SOFORTIMPLANTATION SOCKET-SHIELD-TECHNIK - Ein neuer präventiver Ansatz zur Vermeidung von Gewebsresorptionen bei der Sofortimplantation - ZZI ...
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I FALLBERICHT I SOFORTIMPLANTATION SOCKET-SHIELD-TECHNIK Ein neuer präventiver Ansatz zur Vermeidung von Gewebsresorptionen bei der Sofortimplantation Dr. Yasamin Habibi MBA, Dr. Kawe Sagheb, Dipl.-Inf., PD Dr. Stefan Wentaschek, M.Sc., PD Dr. Dr. Keyvan Sagheb Einleitung: Stabile periimplantäre Hart- terien eine wichtige Rolle. Moderne prä- und Weichgewebe stellen wesentliche Er- ventive Ansätze während der Sofortim- folgsfaktoren für den langfristigen Implan- plantation wie die SST können zu einer taterfolg dar. In diesem Zusammenhang adäquaten Hart- und Weichgewebskontu- gewinnt die Sofortimplantation insbeson- rierung führen und somit zusätzliche aug- dere im ästhetischen Frontbereich zuneh- mentative Maßnahmen vermeiden. Die mend an Bedeutung. Auch bei der Sofort- SST weist jedoch ein sehr eingeschränk- → Warum Sie diesen implantationen können verschiedene aug- tes Indikationsspektrum auf und muss sich Beitrag lesen sollten? mentative Maßnahmen zur Verbesserung noch durch klinische Langzeitdaten und Die Sofortimplantation ist ein der periimplantären Hart- und Weichge- prospektive Studien im klinischen Alltag wissenschaftlich gut webe zum Einsatz kommen, um das phy- etablieren. dokumentiertes Verfahren, siologische Remodeling nach der Zahnex- dessen Langzeiterfolg vom traktion auszugleichen. Im folgenden Pa- Schlüsselwörter: Sofortimplantation; Front- periimplantären Hart- und tientenfall jedoch wird mit der Socket- zahnregion; Sofortversorgung; Socket- Weichgewebe abhängt. Die Shield-Technik (SST) ein primär präventi- Shield-Technik; Weichgewebsmanage- Socket-Shield-Technik ist ein ver Ansatz verfolgt, um die Notwendigkeit ment; Hartgewebsmanagement neues präventives Verfahren, einer Augmentation zu vermeiden. das durch Belassen einer Patientenfall und Methode: Bei einem Zitierweise: Habibi Y, Sagheb K, Wenta- Zahnscherbe im Alveolarfach ansonsten gesunden 65-jährigen Patien- schek S, Sagheb K: Sofortimplantation mit die Integrität der bukkalen ten erfolgte eine Sofortimplantation mit Socket-Shield-Technik. Ein neuer präven- Knochenwand und damit der provisorischer Sofortversorgung zum Er- tiver Ansatz zur Vermeidung von Gewebs- Weichteilsituation satz des Zahnes 13. Dabei wurde eine resorptionen bei der Sofortimplantation. Z gewährleisten soll. partielle Entfernung des Eckzahns unter Zahnärztl Implantol 2021; 37: 30−34 Belassen des vestibulären Wurzelanteils DOI.org/10.3238/ZZI.2021.0030−0034 im oberen Drittel der Alveole vorgenom- men. Hierdurch wird der parodontale Fa- serapparat in diesem Bereich erhalten und EINLEITUNG soll so einer möglichen bukkalen Resorp- Die Spätimplantation ist das Standardver- tion vorbeugen. fahren in der Implantologie und hat sich in Ergebnis und Schlussfolgerung: In der der klinischen Anwendung mit exzellenten Frontzahnregion spielen ästhetische Kri- vorhersagbaren Langzeitergebnissen be- - 30 - Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2021 I 37 I 01
I FALLBERICHT I währt [1, 12]. Die bekannten Nachteile die- chens nicht verhindert, aber bei einer So- ses Verfahrens, wie die verlängerte Be- fortimplantation sind ihre klinischen Fol- handlungsdauer und die in diesem Zeit- gen deutlich weniger sichtbar als beim raum stattfindende Atrophie des Hart- und dünnen vestibulären Restknochen bzw. Weichgewebes, stehen jedoch zuneh- bei dünner Schleimhaut [15]. Daher erfol- mend im Fokus [20]. Um diesen resorpti- gen Sofortimplantationen bei diesen nicht ven Prozessen zuvorzukommen, hat sich optimalen Ausgangssituationen üblicher- Abb. 1–9: Keyvan Sagheb in den letzten Jahren die Sofortimplanta- weise in Kombination mit einer weichge- tion etabliert [14, 22]. Trotz des atraumati- weblichen und/oder hartgeweblichen Aug- schen und inzisionsfreien Vorgehens, mentation [13]. Im Gegensatz zu diesem kann es jedoch auch bei dieser Technik zu augmentativen Ansatz hat die Socket- Weichgeweberezessionen bzw. Atrophien Shield-Technik jedoch die Prävention des insbesondere vestibulär des Implantats Gewebsverlusts zum Ziel [10]. Das Prinzip kommen [8]. Gleichwohl ist aus ästheti- beruht darauf, dass lediglich eine partielle Abb. 1: Bei der Zahnextraktion wird eine ves- scher Sicht das periimplantäre Gewebe in Extraktion des Zahns durchgeführt wird. tibuläre Zahnscherbe belassen, um einem Ab- der bukkalen Region von zentraler Bedeu- Es wird bewusst ein definierter Wurzelan- bau der vestibulären Knochenlamelle vorzu- tung und hängt primär vom Erhalt des ves- teil im vestibulären Bereich des Alveolar- beugen. tibulären Knochens ab [19]. Durch die fachs belassen mit dem Ziel, den Bündel- Zahnextraktion kommt es jedoch zum Ver- knochen auf der bukkalen Seite des Im- lust der Parodontalfasern und damit ein- plantats zu erhalten [19]. Denn in der Regi- Die wissenschaftliche Datenlage zur hergehend des Bündelknochens [2]. on, in der die Zahnscherbe im Alveolar- SST ist aktuell noch sehr gering [6, 19]. In Durch den Abbau des Bündelknochens fach verbleibt, ist der parodontale Faser- tierexperimentellen Studien wurde dieser kommt es wiederum insbesondere im ves- apparat intakt und verhindert somit die Re- Ansatz jedoch bereits auf histologischer tibulären Bereich zum knöchernen Re- sorption des Bündelknochens (Abb. 1) [5, Ebene untersucht. Hier zeigte sich eine sorptionsphänomen, die in eine Weichge- 15]. suffiziente Osseointegration des Implan- websrezession bzw. vestibulären Volu- Dieses „biologische Konzept“ zur Vor- tats bei gleichzeitiger Persistenz des paro- menmangel resultieren können [3, 8]. Da- beugung einer Atrophie des Alveolarkno- dontalen Attachments im Bereich der ver- her wird von vielen Autoren eine strenge chens durch Belassen von intakten Zahn- bliebenen Zahnscherbe [5]. Zwei aktuelle Fallselektion für eine Sofortimplantation in wurzeln wurde bereits für Totalprothesen histologische Untersuchungen an huma- der ästhetischen Front gefordert [8]. Hier- bzw. unter Brückenglieder beschrieben nen Präparaten kommen zu ähnlichen Er- bei wird ein besonderes Augenmerk auf [9]. Jedoch konnte sich dieser Ansatz bei gebnissen [11, 16]. In der Literatur existie- eine ausreichend breite vestibuläre Kno- diesen Indikationen durch die bekannten ren unterschiedliche Namen, z.B. „Partial chenlamelle in Kombination mit einem di- Probleme, z.B. koronale Wanderungsten- Extraction Therapy (PET)“ oder die „Root cken gingivalem Morphotyp gelegt [8, 21]. denzen der Wurzelreste, Karies und den- Membrane Technik (RM)“ für diesen prä- Damit werden zwar die Resorptionsphä- togene Infektionen, im klinischen Alltag ventiven Ansatz bei der Sofortimplantation nomene durch den Verlust des Bündelko- nicht bewähren [9, 19]. [11]. Die jeweiligen Autoren begründen Abb. 2: Klinische Ausgangssituation. Auf Gingivaniveau querfrakturier- Abb. 3: Präoperatives DVT mit virtueller Implantatplanung: Es zeigt ter Zahn 13 mit reizloser Schleimhaut ohne klinische Symptomatik. sich eine intakte vestibuläre Knochenlamelle ohne Hinweise auf eine chronische Entzündung im Bereich der Wurzel sowie ein ausreichend apikales Knochenangebot. Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2021 I 37 I 01 - 31 -
I FALLBERICHT I Abb. 4: Intraoperative Situation: atraumatische partielle Zahnextraktion Abb. 5: Implantation unter Zuhilfenahme einer orientierenden Bohr- unter Erhalt einer vestibulären Zahnscherbe (weißer Pfeil). Die Zahn- schablone: Das Implantat wird palatinal positioniert und nach oral angu- scherbe wird konkav ausgedünnt und bis knapp oberhalb der vestibulä- liert, um eine spätere palatinal verschraubte prothetische Versorgung ren Knochenlamelle reduziert. zu ermöglichen. Abb. 6: Der Spaltraum zwischen dem Implantat und der vestibulären Abb. 7: Bei suffizienter Primärstabilität des Implantats (> 25 Ncm) wird Zahnscherbe wird aus einem Gemisch von Bohrknochen und autolo- in gleicher Sitzung eine provisorische Sofortversorgung des Implantats gem Thrombozyten- und Fibrinkonzentrat (PRF: Platelet-Rich Fibrin) vorgenommen. aufgefüllt. dies durch spezifische Veränderungen taten. Hier zeigt sich nach 3 Jahren Nach- FALLBERICHT des ursprünglich von Hürzeler et al. be- beobachtungszeitraum für die SST im In der interdisziplinären Sprechstunde schriebenen Therapieprotokolls für die Vergleich zur konventionellen Sofortim- stellte sich ein ansonsten gesunder SST [10]. Allen zugrunde liegt jedoch der plantation ein signifikant besserer Out- 65-jähriger Patient mit einem nicht-erhal- gleiche präventive Grundgedanke. Durch come für die Ästhetik bei identischem Im- tungswürdigen Zahn 13 vor. Die klinische das Belassen einer definierten Zahn- plantatüberleben [7]. Gleichzeitig gibt es Situation zeigte einen auf Gingivaniveau scherbe in der Extraktionsalveole wird der eine relevant hohe Rate an Komplikatio- querfrakturierten reizlosen und parodontal parodontale Faserapparat bzw. der Bün- nen durch das Belassen der Zahnscherbe gesunden Eckzahn, der im Vorfeld nach delknochen erhalten und so das resorptive in der Alveole [16]. Die wichtigsten sind die Wurzelkanalbehandlung mittels eines Remodeling des Alveolarknochens in der interne oder externe Exposition der Zahn- Glasfaserstifts aufgebaut worden war vestibulären Region verhindert. Gegen- scherbe durch koronale Wanderungsten- (Abb. 2). wärtig sind neben mehreren Einzelfalldo- denzen sowie die Wurzelresorptionen [11, Im Rahmen der präimplantologischen kumentationen einige wenige retrospekti- 16]. Hinzu kommt die sehr enge Indikati- Planung erfolgte eine digitale Volumento- ve Beobachtungsstudien publiziert wor- onsstellung. Die SST ist kontraindiziert bei mografie. Auch bei der Analyse und virtu- den, die einen Beobachtungszeitraum von parodontalen Erkrankungen, erhöhtem ellen Planung der Implantatposition zeigte mindestens 5 Jahren aufweisen [4, 6, 17]. Lockerungsgrad oder einem erweiterten sich die vestibuläre knöcherne Lamelle In den vorhanden klinischen Studien wer- Parodontalspalt des zu ersetzenden dünn, aber intakt. Apikal der Wurzelspitze den dieser Methodik durchweg sehr gute Zahns. Zudem zählen die vertikale Wur- des Zahnes 13 bestand ein ausreichendes ästhetische Ergebnisse bescheinigt und in zelfraktur, die horizontale Wurzelfraktur vertikales Knochenangebot. Die natürli- 2 aktuellen Studien wird die 10-Jahres- weit unterhalb des crestalen Knochens zu che Wurzel wies eine für die Sofortimplan- überlebensrate mit 96 % angegeben [16, den Kontraindikationen, und auch bei Zäh- tation günstige sagittale Angulation auf 18]. Zurzeit existiert nur eine prospektive nen mit einer externen oder internen Re- (Abb. 3). Gemeinsam mit dem klinisch randomisierte Studie für die SST mit einer sorption soll dieses Verfahren nicht ange- reizlosen dicken gingivalem Phänotyp be- kleinen Fallzahl von insgesamt 40 Implan- wendet werden [6, 11]. standen somit günstige klinische Voraus- - 32 - Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2021 I 37 I 01
I FALLBERICHT I setzungen für eine Sofortimplantation. Die Indikation für die Socket-Shield-Technik entstand durch die dünne vestibuläre Kno- chenlamelle. Unter Lokalanästhesie erfolgte die atraumatische Teilextraktion des Zahns. Durch die tief lokalisierte Querfraktur des Zahns war eine Dekapitierung des Zahns auf Gingivaniveau nicht mehr notwendig. Anschließend wurde die Wurzel in mesio- distaler Richtung geteilt, um den palatina- Abb. 8: Nach 6 Monaten zeigt sich durch die provisorische Versorgung ein harmoni- len Anteil der Zahnwurzel zu entfernen. sches Emergenzprofil für die definitive Krone (einteilige vollkeramisch verblendete Im- Die verbleibende vestibuläre Wurzel- plantatkrone). scherbe wurde im koronalen Anteil konkav ausgedünnt und anschließend bis knapp oberhalb der bukkalen Knochenwand in der vertikalen Dimension reduziert (Abb. 4). Im Anschluss erfolgte die Aufbe- reitung des Implantatbetts unter Zuhilfe- nahme einer orientierenden Bohrschablo- ne. Dabei wurden eine palatinale Positio- nierung und eine nach oral geneigte Inser- tionsachse gewählt, um eine verschraubte prothetische Versorgung zu gewährleis- Abb. 9: Klinische Situation direkt nach Eingliederung der Krone. Die gewählte Implantat- ten (Abb. 5). Weiterhin wurde bei der Im- achse erlaubt eine palatinal verschraubte Versorgung der definitiven Krone. plantatinsertion die Zahnscherbe im api- kalen Anteil durch das Implantatgewinde gefasst. Dies ist notwendig, um eine mög- liche spätere koronale Wanderung des dert (Abb. 8). Die gewählte Implantatach- teil sind jedoch zum Teil nicht vorhersag- Wurzelrestes zu verhindern. Um eine suf- se ermöglichte eine palatinal verschraubte bare Resorptionsvorgänge des periim- fiziente Primärstabilität zu erzielen, wurde prothetische Versorgung mit einer hoch- plantären Knochens und des Weichgewe- ein Implantat mit aggressivem selbst- goldhaltigen keramisch vollverblendeten bes in der vestibulären Region. Der neue schneidendem Gewindedesign (BLX Implantatkrone (Abb. 9). Ansatz bei der Socket-Shield-Technik ist 4,0×12 mm, Straumann, Basel, CH) ge- die Prävention dieser Resorptionsvorgän- wählt. Der verbliebene minimale Spal- FAZIT ge. Durch das Belassen einer vestibulären traum zwischen der Implantatschulter und In den vergangenen Jahrzehnten wurden Zahnscherbe wird in dieser Region über der vestibulären Zahnscherbe wurde dann die Therapiekonzepte in der Implantologie den Erhalt des parodontalen Faserappa- mit dem gewonnenen Bohrknochen in kontinuierlich weiterentwickelt. Dabei gilt rats ein Verlust des Bündelknochens ver- Kombination mit einem autologen Throm- weiterhin die klassische Spätimplantation hindert. Die ersten publizierten klinischen bozyten- und Fibrinkonzentrat (PRF: Pla- als Goldstandard. Dennoch ist dieses Ver- Ergebnisse sind sehr erfolgsverspre- telet-Rich-Fibrin) aufgefüllt (Abb. 6). fahren mit bestimmten Einschränkungen chend, jedoch fehlen prospektive Studien Bei ausreichender Primärstabilität behaftet. Zum einen stellt die längere Be- mit ausreichenden Fallzahlen und Beob- (> 25 Ncm) des Implantats konnte in der- handlungsdauer und die häufig schwierige achtungszeiträumen. Hinzu kommt das selben Sitzung eine provisorische Sofort- provisorische Phase für den Patienten ei- sehr enge Indikationsspektrum, da häufig versorgung vorgenommen werden ne Belastung dar. Zum anderen besteht die klinische Ausgangssituation ein Belas- (Abb. 7). Dabei wurde streng darauf ge- während der monatelangen Heilungspha- sen einer Wurzelscherbe in der Alveole achtet, dass die provisorische Implantat- se ein erhöhtes Risiko der lokalen Kno- nicht erlaubt. Die bisher publizierten ho- krone keine statischen oder dynamischen chen- und Weichgewebsatrophie, die häu- hen Erfolgsraten stammen aus speziali- Kontakte aufwies. Der Patient wurde in- fig Augmentationen notwendig machen. sierten Zentren und lassen sich nicht ohne struiert, die provisorische Versorgung in Die Sofortimplantation in der ästheti- weiteres auf den klinischen Alltag übertra- den kommenden 3 Monaten keiner Kau-/ schen Region stellt inzwischen ein valides gen. Abbeißbelastung auszusetzen. Nach ei- Therapiekonzept dar und bietet zahlreiche ner Einheilungsphase von 6 Monaten wur- Vorteile. Die verkürzte Behandlungszeit Interessenkonflikte: Die Autoren geben de bei suffizienten periimplantären Hart- und die geringere Anzahl der chirurgi- an, dass im Zusammenhang mit diesem und Weichgewebeverhältnissen die defi- schen Eingriffe führen zu einem erhöhten Beitrag keine Interessenkonflikte beste- nitive prothetische Versorgung eingeglie- Patientenkomfort. Ein wesentlicher Nach- hen. Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2021 I 37 I 01 - 33 -
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