Sondernummer zur Abstimmung vom 9. Februar - Mieterverband
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Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 www.mieterverband.ch Sondernummer zur Abstimmung vom 9. Februar
Editorial Inhaltsverzeichnis
Liebe Leserinnen Abstimmung Für mehr
und Leser bezahlbare Wohnungen 3
Interview Jacqueline Badran
zur Initiative 6
Initiative Antworten auf häufig
gestellte Fragen 10
Genossenschaften Warum sie
Die ersten Ergebnisse sind gut ausgefallen: Hätten so gut sind 11
wir bereits im Dezember über unsere Initiative
abgestimmt, wäre sie gemäss SRG-Umfrage mit Sanierungen Kein Geld für
66 Prozent, gemäss Tamedia mit 63 Prozent ange-
nommen worden. Das ist sehr erfreulich! Wirft
Luxussanierungen 14
man einen Blick auf die wohnpolitischen Abstim- Haushalt Die heimlichen
mungen der vergangenen Jahre, erstaunen diese
Ergebnisse allerdings nicht. Seit 2010 hat es in der Stromfresser 15
Schweiz 71 kantonale und kommunale Abstim-
mungen über wohnpolitische Vorlagen gegeben.
Hotline Mündliche Verein-
Davon fielen 41, also rund 60 Prozent, zugunsten barung von Nebenkosten 17
von bezahlbarem Wohnraum aus. In den zehn
grössten Schweizer Städten wurden sogar drei Miettipp Was bedeutet «zu
Viertel aller Abstimmungen zugunsten von
bezahlbarem Wohnraum angenommen.
mutbar und zahlungsfähig»? 18
Trotzdem sollten wir uns von diesen Um- Urteil Vermieter muss nach
fragen nicht blenden lassen, denn die Erfahrung
zeigt: Die Zustimmung zu Initiativen nimmt zehn Jahren zahlen 21
ab, je näher der Abstimmungstermin rückt. Bei
den meisten Stimmberechtigten kommen in
Rechtsberatung Hier erhalten
diesen Tagen die Stimmunterlagen mit der Post. Sie Auskunft 22
Höchste Zeit also, möglichst viele Leute von un-
serem Anliegen zu überzeugen. In dieser Ausgabe
haben wir deshalb nochmals das Wichtigste zur
Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» für Sie
zusammengefasst. Picken Sie sich zwei, drei
Argumente raus und überzeugen Sie ein paar
Herausgeber Beglaubigte Auflage
Menschen in Ihrem Umfeld, am 9. Februar Ja zu Mieterinnen- und Mieterverband 126 556 Exemplare
stimmen. Gemeinsam schaffen wir es. Vielen Deutschschweiz Erscheinen
6-mal pro Jahr
Dank für Ihr Engagement für mehr bezahlbare Redaktion Abonnementspreis
Wohnungen! Andrea Bauer Fr. 40.–/Jahr
Administration und Adressverwaltung Inserate und Beilagen
Mieterinnen- und Mieterverband Judith Joss,
Herzlich Deutschschweiz judith.joss@mieterverband.ch
Andrea Bauer Bäckerstrasse 52, 8004 Zürich T 043 243 40 40
T 043 243 40 40
info@mieterverband.ch
www.mieterverband.ch
Korrigendum Mitarbeit
Nadja Burri, Urs Geiser, Fabian Gloor,
In der letzten Ausgabe (M+W 5/2019) ist uns im Artikel Stefan Hartmann, Natalie Imboden,
«Das Geschäft mit den Mieten» ein Fehler unterlaufen. Patric Sandri, Carlo Sommaruga,
In der Grafik sowie in den dazugehörenden Anmerkungen Franziska Stocker, Michael Töngi
ist fälschlicherweise von den «Mobimo Anlagestiftungen» Gestaltungskonzept
die Rede. Tatsächlich handelt es sich aber um die Pensimo- Hubertus Design GmbH, Zürich
Gruppe, zu der die Anlagestiftungen Adimora, Pensimo Layout
Atelier Bläuer, Joel Kaiser, Bern www.facebook.com/Mieterverband
und Turidomos gehören. Mobimo und die Pensimo-
Titelbild
Gruppe sind weder geschäftlich noch personell noch pro- Andrea Bauer
jektbezogen miteinander verbunden. Wir entschuldigen Druck
uns für diese Verwechslung. Stämpfli AG, Bern Gedruckt in der Schweiz
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 2Abstimmung Text von Andrea Bauer
Michele Limina
Die Wohnbaugenossenschaft Oberfeld in Ostermundigen.
Für mehr bezahlbare
Wohnungen
Unsere Mieten sind zu hoch.
Um sie zu senken, braucht es am
9. Februar ein Ja zu mehr
gemeinnützigen Wohnungen.
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 3Für nichts anderes geben wir in der Schweiz so viel ten Mietenden erhalten Mietzinsreduktionen. Im
Geld aus wie für unsere Mieten. Das Wohnen stellt Gegenteil: Die Mieten steigen (siehe Grafik unten
mit durchschnittlich 21 Prozent den grössten Posten rechts). Die Raiffeisen Bank hat festgestellt, dass
im Budget der Mieterinnen und Mieter dar. Zum unsere Mieten heute um 40 Prozent tiefer wären,
Vergleich: Die Krankenkassenprämien machen hätten die Vermieter alle Senkungen weitergegeben.
6 Prozent des Budgets aus. Die Belastung ist beson- So aber fliessen Milliarden aus den Einkommen
ders bei den mittleren und unteren Einkommen der Mieterinnen und Mieter als Rendite an die
hoch. Sie müssen bis zu 36 Prozent ihres Budgets für Immobilieneigentümer.
die Miete ausgeben (siehe Grafik unten links). Schon
das ist sehr viel. Die Mieten steigen aber immer Die Lösung: Mehr Gemeinnützige
weiter an. Viel schneller als Löhne und Renten. Es gibt einen Weg, die Mieten zu senken: den Aus-
bau des gemeinnützigen Wohnungsbaus. Gemein-
Zu hohe Renditen nützige Wohnbauträger – es sind vor allem Genos-
Der Grund für die hohen Mieten: Viele Vermie- senschaften – schaffen mit der Kostenmiete be
terinnen und Vermieter machen mit den Wohnun- zahlbaren Wohnraum, anstatt mit den Mieten der
gen zu hohe Gewinne. Gemäss geltendem Recht be- Menschen Profit zu machen. Bei der Kostenmiete
trägt die zulässige Rendite zurzeit 2 Prozent. Diese muss die Miete nur die Kosten für Bau, Instand
Grenze wird jedoch oft überschritten. Und die Mög- haltung und zusätzliche Investitionen decken. Die
lichkeiten der Mietenden, überhöhte Mieten ein- Mieten von Genossenschaftswohnungen sind des-
zuklagen, sind sehr beschränkt. Der Referenzzins- halb auch viel tiefer als solche des renditeorientierten
satz, an den die Mieten eigentlich angepasst werden Marktes. Der Unterschied macht jährlich zwei Mo-
müssten, sinkt seit Jahren. Doch nur die wenigs- natsmieten aus, in Kernstädten sind es sogar drei.
Mietbelastung nach Einkommensklasse Steigende Mieten trotz sinkenden Zinsen
Miete Miete Miete Prozent Prozentpunkte
36 % 26 % 20% 5,00 135
4,50 130
4,00 125
3,50 120
3,00 115
2,50 110
2,00 105
1,50 100
Übrige Ausgaben Übrige Ausgaben Übrige Ausgaben
1,00 95
64% 74 % 80 %
2000
2001
2002
2003
2005
2007
2009
2011
2013
2015
2017
2019
Bruttoeinkommen Bruttoeinkommen Bruttoeinkommen
4000 CHF 4001– 6000 CHF 6001– 8000 CHF Referenzzins Mietpreisindex
Quelle: Bundesamt für Statistik/Bundesamt für Wohnungswesen; Zahlen: 2016. Quelle: Bundesamt für Statistik; Basisjahr: 1993
Mieten + Wohnen Sondernummer, Januar 2020 4Kommentar
Ein grosses Ja
am 9. Februar
Die vier Forderungen der Initiative
Der Ausbau des gemeinnützigen Wohnungsbaus
ist deshalb auch der Kern der Initiative «Mehr be-
zahlbare Wohnungen» des Mieterinnen- und Mieter- Am 9. Februar kommt unsere Initiative für
bezahlbares Wohnen an die Urne. Um sie zu
verbands, über die wir am 9. Februar abstimmen. gewinnen, müssen wir jetzt handeln! Wir
Mit den folgenden vier Massnahmen will sie die müssen Familie, Freunde, unsere beruflichen
Situation auf dem Mietwohnungsmarkt entschärfen: und sozialen Netzwerke mobilisieren und alle
• Eine von zehn neu gebauten Wohnungen soll daran erinnern, dass unser Anliegen ein grosses
künftig im Besitz von Wohnbaugenossenschaften Ja verdient.
Die Spekulation treibt die Mieten in der
oder anderen gemeinnützigen Wohnbauträgern
Schweiz nach oben. Die Hypotheken sinken,
sein. aber die Mieten halten nicht Schritt. Mit jedem
• Kantone und Gemeinden sollen ein Vorkaufsrecht Mieterwechsel steigen sie weiter an. Wegen der
für geeignete Grundstücke einführen können, angestrebten Renditen sind die Marktmieten
um diese dem gemeinnützigen Wohnungsbau zur deutlich höher als die von Wohnbaugenossen-
Verfügung zu stellen. schaften, Gemeinden oder gemeinnützigen
Stiftungen. Das von den Mieterinnen und Mie-
• Der Bund und bundesnahe Betriebe wie etwa die tern bezahlte Geld landet in den Taschen von
SBB sollen ihr Land zuerst den Gemeinden und Vermieterinnen und Vermietern.
Kantonen zum Kauf anbieten. Unsere Initiative will moderate Mieten. Sie
• Fördergelder der öffentlichen Hand für energeti- will das Wohnen dem Profit und der Spekula-
sche Sanierungen dürfen nur ausbezahlt werden, tion entziehen. Genossenschaften erfüllen Be-
dürfnisse, und nicht Renditevorstellungen. Sie
wenn sie nicht zum Verlust von preisgünstigem
bieten Sicherheit, fördern die Durchmischung
Wohnraum führen. von Generationen, von kleinen und mittleren
Einkommen und schaffen lebendige Nach
Wohnen müssen wir alle. Wohnen ist deshalb auch barschaften. Und die tieferen Mieten verrin-
ein Menschenrecht. Und die Forderung der Initiative gern die Abhängigkeit von der Sozialhilfe.
steht eigentlich bereits in der Verfassung: Der Bund Unsere Initiative will zudem den durch
Sanierungen entstehenden Verlust von bezahl-
müsste nämlich die gemeinnützigen Wohnbauträger barem Wohnraum einschränken. Energetische
fördern und dafür sorgen, dass alle eine Wohnung zu Sanierungen sind wichtig für das Klima und
tragbaren Bedingungen haben. Mit einem Ja zur es ist richtig, dass sie subventioniert werden.
Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» können wir Nicht richtig ist es hingegen, wenn die Subven-
dafür sorgen, dass er dieser Verpflichtung endlich tionen an Immobiliengesellschaften gehen,
die ganze Gebäude leeren und in Luxusimmo-
nachkommt.
bilien verwandeln.
Mehr zur Initiative: bezahlbare-wohnungen.ch Unsere Initiative reagiert auf ein grosses
Bedürfnis in der Bevölkerung und sie geniesst
grosse Unterstützung. Der Sieg ist zum Greifen
nah. Ihre Stimme ist wichtig, aber auch die
Ihres Umfelds. Fordern Sie die Menschen in
Ihrem Umfeld auf, am 9. Februar ebenfalls
Christine Blaser
Ja zu stimmen. Es lohnt sich!
Carlo Sommaruga, Präsident MV Schweiz
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 5Interview «Genossenschaften sind einfach nur gut!» Nationalrätin Jacqueline Badran sagt im Interview, warum Genossenschaften das richtige Mittel gegen steigende Mieten sind. Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 6
posten in unserem Budget. Es macht serer Volkswirtschaft und saugen den
zVg
einen Unterschied, ob Sie für eine 4-Zim- Leuten Einkommen ab. Das ist ein volks-
mer-Wohnung 2000 Franken Miete wirtschaftlicher Super-GAU! Darum
zahlen oder 1500. Das sind 500 Franken, braucht es Gegenwehr.
die Sie jeden Monat an einen rendite
orientierten Vermieter als Gewinn ablie- In Form der Initiative «Mehr bezahl-
fern. Diese Gewinne sind in den letzten bare Wohnungen», die eine Ausweitung
zwanzig Jahren massiv gestiegen. Das ist des gemeinnützigen Wohnungsbaus
inakzeptabel! Den Leuten fehlen Milli- fordert?
arden in den Portemonnaies für Konsum, Genau. Mit Grundgütern sollte im
fürs verlängerte Wochenende, um aus- Prinzip niemand Gewinn machen dürfen:
wärts essen zu gehen oder zum Sparen weder mit dem Wasser noch mit der Ge-
fürs Alter. Zudem können sich heute ge- sundheit noch mit den Schulen. Und
rade noch 10 Prozent potenziell Wohn schon gar nicht mit dem Wohnen, denn
eigentum leisten – dieser Wert lag über dabei handelt es sich um Zwangskonsum.
Jahre bei 40 Prozent. Man kann ja nicht nicht wohnen. Ge
nossenschaften sind der dritte Weg im
Was ist in den letzten zwanzig Jahren Wohnungsbau, eine Mixtur zwischen
passiert? Eigentum und Miete. Sie halten sich frei-
Nach dem Börsencrash 2000 wurden willig an die Kostenmiete – das heisst an
die Immobilien als Kapitalanlage wieder- einen Mietzins ohne Rendite. Die Mieten
entdeckt – und nach der Finanzkrise sind deshalb rund 20 Prozent tiefer als
Jacqueline Badran ist Nationalrätin (SP/ZH) 2008 grad noch einmal. Heute steckt viel die der Renditeorientierten. Wer will
und Vorstandsmitglied des MV Schweiz. mehr anonymes Kapital in den Immobi- nicht eine Wohnung, die er erstens mit-
lien. Die Vermieter sind nicht mehr Herr besitzt und bei der er zweitens nieman-
und Frau Müller, die noch wussten, wie dem Gewinn abliefern muss? Das ist
Jacqueline Badran, warum sollen hoch die Löhne sind. Die verstehen, dass einfach nur gut.
wir am 9. Februar die Initiative «Mehr
bezahlbare Wohnungen» annehmen? Sie scheinen ein Fan des gemein
Die entscheidende Frage lautet: Mit Grundgütern sollte nützigen Wohnungsbaus zu sein …
Wollen Sie an einem Ort wohnen, wo Sie niemand Gewinn machen Diese Art zu wohnen ist schlicht
einem Immobilieneigentümer jeden dürfen. grossartig! Nur schon dieses Wort: «Ge-
Monat 500 Franken als Gewinn abliefern meinnutzen» … Wo der Nutzen an die
müssen, oder nicht? Wenn nicht, sollten Allgemeinheit fliesst und nicht an ein
Sie Ja zu dieser Initiative sagen. es für eine Familie schwierig ist, 3000 paar Einzelne oder gar an irgendwelche
Franken für eine 4-Zimmer-Wohnung zu Investmentbanken, die indirekt in un-
Das müssen Sie etwas ausführen … zahlen. Die Müllers werden zunehmend seren Immobilien hocken. Genossen-
Unsere Mieten sind gegenüber dem ersetzt durch das anonyme Kapital, das in schaften bauen ausserdem innovativer,
gesetzlichen Pfad um 40 Prozent zu der Pensionskasse, einer börsenkotierten ökologischer, familienfreundlicher, al-
hoch. Und sie steigen weiter, obschon sie Mobimo oder Allreal steckt. Sie sind tersgerechter. Kein Wunder, gewinnen sie
wegen rekordtiefer Zinsen eigentlich seit den Aktionären gegenüber zu einer maxi- fast alle Architektur-Preise. In einer Ge-
Jahren sinken müssten. Die Wohnkosten malen Rendite verpflichtet. Wie ein rie- nossenschaft bin ich geschützt davor,
sind mit Abstand der grösste Ausgabe- siger Staubsauger schweben sie über un- rausgeworfen zu werden. Es gibt gemein-
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 8schaftliche Strukturen, Spielplätze, Ge- zentriert, wirds richtig problematisch. aufträge zum Wohnen, die nicht einge-
meinschaftsräume, in denen man Feste Besitzen die Gemeinden den Boden hin- halten werden. Der Bund macht nichts.
machen kann. Manche haben eine ge- gegen selber, subventionieren sie mit der Und das ist ein Skandal.
meinsame Sauna, Werkstätten, Gärten. Infrastruktur nur sich selber.
Genossenschaften sind ein Ort, an Die Gegner sagen, es sei effizienter,
dem man ganz viele Träume realisieren Die Nachfrage nach gemeinnützigen denen, die es nötig haben, direkt zu
kann, ohne dass man jemandem eine Wohnungen ist riesig. Trotzdem liegt helfen …
ihr Anteil am gesamten Mietwohnungs- Klar sagen sie das! Denn das wäre
Bestand seit Jahren bei unter 5 Prozent. nichts anderes als eine Subventionierung
Bund, Kantone und Gemeinden Was ist das Problem? der Immobilieneigentümer: Du kriegst
verdienen an einer Expansion Es gibt zwei grosse Probleme bei der das Geld und musst es gleich wieder an
der Gemeinnützigen. Expansion der Gemeinnützigen. Erstens sie weitergeben, um ihre überhöhten
kommen sie in der Regel nicht zu Land. Renditen zu finanzieren. Für die mit dem
Die anderen können meistens mehr be- kleinen Portemonnaie gibt es mit der
Rendite abliefern muss. Und das Beste zahlen, weil sie Eigentumswohnungen auf Sozialhilfe oder der IV bereits jetzt genü-
ist, dass Bund, Kantone und Gemeinden das Land bauen und diese teuer ver- gend Instrumente. Für die Menschen des
an einer Expansion der Gemeinnützigen kaufen. Die Genossenschaften dagegen unteren bis oberen Mittelstands dagegen
sogar noch mitverdienen. wollen die Mieten tief halten und zahlen haben wir nichts, die müssen es allein
deshalb keine überhöhten Preise für den stemmen. Besonders für sie ist die
Inwiefern? Boden. Das zweite Problem ist das feh- Initiative.
Der Bund verdient ohne Risiko an den lende Eigenkapital. Wenn eine Wohnung
rückzahlbaren, verzinslichen Darlehen, 400 000 Franken kostet, müssen davon Was sagen Sie zum Argument, die Ini-
die Gemeinden und Kantone am Bau- 80 000 Franken als Eigenkapital eingelegt tiative schade den Pensionskassen und
recht, für die ihnen die Gemeinnützigen werden. Genügend Leute zu finden, die damit unserer Altersvorsorge, weil diese
jeweils Zinsen zahlen. Und die Wertstei- das können, ist schwierig. Also müsste die mit Immobilien Rendite machen?
gerung des Bodens bleibt erst noch im Genossenschaft irgendwo ein Kässeli Das ist nun wirklich das dümmste Ar-
Volksvermögen. Ein super Geschäft also haben. Das ist aber meist nicht der Fall, gument. Erstens haben Pensionskassen
für die Gemeinwesen. weil sie ja keinen Gewinn erwirtschaftet. mit Abstand den teuersten Verwaltungs-
apparat von allen Versicherungen. Zwei-
Die Immobilienlobby sagt, der Bund Diese beiden Probleme kann die Initia- tens dürfen deren Sammelstiftungen
würde die Gemeinnützigen mit günstigen tive lösen? 10 Prozent des Bruttoertrags als Gewinn
Darlehen subventionieren … Ja. Die Initiative fordert für Kantone einbehalten. Ich soll also mit meiner
Mit diesem Argument muss mir nie- und Gemeinden ein Vorkaufsrecht, damit Miete zuerst ihre riesige Bürokratie und
mand kommen. Wissen Sie, wer wirklich sie Land erwerben und den Gemeinnüt- dann noch 10 Prozent Gewinn finan-
subventioniert wird? Die privaten Immo- zigen zur Verfügung stellen können. Auch zieren, und dann sagen sie mir, das sei
bilienfirmen. Mit jeder Investition der was die Finanzierung betrifft, gibt es sehr wichtig für meine Rente. Nein! Wenn ich
Gemeinwesen in die Infrastruktur steigt konkrete Vorschläge für die Umsetzung eine tiefe Miete habe, dann ist das meine
der Wert einer Immobilie. Wer zahlt das? der Initiative, etwa die Aufstockung des beste Altersvorsorge. Wenn ich ein Ar-
Sie und ich mit unseren Steuern. Und Fonds de Roulement oder eine nationale beitsleben lang 500 Franken weniger
wer profitiert? Die Eigentümer. Wenn das Landstiftung. An beiden würde der Bund Miete pro Monat bezahlen muss, kann
viele verschiedene sind, ist es okay. So- kräftig mitverdienen. Eigentlich steht ja ich bei 1 Prozent Zins 300 000 Franken
bald sich das Eigentum aber bei einigen vieles davon bereits in der Verfassung. Wir ansparen. Das toppt keine Pensionskasse
wenigen Immobilienfonds oder AGs kon- haben nicht weniger als drei Verfassungs- der Welt.
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 9Abstimmung
Häufig gestellte Fragen
zur Initiative
Wieso braucht es die Initiative – gibt es nicht eine Wer garantiert, dass Leute in den Genossenschaften
Entspannung auf dem Wohnungsmarkt? wohnen, die darauf angewiesen sind?
Leider nein. Aktuelle Zahlen des Bundesamtes für Statistik Genossenschaften sind keine Sozialwohnungen. Sie stellen
zeigen: Seit 2005 sind die Mieten gemäss Mietpreisindex um Wohnraum sowohl für sozial eher Benachteiligte als auch für
fast 19 Prozent angestiegen, während sich die allgemeine Teue- Leute mit guter Bildung und höherem Lohn zur Verfügung.
rung in der gleichen Zeit bei unter 5 Prozent bewegte. Auch bei Davon profitieren gerade Familien und der Mittelstand. Den-
der Verfügbarkeit von Wohnraum kann nicht von einer Ent- noch ist es so, dass in Genossenschaften verhältnismässig viele
spannung gesprochen werden. Es gibt zwar in gewissen Ge- Leute mit tiefem Bildungsniveau und geringeren finanziellen
bieten leerstehende Neubauten. Sie sind jedoch oft zu teuer Ressourcen wohnen. Die günstigen Wohnungen kommen somit
und befinden sich nicht dort, wo die Menschen wohnen wollen. auch denen zugute, die darauf angewiesen sind. Gewisse Ge-
Besonders in städtischen Gebieten ist freier Wohnraum nach nossenschaften fördern die soziale Durchmischung durch be-
wie vor Mangelware und die Mieten sind hoch. hindertengerechte Wohnungen, Mehrgenerationenhäuser oder
die Integration von Personen mit Asylhintergrund.
Die Initiative fordert bei den Neubauten einen Anteil von
10 Prozent gemeinnützige Wohnungen. Ist das realistisch? Warum sollen Areale des Bundes und bundesnaher Be-
Bei einer Annahme der Initiative müssen Bund und Kantone triebe für den gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung
sicherstellen, dass vor allem dort gemeinnützige Wohnungen stehen?
entstehen, wo es an bezahlbarem Wohnraum fehlt. Also vor allem Die SBB hat ihr Land ursprünglich für den Bau der öffent
in Städten und Agglomerationen. Dort muss der Anteil deutlich lichen Infrastruktur erhalten – zum Teil auch durch Enteig-
über 10 Prozent liegen. In Regionen mit genügend bezahlbaren nungen. Heute werden Areale häufig an Investoren verkauft, die
Wohnungen dagegen können es auch weniger als 10 Prozent sein. Wohn- und Geschäftsräume im obersten Preissegment an-
bieten. Diese Rendite-Maximierung passt nicht zum ursprüng-
Führt die Initiative nicht zu viel mehr Bürokratie, wenn lichen Zweck, nämlich der Erfüllung eines öffentlichen
die Behörde bei jeder Baubewilligung die Umsetzung der Interesses.
Initiative prüfen muss?
Nein. Die Initiative lässt offen, welche Massnahmen der Ge- Wenn Pensionskassen eine gute Rendite erwirtschaften,
setzgeber einführen soll, um das Ziel von 10 Prozent zu errei- kommt das doch unseren Renten zugute?
chen. Auch gilt dieser Anteil nicht für jede einzelne Gemeinde, Pensionskassen sollen aus ihren Immobilienanlagen eine an-
sondern gesamtschweizerisch. Denkbar ist etwa, dass ein Mass- gemessene Rendite erzielen können. Ist sie jedoch überhöht,
nahmenpaket geschnürt und nach 5 Jahren überprüft wird, ob geht das auf Kosten der Mieterinnen und Mieter. Wenn sie
das Ziel erreicht wurde. Das ist mit wenig Bürokratie möglich. überteuerte Mieten zahlen müssen, haben sie letztlich weniger
Geld zur Verfügung.
Was kostet die Umsetzung der Initiative?
Die Umsetzung verursacht kaum Kosten. In erster Linie Gefährdet die Initiative den Fonds de Roulement?
braucht es raumplanerische Massnahmen: Zonen, in denen Nein. Die 2019 beschlossene Aufstockung des Fonds de
ein bestimmter Anteil an gemeinnützigen Wohnungen vorge- Roulement, der Darlehen zu günstigen Konditionen an Genos-
schrieben ist, oder ein Ausnützungsbonus für Projekte mit senschaften vergibt, tritt zwar nur in Kraft, wenn die Initiative
einem hohen Anteil an gemeinnützigen Wohnungen. Diese Ins- abgelehnt wird. Bei einer Annahme würde jedoch ein Massnah-
trumente sind sehr effektiv, ohne dass sie etwas kosten. Wenn menpaket geschnürt, zu dem mit Sicherheit auch Starthilfen in
Gemeinden oder Kantone Grundstücke kaufen, erfordert das Form von zinsgünstigen Darlehen gehören würden.
finanzielle Mittel. Wird das Land jedoch anschliessend im Bau-
recht an gemeinnützige Wohnbauträger abgegeben, fliessen Wäre die Lösung nicht weniger Regulierung und mehr
Einnahmen aus den Baurechtszinsen zurück. Mit den Finanzie- Markt?
rungshilfen – zinsgünstigen Darlehen oder Bürgschaften – Wohnen ist ein Grundrecht – und ein Gut, das jeder Mensch
nimmt die öffentliche Hand Zinsen ein, im Jahr 2017 waren es konsumieren muss. Der Boden ist eine beschränkte Ressource,
3,8 Millionen Franken. Was den Bund betrifft, so wurden in die sich nicht vermehren lässt. Deshalb kann der Wohnungs-
den letzten fünfzehn Jahren alle Darlehen zurückbezahlt und markt nicht mit gewöhnlichen Konsumgütern gleichgesetzt
keine einzige Bürgschaft musste eingelöst werden. werden und die reine Marktlogik ist fehl am Platz.
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 1010 Gründe für mehr
Genossenschafts-
wohnungen
Michele Limina
1 Bezahlbare Mieten 6 Miteigentum
Im Vergleich mit anderen Wohnungen sind die Mieten in Genossenschaften bieten eine Mischform von Miete und
Genossenschaften um durchschnittlich 20 Prozent tiefer. Eigentum, man nennt sie den «dritten Weg» im Wohnungsbau.
Genossenschaften verzichten freiwillig auf eine Rendite und Wer Mitglied einer Genossenschaft ist, kauft seine Wohnung
wenden die Kostenmiete an. Die Mieterinnen und Mieter zwar nicht, wird aber durch das Anteilscheinkapital Miteigen-
bezahlen nur so viel, wie für den Betrieb und den langfristigen tümerin oder Miteigentümer. Anders als beim Wohneigentum
Unterhalt nötig ist. braucht es dafür aber kein grosses Kapital.
2 Hohe Wohnsicherheit 7 Gute Altersvorsorge
Wer Mitglied einer Genossenschaftswohnung ist, ist Mit Genossenschaften ermöglichen dank ihren tiefen Mieten
eigentümerin oder Miteigentümer und hat ein Wohnrecht. eine gute Altersvorsorge. Denn wer ein Leben lang weniger
Das bedeutet, dass den Mitgliedern nicht so einfach gekündigt Miete zahlt, kann mehr auf die Seite legen. Die preisgünstigen
werden kann. Die hohe Wohnsicherheit ist gerade für ältere Wohnungen und die hohe Wohnsicherheit, die genossenschaft-
Menschen, aber auch für Familien oder Menschen mit einem liche Wohnungen bieten, sind gerade auch im Alter von grosser
tiefen Einkommen besonders wichtig. Wichtigkeit.
3 Gemeinsam wohnen und leben 8 Hohe Wohnqualität
In Genossenschaften können die Bewohnerinnen und Be- Baugenossenschaften legen grossen Wert auf eine hohe
wohner gemeinsam Dinge nutzen, die sie sich alleine nicht Qualität. Dazu gehören eine Architektur, die Begegnungen för-
leisten könnten: Gemeinschaftsräume, Bastelräume, Gäste- dert, vielseitig nutzbare Aussenräume und Erdgeschosse, die
zimmer oder Spielplätze etwa. Auch gemeinschaftliche Anlässe, einer gemeinschaftlichen Nutzung und dem Gewerbe Platz
Freizeitangebote, Kinderbetreuung oder Nachbarschaftshilfe bieten. Gemeinnützige Bauträger gewinnen denn auch über-
gehören zum Leben in der Genossenschaft. durchschnittlich oft Preise und Auszeichnungen.
4 Nutzen für das ganze Quartier 9 Mitbestimmung
Von den Angeboten in den Genossenschaftssiedlungen pro- Genossenschafterinnen und Genossenschafter können mit-
fitieren ganze Quartiere oder Gemeinden. In vielen Siedlungen bestimmen und mitgestalten. Als Mitglieder werden sie an die
sind öffentliche Angebote wie Kindertagesstätten, Kinder- Generalversammlung eingeladen und können über wichtige
gärten oder Pflegewohnungen untergebracht. Es gibt Läden, Geschäfte abstimmen, eigene Anträge stellen sowie den Vor-
Beizen, Coiffeur-Salons oder Arztpraxen und Raum für Vereine stand wählen. Noch aktiver mitgestalten kann sein Wohnum-
und Initiativen aus dem Quartier. feld, wer im Vorstand oder in einer Arbeitsgruppe mitwirkt.
5 Wohnen für alle 10 Umweltbewusstsein
Genossenschaften bieten grundsätzlich Wohnraum für alle. Genossenschaften nehmen bezüglich Nachhaltigkeit beim
Sie achten aber freiwillig auf eine gute Durchmischung oder Bauen und Wohnen eine Vorreiterrolle ein. Sie sind ausserdem
vermieten ihre Wohnungen insbesondere an Familien, wirt- viel dichter bewohnt und haben einen markant tieferen Boden-
schaftlich schwächer gestellte Haushalte oder ältere Menschen. verbrauch als Eigentumswohnungen und Wohnungen des
Tatsächlich leben in Genossenschaften überproportional viele renditeorientierten Marktes. Damit tragen sie zu einem haus-
Personen mit geringen finanziellen Mitteln. hälterischen Umgang mit dem Boden bei.
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 11Abstimmung
Viele Stimmen
für mehr bezahlbare
Wohnungen
Corine Mauch Ueli Mäder Annemarie Berlinger-Staub
Stadtpräsidentin Zürich em. Professor für Soziologie Gemeindepräsidentin Köniz
«Wohnen in den Städten darf nicht «Ich unterstütze die Initiative. Sie ist «Die Wohnkosten bestimmen über die
eine Frage des Portemonnaies sein. dringlich. Über ein Drittel der älteren Zusammensetzung der Bevölkerung in
Wirkung für mehr gemeinnützige Woh- Frauen leben fast nur von der AHV. einer Gemeinde. Eine gute Durch
nungen erzielen wir mit einer aktiven Sie sind auf bezahlbare Mieten ange- mischung ist eine unabdingbare Voraus
Wohnpolitik.» wiesen, aber besonders von Kündigungen setzung für ein funktionierendes und
betroffen.» lebenswertes Gemeinwesen.»
Kenny Gubser Rosmarie Okle Max Elmiger
Präsident BDP Kanton St. Gallen Mitglied VASOS Direktor Caritas Zürich
«Hohe Mieten belasten das Haushalts- «Unsere beste Altersvorsorge ist unsere «40 % und mehr von tiefen Einkommen
budget gerade für Familien. Die Initiative kostengünstige Mietwohnung. Deshalb fürs Wohnen ist ein Skandal. Eine bezahl-
ist nötig, um bezahlbares Wohnen zu sage ich aus Überzeugung Ja zur bare und würdige Wohnung ist die halbe
fördern.» Initiative.» Miete. Deshalb unterstütze ich die
Initiative.»
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 12Giorgio Tuti Anne Varenne Erich Fehr
Vizepräsident Schweizerischer Präsidentin CVP Frauen Thurgau, Stadtpräsident von Biel
Gewerkschaftsbund Präsidentin Bildung Thurgau «Der gemeinnützige Wohnungsbau ist
«Ich sage Ja, damit alle Familien – auch «Ärmere Menschen, kinderreiche Fami- der stabilisierende Faktor auf dem
solche mit tiefen oder mittleren Ein- lien oder Pensionierte ohne Vermögen Wohnungsmarkt! Deshalb sage ich Ja
kommen – eine zahlbare Wohnung können die hohen Mietzinsen der Neu- zur Volksinitiative für bezahlbaren
finden können.» bauten nicht zahlen. Es müssen darum Wohnraum.»
dringend mehr bezahlbare Wohnungen
vorhanden sein. Ich unterstütze die Initi-
ative, weil in der reichen Schweiz alle eine
bezahlbare Unterkunft haben sollen.»
Georg E. Radecke Marianne Meyner, Vorsitzende der Anja Scholz-Zwyssig
Bauingenieur (pensioniert) Direktion (CEO) der Heilsarmee Rechtsanwältin, CVP-Mitglied
«Ein Vertrag muss beiden Partnern Schweiz, Österreich und Ungarn «Als Anwältin im Familienrecht sind die
DIENEN. Der Mieter erhält die Nutzung «Wer heute kein grosses Einkommen hohen Wohnkosten der Parteien immer
einer Wohnung, für Bau und Unterhalt generiert, kann sich eine Wohnung, beson- wieder ein grosses Thema. Es ist Zeit
derselben erhält der Vermieter Geld. Es ders in Stadtnähe, kaum mehr leisten. Mit zu handeln! Deshalb von mir ein Ja zur
geht nicht an, dass er sich dabei über- der Initiative soll erreicht werden, dass Initiative für bezahlbare Wohnungen,
mässig bereichert.» Eigenständigkeit gefördert und Abhängig- insbesondere für die Familien.»
keit vermieden wird. Es sollen alle die
Chance auf ein Dach über dem Kopf in
der Nähe ihres Arbeitsplatzes haben.»
Diese Organisationen und Parteien
unterstützen die Initiative
• Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz
• Wohnbaugenossenschaften Schweiz
• SP/JUSO
• Grüne/Junge Grüne
• Schweizerischer Gewerkschaftsbund
SGB/Unia
• Casafair (früher: Hausverein)
• Verband der Schweizer
Roger Jud Eggenberger Erstellen Sie ein eigenes Studierendenschaften VSS
Coaching & Consulting Testimonial unter • Vereinigung aktiver Senioren- und Selbst
«Wohnen ist eines der Grundbedürfnisse bezahlbare-wohnungen.ch/testimonials hilfeorganisationen der Schweiz VASOS
• Verein zur Verteidigung der Rechte
der Menschen und soll deshalb bezahl- der Rentner AVIVO
bar sein. Als Buchhalter einer Genossen- • AvenirSocial Berufsverband
schaft mit 325 Wohneinheiten sehe ich, Soziale Arbeit Schweiz
dass das möglich ist.» • Heilsarmee Schweiz
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 13Energetische Sanierungen Text von Michael Töngi
Das Richtige Alte Wohnhäuser können richtige Ener- Besonders ärgerlich ist an der Sache:
gieschleudern sein: Tausende Liter Heizöl Sanierungen werden mit Zuschüssen des
werden jeden Winter verbraucht. Wollen Bundes gefördert. Das Geld dafür kommt
fördern wir den CO2-Ausstoss senken, so müssen
diese Gebäude saniert werden. Gratis ist
das nicht zu haben. Doch Berechnungen
aus der CO2-Abgabe, die von den Mie-
tenden bezahlt wird. Diese Fördergelder
sind richtig und wichtig, denn sie helfen
zeigen, dass auch gute Sanierungen bis mit, Mietzinsaufschläge weiter abzu-
Allzu oft fallen die Miet- hin zu einem Minergiestandard mit den dämpfen. Werden sie aber wie heute auch
zinserhöhungen nach ener- üblichen energetischen Massnahmen und bei Luxussanierungen ausbezahlt oder
einer Überholung von Küche und Bad in wenn den Mietenden gekündigt wird,
getischen Sanierungen viel einer üblichen 4-Zimmer-Wohnung mit bleibt das Geld bei den Vermietern
zu hoch aus. Wenn dann einem Mietzinsaufschlag von 150 bis hängen. Die Fördergelder erhöhen so
noch Fördergelder drin 300 Franken zu machen sind. Zieht man einzig die Rendite der Vermieter. Diesen
die Einsparungen beim Heizen und falschen Mechanismus will die Wohn
stecken, verdoppelt sich Warmwasser und die Fördergelder ab, so initiative korrigieren: Sie setzt durch, dass
der Ärger. liegt der Aufschlag noch bei 100 bis Fördergelder nicht zum Verlust von preis-
200 Franken. Die supertiefen Hypothe- werten Wohnungen beitragen dürfen.
karzinsen sind ein wichtiger Grund, dass
auch nach grösseren Investitionen die Klare Resultate einer neuen Studie
Mietzinserhöhungen moderat ausfallen. Die Diskussion wird nun zusätzlich
durch eine neue Studie der Bundesämter
Keine Luxussanierungen mit Fördergeldern für Energie und Wohnungswesen be-
Leider sind diese Berechnungen nach feuert: Die Hochschule Luzern hat auf-
den Vorgaben des Mietrechts allzu oft ein gezeigt, dass die heutigen pauschalen
theoretischer Wert. Der Grundriss wird Überwälzungssätze von 50 bis 70 Pro-
zusätzlich verändert, teure Innenaus- zent Wertvermehrung bei umfassenden
bauten kommen hinzu oder es wird ganz Sanierungen zu hoch sind. Werden die
einfach die Marktsituation ausgenützt: Bauabrechnungen auf wertvermehrende
Nach der Sanierung wird die Wohnung Investitionen abgeklopft, so machen
mehrere Hundert Franken teurer – vor diese nur 34 bis 58 Prozent der Gesamt-
allem, wenn den Mietenden gekündigt kosten aus. Vermieter können also heute
wurde und die Wohnung auf Marktniveau Mietzinserhöhungen durchdrücken, die
neu ausgeschrieben wird. Marktkräfte, kalkulatorisch nicht gerechtfertigt sind
Renditedruck und die verzweifelte Suche und letztlich ihre Rendite erhöhen. Im
nach Investitionsmöglichkeiten be- Interesse einer gerechten Verteilung der
stimmen den Zeitpunkt und die Höhe Sanierungskosten muss der Bundesrat
der Mieten viel stärker als eine reale Not- jetzt den zu hohen Überwälzungssatz
wendigkeit für energetische Sanierungen. senken.
Kanton Luzern
Allzu oft werden die Mieten nach Sanierungen zu stark erhöht.
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 14Haushalt Text von Stefan Hartmann, Topten
iStock
Wohin der Strom fliesst
Welches sind die heimlichen Stromfresser
im Haushalt? Eine kleine Analyse fördert
Überraschendes zutage.
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 15Beim Wohnen verbrauchen wir ganz sind aber in Mietwohnungen in der Regel effizienz und ausgewählte Produkteigen-
schön viel Energie: Die Schweizer Haus- zentral gelöst und daher in der unten ab- schaften. Bei der aktuellen Version ist
halte geben jährlich 3,8 Milliarden gebildeten Übersicht nicht erfasst. meist A+++ die Bestklasse. Ab 2021 wird
Franken für Strom aus. Das entspricht auf die «Plus»-Klassen verzichtet; A wird
einem Drittel des gesamten Strombedarfs Was sich gegen Stromfresser tun lässt dann die Bestklasse sein.
unseres Landes. Eine typische Mietwoh- Obwohl immer mehr Geräte genutzt
nung verbraucht etwa 2000 kWh Strom werden, hat der Verbrauch in Mehrfami Standby-Verluste vermeiden
pro Jahr (zum Vergleich: Beim Einfami lienhäusern in den letzten zehn Jahren Unnötiger Energieverbrauch lässt sich
lienhaus sind es gut 4000 kWh pro Jahr.) um etwa einen Viertel abgenommen – vermeiden, indem man Standby-Energie-
unter anderem dank effizienteren Kühl- verluste durch Steckdosenleisten mit
Rang 1: Elektronik und Gebäudetechnik schränken und LED-Lampen. Abschaltfunktion ausmerzt. Oder indem
Schauen wir uns das näher an: An der Strom sparen lässt sich jedoch nicht man LED statt Halogen-Lampen ver-
Spitze der Stromfresser-Rangliste steht nur beim Kühlen und bei der Beleuch- wendet; LED verbrauchen über 80 Pro-
mit 18 Prozent die Heim- und Büroelek tung: Viele andere Geräte liessen sich zent weniger Energie. Nützlich sind
tronik. Das überrascht wenig, denn in ebenso gegen effizientere Modelle aus- dimmbare LED, die ausdrücklich als
vielen Haushalten kommen rasch einmal tauschen, um die Energierechnung zu solche gekennzeichnet sind.
zwei bis drei Dutzend Geräte zusammen. entlasten. Allerdings sollte man sich dies Um wirklich die Top-Energiesünder
Um nur einige zu nennen: Fernseher mit wegen der grauen Energie zweimal über- im Haushalt aufzuspüren, lohnt sich der
Settop-Boxen, Playstation, PC, Note- legen. «Geräte soll man nicht überstürzt Einsatz eines Energiemessgerätes. Damit
book, Modem, Drucker. austauschen, sondern erst nach Ablauf kann einfach festgestellt werden, wie viel
Ebenfalls 18 Prozent entfallen auf die der Lebensdauer ersetzen», empfiehlt Energie ein bestimmtes Gerät braucht
Gebäudetechnik, welche meist in der Ne- Eric Bush, Gründer von Topten, einer und wo sich Sparmassnahmen lohnen
benkostenabrechnung auftaucht. Dazu neutralen und unabhängigen Plattform. (vgl. www.topten.ch/messgeraete).
gehören Umwälzpumpen, Lüftungs Ob Kühlschränke, Waschmaschinen,
anlagen oder die Garagen- und Treppen- Staubsauger, LED-Lampen, Fernseher
hausbeleuchtung. Dahinter folgen mit oder Notebooks: Auf www.topten.ch
15 Prozent diverse Geräte und Einrich- finden sich schnell und einfach die jeweils
tungen wie der Staubsauger, das Aqua- besten Produkte zum besten Preis. Be-
rium, das Wasserbett oder mobile Elekt- sonders hilfreich ist die Angabe der Ver-
roheizer und Klimageräte. kaufsstelle. Der Fokus aller Produkte liegt
Rang 4 teilen sich mit je 12 Prozent bei Topten auf Energieeffizienz, geringer
die Kühl-/Gefriergeräte sowie Wasch Umweltbelastung und Qualität.
maschine und Tumbler. (Fest installierte) Eine wichtige Orientierungshilfe bei
Elektroheizungen und Elektroboiler der Auswahl von Geräten ist die Energie-
schlagen ebenfalls heftig zu Buche, sie etikette. Sie informiert über die Energie-
Der Stromverbrauch im Haushalt (ohne Heizung und Warmwasser)
Kochen und Backen 10%
Gebäudetechnik 18 %
Kühlen und Gefrieren 12%
Beleuchtung 10 % Geschirrspüler 5%
Waschen und Trocknen 12%
Diverse Geräte 15 %
Heim- und Büroelektronik 18%
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 16Hotline
Muss ich Muss ich die Nachforderung
unterschreiben? bezahlen?
Meine Vermieterin hat in eine neue Vor drei Jahren habe ich einen kosten jedoch sind nur dann
Photovoltaikanlage investiert. Nun mündlichen Mietvertrag für geschuldet, wenn sie detailliert
hat sie mir einen neuen Mietvertrag eine Wohnung abgeschlossen. und ausdrücklich im Mietvertrag
Nadja Burri
beantwortet Ihre
und einen Zusatzvertrag zum Die Miete betrug monatlich erwähnt sind. Bei einem münd
Fragen Zusammenschluss in eine Eigen 1500 Franken plus 150 Franken lichen Mietvertrag ist diese
verbrauchsgemeinschaft zur Unter- Nebenkosten. Weiteres haben wir besondere Vereinbarung über die
schrift vorgelegt. Der Mietzins bleibt nicht abgemacht. Jetzt – nach Nebenkosten grundsätzlich
unverändert. Unter den Neben- meinem Auszug – stellt der Ver- ebenfalls möglich. Nur wird dies
kosten sind aber höhere Akonto mieter plötzlich eine Nachforde- in der Praxis kaum gemacht. Dies
beträge und zusätzliche Positionen rung im Umfang von 800 Franken aus guten Gründen, denn der
wie «ind. Strom» und «Service für die Nebenkosten. Muss ich Vermieter muss beweisen
Photovoltaikanlage» aufgelistet. diesen Betrag bezahlen? können, dass die Nebenkosten
Im Zusatzvertrag steht zudem, dass auch tatsächlich vereinbart
ich auch für die Wartung der Anlage Wer von jemandem Geld fordert, worden sind. Ihrem Vermieter
hafte und den Strom neu nur noch benötigt dafür eine rechtliche wird dieser Beweis kaum
über die Eigenproduktion beziehen Grundlage. Als Mieter müssen gelingen, ausser jemand anderes
dürfe. Muss ich diese beide Verträge Sie dem Vermieter deshalb nur war beim Vertragsabschluss dabei
unterschreiben? das bezahlen, was Sie mit ihm im und könnte diese besondere Ver-
Mietvertrag vereinbart haben. Sie einbarung über die Nebenkosten
Nein, denn Sie haben bereits einen haben mit Ihrem Vermieter zwar bezeugen. Leitet der Vermieter
gültigen Mietvertrag. Will die nur einen mündlichen Mietver- eine Betreibung ein, sollten Sie
Vermieterin die vertraglichen Be trag abgeschlossen, dieser ist unbedingt Rechtsvorschlag
dingungen ändern, kann sie das trotzdem gültig. Ein Mietvertrag erheben. Die Betreibung ist dann
frühestens auf den nächsten ver- muss nicht unbedingt schriftlich, gestoppt und der Vermieter muss
traglichen Kündigungstermin tun. sondern kann auch per Hand- den ordentlichen Rechtsweg
Zudem müssen solche Änderun schlag oder sogar stillschweigend beschreiten.
gen auf einem amtlich genehmig- abgeschlossen werden. Neben-
ten Formular mitgeteilt werden.
Dieses muss eine klare Begrün-
dung und eine Rechtsmittel
belehrung enthalten. Die Vermie-
terin muss auch deklarieren, ob sie
für die Anlage Fördermittel
erhalten hat. Die Vertragsände-
rung kann innert 30 Tagen bei der
kantonalen Schlichtungsbehörde
angefochten werden. Sie können
also abwarten, bis die Vermieterin
die Mietvertragsänderung mit
dem amtlichen Formular mitteilt.
Tut sie dies, sollten Sie beim MV
abklären, ob eine Anfechtung
sinnvoll ist. Rechtlich gibt es nur
wenig Gründe, die gegen die
Einführung von Solarstrom spre-
chen. Die Vermieterin kann nicht
mehr für den Solarstrom ver-
langen, als Sie bisher bezahlt
haben. Der Preis ist gesetzlich
definiert. Auf keinen Fall kann
123RF
sie die Haftung der Anlage sowie
die Reparaturkosten auf Sie Ein Mietvertrag kann per Handschlag abgeschlossen werden. Das gilt auch für
überwälzen. Nebenkosten, es wird jedoch kaum gemacht – mit gutem Grund.
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 17Miettipp Text von Fabian Gloor
Illustration Patric Sandri
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 18Mieterinnen und Mieter können frühzeitig
aus einem Mietvertrag aussteigen, indem
sie eine zumutbare und zahlungsfähige Nach-
folge finden. Doch was bedeutet «zumutbar
und zahlungsfähig» genau?
Ausserterminlich ausziehen
«Wir freuen uns, Sie als neue Mitarbeite- höht sie die Chance, dass sich darunter aus dem Betreibungsregister zur Woh-
rin begrüssen zu dürfen.» Eva Meier jemand befindet, der oder die zumutbar nungsbesichtigung mitgebracht. Damit
kann ihr Glück kaum fassen. Bereits in und zahlungsfähig ist. kann sie belegen, dass diese auch tatsäch-
zwei Monaten wird sie eine neue Stelle Sofort teilt Meier ihrem Vermieter per lich zahlungsfähig sind. Generell gelten
antreten. Und das nicht irgendwo, Brief mit, dass sie in zwei Monaten aus- Nachmieterinnen und Nachmieter als
sondern in Berlin, ihrer Lieblingsstadt. serterminlich ausziehen und ihm deshalb zahlungsfähig, wenn deren Betreibungs-
Das Blöde ist nur: Sie ist erst vor knapp so bald wie möglich eine Nachmieterin registerauszug höchstens vereinzelte Ein-
einem halben Jahr in eine 3-Zimmer- oder einen Nachmieter melden werde. träge aufweist, die nicht auf Zahlungs-
Wohnung in Zürich gezogen. Ihr Mietver- Rasch schaltet sie auf diversen Immobi- schwierigkeiten oder eine schlechte
trag enthält eine einjährige Mindestdauer, lien-Portalen ein Wohnungsinserat samt Zahlungsmoral schliessen lassen.
was bedeutet, dass sie erstmals auf den einiger aussagekräftiger Bilder online. Viele Vermieterinnen und Vermieter
30. Juni 2020 kündigen kann. Solche Min- Auch das Anschlagbrett des Quartier lehnen alle Personen ab, deren Betrei-
destdauern sind üblich und Eva Meier ist ladens schmückt sie mit einer Anzeige. bungsregister nicht astrein ist. Diese Hal-
an diesen Kündigungstermin grundsätz- Es läuft wie am Schnürchen. Innerhalb tung ist übervorsichtig. Wer nur einzelne
lich gebunden. Ist ihr Traum von Berlin weniger Tage besichtigen zahlreiche Inte- Betreibungen hat, die nicht generell auf
deshalb bereits ausgeträumt? Nicht ganz, ressierte die Wohnung, darunter ein Paar Zahlungsprobleme hinweisen, ist als
denn das Gesetz sieht einen Ausweg aus mit Baby sowie zwei Studentinnen, eine Nachmieterin oder Nachmieter zu-
dieser Sackgasse vor: Sie kann sich von davon mit Hund, die zusammen eine mutbar. Als nicht genügend zahlungs-
ihren mietvertraglichen Verpflichtungen Wohngemeinschaft gründen möchten. fähig gelten nur Personen, die mehrere
befreien, indem sie eine zumutbare und Beide Parteien möchten die Wohnung Betreibungen aufweisen, insbesondere
zahlungsfähige Nachmieterin oder einen bereits ab dem 1. Februar mieten. Sowohl von der Steuerverwaltung oder der Kran-
Nachmieter für ihre Wohnung findet. die Familie als auch die WG füllen das kenkasse. Als weiteres Indiz für die Zah-
Formular zur Meldung von Nachmietern lungsfähigkeit gilt der Lohn. Wer nicht
Eine Person reicht, besser sind viele aus, das Meier von der Webseite des MV mindestens das Dreifache des Mietzinses
Gemäss Gesetz genügt es, wenn Meier kostenlos heruntergeladen hat. verdient, gilt als nicht solvent.
ihrem Vermieter eine einzige Person prä-
sentiert. Besser ist es aber, wenn sie so Kriterium Zahlungsfähigkeit Kriterium Zumutbarkeit
viele potenzielle Nachmieterinnen und Viele der Interessierten haben auf Und wann gilt jemand als Nachmie-
Nachmieter wie möglich findet. So er- Meiers Bitte hin einen aktuellen Auszug terin oder Nachmieter als zumutbar?
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 19Zumutbar sind im Prinzip alle Personen, Zulässige Ablehnungsgründe Wohnung ist die Hundehaltung zwar
bei denen der Ärger mit der Nachbar- Zwei Wochen verstreichen. Dann teilt nicht generell verboten. Gemäss Vertrag
schaft nicht bereits programmiert ist. All- ihr der Vermieter per Brief mit, dass für muss der Vermieter jedoch dafür eine
gemeine menschliche Eigenschaften wie ihn weder das Paar noch die WG mit Einwilligung erteilen. Meier besitzt
Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Hund als Nachmieter in Frage kommen. keinen Hund und hat folglich auch nie
sexuelle Orientierung und Nationalität Beide Parteien seien zwar solvent, die eine Einwilligung eingeholt. Die Hunde-
sind unzulässige Ablehnungsgründe. 3-Zimmer-Wohnung sei für drei Personen haltung ist in diesem Fall deshalb ein
Meier schickt die Formulare der inter- jedoch zu klein. Es handle sich schliess- zulässiger Ablehnungsgrund.
essierten Personen zusammen mit den je- lich um eine Single-Wohnung. So sei es
weiligen Betreibungsregisterauszügen an auch im Mietvertrag vermerkt. Deshalb Mieterin ist entlastet
den Vermieter – per Einschreiben. So komme auch die WG nicht in Frage, erst Muss der Vermieter also die Familie
kann sie später beweisen, wann sie ihm recht nicht mit einem Hund. als Nachmieterin akzeptieren? Nein. So-
welche Person gemeldet hat. Die Kopien Sind diese Argumente rechtlich fern es sich um seine Wohnung handelt,
der Unterlagen sowie die Postquittung haltbar? Gegenüber dem Paar mit Kind kann man dem Vermieter keine Nachmie-
bewahrt sie auf. Sie könnten in einem sicherlich nicht. Eine Überbelegung ist terin aufzwingen. Sobald jedoch der Ver-
möglichen Rechtsstreit wichtige Beweis- zwar ein berechtigter Ablehnungsgrund. mieter eine Person ablehnt, obwohl diese
mittel sein. Doch viele Vermieterinnen und Vermieter zahlungsfähig und zumutbar ist, ist die
Nun braucht Meier ein wenig Geduld, gehen voreilig von einer Überbelegung Mieterschaft aus dem Mietvertrag ent-
damit der Vermieter die Dossiers prüfen aus. Zwei bis drei Personen sind in einer lassen. Sie muss ab demjenigen Zeitpunkt
kann. Dies sollte er innert nützlicher Frist 3-Zimmer-Wohnung grundsätzlich zu- keinen Mietzins mehr bezahlen, ab dem
tun. Trödelt er zu lange herum, ist Meier mutbar, insbesondere dann, wenn eine die von ihr präsentierte Nachmieterschaft
von ihren mietvertraglichen Pflichten dieser Personen noch ein Kind ist. Das die Wohnung gemietet hätte.
befreit. Auch dann, wenn die Interes- gilt auch, wenn es sich laut Mietvertrag Was tut Eva Meier als Nächstes? Sie
sierten wieder abspringen, etwa weil sie um eine Single-Wohnung handelt. Solche schreibt ihrem Vermieter einen einge-
inzwischen eine andere Bleibe gefunden Angaben zur Personenzahl sind unver- schriebenen Brief. Darin teilt sie ihm mit,
haben. Wie lange er sich dafür Zeit lassen bindlich. Deshalb kämen eigentlich auch dass sie die Wohnung Ende Januar ab-
kann, hängt von den Umständen ab. die beiden jungen Frauen als Nachmiete- geben und ab diesem Zeitpunkt keinen
Für eine professionelle Immobilienver- rinnen in Frage – wenn da nicht noch ein Mietzins mehr bezahlen werde. Ihrem
waltung sollte es innerhalb von 10 bis Hund mit von der Partie wäre. Relevant Umzug nach Berlin steht nichts mehr im
20 Tagen zu bewerkstelligen sein – ist ja ist die Gesetzesbestimmung, wonach Wege.
schliesslich ihr «daily business». Private die Nachmieterinnen die Wohnung zu
Vermieter dürfen sich bis zu 30 Tage Zeit den gleichen Bedingungen wie die Vor-
nehmen. mieterin übernehmen müssen. In Meiers
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Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 20Urteil Text von François Zutter
Gericht befindet Miete
nach zehn Jahren als nichtig
Weil der Vermieter es verpasst hat, ihm das offizielle
Formular zuzustellen, wird der Mietzins eines Waadtlän-
ders nach zehn Jahren als nichtig befunden. Der Vermie-
ter muss die zu viel bezahlten Beträge zurückerstatten.
Wie lange kann die Anfangsmiete ange- Zehnjährige Verjährungsfrist mietet und den Mietvertrag Anfang Juni
fochten werden? Generell gilt: Innerhalb Sobald ein Richter den gesetzlichen 2016 vorzeitig gekündigt. Weil der Ver-
von 30 Tagen nach Erhalt der Schlüssel Mietzins festgelegt hat, stellt sich die mieter den vom Mieter präsentierten Er-
(und nicht nach Vertragsunterzeichnung!) Frage, wie lange der Mieter eine Erstat- satzmieter ablehnte, entstand ein Streit
gemäss Artikel 270 OR. Nach Ablauf tung der zu viel bezahlten Miete fordern darüber, wie lange der Mieter die Miete
dieser Frist gilt der im Mietvertrag fest kann. Zur Anwendung kommt in diesem noch schuldete: Der Mieter sah sich per
gesetzte Mietzins als akzeptiert. Fall nicht die fünfjährige Verjährungsfrist Ende Oktober als von seinen Verpflich-
In Kantonen mit einer Formular- von Art. 128 OR für periodische Dienst- tungen befreit, während der Vermieter
pflicht gemäss Art. 270 Abs. 2 OR muss leistungen: Diese Frist betrifft nur die vom die Miete bis Ende Dezember verlangte.
die Vermieterin dem Mieter inner- Mieter zu zahlenden Mieten, weshalb es Der Streit führte dazu, dass der Mieter
halb von 30 Tagen ein offizielles For- unerlässlich ist, dass der Mieter die Zah- im Juli 2016 seine Rechtsschutzversiche-
mular aushändigen, auf dem insbeson- lungsnachweise für fünf Jahre aufbewahrt. rung konsultierte und erfuhr, dass die
dere der Mietzins der Vormieterschaft Wie bereits erwähnt, gilt hier für die Rück- Miete aufgrund der fehlenden Zustellung
steht. Verpasst sie diese Frist, gilt der forderung die zehnjährige Verjährungs- des amtlichen Formulars nichtig war.
Mietzins nicht als akzeptiert. Der Mieter frist. Diese Frist beginnt nicht mit dem Die Richter setzten die Miete schliess-
kann folglich den Anfangsmietzins Beginn des Mietverhältnisses, sondern je- lich auf 1650 Franken fest. Gegenüber
auch über die 30 Tage hinaus anfechten weils mit der Zahlung der Miete. der tatsächlich bezahlten Miete ist das
und allenfalls zu viel bezahlte Beträge eine Differenz von 450 Franken pro
zurückfordern. Kein Formular: Miete ist nichtig Monat und über zehn Jahre gerechnet ein
Dies wurde durch ein Urteil des Ge- Betrag von 54 000 Franken! Nach Abzug
Unrechtmässige Bereicherung richtshofs des Kantons Waadt vom 8. Juli einiger unbezahlter Mieten und anderer
Wie lange aber kann die Anfangsmiete 2019 in einer Rechtssache betreffend die Kosten wurde der Vermieter angewiesen,
im vorliegenden Fall angefochten werden? Region Montreux bestätigt. Der Mieter dem Mieter einen Betrag von fast
Dafür gelten die Vorschriften über die hatte am 1. Januar 2004 eine Wohnung für 42 000 Franken zu erstatten.
unrechtmässige Bereicherung gemäss Ar- eine Nettomiete von 2100 Franken ge- Originaltext französisch
tikel 62 ff. Der Mieter muss innerhalb
eines Jahres ab dem Tag, an dem er von
seinem Recht Kenntnis erlangt hat, auf
jeden Fall aber innerhalb von zehn Jahren
nach der Entstehung des Anspruchs
rechtliche Schritte einleiten, indem er an
die Schlichtungsbehörde gelangt.
Von seinem Recht Kenntnis hat ein
Mieter dann, wenn er tatsächlich weiss,
dass die nicht erfolgte Zustellung des
amtlichen Formulars (in Kantonen ohne
Formularpflicht: die fehlende Angabe des
Mietpreises des Vormieters bzw. des
Grundes für die Mietsteigerung) zur
Nichtigkeit des Anfangsmietpreises führt
und dass der von ihm gezahlte Mietpreis
Dreamstime
zu hoch und daher missbräuchlich war.
Es reicht nicht aus, dass er davon hätte
wissen können oder sollen. Ein Mieter aus der Region Montreux erhält 42 000 Franken zu viel bezahlte Miete zurück.
Mieten + Wohnen Sondernummer Januar 2020 21Sie können auch lesen