Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft 2019 - SVLFG

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Soziale Sicherheit
in der Landwirtschaft
                                       1/2
                                      Doppelausgabe
                                                          2019

    In diesem Heft
    Gerhard Zindel
      Die Alterssicherung der Landwirte nach dem Ende der Hofab-
      gabeklausel

    Sabine Büntig, Matthias Ahmann
      Zu den Neuregelungen in der Alterssicherung der Landwirte
      nach Abschaffung der Hofabgabeverpflichtung

    Carsten Timm, Christian Seeanner
      Zuschuss zum Beitrag zur Alterskasse

    Angela Buhne
      Burnout in der Landwirtschaft

    Karl Friedrich Köhler
      Bescheidkorrektur im Verwaltungsverfahren der SVLFG durch
      Rücknahme und Aufhebung von Verwaltungsakten – Teil 3

                                                       Herausgeber
                                                 Sozialversicherung
                                                 für Landwirtschaft,
                                             Forsten und Gartenbau
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Soziale Sicherheit
in der Landwirtschaft
                                                1/2
                                              Doppelausgabe
                                                               2019

In diesem Heft
Gerhard Zindel
  Die Alterssicherung der Landwirte nach dem Ende der Hofab-
  gabeklausel		                                                Seite 5

Sabine Büntig, Matthias Ahmann
  Zu den Neuregelungen in der Alterssicherung der Landwirte
  nach Abschaffung der Hofabgabeverpflichtung		                Seite 11

Carsten Timm, Christian Seeanner
  Zuschuss zum Beitrag zur Alterskasse		                       Seite 21

Angela Buhne
  Burnout in der Landwirtschaft		                              Seite 29

Karl Friedrich Köhler
  Bescheidkorrektur im Verwaltungsverfahren der SVLFG durch
  Rücknahme und Aufhebung von Verwaltungsakten
  Teil 3: Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung
  wegen einer Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen
  Verhältnisse gem. § 48 SGB X		                            Seite 53
Ende der Hofabgabeklausel                                                1/2 I 2019     Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft             5

Die Alterssicherung der Landwirte nach dem Ende der Hofabgabeklausel*

Ass. jur. Gerhard Zindel**

Die Hofabgabeklausel ist Geschichte. Dabei war sie doch ein ganz wesentliches unter den Merkmalen, in denen sich
die Alterssicherung der Landwirte als berufsständisches Sondersystem von der allgemeinen gesetzlichen Rentenver-
sicherung unterscheidet. Der Beitrag befasst sich nach einem kurzen Rückblick auf den durch die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts verursachten Schwebezustand mit einigen Folgeregelungen zur Abschaffung der Hofab-
gabeklausel. Abschließend gibt er Anregungen zu einer gänzlich neuen Ausrichtung der landwirtschaftlichen Alters-
sicherung, nachdem ihr die bisher prägende agrarstrukturelle Zielsetzung weitgehend abhanden gekommen ist.

1       Einleitung                                           2	Die Entscheidung des Bundesver-
                                                                fassungsgerichts zur Verfassungs-
Mit Artikel 4a des Gesetzes vom 18.12.2018 [1] ist              widrigkeit der Hofabgabeklausel
die Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft als
Anspruchsvoraussetzung für die Renten nach dem               Das BVerfG hat die Hofabgabeklausel nicht einfach für
Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG)          nichtig, sondern nur für mit dem Grundgesetz unverein-
gestrichen worden.                                           bar und deshalb § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG in der damals gül-
                                                             tigen Fassung für unanwendbar erklärt. Es hat sich dabei
Diese Anspruchsvoraussetzung, bekannt als Hofabga-           von der Überlegung leiten lassen, dass dem Gesetzge-
beklausel, gehörte bisher zu den essenziellen Bestand-       ber Gelegenheit zu geben ist, die Hofabgabeklausel
teilen der Alterssicherung der Landwirte, wurde diese        wieder so auszugestalten, dass sie mit der Verfassung
doch seit ihren Anfängen mit der 1957 ins Leben gerufe-      vereinbar ist. [7]
nen Altershilfe für Landwirte stets als eine Verknüpfung
von Agrarsozialpolitik und Agrarstrukturpolitik begriffen.   In dem damit geschaffenen Schwebezustand durfte
[2] Indem das Gesetz den Anspruch auf Rente von der          die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und
Hofabgabe abhängig machte, bezweckte es eine Verjün-         Gartenbau (SVLFG) als Landwirtschaftliche Alterskasse
gung des Unternehmerbestandes und zugleich die Ent-          (§ 49 Satz 2 ALG – nachfolgend: LAK) einerseits die Hof-
stehung wirtschaftlich leistungsfähiger Unternehmen. [3]     abgabeklausel nicht mehr anwenden, andererseits aber
                                                             auch keine Altersrenten bewilligen, denn damit hätte sie
Wenngleich die Hofabgabeklausel schon seit vielen            angesichts der vom Gericht gesehenen Möglichkeit des
Jahren nicht mehr unumstritten ist (bereits im Vorfeld der   Gesetzgebers, die Hofabgabeklausel umfassend neu zu
Agrarsozialreform 1995 wurde um ihre Beibehaltung oder       gestalten, riskiert, Bewilligungsbescheide zu erlassen,
Abschaffung gerungen) [4], hat sich der Gesetzgeber in       die sich im Nachhinein als rechtswidrig hätten heraus-
den vergangenen Jahrzehnten stets darauf beschränkt,         stellen können. Rentenantragsverfahren mussten des-
sie den sich verändernden Rahmenbedingungen anzu-            halb immer dann, wenn der Anspruch auf Altersrente nur
passen und sie dabei in Teilen zu lockern. [5]               noch von der Erfüllung der nicht mehr anwendbaren Hof-
                                                             abgabeklausel abhing, so lange ausgesetzt bleiben, bis
Das nun recht plötzliche Ende, gesetzestechnisch rea-        der Schwebezustand durch den Gesetzgeber beendet
lisiert durch Aufnahme eines zusätzlichen Artikels in        war. [8] Weil in aller Regel nicht einmal feststand, dass
das sog. Qualifizierungschancengesetz, ist maßgeb-           unter den Bedingungen einer Neuregelung ein Anspruch
lich auf die Entscheidung des Bundesverfassungs-             dem Grunde bestünde, waren Vorschüsse nach § 42
gerichts (BVerfG) vom 23.05.2018 (1 BvR 97/14 und            Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ausgeschlossen,
1 BvR 2392/14) [6] zurückzuführen. Über die unmittel-        und für vorläufige Entscheidungen fehlte eine Rechts-
baren Auswirkungen hinaus stellen sich dabei wichtige        grundlage. [9]
Systemfragen, gerade weil mit der Hofabgabeklausel
eine der tragenden Erwägungen dafür, dass es über-
haupt ein Alterssicherungssystem für Landwirte gibt und
wie es auszugestalten ist, weggebrochen ist.
                                                             * Ergänzte und aktualisierte Zweitveröffentlichung mit Genehmigung des
                                                                 Landwirtschaftsverlag GmbH, Münster. Die Erstveröffentlichung erfolgte in
                                                                 der Zeitschrift Agrar- und Umweltrecht (AuR), Heft 10/2019, S. 374-377.
                                                             ** F rüher Leiter der Stabsstelle Grundsatz /Recht der Sozialversicherung für
                                                                 Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, Kassel.
6   Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft   1/2 I 2019                                        Ende der Hofabgabeklausel

    3         bschaffung der Hofabgabeklausel
             A                                                    4       Weitere Folgeregelungen
             statt Neugestaltung und die notwen-
             digen Folgeregelungen                                Der Gesetzgeber hat sich auf diese sachlich zwingenden
                                                                  und i. d. R. rein redaktionellen Folgeregelungen nicht
    Eine nach den vom BVerfG aufgestellten Kriterien ver-         beschränkt, sondern sich veranlasst gesehen, weitere
    fassungskonforme Hofabgabeklausel wäre nicht durch            Regelungen zu treffen, die er für geboten hielt, um dem
    wenige Korrekturen erreichbar gewesen. So hätte eine          Wegfall der Hofabgabeklausel Rechnung zu tragen.
    bloße Ergänzung von Härtefallklauseln die Verfassungs-
    widrigkeit nicht beseitigen können, sondern sie hätte         Nicht alle dieser Regelungen sind so nachvollziehbar wie
    dafür gesorgt, dass der Anteil der von der Hofabgabe-         die Anordnung der Versicherungsfreiheit von Beziehern
    klausel betroffenen Antragsteller – nach einer Kette von      einer vorzeitigen Altersrente oder einer Rente wegen
    Erleichterungen war zuletzt nur noch eine kleine Min-         Erwerbsminderung (§ 2 Nr. 1 Buchst. c ALG). Kritisch zu
    derheit unter den Rentenantragstellern von der Hofab-         hinterfragen sind vor allem die Regelungen zum Hinzu-
    gabeklausel be-lastet – noch geringer geworden wäre.          verdienst (§§ 27a und 27b ALG). Andere Regelungen wie
    Das hätte diesen vom BVerfG festgestellten Gleichheits-       etwa die Ergänzung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ALG in
    verstoß [10] sogar noch verstärkt. Vielmehr wäre dazu         dem Bestreben, Landwirte, die bereits eine Rente bezie-
    eine völlige Neukonzeption erforderlich gewesen, die          hen und deshalb nach dem neuen § 2 Nr. 1 Buchst. c ALG
    in Teilen auch zu einer Revidierung früher eingeführter       versicherungsfrei sind, von der Leistung „Betriebshilfe“
    Erleichterungen hätte führen müssen. [11] Eine solche         auszuschließen, erweisen sich bei näherem Hinse-
    umfassende Neuauflage der Hofabgabeklausel hätte              hen nicht nur als überflüssig, sondern sie werfen neue
    nur bei einem konstruktiven Zusammenwirken der Part-          Abgrenzungsfragen auf.
    ner der Regierungskoalition gelingen können. Daran war
    aber kaum zu denken, hielten doch CDU und CSU bis
    zuletzt an der Hofabgabeklausel fest, während die SPD         a)	Land- und forstwirtschaftliches Arbeits-
    bereits seit geraumer Zeit für ihre Abschaffung eintrat. Es       einkommen als Hinzuverdienst
    kam hinzu, dass die Regierung und das Parlament unter
    großem Zeitdruck standen, weil sich die LAK aufgrund          Rentenbezieher können seit der Abschaffung der Hofab-
    der Tatsache, dass das Gericht die Hofabgabeklausel           gabeklausel zugleich landwirtschaftliche Unternehmer
    nur für unanwendbar, nicht aber für nichtig erklärt hatte,    sein, während dies zuvor nur in wenigen Ausnahmefäl-
    zu Recht außer Stande sah, in der Phase zwischen Fest-        len (zuletzt in den Fällen des § 21 Abs. 8 Satz 2 ALG, der
    stellung der Unanwendbarkeit der Hofabgabeklausel             Gesellschaftern unter bestimmten Voraussetzungen den
    durch das BVerfG und Neuregelung durch den Gesetz-            Verbleib in der Gesellschaft ermöglichte) denkbar war.
    geber überhaupt noch Rentenanträge abschließend               Dies hat den Gesetzgeber bewogen, in solchen Fällen
    positiv zu bescheiden (siehe oben zu 2).                      auch das landwirtschaftliche Arbeitseinkommen als Hin-
                                                                  zuverdienst i. S. d. § 27a Abs. 1 ALG anzusehen. Folgen
    Dies führte dazu, dass sich auch unter den grundsätz-         hat diese Regelung nicht nur für Bezieher einer Rente
    lichen Befürwortern der Hofabgabeklausel die Einsicht         wegen Erwerbsminderung, sondern nach dem neu ein-
    durchsetzte, eine verfassungskonforme Neuregelung sei         gefügten § 27b ALG auch für Landwirte, die eine vorzei-
    nicht zu schaffen [12].                                       tige Altersrente erhalten.

    Im Nachhinein kann festgestellt werden, dass die LAK,         Die AdL ist als Teilsicherung darauf angelegt, ergänzt zu
    indem sie die Anwendungssperre durchgesetzt und               werden u. a. durch Altenteilsleistungen und durch Ein-
    nicht den vielfach an sie herangetragenen Forderungen         nahmen, die den Rentenempfängern als Gegenleistun-
    nach vorläufigen Rentenbewilligungen auf zweifelhafter        gen aus der Abgabe des Unternehmens zufließen. Der
    Rechtsgrundlage nachgegeben hat, ihren Beitrag dazu           Gesetzgeber des Jahres 1957 hat als Zielsetzung der
    geleistet hat, dass der Schwebezustand vom Gesetzge-          damals ins Leben gerufenen Altershilfe für Landwirte nur
    ber recht schnell beendet worden ist.                         deshalb nicht – nach dem Vorbild der gesetzlichen Ren-
                                                                  tenversicherung – die Sicherung des Lebensstandards,
    Allerdings war es mit der Streichung des § 11 Abs. 1          sondern lediglich eine ungleich bescheidenere Teilsiche-
    Nr. 3 ALG und des die Abgabeklausel konkretisierenden         rung zugrundegelegt, weil er den Anspruch auf Rente
    21 ALG nicht getan, vielmehr mussten eine Vielzahl wei-       von der Abgabe des Unternehmens abhängig machte
    terer Bestimmungen im ALG und weiteren Gesetzen um            und somit idealtypisch davon ausgehen konnte, dass ein
    die Vorschriften zur Hofabgabeklausel bereinigt werden.       wesentlicher Teil der Altersversorgung durch Altenteils-
                                                                  leistungen oder Veräußerungsgewinne abgedeckt war.
                                                                  Im Verlauf der Ausweitung der Abgabemöglichkeiten auf
                                                                  die langfristige Verpachtung traten Pachterlöse als mög-
                                                                  liche Versorgungselemente hinzu. Einigkeit bestand zu
Ende der Hofabgabeklausel                                               1/2 I 2019   Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft   7

jeder Zeit, dass Landwirte erforderlichenfalls zusätzliche     Die Entscheidung hätte somit gute Gründe geliefert, die
private Eigenvorsorge betreiben mussten. Das Konzept           Regelungen über den Hinzuverdienst zu streichen oder
der Teilsicherung beruhte also auf der Annahme, dass           wenigstens abzumildern. Stattdessen hat der Gesetz-
ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmern neben             geber die Regelungen für Bezieher von Renten wegen
der Rente für den Fall der innerfamiliären Weitergabe          Erwerbsminderung (§ 27a ALG) verschärft und für Bezie-
des Unternehmens Altenteilsleistungen und für den Fall         her von vorzeitigen Altersrenten sogar neu eingeführt
der Eigentumsübertragung oder der langfristigen Ver-           (§ 27b ALG).
pachtung (das Unternehmen oder Teilflächen betreffend)
Veräußerungs- bzw. Pachterlöse zur Verfügung stehen.           Ist die Einbeziehung des landwirtschaftlichen Arbeitsein-
Wenn beides zusammen nicht reicht, müssen weitere              kommens als Hinzuverdienst aus vorgenannten Grün-
Erwerbsquellen, weitere Rentenbezüge (etwa aus der             den schon im Grundsatz abzulehnen, so werden die
gesetzlichen Rentenversicherung) oder Einnahmen aus            Folgen der Neuregelung des § 27a ALG noch fragwürdi-
privater Vorsorge hinzutreten. Diese Konzeption setzt          ger immer dann, wenn das Arbeitseinkommen zu erheb-
voraus, dass den Rentenberechtigten die weiteren Ver-          lichen Teilen aus Verpachtungserlösen besteht. Wer nur
sorgungselemente anrechnungsfrei belassen werden.              noch einen kleinen Teil seines bisherigen Unternehmens
Stattdessen ist auch in der AdL bereits mit dem Agrarso-       weiter bewirtschaftet und die übrigen Teile verpachtet,
zialreformgesetz 1995 die Anrechnung von Einkommen             erzielt einkommensteuerrechtlich ausschließlich Ein-
auf Hinterbliebenenrenten (§ 27 ALG) eingeführt [13]           künfte aus Land- und Forstwirtschaft. Aus § 15 Abs. 1
worden und im Zuge der Reform der Erwerbsminder-               Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) folgt,
ungsrenten wurden Regelungen zum Hinzuverdienst                dass es sich dann auch vollumfänglich um landwirt-
(§ 27a ALG) ergänzt.                                           schaftliches Arbeitseinkommen handelt. Auf diese Weise
                                                               werden immer dann, wenn der weiter bewirtschaftete Teil
Das BVerfG stützt seine Beurteilung der Hofabgabeklau-         die Mindestgröße nach dem ALG erreicht, auch Einkom-
sel als verfassungswidrig ganz wesentlich auch darauf,         mensbestandteile, die bei isolierter Betrachtung Einnah-
dass es unzumutbar sei, den Antragsteller zu zwingen,          men aus Vermögensverwaltung darstellen würden, in den
seine Erwerbsquelle unter Konditionen aufzugeben, die          Hinzuverdienst hineingezogen. Dadurch stellt sich die
es ihm nicht erlauben, die Teilsicherungsleistung so zu        Neuregelung erst Recht als grob systemwidrig dar [16].
ergänzen, dass er seinen Lebensunterhalt bestreiten
kann. [14]                                                     Überraschend negative Auswirkungen hat die Neurege-
                                                               lung auch auf Rentenbezieher, die schon nach der alten
Dann kann es nicht richtig sein, zwar die Hofabgabe-           Regelung (§ 21 Abs. 8 Satz 2 ALG) Gesellschafter einer
klausel zu streichen, die mit den landwirtschaftlichen         Landwirtschaft betreibenden Gesellschaft bürgerlichen
Nutzflächen erzielten Einkünfte aber als Hinzuverdienst        Rechts (GbR) bleiben durften. Deren Gewinnanteil wird
anzurechnen und auf diese Weise die ohnehin nur als            nun – sofern sie eine Rente wegen Erwerbsminderung
Teilsicherung angelegte Leistung noch zusätzlich zu ver-       beziehen – als Hinzuverdienst herangezogen. Die schon
ringern. Die vom BVerfG nahe gelegte „Gesamtschau mit          dem Grunde nach überaus fragwürdige Regelung greift
weiteren Einkünften des abgebenden landwirtschaftlichen        in diesen Fällen auch noch in bereits erworbene Rechte
Unternehmers“, um beurteilen zu können, ob zusammen            ein, jedenfalls, wenn man insoweit eine Aufhebung und
mit der Teilsicherungsrente ein angemessener Lebens-           Neuregelung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch
unterhalt sichergestellt werden kann [15], lässt sich in       (SGB X) (wegen einer wesentlichen Änderung der recht-
dem Gebot zusammenfassen, dem Leistungsempfänger               lichen Verhältnisse) für zulässig hält (dies soll hier nicht
solche Einkommensteile anrechnungsfrei zu belassen,            näher betrachtet werden).
die er benötigt, weil er allein mit der Rente seinen Lebens-
unterhalt nicht bestreiten kann. Zwar war Gegenstand
der Entscheidung die Hofabgabeklausel als Vorausset-           b)	Keine Betriebs- oder Haushaltshilfe für
zung für den Anspruch auf Altersrente (früher § 11 Abs. 1          weiter wirtschaftende Rentenbezieher
Nr. 3 ALG). Die Argumentation des BVerfG ist aber grund-
sätzlicher Art und deshalb auf andere Versicherungsfälle       Durch Art. 4a Nr. 3 des Qualifizierungschancengesetzes
übertragbar. Bezieherinnen und Bezieher einer Rente            ist § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ALG dahingehend ergänzt
wegen Erwerbsminderung müssen gleichermaßen in die             worden, dass nur „versicherte“ Landwirte Betriebs- oder
Lage versetzt werden, ihren Lebensunterhalt zu bestrei-        Haushaltshilfe erhalten können. Man wollte damit Ren-
ten. Auch bei ihnen darf es nicht dazu kommen, dass            tenbezieher, die nach Streichung der Hofabgabeklausel
Einnahmen, die sie zu ihrem Lebensunterhalt benötigen,         noch ein Unternehmen der Landwirtschaft bewirtschaften
zu einem vollständigen oder teilweisen Ruhen der ohne-         können, aus der Leistungsberechtigung herausnehmen.
hin nur eine Teilsicherung bewirkenden Rente wegen             Dieser Leistungsausschluss folgt aber bereits aus § 9 ALG
Erwerbsminderung führen.                                       i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch
                                                               (SGB VI). Der Änderung des § 10 Abs. 2 ALG hätte es
8   Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft   1/2 I 2019                                      Ende der Hofabgabeklausel

    somit nicht bedurft. Auch als Klarstellung (so die Begrün-   Doppelbuchst. aa Einkommenssteuergesetz (EStG)
    dung zu Art. 4a Nr. 3, BT-Drucksache 19/6146 S. 28) ist      für echte Leibrenten, Doppelbuchst. bb Satz 5 EStG
    sie wenig hilfreich, besteht doch die Gefahr, den Versi-     i. V. m. § 55 Einkommenssteuer-Durchführungsverord-
    chertenstatus unter Heranziehung der Definition des          nung (StDV) für abgekürzte Leibrenten). Ob solche
    § 36 Abs. 5 ALG zu eng zu ziehen und damit – über das        Unterschiede noch gerechtfertigt sind, erscheint höchst
    Regelungsziel hinausschießend – auch solchen Land-           fraglich.
    wirten die Leistung zu versagen, die gemäß § 3 ALG auf
    Antrag von der Versicherungspflicht befreit worden sind,
    aber aufgrund der zuvor zurückgelegten Versicherungs-
    zeiten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen          6       Zusammenfassung
    für die Grundleistungen zur medizinischen Rehabilitation
    erfüllen. [17]                                               Dringender Nachbesserungsbedarf besteht hinsichtlich
                                                                 der Regelungen über den Hinzuverdienst. Solange der
                                                                 Gesetzgeber an dem Teilsicherungskonzept der AdL
                                                                 festhält, muss er den Bezieherinnen und Beziehern von
    5	Befristung von Renten wegen                               Renten aus eigener Versicherung – auch solchen wegen
       Erwerbsminderung                                          Erwerbsminderung – die von ihnen benötigten zusätz-
                                                                 lichen Einkommensbestandteile auch anrechnungsfrei
    Auch unter Geltung der Hofabgabeklausel war der              belassen. Hierzu genügt es nicht, lediglich die Verschär-
    Entzug einer Rente wegen Erwerbsminderung mög-               fung des § 27a ALG rückgängig zu machen, d. h. die
    lich und geboten, wenn sich der Gesundheitszustand           Berücksichtigung landwirtschaftlichen Arbeitseinkom-
    besserte. Weil die Rentenantragsteller aber zuvor zur        mens wieder auszuschließen, oder wenigstens dahin
    Erfüllung der Hofabgabeklausel gezwungen waren,              gehend abzumildern, dass hierin enthaltene Verpach-
    sich endgültig von ihrer landwirtschaftlichen Erwerbs-       tungserlöse ausgesondert werden; [18] vielmehr sollten
    quelle zu trennen, bestand insoweit de facto eine            die §§ 27a und 27b ALG ersatzlos gestrichen werden.
    gewisse Zurückhaltung. Dies dürfte auch der Grund
    dafür gewesen sein, dass § 102 Abs. 2 SGB VI, der            Sinnvoll erscheint, den Anspruch auf Renten wegen
    die befristete Gewährung von Renten wegen vermin-            Erwerbsminderung, § 13 ALG, auf die Zeit bis zum Errei-
    derter Erwerbsfähigkeit anordnet, von der Verweisung         chen der Regelaltersgrenze zu beschränken und damit
    in § 30 Abs. 1 ALG ausgenommen war. Nur konse-               einen Gleichklang mit der gesetzlichen Rentenversi-
    quent erscheint es daher, dass der neue § 30 ALG auf         cherung herzustellen. [19] Jedenfalls ist dafür Sorge zu
    § 102 SGB VI in Gänze verweist, d. h. auch die LAK muss      tragen, dass die Renten wegen Erwerbsminderung in
    nunmehr solche Renten auf längstens drei (weitere) Jahre     der AdL und in der gesetzlichen Rentenversicherung ein-
    befristen, es sei denn, die Behebung der Minderung der       kommensteuersystematisch gleich behandelt werden.
    Erwerbsfähigkeit erscheint unwahrscheinlich oder die
    Rente war bereits für insgesamt neun Jahre befristet
    (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI).
                                                                 7       Ausblick
    Es bleibt aber dabei, dass in der gesetzlichen Renten-
    versicherung auch solche Renten wegen verminderter           Die AdL hat seit Jahrzehnten ein Akzeptanzproblem.
    Erwerbsfähigkeit, die nach § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB           Augenfällig wird es in der Anzahl der Befreiungen von
    VI „unbefristet“ zu leisten sind, spätestens mit Errei-      der Versicherungspflicht. Die Anzahl der aktiv versi-
    chen der Regelaltersgrenze enden (§ 43 Abs. 1 Satz           cherten Personen sinkt weiterhin kontinuierlich, zugleich
    1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI), während § 13 ALG eine           steigt die Zahl der befreiten Personen an. Ausweislich
    solche Begrenzung auch weiterhin nicht enthält. Auch         der Quartalsstatistik der LAK [20] ist die Zahl der ver-
    künftig bewirkt die Feststellung der Altersrente, § 44       sicherten Personen allein vom 30.06.2018 bis zum
    Abs. 1 ALG i. V. m. § 115 Abs. 3 SGB VI, in der AdL          30.06.2019 von 192.664 auf 183.521 zurückgegangen,
    keine „Umstellung“ der Rente, sondern das Hinzutre-          in demselben Zeitraum stieg die Zahl der auf Antrag
    ten eines weiteren Rentenanspruchs. Es bleibt somit          wegen des Bezuges außerlandwirtschaftlichen Erwerbs-
    auch dabei, dass § 27 Abs. 1 ALG die Leistung nur            einkommens befreiten Personen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1
    einer der beiden zusammen treffenden Renten anord-           ALG – nur Landwirte und Ehegatten) von 152.855 auf
    net. Renten wegen Erwerbsminderung nach § 13 ALG             155.731. Die weit verbreitete Neigung, jede Gelegenheit
    sind also weiterhin echte Leibrenten, sobald sie entspre-    zu nutzen, um dem Alterssicherungssystem den Rücken
    chend § 102 Abs. 2 SGB VI unbefristet geleistet werden,      zu kehren, scheint auch nach Streichung der Hofabga-
    während solche nach § 43 SGB VI in ihrer maximalen           beklausel ungebrochen. Die zutreffenden Hinweise auf
    Laufzeit beschränkt sind. Dies bewirkt auch Unter-           das im Vergleich zur gesetzlichen Rentenversicherung
    schiede in der Besteuerung (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a      um 10 Prozent günstigere Verhältnis zwischen Beitrag
Ende der Hofabgabeklausel                                             1/2 I 2019      Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft   9

und Rente, sichergestellt durch die Beitragsformel des      kein anderer Sozialleistungsträger eine so umfangreiche
§ 68 ALG, und auf die den besonderen Bedürfnissen           Expertise haben wie die LAK, was die Ermittlung der
landwirtschaftlicher Familienbetriebe entgegenkom-          Arbeitseinkommen gerade auch solcher landwirtschaft-
mende Leistung „Betriebs- und Haushaltshilfe“ scheinen      licher Unternehmer angeht, die keine Bücher führen,
ungehört zu verhallen; jedenfalls können sie Befreiungs-    sondern ihren Gewinn entweder überhaupt nicht oder
willige nur selten umstimmen.                               nach Durchschnittssätzen ermitteln (§ 13a EStG). [21]

In der Vergangenheit vermochten offenbar viele Versi-       Wegen der fortbestehenden Unterschiede im Leistungs-
cherte keinen rechten Sinn in einem Alterssicherungs-       katalog bleibt ein besseres Verhältnis zwischen Bei-
system zu erkennen, welches mit seinem Leistungsniveau      trags- und Rentenhöhe im Vergleich mit der gesetzlichen
nicht einmal zur Basissicherung taugt und mit der Hofab-    Rentenversicherung auch künftig legitim. Dies wiederum
gabeklausel hohe Hürden aufrichtete, die zu überwinden      setzt voraus, dass der Bund seiner Verantwortung für
waren, um in den Genuss einer äußerst bescheidenen          den gewollten und über Jahrzehnte u. a. mittels Hofab-
Rentenzahlung zu kommen.                                    gabeklausel forcierten Wandel der Agrarstruktur und
                                                            das daraus resultierende überaus ungünstige Verhältnis
Ob die Abschaffung der Hofabgabeklausel für mehr            zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern auch
Akzeptanz sorgt, bleibt abzuwarten. Die jüngsten            weiterhin nachkommt, indem er die sog. Defizithaftung,
Quartalsergebnisse stimmen skeptisch, denn sie doku-        § 78 ALG, übernimmt.
mentieren eine ungebremste Entwicklung bei den Befrei-
ungsanträgen. Verwundern kann dies nicht, denn der
entscheidende Nachteil bleibt: Die erwartbaren Renten-
höhen sind „zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“.       Ass. jur. Gerhard Zindel
Mit dem Konzept der Teilsicherung, in seinen Ursprün-
gen erdacht als Ergänzung familieninterner Altenteils-      Buchenweg 4
                                                            34270 Schauenburg
leistungen, können die Betroffenen anscheinend wenig
anfangen.

Das Konzept der Teilsicherung ist tatsächlich nur erklär-
bar vor dem Hintergrund, dass sich Rentenempfänger
von ihrem Unternehmen getrennt haben mussten und mit
den Gegenleistungen der Abgabe – in ihren unterschied-
lichsten Ausgestaltungen – zumindest über eine weitere
Säule der Alterssicherung verfügten. Mit dem Wegfall        Quellen
der Hofabgabeklausel ist also auch die Legitimation für
die Beschränkung des Sicherungsziels auf eine Teilsi-       [1] 	BGBl. I S. 2651.
cherung entfallen. Auch wenn die Erkenntnis schmerzen
mag, muss konstatiert werden, dass sich damit auch die      [2] 	Vgl. nur die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dien-
bisher als prägendes Alleinstellungsmerkmal stilisierte           ste des Dt. Bundestages vom 19.10.2018 „Die Verpflich-
Verbindung von Agrarsozial- und Agrarstrukturpolitik              tung zur Hofabgabe im Gesetz über die Alterssicherung
weitgehend erledigt hat.                                          der Landwirte - Folgen der aktuellen Rechtsprechung
                                                                  des Bundesverfassungsgerichts“, WD 6 - 3000 - 095/18.
Damit der Wegfall der Hofabgabeklausel weder den
„Anfang vom Ende“, noch ein „Weiter so“ mit fortschrei-     [3] 	Mehl, SdL 2013 Heft 1, S. 5; Schmidt/Sunder/Fleuth/
tendem Bedeutungsverlust, sondern vielmehr einen Neu-             Liebscher, SdL 2013 Heft 1 S. 46; treffend auch
beginn markiert, muss sich die AdL von den überholten             Wikipedia, abgerufen am 03.07.2019 unter https://
Narrativen trennen und ihren Platz neu definieren. Wenn           de.wikipedia.org/wiki/Alterssicherung _der_Landwirte,
das Konzept der Teilsicherung keine Zukunft hat, kann es          unter „Agrarstrukturelle Zielsetzung“: „Die Alterssiche-
nur durch eine vollwertige Alterssicherung mit einkom-            rung der Landwirte wird erheblich durch staatliche Mittel
mensabhängigen Beiträgen und Renten abgelöst werden.              gefördert. Als Ausgleich hierfür sind mit der Alterssi-
Dann hätten auch die Regelungen zum Hinzuverdienst                cherung der Landwirte agrarstrukturelle Zielsetzungen
(§§ 27a und b ALG) wieder ihre Berechtigung. Eines                verbunden, indem die Landwirte gezwungen wurden,
Zuschusses zum Beitrag (§§ 32 ff. ALG) bedürfte es dann           ihren Betrieb aufzugeben. Das vordringliche Ziel ist
nicht mehr. Der Beitragszuschuss ist zwar rechtssyste-            die Hofübergabe bzw. Hofabgabe bei Erreichen des
matisch eine Sozialleistung, faktisch und wirtschaftlich          Rentenalters; die Übergabe an die Nachfolgegenera-
betrachtet kommt er aber einem einkommensabhängigen               tion soll dadurch befördert werden. Daher wurde sie
Beitrag schon recht nahe. Aufgrund der mit der Anwen-             als Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung einer
dung der §§ 32 ff. ALG erworbenen Erfahrungen dürfte              Altersrente festgelegt. Dies führt neben der Hofüber-
10   Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft   1/2 I 2019                                    ALG nach Ende der Hofabgabeklausel

           gabe jedoch auch zu einer Hofkonzentration durch Ver-      [18] 	Etwa durch pauschale Ermittlung des Verpachtungser-
           pachtung frei werdender Nutzflächen an Landwirte, die             lösanteils im Verhältnis der weiter bewirtschafteten zu
           nicht Hofnachfolger sind, weil z. B. keine Hofnachfolger          den verpachteten Flächen.
           vorhanden sind. Damit trägt diese Vorschrift zum Struk-
           turwandel in der Landwirtschaft bei: Kleine Betriebe       [19] Vgl. § 43 SGB VI.
           verschwinden, große Betriebe vergrößern sich.“
                                                                      [20] 	https://www.svlfg.de/quartal-adl, aufgerufen am
     [4] 	Vgl. nur Maydell / Boecken, Weiterentwicklung des                 06.11.2019.
           landwirtschaftlichen Sozialrechts, Schriftenreihe des
           Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und          [21] 	Insoweit nimmt die Deutsche Rentenversicherung gern
           Forsten, Reihe A: Angewandte Wissenschaft, Heft 352,              die Amtshilfe der LAK in Anspruch, vgl. § 15 Abs. 2
           Münster-Hiltrup 1988, Zusammenfassung auf S. 382 ff.              SGB IV i. V. m. § 32 Abs. 6 ALG.

     [5] 	Schmidt/Sunder/Fleuth/Liebscher, SdL 2013 Heft 1
           S. 46, 47 ff.

     [6] 	AuR 12/2018, S. 460 ff.; Juris; BVerfG, Beschluss des
           Ersten Senats vom 23. Mai 2018 - 1 BvR 97/14, http://
           www.bverfg.de/e/rs20180523_1bvr009714.html.

     [7] 	Wörtlich (AuR 12/2018, S. 467; in den anderen Ver-
           öffentlichungen Rz. 109): „§ 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG wird
           insgesamt für unanwendbar erklärt, weil es dem Gesetz-
           geber obliegt, die Fälle einer Unzumutbarkeit der Hofab-
           gabe näher zu bestimmen. § 11 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ALG
           bleiben hingegen weiter anwendbar. Von einer Nichtiger-
           klärung (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG) wird abgesehen,
           weil der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat,
           die Verfassungswidrigkeit zu beheben.“

     [8] 	Näheres zu der sog. Anwendungssperre als Rechtsfolge
           der Erklärung der Regelung für unanwendbar sh. Büntig,
           AuR 12/2018, S. 468, 469 f.

     [9]   Büntig, a. a. O. S. 470 f.

     [10] 	AuR 12/2018, S. 467; in den anderen Veröffentlichungen
            Rz. 101.

     [11] Büntig a. a. O. S. 470.

     [12] 	Agra-Europe (Presse- und Informationsdiest), Nr.
            40/2018 „Mortler auf Distanz zur Hofabgabeklausel“.

     [13] 	Kritisch hinsichtlich der Anrechnung von Arbeitseinkom-
            men auf die als Teilsicherung angelegten Renten an
            Hinterbliebene schon Zindel, SdL 3/1997, S. 188, 192.

     [14] 	AuR 12/2018, Leitsatz 2 (S. 460) und aus den Gründen
            (S. 466 f); in den anderen Veröffentlichungen sh. Rz.
            100.

     [15] 	Ebd.

     [16] Zindel in HzS/Sehnert/Zindel Gruppe 5a Rz. 404/1.

     [17] 	Ebd. Rz. 247.
Neuregelungen in der AdL                                                   1/2 I 2019   Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft   11

Zu den Neuregelungen in der Alterssicherung der Landwirte (AdL) nach
Abschaffung der Hofabgabeverpflichtung

Ass. jur. Sabine Büntig, Matthias Ahmann

Der Beitrag befasst sich mit der rechtlichen und tatsächlichen Situation der Landwirtschaftlichen Alterskasse nach
dem sog. Hofabgabebeschluss des Bundesverfassungsgerichtes. Er zeigt auf, dass die Verpflichtung zur Hofabgabe
zwar ein für das Gesamtkonzept der Alterssicherung der Landwirte wesentlicher Tatbestand war, jedoch ihr Wegfall
nicht geeignet war und ist, an dem System der eigenständigen agrarsozialen Sicherung zu zweifeln. Die im Beitrag
aufgezeigten gesetzlichen Fortentwicklungen zeigen auch, dass die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten
und Gartenbau (SVLFG) hinsichtlich der ausgesetzten Entscheidungen zwischen Verfassungsgerichtsbeschluss und
Neuregelung besonnen und professionell gearbeitet hat.

1	Die Situation der Landwirtschaftli-                            betreffende Vorschriften auch inhaltlich anzupassen. Das
   chen Alterskasse (LAK) nach dem                                Abgabeerfordernis war Teil eines Gesamtkonzepts der
   Beschluss des Bundesverfassungs-                               Landwirtschaftlichen Sozialversicherung und hatte Aus-
   gerichts                                                       wirkung auf weitere sozialpolitische Entscheidungen des
                                                                  Gesetzgebers bzw. gesetzliche Regelungen mit Steue-
Das Bundesverfassungsgericht hat durch einen am                   rungswirkung. Insbesondere stellte sich die agrarstruk-
09.08.2018 veröffentlichten Beschluss die Hofabgabe-              turelle Frage, wie zukünftig die Hofabgabe gefördert
verpflichtung als Voraussetzung für den Bezug einer               werden kann, um insbesondere den Übergang an die
Altersrente in der Alterssicherung der Landwirte für ver-         Folgegenerationen sicherzustellen. [3] Dabei war auch
fassungswidrig erklärt. Es hatte dem Gesetzgeber ins-             darüber zu befinden, was seitens der Verwaltung abzu-
besondere aufgegeben, die Regelungen im Hinblick auf              warten blieb: ob angesichts des Wegfalls der Hofabgabe
die sukzessive eingeführten Ausnahmetatbestände von               und des steigenden Leistungsaufwandes eine Änderung
der Hofabgabepflicht zu überarbeiten, die dazu führten,           im Hinblick auf den Beitrag zur AdL (§ 68 ALG) oder eine
dass nur noch eine Teilgruppe der in der AdL Versicher-           Senkung des Alterskassen (AK)-Rentenniveaus ange-
ten von der Hofabgabepflicht betroffen war, ohne dass             zeigt ist. Die Abschaffung der Hofabgabepflicht hatte
es dafür einen sachlichen Grund gegeben hätte. Auch               letztlich nicht nur Auswirkungen auf den Rentenbezug,
war der Gesetzgeber aufgefordert, Härtefallregelungen             sondern auch auf die Voraussetzungen zur Versiche-
für Sachverhalte einzuführen, bei denen die Rente nach            rungs-/ Beitragspflicht (sh. unter 2.1), auf die Leistungen
Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens nicht                zur Teilhabe bzw. ergänzenden Leistungen wie Betriebs-
ausreichte, den Lebensunterhalt zu bestreiten.                    und Haushaltshilfe (sh. unter 2.2) und auf die Frage der
                                                                  rückwirkenden Verzinsung von Rentennachzahlungen
Der Gesetzgeber hat sich daraufhin mit dem Gesetz                 im Zusammenhang mit der Hofabgabeverpflichtung
zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für               (sh. unter 2.3).
mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifi-
zierungschancengesetz) [1] in Ausübung seines weiten              Wenig hilfreich waren angesichts einer so folgenrei-
gesetzgeberischen Ermessens dazu entschlossen,                    chen Entscheidung, dass die die Gesetze ausführende
die beanstandeten Regelungen zur sog. Hofabgabe-                  Behörde nahezu zeitgleich mit der Öffentlichkeit von der
klausel als Rentenanspruchsvoraussetzung rückwir-                 Beschlussfassung des BVerfG [4] über eine Presse-
kend zum 09.08.2018 abzuschaffen. Die ebenfalls vom               erklärung Kenntnis erhielt, nachdem die Entscheidung
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beanstandeten                   des hohen Gerichts bereits über zwei Monate fest stand.
Ausnahmeregelungen zur sogenannten Ehegatten-                     Zeit, die die Verwaltung in die Lage versetzt hätte, die
abgabe gemäß § 21 Abs. 9 ALG a. F. wieder rückgän-                für die sofort umzusetzende Entscheidung notwendigen
gig zu machen, war genauso wenig eine realistische                aufsichtsrechtlichen Abstimmungen vorzunehmen und
Option, wie die Einführung einer verwaltungsauf-                  Arbeitsabläufe in der Sachbearbeitung anzupassen.
wändigen Bedürftigkeitsprüfung etwa im Sinne des                  Eine mündliche Verhandlung hatte nicht stattgefunden.
SGB II. Trotz dieser sich relativ zeitig eingestellten Erkennt-   Die Unanwendbarerklärung der beanstandeten Vor-
nis war es mit der bloßen Streichung des Abgabeerfor-             schrift ohne Weitergeltungsanordnung war dabei für alle
dernisses nicht getan. [2] Es galt nicht nur Regelungen           Beteiligten höchst problematisch. [5]
des Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG)
rein redaktionell zu überarbeiten, sondern vielmehr
waren gesetzliche, den Verbundträger SVLFG insgesamt
12   Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft   1/2 I 2019                                         Neuregelungen in der AdL

     2         ie Änderungen des Qualifizierungs-
              D                                                     Erreichen der Regelaltersgrenze in der „Unternehmer-
              chancengesetzes sowie Fragen der                      krankenversicherung“ als sog. Aktive bleiben werden.
              Umsetzung und Weiterentwicklung                       Da zudem lebensältere Mitglieder regelmäßig im stärke-
                                                                    ren Maße Leistungen in Anspruch nehmen müssen, wird
     Mit den neuen gesetzlichen Regelungen wurde im Wei-            die Solidargemeinschaft der Landwirtschaftlichen Kran-
     teren ein Ruhen von Renten wegen Flächenhinzunahme             kenkasse (LKK) mit diesen Kosten nun mehr belastet als
     oberhalb des bislang zulässigen Rückbehalts nicht mehr         vor der Neuregelung zum Wegfall der Hofabgabepflicht.
     vorgesehen und entschieden, dass Witwen- sowie Wai-            Dagegen tritt eine Entlastung des Bundes ein, da diese
     senrentenbezieher selbst Landwirte bzw. Landwirtinnen          Gruppe der aktiv als Unternehmer Versicherten trotz des
     sein können. Flankierend hierzu wurden auch die Vor-           Altersrentenbezugs nicht der Gruppe der sog. Altenteiler
     schriften des Gesetzes zur Förderung der Einstellung           zugeordnet wird.
     der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) an
     das Entfallen der Hofabgabepflicht angepasst. Wegen            Der Gesetzgeber hat daher den Solidarbeitrag nach
     der Verschiebung der Leistungsverantwortung und damit          § 38 Abs. 4 KVLG 1989 - wie folgt - gesenkt:
     erhöhten Gesundheitskosten für weiterbewirtschaftende
     Altersrentner in die landwirtschaftliche Krankenversi-         2019: 76 Mio. Euro
     cherung (LKV) wird nun der Solidarzuschlag der aktiven         2020: 71 Mio. Euro
     Beitragszahler in den Jahren 2019 bis 2022 sukzessive          2021: 65 Mio. Euro
     abgeschmolzen. Es wurden Hinzuverdienstregelungen              2022: 59 Mio. Euro
     eingeführt, der sogenannte Abgabezuschlag des § 23
     Abs. 7 ALG a. F. abgeschafft und Vertrauensschutzre-           Insgesamt wurde damit über diese vier Jahre eine Sen-
     gelungen getroffen.                                            kung des Solidarbeitrages um 69 Mio. Euro vorgenom-
                                                                    men.

     2.1	Zu den wesentlichen Änderungen im                         Zu § 2 ALG n. F. - Versicherungsfreiheit
          Einzelnen
                                                                    Die nach § 1 ALG bestehende Versicherungspflicht
     Zu § 38 Abs. 4 Zweites Gesetz über die Kranken-                endet mit Unterschreiten der Mindestgröße nach § 1
     versicherung der Landwirte (KVLG 1989) n. F.                   Abs. 5 ALG, mit Erreichen der Regelaltersgrenze nach
     – Solidarbeitrag in der landwirtschaftlichen Kran-             § 2 Nr. 1 Buchst. a ALG oder mit dem Tod. Der Bezug
     kenversicherung                                                einer vorzeitigen Altersrente oder einer Renten wegen
                                                                    Erwerbsminderung führt jedoch zur Versicherungsfrei-
     Auf die Beurteilung der Versicherungspflicht als landwirt-     heit in der AdL gem. § 2 Nr. 1 Buchst. c ALG n. F.
     schaftlicher Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989),
     LAK-Rentenbezieher (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989) oder           Wegen des Wegfalls des Hofabgabeerfordernisses tritt
     Rentenantragsteller (§ 23 Abs. 1 KVLG 1989) hatte der          die Versicherungsfreiheit bereits bei Bezug einer Rente
     Wegfall der Hofabgabeverpflichtung zunächst keinerlei          aus eigener Versicherung ein, um nicht noch zusätzliche
     Auswirkung. Solange das landwirtschaftliche Unterneh-          Anreize zu schaffen, das Unternehmen trotz Renten-
     men die Mindestgröße nach § 1 Abs. 5 ALG erreicht,             bezugs weiter zu bewirtschaften. Soweit eine Regelal-
     bleibt es bei der Versicherungspflicht als landwirtschaft-     tersrente bezogen wird, folgt die Versicherungsfreiheit
     licher Unternehmer (sog. Aktiver). [6] Die Versicherungs-      bereits aus der Nummer 1 Buchst a.
     pflicht als Rentner (sog. Altenteiler) nach § 2 Abs. 1 Nr. 4
     und 5 KVLG 1989 greift erst nach Unterschreiten der            Zu § 23 Abs. 2 Satz 5 und Abs. 7 ALG n. F. – Berech-
     Mindestgröße.                                                  nung der Rente

     Die Aufwendungen für die sog. Altenteiler in der LKV           Bei Renten an mitarbeitende Familienangehörige oder
     werden grundsätzlich vom Bund getragen, soweit sie             deren Hinterbliebene werden die mit Beiträgen als Land-
     nicht durch die (geringen) Beiträge dieser Mitglieder          wirte belegten Kalendermonate nun berücksichtigt. Da
     finanziert werden. Ausgenommen sind jedoch die Ver-            mit dem Wegfall des Hofabgabeerfordernisses als Ren-
     waltungskosten und der sog. Solidarbeitrag. Die vollstän-      tenvoraussetzung ein Rentenbezug mit Erreichen der
     digen Verwaltungskosten und der Solidarbeitrag sind            Regelaltersgrenze zukünftig möglich ist, wurde über-
     von den Unternehmern und Freiwilligen zu tragen. [7]           dies ein Rentenzuschlag bei späterer Inanspruchnahme
                                                                    der Regelaltersrente zukünftig für entbehrlich gehalten.
     Für das Jahr 2019 war die Höhe des Solidarbeitrages            Damit ist allerdings nun auch keine Erhöhung der Rente
     bereits auf 85 Mio. Euro festgesetzt. Infolge des Weg-         wegen des späteren Bezuges aus anderen Gründen
     falls der Hofabgabevoraussetzungen in der AdL war zu           mehr möglich, wie dies in der allgemeinen gesetzlichen
     berücksichtigen, dass mehr Unternehmer auch nach               Rentenversicherung nach wie vor der Fall ist (vgl. § 77
Neuregelungen in der AdL                                            1/2 I 2019   Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft   13

Abs. 2 Nr. 2b Sechstes Sozialgesetzbuch -SGB VI-, zur       bei Renten wegen Erwerbsminderung und bei vorzeiti-
Erhöhung des Zugangsfaktors wegen späterer Inan-            gen Altersrenten das Arbeitseinkommen aus Land- und
spruchnahme einer Altersrente [8]). In der Gesamtschau      Forstwirtschaft als Hinzuverdienst berücksichtigt. Nach
ist dies jedoch wegen des mit dem Hofabgabeerforder-        § 15 Abs. 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach
nis einhergehenden Ausgabenanstiegs in dem weiterhin        den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des
als Teilsicherungsystem ausgestalteten Rentensystems        Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer
gerechtfertigt.                                             selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeits-
                                                            einkommen zu werten, wenn es als solches nach dem
Zu § 27a ALG n. F. – Hinzuverdienst bei Erwerbs-            Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Pachteinnah-
minderungsrentenbezug (EM-Rentenbezug)                      men werden als Arbeitseinkommen berücksichtigt,
                                                            wenn sie steuerrechtlich zu den Einkünften aus Land-
Das Hofabgabeerfordernis wurde auch für Erwerbsmin-         und Forstwirtschaft zugeordnet werden. Bei Landwir-
derungsrenten (EM-Renten) aufgegeben, welche vom            ten, deren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach
Tenor des Verfassungsgerichtsbeschlusses nicht erfasst      § 13a Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt wird,
waren. Damit können nun Einnahmen aus der aktiven           ist als Arbeitseinkommen der sich aus § 32 Abs. 6 ALG
Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Unterneh-        ergebende Wert anzusetzen (§ 15 Abs. 2 SGB IV).
mens erzielt werden. Diese Einnahmen sind jedoch
anrechenbar. Es ist eine Anrechnung von Einkommen           Zu § 30 ALG – Befristung EM-Renten
aus Land- und Forstwirtschaft vorzunehmen, wenn
der Rentenbezieher Landwirt ist. Dagegen erfolgt wie        Wegen des Wegfalls des Hofabgabeerfordernisses als
bisher keine Anrechnung, wenn trotz Aufgabe der akti-       Rentenvoraussetzung sollen Renten wegen Erwerbs-
ven Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Unter-       minderung – wie in der gesetzlichen Rentenversicherung
nehmens lediglich steuerlich Einnahmen aus Land- und        – künftig im Regelfall befristet bewilligt werden. Daher
Forstwirtschaft bezogen werden.                             soll auch § 102 Abs. 2 SGB VI entsprechend Anwen-
                                                            dung finden. Auf § 102 SGB VI wird nun insgesamt
Da § 27a ALG erst ab 01.01.2019 in der neuen Fassung        verwiesen. Hintergrund hierfür ist auch, dass die EM-
anwendbar ist, kann es infolge des rückwirkenden Weg-       Rente nicht wie in der Gesetzlichen Rentenversicherung
falles der Hofabgabeverpflichtung dazu kommen, dass         (GRV) automatisch mit Erreichen der Regelaltersgrenze
Einkommen aus Land und Forstwirtschaft ggf. für wenige      endet. Für eine Regelaltersrente in der AdL ist eine War-
Monate nicht anzurechnen ist.                               tezeit von 15 Jahren zu erfüllen. Bei der Rente wegen
                                                            Erwerbsminderung ist dagegen nur eine Wartezeit von
Zu § 27b ALG n. F. – Hinzuverdienst bei vorzeitiger         fünf Jahren zu erfüllen. Die zunächst befristet zu gewäh-
Altersrente                                                 rende EM-Rente kann auch über die Regelaltersgrenze
                                                            hinaus gewährt und ggf. in eine unbefristete EM-Rente
Mit der Änderung wird auch für vorzeitige Altersrenten      umgestellt werden. Eine Dauerrente kommt nur im Aus-
– wie in der gesetzlichen Rentenversicherung – eine Hin-    nahmefall in Betracht. Bei der erstmaligen Bewilligung
zuverdienstgrenze eingeführt. Hierzu ist die Vertrauens-    der Zeitrente darf die Befristung für längstens drei Jahre
schutzregelung in § 106 Abs. 8 ALG n. F. zu beachten,       erfolgen.
wonach keine Hinzuverdienstanrechnung vorzunehmen
ist, wenn der Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente      Renten, auf die unabhängig von der jeweiligen Arbeits-
am 31.12.2018 bestand. Dieser für vorzeitige Altersren-     marktlage ein Anspruch besteht, können von Beginn an
ten aufgenommene Bestandsschutz ist nicht auf EM-           unbefristet nur dann geleistet werden, wenn unwahr-
Rentenbezieher auszudehnen. Die Regelung hat der            scheinlich ist, dass die Leistungsminderung behoben
Gesetzgeber bewusst nur für die vorzeitigen Altersren-      werden kann.
ten wegen der erstmaligen Einführung von Hinzuver-
dienstregelungen aufgenommen. Die Interessenlage            Besteht neben einer Rente wegen Erwerbsminderung
bzw. Schutzbedürftigkeit ist insoweit nicht vergleichbar,   auch ein Anspruch auf eine Regelaltersrente, wird nach
denn § 27a ALG in der bisherigen Fassung berücksich-        § 27 Abs. 1 ALG die für den Versicherten günstigere
tigte das Hofabgabeerfordernis, das nun weggefallen ist.    Rente geleistet.
Für diesen Wegfall muss sich derjenige, der nicht abge-
ben will oder kann und aus der aktiven Bewirtschaftung      Zu § 38 Abs. 4 ALG – Überbrückungsgeld bei Tod
Einkommen erzielt, dieses auch anrechnen lassen.            versicherter Landwirte

Die Vorschriften der §§ 27a und b ALG n. F. nehmen          Bisher konnte entweder Überbrückungsgeld bei Weiter-
keine Unterscheidung zwischen „aktiver“ oder „passi-        bewirtschaftung des Unternehmens bezogen werden
ver“ Bewirtschaftung vor. Wenn der Rentenbezieher           oder eine Witwen- oder Witwerrente bei Unternehmens-
noch Landwirt nach § 1 Abs. 2 oder 3 ALG ist, wird          aufgabe. Da künftig Renten auch ohne Unternehmens-
14   Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft   1/2 I 2019                                      Neuregelungen in der AdL

     aufgabe gezahlt werden können, soll die geänderte           ist es vorbehaltlich der weiteren genannten Vorausset-
     Regelung (Ruhen des Anspruchs auf Überbrückungs-            zungen seit der Vorgängervorschrift des § 1236 RVO
     geld) verhindern, dass es zu Doppelleistungen (Rente        a. F. für die Versicherteneigenschaft des Antragstellers
     und Überbrückungsgeld) kommt.                               ausreichend, dass mindestens ein wirksamer Renten-
                                                                 versicherungsbeitrag entrichtet worden ist. [9]
     Als einzige in diesem Zusammenhang aufgenommene
     Konkurrenzregelung bestimmt § 38 Abs. 4 ALG in der          § 36 ALG regelt dagegen spezialgesetzlich Leistungs-
     Fassung des Qualifizierungschancengesetzes, dass der        fälle mit eingeschränkten Voraussetzungen. Aus der
     Anspruch auf Überbrückungsgeld ruht, wenn Betriebs-         Formulierung des § 36 Abs. 5 ALG kann überdies
     und Haushaltshilfe (BHH) oder Witwenrente bezogen           geschlossen werden, dass – hätte der Gesetzgeber für
     wird. Die Regelung gibt keinen Hinweis darauf, dass BHH     § 10 Abs. 2 ALG n. F. eine entsprechende Änderung (nur
     statt Hinterbliebenenrente oder umgekehrt zu gewähren       aktiv pflichtversicherte Landwirte als Ausnahme vom
     ist. Weitergehende Konkurrenzregelungen wurden nicht        Grundsatz) gewollt – er dies ebenso eindeutig hätte aus-
     aufgenommen.                                                drücken müssen. Im Hinblick auf die Gesetzesbegrün-
                                                                 dung hat er dies jedoch auch nicht beabsichtigt.
     Die parallele Gewährung von Hinterbliebenenrenten und
     BHH ist im Hinblick auf die weitere Versicherungspflicht    b) Rückwirkendes Zusammentreffen von Rente und
     und Beitragszahlung der Hinterbliebenen (Äquivalenz-           BHH-Leistungen infolge der Übergangsregelung
     prinzip) auch sachgerecht, um dem Hinterbliebenen die          in § 94 Abs. 2a ALG
     aktive Weiterführung des Unternehmens zu ermögli-
     chen.                                                       Nach Wegfall des Hofabgabeerfordernisses waren nach
                                                                 bereits geltendem Recht bestandskräftige nicht begün-
                                                                 stigende Bescheide über die Bewilligung von Altersrente
     2.2	Die Auswirkungen auf die Leistungen der                und vorzeitiger Altersrente nach Maßgabe von § 30 Abs. 1
          Teilhabe und ergänzende Leistungen                     ALG i. V. m. § 100 Abs. 4 SGB VI mit Wirkung ab
                                                                 01.09.2018 neu zu bescheiden.
     a) Zu § 10 ALG n. F. - Betriebshilfe nur an
         „versicherte Landwirte“                                 Offene Verfahren werden nach § 94 Abs. 1 ALG nach
                                                                 neuem Recht – das heißt ohne das Hofabgabeerforder-
     Neu hinzugefügt wurde in § 10 Abs. 2 ALG, dass Betriebs-    nis – entschieden. Der neu eingefügte Abs. 2a dient der
     hilfe nur an „versicherte“ Landwirte erbracht werden        Gleichbehandlung von Personen, deren Rentenantrag
     kann. Dies ist klarstellend zu dem ohnehin nach § 9 ALG     wegen fehlender Hofabgabe abgelehnt wurde und den
     i. V. m. § 12 SGB VI geltenden Leistungsausschlusses        Personen, die wegen fehlender Hofabgabe in der Ver-
     für Bezieher einer Altersrente gedacht, wonach an diese     gangenheit keinen Rentenantrag gestellt haben. Durch
     auch bei Weiterbewirtschaftung des landwirtschaftlichen     die Änderung wurde auch für die letztere Personen-
     Unternehmens keine Betriebs- und Haushaltshilfe zu          gruppe – abweichend von den allgemeinen Vorschriften
     erbringen ist.                                              zum Rentenbeginn – bei Vorliegen der Voraussetzungen
                                                                 ein Rentenbeginn schon ab dem 01.09.2018 ermöglicht,
     Mit der Änderung des Wortlautes ist durch die Aufnahme      wenn der Rentenantrag bis zum 31.03.2019 gestellt
     des Tatbestands „versicherter Landwirt“ keine Änderung      wurde und am 01.01.2019 alle Rentenvoraussetzungen,
     der bislang geltenden Rechtslage gewollt. Insbesondere      mit Ausnahme der Abgabe des landwirtschaftlichen
     soll hierdurch keine Einschränkung des Anspruchs auf        Unternehmens erfüllt waren.
     BHH auf lediglich „aktiv“ versicherte Landwirte vorge-
     nommen werden. Allein Rentenbezieher sind (weiterhin)       Beim Zusammentreffen einer rückwirkenden Rentenbe-
     ausdrücklich ausgenommen. Dies ergibt sich sowohl           willigung aufgrund dieser Vorschrift mit bereits erbrach-
     aus der Gesetzesbegründung, Historie als auch aus           ten oder eingeleiteten Leistungen zur Teilhabe und dazu
     der systematischen Stellung des § 10 ALG im zweiten         ergänzender Leistungen – wie BHH – ergaben sich
     Kapitel, erster Abschnitt, der in direkter Beziehung zu     aufgrund der Übergangsregelung weitere Verfahrens-
     § 8 ALG und nicht in direktem Bezug zum § 36 ALG im         fragen, für die im Folgenden eine mögliche Beurteilung
     dritten Abschnitt steht.                                    dargestellt werden soll:

     Gemäß § 8 Abs. 1 ALG haben Anspruch auf Leistun-            ■ Sind in der Übergangszeit vom 01.09.2018 bis
     gen zur Teilhabe die aktiv (versicherungspflichtige und        31.03.2019 wegen Arbeitsunfähigkeit nach § 36 ALG
     freiwillig Versicherte) und sog. passiv Versicherten, die      erbrachte BHH-Leistungen bei rückwirkendem Renten-
     die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraus-          beginn nach § 30 ALG i. V. m. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB
     setzungen nach § 11 SGB VI (gilt ausdrücklich entspre-         VI, § 94 Abs. 2a ALG einer vorzeitigen Altersrente und
     chend) erfüllen. Für die Anwendung des § 11 SGB VI             Regelaltersrente sowie EM-Rente zurückzufordern?
Neuregelungen in der AdL                                            1/2 I 2019   Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft   15

Voraussetzung für die Leistungserbringung nach § 36         freiheit führenden Sachverhaltes bereits (abschließend)
Abs. 5 ALG ist im Gegensatz zu den Leistungen nach          geleistet wurde.
§ 10 Abs. 2 ALG, dass der Antragsteller im Zeitpunkt
der Antragstellung bzw. des Leistungsbeginns, wenn ein      Bei Verlängerungstatbeständen über den Grundan-
Antrag nicht gestellt wurde, aktiv versicherter Landwirt    spruch hinaus (z. B. langen stationären Aufenthalten), die
sein muss. Mit Abschaffung der Hofabgabepflicht als         eine erneute Antragstellung bzw. einen Verlängerungs-
Rentenzugangsvoraussetzung tritt auch bei Weiterbe-         antrag auf Betriebshilfe erforderlich machen, ist eine
wirtschaftung des Unternehmens und einer Rentenan-          Rentenantragstellung jedoch entsprechend zu berück-
tragstellung bis 31.03.2019 rückwirkend (grundsätzlich      sichtigen, denn die Voraussetzungen des § 36 ALG
frühestens ab 01.09.2018) bei vorzeitigem Renten- oder      sind gem. Abs. 5, 1. Alt. im Zeitpunkt der Antragstellung
EM-Rentenbezug Versicherungsfreiheit in der AdL ein.        (erneut) zu prüfen.
Somit bestand rückwirkend betrachtet kein Anspruch auf
BHH, weil der Landwirt kein aktiv versicherter Landwirt     ■ Sind in der Übergangszeit vom 01.09.2018 bis
mehr ist. Der Landwirt hat allerdings zu keinem Zeitpunkt      31.03.2019 nach § 10 Abs. 1 i. V. m. 2 ALG ergänzend
falsche Angaben gemacht.                                       erbrachte BHH-Leistungen bei rückwirkendem Ren-
                                                               tenbeginn nach § 30 ALG i. V. m. § 99 Abs. 1 Satz 1
§ 45 SGB X findet für eine Rücknahme der Leistungs-            SGB VI, § 94 Abs. 2a ALG einer vorzeitigen Alters-
entscheidung keine Anwendung, weil der Bewilligungs-           rente oder Regelaltersrente zurückzufordern?
bescheid über die BHH zum Zeitpunkt des Erlasses nicht
rechtswidrig war.                                           Bei Leistungen nach § 10 ALG teilt die ergänzende
                                                            BHH-Leistung das Schicksal der Reha-Hauptleistung.
Auch eine Aufhebung der Leistungsentscheidung wegen         Im Grundsatz gilt für Altersrentenbezieher auch hier,
(nachträglicher) Änderung der Verhältnisse kommt nicht      dass mit Bezug oder der (begründeten) Beantragung
in Betracht, weil eine Aufhebung nach § 48 SGB X, der       einer Altersrente kein Anspruch auf Leistungen nach
eine reine Verfahrensvorschrift darstellt, die Wertung      § 10 Abs. 1 und 2 ALG besteht, denn gem. § 9 ALG i. V. m.
des Gesetzgebers im § 45 SGB X (Vertrauensschutz)           § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI sind Leistungen der Teilhabe für
umgehen würde. Sowohl die Tatsache, dass der Gesetz-        diese Fälle ausgeschlossen.
geber mit dem Qualifizierungschancengesetz keine dies-
bezüglichen materiell-rechtlichen Regelungen getroffen      Maßgeblich ist für die Beurteilung einer etwaigen Rück-
hat, als auch der Wortlaut des § 36 Abs. 5 ALG, wonach      forderung bzw. die Anmeldung von Erstattungsan-
die aktive Versicherungspflicht im Zeitpunkt der Antrag-    sprüchen der Zeitpunkt, zu dem der Ausschlussgrund
stellung bzw. des Leistungsbeginns vorgelegen haben         festgestellt wird. Damit ergeben sich folgende Differen-
muss, sprechen für ein Abstellen auf das Vorliegen der      zierungen:
Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt. Diese ex ante
zu bestimmende Tatsache wird durch einen rückwirken-        (1) D
                                                                 er (begründete) Rentenantrag/die Rentenlei-
den Entfall der Versicherungspflicht nicht berührt, denn        stung (Ausschlussgrund) wird vor dem Antrag
der Bewilligungsbescheid war bei seinem Erlass gerade           über Rehabilitationsleistungen und dessen
nicht rechtswidrig.                                             Bewilligung/Durchführung gestellt/festgestellt.

Mithin ist anzunehmen, dass die im Übergangszeitraum        Die Rentenantragstellung ist grundsätzlich im Rahmen
vom 01.09.2018 bis 31.03.2019 erbrachten BHH-Lei-           der Leistungsbewilligung als Ausschlussgrund zu
stungen dem bei Antragstellung aktiv Versicherten nach      berücksichtigen. Der Versicherte kann/konnte durch
dem Willen des Gesetzgebers verbleiben sollten. Wegen       Rücknahme seines Rentenantrags innerhalb der Rechts-
§ 26 Abs. 2 SGB IV sind Beiträge für die Zeit des gleich-   behelfsfrist bewirken, dass die Entscheidung der LAK
zeitigen Rentenbezugs und der Leistungserbringung           über die Rentenbewilligung nicht rechtskräftig wird und
nach § 36 ALG nicht zu erstatten.                           damit kein Leistungsausschluss mehr besteht und den
                                                            späteren Rentenbeginn bestimmen (§ 44 Abs. 1 ALG
Für die Zukunft gilt, dass altersrentennahe Jahrgänge       i. V. m. § 115 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).
und bereits erwerbsgeminderte Versicherte grundsätz-
lich gem. § 44 Abs. 2 ALG auf ihre Gestaltungsrechte        Es ist jedoch i. d. R. davon auszugehen, dass der Antrag
hinzuweisen sind.                                           auf Rehabilitationsleistungen unter Beachtung von
                                                            § 14 SGB IX an den zuständigen Rehabilitationsträger
Regelmäßig wird im Zeitpunkt der Antragstellung jedoch      (Krankenkasse) weitergeleitet wird/wurde.
Versicherungspflicht in der AdL bestanden haben,
sodass aufgrund des § 36 Abs. 5 ALG zu leisten ist und
im Regelfall auch bei Erkennen des zur Versicherungs-
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