G8 - DAS WAR DER GIPFEL - ARBEITSZEIT-FLEXI: EINFACH MÄNNLICH DER BETRIEBSRAT ALS GUERILLERO

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                          G8 – DAS WAR
                          DER GIPFEL
                          ARBEITSZEIT-FLEXI: EINFACH
                          MÄNNLICH • DER BETRIEBSRAT
                          ALS GUERILLERO

                                                        Juni/Juli 2007

                                                        Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro

                                  Unabhängige           P.b.b., Verlagspostamt 1040
                                  GewerkschafterInnen
                                  im ÖGB
      Herausgegeben von                                 02Z031242 M, Kd.-Nr: 0021012558
daten & taten

                           Wichtige Kritik
                                                                           UG in der Vida:
                           Danke für den informativen Artikel zum          „ÖAAB soll Spendengelder der
                           Ilisu-Staudamm-Projekt (Nr. 3/4 2007).          Industriellenvereinigung offenlegen!“
                             Und besonders gewerkschaftlichen              Industriellengelder für ArbeitnehmerInnenorganisa-
                                                                           tionen fügen ArbeitnehmerInnenbewegung schweren
                           Dank für die wichtige Kritik am neuen           ideellen Schaden zu. Stellungnahme von ÖAAB
                           Arbeitszeit-Abkommen (in der letzten            und FCG gefordert.

                           Nummer der Zeitung), das der ÖGB als            Wie dem Kurier vom 15. Juni 2007 zu entnehmen ist, be-
                                                                           stätigte der frühere Generalsekretär der Industriellenverei-
                           besonderen Erfolg feiern will – er hat          nigung Lorenz Fritz, bei seiner Zeugeneinvernahme im Eu-
                           nichts dazu gelernt, schlimm.
                                                                           rofighter-Untersuchungsausschuss, dass die Industriellen-
                                                                           vereinigung als Durchlaufstelle für Zuwendungen an Par-
                           Heidrun Pirchner                                teien und Interessensvertretungen gedient hat. Konkret
                                                                           nannte Fritz dabei die ÖVP und den ÖAAB, den Arbeitneh-
                                                                           merInnenflügel der Volkspartei.
                                                                              „Wenn die Aussagen von Fritz der Wahrheit entsprechen,
                                                                           und davon ist auszugehen, da es bis heute kein Dementi
                                                                           von Seiten des ÖAAB gegeben hat, dann hat die angebli-
                                                                           che ArbeitnehmerInnenorganisation der ÖVP einmal mehr
                                                                           ein massives Glaubwürdigkeitsproblem“, so Hedenig An-
                                                                           ton, Bundessprecher der Unabhängigen GewerkschafterIn-
                                                                           nen in der Gewerkschaft Vida und Arbeiterkammerrat der
                                                                           AUGE/UG in der burgenländischen Arbeiterkammer.
                                                                              „ArbeitnehmerInnenorganisationen, welche sich von ei-
                                                                           ner Arbeitgeber-Interessensvertretung sponsern lassen,
                                                                           müssen sich den Vorwurf der Käuflichkeit gefallen lassen.
                                                                           Sie schaden damit auch der ArbeitnehmerInnenbewegung
                                                                           insgesamt. Wohin eine solche Handlungsweise führen
                                                                           kann, zeigen die Vorgänge beim Deutschen VW-Konzern.
                                                                           Dort wurde der Betriebsrat mehr oder weniger vom Unter-
                                                                           nehmen gekauft und die Beschäftigten verkauft“, so He-
                                                                           denig weiter.
                                                                              Eine klare Stellungnahme zu den Spenden der Indus-
                                                                           triellenvereinigung an den ÖAAB fordert Hedenig auch
                                                                           von den ChristgewerkschafterInnen der FCG. „Nachdem
                                                                           ÖAAB und FCG oft in Personalunion oder als Listenver-
                                                                           bünde auftreten, liegt es auch an der FCG klar Position zu
                                                                           beziehen. Wir kennen viele ChristgewerkschafterInnen als
                                                                           aktive und engagierte ArbeitnehmerInnenvertreterInnen.
                                                                           Es wäre allerdings ein weiterer schwerer Schaden für die
                                                                           Gewerkschaftsbewegung, sollten Industriellengelder über
                                                                           den ÖAAB auch an die ChristgewerkschafterInnen geflos-
                                                                           sen sein. Die WählerInnen und Gewerkschaftsmitglieder
                                                                           haben ein Recht darauf. Das ist schließlich nicht nur eine
                                                                           Angelegenheit von ÖAAB und FCG, sondern der gesamten
                                                                           Gewerkschaftsbewegung. Die FCG ist schließlich zweit-
                                                                           stärkste Fraktion im ÖGB. Da geht es um die Glaubwürdig-
         Kalt-Warm                                                         keit der Gesamtorganisation,“ fordert Hedenig Aufklärung.
         Nach dem Goldenen Ehrenzeichen des ÖGB erhielt KIV-
                                                                              „Ich fordere den Österreichischen ArbeitnehmerInnen
         Gründer Alfred Bastecky ein ebensolches von der                   Bund auf, seine Finanzen offen zu legen und sich zu ent-
         Gewerkschaft der Gemeindebediensteten. Mit Blumen                 scheiden, wessen Interessen er tatsächlich vertreten will. Er
         und sogar standing ovations. Das war nett.                        sollte sich auch überlegen, ob es besonders intelligent und
           Weniger nett war, dass zuvor Debattenbeiträge von               glaubwürdig ist – der ÖAAB ist ja schließlich auch AK-
         KIV-Delegierten auf dem Gewerkschaftstag mit Zuru-                Fraktion – wenn er seine Landestage in einer Wirtschafts-
         fen á la „Halt’s net dauernd die Partie auf“ bedacht              kammer abhält. So geschehen beim burgenländischen
         wurden. Ihnen zum Trost: bei eurem Ausscheiden ist                ÖAAB“, so Hedenig abschließend.
         wieder alles eitel Wonne …                                        Anton Hedenig, (0650) 707 66 00

                                                       SEITE 2 • ALTERNATIVE 6-7/2007
IM JUNI/JULI

                                                                                                                     EDITORIAL
                                                                                                                     von Alfred Bastecky
                                                                                                 NIX VERSTEHN …
      International                                                                              Von allen Seiten hagelt es Kritik an der Arbeits-
                                                                                                 zeit-Flexibilisierungs-Sozialpartnereinigung. Es
      G8: Das war der Gipfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4                         gibt Unterschriftenaktionen dagegen. Sogar die
                                                                                                 FCG und der ÖAAB haben Bedenken. Das The-
                                                                                                 ma kam auch im ÖGB-Bundesvorstand zum Tra-
      Aktuell: Arbeitszeit                                                                       gen. Jetzt wissen wir, was Sache ist: Das Abkom-
                                                                                                 men ist ganz in Ordnung – die Menschen verste-
      Flexibilisierung: Einfach männlich . . . . . . . . . . . . Seite 6                         hen es nur nicht richtig. Die Alternative versteht
      AUGE: Nein zu diesem Flexibilisierungspaket . . . . . . Seite 10                           auch nicht richtig und widmet dem leidigen
      FSG bleibt mit Flexibilisierung einsam . . . . . . . . . . Seite 12                        Thema in diesem Heft wieder einige Seiten.
                                                                                                    Auch bei der Stadt Wien wird einiges falsch
                                                                                                 verstanden. Z.B. das neue „Zuweisungsgesetz“ –
      Gewerkschaft & Betrieb                                                                     eine Art Generalermächtigung zum „Verschi-
                                                                                                 cken“ von Bediensteten im Fall weiterer Ausglie-
      Betriebsrat als Guerillero . . . . . . . . . . . .          .   .   .   .   .   Seite 16   derungen. Die Kritiker verstehen nach Meinung
      KIV: New Public Management . . . . . . . . .                .   .   .   .   .   Seite 18   der Gewerkschaftsführung der GdG diese Mate-
      Zuweisungsgesetz: Unglaublich, aber wahr . .                .   .   .   .   .   Seite 20   rie völlig falsch. Es handle sich keineswegs um
      ÖLI: Sieben Jahre „Schule-Schwarz“ sind genug               .   .   .   .   .   Seite 22   ein „Ausgliederungsgesetz“, sondern diene nur
                                                                                                 dem Schutz der Vertragsbediensteten. Auch da-
                                                                                                 rüber wird in diesem Heft berichtet.
                                                                                                    Gründlich mißverstanden haben wohl auch zig-
                                                                                                 tausende DemonstrantInnen die hehren Absichten
                                                                                                 der Teilnehmer am G8-Gipfel. Wie sonst wäre es
                                   . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14                  erklärbar, dass sie unter größten Strapazen blo-
                                                                                                 ckierten, protestierten und Alternativveranstaltun-
                                                                                                 gen organisierten. Auch unabhängige Gewerk-
                                                                                                 schafterInnen aus Wien gehörten zu den Unbe-
                                                                                                 lehrbaren in Hamburg, Rostock und Heiligen-
                                                                                                 damm. Eine Gipfel-Nachlese gibt’s auf Seite 4.
                                                                                                    Die Liste der Mißverständnisse in den Augen
                                                                                                 der Mächtigen ließe sich beliebig fortsetzen:
                                                                                                 Viele ÖsterreicherInnen verstehen nicht, dass die
                                                                                                 Reduzierung des Abfangjägerkaufes von 18 auf
                                                                                                 15 Stück ein Riesen-Erfolg des Herrn Darabos
                                                                                                 und der SP-Regierungsmitglieder ist. Wir wer-
IMPRESSUM Medieninhaber, Verleger: Alternative und Grüne GewerkschafterInnen
(AUGE/UG) Herausgeber: Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB (UG/ÖGB)
                                                                                                 den’s schon noch erklärt bekommen. Verständ-
Redaktion, Satz & Layout: Alfred Bastecky (Koordination), Lisa Langbein, Klaudia Paiha,          nis-Nachhilfe brauchen wir wohl auch beim Ge-
Franz Sklenar (Layout) Alle: 1040 Wien, Belvederegasse 10/1, Telefon: (01) 505 19 52-0,          setz über eine automatische Gebührenerhöhung
Fax: (01) 505 19 52-22, E-Mail: auge@ug-oegb.at (Abonnements), alternative@ug-oegb.at            in Wien, beim Widerstand gegen die gemeinsa-
(Redaktion), internet: www.ug-oegb.at, Bankverbindung: BAWAG Kto. Nr. 00110228775                me Schule der 10 bis 14-jährigen, bei der Krimi-
Die „Alternative“ ist Mitglied der VAZ – Vereinigung alternativer Zeitungen und Zeit-            nalisierung des Gras-Rauchens und vor allem
schriften; Kontakt: http://vaz.mediaweb.at. Dass namentlich gezeichnete Beiträge nicht           bei der Frage, warum es heuer im Juni so heiß
unbedingt der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers entsprechen müssen,                    wie in Griechenland und der Türkei war. Apro-
versteht sich von selbst. Titel und Zwischentitel fallen in die Verantwortung der Redaktion,     pos: Schönen Urlaub all jenen, die ihn sich noch
Cartoons in die Freiheit der Kunst. Textnachdruck mit Quellenangabe gestattet, das               leisten können!
Copyright der Much-Cartoons liegt beim Künstler. DVR 05 57 021. ISSN 1023-2702.

                                                             SEITE 3 • ALTERNATIVE 6-7/2007
G8: DAS
            WAR DER GIPFEL
F
ür die globalisierungskritische Bewe-
gung war es ein voller Erfolg: Zehntau-
senden Menschen gelang es, den Gip-
fel der Gruppe der Acht, der vom 6. bis
zum 8. Juni in Heiligendamm statt-
fand, praktisch zu delegitimieren. Trotz
massiver Polizeirepression, Einschrän-
kungen von Grundrechten und des Ein-
satzes von mehr als 16.000 PolizistIn-
                                           dienpräsenz: Am 9. Mai durchsuchte
                                           die Bundesanwaltschaft auf Grundlage
                                           eines Konstruktes mit zirka 1000 Poli-
                                           zeibeamtInnen bundesweit 40 linke
                                           Projekte, Wohnungen und Arbeitsplät-
                                           ze. Als Vorwand wurde der Verdacht
                                           auf die Gründung einer terroristischen
                                                                                       Durchleuchtung und Kriminalisierung
                                                                                       von allem, was sich gegen die herr-
                                                                                       schende Ordnung bewegt. Doch ging
                                                                                       der Schuss nach hinten los. Bundesweit
                                                                                       und international schweißte die ver-
                                                                                       suchte Kriminalisierung die Linke zu-
                                                                                       sammen, machte auf die Gegenaktivi-

nen schafften sie es in einem Zusam-
menspiel verschiedener Aktionsformen,
die Zufahrtsstraßen nach Heiligen-
damm zu blockieren und so den rei-
bungslosen Ablauf des Treffens zu stö-
ren. Die Tage zuvor waren geprägt von
Aktionen zu den Themen Landwirt-
schaft, Migration und Krieg. Auf einem
Alternativgipfel wurde während der
Gipfelzeit über Alternativen zur G8-Po-
litik debattiert. Am Freitag, dem offi-
ziellen Ende des Gipfels, schallten
dann Sprechchöre durch die Rostocker
Innenstadt, die die Gipfelproteste als
einen Sieg feierten.
   Auf der anderen Seite des Zwölf-
Millionen-Zauns, hinter dem sich die
Regierungschefs einiger der wirtschaft-
lich und militärisch stärksten Länder
des Nordens verschanzten, passierte
wie erwartet nicht viel. Die Präsidenten
verkauften ihre Lippenbekenntnisse als     Vereinigung nach §129a angeführt,           täten zum G8 aufmerksam und wirkte
großen Erfolg, während sie ihre Politik    die angeblich den Ablauf des G8-Gip-        mobilisierend. Noch am selben Tag de-
fortführen, die für die Mehrheit der       fels in Heiligendamm mit einer „mili-       monstrierten Zehntausende in ganz
Menschheit ein unerträgliches Leben        tanten Kampagne“ stören wolle. Der          Deutschland gegen die repressiven
bedeutet und den Planeten in eine          Durchsuchungsbeschluss benannte na-         Maßnahmen, es kam zu zahlreichen
Klimakatastrophe treibt. Am Ende           mentlich 18 Verdächtige, Festnahmen         Solidaritätsaktionen weltweit. Auch
blieben – wie erwartet – nichts als        aber gab es keine.                          wurde das Vorgehen der Behörden so-
Phrasen, Absichtserklärungen und lee-        Die Ziele der Aktion offenbarten sich     wohl in Deutschland als auch interna-
re Versprechungen übrig. So will man       schnell: Durch die Durchsuchungen           tional kritisiert.
nun tatsächlich die Halbierung der         sollte der Stand der Vorbereitungen für
CO2-Emissionen bis 2050 „ernsthaft in      die Gipfelproteste erfasst und diese kri-
Betracht ziehen“.                          minalisiert werden. Es zeigte sich ein      Aus: indymedia Deutschland
   Schon einen Monat bevor die Protes-     weiteres Mal, wofür der §129 geschaf-
te um Heiligendamm begannen, er-           fen wurde: Es ging nicht um die Auf-
langte das Thema eine enorme Me-           klärung von Straftaten, sondern um die

                                              SEITE 4 • ALTERNATIVE 6-7/2007
Inhalte des Alternativ-Gipfels
Typisch für Indymedia und die deutsche Mini-Szene Linke ist mal wie-
der, dass über alle aktionistischen Aktionen (die ja auch gut und not-
wendig sind) berichtet wird, aber rein gar nicht über den Alternativ-
Kongreß, auf dem sich übrigens nicht nur laue Kumbaya-ReformistIn-
nen oder Sektenmacker rumtrieben, sondern auf dem es eine zahlreiche
                                           Menge an inhaltsreichen
                                           Workshops und Podiumsdis-
                                           kussionen gab.
                                              Insgesamt haben zirka
                                           2000 Menschen am Alterna-
                                                                                    ug-oegb.at
                                           tivkongreß teilgenommen
                                           (auf den Blockaden bin ich
                                           auch immer wieder auf Men-
                                           schen getroffen, die parallel
                                           auch am Anti-G8 Alternativ-
                                           kongreß teilnahmen und sich
                                           inhaltlich einbrachten oder
                                                                                    auge.or.at
                                           ihren politischen Horizont er-
                                           weitert wollten). Eine trauri-
                                           ge Bilanz wenn Mensch be-
                                           denkt, dass sich in der Ros-
                                           tocker Region zirka 16.000
                                           Anti-G8-AktivistInnen die                gug.or.at
                                           Tage um den Alternativgipfel
                                           rumtrieben.
                                              Der Alternativkongreß, so
                                           wie andere Events dieser Art
                                           (z.B. das kommende BRD-
                                           weite Sozialforum in Cott-
                                           bus) leben vom Mitmachen.                  kiv.at
                                           Ich finde es sehr Schade dass
                                           Gruppen wie Dissent, Anti-
                                           fas, die Interventionalistische
                                           Linke sich inhaltlich nicht da-
                                           ran beteiligt haben. Zu Quer-
                                           Themen gab es so gut wie
                                           gar nichts, zu radikal feminis-          ugoed.at
                                           tischen Themen immerhin
                                           drei bis vier Workshops.
                                              Interessant war aber vor
allem am Alternativkongreß, dass eine Menge interessanter AktivistIn-
nen aus Asien, Lateinamerika und Afrika teilgenommen haben, die
eine Vielfalt an militanten Aktionen, Inhalten und Ideen darstellten.
Ich habe mich mit einigen TeilnehmerInnen des Alternativkongresses,
                                                                                     we4you-
die auf den Camps (Reddelich & Rostock) übernachteten, unterhalten
und alle beklagten, dass auf den Camps inhaltlich-politisch zu wenig                  ug.at
bzw. rein gar nichts lief.
   Beklagenswert fand ich auch, dass beim guten Move Against G8-Pro-
gramm die etwas mainstreamige Musik am Hafen gespielt wurde und
die besseren Sachen nur Abends auf den verschiedenen relativ schwer
zu erreichenden bzw. zu verlassenden Camps. Ich persönlich fand die
unpolitische & aggressive Sauf-Party-Stimmung abends auf den Camps
oft sehr bedauerlich und kontraproduktiv. Aus: indymedia Deutschland

                                                   SEITE 5 • ALTERNATIVE 6-7/2007
Aktuell

    Die Frage der Gestaltung von Zeit – insbesondere von Arbeitszeit – hat gravierende Auswirkungen
                         auf die Geschlechter – auf ihre Rolle, auf Vereinbarkeiten,
     auf die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit. Im vorliegenden Sozialpartnerpaket zur
                                  Arbeitszeitflexibilisierung bestätigt sich
              einmal mehr: Arbeitszeitpolitik wird von Männern gemacht. Von Markus Koza.

                                           ARBEITSZEITFLEXIBILISIERUNG:

     EINFACH MÄNNLICH
E   rinnert sich noch wer? Im Rahmen der
    existenziellen ÖGB-Krise, als eine gras-
    sierende „Reformitis“ selbst die bislang
    reformunwilligsten ÖGB-Spitzen befiel,
    wurde als ein Defizit im ÖGB die stark
    am Typus des männlichen, vollzeitbe-
    schäftigten, „weißen“ Facharbeiters ori-
    entierte Gewerkschaftspolitik erkannt.
    Künftig, ja künftig wolle mann sich im
                                               auf die gewerkschaftliche Ignoranz zu-
                                               rückzuführen ist) oder der strukturellen
                                               und/bzw. politischen Schwäche der
                                               gewerkschaftlichen Frauenorganisatio-
                                               nen im männerdominierten ÖGB.
                                               •2006 waren in Österreich 1,765 Mil-
                                               lionen Männer und 1,516 Millionen
                                               Frauen unselbständig beschäftigt – da-
                                               von 807.600 ArbeitnehmerInnen Teil-
                                                                                          noch einmal um 1,8 Prozent (Quelle:
                                                                                          Arbeiterkammer).
                                                                                          •Einkommen aus Teilzeitarbeit reicht
                                                                                          meistens nicht aus, um davon leben zu
                                                                                          können: mit einem Zwanzig-Stunden-
                                                                                          Job – und die teilzeitbeschäftigten
                                                                                          Frauen in Österreich arbeiten durch-
                                                                                          schnittlich nur 21,1 Stunden/Woche
                                                                                          (AK, Statistisches Jahrbuch 2007) –
    ÖGB viel mehr um die immer stärker         zeit. 84,11 Prozent der Teilzeitbeschäf-   verdienen die Beschäftigten nicht die
    wachsende Zahl weiblicher Beschäftig-      tigten (1–35 Stunden/Woche) – also         Hälfte eines Vollzeitjobs, sondern weni-
    ter annehmen, sollten diese entspre-       rund 680.000 waren dabei Frauen,           ger: Teilzeitbeschäftigte im Kredit- und
    chend ihrer Mitgliederzahl in den Gre-     44,9 Prozent aller weiblichen Beschäf-     Versicherungswesen verdienen etwa
    mien der Gewerkschaften vertreten          tigten (Teilzeitquote Männer: 7,2 Pro-     21 Prozent weniger pro Arbeitsstunde
    sein, solle sich Gewerkschaftspolitik      zent). Teilzeitarbeit ist also Frauen-,    als ihre vollzeitbeschäftigten Kollegen,
    auch viel stärker an weiblichen Be-        Vollzeitarbeit vorwiegend Männerdo-        in der Sachgütererzeugung 22 Prozent
    schäftigten und ihren spezifischen Pro-    mäne (Quelle: Arbeiterkammer, Statisti-    weniger, im Handel 23 Prozent weni-
    blemlagen am Arbeitsmarkt und in der       sches Jahrbuch 2007). Der Frauenteil-      ger, im Realitätenwesen und in Unter-
    Arbeitswelt orientieren. Die Fakten        zeit alleine ist dabei von 2004 (38,6      nehmensdienstleistungen sogar
    sprechen längst dafür, dass dringender     Prozent) auf 2006 kräftig gestiegen        32 Prozent weniger! (Frauenbericht der
    Handlungsbedarf gegeben ist und zeu-       (1995: 26,9 Prozent).                      Arbeiterkammer 2006). Mit Teilzeitbe-
    gen auch dramatisch von – nennen wir       •Die Einkommensunterschiede zwi-           schäftigung einher gehen geringere
    es vorsichtig – Defiziten gewerkschaft-    schen Männern und Frauen sind anhal-       berufliche – und damit auch finanziel-
    licher Lohn- und Arbeitszeitpolitik spe-   tend hoch. Ein Grund dafür – wenn          le Aufstiegsmöglichkeiten.
    ziell für weibliche Beschäftigte – aus     auch bei weitem nicht der einzige – die    •Teilzeitarbeit ist dabei oft nicht frei-
    welchen Gründen auch immer: ob aus         hohe Teilzeiterwerbsquote der Frauen.      willig gewählt. Aufgrund der Defizite
    Ignoranz, Desinteresse, Machtlosigkeit,    Im Durchschnitt erhielten Frauen –         in der Kinderbetreuung und der nach
    schlechter Organisierung von Branchen      laut Rechnungshofbericht – etwa            wie vor vorherrschenden traditionellen
    mit hohem Frauenanteil (die wieder oft     2003 ein um 40,5 Prozent geringeres        Arbeitsteilung zwischen den Ge-
                                               Einkommen als Männer. Die Median-          schlechtern und der fehlenden Jobs
                                               löhne der Arbeiterinnen (50 Prozent        bleibt Teilzeit die einzige Möglichkeit.
                                               der Betroffenen verdienen weniger, 50      Laut Arbeitskräfteerhebung 2004 der
                                               Prozent mehr) betrugen 2004 62 Pro-        Statistik Austria geben 44 Prozent der
                                               zent ihrer männlichen Kollegen, der        teilzeitbeschäftigten Frauen familiäre
                                               weiblichen Angestellten 59 Prozent der     Gründe als Ursache ihrer Teilzeit an.
                                               angestellten Männer.                       Nicht einmal 15 Prozent geben an,
                                                  Die Realeinkommen – also die Kauf-      dass sie keine Vollzeitarbeit wollen.
                     Markus Koza               kraft – der einkommensschwächsten          Fast 10 Prozent der Teilzeitbeschäftig-
                     ist UG-Vertreter im       20 Prozent unter den Arbeiterinnen         ten haben schlicht keinen Vollzeitjob
                     ÖGB-Bundesvorstand
                     und Mitarbeiter der       sind von 1995 bis 2000 um 5,1 Pro-         gefunden (Frauenbericht der Arbeiter-
                     AUGE/UG in Wien.          zent gesunken, von 2000 bis 2005           kammer 2006).

                                                  SEITE 6 • ALTERNATIVE 6-7/2007
•Die prekäre Einkommenssituation
von Frauen im Erwerbsleben setzt sich
auch in der sozialen Absicherung fort:
das durchschnittliche Arbeitslosengeld
bzw. die Notstandshilfe (soweit über-
haupt bezugsberechtigt) von Frauen
liegt deutlich unter jenem der Männer
(Durchschnittliches Arbeitslosengeld
Männer 2005: 793,90 Euro, Frauen:
638,80 Euro, durchschnittliche Not-
standshilfe: Männer Euro 623,50, Frau-
en 492,80 Euro), der Frauenanteil un-
ter den BezieherInnen des Ausgleichs-
zulagenrichtsatzes in der Pension liegt    1998 die Kluft zwischen Arbeitszeit-         Woche (Männer 4,1 Stunden). Leitner
bei 73 Prozent, Frauenpensionen ma-        wirklichkeit und Arbeitszeitwünschen         und Wroblew sprechen entsprechend
chen zwischen 47 und 56 Prozent der        der EuropäerInnen (damals noch EU            von einem „konservativen (kontinenta-
durchschnittlichen Männerpensionen         15 und Norwegen). Das Resultat:              len) Regime und Vereinbarkeitsmodell
aus. „Dadurch wird ersichtlich, dass       Wunsch und Wirklichkeit klafften ziem-       mit Versorgeehe“ in Österreicher, also
Frauen im Alter vermehrt von Armut         lich weit auseinander. Allgemein             einem System, in dem der Mann nach
und Ausgrenzung bedroht sind,“ lautet      herrschte ein weit verbreiteter Wunsch       wie vor als Familienernährer, die Frau
entsprechend die Feststellung im AK-       nach einer Verkürzung der Arbeitszei-        als Zuverdienerin gilt – im Unterschied
Frauenbericht. Die schwarz-blau-oran-      ten: 71 Prozent der Befragten wollten        zu skandinavischen Modellen.
ge Pensionsreform mit langen Durch-        eine Arbeitszeit zwischen 30 und 40
rechnungszeiträumen, die Frauener-         Stunden (tatsächlich Arbeitszeit inklu-
werbsbiographien nicht ausreichend         sive Überstunden). Der geäußerte Ar-           WIE SICH HAUSARBEIT
berücksichtigt, wird diese Bedrohung       beitszeitwunsch konkret: 34 Stunden            VERTEILT
noch verstärken.                           wöchentlich (Männer 36,8 Stunden,
   Gewerkschaftspolitische Hebel, um       Frauen 30,4 Stunden). In Österreich             Oft wird der Arbeitszeitwunsch von
die Benachteiligungen von Frauen in        wurde seitens der ArbeitnehmerInnen          Frauen, der quer durch Europa in Rich-
der Arbeitswelt – und in der Folge         eine wöchentliche Arbeitszeit von 36,3       tung 30 Stunden/Woche tendiert als
auch in den Sozialsystemen – wenn          Stunden gewünscht (Männer 39,6               „Frauen wünschen Teilzeit“ übersetzt.
schon nicht abzustellen, aber in ersten    Stunden, Frauen 32,1 Stunden). Zum           Diese Behauptung ist allerdings höchst
Schritten zumindest einmal abzu-           Vergleich: die reale Arbeitszeit vollzeit-   zweifelhaft: sie kann nur von jenen ge-
schwächen, wären u. a. eine solidari-      beschäftigter ÖsterreicherInnen (inklu-      fällt werden, die nach wie vor davon
sche Lohn- und Arbeitszeitpolitik, mit     sive Überstunden) lag 2005 bei 42,4          ausgehen, dass das traditionell, männ-
dem Ziel, einer gerechteren Verteilung     Stunden/Woche (Quelle: statistisches         lich geprägte Arbeitsverhältnis, die 40-
von Arbeit – bezahlter und unbezahl-       Jahrbuch der AK 2007, Platz zwei in          Stunden-Woche als normal angesehen
ter – und Einkommen zwischen den           Europa nach GB mit 42,6 Stunden/             werden muss. Genauso gut kann die
Geschlechtern, zumindest existenzsi-       Woche, Schnitt Eurozone: 39,9 Stun-          Untersuchung als Wunsch nach Arbeits-
chernde Löhne und Gehälter für Män-        den, Schnitt EU-15: 40,3 Stunden). Ins-      zeitregelungen interpretiert werden, die
ner wie Frauen sicherzustellen. Dane-      gesamt (vollzeit- und teilzeitbeschäftig-    wöchentliche Normalarbeitszeiten von
ben wäre natürlich ein entschlossener      te Personen) wenden erwerbstätige            32, wenn nicht sogar 30 Stunden und
Einsatz gefordert, strukturelle, gesell-   Frauen 34,5 Stunden, Männer 41 Stun-         Höchstarbeitszeiten von 40 Stunden
schaftliche Bedingungen zu schaffen,       den wöchentlich für Erwerbsarbeit auf        vorsehen. Eine entsprechende Verkür-
die einen faireren Zugang zum Ar-          (IHS-Studie Leitner/Wroblew 2004,            zung und damit Verteilung der tägli-
beitsmarkt und damit zu Einkommen          Untersuchungsgegenstand: Chancen             chen und wöchentlichen Erwerbsar-
sicherstellen würden. Wie ist unter die-   von Frauen und Männern am Arbeits-           beitszeit kann – und die Betonung liegt
sem geschlechterspezifischen Gesichts-     markt; Zeitverwendung, Vereinbarkeit         auf kann – auch zu einer Änderung der
punkten das von den Sozialpartnern         von Beruf und Familie).                      Verteilung der nicht-entgeltlichen Ar-
verhandelte Arbeitszeitpaket zu beur-         Umgekehrt stellt sich die Verteilung      beit führen. Entsprechende Rahmen-
teilen? Leider vernichtend …               der Arbeit bei nicht-entgeltlicher Arbeit    bedingungen (öffentliche Kinderbetreu-
                                           – wie Hausarbeit und familiärer Kin-         ung, Schließen der Einkommensschere
                                           derbetreuung – dar. Die Untersuchung         zwischen Männern und Frauen, etc.)
  ARBEITSZEITEN – WUNSCH                   von Andrea Leitner und Angela Wro-           vorausgesetzt. Jedenfalls würde eine
  UND WIRKLICHKEIT                         blew vom Institut für höhere Studien         entsprechende gerechtere Verteilung
                                           (IHS) spricht eine deutliche Sprache.        von Hausarbeit sowie eine gerechtere
  Gehen wir einen Schritt zurück. In       Frauen wenden für Kinderbetreuung            Verteilung von Freizeit befördert. Und
die neunziger Jahre. Die „Europäische      durchschnittlich 11,2 Stunden/wö-            damit eine Auflösung traditioneller Ge-
Stiftung zur Verbesserung der Lebens-      chentlich auf (Männer 3,3 Stunden),
und Arbeitsbedingungen“ untersuchte        für Hausarbeit 18,3 Stunden in der                                   Bitte umblättern

                                                  SEITE 7 • ALTERNATIVE 6-7/2007
schlechterrollen. Jedenfalls hat eine Un-    barkeit bzw. Koordination von Beruf,       hung der täglichen Arbeitszeit auch
tersuchung der gewerkschaftsnahen            Kinderbetreuung, Hausarbeit oder           noch in Einzelvereinbarungen zu veran-
deutschen Hans-Böckler-Stiftung aus          Betätigungen in der freien Zeit. Ange-     kern. Kann in Betrieben mit Betriebsrat
dem Jahr 2001 für Dänemark entspre-          sichts nach wie vor bestehender tradi-     noch über Betriebsvereinbarungen der
chende Resultate gebracht: „Je weniger       tioneller Arbeitsteilung im häuslichen     Beschäftigten besonders berücksichti-
die Last der Kinderbetreuung privati-        Bereich, fehlenden oder unzureichen-       gungswürdige Interessenslagen als
siert ist und je geringer der Einkom-        den Kinderbetreuungseinrichtungen,         Grund für die Beibehaltung bisheriger
mensunterschied zwischen Frauen und          Einkommensdiskriminierungen etc.           täglicher Normalarbeitszeiten festge-
Männern ist, desto attraktiver wird Er-      wird von Frauen oft bewusst Teilzeitbe-    schrieben und durchgesetzt werden,
werbsarbeit von Frauen und die Beteili-      schäftigung gewählt. Allerdings keines-    steigt der Druck auf die Beschäftigten
gung von Männern an der Familienar-          wegs – wie uns so oft weisgemacht          in Einzelvereinbarungen natürlich
beit … In Dänemark wurde es etwa vie-        werden will und bereits oben erwähnt       enorm, will der Vorgesetzte die Vier-
len Frauen durch die flächendeckende         – unbedingt freiwillig.                    Tage-Woche einführen. Das im Gesetz
Verkürzung der Arbeitszeit von 40 auf           Benachteiligungen von Frauen am         vorgeschriebene „Benachteiligungsver-
37 Stunden möglich, nun mehr den ver-        Arbeitsmarkt werden mit dem Sozial-        bot“ bei Verweigerung ist wohl nur we-
kürzten Vollzeitstandard zu arbeiten …       partnerpaket jedenfalls festgeschrie-      nig wirksam, angesichts des Drucks am
Die Verkürzung der Vollzeitarbeit hat si-    ben, wenn nicht verstärkt.                 Arbeitsmarkt und in der Arbeitswelt
cherlich auch dazu beigetragen, die          •Wenn künftig die Kollektivverträge        wohl auch real schwer durchzusetzen.
häusliche Arbeitsteilung und das Er-         ermächtigt werden, generell die tägli-     Menschen mit Kindern, Alleinerziehe-
werbsverhalten der Frauen zu ändern.“        che Normalarbeitszeit auf zehn Stun-       rInnen insbesondere stehen so leicht
(WSI-Mitteilungen der Hans-Böckler-          den zu erhöhen, um eine – nicht zwin-      vor der Alternative „Job zu Chefs Bedin-
Stiftung Nr. 4/2001). Das IHS bestä-         gend zusammenhängende – Vier-Tage-         gungen oder eben keiner“ und vor ge-
tigt das WSI: In Haushalten mit Kind, in     Woche zu ermöglichen, kommt dies           waltigen Problemen hinsichtlich der Or-
denen beide erwerbstätig sind betreuen       wohl vor allem Vollzeitbeschäftigten,      ganisation von Betreuung zu den gege-
57,2 Prozent der österreichischen Män-       vor allem Männern zugute. Das Argu-        benen Bedingungen.
ner ihr Kind mindestens eine Stunde          ment der Gewerkschaften, dass diese        •Ähnlich, wenn auch noch extremer,
täglich, in Dänemark 65,4 Prozent. Um-       Möglichkeit des Vier-Tage-Blockens von     verhält es sich mit der vorgesehenen
gekehrt betreuen 92,8 Prozent der            den ArbeitnehmerInnen durchaus er-         Gesetzesänderung, künftig bei „beson-
Frauen in Österreich, in Dänemark 80,4       wünscht ist, und damit nur einem Ver-      derem Arbeitsbedarf“ eine Ausweitung
Prozent der erwerbstätigen Frauen ihr        langen der unselbständig Beschäftig-       der täglichen und wöchentlichen Ar-
Kind mindestens eine Stunde. Ein-            ten nachgekommen wird, ist wohl ten-       beitszeit von 12 bzw. 60 Stunden von
drucksvoll die Verteilung der Hausar-        denziell richtig. Nur – wer hat den        bislang 12 auf bis zu 24 Wochen jähr-
beit: in Österreich beteiligen sich 6 Pro-   überwiegenden Nutzen davon? Insbe-         lich (3 x je 8 Wochen mit mind. 2 Wo-
zent der Männer in Haushalten mit            sondere hinsichtlich einer gerechteren     chen Unterbrechung) zu ermöglichen.
Kind an der häuslichen Arbeit, in Däne-      Verteilung der häuslichen bzw. Betreu-     Abgesehen von den kontraproduktiven
mark 24 Prozent.                             ungsarbeiten? Wird zum Zehn-Stunden-       Auswirkungen auf die Beschäftigungs-
   Umgekehrt kann wohl mit Fug und           Tag noch An- und Abreise gerechnet,        situation, die Gesundheit, auf die Frei-
Recht behauptet werden, dass eine            wird schnell ein Zwölf-Stunden-Tag da-     zeit der unmittelbar Betroffenen hat
Verlängerung beziehungsweise eine            raus. Da ist – angesichts real existie-    diese – eingeräumte Möglichkeit – zu
Ausdehnung der täglichen und wö-             render Öffnungszeiten von Kinderbe-        einer Ausweitung der Überstundenar-
chentlichen Arbeitszeiten einer gerech-      treuungseinrichtungen und soweit           beit natürlich drastische Auswirkungen
teren Verteilung bezahlter und unbe-         überhaupt ausreichend vorhanden –          auf die Arbeitsteilung hinsichtlich der
zahlter Arbeit entgegenwirkt und tradi-      wenig Platz für individuelle Kinderbe-     Erwerbs-, Hausarbeit und der Kinderbe-
tionelle Geschlechterrollen noch ver-        treuung, für Hausarbeit, nicht einmal,     treuung zwischen den Geschlechtern.
stärkt. Genau dieser Weg wird aller-         das Kind in den Kindergarten, in die       Zusätzlich verbessert sich die Einkom-
dings mit dem Sozialpartnerpaket be-         Schule zu bringen beziehungsweise ab-      menssituation einmal mehr zugunsten
schritten. Darüber kann auch die Zu-         zuholen. Das bleibt Aufgabe der Frau,      des Typus des männlichen, vollzeitbe-
schlagsregelung bei Teilzeitbeschäfti-       der Lebensgefährtin, der Mutter, der       schäftigten Industrie- bzw. Forschungs-
gung nicht hinwegtäuschen.                   Großeltern oder anderer Angehörigen.       arbeiters. D.h.: Höher entlohnte Über-
                                             Teilzeitbeschäftigung bei Frauen wird      stunden kompensieren aufgrund Teil-
                                             damit verfestigt, die traditionelle Auf-   zeitbeschäftigung und Lohndiskrimi-
  NORMAL BLEIBT WAS                          teilung der häuslichen Arbeit zwischen     nierung niedrigere Fraueneinkommen.
  MÄNNLICH IST                               den Geschlechtern ebenso. Da hilft         Neben dem banalen Fakt, dass sich ja
                                             auch der mögliche „freie“ Freitag          irgend jemand um möglicherweise vor-
  Flexible Arbeitszeiten – soweit nicht      nichts, Kinderbetreuung bzw. -versor-      handene Kinder kümmern muss, und
bewusst von den Beschäftigten selbst         gung beschränkt sich ja bekannterwei-      ein über Wochen hinweg Zwölf-Stun-
aufgrund spezifischer Lebens- oder In-       se nicht auf Wochenenden.                  den-Schichten-Schiebender dazu wohl
teressenslagen frei gewählt, sondern         •Verstärkt wird diese Problematik noch     kaum in der Lage und Willens ist, geht
von der Unternehmensseite „diktiert“ –       durch die vorgesehene Möglichkeit, in      auch ein Erwerbsanreiz verloren. Er-
erschweren schon prinzipiell die Verein-     „betriebsratsfreien“ Betrieben die Erhö-   werbsarbeit – oder sogar Vollzeiter-

                                                SEITE 8 • ALTERNATIVE 6-7/2007
werbsarbeit – wird so Frauen erschwert
bis verunmöglicht.
•Bleibt die Mehrarbeitszuschlagsrege-
lung für Teilzeitbeschäftigte. 25 Pro-
zent Zuschlag für Mehrarbeit bei einem
gesetzlichen Durchrechnungszeitraum
von 3 Monaten (bzw. pro Quartal) –
Mehrarbeitsstunden die über diesen
Durchrechnungszeitraum stehenblei-
ben, also nicht als Zeitausgleich „kon-
sumiert“ worden sind, werden zu-
schlagspflichtig. Ohne Zweifel – eine
Verbesserung des Status quo, ein
Schritt in die richtige Richtung. Ein Ziel   mäßig lang bemessen, erscheint es          reits existierende offensichtliche Schief-
dieser Zuschlagsregelung: die Verteue-       also durchaus wahrscheinlich, dass         lage hinsichtlich der Verteilung von be-
rung von Mehrstunden soll den flexi-         Mehrstunden über 3-Monate hinweg           zahlter und unbezahlter Arbeit zwi-
blen Missbrauch derselben einschrän-         ausgeglichen werden. Was bei Über-         schen den Geschlechtern sowie die Ein-
ken und entsprechend zu einer Erhö-          stunden – also Arbeit jenseits der 40      kommensdiskriminierung von Frauen
hung des arbeitsvertraglich vereinbar-       Stunden – durchaus Sinn macht, näm-        noch weiter verstärken. Insbesondere
ten wöchentlichen Stundenrahmen              lich aus gesundheitlichen und Erho-        wo gesellschaftliche und infrastruktu-
führen (2006 lagen die normalerweise         lungsgründen diese zusätzlich geleiste-    relle Rahmenbedingungen, die diese
pro Woche geleisteten Arbeitsstunden         ten Arbeitsstunden in Form von freier      Entwicklung abschwächen könnten,
von teilzeitbeschäftigten Frauen bei         Zeit statt Geld abzugelten, gilt bei       schlichtweg fehlen: bundesweite flä-
21,1 Stunden). Damit wäre ein höheres,       Mehrarbeit bei Teilzeitbeschäftigung       chendeckende, ganztägige Kinderbe-
Arbeitszeitschwankungen weniger un-          nicht in diesem Ausmass: Teilzeitarbeit    treuungseinrichtungen (insbesondere
terworfenes Monatseinkommen garan-           ist regelmäßig nicht existenzsichernd,     für Unter-3-Jährige und 6–9-Jährige),
tiert. So weit, so gut. Skepsis und Kritik   über Zuschläge finanziell zusätzlich ab-   deren Öffnungszeiten auch mit der Be-
ist dennoch angebracht:                      gegoltene Mehrarbeit erhöhen das per-      rufstätigkeit vereinbar sind, ein ein-
•Einerseits bleibt es unverständlich         sönlich verfügbare Einkommen. Mit der      kommensabhängiges Kinderbetreu-
warum – gerade wenn auch die Ein-            Länge des Durchrechnungszeitraums          ungsgeld, das auch Männern Anreize
kommen der Teilzeitbeschäftigten –           erhöht sich die Wahrscheinlichkeit das     zur Karenz bietet, wirksame gesetzliche
überwiegend Frauen – angehoben wer-          Mehrstunden nicht finanziell, sondern      Mindestlöhne, Arbeitszeitregelungen,
den sollen, der Zuschlag lediglich fünf-     über Zeitausgleich abgegolten werden.      die eine ausgewogene Vereinbarkeit
undzwanzig Prozent ausmacht, wäh-            Ein kürzerer Durchrechnungszeitraum –      von Arbeits- und Lebenszeit ermögli-
rend der Überstundenzuschlag für Voll-       z.B. ein Monat – reduziert die Wahr-       chen, ein Organisation von Arbeitszeit,
zeitbeschäftigte – überwiegend Män-          scheinlichkeit des Zeitausgleichs dage-    die verschiedene Lebensphasen und
ner – fünfzig Prozent beträgt. Ein in        gen und stellt eher den finanziellen Zu-   -biographien berücksichtigt und damit
der Höhe dem Überstundenzuschlag             schlag sicher. Ausserdem führt ein kür-    Anreize für eine gerechtere Verteilung
entsprechender Mehrstundenzuschlag           zerer Durchrechnungszeitraum mit zu        von bezahlter und unbezahlter Arbeit
hätte wohl noch stärkere Anreize gebo-       erwartenden regelmäßigen Mehrstun-         zwischen den Geschlechtern setzt. Im
ten, Teilzeitstundenkontingente zu er-       den tendenziell zu einer Erhöhung des      großkoalitionären Dauerstreit und sozi-
höhen und die Zerstückelung von Voll-        im Arbeitsvertrag vereinbarten wö-         alpartnerschaftlicher Ignoranz bleiben
zeitarbeitsplätzen in flexibler einsetz-     chentlichen Stundenkontingents, zu ei-     derartige Anliegen weitestgehend un-
bare Teilzeitarbeit zu verhindern. Gera-     nem geringeren flexiblen Einsatz der       behandelt oder werden schlicht igno-
de, wenn Teilzeitarbeit bewusst und          Beschäftigten und dadurch zu mehr          riert. Das Arbeitszeitpaket stellt in die-
freiwillig vereinbart worden ist – etwa      Einkommenssicherheit und Planbarkeit.      sem Sinne tatsächlich einen „Hammer
um Betreuungspflichten nachkommen            Und dadurch auch zu einem Schließen        für die Frauen“, wie die FSG in ihrer
zu können – und Mehrarbeit einiges an        der Einkommensschere zwischen Män-         Zeitschrift „FSG-direkt“ titelt – wenn
organisatorischem Geschick abver-            nern und Frauen, die nicht zuletzt auf     auch natürlich anders gemeint, dar. Es
langt, um Betreuung alternativ zu or-        die hohe Teilzeitbeschäftigung von         ist und bleibt Arbeitszeitpolitik, die
ganisieren – wäre ein entsprechend hö-       Frauen bei niedriger Stundenanzahl zu-     sich in Summe am Bild des männli-
herer Zuschlag nur eine faire, entspre-      rückzuführen ist. Der großzügig bemes-     chen, vollzeitbeschäftigten Familiener-
chende Abgeltung für den individuel-         sene 3-monatige Durchrechnungszeit-        nährers orientiert. Typisch männlich, ty-
len Mehraufwand.                             raum wirkt diesen – auch von den Ge-       pisch … „ÖGB neu“?
•Andererseits ist Skepsis geboten, in-       werkschaften zumindest verbal – geäu-
wieweit TeilzeitarbeiterInnen tatsäch-       ßerten Zielen allerdings entgegen.
lich in den Genuss der Mehrarbeitszu-           Zusammengefasst kann festgehalten
schläge kommen werden: schließlich ist       werden: Das vorliegende Sozialpartner-
der Durchrechnungszeitraum zum Zeit-         paket zur Arbeitszeitflexibilisierung
ausgleich von Mehrarbeit verhältnis-         wird – so ist zu befürchten – die be-

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Aktuell

          Nein zu diesem Arbeitszeit-
            flexibilisierungspaket
          Das von ÖGB und Wirtschaftskammer ausgehandelte                 Während die Vorteile für die Arbeitgeberseite offensicht-
          Paket zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten ist nicht nur      lich sind, sind diese für ArbeitnehmerInnen nur schwerlich
          ein Schritt in die falsche Richtung, sondern bedeutet in        zu verorten. Vielmehr bringt es bedeutende Nachteile für
          vielen Punkten vielmehr einen Schritt in die Vergangen-         die unselbständig Beschäftigten. Das vorliegende Ver-
          heit. Es sieht Möglichkeiten zu einer drastischen Verlänge-     handlungsergebnis betreffend Flexibilisierung ist daher
          rung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten vor          aus mehreren Gründen abzulehnen:
          und verlagert Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung        •Sie bringt eine de facto Arbeitszeitverlängerung, die kei-
          nicht nur auf die betriebliche, sondern auch auf die indivi-       ne neuen Jobs schafft, sondern im Gegenteil das Ziel
          duelle, einzelvertragliche Ebene:                                  der Vollbeschäftigung klar konterkariert. Die Arbeits-
          •Bis zu 24 Wochen im Jahr soll „bei besonderem Arbeits-            kraft der Stammbelegschaften wird dagegen noch in-
            bedarf“ eine tägliche bzw. wöchentliche Höchstarbeits-           tensiver „genutzt“, um nicht zu sagen „ausgebeutet“, auf
            zeit von 12 bzw. 60 Stunden ermöglicht werden.                   Kosten von Gesundheit, Freizeit und Lebensqualität.
          •Durch Vereinbarung im Kollektivvertrag kann die                •Sie erhöht die Verfügbarkeit der Unternehmen über die
            tägliche Normalarbeitszeit auf bis zu zehn Stunden er-           Zeit der unselbständig Beschäftigten. Wenn das Gesetz
            höht werden.                                                     die Möglichkeit vorsieht, dass über ein halbes Jahr hin-
          •Die Einführung einer Vier-Tage-Woche (vier Tage zu                weg die Höchstarbeitszeiten drastisch auf zwölf Stunden
            zehn Stunden) wird auch auf betrieblicher Ebene                  täglich und sechzig Stunden wöchentlich ausgedehnt
            möglich sein – wo ein Betriebsrat besteht über eine              werden können, bedeutet das eine de facto Verabschie-
            Betriebsvereinbarung, ohne Betriebsrat sogar durch               dung von der alten gewerkschaftlichen Forderung
            Einzelvereinbarung!                                              „8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Freizeit, 8 Stunden Schlaf“
          •Wo es keine kollektivvertragsfähige Interessensvertre-            und ein weitere Schritt in Richtung Umverteilung von
            tung gibt, soll generell die betriebliche Ebene hinsicht-        Arbeit zu Kapital – zugunsten einer Ausdehnung der
            lich einer Regelung der Arbeitszeiten gestärkt werden            Mehrwertproduktion zulasten der freien Zeit der Arbeit-
          •Einzig die Vereinbarung für Teilzeitbeschäftigte geht in          nehmerInnen.
            die richtige Richtung, ist allerdings unzureichend: Es soll   •Sie erhöht in Betrieben ohne Betriebsrat den Druck auf
            einen Zuschlag von 25 Prozent für jede geleistete Mehr-          einzelne Beschäftigte, mehr Überstunden zu leisten –
            stunde geben, falls diese Mehrarbeit nicht innerhalb ei-         aus Angst um den Arbeitsplatz häufig ohne entspre-
            nes Quartals ausgeglichen wird                                   chende Zuschläge.
                                                                          •Statt BetriebsrätInnen in ihrer Position hinsichtlich der
                                                                             Regelungen von Arbeitszeiten im Betrieb zu stärken und
                                                                             aufzuwerten, bekommen betriebsratslose Betriebe noch
                                                                             die Möglichkeit einzelvertraglich derartige Vereinbarun-
                                                                             gen treffen zu können. Das kann geradezu als Einla-
                                     Antrag 9 der AUGE/UG
                                                                             dung ausgelegt werden, BetriebsrätInnen, die sich derar-
                                     zur 146. Vollversammlung
                                                                             tigen Betriebsvereinbarungen widersetzen, durch den
                                     der Arbeiterkammer-Wien
                                     am 30. Mai 2007
                                                                             Dienstgeber aus der Funktion zu drängen (das kommt
                                                                             auch jetzt schon immer wieder vor), bzw. BetriebsrätIn-
                                                                             nen zu verhindern, um direkt mit dem schwächeren Ver-
                                                                             handlungspartner DienstnehmerIn individuelle Regelun-
                                                                             gen treffen zu können. Gerade wenn die Belegschaft

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über Arbeitszeitmodelle gespalten ist, werden die          mer fordert vielmehr eine Flexibilisierung der Arbeits-
  DienstgeberInnen diese DienstnehmerInnen gegen den         zeiten, die den ArbeitnehmerInnen zugute kommt und
  Betriebsrat zu instrumentalisieren versuchen, um deren     einer gerechtere Verteilung von Einkommen und Arbeit
  Abwahl zu betreiben.                                       zum Ziel hat:
•Längere und flexiblere tägliche Arbeitszeiten erschwe-      •Eine Neuverhandlung bzw. Nachverhandlung des Pa-
  ren die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, von bür-        kets zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten wobei insbe-
  ger- beziehungsweise zivilgesellschaftlichem Engage-         sondere der Grundsatz „weitere Arbeitszeitflexibilisie-
  ment. Insbesondere sind vollzeitbeschäftigte Frauen da-      rung bei Arbeitszeitverkürzung“ zu gelten hat
  von betroffen, da – leider – nach wie vor sie in über-     •Ein garantierter Rechtsanspruch auf berufliche Auszei-
  wiegendem Ausmaß Kinderbetreuung und andere re-              ten und Bildungskarenzen, arbeits- und sozialrechtlich
  produktive Tätigkeiten leisten. Mit dem vorliegenden         abgesichert (Bezug fiktives Arbeitslosengeld für die
  Arbeitszeitpaket wird diese gesellschaftliche Rollenver-     Dauer der Karenz bzw. Grund/Mindestsicherung)
  teilung noch gestärkt.                                     •Maßnahmen gegen ausufernde Überstundenarbeit,
•Die zu niedrigen Zuschläge bei Mehrarbeit von Teilzeit-       etwa über einen progressiv steigenden Zuschlag zu den
  beschäftigten wirken einer weiteren Zerlegung von            Arbeitgeberbeiträgen zur Krankenversicherung pro zu-
  Vollzeit- in Teilzeitbeschäftigung nicht wirksam entge-      sätzlich geleisteter Überstunde (ab 41. Stunde)
  gen, der gesetzliche Durchrechnungszeitraum dient          •Keine Ausdehnung der maximal zulässigen Höchstar-
  nicht dem Ziel, Einkommen von Teilzeitbeschäftigten          beitszeiten (12 Stunden täglich/60 Stunden wöchent-
  zu erhöhen                                                   lich) von 12 auf 24 Wochen jährlich. „Besonderer Ar-
•Eine Stärkung der betrieblichen oder sogar der                beitsbedarf“ muss Ausnahme bleiben und darf nicht
  einzelvertraglichen Ebene bedeuten insgesamt eine            Regel werden!
  Schwächung der ArbeitnehmerInnen und ihrer                 •Berücksichtigungswürdige, persönliche Interessen der
  Interessenvertretungen.                                      ArbeitnehmerInnen – wie Kinderbetreuung, Pflege, in-
•Das vorliegende Arbeitszeitflexibilisierungspaket setzt       frastrukturelle Rahmenbedingungen etc. – müssen bei
  schlussendlich keinerlei Schritte in Richtung einer ge-      Arbeitszeitflexibilisierung gewahrt und wirkungsvoll ge-
  rechteren Verteilung von Arbeit durch Arbeitszeitverkür-     sichert bleiben!
  zung, sondern schafft vielmehr Spielräume für eine Ar-     •Daher: Keine betrieblichen Arbeitszeitregelungen ohne
  beitszeitverlängerung und öffnet Tür und Tor für weite-      Betriebsrat – insbesondere keine Ausdehnung der Ar-
  re Begehrlichkeiten der Unternehmensseite                    beitszeit über Einzelverträge
Die Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien lehnt da-        •Mehrstunden bei Teilzeitarbeit sind wie Überstunden
her den vorliegenden Entwurf zu einer Flexibilisierung der     zu regeln, daher 50 Prozent Zuschlag bei Mehrarbeit
Arbeitszeiten ab. Die Vollversammlung der Arbeiterkam-         und kein gesetzlicher Durchrechnungszeitraum

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Aktuell

Presseaussendung der AUGE/UG                                                                   hen, warum Mehrstundenzuschläge
                                                                                               hinsichtlich ihrer Höhe anders geregelt
„FSG BLEIBT MIT ARBEITSZEIT-                                                                   werden sollen als Überstundenzuschlä-
                                                                                               ge,“ so Koza weiter. Die Unabhängigen
FLEXIBILISIERUNG RECHT EINSAM“                                                                 GewerkschafterInnen wollen den Druck
                                                                                               im Österreichischen Gewerkschafts-
                                                                                               bund auf eine Neuverhandlung des
                                                                                               Pakets jedenfalls weiter erhöhen.
                 in von der AUGE/UG zur             ChristgewerkschafterInnen                    „Wer, wie wir, gegen diese Arbeits-
          E      146. Vollversammlung der Ar-
                                                    unterstützen Antrag der
                                                                                               zeitflexibilisierung ist und unsere For-
                beiterkammer Wien am 30.                                                       derungen nach fairen Arbeitszeitrege-
            Mai 2007 eingebrachter Antrag           AUGE/UG auf Ablehnung                      lungen unterstützen will, kann das im
      auf Ablehnung des von den Sozialpart-                                                    Rahmen unserer Initiative ‚Noch länger
      nern ausgehandelten Pakets zur Ar-            des Sozialpartnerpakets zu                 arbeiten? Nein, danke!“ durch eine Un-
      beitszeitflexibilisierung wurde von der                                                  terschrift bekunden. Wir fordern jene
      FSG- Mehrheit zwar niedergestimmt,            Arbeitszeitflexibilisierung.               Nationalratsabgeordneten, die einen
      fand allerdings breite Zustimmung bei                                                    gewerkschaftlichen Hintergrund ha-
      allen anderen in der AK-Wien vertrete-      vor am vollzeitbeschäftigten, männli-        ben, jedenfalls auf, diesem Paket ihre
      nen Gruppen.                                chen Arbeitnehmer. Wenn Möglichkei-          Zustimmung zu verweigern,“ so Koza.
         Während ChristgewerkschafterInnen        ten zur Erhöhung des Arbeitsvolumens
      und Linksblock den Antrag unterstüt-        für Beschäftigte weiter erhöht werden,
      zen, stimmten die Freiheitlichen für        wirkt das zusätzlich dem Ziel einer ge-
      eine Zuweisung zu einer weiteren Be-        rechteren Verteilung von Arbeit, sowie
      handlung im entsprechenden Aus-             dem Ziel der Vollbeschäftigung klar
      schuss der AK. Lediglich die sozialde-      entgegen,“ begründet Koza einmal
      mokratische Mehrheitsfraktion lehnte        mehr die Ablehnung. Die Zuschläge für
      den Antrag – wie zu erwarten war –          Mehrarbeit bei Teilzeitbeschäftigung
      ab.“Es sollte den sozialdemokratischen      werden von der AUGE/UG zwar aus-
      GewerkschafterInnen zu denken geben,        drücklich begrüßt, allerdings sollten
      wenn das von ihnen als großer Wurf ge-      Mehrstunden hinsichtlich ihrer Rege-
      feierte Arbeitszeitflexibilisierungspaket   lungen wie Überstunden behandelt
      von allen anderen relevanten Gruppen        werden. „Gerade wenn Fraueneinkom-
      in AK und ÖGB abgelehnt wird,“ freut        men erhöht werden sollen – und die
      sich Markus Koza, Vertreter der Unab-       überwiegende Zahl der Teilzeitbeschäf-
      hängigen GewerkschafterInnen im             tigten sind Frauen – ist nicht einzuse-
      ÖGB-Bundesvorstand über die breite
      Unterstützung der AUGE/UG-Initiative.
      Besonders die vorgesehenen gesetzli-          Jetzt unterstützen!
      chen Möglichkeiten einer Ausdehnung
      der Höchstarbeitszeiten von 12 Stun-          UG-Initiative: „Noch länger arbeiten? Nein danke!“
      den täglich und 60 Stunden wöchent-           Hunderte haben bereits unterschrieben und ihre Ablehnung gegenüber der vom
      lich auf 24 Wochen im Jahr, sowie die         ÖGB ausverhandelte Arbeitszeitflexibilisierung Ausdruck verliehen. Wir haben
      Möglichkeiten, flexiblere Arbeitszeiten       bereits Initiativen gegen das Sozialpartnerpaket gestartet: in der Arbeiterkam-
      in Betrieben ohne Betriebsrat in Einzel-      mer, im ÖGB. In der Wiener Arbeiterkammer fand unser Antrag breite Zustim-
      vereinbarungen festzuschreiben stoßen         mung – von GLB bis ÖAAB-FCG. Die FSG blieb mir ihrer Ablehnung allein.
                                                      Allerdings herrscht bis weit in sozialdemokratische Gewerkschaftskreise Frust
      bei den alternativen und unabhängi-
                                                    und Ärger über die geplanten neuen Arbeitszeitregelungen. Das hat nichts damit
      gen GewerkschafterInnen auf Kritik:           zu tun, wie uns die Gewerkschaftsspitze weis machen will, dass viele Missver-
      „Es ist arbeitsmedizinisch längst erwie-      ständnisse und Unwissenheit besteht. Das hat vor allem damit zu tun, dass das
      sen, dass längere Arbeitszeiten zu einer      Sozialpartnerpaket in vielen Punkten in die falsche Richtung geht und das viele
      zusätzlich Belastung von Gesundheit –         GewerkschafterInnen und ArbeitnehmerInnen auch so erkennen. Damit es zu
      wie einem höheren Herzinfarktrisiko,          einem Nachdenken an der Spitze kommt, braucht es allerdings weiterhin Druck
      Schlafstörungen, Burn Out Syndromen           von unten.
      – sowie zu einem höheren Unfallrisiko           Deshalb: einmal mehr ein Zeichen setzen und die UG-Initiative mit Deiner Un-
      führen. Längere Arbeitszeiten, insbe-         terschrift unter www.initiative-arbeitszeit.at.tt unterstützen – und auch weitersa-
      sondere auch tägliche, erschweren             gen und weiterverbreiten. Unterschriftenlisten, die immer zahlreicher an uns zu-
      dazu zusätzlich die Vereinbarkeit von         rückkommen, gibt’s ebenfalls als Download. Auch wenn unsere Möglichkeiten
      Beruf und Familie und zementieren die         beschränkt sind – die wenigen, die wir haben, sollten wir ausnutzen! Entlassen
      Geschlechterrollen in der häuslichen          wir die ÖGB-VerhandlerInnen nicht aus ihrer Verantwortung – äußern wir unse-
      Arbeitsteilung. Das verhandelte Ar-           ren Protest!
      beitszeitpaket orientiert sich nach wie

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Kurzmeldungen

        Argentinien wiederverstaatlicht Eisenbahn                           die die Flexibilitäten des internationalen Patentrechtes aus-
                                                                            nutzen, um bezahlbare Nachahmerpräparate herzustellen.
                                      Argentinien wird die Kontrolle        Wir sehen die Gefahr, dass so ein Teil des zusätzlichen Geldes
                                      über das in den 1990er Jahren         nur für höhere Medikamentenpreise ausgegeben wird. Dieser
                                      vollständig privatisierte öffentli-   G8-Text fällt noch hinter die Doha-Erklärung der WTO-Minis-
                                      che Verkehrswesen wieder über-        terkonferenz von 2001 zurück. Der aktuell in der Weltgesund-
                                      nehmen. Erst vergangene Woche         heitsorganisation laufende Prozess zu Innovation, Gesundheit
                                      entzog Präsident Néstor Kirchner      und Geistigem Eigentum wird komplett ignoriert.“
                                      einem privaten Betreiber die Kon-     Ärzte ohne Grenzen
                                      zession für zwei Eisenbahnlinien.
                                      Bei einem Wahlkampfauftritt kün-
        digte er zudem an, ein Gesetzesvorhaben für die Schaffung ei-       Iran: Gewerkschafter in Geheimhaft
        nes zentralen Eisenbahnunternehmens vorzulegen. Der Plan
        sieht ein staatlich-privates Konsortium vor, das öffentliche                                              amnesty international
        Subventionen und die Konzessionen verwalten wird.                                                         (ai) ist um die Sicherheit
        Attac                                                                                                     der beiden Lehrergewerk-
                                                                                                                  schafter Heis Amani und
                                                                                                                  Sedigh Karimi besorgt.
        G8-Deklaration beeinträchtigt Zugang zu                                                                   Beide werden an einem
        Medikamenten in Entwicklungsländern                                                                       geheimen Ort gefangen
                                                                                                                  gehalten. ai fürchtet,
                                                       Die Einigung der                                           dass sie in Einzelhaft ge-
                                                       G8 auf die For-      halten sowie gefoltert und misshandelt werden könnten. Heis
                                                       derung nach hö-      Amani ist der Vorsitzende der Gewerkschaft für Arbeitslose
                                                       herem Schutz         und gekündigte ArbeitnehmerInnen (Ettehadiye Kargaran-e
                                                       von geistigem Ei-    Bikar va Ekhraji), während Sedigh Karimi im Vorstand dieser
                                                       gentum in auf-       Gewerkschaft vertreten ist.
                                                       strebenden              Heis Amani und Sedigh Karimi nahmen gemeinsam mit
                                                       Volkswirtschaf-      vierhundert KollegInnen am 1. Mai 2007 an einer Demonstra-
                                                       ten lässt einen      tion zum Tag der Arbeit in Sanandaj, der Hauptstadt der kurdi-
                                                       schwerwiegen-        schen Provinz, teil. Dabei wurden allein in Sanandaj zahlreiche
        den negativen Einfluss auf den Zugang zu leistbaren Medika-         TeilnehmerInnen verhaftet. Mindestens zwölf Personen wurden
        menten in Entwicklungsländern befürchten.                           bis zum 10. Mai 2007 festgehalten; ein weiterer wurde am
          „Die G8 widersprechen sich selbst: Einerseits versprechen sie     12. Mai auf Kaution freigelassen.
        zusätzliche Mittel, andererseits wollen sie das Patentrecht ver-       Heis Amani und Sedigh Karimi sind die einzigen verhaf-
        schärfen, welches ein zentrales Hindernis beim Zugang zu be-        teten TeilnehmerInnen der Kundgebung in Sanandaj, die sich
        zahlbaren Medikamenten ist,“ so Tido von Schön-Angerer, Di-         immer noch in Haft befinden.
        rektor der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen.                amnesty international liegen keine Informationen vor, wo
        „Die G8 lassen nicht erkennen, dass sie in Zukunft weniger          sie gefangen gehalten werden noch welche Anklagepunkte
        Druck auf Länder wie Brasilien und Thailand ausüben wollen,         gegen sie vorgebracht werden.

                                                               Frauenzimmer am Ende
                                                               Eine der letzten Frauenbuchhandlungen im deutschsprachigen
                                                               Raum stirbt. Bis zum Samstag, 23. Juni 2007, konntet Ihr noch Bü-
                                                               cher kaufen. Die grossen Buchketten und Versandhäuser haben es
                                                               wieder einmal geschafft.
                                                                  Wir bedauern unendlich! Und sind unendlich wütend, dass wir
                                                               sie nicht retten konnten!
                                                               Aussendung AUF-Eine Frauenzeitschrift

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SEITE 14 • ALTERNATIVE 6-7/2007
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Juni-Plenum der KIV: Der Betriebsrat als Guerillero.
                                          Von Thomas Kerschbaum.

           „ARGWOHN UND
           BEWEGLICHKEIT“
D
as allgemeine Plenum der KIV am
14. Juni würde ich als Highlight be-
zeichnen. Ein ungewöhnliches Thema
und ein interessanter Referent. Aus-
gangspunkt war ein Artikel in einem
Buch des ÖGB-Verlages: „Der neue An-
tikapitalismus“. Ein Artikel weckte un-
sere Aufmerksamkeit – „Guerillero Be-
triebsrat“ von Michael Vlastos. Ein et-
                                            metrische Auseinandersetzung: In der
                                            guten „alten“ Zeit der Sozialpartner-
                                            schaft hat die Vorstellung dominiert,
                                            dass beide Seiten – ArbeitgeberInnen
                                            und ArbeitnehmerInnen ihre Forderun-
                                            gen auf den Tisch legen und den Sieg
                                            trägt jene Seite davon, die entweder die
                                            besseren Argumente hat oder entspre-
                                            chend mit den Muskeln spielen kann.
                                                                                        an die gesellschaftlichen und betriebli-
                                                                                        chen Machtverhältnisse angepassten
                                                                                        Theorie von Betriebsrats- bzw. Perso-
                                                                                        nalvertretungsarbeit. Wenn wir von
                                                                                        „asymmetrischer“ Kriegsführung im Zu-
                                                                                        sammenhang mit Guerilla-Kämpfen
                                                                                        sprechen, dann meinen wir Kriege, in
                                                                                        denen eine übermächtige Staatsmacht
                                                                                        mit einer konventionellen Armee oder
was anderer Zugang zur Arbeit bzw.             Die neoliberale Zeitenwende hat          Polizei einem Gegner gegenüber steht,
Tätigkeit von BetriebsrätInnen. Michael     neue gesellschaftliche Kräftekonstella-     der zwar militärisch viel schwächer ist,
Vlastos, Historiker und Sekretär im         tionen hervor gebracht. Die offensicht-     aber darüber hinaus gehende Ziele
„Verband Österreichischer Gewerk-           liche Schwäche von Betriebsräten und        (Befreiung des Volkes, Widerstand ge-
schaftlicher Bildung“, hat es geschafft,    Gewerkschaft hat wirtschaftliche, so-       gen Besatzung usw.) verfolgt. Angefan-
mit einem spannenden Vortrag uns auf        ziale und politische Ursachen. Wollen       gen mit napoleonischen Kriegen in
die Spuren neuer Wege in der Betriebs-      BetriebsrätInnen und Personalvertreter-     Preußen über die Guerilla-Taktik der
ratsarbeit zu führen.                       Innen ihre Position in den Auseinan-        Bolschewiki am Vorabend der Russi-
   Ausgehend von der Überlegung, dass       dersetzungen mit den Arbeitgebern           schen Revolution, über die Konzepte
sich Betriebsratsarbeit (wie auch die Ar-   oder in Arbeitskämpfen verbessern,          Che Guevaras bis zu den Kämpfen des
beit der Personalvertretung) in den letz-   müssen sie die traditionellen Strate-       ANC in Südafrika – die Geschichte des
ten Jahren verändert hat, müssen Be-        gien mit den geltenden normativen Re-       Guerilla-Krieges ist lange und hat ob-
triebsrätInnen und PersonalvertreterIn-     gelungen wie Arbeitsverfassung, Ar-         jektive Ursachen. Die Guerilla kann
nen neue Wege in der Durchsetzung ih-       beitsrecht usw. durch neue „asymmetri-      aber einen asymmetrischen Kampf
rer Forderungen bzw. in der Abwehr          sche“ Wege der Interessendurchset-          ohne Hinterland, ohne die Unterstüt-
von Angriffen entwickeln. Das traditio-     zung, einen neuen Weg der Mitbestim-        zung des Volkes, das die Basis eine er-
nelle Bild von symmetrischen Auseinan-      mung, suchen. Wir kennen dies aus un-       folgreichen Guerilla-Krieges ist, nicht
dersetzungen von Betriebsrat und Ge-        serer Praxis: Es ist gut, wenn es Gesetze   gewinnen. Ein wesentliches Element ei-
werkschaft gegen Unternehmer (in un-        gibt – zum Beispiel das Personalvertre-     nes solchen Kampfes ist, den Mythos
serem Fall mit der öffentlichen Körper-     tungsgesetz oder das Arbeitsverfas-         von der Unbesiegbarkeit und Allgegen-
schaft Stadt Wien und der Politik) ver-     sungsgesetz, aber von immer größerer        wart des Gegners zu zerstören.
schwimmt zunehmend. Was heißt sym-          Bedeutung wird die Frage: Wie können           Keine Angst, die soll selbstverständ-
                                            wir unsere verbrieften Rechte über-         lich keine Werbung für den Guerilla-
                                            haupt durchsetzen? Die Arbeitgeber –        Krieg sein. Der Historiker Michael Vlas-
                                            auch die Stadt Wien – schnippen kurz        tos will uns zeigen, welche theoreti-
                                            mit dem Finger und drohen mit Ar-           schen Grundlagen solche asymmetri-
                                            beitsplatzabbau, Ausgliederungen, Ge-       schen Kriege bzw. Kämpfe haben. So
                                            haltskürzungen … und schon ist es vor-      zum Beispiel hat Che Guevara diese drei
                                            bei mit der „Macht“ des Gesetzes.           Bedingungen, so Vlastos, für das Über-
                                               Und genau da setzen die Überlegun-       leben einer Guerilla genannt: Wachsam-
                                            gen von Michael Vlastos an. Eindrucks-      keit, Argwohn und Beweglichkeit.
                  Thomas Kerschbaum
                                            voll schildert er die theoretischen Zu-        Wenn die Möglichkeiten der traditio-
                  ist KIV-Personal-         sammenhänge zwischen den Theorien           nellen Formen der Betriebsrats- und
                  vertreter in Wien.        des Guerilla-Kampfes und einer neuen,       Personalvertretungsarbeit nicht mehr

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