"Smartes" Laden an öffentlich zugänglichen Lade-säulen - Teil 1: Quo vadis, Marktdesign? - FH ...
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DEZENTRALISIERUNG – E-MOBILITY „Smartes“ Laden an öffentlich zugänglichen Lade- säulen – Teil 1: Quo vadis, Marktdesign? Jörg Heiner Georg, Dominik Stollenwerk, Sebastian Reinkensmeier und Christian Jungbluth Markt- und netzdienliches Laden an öffentlich zugänglichen Ladepunkten zu ermöglichen, ist fundamental für das Funktionieren des künftigen Energiesystems. Für eine erfolgreiche Implementierung stehen Lösungsansätze im Mittelpunkt, mit denen „smartes“ – gleich kundenorientiertes, markt- und netzdienliches Laden – ermöglicht werden kann. Der vorliegende Teil 1 der Artikelserie setzt dazu über die Herleitung exemplarischer Marktdesigns zunächst den grundlegenden Bezugsrahmen. Die BNA-Konsultation BK6-20-160 zum Netz- nutzungsvertrag „E-Mob“ [1] verpflichtet Be- treiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen i.S.d. § 3 Nr. 2 EnWG, spätestens ab dem 01.04.2021 mit Betreibern von Ladepunkten (CPO) für Elektromobile auf deren Verlangen einen Netznutzungsvertrag abzuschließen, um Ladekunden (USER) bzw. Lieferanten einen bilanziellen Zugang (nach unserem Verständnis: eindeutige Zuordnung der von einzelnen Lieferanten entnommenen Lades- trommengen an einzelnen Ladepunkten zu Bilanzkreisen) zu öffentlich zugänglichen Ladepunkten zu ermöglichen. Damit wäre USERn neben der Gewährung von Roaming-Optionen ein bilanzieller Wech- sel des Ladestromlieferanten an öffentlich zu- gänglichen Ladepunkten möglich. Die damit angeregte Diskussion über ein zukünftiges Marktdesign für öffentlich zugängliche Lade- Im Laufe des Jahres 2020 gab es eine rasante Zunahme an EV-Neuzulassungen Bild: Adobe Stock vorgänge ist in vollem Gange und wird durch zahlreiche Stellungnahmen von Verbänden, Unternehmen und wissenschaftlichen Ein- frastruktur in Deutschland umfasste im März den Bestand um mehr als 100 % auf knapp richtungen kontrovers geführt [2]. Markt- 2020 rund 27.730 öffentlich und teilöffent- 491.000 EV (Stand 07.11.2020) anstiegen und netzdienliches Laden an öffentlich zu- lich zugängliche Ladepunkte von Energie- ließ (vgl. Abb. 1). Bis zum Stand November gänglichen Ladepunkten steht dabei nicht im unternehmen, Parkhaus- und Parkplatzbe- 2020 stieg hierbei die Anzahl nur um knapp Kern der Diskussion, ist aber aus Sicht der treibern, Supermärkten und Hotels [6]. Dies 20 %. auf ca. 33.107 öffentlich zugängliche Autoren fundamental für das Funktionieren entspricht ungefähr einem Verhältnis von Lade-punkte. Das Verhältnis von Ladepunk- des Energiesystems und steht deshalb im Ladepunkt zu EV von 1:9. Zum Vergleich: ten zu EV verschlechterte sich somit auf 1:15. Mittelpunkt der folgenden Betrachtungen. Es gibt in Deutschland aktuell ca. 14.500 Der Ausbau von Ladeinfrastruktur müsste in Tankstellen [7] für über 47 Mio. PKWs mit den nächsten Monaten und Jahren deutlich Zukünftig steigende Zahlen Verbrennungsmotor, dies entspricht bei der zunehmen, um bei einer weiterhin steigen- an Elektroautos und Annahme von 10 Zapfsäulen pro Tankstelle den Marktdurchdringung der Elektromobi- resultierend Ladepunkten einem Verhältnis von Zapfsäulen zu PKWs lität mit-zuhalten und das Ziel der Bundes- von ca. 1:470. Aufgrund der veränderten regierung bzw. des Bundesministeriums für Aktuelle Hochlaufszenarien zur Marktdurch- Tank- bzw. Ladevorgänge und -dauern wird Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) dringung von Elektroautos (EV) erwarten 2 für die EV ein Verhältnis von 1:165 für öffent- – im Jahr 2030 sollen rund 1 Mio. öffentlich bis 10 Mio. EV im Jahr 2030 [3]. Die Bundes- liche (DC-) Schnellladesäulen und 1:16,5 für zugängliche Ladepunkte in Deutschland ins- regierung erwartet einen EV-Bestand (Batte- öffentliches AC-Laden, sowie 1,125:1 für pri- talliert sein – zu erreichen [9]. In der noch riebetriebene Elektrofahrzeuge – BEV und vates Laden angestrebt [8]. im November 2020 veröffentlichten Studie Plug-in-Hybrid – PHEV) von 7 bis 10 Mio. im „Ladeinfrastruktur nach 2025/2030: Szena- Jahr 2030 [4]. Stand 01.01.2020 waren ca. Im Verlauf des Jahres 2020 gab es eine ra- rien für den Markthochlauf“ der Nationalen 240.000 EV zugelassen [5], und die Ladein- sante Zunahme an EV-Neuzulassungen, die Leitstelle Ladeinfrastruktur und des Reiner 64 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. (2021) Heft 1/2
DEZENTRALISIERUNG – E-MOBILITY Lemoine Instituts wurden die Bedarfe an Möglichkeit, die Nachfrage nach elektrischer Aktuelles Marktdesign ermög- Ladeinfrastruktur bis zum Jahr 2030 anhand Energie und Leistung zu flexibilisieren und licht Zugang zu Ladepunkten verschiedener Parameter nochmals detail- gleichzeitig auch zusätzliche Stromspei- über Roaming, aber kein Heben liert analysiert. Die Studie, die dort imple- cherkapazität bereitzustellen. der Flexibilitätspotenziale mentierte (Aktualisierungs-)Methodik und die daraus bisher resultierenden Ergebnisse Die Nutzung der Flexibilitätspotenziale beim Im aktuellen Marktdesign für Elektromobili- (u.a. Anzahl der benötigten öffentlich zu- Laden hat allerdings folgende Grundvoraus- tät können folgende Rollen und Funktionen gänglichen Ladepunkte) bieten für politische setzungen [11]: beschrieben werden: Entscheidungsprozesse in naher Zukunft sicherlich einen relevanten Orientierungs- ■ Bilanzierungsrelevanz des tatsächlichen, ■ Anbieter oder E-Mobility Service Provi- rahmen. zeitlichen Ladevorgangs anstelle Verwen- der (EMP): Diese ermöglichen den Kunden dung von Standardlastprofilen; u.a. die Authentifizierung und den Zugang Die Flexibilitätspotenziale ■ Ladestromtarife, die in ihren Preisen zu Ladepunkten, sorgen für reibungslose beim Laden müssen zeitliche Knappheiten des (Intraday-)Strom- Ladeabrechnungen und zusätzliche Service- zukünftig gehoben werden marktes und ggf. zeitliche und örtliche Knapp- leistungen (z.B. Ladenavigation). heiten des Netzes widerspiegeln, um die effek- ■ Betreiber der Ladepunkte – häufig auch In einem Energiesystem mit steigenden tive Steuerung der Verbraucher-Flexibilität als Charge Point Operator (CPO) bezeichnet: Anteilen von Stromerzeugung aus erneu- in der Beladung von Elektromobilen zu er- Diese betreiben die Ladepunkte technisch erbaren Energien sowie steigenden Netz- möglichen; sowie kaufmännisch und beschaffen den La- anschlusswerten durch zahlreiche neue ■ Informationen über das konkrete Lade- destrom von Lieferanten. CPOs können auch Ladepunkte [10] sind ebenfalls steigende verhalten der USER – u.a. die voraussichtliche EMPs sein – das ist insbesondere bei vielen Netzhöchstlasten in den Verteilnetzen zu Standzeit und die gewünschte Beladung je Stadtwerken der Fall, die Ladepunkte betrei- erwarten, denen grundsätzlich mit der in- Ladevorgang sowie USER-spezifische Ladege- ben und gleichzeitig ihren Kunden vielfälti- telligenten Nutzung vorhandener Flexibili- wohnheiten, um überhaupt zeitliche Flexibi- ge Serviceleistungen wie Ladezugänge- und tät von Verbrauchern wie Wärmepumpen litäten des Ladevorgangs zu ermitteln; Ladeabrechnungen sowie Ladeinformatio- oder Elektromobilen lokal begegnet werden ■ Ladestromlieferanten, die den USERn nen – oft über eigene Portale und Lade-Apps kann. Der Elektromobilität kommt dabei spezifische Stromtarife auf Basis der ge- – anbieten. bei der Vermeidung von Netzausbau und nannten Informationen anbieten können, um ■ Lieferant – häufig auch als Strom- zusätzlicher Erzeugungs- oder Speicherka- Flexibilitätspotenziale zu heben – dies wie- lieferant bezeichnet: Dieser beliefert den pazität eine Schlüsselrolle zu: Zum einen derum wird wesentlich begünstigt durch den Ladepunkt mit Strom (bei mehreren Lade- kann der Ausbau der Ladeinfrastruktur in diskriminierungsfreien Zugang von Anbietern punkten pro Ladesäule wird die gesamte Verteilnetzen perspektivisch zu einer deut- zum Ladepunkt (= Lieferantenwettbewerb). Ladesäule beliefert) und wickelt die Strom- lichen Erhöhung der bestehenden Netz- lieferung bilanziell in den jeweiligen Bilanz- last führen [3, 10]; zum anderen bietet die Darüber hinaus entscheiden die individuelle kreisen ab. E-Mobilität insbesondere im Bereich der Präferenz, Preissensitivität und Akzeptanz der ■ Netzbetreiber – häufig auch als Verteil- öffentlich zugänglichen Ladepunkte die USER, ob Anreize überhaupt wirken können. netzbetreiber bezeichnet: Diese schließen die Ladepunkte an das Stromverteilnetz an und unterstützen den Lieferanten bei der bilanziellen Abwicklung der Stromlieferung (u.a. Zurverfügungstellung von Lastprofilen). ■ Hinzu kommen noch Roaming-Anbieter, die Roaming auch zwischen einer Vielzahl von EMPs und CPOs ermöglichen. Möchte der USER an einem bestimmten öffentlich zugänglichen Ladepunkt vertrags- basiert laden (also auf Basis einer Vertrags- vereinbarung mit einem EMP), kann er das zu den mit dem jeweiligen EMP vereinbar- ten Konditionen tun – vorausgesetzt der EMP des Kunden hat mit dem Ladepunktbe- treiber (CPO) eine Vereinbarung (Roaming- vertrag) geschlossen, die das auch zulässt. Vertragsinhalte beziehen sich häufig auf Abb. 1 Bestandsübersicht Elektroautos (EV) [5] und Ziele der Bundesregierung für den EV-Bestand [4] den Ladepunktzugang und das dem USER eingeräumte Recht eines Ladestrombezugs. ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. (2021) Heft 1/2 65
DEZENTRALISIERUNG – E-MOBILITY Der USER muss sich dabei über die gelten- den Bruttopreise am jeweiligen Ladepunkt informieren. Etwas vereinfacht sieht ein vertragsbasier- ter Ladevorgang an einem öffentlich zugäng- lichen Ladepunkt aus Sicht eines USERs wie folgt aus (vgl. Abb. 2): Der USER fährt mit seinem Elektroauto (hier: Battery Electric Vehicle – BEV) zum Ziel-Ladepunkt, authen- tifiziert sich und startet den Ladevorgang. Nach Beendigung des Ladevorgangs wird dieser mit dem vertragsbasierten Preis ge- mäß geladener kWh und vereinbarter Zah- lungsmethode vom EMP abgerechnet. Ein sog. „Adhoc“-Ladevorgang könnte ähnlich ablaufen. Im Gegensatz zum vertragsbasier- ten Laden entscheidet sich der USER hierbei spontan für einen Ladepunkt, nimmt die dort offerierten Ladepreise in Kauf und be- Abb. 2 Endkundenwechsel – Roaming zahlt mit einer gängigen Methode (z.B. EC- Karte, Kreditkarte, Online-Bezahldienste). Künftig ist es denkbar, dass der USER vor giebeschaffung zuzüglich Netzentgelte und satz zum privaten Laden (u.a. Anbieter Awat- dem Start des Ladevorgangs auch eine An- Umlagen sowie Kosten für Aufbau und Be- tar, Tibber) noch nicht. Inwieweit die aktuell bieter- und Tarifwahl trifft. trieb der Ladepunkte und Dienstleistungen „gebündelten“ Preise grundsätzlich geeignet (EMP) einfließen. Die angebotenen Brutto- sind, Preissignale aus den Stromhandels- Darüber hinaus gibt es im aktuellen Markt- Preisniveaus unterscheiden sich zum Teil bis märkten transparent an die USER weiterzuge- design unterschiedliche Ausgestaltungen der zu 60 ct/kWh, was insbesondere auf Preis- ben, ist zumindest fraglich und wird im Rah- Angebote und Preise für die USER. Die ange- differenzierungen (Beispiele: Stromkunde/ men weiterer Forschungsarbeiten diskutiert. botenen Preismodelle bestehen laut eigener Nichtstromkunde, Eigene Ladepunkte/Part- Tarifrecherche im EFRE-Forschungsprojekt ner-Ladepunkte, Besitzer/Nichtbesitzer einer Aktuelle BNA-Konsultation soll [12] meist aus einem fixen Grundpreis und bestimmten Automarke) zurückzuführen ist. bilanziellen Lieferantenwechsel einem Arbeitspreis in Cent/kWh (insbeson- Nach Zeit bzw. Zeitfenster differenzierte Ta- am Ladepunkt ermöglichen dere AC-Laden) sowie reinen Arbeitspreisen rife, die Marktsignale an USER, z.B. über va- (insbesondere DC-Laden) – die beschrie- riable Stundenpreise weitergeben, findet man Der vorliegende Netznutzungsvertrag „E- benen Modelle machen über die Hälfte der im Bereich des öffentlichen Ladens im Gegen- Mob“ umfasst aus unserer Sicht folgende analysierten Tarife aus (vgl. Abb. 3). Hinzu kommen ergänzende Regelungen betreffend Stand- und Parkzeiten und entsprechende Zusatzgebühren, die sich in Abhängigkeit vom Ladestandort (z.B. Parkhaus, Parkplatz) zum Teil erheblich unterscheiden. Auch vorgangs- bzw. zeitbasierte Tarife spielen im Markt noch eine Rolle. Mit Blick auf die notwendige Umsetzung des eichrechtskon- formen Ladens wird nach unserer Einschät- zung spätestens mit Ablauf des Jahres 2020 von vielen Anbietern eine Tarif-Umstellung auf gesetzeskonforme Tarifmodelle erfolgen, da reine „Sessions fees“ und rein „zeitbasier- te Tarife“ (auf Minuten- oder Stundenbasis) nach der Preisangabenverordnung (PAngV) nicht mehr zulässig sind [13]. Die dem USER offerierten Ladepreise sind Abb. 3 Analyse der Ladestrompreise im aktuellen Roaming-Modell [12] „Bündelpreise“, in denen Kosten für Ener- 66 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. (2021) Heft 1/2
DEZENTRALISIERUNG – E-MOBILITY zentrale Eckpfeiler, die im Hinblick auf eine marktorientierter Tarife auf Basis von Spot- richtung virtueller Unterkonten) wie folgt stärkere Integration der Elektromobilität marktnotierungen (Anmerkung: Die aktuelle tun: Da sein Lieferant eine Vereinbarung in den liberalisierten Strommarkt wirken Bilanzierung von öffentlich zugänglichen für den bilanziellen Zugang zum Ladepunkt können: Ladepunkten über Standardlastprofile stand hat, fährt er zum Ladepunkt, authentifiziert der Einführung marktorientierter Tarife bis- sich, wählt einen Tarif aus und beginnt den (1) Ladepunkte sind nach Auffassung der her entgegen). Darüber hinaus kann über Ladevorgang. Nach Beendigung des Lade- BNA Übergabestellen zwischen dem vorge- die Führung von Bilanz- oder Subbilanz- vorgangs wird dieser mit dem vertragsba- lagerten Energieversorgungsnetz und einem kreise das Ladeverhalten der USER im sierten Preis gemäß geladener kWh und Ladepunktnetz. An den Ladepunkten erfolgt Detail abgebildet werden, was die Anwen- der vereinbarten Zahlungsmethode vom eine Entnahme von elektrischer Energie aus dung anreizbezogener Instrumente zur Lieferanten abgerechnet. Hierfür muss dem vorgelagerten Netz – diese Mengen markt- oder netzdienlichen Steuerung des sichergestellt sein, dass abrechnungsrele- sind vom Ladepunktbetreiber anhand einer Ladeverhaltens begünstigt. Hinzu kommt, vante Strommengen wie oben beschrieben registrierenden Leistungsmessung (RLM) dass die entstehende bilanzielle Stromlie- zwischen Netz und Ladepunkt sowie zwi- in einer ¼-Stunden-Granularität in einem ferung an Letztverbraucher den Abrech- schen Ladepunkt und Elektroauto (BEV) Bilanzkreis zu führen. Ungeachtet der noch nungs- und Transparenzvorschriften der gemessen und bilanziert werden. Die Bilanz- zu konkretisierenden Funktion des Lade- §§ 36-42 a EnWG [14] unterliegen würde. kreisverantwortung besteht für den Lade- punktnetzes sind Ladepunkte damit zumin- Die damit verbundene Standardisierung punktnetzbetreiber (CPO-N) gegenüber dem dest nicht mehr Letztverbraucher. von Stromkennzeichnungen und Abrech- Bilanzkreiskoordinator (BIKO). Stromliefer- nungen könnte aus Sicht der USER zu einer mengen zwischen Ladepunkt und Elektro- (2) Obwohl nicht Gegenstand des Netz- besseren Orientierung im Markt für Lade- auto (BEV) können im Rahmen von virtu- nutzungsvertrags, werden im Hinblick auf stromangebote führen. ellen Bilanz- oder Subbilanzkreisen bzw. den Zugang zum Ladepunktnetz „letztver- virtuellen Unterkonten geführt werden, mit brauchende Nutzer“ als Marktlokationen Die in Abb. 4 und 5 dargestellten Markt- denen „bilanzielle“ Lieferantenwechsel er- sowie Lieferanten erwähnt. Auf Basis der modelle skizzieren vereinfacht die wesent- möglicht werden [15]. in (1) beschriebenen Leistungsmessung der lichen Rollen und Prozesse, die für einen Netzentnahmemengen am Ladepunkt ist bilanziellen Endkundenwechsel am Lade- Möchte der USER im Marktmodell Netzin- grundsätzlich der Weg frei, an den Lade- punkt notwendig sind. tegration (Abb. 5) laden, gelten die für das punkten gelieferte Strommengen an USER Marktmodell BNA aufgezeigten Prozesse in einer ¼-Stunden-Granularität dem jewei- Möchte der USER im Marktmodell BNA analog. Allerdings ist der Verteilnetzbetrei- ligen Lieferanten über virtuelle Bilanz- oder (Abb. 4) an einem bestimmten öffentlich ber nun Eigentümer und Betreiber der dem Subbilanzkreise zuzuordnen und diese auch zugänglichen Ladepunkt laden, so kann er Netz zugeordneten Ladepunkte. Knapp- entsprechend granular zu bepreisen. Die gra- dies ungeachtet der noch zu konkretisie- heitssignale aus dem Netz können so ohne nulare Bepreisung des Ladestroms ist eine renden Detailprozesse (u.a. GPKE, MaBis, Einschaltung einer „Dritten Instanz“ (Lade- Grundvoraussetzung für die Einführung Aktivierung Vertrag am Ladepunkt, Ein- punktnetzbetreiber im Marktmodell BNA) Abb. 4 Endkundenwechsel bei bilanziellem Zugang Abb. 5 Endkundenwechsel bei Netzintegration der Ladepunkte ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. (2021) Heft 1/2 67
DEZENTRALISIERUNG – E-MOBILITY über die Ladepunkte an USER weitergeleitet unterscheiden wir zwischen Teilnehmern, her nur fest, dass Kunden mit steuerbaren werden, was die Etablierung netzdienlicher die tendenziell eine Beibehaltung des ak- Verbrauchseinrichtungen (u.a. Elektromo- Anreize erleichtert. Während die Bilanz- tuellen Marktrahmens mit internationalen bile) dem Netzbetreiber eine Steuerungs- kreisverantwortung gegenüber dem BIKO Weiterentwicklungen von Standards befür- möglichkeit bereitstellen und dafür ein im Marktmodell BNA dem Ladepunktnetz- worten, anderen, die darüber hinaus einen reduziertes Netzentgelt erwarten können. betreiber obliegt, wird diese Rolle im Modell optionalen bilanziellen Zugang befürwor- Ferner wird eine Verordnungsermächti- Netzintegration dem Verteilnetzbetreiber ten, und dritten, die einen Modellwechsel gung für die Bundesregierung zur wei- (VNB) zugeschrieben, für den der bilate- hin zur integration von Ladepunkten in das teren Ausgestaltung des dazugehörigen rale Datenaustausch mit BIKOs zum Kern- Verteilnetz favorisieren. Steuerungsprozesses vorgesehen. Dies geschäft gehört. Zudem können Kosten aus wurde bereits Ende 2019 unter Leitung Investitionen und Betrieb der Ladepunkte Fazit des Bundesministeriums für Wirtschaft grundsätzlich den Netzentgelten zugeord- und Energie (BMWi) angestoßen und wird net werden. Eine detaillierte Ausgestaltung Mit der BNA-Konsultation BK6-20-160 momentan durch verschiedene Branchen- in Bezug auf Anerkennung von Kosten im zum „E-Mob“-Netznutzungsvertrag hat die vertretungen mit unterschiedlichen Aus- Rahmen der Anreizregulierung ist nicht Diskussion über ein zukünftiges Markt- gestaltungsansätzen (u.a. Quotenmodell, Gegenstand unserer Diskussionsgrundlage design für öffentliches Laden weiter Fahrt Spitzenkappung, Zeitvariable Netzentgelte) und sollte an anderer Stelle vertieft disku- aufgenommen. Wenn aus volkswirtschaft- kritisch diskutiert [17-20]. tiert werden. Auch müsste erörtert werden, licher Perspektive die Flexibilitätspotenzi- inwieweit die Netzintegration der Lade- ale der vielen künftigen Elektroautos beim Neben den regulatorischen Entwürfen ist punkte den Ausbau der öffentlich zugängli- Ladevorgang genutzt werden sollen, um aber gerade die Sicht auf die USER-Erwar- chen Ladeinfrastruktur beschleunigen kann. die Integration der erneuerbaren Stromer- tungen an eine praxistaugliche Ladeinfra- zeugung zu verbessern und übermäßigen struktur oftmals unterrepräsentiert. Aus BNA-Konsultation wird Netzausbau im Verteilnetz zu vermeiden, unserer Sicht stellen sich daher folgende kontrovers diskutiert dann ist folgendes unabdingbar: Der regu- Fragestellungen, die Gegenstand aktueller latorische Rahmen für Ladeinfrastruktur Forschungen sind, und die wir im Teil 2 Mit Stand 28.09.2020 liegen 77 Stellung- und Ladevorgänge muss so ausgestaltet unserer Artikelserie in „et“ 3/2021 adres- nahmen zur BNA-Konsultation von Unter- werden, dass die von uns aufgeführten sieren: nehmen, Gruppen, Verbänden und Wissen- Grundvoraussetzungen wie die Erfassung schaftlichen Einrichtungen vor. Insgesamt und Bilanzierung der USER-Lademengen ■ Was erwarten USER generell vom Laden 25 Stellungnahmen sind öffentlich auf der auf Basis zumindest einer ¼-Stunden- an öffentlich zugänglichen Ladepunkten, Internetseite der BNA/BK6 einsehbar. Ins- Granularität oder reibungslose Informa- und können diese Erwartungen im aktuel- gesamt acht Stellungnahmen beziehen sich tionsflüsse zwischen Netz und Ladepunkt len Marktdesign erfüllt werden? auf den „E-Mob“-Netznutzungsvertrag und im Marktdesign umgesetzt werden. ■ Was sollte konkret geändert werden, sind als Dokumente einsehbar. um diese Erwartungen zu erfüllen? Einen Anfang macht im Zusammenhang ■ Wie und mit welchen Mechanismen Im Hinblick auf die grundsätzliche Not- der Netzdienlichkeit die derzeit ebenfalls kann mit Blick auf den Umgang mit Knapp- wendigkeit und die konkrete Ausgestaltung laufende Diskussion zur Konkretisierung heiten markt- und netzdienliches Verhal- des Netznutzungsvertrags „E-Mob“ gibt es des § 14a EnWG. Der Paragraph legt bis- ten der USER angereizt werden? aktuell höchst unterschiedliche Vorstellun- gen, die insbesondere auf einen künftigen Markt- und Regulierungsrahmen für das Laden an öffentlich zugänglichen Lade- punkten abzielen. Insgesamt kann man feststellen, dass sich alle Beteiligten grund- sätzlich offen für Veränderungen des beste- henden Marktmodells zeigen, das aktuell Anbieterwechsel an öffentlich zugänglichen Ladepunkten lediglich über „Roaming“ zu- lässt. Die Änderungsvorschläge sind dabei mehr oder weniger konkret formuliert und betreffen die grundsätzliche Neugestaltung des Marktmodells ebenso wie konkrete Text-Änderungsvorschläge im vorliegenden Netznutzungsvertrag. Abb. 6 fasst die aus unserer Sicht gewünschten Marktausrich- Abb. 6 Gewünschte Ausrichtung des Marktmodells abgeleitet aus Stellungsnahmen [2] *Bezug auf Ladesäulencheck 2020 [16] tungen der Teilnehmer zusammen. Hierbei 68 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. (2021) Heft 1/2
DEZENTRALISIERUNG – E-MOBILITY Literatur der Bundesregierung – Ziele und Maßnahmen für den des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Ladeinfrastrukturaufbau bis 2030, 18.11.2019. Berichtsjahr 2018: [1] Bundesnetzagentur: Netznutzungsvertrag zur [10] Netzentwicklungsplan Strom 2030, Version 2019, [18] Consentec: „Netzentgeltreform: Netzentgelte Ermöglichung des bilanziellen Netzzugangs an Lade- zweiter Entwurf; gemäß Szenario B stammen rund verbraucherfreundlich gestalten“, Gutachten für Ver- punkten für Elektromobile, Version 10.06.2020. 75 % der Gesamtproduktion aus erneuerbarer Erzeu- braucherzentrale Bundesverband (vzbv), Abschluss- [2] Bundesnetzagentur, Beschlusskammer 6: Festle- gung. bericht, 5. Juni 2020. gungsverfahren zur Weiterentwicklung der Netzzu- [11] FH Aachen: „Stellungnahme BNA-Konsultation [19] Agora Energiewende: „Kommentierung: Spitzen- gangsbedingungen Strom, veröffentlichte Stellung- BK6-20-160 zum E-Mob Netznutzungsvertrag“, BNA lastglättung nach § 14 a EnWG“, Stellungnahme, nahmen BK6-20-160, 19.11.2020. 22.07.2020. 02.2020. [3] Forschungsgemeinschaft für elektrische Anlagen [12] JHC Energie UG: „Ladestromanalyse“, im Rahmen [20] Bundesverband Neue Energiewirtschaft: „Das und Stromwirtschaft e.V. (FGH): „Metastudie For- des EFRE-Projekts Smarte Ladesäule, 2020. bne-Quotenmodell für mehr Flexibilität im Verteil- schungsüberblick Netzintegration Elektromobilität“, [13] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie netz“, Positionspapier, 18.03.2020. im Auftrag von Forum Netztechnik/Netzbetrieb im (BMWi): Rechtsgutachten zur Anwendbarkeit von VDE (VDE|FNN) und Bundesverband der Energie- § 3 Preisangabenverordnung (PAngV) auf Ladestrom und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW), 12.2018. für Elektromobile sowie zur Zulässigkeit und Verein- Dipl.-Kfm. (Univ.) J. H. Georg, Projektpart- [4] Bundesregierung: „Klimaschutz in Zahlen – Ver- barkeit verschiedener am Markt befindlicher Tarif- ner EFRE-Projekt „Smarte Ladesäulen“ und kehr“, Veröffentlichung, Stand 11.2020. modelle für Ladestrom mit den Vorgaben der PAngV, Geschäftsführer, JHC Energie UG, Reichshof- [5] Kraftfahrt-Bundesamt (KBA): Statistiken zu Neu- 24.08. 2018. Eckenhagen; D. Stollenwerk M. Sc, Projekt- zulassungen und Fahrzeugbestand, Stand 11.2020. [14] Bundesamt für Justiz (BfJ): Energiewirtschafts- leiter EFRE-Projekt „Smarte Ladesäulen“ [6] Bundesverband der Energie- und Wasserwirt- gesetz (EnWG) – Gesetz über die Elektrizitäts- und und Arbeitsgruppenleiter Nachhaltige Ener- schaft e. V. (BDEW): „Ladesäulen: Energiewirtschaft Gasversorgung, zuletzt geändert durch Art. 9 G v. giesysteme am Institut NOWUM-Energy, FH baut Ladeinfrastruktur auf“, Stand 11.2020. 19.2.2016 I 254, Teil 4 Energielieferungen an Letztver- Aachen, Jülich; S. Reinkensmeier M. Sc., [7] Mineralölwirtschaftsverband e. V. (MVV): Statisti- braucher. Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Pro- ken zum Tankstellenbestand, Stand 11.2020. [15] Hamburger Verkehrsverbund GmbH: „Schluss- jektmitglied EFRE-Projekt „Smarte Lade- [8] Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH und Fraun- bericht hh=more. Einsatz von elektrisch betrie- säulen“, FH Aachen, Jülich; Prof. Dr.-Ing. hofer IOSB: „Infrastrukturbedarf E-Mobilität – Ana- benen Pkw und Aufbau einer Ladeinfrastruktur C. Jungbluth, Lehrgebiet Energiewirtschaft, lyse eines koordinierten Infrastrukturaufbaus zur in der Modellregion Hamburg“, Projektbericht, Institut NOWUM-Energy, FH Aachen, Jülich Versorgung von Batterie- und Brennstoffzellen-Pkw in 11.10.2012. joerg.georg@outlook.com Deutschland“, S.22, 25.06.2019. [16] LichtBlick: „Ladesäulencheck 2020“, 19.10.2020. stollenwerk@fh-aachen.de [9] Bundesministerium für Verkehr und digitale [17] Zander W.; Nolde A.; Rosen U.: Regulierung, Flexi- reinkensmeier@fh-aachen.de Infrastruktur (BMVI): Masterplan Ladeinfrastruktur bilisierung und Sektorkopplung: Erstellt im Auftrag jungbluth@fh-aachen.de ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. (2021) Heft 1/2 69
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