Nachbarn - Späte Arbeitslosigkeit ein Armutsrisiko - Caritas Aargau

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Nachbarn - Späte Arbeitslosigkeit ein Armutsrisiko - Caritas Aargau
Aargau – Solothurn – beider Basel                                      Nr. 2 / 2019

Nachbarn

                                     SpäteArbeitslosigkeit–
                                     einArmutsrisiko
                                     Werspätarbeitsloswirdbrauchtviel
                                     DurchhaltewillenDennÄlterebleiben
                                     bedeutendlängerarbeitslosalsJüngere
                                     DamitsteigtfürsiedasArmutsrisiko
Nachbarn - Späte Arbeitslosigkeit ein Armutsrisiko - Caritas Aargau
Inhalt
BildConradinFrei

                                                                               Inhalt
                                                                               3    Editorial
                                                                                    Kurz & bündig

                                                                               4    News aus dem Caritas-Netz
                                                                                    Schwerpunkt

                                                                               6	Gefangen zwischen Arbeitslosigkeit
                                                                                  und Hoffnung
                                                                                    Schwerpunkt

                      HansruediMüllersGeschichtehandeltvomwiederkeh-
                                                                               10	Ältere bleiben länger arbeitslos
                      rendenKampfgegendieArbeitslosigkeitDochfürihn
                      istklar«Aufgebengibtesnicht»                           Persönlich

                                                                               12	Wie kann armen Menschen
                                                                                   im Alter geholfen werden? 
                      Schwerpunkt                                                    echs Antworten von Passantinnen und
                                                                                    S
                                                                                    Passanten

                      Späte Arbeits-                                                Regional

                                                                               14   Ein Fest für die Freiwilligen
                      losigkeit – ein                                               Caritas Aargau und Caritas Solothurn 
                                                                                    haben rund 450 Freiwillige eingeladen

                      Armutsrisiko                                             16   Die Unsichtbaren
                                                                                    Beobachtungen aus dem Caritas-Laden Olten

                      Ausgemustert. So fühlen sich viele Men-                  18	Mitgenommen – auf Rundgänge
                      schen, die über 50 und arbeitslos sind. Sie                  zur Armut
                      brauchen ein dickes Fell, viel Geduld und                     Ältere Arbeitslose sind ein Thema bei
                      Durchhaltewillen, aber auch die richtige Un-                  den unten_durch-Stadtrundgängen
                      terstützung. Denn in der Schweiz bleiben
                      sie länger arbeitslos als Jüngere. Was das
                                                                               20 Erreichbar sein für die Menschen
                                                                                    Warum Niederschwelligkeit in der
                      konkret bedeutet, macht die Geschichte von
                                                                                    Sozialberatung so wichtig ist
                      Hansruedi Müller (54) erlebbar. Er ist Teil-
                      nehmer der Schreibwerkstatt von Caritas Zü-
                                                                                    Ich will helfen
                      rich. Auch der Autor des eindrücklichen Port-
                      räts, Urs Weisskopf, kennt das Schicksal der             22	«Ich habe ‹Freiwilligenhilfe›
                      Altersarbeitslosigkeit und nutzt das Caritas-                gegoogelt»
                      Angebot. Caritas will mit ihren zahlreichen
                      Angeboten benachteiligten Menschen helfen,               23   Kolumne
                      wieder Fuss zu fassen. Was kann die Politik                   Zurück auf Feld eins
                      tun, um älteren Arbeitslosen zu helfen und
                      damit das Armutsrisiko zu mindern? Auch
                      diese Fragen stellen wir im Schwerpunkt die-
                      ser «Nachbarn»-Ausgabe.

                      abSeite

                      2                                                                                              Nachbarn 2 / 19
Nachbarn - Späte Arbeitslosigkeit ein Armutsrisiko - Caritas Aargau
Editorial

Liebe Leserin,
lieber Leser
Kennen Sie eine Person, die über 50 Jahre alt ist und

                                                                                                                Bild: Schatzmann
mit Arbeitslosigkeit zu kämpfen hat? Gut möglich:
33 000 Menschen in der Schweiz waren 2018 gemäss
Staatssekretariat für Wirtschaft davon betroffen. So
auch Hansruedi Müller, der uns in dieser Ausgabe sei-
ne Geschichte erzählt. Eine Geschichte von wiederkeh-
render Arbeitslosigkeit und Hoffnung.

Nicht allen gelingt es, in dieser Situation wieder auf
dem Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Für Menschen über           Domenico Sposato
                                                             Geschäftsleiter Caritas beider Basel
50 ist es tendenziell schwieriger, eine neue Stelle zu
finden. Ältere Personen sind dem Risiko der Langzeit-
                                                             Fabienne Notter
arbeitslosigkeit stärker ausgesetzt als junge, das Risi-     Geschäftsleiterin Caritas Aargau und
ko für Altersarmut steigt.                                   Caritas Solothurn

Was können Politik, Gesellschaft und Arbeitgeber ma-
                                                             «Nachbarn», das Magazin der regionalen
chen, damit späte Arbeitslosigkeit nicht zur Altersar-       Caritas-Organisationen, erscheint zweimal
mut führt oder dass es gar nicht erst zur Arbeitslosigkeit   jährlich: im April und im Oktober.
kommt? Was bietet Caritas, um Betroffenen zu helfen?
                                                             Gesamtauflage: 33 750 Ex.
Diesen Fragen gehen wir in dieser Ausgabe nach.
                                                             Auflage AG, BS/BL, SO: 6200 Ex.
Und was können Sie tun? An einem Fest für Freiwilli-
                                                             Redaktion:
ge war ein oft genannter Grund für deren Engagement,         Nathalie Philipp, Fabienne Notter,
dass es ihnen selbst gut gehe und dass sie ein Stück von     Domenico Sposato (regional)
                                                             Roland Schuler (national)
ihrem Glück Menschen geben wollen, die benachteiligt
sind. Wollen auch Sie ein Stück von Ihrem Glück wei-         Gestaltung, Produktion und Druck:
tergeben?                                                    Stämpfli AG, Bern

                                                             Caritas Aargau
Helfen Sie uns mit Ihrer Spende, damit wir uns auch          www.caritas-aargau.ch
weiterhin für betroffene Menschen einsetzen können.          CH23 0900 0000 5000 1484 7

Oder werden Sie Teil unserer Freiwilligen-Gemein-            Caritas beider Basel
schaft, und engagieren Sie sich in einem unserer Pro-        www.caritas-beider-basel.ch
                                                             CH26 0900 0000 4000 4930 9
jekte. Wir freuen uns über Ihre Unterstützung!
                                                             Caritas Solothurn
Viel Spass bei der Lektüre!                                  www.caritas-solothurn.ch
                                                             CH76 0900 0000 6053 8266 5

Fabienne Notter               Domenico Sposato

Nachbarn 2 / 19                                                                                            3
Nachbarn - Späte Arbeitslosigkeit ein Armutsrisiko - Caritas Aargau
Kurz&bündig

                                                                               Solidaritätsaktion «Eine Million Sterne»
BildCaritasAargau

                                                                               Tausende Kerzen
                                                                               leuchten für Solidarität
                                                                               Am 14. Dezember 2019 findet die Caritas-
                                                                               Aktion «Eine Million Sterne» wieder statt.
                                                                               Tausende zünden an über 80 Orten in
                                                                               der Schweiz Kerzen als Zeichen ihrer Soli-
                                                                               darität mit Armutsbetroffenen an. Ma-
                                                                               chen auch Sie mit, und besuchen Sie
                                                                               eines der eindrücklichen Kerzenmeere!

                                                                               In der Schweiz sind 1 240 000 Menschen armutsbetrof-
                       Sozialberatung                                          fen oder armutsgefährdet – Tendenz steigend. Caritas
                                                                               kämpft tagtäglich gegen diesen Umstand und enga-

                       Hilfe zur Selbsthilfe –
                                                                               giert sich politisch und praktisch mit Hilfsangeboten
                                                                               für die benachteiligten Menschen in der Schweiz.

                       auch online                                             Am 14. Dezember 2019 setzt Caritas anlässlich der
                                                                               Aktion «Eine Million Sterne» ein Zeichen der Soli-
                                                                               darität mit Menschen, die am oder unter dem Exis-
                                                                               tenzminimum leben. An über 80 Orten in der Schweiz
                       Caritas Aargau und ihre Kirchlichen                     werden imposante Kerzenmeere aufgebaut. Kommen
                       Regionalen Sozialdienste veröffentlichen                Sie an eine der Veranstaltungen! Machen auch Sie
                       eine mehrsprachige Online-Hilfe.
                       Wer Rat sucht, findet so einfach und

                                                                                                                                          BildThomasPlain
                       praktisch Unterstützung.

                       Was kann ich tun, wenn ich Medikamente brauche
                       und sie nicht bezahlen kann? Was kostet die Schule
                       für meine Kinder? Wo finde ich Informationen über
                       das Leben in der Schweiz? Solche und ähnliche Fra-
                       gen wird die Online-Hilfe für den Kanton Aargau ab
                       November 2019 direkt und in einfacher Sprache be-
                       antworten.

                       Caritas Aargau und ihre Kirchlichen Regionalen So-
                       zialdienste haben die wichtigsten Anliegen aus den      Ihre Solidarität mit benachteiligten Menschen sicht-
                       Sozialberatungen nach Themen strukturiert und ei-       bar, und setzen Sie ein Zeichen für eine faire Schweiz!
                       nen Online-Wegweiser erstellt. Das Angebot wird in      Auf wwweinemillionsternech sind alle Veranstaltungs-
                       Deutsch, Spanisch, Portugiesisch, Kroatisch und Ita-    orte in Ihrer Nähe und alle weiteren Informationen
                       lienisch umgesetzt und ermöglicht es Ratsuchenden,      aufgeführt.
                       sich niederschwellig selbst zu informieren. Daneben
                       besteht die Möglichkeit, eine Beratungsperson zu fin-   Auch digital können Sie Ihre Solidarität bekunden:
                       den. Auch für die Vorbereitung von Beratungsgesprä-     Verschenken Sie personalisierte Wunschkerzen an
                       chen kann die neue Online-Hilfe sinnvoll eingesetzt     ihre Liebsten, und laden Sie sie ein, dasselbe auch zu
                       werden.                                                 tun! Es ist ganz leicht, schauen Sie selbst:
                       wwwonline-hilfecaritas-aargauch                      wwwwunschkerzech

                       4                                                                                                Nachbarn 2 / 19
Nachbarn - Späte Arbeitslosigkeit ein Armutsrisiko - Caritas Aargau
Kurz&bündig

Organisation

Caritas Bern
                                                                                       NEWS
vor Neuanfang                                                                          GemeinsamesMiagesseninWeinfelden
                                                                                       FeinessenineinerGemeinschaCaritasThurgaubie-
                                                                                       tetseitMaizweimalmonatlicheinenMiagstisch
                                                                                       für Personen die sich einsam fühlen und/oder ein
Aufgrund des Wegfalls verschiedener                                                    schmalesBudgethabenFreiwilligekocheneinkosten-
Leistungsaufträge richtet sich Caritas                                                 loses leckeres -Gänge-Menü Beim gemeinsamen
Bern strategisch neu aus. Die Rolle                                                    MiagessenwirdgeplaudertundwerdenInfosausge-
als Hilfswerk soll gestärkt werden.                                                    tauschtAnmeldungenundweitereInformationen
                                                                                       wwwcaritas-thurgauch/geko-gemeinsam-kochen

Im Jahr 2016 gab der Kanton Bern bekannt, dass er
sein Asyl- und Flüchtlingswesen neu organisieren
wird. Die entsprechenden Leistungsaufträge wurden                                      KantonBLErgänzungsleistungenfürFamilien
öffentlich ausgeschrieben. Die Caritas Bern bereitete                                  Am  November  wird im Kanton Basel-Land-
sich intensiv auf die Ausschreibung vor und nahm an                                    scha über die Initiative «Ergänzungsleistungen für
der Ausschreibung teil. Die Eingabe erfolgte schliess-                                 Familien mit geringen Einkommen» abgestimmt ATD
                                                                                       Vierte Welt und die Caritas beider Basel setzen sich
                                                                                       stark für diese Initiative ein Mit diesem Engagement
                                                         BildKellenbergerKaminski

                                                                                       zeigt die Caritas erneut auf dass familienfreundliche
                                                                                       StrukturenindenKantoneneinzentralesElementder
                                                                                       Armutspräventionsind
                                                                                       wwwcaritas-beider-baselch/aktuelles/news

                                                                                       GrosserAnsturmaufdieMietvelosderCaritasLuzern
                                                                                       Seit die Velos des Verleihdienstes «nextbike» in be-
                                                                                       stimmten Zentralschweizer Städten und Gemeinden
                                                                                       fürdieBevölkerungkostenlossindhatsichdieZahl
                                                                                       der Ausleihen verzehnfacht Im vergangenen Jahr
                                                                                       waren es insgesamt rund  Aktuell stehen in
                                                                                       der Zentralschweiz an mehr als  Standorten
                                                                                       über  «nextbikes» zur Verfügung – seit Mie
lich über eine neu gegründete Stiftung. Leider erhielt                                 September auch in Zug Betrieben wird der prakti-
diese keinen Zuschlag. Die verschiedenen Leistungs-                                    scheServicevonderCaritasLuzern
verträge der Caritas Bern mit dem Kanton werden                                        wwwnextbikech
spätestens auf Ende 2020 ersatzlos auslaufen.

Infolgedessen wird Caritas Bern über drei Viertel ih-
res Personals die Kündigung aussprechen müssen.                                        Armutaufgezeigt
Die betroffenen Mitarbeitenden werden in dieser                                        DieCaritasStGallen-Appenzellhateinenumfassen-
schwierigen Situation mit gezielten Massnahmen                                         denFach-undArmutsberichtveröffentlichtDieserer-
unterstützt. Daneben befasst sich der Vorstand in-                                     läutert die Situation im Kanton St Gallen gibt einen
tensiv mit der Zukunft der Caritas Bern. Verschiede-                                   EinblickindieSozial-undSchuldenberatungundver-
ne Angebote wie die Caritas-Märkte, die KulturLegi,                                    mielt interessante Fakten zu Gründen Risiken und
das «mit mir» oder die Freiwilligenarbeit bleiben er-                                  Folgen von Armut Der Bericht zeigt zudem welchen
halten, die Rolle der Caritas Bern als Hilfswerk soll                                  Einfluss sozialpolitische Entscheide auf die Situation
gestärkt werden.                                                                       vonArmutsbetroffenenhaben
wwwcaritas-bernch                                                                    wwwcaritas-stgallench/armutsbericht

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Nachbarn - Späte Arbeitslosigkeit ein Armutsrisiko - Caritas Aargau
Rubrik

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HansruediMüllersLebenverläunichtentlangeiner
GeradenAusbeschwerlichenPhasenvonArbeits-
losigkeitundgesundheitlichenProblemenfindeter
           EinLebeninArmutbringtElternandenRandderVerzweifl ung
immerwiederkreativAuswegeInderSchreibwerk-
           undlässtKinderträumeplatzen
stavonCaritasZürichtri eraufGleichgesinnte
undfindetAblenkung
       6                                                                     Nachbarn 2 / 19
Nachbarn - Späte Arbeitslosigkeit ein Armutsrisiko - Caritas Aargau
Schwerpunkt

Gefangenzwischen
Arbeitslosigkeit
undHoffnung
Zunehmende Aggressivität und Respektlosigkeit der Fahrgäste machten aus einem
einst zuversichtlichen Chauffeur einen stressgeplagten Menschen. Die Folgen:
Alkohol, Depressionen und Arbeitslosigkeit. Hansruedi Müllers Geschichte ist eine
vom wiederkehrenden Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.
TextUrsWeisskopf

H
               ansruedi Müller ist 54 Jahre alt. Nach         «Es wurde zur Hölle»
               langjähriger Anstellung als Buschauffeur       Nach der Postlehre fand er eine Anstellung bei den
               folgten schwierige Jahre der Arbeitslosig-     Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) als Buschauffeur. Die
               keit und der Suche nach einem Wieder-          ersten Jahre waren eine tolle Erfahrung, verbunden
               einstieg. Sein Lebenslauf ist kein leichter.   mit Freizeit, wenn andere arbeiteten. Doch die zu-
Unterkriegen lässt er sich dennoch nicht: «Es ist wich-       nehmende Aggressivität und Rücksichtslosigkeit der
tig, die verbleibenden Chancen zu erkennen und sie zu         Fahrgäste entlud sich immer mehr auf ihn als Chauf-
nutzen», sagt er heute.                                       feur. «Ich war die erste Adresse für Reklamationen
Seine Jugend wurde geprägt von einem patriarchalen Va-        und Gehässigkeiten. Es wurde zur Hölle.» Mit der Zeit
ter, der ihn verbal erniedrigte. Ohne Rücksicht auf die Be-   wurde der Alkohol zu seinem Gehilfen bei der Gefühls-
                                                              verarbeitung. Im Jahr 2011 war Schluss. Er erhielt die
                                                              Kündigung. Bald darauf entschloss er sich zu einem
           «Es ist wichtig, die                               Entzug.
       verbleibenden Chancen zu
                                                              Vom Regen in die Traufe
      erkennen und sie zu nutzen.»                            Sein erster Kontakt mit der regionalen Arbeitsver-
                                                              mittlung (RAV) war eine Katastrophe. Eigentlich war
dürfnisse war für Hansruedi eine Postlehre vorgesehen.        es ihm nicht mehr möglich, als Bus- oder als Lastwa-
«Mit der Aussicht auf einen hohen Anfangslohn wehrte          genchauffeur zu arbeiten. Die psychische Belastung,
ich mich nicht dagegen», gesteht Müller rückblickend.         der Stress und der ständige Druck waren zu gross. Das

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Nachbarn - Späte Arbeitslosigkeit ein Armutsrisiko - Caritas Aargau
Schwerpunkt

Einzige, was er hörte, war: «Herr Müller, unsere Auf-                 Hansruedi Müller hatte sich in eine neue berufliche
gabe ist es, Sie so schnell wie möglich wieder in den                 Perspektive gekämpft. Aus eigener Kraft, mit viel
Arbeitsprozess zu integrieren.» Es folgten viele RAV-                 Willen und richtiger Unterstützung hatte er es mit
Besuche, Dutzende Bewerbungen. Und doch wieder                        knapp 50 Jahren geschafft: Er war in seinem Traum-
gegen seinen Willen Anstellungen als Chauffeur. Nach                  beruf tätig.
mehrmaligem Scheitern als Chauffeur konnte er in
einem Einsatzprogramm des RAV für das Atelier 93 und                  Zurück in die Vergangenheit
die Aktion «Tischlein deck dich» fahren. Aus eigener                  Das Jahr 2016 wird Müller nie vergessen. Die Schick-
Initiative half er zudem Arbeitslosen bei Bewerbungs-                 salsschläge häuften sich. Im März starb sein Vater,
schreiben am Computer. Diese Arbeit mit Menschen                      und Hansruedi Müller begann wieder zu trinken. «Mit
machte ihm grosse Freude. Doch das RAV verlangte,                     seinem Tod realisierte ich, dass mir abrupt die Chance
dass er wieder Lastwagen fahre. Es war das Gesetz des                 genommen wurde, ihm zu sagen, was er mir angetan
Scheiterns. Denn Müller wollte nicht mehr fahren.                     hatte», fasst er heute seine Gemütslage zusammen. Im
                                                                      August folgte die Kündigung der Stiftung Altried. Wie-
Im März 2013 wurde er im Alter von 48 Jahren ausge-                   der war er arbeitslos. Wieder stand Müller vor einem
steuert. Im Zuge dessen liess er seine Lastwagenlizenz                Scherbenhaufen. Die Folgen trafen Müller hart. Noch
nicht mehr erneuern. «Das war ein Befreiungsschlag,                   mehr ärgerte ihn das fehlende Verständnis, sei es von
denn so konnte mich niemand mehr zwingen, in die                      Ämtern oder Bekannten. «Ein Beinbruch ist sichtbar
ungeliebten Lastwagen zu steigen, und der Weg wurde                   und kann rasch geheilt werden. Ein psychischer Zusam-
frei für einen Neuanfang», sagt Müller.                               menbruch ist komplizierter und dauert länger», so seine
                                                                      Erfahrungen.
Mit Zuversicht in den Neuanfang
Er zog ins Forelhaus in der Stadt Zürich. Dort erhielt                Es folgte eine nächste Phase beim RAV. Dieses Mal
Müller Unterstützung beim Aufbau eines selbststän-                    mit positiven Vorzeichen, denn die Beraterin erkann-
digen und abstinenten Lebens. Ziel war nicht in erster                te seine Bedürfnisse und organisierte einen Einsatz
Linie die berufliche Ausrichtung, sondern die Stärkung                in einem Blindenheim für Senioren. «Doch als ich
von Stabilität, Selbstbewusstsein und Selbstachtung.                  einen alten Mann pflegte, erlebte ich ein Flashback;
«Ich wurde respektiert und verspürte immer mehr den                   ein Wiedererleben aus meiner Kindheit wurde her-
Wunsch, für Menschen mit Beeinträchtigungen zu ar-                    vorgerufen», beschreibt Müller diesen Augenblick. Es
beiten», sagt Müller. Im September 2014 begann er ein                 folgte eine längere Krankheit, während der er nicht
Praktikum in der Stiftung Altried und erhielt im An-                  voll arbeiten konnte. Die Behördengänge wurden zur
schluss eine Festanstellung.                                          Last. Arztzeugnisse, Bewerbungsnachweise, unklare

                                                                                                                                           BildConradinFrei

SeinZiellässtHansruediMüllernichtausdenAugenErwünschtsichwiederindieBetreuungvonMenschenmitBeeinträchtigungen
zurückzukehren

8                                                                                                                        Nachbarn 2 / 19
Nachbarn - Späte Arbeitslosigkeit ein Armutsrisiko - Caritas Aargau
Schwerpunkt

Abzüge bei den Versicherungsbeiträgen, jeden

                                                                       DIEBEDINGUNGEN
Monat unterschiedlich hohe Auszahlungen,
die kräftezehrende Abklärungen nach sich zo-

                                                                       VERBESSERN!
gen. Er musste viel Energie in Ämter inves-
tieren – Energie, die er eigentlich für sich ge-
braucht hätte.

Der Gang zum Sozialamt war nicht mehr abzu-                                                         RosmarieQuadrantiistBDP-

                                                           Bildzvg
wenden. Müller realisierte: Die Rückkehr in den                                                     Nationalrätin ZH und Mit-
Arbeitsmarkt wird noch schwieriger werden.                                                          gliedderKommissionfürWis-
Menschen in seinem Alter haben es besonders                                                         senschaBildungundKultur
schwer, wieder zu einer Stelle zu kommen. Die                                                       sowie der sicherheitspoliti-
Altershürde für Arbeitslose alleine kann bereits                                                    schenKommission
unerbittlich sein; ganz unabhängig von indivi-
duellen Schicksalsschlägen.
Wieder stellte sich Hansruedi Müller der Heraus-
forderung kreativ: Er entschloss sich für verschie-
dene Freiwilligenarbeiten und begann, sein Trau-

     «Aufgeben gibt es nicht.»
                                                                       WiesoistesfürältereArbeitslosesoschwierig
                                                                       imArbeitsmarktwiederFusszufassen?
ma und die Depressionen zu verarbeiten, um die                         DieregionalenArbeitsvermilungsstellensindnichtauf
Chancen auf eine erneute Arbeitsstelle zu erhö-                        ältere Arbeitssuchende spezialisiert Und wir Älteren
hen. Ablenkung und Entspannung findet Müller                           sindteureralsdieJungenFaktistÄlteremüssenlän-
in der Schreibwerkstatt von Caritas Zürich. Dort                       ger suchen Es braucht deutlich mehr Bewerbungen
werden Menschen mit schmalem Budget profes-                            Kommt hinzu dass man eine dicke Haut braucht um
sionell dabei unterstützt, Geschichten zu Papier                       dieAbsagenmitonichtssagenderBegründungzuver-
zu bringen und den kreativen Umgang mit ihren                          dauen
eigenen Geschichten zu fördern. «Die Schreib-
werkstatt bedeutet mir sehr viel. Es ist ein ideales
Umfeld mit Gleichgesinnten und gibt eine will-                         WaskanndiePolitikfürältereArbeitslosemachen?
kommene Struktur», beschreibt Müller den Nut-                          Die Bedingungen verbessern! Die BDP fordert dass
zen des Kursangebots für sich. Sein Ziel, wieder                       man ü unter bestimmten Bedingungen nicht mehr
in der Betreuung von Menschen mit Beeinträchti-                        ausgesteuert werden kann wie es auch die SKOS vor-
gungen zu arbeiten, ist geblieben. Für Hansruedi                       schlägtDieWiedereingliederungmusswährendderAr-
Müller ist klar: «Aufgeben gibt es nicht.»                             beitslosenzeitunterstütztwerdenFürAltersgutschrien
                                                                        BVGsollteeinEinheitssatzeingeführtwerden

                                                                       Wie kann verhindert werden dass späte Arbeitslosig-
                                                                       keitzuAltersarmutführt?
  ZUMAUTOR                                                            Wenn die Einführung von Ergänzungsleistungen reali-
  UrsWeisskopfinZürichgeborenabsolvier-                    siert wird man nicht mehr ausgesteuert werden kann
  te eine Bankanlehre und arbeitete danach mehr                 unddieAltersgutschrienfürallegleichsindistschon
  als  Jahre in der Kommunikationsbranche Er                 viel getan Es braucht in diesen Situationen aber auch
  kenntdasSchicksalderAltersarbeitslosigkeitaus                  individuellereLösungenDieMenschenümüssenuns
  eigener Erfahrung  wurde er im Alter von                daswertsein
  ausgesteuertSeitdemarbeiteteralsfreierFo-
  tograf und Korrespondent wwwtexte-fotosch
  und ist ebenfalls Teilnehmer in der Schreibwerk-
  stavonCaritasZürichwwwcaritas-zuerichch/
  schreibwerksta

Nachbarn 2 / 19                                                                                                                          9
Nachbarn - Späte Arbeitslosigkeit ein Armutsrisiko - Caritas Aargau
Schwerpunkt

Älterebleibenlänger
arbeitslos
Ältere Menschen spielen eine wichtige Rolle im Schweizer Arbeitsmarkt: 20 Prozent
der Erwerbstätigen sind in der Schweiz über 55-jährig. Die Probleme für ältere
Menschen entstehen, wenn sie arbeitslos werden. Dann fällt es ihnen bedeutend
schwerer als Jüngeren, wieder Arbeit zu finden.
TextJonathanBenneundPeterNeuenschwanderBernerFachhochschule BFH
IllustrationCorinneBromundt

D
       as Positive vorweg: Erfreulicherweise gibt es ge-         Prozent aller Erwerbstätigen ausmachen, schaffen es
       mäss Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)              diese nach einem Stellenverlust nur schwer, wieder zu
       nicht mehr ältere Arbeitslose als jüngere. Doch           Arbeit zu kommen.
sind ältere Arbeitslose viel stärker von lang dauernder
Arbeitslosigkeit betroffen und müssen zunehmend                  Viel politische Bewegung
auch Sozialhilfe beziehen. Obwohl die Schweiz im in-             Um dieser unerfreulichen Situation entgegenzuwir-
ternationalen Vergleich viele Beschäftigte im Alter von          ken, sind einige politische Bestrebungen im Gange.
über 50 Jahren aufweist und über 55-Jährige rund 20              Von verschiedenen staatlichen Massnahmen verspricht

10                                                                                                       Nachbarn 2 / 19
Schwerpunkt

man sich einen positiven Effekt für die Reintegration von älteren                               Kommentar
Arbeitslosen. Zum einen wird erwartet, dass der sogenannte In-
ländervorrang die Situation entschärft. Er verpflichtet Arbeitge-
ber, bei der Personalsuche in bestimmten Berufsgruppen zuerst                                   Armutsrisiko
die beim RAV gemeldeten Dossiers zu prüfen. Zum anderen
sieht ein Vorschlag der Sozialpartner Arbeitgeberverband und                                    minimieren
TravailSuisse vor, dass die Pensionskassenbeiträge im Laufe der
Erwerbstätigkeit nur noch einmal angehoben werden, und zwar
mit 45 Jahren von 9 auf 14 Prozent. Damit möchte man allfällige                                 Für ältere Arbeitslose ist es nicht
Nachteile für ältere Arbeitnehmende ausräumen, bei denen ak-                                    einfach, den Anschluss an die
tuell ab 55 Jahren die höchsten Pensionskassenbeiträge anfallen.                                Arbeitswelt wiederzufinden. Hier
                                                                                                bietet die Caritas mit der Sozialbe-
Wider die Aussteuerung                                                                          ratung eine erste Anlaufstelle. In
Weitere Vorstösse zielen darauf ab, dass ältere Arbeitslose nicht                               einigen Regionen führt sie auch ent-
mehr in die Abhängigkeit der Sozialhilfe geraten. So fordert die                                sprechende Arbeitsintegrationspro-
Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) etwa, dass                                      gramme. Eine flexible, durchlässige
langjährig erwerbstätige Personen bei einem Stellenverlust ab                                   Einsatzplatzgestaltung gestattet
einem Alter von 57 Jahren Ergänzungsleistungen erhalten sol-                                    eine spezifische Förderung. In Coa-
len. So könnte die Aussteuerung aus der Arbeitslosenversiche-                                   chings werden individuelle Zielset-
rung verhindert werden. In eine ähnliche Richtung zielt die vom                                 zungen erarbeitet. So ermöglicht es
Bundesrat vorgeschlagene Überbrückungsrente für ausgesteu-                                      die Caritas speziell älteren Arbeits-
erte Arbeitslose ab 60 Jahren. Gerade diese beiden letzten Vor-                                 losen, ihr Potenzial auszuschöpfen.
schläge werden jedoch teilweise auch kritisch gesehen. Es wird                                  Es werden auch Anreize geschaf-
befürchtet, sie könnten Anreize dafür setzen, dass sich Unter-                                  fen für Bewerbungen in anderen
nehmen schneller von älteren Mitarbeitenden trennen, weil der                                   Berufsfeldern. Arbeitslose können
Staat unterstützend eingreift.                                                                  neue Berufserfahrungen machen
                                                                                                und sich allenfalls neue Rahmen-
Wie wieder Arbeit finden?                                                                       fristen für die Arbeitslosenversiche-
Wie können Betroffene selbst ihre Chancen auf dem Arbeits-                                      rung erwerben.
markt erhöhen? In der Forschung finden sich folgende Fakto-
ren: ein positives Selbstbild, bei dem die eigenen Ressourcen                                   Ältere Arbeitslose tragen ein grosses
und Kompetenzen im Fokus stehen, realistische Ziele für eine                                    Armutsrisiko. Ohne Erwerb werden
nächste Anstellung, Flexibilität hinsichtlich Arbeitsort und                                    keine Beiträge an die Pensionskasse
Lohn sowie die Auffrischung und Erweiterung von Fachwissen,                                     einbezahlt, es entstehen Beitragslü-
Methoden und Sprachkenntnissen. Es zeigt sich auch, dass die                                    cken. Ein neues Bundesgesetz, das
Beratung von älteren Stellensuchenden spezifisches Know-how                                     zurzeit in Vernehmlassung ist, soll
erfordert. Die bildungs-, berufs- und lebensbiografischen Hin-                                  hier Abhilfe schaffen und die soziale
tergründe der arbeitslosen Person gilt es zu berücksichtigen.                                   Sicherheit von älteren Arbeitslosen
Dadurch wird das Kompetenzprofil geschärft. Dies ermöglicht                                     gezielt verbessern – ein wichtiger
eine gezielte und erfolgreiche Bewerbung.                                                       Schritt. Daneben braucht es aber
                                                                                                auch neue Beschäftigungsmodelle
                                                                                                und damit eine sinnvolle Alltagsge-
            ZUDENAUTOREN
                                                                                                staltung. Hier sind Ideen gefragt und
                                                                                                Unternehmen, die entsprechende
                                                                                                Arbeitsplätze schaffen. Die Caritas
                                                 Bildzvg
Bildzvg

                                                                               ProfDr       setzt sich auf allen Ebenen dafür ein,
                                ProfDr                                     Peter           dass ältere Arbeitslose wieder im Er-
                                Jonathan                                      Neuen-           werbsleben Fuss fassen können und
                                Benne                                        schwander       ihr Armutsrisiko minimiert wird.

            ProfDrJonathanBenneist                   ProfDrPeterNeuenschwander
            LeiterdesInstitutsAlterander               istProjektleiterundDozentam   DavidJund
            BernerFachhochschule BFH                    DepartementSozialeArbeitder    LeiterBildunginder
                                                             BernerFachhochschule BFH       beruflichenIntegration
                                                                                                CaritasLuzern

Nachbarn 2 / 19                                                                                                                     11
Persönlich

Louisa JahregehtindieKlasseundwohntin
BernSiefindetdassMenschendenenesgutgeht
armeMenschenunterstützensolltendamitsiesich
wichtigeDingewieEssenundSchuhekaufenkönnen
       12                                              Nachbarn 2 / 19
Persönlich

              «Wie kann armen Menschen im Alter
              geholfen werden?»
              Viele Menschen in der Schweiz sind im Alter armutsgefährdet. Die Gründe dafür sind
              beispielsweise niedriges Einkommen oder geringe bis gar keine berufliche Vorsorge.
              Wer spät arbeitslos wird, trägt ein höheres Risiko, im Alter unter die Armutsgrenze
              zu geraten. Wir fragten Passantinnen und Passanten, wie älteren Menschen, die
              armutsbetroffen oder -gefährdet sind, geholfen werden kann.

                                 Delia Unternährer,                                        Sam Lehmann,
Bilderzvg

                                 Immobilienbewirtschafterin,                               Schüler, Chur
                                 Luzern                                                    Ich denke, es ist wichtig, dass den
                                 Armen Menschen im Alter hilft                             älteren Menschen, die finanziell
                                 man am meisten, wenn man ihnen                            nicht so gut dastehen, geholfen
                                 Zeit, Aufmerksamkeit und die nö-                          wird. Zum Beispiel mit Spen-
              tige Unterstützung im Alltag schenkt. Gute Gespräche      den und speziellen Angeboten durch Institutionen
              an der frischen Luft oder in der warmen Stube sind die    wie die Caritas. Es sollte Orte geben, wo sie andere
              beste Ablenkung und lassen die Schmerzen und Sor-         Menschen treffen können. Sie sollen auf jeden Fall
              gen vergessen. Von diesem Austausch zwischen Jung         nicht im Stich gelassen werden und jede nötige Hilfe
              und Alt profitieren und lernen beide Seiten.              bekommen.

                                Emine Özyürek,                                              Ueli Kölliker,
                                pensionierte Produktions-                                   Amtsgerichtspräsident,
                                mitarbeiterin, Dulliken                                     Solothurn
                                Arme ältere Menschen können es                              Ich sehe da drei Ansätze. Erstens
                                sich oft nicht leisten, etwas zu un-                        ist es wichtig, dass jeder für sich
                                ternehmen. Deshalb fände ich Ver-                           nach Möglichkeit Vorsorge trifft,
              günstigungen für Billetts im öffentlichen Verkehr gut     noch bevor er alt ist. Dazu bräuchte es – als Hilfe zur
              oder auch Ermässigungen für Museums- oder Thea-           Selbsthilfe – neutrale und unabhängige Beratung.
              terbesuche. Ausserdem sind viele einsam. Deshalb          Zweitens könnte man vielleicht Patenschaften für
              wären auch Freiwilligeneinsätze für ältere Menschen       ältere Menschen ins Leben rufen. Drittens fände ich
              sinnvoll. Besonders wenn Krankheit oder Schwäche          es wichtig, die erste Säule auszubauen, da das jetzige
              dazukommen, bräuchten viele mehr Betreuung.               System stark auf eigenem Wohlstand beruht.

                                  Chris Wojtaniec,                                         Aline Amstutz,
                                  Business Analytiker, Zürich                              Schülerin, Boltigen
                                  Meine Mutter in Polen verlor ihren                       Es sollte mehr berufliche Mög-
                                  Job im Alter von 56 Jahren. Anstel-                      lichkeiten für ältere Menschen ge-
                                  le von Arbeitslosengeld stellt die                       ben. Dadurch könnten sie länger
                                  Regierung Firmen, die Arbeits-                           selbstständig leben und wären
              plätze für ältere Menschen anbieten, Geld zur Verfü-      auch weniger alleine. Zudem sollte es Wohnungen
              gung. So fand sie einen neuen Job, den sie bis zu ihrer   oder Häuser geben, wo ältere Menschen günstig le-
              Pensionierung ausüben kann. Und ihr Vorgesetzter          ben und sich wohlfühlen können. Reiche Leute soll-
              ist glücklich, eine gute Mitarbeiterin zu einem redu-     ten den Ärmeren Geld spenden, um sie zu unterstüt-
              zierten Gehalt zu haben. Aus meiner Sicht eine Win-       zen. Vielleicht könnten auch Kinder die älteren Leute
              win-Situation.                                            besuchen und mit ihnen etwas unternehmen.

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Caritas Aargau – Caritas Solothurn
Bilder: Nathalie Philipp

                           Stolze Femmes-Tische-Moderatorinnen mit Projektleiterin Nicole Winkler (ganz links)

                           Ein Fest für die Freiwilligen
                           Insgesamt rund 450 Freiwillige sind bei Caritas Aargau und Caritas Solothurn in über
                           25 Projekten engagiert. Jede und jeder von ihnen lebt aktiv Solidarität. Zum Dank
                           gab es im Frühling ein gemeinsames Fest. Caritas ist eine Freiwilligenorganisation!
                           Text: Nathalie Philipp

                     S
                                      ie engagieren sich als CoPilotinnen und Co-                wichtig, dass Standards und Prinzipien die ehrenamt-
                                      Piloten in der Begleitung von Flüchtlingen,                liche Arbeit auf eine solide Basis stellen und dass auch
                                      als Sprachcoaches im Projekt «Mit Deutsch                  die Freiwilligen selbst von ihrem Einsatz profitieren.
                                      unterwegs», als Gotti oder Götti im Paten-
                                      schaftsprojekt «mit mir», als Wegbeglei­-                 Wichtige Prinzipien der Freiwilligenarbeit
                           ter/in von Menschen in schwierigen Situationen, als                   Einer der Grundsätze ist, dass alle Freiwilligen eine
                           Treffpunktbetreuer, administrative Unterstützerin                     professionelle Ansprechperson zur Seite haben, die
                           und in vielen Projekten mehr.                                         sie in die Arbeit einführt und sie im Einsatz begleitet.
                                                                                                 Die Anerkennung der Leistung ist wichtig. Daher er-
                           «Wer sind diese Freiwilligen, die sich bei uns einset-                halten die Freiwilligen ein kompetentes Feedback in
                           zen, was ist ihre spezielle DNA?», fragte Emil Inauen,                Form von persönlichen Standort- oder Auswertungs-
                           Koordinator der Freiwilligenarbeit bei Caritas Aargau                 gesprächen. Wer es wünscht, erhält ergänzend eine
                           und Caritas Solothurn in seiner Rede. Die Antwort hat-                Einsatzbestätigung. Um die Entwicklung der Freiwil-
                           te er selbst mitgebracht: Es sind Menschen verschiede-                ligen zu fördern, werden diese jährlich zu einer Wei-
                           nen Alters, vom Jugendlichen bis zur 86-jährigen Frau.                terbildung eingeladen. Ein weiterer wichtiger Grund-
                           Sie sind frisch dabei oder schon seit bis zu 23 Jahren                satz ist, dass der Einsatz im Jahresdurchschnitt auf
                           im Einsatz. Sie zeigen ein enormes Engagement für                     einen Zeitrahmen von sechs Stunden pro Woche be-
                           Caritas. Allein im Jahr 2018 leisteten Freiwillige ins-               schränkt sein soll. Dies soll sicherstellen, dass nie-
                           gesamt fast 20 000 Stunden bzw. 500 Arbeitswochen                     mand in seinem Engagement zu sehr belastet wird.
                           ehrenamtliche Arbeit. Keine Frage, die Freiwilligen                   Die Freiwilligen sollen und dürfen sich ausserdem bei
                           tragen wesentlich dazu bei, dass die beiden Hilfswerke                Problemen oder Fragen rasch bei ihren jeweiligen An-
                           ihren Auftrag erfüllen können. Caritas ist es deshalb                 sprechpersonen melden.

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Caritas Aargau – Caritas Solothurn

Zusammen feiern
Beim Anlass selbst ging es jedoch in erster Linie ums
Geniessen. Rund 60 Gäste aus dem ganzen Einzugs-
gebiet der Kantone Aargau und Solothurn waren nach
Aarau in den Hof der Pfarrei St. Peter und Paul gekom-
men, wo sie herzlich willkommen geheissen wurden.
Sechs Mitarbeitende in Ausbildung hatten den Abend
als gemeinsames Projekt vorbereitet. Sie verwöhnten
die Gäste mit einem reichhaltigen Apéro und einem
bunten Programm mit Livemusik und tamilischen
Tanzvorführungen. Auch die Projektleitenden fanden
es schön, mit ihren Freiwilligen einen entspannten
Abend verbringen zu können.

Feedback erwünscht
Auch kritische Anregungen und Feedbacks der Frei-
willigen sind gewünscht und willkommen. «Was wür-
den Sie an der Freiwilligenarbeit verbessern?», hiess es
deshalb auf einem Fragebogen, der anonym abgegeben
werden konnte. Diese Umfrage kann zwar nicht als re-
präsentativ gelten, doch das Ergebnis war eindeutig:
«Alles ist gut so» und «Macht weiter so». Ihr auch, lie-
be Freiwillige! Vielen Dank!

«Ich weiss, dass ich persönlich
einiges profitiere. Ich hoffe,
das gilt auch für mein Tandem.»                            Projektleiterinnen mit Freiwilligen. Oben: Projekt Co-Pilot Caritas
                                                           Solothurn mit Annette Lüthi (rechts); Mitte: «Projekt Mit Deutsch
Aus dem Feedbackformular einer Freiwilligen                unterwegs» mit Irene Krause (links); unten: ein rundum gelungener
                                                           Abend für die Freiwilligen

  Machen Sie mit!
  Bei Caritas Aargau engagieren Sie sich …                 Bei Caritas Solothurn engagieren Sie sich …
  … als Co-Pilot/in in der Begleitung von Flüchtlingen   … als Co-Pilot/in in der Begleitung von Flüchtlingen
      und Migrant/innen                                       und Migrant/innen
  … als Götti/Gotti im Patenschaftsprojekt «mit mir»      … als Götti/Gotti im Patenschaftsprojekt «mit mir»
  … als Sprachcoach bei «Mit Deutsch unterwegs»           … in der administrativen Unterstützung
  … als Wegbegleiter/in von Menschen in schwierigen       … als Mitarbeiter/in im Caritas-Markt und Caritas-
      Lebenssituationen                                       Secondhand-Laden in Olten
  … in der administrativen Unterstützung                  … beim Event «Eine Million Sterne»
  … als Mitarbeiter/in in den Caritas-Secondhand-Läden    … als Mitbetreuer/in im Treffpunkt Olten
  … beim Event «Eine Million Sterne»
  … als Treffpunktbetreuer/in, u. a. bei den Projekten    Weitere Infos finden Sie hier:
      «Femmes-Tische» oder «Frauenpause»                   www.caritas-solothurn.ch/freiwilligenarbeit
  … in kleinen, regionalen Projekten der kirchlichen
      regionalen Sozialdienste

  Weitere Infos und Projekte finden Sie hier:
  www.caritas-aargau.ch/freiwillige

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Caritas Solothurn

Die Unsichtbaren
Astrid Bonsaver ist Bereichsleiterin Verkauf bei Caritas Aargau und Caritas Solothurn.
Sie kennt den Caritas-Laden in Olten und viele der Menschen, die hier im Caritas-
Markt und im -Secondhand-Laden einkaufen – die meisten, weil sie auf ihr knappes
Budget achten müssen. Ihre nachdenklichen Beobachtungen.
Text: Astrid Bonsaver

                                                                                                                       Bild: zvg

Astrid Bonsaver (rechts) im Gespräch

J
          emand sagte einmal zu        Schulbildung und hatten gut be-         «Wir hatten Glück in unserem Le-
          mir, im Alter wirst du       zahlte Arbeitsstellen. Das ist schön,   ben und möchten auf diese Weise
          unsichtbar. Vielleicht hat   und sie haben es sich verdient. Tat-    anderen Menschen, die nicht so viel
          diese Aussage etwas Wah-     sächlich engagieren sich einige zu-     Glück hatten, etwas zurückgeben.»
          res. Doch sicher nicht in    friedene Seniorinnen und Senioren       Diese anderen Menschen, die nicht
jedem Fall. Da gibt es eine Gruppe     bei uns als Freiwillige. Kürzlich       so viel Glück in ihrem Leben gehabt
von Seniorinnen und Senioren, de-      fragte jemand an unserem Freiwil-       haben, gibt es leider auch. Diejeni-
nen es gut geht. Sie können zufrie-    ligenfest, weshalb die Freiwilligen     gen, die sich nach einem Schick-
den auf ihr Leben zurückschauen.       denn freiwillig arbeiten. Die am        salsschlag oder einer Krankheit
Sie hatten Glück, genossen eine gute   häufigsten genannte Antwort war:        nicht mehr aufrappeln konnten,

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Caritas Solothurn

diejenigen, die ihre Stelle verloren     Caritas-Secondhand-Laden Aarau)           ständigkeit versuchte. Die 70-jäh-
und keine Perspektiven mehr vor          findet bei uns im Caritas-Laden Ol-       rige Rentnerin, die ihre Lebensmit-
Augen hatten. Diejenigen, die sich       ten eine Beratung zu Budgetfragen         tel bei uns einkauft, oder der Herr
gegen ihr Schicksal wehrten, Hilfe       statt. Von vielen älteren Menschen        im Anzug, der regelmässig in den
suchten und keine bekamen. Die-          wird dieses Angebot gut genutzt.          Laden kommt und erzählt, dass
jenigen, die resigniert haben und        Es scheint, dass es einen Bedarf          er keine Arbeit mehr findet. Sein
unsichtbar geworden sind.                gibt.                                     gepflegtes Auftreten, sagt er, das
                                                                                   jahrelang zu seinem Beruf gehörte,
Um all diese Menschen geht es hier,                                                wolle er sich nicht nehmen lassen.
besonders um die älteren. Die meis-
                                         «Sein gepflegtes Auf-
ten wollen nicht einmal mehr etwas       treten, das jahrelang                     Mir ist wichtig, dass diese Men-
über ihre Geschichte erzählen. Sie                                                 schen wahrgenommen werden.
winkten ab, als ich sie darum bat.
                                         zu seinem Beruf gehör-                    Wenn wir in manchen Momenten
Sie möchten nicht alles wieder auf-      te, wolle er sich nicht                   zu einem Begegnungszentrum
rollen. Sie haben gelernt, mit wenig                                               werden, wo auch ein persönliches
auszukommen. Sich nichts leisten
                                         nehmen lassen.»                           Gespräch entstehen kann, dann
zu können, nicht dazuzugehören,                                                    machen wir unsere Arbeit richtig.
nicht gesehen zu werden. Nicht           Täglich beobachte ich also, dass äl-      Dann werden manche Lebensge-
mehr vernetzt zu sein.                   tere, armutsbetroffene Menschen           schichten hinter den Gesichtern
                                         in unsere Läden kommen. Es ist            unserer Kundinnen und Kunden
Menschen ein Stück weit aus dieser       der 54-Jährige, der es nach dem           stückweise erkennbar. Dann sind
engen und oft isolierten Situation       Jobverlust eine Weile mit Selbtst-        sie nicht mehr unsichtbar.
zu helfen, ist eine der Aufgaben der
Caritas. Im Caritas-Markt können
Armutsbetroffene zu sehr güns-
tigen Preisen Lebensmittel und
Produkte des täglichen Bedarfs             Zwei aufmüpfige Rentner kommen zum Jubiläum
kaufen. In den Secondhand-Läden            Vom 14. bis 16. November 2019 feiert der Caritas-Laden Olten mit mehreren
verkauft Caritas gute, saubere, in-        Aktionen sein 10-Jahr-Jubiläum. Ein besonderes Highlight: Am Abend vom
takte Secondhand-Mode für das              14. November tritt das Kabarettistenduo Strohmann-Kauz im Laden auf.
kleine Budget – übrigens auch an           Als aufmüpfige Rentner haben sie ihren ganz eigenen Blick auf schwierige
Menschen, die einfach Mode mögen           Themen. Der lebensfrohe Ruedi und der griesgrämige Heinz geniessen ihre
oder mit ihrem Einkauf die Caritas         Narrenfreiheit und bringen die Zuschauer herzhaft zum Lachen. An den
unterstützen möchten.                      Jubiläumstagen werden den Kundinnen und Kunden diverse Sonderrabatte,
                                           ein Glücksrad und Verpflegung angeboten. Alle Neugierigen und Interessier-
In unseren Läden können arbeits-           ten sind herzlich eingeladen!
lose Personen einen Einsatz im
Rahmen einer arbeitsmarktlichen            Aktuelle Informationen unter: www.caritas-solothurn.ch/aktuell
Massnahme (AMM) machen, um
ihre Chancen auf dem Arbeits-
                                                                                                                          Bild: Strohmann-Kauz

markt zu erhöhen. Hier fällt mir
besonders auf, dass die Älteren
von ihnen kaum mehr Aussichten
haben, wieder im Arbeitsmarkt
einzusteigen. Ich denke, es gibt da
viele Vorurteile. Unsere digitali-
sierte Welt überfordert sie nicht, sie
haben hier nur eine Bildungslücke.
Ich würde mir wünschen, dass älte-
re Menschen wieder mehr Chancen
auf dem Arbeitsmarkt erhalten und
ihnen eine Nachbildung ermöglicht
wird. Ein weiteres Angebot: Jeweils
am ersten Montag im Monat (und             «Strohmann-Kauz» kommen in den Caritas-Laden Olten.
am ersten Mittwoch im Monat im

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Caritas Aargau – Caritas Solothurn

Mitgenommen – auf
Rundgänge zur Armut
Im Sommer fanden in vielen Ortschaften im Aargau und in Solothurn unten_durch-Stadt-
rundgänge statt. Auch ältere Arbeitslose sind darin ein Thema. Einige Eindrücke und
Fragen an Sozialarbeiterin Isabella Hossli, die den Anlass in Frick moderierte.
Text: Nathalie Philipp

«Sie reden über Armut, wie ich höre. Hallo miteinan-

                                                                                                                                 Bild: Nathalie Philipp
der. Ist nicht so meine Art, reinzuplatzen … doch Sie
sehen so interessiert aus, darum erzähle ich Ihnen
von mir …» Mit diesen Worten beginnt Frau Meier ihre
Erzählung. Sie ist eine der Figuren bei unten_durch,
eine 57-jährige Ausgesteuerte, die eben am Gemein-
dehausplatz 1 in Frick, beim örtlichen Sozialdienst,
einen Brief eingeworfen hat. Es ist eine der Szenen,
bei denen es unter den Zuschauern zunehmend still
wird, wenn sie beginnt, von ihrem ganz normalen Le-
ben zu erzählen. Sie berichtet von ihrem Job als Ver-      Eine der Figuren bei unten_durch ist eine 57-jährige Arbeitslose.
käuferin, von ihrer Karriere als Teamleiterin.

Dann erzählt sie, wie mit 50 die Probleme anfingen:
«Ein Zahnarzt verletzte mir bei einer Behandlung einen
                                                           «Ich möchte wieder mein
Nerv. Die Nervenschmerzen und die Medikamente wa-          eigenes Geld verdienen.
ren danach so stark, dass ich mich bei der Arbeit nicht
mehr richtig konzentrieren konnte. Dazu kam eine
                                                           Aber wer will mich noch?»
Knie-Operation. Nach der Reha ging ich wieder arbeiten.
Aber ich war nie mehr dieselbe wie vorher.» Trotz tägli-   löse diese auf, indem ich die Gruppe auffordere, zur
chen Nerven- und Knieschmerzen arbeitete sie weiter –      nächsten Station weiterzugehen. Unterwegs wird oft
ihre Mitmenschen sollten nichts davon mitbekommen.         heftig diskutiert. Diese Sequenz geht vor allem den äl-
                                                           teren Teilnehmenden sehr nah. Nach dem Rundgang
«Ich riss mich sehr zusammen, aber es nützte nichts.       werden einige Fragen zum Thema gestellt.
Eines Tages brach ich zusammen und musste in die
Klinik – Diagnose Burn-out.» Und danach der Ein-           Welche?
schnitt: «Die Wochen in der Therapie haben mir gut         Unter anderem interessieren sie aktuelle Zahlen und
geholfen – doch kaum hatte ich keinen Kündigungs-          Erfahrungen aus der Praxis. Ich stelle zum Beispiel
schutz mehr, erhielt ich den blauen Brief.»                fest, dass die Zahl unserer Beratungen von arbeitslo-
Sie erzählt von der Arbeitslosenkasse und der Aussteu-     sen Personen in der Altersgruppe zwischen 50 und 60
erung, vom Aufbrauchen des Ersparten und schliesslich      sukzessive zugenommen hat, von 14 Prozent im Jahr
vom Gang zum Sozialamt. Am Schluss sagt sie: «Nun          2009 auf 21 Prozent im Jahr 2018. Viele Personen dieser
bin ich eben ein Sozialfall, zu nichts mehr nütze.»        Altersgruppe kommen, weil sie kurz vor der Aussteu-
                                                           erung stehen. Das heisst, dass sie in naher Zukunft
Isabella Hossli, Sie leiten einige Anlässe.                kein Arbeitslosentaggeld mehr ausbezahlt erhalten.
Wie sind die Reaktionen auf die Szene                      Sie stehen ohne Einkommen da. Sie haben Existenz-
mit der älteren, ausgesteuerten Frau?                      ängste, wissen nicht, wie ihre Zukunft aussehen wird.
Nachdem die Frau die Gruppe verlässt, herrscht für         Sie möchten wissen, was sie noch tun könnten, um zu
gefühlte Minuten eine betroffene Schweigsamkeit. Ich       verhindern, dass sie in die Sozialhilfe fallen.

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Caritas Aargau – Caritas Solothurn

                                                                                                                                          Bild: Palma Fiacco
Isabella Hossli (rechts) mit Schauspieler in einer Szene von unten_durch

Kann Caritas in dieser Situation helfen?                                   Im Stück tritt auch ein Wirtschaftslobbyist auf:
Helfen in dem Sinne, dass sie eine Erwerbsarbeit fin-                      «Wer nicht untergehen will, muss sich bewegen,
den, können wir nicht. Was vorher während ca. zwei                         Einsatz zeigen, Biss … was immer.» Das würde
Jahren die Arbeitslosenkasse und das RAV mit ihnen                         den Betroffenen wohl niemand so sagen, oder?
zusammen nicht geschafft haben, können wir nicht                           Nein, natürlich nicht. Dies wäre ein Hohn. Aber Resig-
aufheben. In einem ersten Schritt informieren wir                          nation bringt finanziell wie auch emotional nichts. Das
über die Möglichkeiten der Zukunft. Was bedeutet                           Problem der älteren Arbeitslosen ist vielschichtig und
es, Sozialhilfe zu beziehen? Was sind die Konsequen-                       liegt meiner Meinung nach nicht nur beim Individuum
zen, wenn man Vermögen hat, die Sozialhilfe aber als                      selbst, sondern auch in der Wirtschaft und in der Ge-
Vermögensfreibetrag nur CHF 4000.– erlaubt? Wel-                           sellschaft als Ganzem.
che Rolle spielt da ein Eigenheim, das Freizügigkeits-
konto usw.?                                                                Was könnten politische Lösungen sein?
                                                                           Es gibt aktuell Vorstösse, die Ergänzungsleistungen statt
Es sind Fragen, die den Betroffenen ans Lebendige ge-                      Sozialhilfe für ältere Arbeitslose vorschlagen. Ich bin da
hen, die grosse Ängste auslösen können. Und trotzdem                       persönlich etwas im Zwiespalt. Einerseits begrüsse ich
ist es besser, der Realität in die Augen zu schauen, als                   es sehr, dass Menschen zum Beispiel über 55 Jahren dann
sich mit diffusen Vorstellungen der Zukunft zu quä-                        nicht mehr ausgesteuert werden könnten, da für sie an-
len – und in der Folge viel zu spät Hilfe anzufordern.                     sonsten unweigerlich eine Phase des gesellschaftlichen
Im nächsten Schritt geht es darum, zu erkennen, was                        Abstiegs erfolgt – verbunden mit dem Verzehr des Ver-
möglich ist, zum Beispiel mittels Budgetoptimierun-                        mögens aus der 2. und 3. Säule. So würden sie weiterhin
gen. Weiter eruieren wir Möglichkeiten für sinnvolle                       vom RAV vermittelt und blieben im System. Andererseits
Tätigkeiten; sei es in der Freiwilligenarbeit, der Be-                     müsste es auch Arbeitgeber geben, die bereit sind, ältere
such von Kursen oder das Lernen von etwas Neuem.                           Arbeitsuchende anzustellen. Ausserdem geht es nicht
Ziel ist es, besser mit der neuen Situation umgehen zu                     nur ums Geld: Der persönliche Wert der Arbeit ist nicht
können.                                                                    zu unterschätzen. Daher wünschte ich mir auch, dass es
                                                                           schwieriger wäre, älteren Arbeitnehmern zu kündigen.

   Caritas Aargau                                Caritas beider Basel                         Caritas Solothurn
   www.caritas-aargau.ch                         www.caritas-beider-basel.ch                  www.caritas-solothurn.ch
   CH23 0900 0000 5000 1484 7                    CH26 0900 0000 4000 4930 9                   CH76 0900 0000 6053 8266 5

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Caritas beider Basel

Erreichbar sein für
die Menschen
Warum Niederschwelligkeit in der Sozialberatung so wichtig ist.
Text: Domenico Sposato

                                                                                    Bild: Daniel Kellenberger

Auf Augenhöhe Probleme besprechen

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Caritas beider Basel

Ein Fall aus der Praxis                                       ratung von grosser Wichtigkeit, denn Ratsuchende mit
Eine Mutter von sechs Kindern kommt mit ihren Sor-            mehreren Problemen wissen oft nicht, an wen sie sich
gen in die Sozialberatungsstelle der Caritas beider Ba-       wenden sollen.
sel. Sie erzählt, dass die Firma, in der ihr Mann über
20 Jahre tätig war, schliessen musste und ihr Mann            Für die Frau aus dem Beispiel waren darüber hinaus
seither arbeitslos ist. Die Arbeitssuche gestaltet sich       die zeitliche und die örtliche Erreichbarkeit der
sehr schwierig, da ihr Mann nur über geringe Quali-           Beratungs­stelle von grosser Bedeutung. Als sechsfache
fikationen verfügt. Ab und zu ein temporärer Einsatz          Mutter ist die Frau darauf angewiesen, ihre Zeit
für zwei, drei Wochen und dann wieder lange gar keine         optimal einzuteilen. Dank der zentralen Lage und der
Arbeit mehr. Die Familie muss von der Sozialhilfe ganz        Möglichkeit täglich – auch ohne Voranmeldung – eine
oder teilweise unterstützt werden. Da die betreuungs-         Beratung in Anspruch zu nehmen, war es der Frau
intensiven Jahre der Kinder vorbei sind, will die wiss-       überhaupt möglich, die Sozialberatung der Caritas bei-
begierige und arbeitswillige Frau nun selbst eine Aus-        der Basel aufzusuchen.
bildung absolvieren, um Geld verdienen zu können. Sie
verfügt bislang jedoch über keine Berufsausbildung            Wichtige Aspekte der Niederschwelligkeit
und überlegt deshalb, den Pflegehelferinnenkurs des           Die Erkenntnisse aus der Sozialforschung zeigen auf,
Schweizerischen Roten Kreuzes zu absolvieren. Im              dass niederschwellige Sozialberatung eine hohe Quali-
Gespräch erfährt die Caritas-Beraterin, dass die So-          tät aufweist, wenn die örtliche Erreichbarkeit vorliegt,
zialarbeiterin der Behörde dieses Vorhaben aufgrund           die Zugänglichkeit jederzeit gewährleistet ist, die The-
der nicht vorhandenen Berufserfahrung als zu wenig            menvielfalt der Beratung garantiert ist und professio-
erfolgversprechend eingestuft hat.                            nelle Sozialsystem- und Menschenkenntnisse vorhan-
                                                              den sind.
Mit der Caritas-Beraterin kann die Frau nun ihre Situ-
ation nochmals in Ruhe besprechen. Besonders wich-            Caritas beider Basel ist nahe bei den Menschen
tig ist ihr dabei, dass sie bei einer allfälligen Kritik am   Der Caritas beider Basel ist es ein grosses Anliegen,
staatlichen Sozialsystem keine Sanktionen befürch-            dass Menschen in schwierigen Lebenslagen Zugang
ten muss. Anhand von verschiedenen Rückfragen                 zu einer professionellen Beratung erhalten. Die gros-
kann die Caritas-Beraterin schliesslich herausfinden,         sen Sachkenntnisse der zwei Sozialarbeiterinnen, der
dass die Klientin den Pflegehelferinnenkurs als ein-          geringe Administrationsaufwand und die gute Zusam-
zige machbare Ausbildung einstuft. Wie sich heraus-           menarbeit mit externen Stellen verhelfen zu vielen gu-
stellt, fällt es der Klientin nicht leicht, ihre eigenen      ten Lösungen. Auch die zentrale Lage und die tägliche
Überlegungen betreffend Kursinhalt, Schwierigkeits-           Erreichbarkeit machen es möglich, dass sich Men-
grad und Kursdauer zu artikulieren. Nachdem die               schen unkompliziert Rat holen können. Die nieder-
Caritas-Beraterin dieses Anliegen und die Umstände            schwellige Sozialberatung der Caritas beider Basel ge-
in verständlicher Weise festgehalten hat, beantragt           niesst deshalb in der Region einen sehr guten Ruf und
sie bei der Sozialhilfe die «Kostenübernahme Pflege-          erbringt jeden Tag qualitativ hochstehende Leistung.
helferinnenkurs». Das darauf folgende Gespräch zwi-
schen der Caritas-Beraterin und der Mitarbeiterin der
Behörde führt dazu, dass die Sozial­hilfe – basierend
auf den neuen Erkenntnissen – die Kurskosten über-
nimmt.

Ein Gespräch hat geholfen
Im oben beschriebenen Fall war die Frau – aufgrund
der Befürchtung, sich nicht passend auszudrücken
oder im schlimmsten Fall sogar etwas «Falsches» zu
sagen – nicht in der Lage, der Sozialarbeiterin der Be-         Niederschwellige Sozialberatung
hörde den Sachverhalt adäquat zu schildern. Die nie-            Tage:	Montag bis Freitag
derschwellige Sozialberatung zeichnet sich unter an-            Zeit:	9.00 Uhr bis 11.30 Uhr
derem genau dadurch aus, dass Ratsuchende bei der               Ort: 	Lindenberg 20, 4058 Basel
Schilderung ihrer Probleme keine negativen Folgen               Tel.: 	061 691 55 55
oder Sanktionen befürchten müssen. Für die Ratsu-               E-Mail:	beratung@caritas-beider-basel.ch
chenden ist es von enormer Wichtigkeit, dass die Ge-            Web:	www.caritas-beider-basel.ch/was-wir-tun/
spräche auf Augenhöhe stattfinden können. Zudem ist                      beratung
die Themenoffenheit der niederschwelligen Sozialbe-

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Ichwillhelfen

                      «Ich habe ‹Freiwilligenhilfe› gegoogelt»
                      Mergim Hasani wollte etwas von seinem Glück zurückgeben und hat
                      «Freiwilligenhilfe» gegoogelt. Er engagierte sich für die Caritas-Solidaritätsaktion
                      «Eine Million Sterne» und erhielt mehr zurück, als er geben konnte.
                      TextThisRutishauser
BildJesseNeuhaus

                                                                                   STECKBRIEF
                                                                                   Mergim Hasani  ist der jüngste von vier Brüdern in
                                                                                   einer aus dem Kosovo stammenden Familie und kam in
                                                                                   Bern zur Welt Heute arbeitet der gelernte Maurer als
                                                                                   Kranführer und lebt im Raum Zürich Sport und vegane
                                                                                   ErnährungsorgenfürdenAusgleichzurArbeitaufdem
                                                                                   Bau Er will sich in diesem Jahr wieder für «Eine Million
                                                                                   Sterne»engagieren

                                                                                 dazugehören. Noch bin ich nicht am Ziel. Seit ich ve-
                                                                                 gan lebe, kann ich mir im Spiegel wieder in die Augen
                                                                                 schauen. Meine Augen sind heller geworden. Am Rand
                                                                                 kann ich noch ein paar dunkle Schatten ausmachen.
                                                                                 Ich habe Vertrauen in diese Augen, dass ich mit ihnen
                                                                                 meinen Weg weitergehen kann.

                                                                                 Von meinem Glück wollte ich etwas zurückgeben. Im
                                                                                 Internet habe ich ‹Freiwilligenhilfe› gegoogelt. Ich bin
                                                                                 ein Macher. Ich stiess auf die Angebote von Caritas.
                                                                                 An einem Dezembertag schenkte ich meine Zeit der
                                                                                 Aktion ‹Eine Million Sterne›. Als ich hinkam, kannte
                      «Viele Leute suchen auf irgendwelchen Plattformen          ich niemanden. Am Schluss hatte ich aber das Gefühl,
                      nach einem Begleiter oder einer Begleiterin zum Bei-       für einen Moment Teil einer grossen Familie gewesen
                      spiel ans ‹Züri Fäscht›. Wenn das ‹Züri Fäscht› statt-     zu sein. Diesen Abend fasse ich heute in einer einfa-
                      findet, ist die ganze Stadt zusammen am Feiern – doch      chen Formel zusammen: ‹Ich gehörte dazu, machte,
                      scheinen viele Menschen allein oder gar einsam zu          gab und erhielt viel zurück.› Es bleibt auch die Erinne-
                      sein. Vielen von uns geht es so gut, und doch müssen       rung, dass ich etwas bewegen konnte – mit den vielen
                      wir Internethilfsmittel zu Hilfe nehmen, um eine dro-      Gesprächen mit anderen Freiwilligen.»
                      hende Einsamkeit abzuwenden. Wir leben in einer Ge-
                      sellschaft, in der viele Menschen nur ans Nehmen den-      wwweinemillionsternech
                      ken. Doch Geld allein kann es nicht sein. Wir brauchen
                      auch soziale Unternehmen und den Einsatz von allen.

                      Ich hatte Glück. Ich wurde als jüngster von vier Brü-        WOLLENSIESICHAUCHFREIWILLIGENGAGIEREN?
                      dern ins gemachte Nest geboren. Bis in meine Jugend          AlsFreiwilligeoderFreiwilligerlernenSieMenschenmit
                      war die Familie mein Halt. Diese Zeit war aber nicht         anderen Perspektiven kennen Sie helfen im Alltag und
                      nur einfach: Ich wurde gemobbt wegen meinen 100 Ki-          machenIntegrationmöglichSiekönnenIhrWissenwei-
                      los. Ich rauchte und trank Kaffee. Beides zu viel. Sport     tergebenundNeuesdazulernenMehrInformationenzu
                      – Fitness und Joggen – haben mich aus der Misere he-         den Einsätzen finden Sie auf der Website der Caritas-
                      rausgeholt. Heute bin ich auf dem Weg. Als Erwachse-         OrganisationinIhrerRegion
                      ner möchte ich in der Welt ankommen und irgendwo

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