener Systeme und sind ing automation systems, to energy storage in- komplex vernetzte Systeme. Steuernde, einge- stallations and to end-use consumers and their bettete Systeme wie Sensoren und Aktoren und thermostats, electric vehicles, appliances and physikalische und betriebliche Prozesse (Physical other household devices.” System) werden integriert und über vielfältige Vernetzungstechnologien unter Einbeziehung des Internets zu einem übergreifenden, vernetz- 2 Herausforderungen durch das Smart Grid ten System, dem Cyber-Physical System (u.a. [Wolf09]) verbunden. Derartige Systeme kombi- Während die Energieverteilnetze bereits verhält- nieren autonome, ressourcenschwache physikali- nismäßig gut ausgebaut sind, ist ein Großteil der sche Geräte, wie u. a. digitale Zähler (Smart Me- Informations- und Kommunikationsinfrastruktur ter) mit ressourcenstarken Backend- und Infor- und der Software-Plattformen neu zu gestalten mationsmanagement-Systemen. Die verschiede- bzw. sind bestehende Infrastrukturen entspre- nen Komponenten kommunizieren über draht- chend auszubauen. Das Energieinformationsnetz lose oder drahtgebundene Vernetzungstechnolo- der Zukunft ist charakterisiert durch eine dezen- gien, wie WLAN, UMTS oder auch Powerline. Die trale Struktur (vgl. Abbildung 1). Die Verbrauchs- Systeme sind zudem durch eine hohe Dynamik daten werden dezentral erfasst und abgerechnet, charakterisiert. Mobile Stromverbraucher und und die Systeme werden vollständig dezentral Stromerzeuger in Form von Elektrofahrzeugen
Seite 5 Abbildung 2: Vernetzungsszenarien zukünftiger Smart Grids (Elektromobilitätsszenarien) und private Strom- gebot zu erfassen, und es muss Steuermöglich- Erzeuger, die dynamisch ihren erzeugten Strom keiten zur Verfügung stellen, zur Aktivierung/De- in die Netze einspeisen, erfordern ein adaptives, aktivierung von Energieverbrauchern und zur dynamisches Management (Demand Side Mana- Nutzung gespeicherter Energie. Um diese Aufga- gement), das in der Lage ist, Lastspitzen zu ver- ben zu erfüllen, ist die Einführung einer IKT- meiden, Energie zwischenzuspeichern und ab- gestützten Erfassung des dezentralen Energie- rufbar zu halten etc.. Der Markt ist dereguliert verbrauchs und ggf. der dezentralen Energieer- und muss als ein offener Dienstleistungsmarkt- zeugung zur Einspeisung in das Energienetz platz für Anbieter und Verbraucher konzipiert durch Smart Meter erforderlich. und umgesetzt sein. Um Interessenskonflikte zu vermeiden, müssen Abbildung 2 visualisiert eine Vision dieser zu- die Zuständigkeiten für die Wahrnehmung der künftigen Energieinformationsnetze bzw. Smart Aufgaben von Erzeugung, Messung, Transport Grids. und Abrechnung von Energieeinheiten entkop- Das zu entwickelnde Smart Grid muss die Ge- pelt werden. Gleichzeitig erfordert ein globales samtheit aller zentralen und dezentralen Ener- Funktionieren eines solch komplexen Systems, giequellen und -senken sicher und zuverlässig dass die beteiligten Parteien Daten austauschen miteinander verbinden. Es muss Komponenten und kooperieren. und Dienste anbieten, um den momentanen Energiebedarf und das momentane Energiean-
Seite 6 Im zukünftigen Smart Grid werden die Funkti- und Vollständigkeit der Daten, die für das Last- onsbereiche wie das Erzeugen der Energie1, der management benötigt werden, für die Netz- Transport und die Verteilung der Energie, das betreiber essentiell, während für den privaten Messen des Verbrauchs, das Übermitteln der Endkunden die Vertraulichkeit seiner Verbrauchs- Messdaten oder das Erstellen der Rechnungen, und Abrechnungsdaten und deren Korrektheit si- die früher in der Regel in einer Hand lagen, von cherlich vordringliche Schutzbedarfe darstellen. unterschiedlichen Geschäftspartnern (legal un- Das konzeptuelle Modell liefert darüber hinaus bundling) ausgeübt. Damit erlangen die Ge- einen guten Ansatzpunkt, um Abhängigkeiten schäftsbeziehungen zwischen den verschiedenen zwischen Subsystemen zu identifizieren und Do- Teilnehmern am Markt einen immer wichtigeren mänen gegeneinander abzugrenzen. So werden Stellenwert. Das resultierende Smart Grid ist ein beispielsweise im Bereich der Steuerung der komplexes IKT-System, bestehend aus einer Viel- Energieübertragung vielfach SCADA2-Netze ein- zahl heterogener Subsysteme (Hardware und gesetzt, die in Smart Grid-Szenarien nicht mehr Software), die dezentral verwaltet werden, teil- wie bislang noch üblich isoliert betrieben wer- weise nach Bedarf hinzu- und wieder abgeschal- den, sondern vermehrt an das Internet angebun- tet werden und sehr unterschiedliche Anforde- den und darüber mit anderen Subsystemen ge- rungen an die zu gewährleistende Sicherheit be- koppelt sind. Ein Angriff auf ein verwundbares sitzen (mehrseitige Sicherheit). SCADA-System kann sich damit kaskadierend in Abbildung 3 verdeutlicht die Komplexität der In- die angeschlossenen Netzsegmente ausbreiten, frastruktur und die Abhängigkeiten zwischen den bzw. über diese Netze können gezielt Angriffe Subsystemen. Ein solches Smart Grid stellt hohe auf verwundbare SCADA-Systeme durchgeführt Anforderungen an die Qualität der verarbeiteten werden. Die Abbildung veranschaulicht auch, Daten, die zur Steuerung der gesamten Strom- dass die digitalen Zähler (im Bild im Kasten rechts versorgung und der Abrechnung der Leistungen unten als eine Komponente im Bereich der Heim- verwendet werden. Die Abbildung beschreibt das automatisierung) lediglich ein Baustein in dem von der NIST (vgl. [Lee2009]) entwickelte konzep- Gesamtsystem eines Smart Grid sind. Die Abbil- tuelle Modell einer Referenzarchitektur für das dung verdeutlich zudem, dass die Sensoren, Zäh- Smart Grid. Die Abbildung verdeutlicht die ver- ler oder aber auch lokalen Energieerzeugungs- schiedenen Akteure in einem solchen Grid. Bei- Komponenten eines Haushaltes (rechter Kasten spiel für Akteure sind Kunden, Energieversorger, unten) zum einen miteinander mittels Kommuni- Energielieferanten, Energie-Erzeuger, Service- kationstechnologie wie WLAN vernetzt sind und Anbieter, Marktplatzanbieter etc.. Diese Akteure zum anderen über verschiedene Netze an die repräsentieren Rollen, die ähnliche Ziele, einen Außenwelt angekoppelt sind. Ein bidirektionaler ähnlichen Schutzbedarf sowie ähnliche Rechte Datenverkehr ist möglich wie beispielsweise ein und Pflichten haben. Diese konzeptuelle Bünde- Fernzugriff über ein IKT-Netz auf einen Sensor. lung von Aktivitäten zu Rollen ist für eine Sicher- heitsbetrachtung sehr nützlich. Sie ermöglicht es, Schutzbedarfe aus Sicht der unterschiedlichen Akteure zu erfassen. So ist beispielsweise eine hohe Verfügbarkeit, hohe Integrität, Aktualität 1 Mit Energie-Erzeugung ist hier und im Folgenden die Umwandlung von Primärenergie in Nutzenergie 2 gemeint. SCADA: Supervisory Control And Data Acquisition
Seite 8 3 Sicherheit und Datenschutz teien, Daten kooperativ auszutauschen. Die gel- tenden Datenschutzgesetze verbieten bereits Die Integration von geeigneten Sicherheitsmaß- heute eine Profilbildung des Endverbrauchers nahmen [Eck2009] zur Wahrung der Vertraulich- hinsichtlich seiner Lebensgewohnheiten. Ein keit der ausgetauschten Daten und des Schutzes Smart Grid erfordert somit Lösungskonzepte und der Privatsphäre, aber auch zur Sicherstellung Architekturen, um diese rechtlichen Auflagen zu der Korrektheit, der Vollständigkeit der außer- erfüllen. Dazu ist zu klären, welche Daten über- halb des eigenen Kontrollbereichs verarbeiteten haupt sinnvoll zu erheben sind, wie eine geeigne- Daten sowie die Rechtzeitigkeit der Erbringung te Aggregierung und Anonymisierung zu gestal- der gewünschten Dienstleistungen sind eine un- ten ist und wie durch dezentrale Verarbeitungs- abdingbare Voraussetzung dafür, dass ein sol- schritte eine Profilbildung systematisch verhin- ches Smart Grid funktionsfähig und nutzbar ist. dert werden kann. Für das kooperative Manage- Dies ist notwendig, um von den Verbrauchern ment sind Maßnahmen zu entwickeln, so dass auch akzeptiert zu werden und damit die ge- kritische Daten auch zwischen konkurrierenden wünschten Effekte hinsichtlich Energieeinspa- Unternehmen vertrauensvoll ausgetauscht wer- rung und Umweltschutz erfüllen zu können. den können, um globale Lagebilder zu erstellen, Das Smart Grid muss von Anfang an so konzipiert ohne den Datenschutz zu gefährden. werden, dass es angriffsresistenter als bisherige Infrastrukturen ist, da ein Smart Grid in besonde- 3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen rer Weise eine schützenswerte kritische Infra- struktur darstellt, die vielfältige Angriffsziele bie- Das Datenschutzrecht hat bei der Stromversor- tet. Mit der zunehmenden Abhängigkeit von ei- gung bisher eine eher untergeordnete Rolle ge- nem zuverlässigen und robusten Smart Grid für spielt [Ro2010]. Für die Durchführung und Ab- die Versorgungssicherheit steigt die Verletzlich- rechnung der Stromversorgungsverträge wur- keit und Verwundbarkeit durch gezielte Angriffe den nur wenige personenbezogene Daten ver- (Terroranschläge, Hackeraktivitäten, Manipulati- wendet. Insbesondere wurde der Energiever- onsversuche). brauch in der Regel nur einmal jährlich erfasst. Eine Herausforderung ist zudem die systemati- Die Einführung des Smart Grid verursacht jedoch sche Integration von geeigneten Maßnahmen, vielfältige Risiken für die informationelle Selbst- um auch in Ausnahme- und Notfällen das kom- bestimmung sowie für die Entscheidungs- und plexe, vielparametrige System noch zu beherr- die Entfaltungsfreiheit [Cav2010], so dass sich die schen. Die dezentrale Infrastruktur erfordert ko- Bedeutung des Datenschutzrechts enorm erhö- operative Konzepte und eine Kombination aus hen wird [Ro2010b]. Insbesondere die Einführung lokalen und globalen Maßnahmen, deren jeweili- tageszeit- und lastvariabler Tarife und die für die ge Abhängigkeiten und Auswirkungen verstan- Optimierungsbestrebungen erforderliche detail- den und beherrscht werden müssen. Um ein genaue Erfassung der Energieverbrauchswerte rechtzeitiges und teilautonomes Handeln zu er- führen dazu, dass der Umfang der Erhebung möglichen, werden zudem in stärkeren Maß (personenbezogener) Daten erheblich steigen selbstorganisierenden Prinzipien eingesetzt wer- wird. Die Daten werden eine neue Qualität auf- den müssen. weisen, die vor allem in der inhaltlichen und zeit- Der Datenschutz steht häufig im Konflikt zum Be- lichen Nähe zum realen Geschehen sowie in der darf an Daten für die Steuerbarkeit des Energie- Dichte der Angaben liegt, so dass ihnen bei einer verbrauchs. Mangelhafter Datenschutz behindert Auswertung eine erhöhte Aussagekraft zukommt andererseits die Bereitschaft der beteiligten Par- und damit das Risiko der Erstellung von Persön-
Seite 9 lichkeitsprofilen steigt. Da die Stromversorgung gen an die Datensicherheit entsprechend dem zudem zu den elementaren Lebensbedürfnissen jeweiligen Stand der Technik normativ gewähr- gehört und praktisch jeder Haushalt, jedes Un- leistet werden. Der verfassungsrechtliche Auftrag ternehmen, jede Behörde und jede öffentliche des Staates erfordert es, die Interessen der All- Einrichtung ständig und dauerhaft Energie be- gemeinheit an einer zukunftssicheren Energie- zieht, wird nahezu jeder Lebensbereich von den versorgung und dem Schutz der Umwelt zu för- Datenerhebungen erfasst. dern und gleichzeitig das individuelle Grundrecht Die Anzahl der beteiligten Akteure, zwischen de- auf informationelle Selbstbestimmung angemes- nen ein Datenaustausch stattfindet, wird vor al- sen zu berücksichtigen. Inzwischen fordern die lem aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zur Ent- Datenschutzbeauftragten des Bundes und der flechtung der Energieversorgungsbetriebe und Länder eine gesetzliche Regelung für die Erhe- zur Öffnung des Messwesens anwachsen. bung der Verbrauchsdaten. Schließlich werden aufgrund der Vervielfältigung der Zwecke, für die die Daten zukünftig benötigt 3.2 Technische Rahmenbedingungen werden, die Anzahl der Datenverarbeitungsvor- gänge erheblich zunehmen. Die wesentlichen technischen Rahmenbedingun- Die datenschutzrechtlichen Risiken können nur gen lassen sich wie folgt klassifizieren: durch eine datenschutzkonforme, technische und organisatorische Gestaltung des Energieinforma- • Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen tionsnetzes vermieden oder zumindest gemin- und Energiespeicherung, dert werden. Um eine möglichst hohe Effektivität • Messtechnik zur Online-Erfassung von Ener- zu erreichen, muss diese datenschutzkonforme gieflüssen einschließlich zugehöriger Daten- Technikgestaltung bereits im Entwicklungspro- verarbeitung (zeitliche Verläufe, Statistiken, zess vorgenommen werden. Eine datenschutz- Speicherung), rechtliche Bewertung auf der Grundlage gesetzli- • Kommunikationsinfrastrukturen zur Verbin- cher Einzelfallprüfungen bei gleichzeitig klarer dung von Energieerzeugern, Energieverbrau- Rollenverteilung zwischen verarbeitender Stelle chern (inklusive der Web-Schnittstellen zum und Betroffenen ist vor dem Hintergrund der be- Zugriff auf die persönlichen Energiedaten), sonderen datenschutzrechtlichen Risiken des Messstationen, Energiemanagementsyste- Energieinformationsnetzes nicht mehr realisier- men und -administrationen, bar. Zudem greifen sie in der Schutzintensität für • Energiemanagementsysteme zur dezentralen die informationelle Selbstbestimmung zu kurz. Steuerung (z.B. in einem Unternehmen oder Zur Unterstützung und Ergänzung einer daten- privaten Haushalt) sowie zur übergeordneten schutzgerechten Gestaltung des Energieinforma- Gesamtsteuerung, tionsnetzes sollte der Gesetzgeber Rahmenrege- • Verfahren zur Sicherstellung eines ungestör- lungen vorsehen, die die Chancen der informati- ten Betriebsablaufs bei Teilausfall, vor- onellen Selbstbestimmung trotz der beschriebe- sätzlichen Angriffen oder Katastrophen- nen Risiken erhöhen. Die besondere Schutz- szenarien. bedürftigkeit der Energiedaten könnte durch die Einführung eines Energieinformationsgeheimnis- Ein wichtiges Elemente in der zukünftigen IKT- ses, eine strenge Zweckbindung, die durch zu- Landschaft der Energiebranche ist die kommuni- sätzliche Transparenzanforderungen gestützt kationstechnische Vernetzung, also ein Kommu- wird, sowie gesetzlich manifestierte Anforderun- nikationsnetz [Orl2009], das parallel zum Ener-
Seite 10 gienetz für die Übermittlung von z.B. Mess- und täten gesetzt [Li2010]. Benötigt werden Empfeh- Steuerdaten sowie Tarifinformationen sorgen lungen und Handlungsanleitungen für charakte- soll. ristische Einsatzszenarien. Dabei sind zwei Bereiche für die Kommunikation Der zweite Bereich betrifft die Kommunikations- von großem Interesse: netze zwischen dem Energieinformations-Gate- (1) der lokale Bereich beim Kunden, der auch Teil way beim Kunden und einer zentralen Instanz einer Heimautomatisierung sein kann, und des Versorgers, dem Energieinformationsmana- gementsystem. Auch hier gibt es eine Reihe von (2) der Bereich zwischen dem Kunden und dem Optionen wie das Telefonnetz (PSTN, ISDN), DSL- Versorger. Anschluss, Kabelnetz, oder aber auch den Mobil- Das Kommunikations-Gateway stellt das Binde- funk. Auch neue oder heute noch selten einge- glied zwischen diesen beiden Bereichen dar. Es setzte Techniken sind mögliche Kandidatenwie wird als Protokollwandler die Kommunikation Powerline-Übertragung (Nutzung der Stromlei- über diese Grenze hinweg erlauben, gleichzeitig tung), drahtloser Festnetzanschluss (Wireless Lo- aber auch als Filter agieren und die Bereiche ge- cal Loop WLL, WiMAX), Glasfaser direkt in die Nä- geneinander abschotten. Weiterhin könnte dieses he oder ins Haus (Fiber to the X FTTX). Wie für Gateway auch als Plattform für zukünftige Dien- den Heimbereich müssen auch hier Empfehlun- ste dienen. Je nach Gegebenheiten und Erforder- gen und Handlungsanleitungen erarbeitet wer- nissen sind unterschiedliche Architekturen mög- den, um unter Berücksichtigung der jeweiligen lich. So kann ein solches Gateway dediziert einen vorhandenen anlagenspezifischen Eigenschaften Kunden, aber auch mehreren Kunden bedienen, und den Anforderungen eine geeignete Auswahl z.B. in einem Mehrfamilienhaus, oder sogar in ei- und Kombination von Technologien zu treffen. ner Vorfeldeinrichtung untergebracht sein, wie der Trafostation des Energieversorgers, um dann mehrere Häuser abzudecken. Ein solches Gate- 3.3 Organisatorische Rahmenbedingungen way lässt sich zudem nicht nur für den Bereich und Sicherheitsmanagement der Stromversorgung einsetzen, sondern kann im Sinne einer „Multi-Utility Unit“ auch für die Berei- Umfassende Sicherheit ist kein unveränderbarer che Gas, Wasser und Fernwärme zuständig sein. Zustand, der einmal erreicht wird und sich nicht wieder ändert. Insbesondere in sich noch entwi- Die Vernetzung im Heimbereich, also zwischen ckelnden Bereichen wie einem Smart Grid wird Verbrauchsmessung mittels elektronischer Mess- der Betrieb der Netzwerke und IKT-Systeme technik, dem Gateway und eventuellen weiteren ständigen dynamischen Veränderungen unter- Elementen einer Heimautomatisierung, kann mit- worfen sein. Viele dieser Veränderungen betref- tels unterschiedlicher Technologien erfolgen. Zur fen neben Änderungen der Geschäftsprozesse, Auswahl stehen bereits heute verschiedene der IKT, von Fachaufgaben, Infrastruktur und Or- drahtgebunden Technologien, wie M-Bus, Kon- ganisationsstrukturen auch die IT-Sicherheit und nex, LON, oder aber auch die Mitbenutzung der den Datenschutz. Dies gilt insbesondere für die Stromleitung (z.B. Digitalstrom, X10, PLC auf Energieversorgung als nationale kritische Infra- OFDM-Basis), sowie verschiedenste Funktechni- struktur, die angemessene Sicherheitsstandards ken wie Bluetooth, Zigbee, WLAN, Wireless-M- für die nachhaltige, weitere Verbesserung des Si- Bus, oder aber auch Glasfaser (POF) und Frei- cherheitsmanagements der Systeme aller betei- raumoptik (IrDA). Alle diese Techniken haben ihre ligten Parteien benötigt. spezifischen Vor- und Nachteile und in jedem eu- ropäischen Land werden andere Auswahlpriori-
Seite 11 Um dauerhaft ein einmal erreichtes bzw. festge- Smart Grid eingesetzt werden können (z.B. Lage- legtes Sicherheitsniveau aufrecht zu erhalten, bild und Health-Monitoring). Zudem werden in muss das Sicherheitsmanagement aktiv betrie- den bisherigen Ansätzen die domänenspezifi- ben werden. Ein mögliches Vorgehensmodell schen Standards wie IEC 62351, ISA SP99, NERC hierzu wird beispielsweise in den IT-Sicherheits- CIP oder domänenspezifische Normen für das Si- prozessen des „PLAN-DO-CHECK-ACT“- Regelkrei- cherheitsmanagement wie VDI/VDE 2182, IEC ses (ISO 27001) beschrieben. Die Umsetzung der 6244 nur unzureichend in die Betrachtung mit Sicherheitsprozesse erfolgt heute unter Berück- einbezogen. sichtigung des Best Practice-Standards ITIL V3 und ist die Basis für das Managementsystem für Informationssicherheit (ISMS) nach ISO 27001. In 4 Stand der Technik der Planungsphase des Sicherheitsmanagements werden Sicherheitsmaßnahmen definiert und Forschung und Entwicklung zur Gewinnung und vorbereitet und ihre konkreten Sicherheitsmaß- Speicherung erneuerbarer Energien erfolgen be- nahmen werden in der Ausführungsphase den reits seit Jahren. Diese Entwicklungen sind nicht jeweiligen systemischen Anforderungen ange- abgeschlossen, werden aber im Folgenden nicht passt bzw. durch neue Maßnahmen bereichert. weiter ausgeführt, da sich das Papier auf IKT- Hier wird entschieden, welche Maßnahmen an- Aspekte beschränkt. Mit der Einführung von IKT- gemessen und für den konkreten Fall effektiv Lösungen für die vernetzten Teilsysteme der wirksam sind. Um derartige Fragen zu beantwor- Energieversorgung wurden und werden den rein ten, werden die Methoden aus dem Risikomana- betrieblichen Anforderungen nach Betriebs- gement verwendet, um letztlich Gegenmaßnah- sicherheit und Systemverfügbarkeit neue Anfor- men zu definieren und Entscheidungen unter derungen hinzugefügt. Wie in vielen anderen Fäl- Abwägung des verbleibenden Restrisikos treffen len überwogen häufig Time to Market-Ziele, und zu können. es wurden durch die neuen Technologien verän- derte Anforderungen übersehen und IT- Die heute verwendeten Methoden des Risikoma- Sicherheit eher vernachlässigt [SP2010]. Spätes- nagements basieren auf Best Practice-Vorge- tens seit dem Ausfall der elektrischen Fernver- hensmodellen und stellen ein Rahmenwerk dar, sorgung im Westen der Vereinigten Staaten von um die Sicherheit und Verfügbarkeit in Energiein- 1996 ist die Notwendigkeit von Sicherungsmaß- formationsnetzen nachhaltig zu gewährleisten. nahmen und der Schutz vor kaskadierenden Ef- Ob diese Normen und Vorgehensweisen auch im fekten allen Betreibern vor Augen geführt wor- Smart Grid anwendbar sind, ist jedoch noch zu den, und die Gesellschaft konnte von der Abhän- klären. So werden durch neue Geschäftsmodelle gigkeit von kritischen Infrastrukturen erfahren Abhängigkeiten, Verantwortungsbereiche und [KO2003]. Schnittstellen und damit auch das jeweilige Risi- komanagement neu zugeschnitten. Zusätzlich Welche Konsequenzen ein gezielter Angriff für entstehen im Smart Grid durch die Kommunikati- den Betrieb schutzloser Anlagen haben kann, onsinfrastrukturen und Energiemanagementsys- zeigt das durch das US-amerikanische Aurora- teme ganz neue und bisher im Risikomanage- Projekt bereits im Jahr 1977 ausgeführte Experi- ment noch nicht erfasste und berücksichtigte ment eines Hacking-Angriffs, der eine gezielte Abhängigkeiten und Anforderungen. Die Metho- Überlastung eines Generators herbeiführte3. Stu- den des Risikomanagements und die dabei ver- 3 wendeten Werkzeuge müssen erweitert werden, so dass sie auch im laufenden Betrieb eines http://www.cnn.com/2007/US/09/26/power.at.ri sk/index.html
Seite 12 dien wie [Lu2009] zeigen, dass auch europäische trieautomation, zwei wichtige Dokumente5, die Betreiber ihre Anlagen mittlerweile entsprechend Grundlagen beschreiben und Bewertungsverfah- untersuchen und Konsequenzen ableiten. So ren für IT-Sicherheit in Industrieanlagen vor- sieht ENEL, ein in Italien ansässiger und multi- schlagen. Mit einem weiteren Dokument6 wird national operierender Energieerzeuger, einen versucht, Betreibern Möglichkeiten zur Sicherung deutlichen Handlungsbedarf, die eigenen Anla- der IT-Infrastrukturen ihrer Anlagen an die Hand gen besser gegen zu geben. Sie berücksichtigen jedoch nicht die Problematik der Rückeinspeisung durch Prosu- • Denial of Service-Angriffe auf ihre Internet mer, also von Nutzern, die sowohl Energie- Gateways und das interne Netzwerk der verbraucher als auch -lieferanten sind. Ebenso Produktionsanlagen, wenig werden in diesen Dokumenten die neuen Anforderungen, die sich durch Elektrofahrzeuge • Übernahme von Anlagenteilen durch An- greifer, mittels eingeschleuster Trojaner, und deren Consumer- (Batterie aufladen) und Producer- Verhalten (Batterieleistung zur Verfü- • Manipulation interner Infrastrukturdienste gung stellen) ergeben, oder aber nationale Nor- (z.B. DNS Poisining) , men berücksichtigt. • Ausnutzen bisher unentdeckter Schwach- stellen (zero day exploits) sowie • Angriffe auf das SCADA-Kommunikations- 4.1 Smart Meter und Messtechnik protokoll Durch die Nutzung intelligenter Stromnetze und - zähler soll eine effizientere Energieversorgung zu schützen. Dass derartige Sorgen berechtigt sowie ein transparenteres Abrechnungsmodell sind, hat Mitte 2010 Stuxnet aufgezeigt, ein für die Verbraucher geschaffen werden. Intelli- Wurm, der die Computer von SCADA-Systemen gente Stromzähler sind über öffentliche Netze an (Leitwarten-Technologie) befallen kann, Teilsys- die Kommunikationsnetze der Energieversorger teme gezielt übernahm und außer Betrieb setzte angeschlossen und ermöglichen so einen elek- [Fa2010], [Br2010]. tronischen Datenaustausch. Zudem bieten sie Es kann seit geraumer Zeit beobachtet werden, dem Nutzer eine transparente Verbrauchsanzei- dass eine Reihe von neuen Anstrengungen, so- ge, auf deren Basis er seinen Energieverbrauch wohl national als auch auf europäischer Ebene, steuern und beeinflussen kann. Daher müssen getroffen werden, um neue Lösungen für den in- Smart Meter hohen sicherheitsrelevanten An- novativen und zuverlässigen Betrieb von Anlagen sprüchen genügen. zur Energieversorgung zu entwickeln. Nationales Intelligente Zähler erfassen den Stromverbrauch Beispiel ist das BMWi-Programm E-Energy: IKT- und bereiten die gewonnenen Messwerte zur di- basiertes Energiesystem der Zukunft mit seinen gitalen Verarbeitung und für die Übertragung über Deutschland in Modellregionen verteilten zum Messstellenbetreiber auf. Von dort aus kön- Projekten4. nen sie auch dem Nutzer, beispielsweise mittels In den USA ist diese Entwicklung ebenfalls zu be- Webzugriff, wieder zur Verfügung gestellt wer- obachten. 2007 veröffentlichte die ISA (Internati- den. Dabei werden folgende Informationen von onal Society of Automation), eine der führenden non-profit Organisationen im Bereich der Indus- 5 ANSI/ISA-99.00.01-2007, ANSI/ISA-TR99.00.01-2007 4 6 http://www.e-energy.de/ ANSI/ISA-99.02.01-2009
Seite 13 der Messung bis zur Abrechnung verarbeitet (vgl. Rechnung tragen. Für die Datenverarbeitungs- [Sch2010]): systeme ist zudem ein integriertes Datenschutz- und Sicherheitsmanagementsystem aufzubau- • Verbrauchsdaten, die von der Messstelle er- en.“7 fasst und zum Messstellenbetreiber zum Die Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit dieser Zwecke der Abrechnung übertragen werden, elektronischen Zähler, die in Deutschland gemäß • Gerätedaten, die zur Erstellung und Über- dem geltenden Energiewirtschaftsgesetz bei mittlung der Verbrauchsdaten notwendig Neubauten und bei Totalsanierungen bereits seit sind und den Nutzer für die Abrechnung Januar 2010 eingebaut werden müssen, ist eben- eindeutig identifizieren, falls noch nicht zufriedenstellend geklärt. So sind • Nutzerdaten, die den Verbraucher kenn- diese Komponenten beispielsweise bidirektional zeichnen und für die Abwicklung der Abrech- mit ihrer Umgebung verbunden. Das heißt, dass nung erforderlich sind oder ihn einen Zugang sie nicht nur die erfassten Daten der von ihnen zu einem möglichen Webinterface beim Be- überwachten Einheiten (Einzelhaushalte, Gebäu- treiber der Messstelle gestatten und de, Liegenschaften) zur Weiterverarbeitung zu • Daten, die Informationen über das zur den Betreibern senden, sondern selber auch di- Abrechnung genutzte System liefern, wie z.B. rekt via Fernzugriff durch die Betreiber gesteuert Verbrauchsumsätze, Systemzustand und To- und beeinflusst (z.B. Stromabschaltung) werden pologie, Zulieferer des Wirksystems oder können. einzelner Geräte, Ausbreitung und geogra- Um sicherzustellen, dass bei der Nutzung von in- phische Verteilung des Systems. telligenten Stromzählern verbindliche Daten- Der Betrieb eines solchen verteilten Abrech- schutz- und Datensicherheitsstandards greifen, nungssystems liegt in der Verantwortung des wurde das Bundesamt für Sicherheit in der In- Betreibers. Verschiedene Untersuchungen haben formationstechnik (BSI) im September 2010 vom gezeigt, dass marktgängige intelligente Zähler Bundesministerium für Wirtschaft und Technolo- ganz erhebliche Sicherheitsprobleme aufweisen. gie (BMWi) damit beauftragt, ein entsprechendes Sie sind nicht manipulationssicher und können Schutzprofil (Protection Profile) zu erstellen. Am aus der Ferne kontrolliert abgeschaltet werden 28. Januar 2011 wurde eine erste Version des [An2010]. Bei den smarten Zählern sind noch ei- Schutzprofils für die Kommunikationseinheit (Ga- nige weitere Grundsatzfragen unbeantwortet. teway) des Messsystems vorgestellt. Kern des Dazu gehören die Fragen nach der Häufigkeit Schutzprofils des BSI ist eine Bedrohungsanalyse und Frequenz der Messungen oder aber nach der sowie eine Beschreibung von Anforderungen zur Granularität der zu erfassenden Parameter. Abwehr dieser Bedrohungen. Derzeit ist geplant, Die 80. Konferenz der Datenschutzbeauftragten das Schutzprofil noch im Jahr 2011 fertig zu stel- des Bundes und der Länder hat auf ihrer Sitzung len. In die Entwicklung eingebunden sind unter im November 2010 eine gesetzliche Regelung für anderem der Bundesbeauftragte für den Daten- die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der schutz und die Informationsfreiheit, die Bundes- durch digitale Zähler erhobenen Verbrauchsin- netzagentur sowie die Physikalisch-Technische formationen gefordert. Die Konferenz der Daten- Bundesanstalt. schutzbeauftragten fordert weiter: „Die Anforde- rungen an den technischen Datenschutz und die IT-Sicherheit sind durch verbindliche Standards 7 festzuschreiben, die der Sensitivität der Daten http://www.datenschutz.hessen.de/k80.htm#ent und den zu erwartenden Missbrauchsrisiken ry3316
Seite 14 Multi-Utility, Heimautomatisierung zungsregler, Sonnenkollektoren, aber auch zu- Der digitale Stromzähler ist eine Komponente, künftige Komponenten der Heimautomatisierung deren Einführung vom deutschen Gesetzgeber Daten austauschen können. verpflichtend vorgeben ist. Das angesprochene, Aus der An- und Einbindung der Geräte der in Entwicklung befindliche Protection Profile für Heimautomatisierung versprechen sich die Ex- den Zähler, deckt die Bereiche ab, die durch den perten ein breites Feld für neue Geschäftsmodel- Gesetzgeber zu regulieren sind. Dazu gehört der le und Dienstleistungsangeboten, nicht nur durch Zähler an sich, der eichrechtliche Anforderungen Energienetzbetreiber, sondern auch durch Anbie- zu erfüllen hat, sowie seine Schnittstellen (Gate- ter von Telekommunikationsdiensten, Wasser- way) nach außen und den Sicherheitsanker versorger, etc. Um diese Vielzahl von Geräten zu (Hardware-Modul). Der Zähler besitzt eine unterstützen (multi-utility) sowie zur Anpassung Schnittstelle zu einem Kommunikations-Gateway, von Protokollen, werden Multi-Utility-Controller an das, wie weiter oben bereits ausgeführt, wei- bzw. Gateways eingesetzt. Das Protection Profile tere lokale Geräte der Heimautomatisierung an- bezieht sich nicht auf diese Geräte, die beispiels- geschlossen werden können. Das Smart Metering weise zu komplexeren Energiemanager-Kom- IKT-Gateway (MUC), das vom VDE spezifiziert ponenten erweitert werden können. Beispiele für wird, ist eine solche Gateway-Komponente, mit solche Energiemanager werden derzeit in den E- der, wie in Abbildung 4 aufgezeigt, vorhandene Energy-Projekten des BMWi erarbeitet. Zähler und Sensoren wie Gas-, Wasserzähler, Hei- Abbildung 4: Multi-Utility bzw. Smart Metering Gateway (MUC) (Quelle: RWE)
Seite 15 4.2 Kommunikationsinfrastrukturen oder PROFIBUS (Process Fieldbus), die keine Si- cherheitsmaßnahmen wie beispielsweise Ver- Die erforderlichen Kommunikationsinfrastruktu- schlüsselung anbieten. SCADA-Systeme haben ren müssen nicht komplett neu konzipiert wer- sich von ursprünglich sehr stark isoliert betriebe- den. Hier kann auf den existierenden vergleichs- nen Netzen zu offenen Systemen weiterentwi- weise technologisch hohen Stand der Kommuni- ckelt, die mit Standard Soft- und Hardware, so- kationstechnik aufgebaut werden wie z.B. digi- genannte COTS9-Produkte, betrieben werden, tale Anschlussnetze (DSL-Techniken), Mobilfunk- über offene Kommunikationsstandards kommu- netze der 2. und 3. Generation, lokale Funknetze, nizieren und an das Internet angeschlossen sind. Sensornetze, lokale Rechnernetze (LAN) und das Für die Internet-Anbindung werden spezielle Ga- Internet. teway-Komponenten verwendet, die die Schnitt- Demgegenüber sind Neuentwicklungen erforder- stelle zwischen den Feldbus-basierten SCADA- lich zur Vernetzung der (Strom)verbrauchenden Protokollen und dem Internet-Protokoll (IP) reali- Geräte (z.B. über das Stromnetz selbst, die so ge- sieren. Zu ihren Aufgaben gehört die Umsetzung nannte “Powerline Communication”) und für die zwischen den unterschiedlichen Protokollfamilien Übertragung von Steuerdaten in den bestehen- (Feldbus, IP) sowie auch die Zwischenspeicherun- den Kommunikationsinfrastrukturen, damit die gen der Daten, um die Performanz der Gateways Übertragung sicher und robust ist und die erfor- zu erhöhen. Durch diese Ankopplung an IP- derlichen Steuerungsaufgaben vertrauenswürdig basierte Netze sind SCADA-Systeme damit den und zeitgerecht erfolgen können. Dies zielt insbe- üblichen Gefährdungen derartiger Netze ausge- sondere auf die Absicherung von SCADA- setzt. Systemen ab, die wichtige Bestandteile eines Da SCADA-Netze ursprünglich in isoliert betriebe- Smart Grid sind (siehe Abbildung 3). nen Kontrollbereichen zum Einsatz kamen, wo weniger die Sicherheit als die Echtzeit- und Leis- tungsfähigkeit der Systeme eine Rolle spielte, SCADA-Netze wurde weitestgehend auf die Integration von Si- SCADA-Netze werden in der Leittechnik zur cherheitsmaßnahmen in derartige Systeme ver- Überwachung von Anlagen, Versorgungsleitun- zichtet. Klassische Sicherheitskonzepte, wie man gen etc. eingesetzt. Dazu werden Sensoren und sie in der herkömmlichen Business-IT findet, wie Aktoren so vernetzt, dass diese über das Feldbus- starke Zugangs- und Zugriffskontrollen, Firewalls basierte SCADA-Netz8 mittels eines PCs oder Pro- und Einbruchserkennungsverfahren (Intrusion grammable Logic Controller (PLC) gesteuert und Detection) oder aber auch Logging- und Monito- kontrolliert werden. Derartige Systeme müssen ring-Verfahren, kommen in SCADA-Systemen häufig Daten in Echtzeit verarbeiten, sind in der nicht oder nur sehr eingeschränkt zum Einsatz. Regel ressourcenbeschränkt (wenig Speicher, Da die Daten in Echtzeit verarbeitet werden müs- wenig CPU-Leistung) und werden in hochsicher- sen, führen Filterungen und aufwändige Kontrol- heitskritischen Umgebungen betrieben. Die len oder Ver- und Entschlüsselungsoperationen SCADA-Systeme verwenden eigene Protokollfa- zu Verzögerungen, die wiederum für die Be- milien zur Kommunikation, wie CAN (Controller triebssicherheit der Systeme problematisch sind Area Network), CIP (Common Industrial Protocol) und deshalb in der Regel nicht eingesetzt wer- den. Häufig wird zudem ganz bewusst auf starke Maßnahmen zur Authentisierung des Bedienper- 8 Es gibt über 150 meist proprietäre Protokolle in die- sem Bereich, jedoch werden zunehmend offene 9 Protokollstandards eingesetzt. Commercial of the Shelf
Seite 16 sonals an den Kontroll-Systeme verzichtet, und digitalen Zähler bereits ausgeführt haben. Eine es werden Passwort-basierte Verfahren einge- ausführliche Taxonomie möglicher Angriffe auf setzt, um den gefürchteten Lock-out-Effekten zu SCADA-Netze findet sich u.a. in [Igu2006]. begegnen. Diese Effekte beziehen sich auf opera- tive Notsituationen, in denen das Bedienpersonal 4.3 IKT-gestützte Energiemanagement- sehr schnell eingreifen und mit entsprechenden systeme Steuerungskommandos die in Echtzeit betriebe- nen Anlagen abschalten oder andere Notfallmaß- Im Gegensatz zur Kommunikationsinfrastruktur nahmen vornehmen muss. Das Personal muss existieren Energiemanagementsysteme, wie sie sehr schnell einen direkten Zugriff auf die Anlage in einem Smart Grid notwendig sind, bislang haben; Verzögerungen durch vergessene lange nicht. Erste systemische Lösungen werden der- Passworte, nicht verfügbare Zugangstoken wie zeit im Rahmen des BMWi E-Energy-Programms Smartcards, versagende biometrische Authenti- erstellt. Ein solches Management findet auf ver- sierungen etc. werden häufig als zu hohe Risiken schiedenen Ebenen statt. Bereits in den einzelnen eingestuft. Verbesserte Authentisierungsverfah- Privathaushalten sind lokale Managementsyste- ren, die auch in den sehr zeitkritischen Notsitua- me erforderlich (vgl. Abbildung 5), um die Ener- tionen zuverlässig funktionieren, werden also gie-Ströme im Haushalt zu steuern und ressour- dringend benötigt. censparend einzusetzen. Verzögerungen werden auch durch Firewalls, die Die Privathaushalte werden in lokalen Manage- Daten filtern, verursacht. Darüber hinaus müss- ment-Zentren zusammengeführt und koordi- ten sie auch noch auf die oben genannten spe- niert. Diese regionalen Zentren müssen unterein- ziellen SCADA-Protokolle zugeschnitten werden ander sowie mit überregionalen Zentren koordi- und kontinuierlich, z.B. per Fernadministration, niert zusammen arbeiten. Noch schwieriger und aktualisiert werden. Dies eröffnet wiederum An- komplexer wird das Szenario, wenn das Ener- griffsmöglichkeiten. SCADA-Systeme erfordern giemanagement über Landesgrenzen hinweg Echtzeitfähigkeit und verfügen in den beteiligten funktionieren muss. Auf europäischer Ebene Sensoren häufig nur über sehr geringe Speicher- muss dafür die bereits bestehende Vielzahl ver- und Rechenressourcen sowie über geringe Da- schiedener Arten der Energieerzeugung geeignet tenraten bei der Übertragung, so dass auf eine eingebunden werden. So verwendet Norwegen Datenver- und Datenentschlüsselung in der Regel vorwiegend Wasserkraft, Deutschland setzt einen verzichtet wird. Es werden also keine gesicherten hohen Anteil erneuerbarer Energien ein10, Frank- Kommunikationskanäle zwischen den Kompo- reich besitzt einen hohen Anteil an Atomenergie, nenten eines SCADA-Netzes etabliert, so dass während Polen ausschließliche fossile Brennstof- keine Komponentenidentifizierung stattfindet fe nutzt. Die komplexen Systemstrukturen, aber und Daten abgehört, verändert oder auch neue auch die unterschiedlichen Anforderungen an die Daten eingeschleust werden können. Darüber Erfassung, Auswertung sowie Speicherung von hinaus fehlen auch Lösungen für ein effizientes, Daten, der Umfang der Datenflüsse und ihre automatisiert durchführbares Schlüsselmanage- Echtzeitanforderungen sowie die erforderlichen ment. Die Sensorik eines SCADA-Systems wird Regelkreise erfordern ein überaus umfangreiches häufig in Umgebungen eingesetzt, in denen ein potentieller Angreifer physischen Zugriff auf die 10 Komponenten erhält. Somit ergeben sich hier Vgl. http://www.erneuerbare- energien.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/ee analoge Anforderungen an die Sicherheit derar- _in_deutschland_update_bf.pdf tiger Sensoren, wie wir sie im Speziellen für die
Seite 17 verteiltes System. An dieses Managementsystem den sind. Obwohl es in verwandten Anwen- werden höchste Anforderungen gestellt, die nicht dungsgebieten ähnliche Systeme bereits gibt, nur technischer Natur sind. Zu dessen Entwick- wie z.B. integrierte Produktionssteuersysteme, lung werden detaillierte Kenntnisse der Informa- Verkehrsmanagementsysteme (Luftfahrt, Bahn- tik, Informationsverarbeitung, Steuerungs- und systeme, Flottenmanagement) oder Logistiksys- Regelungstechnik sowie der Hardware- und Soft- teme (Supply Chain Management, Event Mana- ware-Systemtechnik erforderlich sein. gement), stellt das Smart Grid sehr viel komple- Ebenfalls spielen juristische und ökonomische xere und weitreichendere Anforderungen, so Fragestellungen eine große Rolle, so dass Juristen dass die bekannten Systeme nicht direkt nutzbar und Wirtschaftsinformatiker bzw. Betriebswirte sein werden. frühzeitig in den Prozess der Entwicklung der Insbesondere im Bereich der Sicherheit und des Managementsysteme des Smart Grid einzubin- Datenschutzes ergeben sich höhere Anforderun- Abbildung 5: Energiemanagementsysteme in Privathaushalten (Quelle: Siemens AG)
Seite 18 gen als in den oben genannten verwandten Sze- Die IKT-Infrastruktur und die Managementsys- narien. Grund sind die Charakteristika des Smart teme des Smart Grid müssen deshalb frühzeitig Grid wie Heterogenität und Vielzahl der beteilig- auch auf solche Anwendungsszenarien vorberei- ten Parteien, die Dezentralität der Verwaltung, tet werden und Maßnahmen vorsehen, um äu- die Sensibilität der erfassten Daten etc.. Gleichzei- ßerst sicherheitskritische und datenschutzrele- tig müssen Sicherheit und Datenschutz die be- vante Mehrwertdienste in Zukunft unterstützen sonderen betrieblichen Anforderungen von tradi- zu können. Neben der klaren Trennung von Da- tionell autark betriebenen Anlagenteilen berück- ten, die für unterschiedliche Dienstleistungen er- sichtigen. hoben, übermittelt und verarbeitet werden Bestandteil der Energiemanagementsysteme sind (Zweckbindungs- und Datensparsamkeitsprinzi- die Energiemarktplätze, über die im zukünftigem pien des Datenschutzes), dem Einsatz starker En- Smart Grid Mehrwertdienste angeboten werden. de-zu-Ende-Verschlüsselungskonzepte für die Mehrwertdienste werden in Zukunft nicht nur vertrauliche Übermittlung der Daten, werden flexible Tarifmodelle umfassen, sondern sehr viel insbesondere auch starke Verfahren zur wechsel- weiter reichende Dienste bzw. ganze Dienstleis- seitigen Identifizierung der Akteure und nicht- tungsbündel (Packages) abdecken. Über die Mul- umgehbare, auditierbare, rollenbasierte Zugriffs- ti-Utility Gateways kann die gesamte Heimauto- kontrollen erforderlich sein. Die Identifizierung matisierung in die Entwicklung neuer Geschäfts- und Authentisierung der Akteure bezieht sich modelle u. a. für Telekommunikationsanbieter dabei sowohl auf die so genannte Maschine-zu- einbezogen werden, so dass beispielsweise eine Maschine-Kommunikation (M2M), bei der sich Ge- Fernsteuerung der heimischen Geräte über Mo- räte, Dienste, Plattformen identifizieren und als biltelefone ermöglicht wird. korrekt ausweisen müssen, als auch auf die Iden- tifizierung der agierenden natürlichen Personen Ein sehr großes Potential wird im Bereich der Ge- bzw. der Rollen, in denen sie aktiv sind. Digitale sundheitsversorgung und der IKT-gestützten Ausweisdokumente mit integrierten Identifizie- Pflege bei der Unterstützung von älteren und rungsfunktionen wie der neue Personalausweis mobilitätseingeschränkten Personen im Sinne (nPA) oder die elektronische Gesundheitskarte des Ambient Assisted Living gesehen. Zum Hin- (eGK) und der Heilberuflerausweis (HBA) (vgl. tergrund: In Deutschland ereignen sich mehr als [Eck2009]), wie sie in Deutschland entwickelt und 70% aller medizinischen Zwischenfälle und Unfäl- zum Teil bereits ausgerollt werden, könnten hier- le im eigenen Haushalt. In der Gruppe der Betrof- für eine Vorreiterrolle einnehmen und die euro- fenen sind mehr als die Hälfte über 65 Jahre alt, päische Standardisierung prägen. Konkrete die in privaten Haushalten häufig alleine leben. Schritte in dieser Richtung sind den Autoren des Das Smart Grid zusammen mit seinen Marktplät- Papiers jedoch bislang nicht bekannt. zen wird eine umfassende und flächendeckende IKT-Infrastruktur zur Verfügung stellen, die in ei- nem weiteren Schritt auch für medizinische Un- 4.4 Normungsaktivitäten terstützungsdienstleistungen genutzt werden könnte. In solchen Szenarien werden eine Viel- Das NIST-Papier [EPR2009] hat unter anderem 14 zahl hochsensibler Daten ausgetauscht. Über z.B. zentrale Themenbereiche identifiziert, in denen Fernzugriffe durch medizinisches Personal, wie neue oder überarbeitete Standards benötigt Notfallpraxen, könnten darüber hinaus auch di- werden. Der Bereich IT-Sicherheit wird hierbei rekte Eingriffe in die Abläufe in einem Privat- besonders hervorgehoben. Dies greift das DKE- haushalt vorgenommen werden, indem spezielle Papier [DKE2010] auf und entwickelt Empfehlun- Sensoren an- und abgeschaltet werden etc.. gen für eine Normungsroadmap für die Themen
Seite 19 Abbildung 6: Referenzarchitektur der Smart Meters Coordination Group (Quelle [DKE2010]) IT-Sicherheit und Datenschutz. Hierbei wird Mit den Common Criteria steht ein solcher inter- ebenfalls auf die entstehenden Zielkonflikte zwi- national anerkannter Bewertungskatalog bereits schen dem Datenschutz mit dem Ziel der Daten- zur Verfügung. sparsamkeit einerseits und den Stakeholdern an- Weltweit wird bereits jetzt mit hohem Druck an dererseits, die möglichst viele Informationen zur der Entwicklung von Roadmaps und Frameworks Bereitstellung von Mehrwertdiensten benötigen, für Smart Grid-Systeme und -Infrastrukturen ge- hingewiesen. Weiterhin wird gefordert, dass IT- arbeitet. Der Fokus der bislang vorangetriebenen Sicherheit als Kernthema bei der Architekturent- Aktivitäten lag auf der Entwicklung funktionaler wicklung betrachtet werden muss. IKT-Infrastrukturen und Komponenten [Jav2010]. Wesentliche Themen, die identifiziert werden, be- Die Frage der Sicherheit, Robustheit und Verläss- treffen rollenbasierte Zugriffskontrolle, Identi- lichkeit einer solchen Infrastruktur spielte bis- tätsmanagementfragen sowie die sichere Kom- lang, auch international, nur eine untergeordnete munikation. Zudem wird ein Bewertungssystem Rolle. Angesichts der immer stärker zu Tage tre- gefordert, so dass die Vergleichbarkeit und An- tenden Risiken durch Angriffe auf solch ein Ener- wendbarkeit von Sicherheitslösungen möglich ist. gieinformationsnetz werden aber u.a. in den USA
Seite 20 bereits massive Anstrengungen unternommen, te Chancen für die deutsche Wirtschaft gesehen, um die Sicherheit der Energienetze zu gewähr- die kommenden Standards mit zu prägen. leisten. So befassen sich verschiedene Standardi- Der skizzierte Stand der Technik hat gezeigt, dass sierungsgremien (wie das US National Institute of im Bereich der Sicherheit und des Datenschutzes Standards and Technology NIST) derzeit haupt- noch ein erheblicher Nachholbedarf besteht. Bei sächlich mit der Erarbeitung von Anforderungs- der Konzipierung und Umsetzung eines Smart spezifikationen [Lee2009], [NIST2010], [Mc2009], Grid müssen Sicherheits- und Datenschutzfrage- [Khu2010]. stellungen von Anfang an einbezogen werden, da eine Nachbesserung nur Stückwerk erzeugt, Europäische Standardisierung mit hohen Kosten verbunden ist und lückenhaft bleiben wird. Um einen Europaweit einheitlichen Standard für Smart Metering-Infrastrukturen zu erhalten, hat die Europäische Union den Organisationen ETSI, 5 Ausgewählte Angriffsszenarien CEN und CENELEC ein Mandat zur Ausarbeitung von Standards erteilt11. Die diesen Standardisie- Das Smart Grid der Zukunft wird vielfältigen Be- rungsbemühungen zugrunde liegende Referenz- drohungen und Angriffen ausgesetzt sein (vgl. architektur ist in Abbildung 6 dargestellt (vgl. u.a. auch [Mc2009, Khu2010, Bee2010]). Eine US- [DKE2010]). Das Ziel der Standardisierung ist es, amerikanische Studie aus dem Jahr 2008 kommt Normen festzulegen, um eine Interoperabilität zu zu dem Ergebnis „the energy sector is most vul- gewährleisten. Die Normungsarbeiten werden nerable to cyberattack“. Nachfolgend werden ei- sich auf sechs Bereiche beziehen: nige allgemeine Angreiferklassen skizziert. Die (1) Das Auslesen von Messwerten, offenen, dezentralen Architekturen der zukünfti- (2) die bidirektionale Kommunikation zwischen gen Smart Grids vergrößern die potentiellen IT- Zähler und Marktteilnehmer, Angriffsflächen und eröffnen Angreifern neue und „attraktivere“ Möglichkeiten des direkten (3) die Unterstützung unterschiedlicher Tarifmo- Manipulierens und Eingreifens. delle und Zahlungssysteme, Angriffspunkte und Schwachstellen ergeben sich (4) die Zählerfernabschaltung und der Versor- unter anderem durch eine Vielzahl von ungenü- gungsstart und das -ende, gend abgesicherten Smart Metern [Hei2009, (5) die Kommunikation mit Geräten der Heimau- Law2010], die als Massenprodukte in Haushalten, tomatisierung und Gebäuden, Anlagen ausgerollt werden. Das dritte (6)das Display zum Anzeigen der Zählerstände in Energiepaket, das das Europäische Parlament im Echtzeit. April 2009 verabschiedet hat, empfiehlt, dass 80% aller Energiekunden bis 2020 Smart Meter Diese Normierungsaktivitäten stecken noch in haben sollen. Durch die Vernetzung, mit der den Anfängen. Mit zeitnahen Entwicklungen von Möglichkeit der Fernzugriffe auf Komponenten deutschen Referenzaktivitäten, wie dem Protec- und Systeme (die z.B. zur kostengünstigen und tion Profile für Smart Meter, könnte Deutschland effizienten Fernwartung sehr erwünscht sind), in dieser Phase starken Einfluss auf die europäi- ergibt sich eine Vielzahl mangelhaft abgesicher- schen Normierung nehmen. Hier werden sehr gu- ter offener Zugangspunkte, wodurch sicherheits- kritische Zugriffe auf die Netze/Komponenten des Smart Grid möglich werden. Drittanbieter 11 können ihre Mehrwertdienste in die Energie- EU Mandat M/441
Sie können auch lesen