Spotlight: Höhepunkte des DGN-Kongresses 2021 - Mitteilungen der DGN

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Spotlight: Höhepunkte des DGN-Kongresses 2021 - Mitteilungen der DGN
Mitteilungen der DGN

Spotlight: Höhepunkte des                                               Redaktion
­DGN-​Kongresses 2021                                                   Prof. Dr. Gereon Nelles, Schriftführer, nelles@dgn.org (v. i. S. d. P.)
                                                                        Neuromed-Campus Hohenlind, Werthmannstr. 1c, 50935 Köln
                                                                        Prof. Dr. med. Peter Berlit, Generalsekretär, berlit@dgn.org
                                                                        Dr. phil. Bettina Albers, Dr. med. Martina Berthold, presse@dgn.org
Auch 2021 gab es am letzten Kongresstag die Online-Sitzung              Prof. Dr. Christian Gerloff, Präsident, praesident@dgn.org
„Spotlight: Höhepunkte des Kongresses“. Unter dem Vorsitz von           David Friedrich-Schmidt, Geschäftsführer, friedrich-schmidt@dgn.org
Herrn Prof. Dr. Christian Gerloff, Hamburg, Präsident der Deut-
schen Gesellschaft für Neurologie, und von Kongresspräsident
Prof. Dr. Mathias Bähr, Göttingen, fassten Expertinnen und Ex-
perten die wissenschaftlichen Höhepunkte der jeweiligen Fach-          leiden jedoch auch junge, gesunde C   ­ OVID-19-Patientinnen und
gebiete zusammen. Es hatten sich ca. 6700 Teilnehmende ein-            -Patienten in Relation zum Risikoprofil vermehrt Schlaganfälle.
gewählt.                                                               Ein großes Problem stelle darüber hinaus die während der Pan-
                                                                       demie erschwerte Schlaganfall-Versorgung dar, denn Betroffene
                                                                       mit TIAs und leichteren Schlaganfällen suchten seltener die Klinik
Update Schlaganfall – Akutbehandlung und aktuelle                      auf. Die stationären Schlaganfall-Behandlungen sanken um 12 %,
Forschung                                                              die Thrombolyseraten um 13 % und Thrombektomien um 12–19 %
                                                                       [2]. Totenschein­analysen aus England [3] zeigten einen Anstieg der
Prof. Dr. Waltraud Pfeilschifter, Lüneburg, gab einen Überblick über   häuslichen kardiovaskulären Mortalität um 35 % und um 32 % in
die interessantesten Vorträge zum Thema Schlaganfall.                  Pflegeheimen, wobei Schlaganfälle mit 36 % die häufigste Todes-
                                                                       ursache darstellten. „Das alles macht uns Sorgen und wir müssen
Rolle der Thrombolyse in der Thrombektomie-Ära                         daher dafür werben, dass Betroffene einen Schlaganfall weiterhin
                                                                       nach dem Motto ‚Time is brain‘ als Anlass zur sofortigen Verständi-
Die gute Wirksamkeit der endovaskulären Therapie auch bei Pa-          gung des Rettungsdienstes erkennen“, betonte Prof. Pfeilschifter.
tienten mit schwerem Schlaganfall, die aufgrund von Kontrain-
dikationen keine Thrombolyse erhalten können, hatte die Frage
aufgeworfen, ob bei schweren Schlaganfällen im Fall der direk-
ten Verfügbarkeit der Thrombektomie („Direct-to-center-Patien-
ten“) eine vorherige i. v.-Thrombolyse einen zusätzlichen Nutzen
hat oder nicht sogar mit größeren Behandlungsrisiken einhergeht.
2021 gab es dazu zwei große Studien aus dem europäischen Raum,
die M
    ­ RC ­ LEAN-NO I­V („Direct endovascular treatment/dEVT ver-
sus intravenous alteplase followed by endovascular treatment in
patients with acute stroke due to a large vessel occlusion – L­ VO“)
und die ­SWIFT-direct-Studie. Nun wurden die Einzeldaten aller Teil-
nehmenden (n > 2000) in einer Metaanalyse ausgewertet [1]. Die
Ergebnisse zeigten bei vorgeschalteter Thrombolyse eine höhere
Rate erfolgreicher Rekanalisationen (­TICI ≥ 2b) und ein vergleich-
bares 90-Tages-Outcome (mRS ≤ 2) in beiden Studienarmen. Somit
konnten jegliche Sicherheitsbedenken entkräftet werden. „Auch
bei Patientinnen und Patienten, die mit einem schweren Schlag-
anfall direkt in ein Thrombektomie-Zentrum mit sofortiger Verfüg-
barkeit der endovaskulären Therapie aufgenommen werden, soll-
te vom bisherigen Standardvorgehen einer vorgeschalteten Lyse
nicht abgewichen werden“, betonte Frau Prof. Pfeilschifter.

­COVID-19 und Schlaganfälle
                                                                                                                                                       © ­DGN/Claudius Pflug

Nach zwei Jahren Pandemie ist offensichtlich, dass es im Rahmen
einer ­COVID-19-Erkrankung, insbesondere beim Vorliegen klas-
sischer Risikofaktoren, zu Schlaganfällen kommen kann – es er-

Nervenarzt 2022 · 93:203–220                                           8 Live. Interaktiv. Digital. Der 94. ­DGN-​Kongress. Prof. Christian Gerloff,
https://​doi.org/​10.1007/​s00115-​022-​01263-9                        Präsident der ­DGN, leitete zusammen mit dem Kongresspräsidenten Prof.
© The Author(s), under exclusive licence to Springer Medizin Verlag    Mathias Bähr die Sitzung und diskutierte die neuesten Forschungsergeb-
GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022                                nisse mit den Referentinnen und Referenten

                                                                                                                                            203
                                                                                                                    Der Nervenarzt 2 · 2022  
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Mitteilungen der DGN

                                                                                               gebnisses und der Mortalität. „Diese Befunde sollten zunächst nicht
                                                                                               die Therapieentscheidung leiten“, gab Pfeilschifter zu bedenken,
                                                                                               „aber sicher sollte eine vorbestehende Gebrechlichkeit in der Ge-
                                                                                               sprächsführung mit den Patienten und den Angehörigen im Hin-
                                                                                               blick auf die Erwartungen an den Rehabilitationsverlauf themati-
                                                                                               siert werden.“

                                                                                               Erhöhte Aufmerksamkeit bei Riesenzellarteriitis mit
                                                                                               intrakranieller Beteiligung
© ­DGN/Claudius Pflug

                                                                                               Die Riesenzellarteriitis mit intrakranieller Beteiligung ist die häu-
                                                                                               figste immunvermittelte Arteriitis des ­ZNS. Auch unter der Thera-
                                                                                               pie kommt es nicht selten zu ungünstigen Verläufen. In einer Stu-
                                                                                               die konnte nun ein maligner Phänotyp herausgearbeitet werden,
                        8 Prof. Waltraud Pfeilschifter, Lüneburg                               der einen besonders aggressiven bzw. hochaktiven Verlauf auf-
                                                                                               weist [9]. Die frühzeitige Erkennung sei wichtig, betonte Pfeilschif-
                        „Es steht uns vermutlich auch wieder ein hartes erstes Jahresquar-     ter, um hier besonders konsequent zu behandeln. Als intrakraniel-
                        tal bevor, in dem wir darum kämpfen werden müssen, in den Kli-         le vaskuläre Prädilektionsstellen gelten die Arteria vertebralis vor
                        niken die Kapazitäten für die Schlaganfall-Versorgung aufrechtzu-      dem Abgang der Arteria inferior posterior cerebelli (­PICA) und die
                        erhalten.“                                                             Arteria carotis interna im Siphonbereich.

                        Neurovaskuläre Komplikationen nach ­COVID-19-                          Blick in die diagnostische Zukunft
                        Impfungen
                                                                                               Das neue, noch experimentelle Bildgebungsverfahren „Magnetic
                        Die ­DGN hatte früh erkannt, dass seltene, aber voraussichtlich die    Particle Imaging“ (­MPI) [10] liefert über bisherige Möglichkeiten
                        Impfbereitschaft gefährdende Komplikationen sorgfältig unter-          hinausgehende, detaillierte Informationen zur zerebralen Perfusi-
                        sucht werden müssen, um hier übertriebenen Ängsten in der Be-          on, was künftig bei der Diagnostik und Therapie von Schlaganfäl-
                        völkerung möglichst entgegenzuwirken. Die gefürchtetste neuro-         len und anderen zerebralen Pathologien von großem Nutzen sein
                        vaskuläre Komplikation, die Sinus- oder Hirnvenenthrombose, wird       kann. Die Methode der Magnetpartikelbildgebung kann beispiels-
                        verursacht durch eine Vakzin-induzierte thrombotische Throm-           weise mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung Blutungen
                        bozytopenie (­VITT) [4, 5]. Es kommt dabei zur Bildung von Anti-       bzw. auch den Austritt von Blut in ein Hämatom hinein darstellen.
                        körpern gegen Plättchenfaktor-4. Die Diagnostik ist jedoch nicht       Die Ergebnisse lassen hoffen, so Pfeilschifter, dass die experimen-
                        ganz einfach, da zwar die Pathogenese der der Heparin-induzier-        telle Phase künftig in die Klinik überführt werden kann, erste Ge-
                        ten Thrombozytopenie ähnelt, aber nicht jede ­HIT-​Diagnostik die-     räte seien in Entwicklung.
                        se Störung erkennt, sodass spezifische ­ELISA-​Tests notwendig sind.       Ebenfalls vielversprechend sei ein Verfahren namens Schlagan-
                            Eine deutschlandweite Online-Erhebung durch die ­DGN er-           fall-Metabolomics [11], so Pfeilschifter. Biobanking bzw. die sys-
                        gab [6], dass die Inzidenz von Sinus- und Hirnvenenthrombosen          tematische Sammlung von Biomarkern bei Schlaganfällen kann
                        gegenüber der Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung (maxi-            helfen, Pathomechanismen früher zu erkennen bzw. die Schlagan-
                        mal 1,75:100.000) bei Frauen nach der Gabe eines Vektorimpfstoffs      fall-Ursache anhand molekularer Signaturen zuzuordnen. Die Ziele
                        erhöht war (24:100.000 unter 60 Jahren versus 20:100.000 ab            der Methode reichen von der Früherkennung über eine Stratifizie-
                        60 Jahren), jedoch deutlich niedriger im Vergleich zur Inzidenz bei    rung der Betroffenen und eine personalisierte Behandlung bis hin
                        einer ­COVID-19-Infektion (über 100:100.000). „Diese Daten konn-       zu neuen Behandlungsansätzen und verbesserter, fokussierterer
                        ten wesentlich dazu beitragen, das Risiko einzelner Impfstoffe für     Studienrekrutierung.
                        bestimmte Altersgruppen zu konkretisieren“, schloss Pfeilschifter.
                                                                                               Epileptologie
                        Besonderheiten bei einem Schlaganfall im höheren Alter
                                                                                               Prof. Dr. Yvonne Weber, Aachen, thematisierte die Kongresshö-
                        Eine Auswertung aus Daten der F­ IND-AF-Studie [7] zeigte über-        hepunkte aus dem Gebiet der Epilepsien, wobei sie zwei Aspek-
                        raschend deutlich, so Pfeilschifter, dass die Lebensqualität und       te besonders betonte: Zum einen werde versucht, Forschungser-
                        das psychische Wohlbefinden bei über 75-Jährigen auch ein Jahr         gebnisse direkter klinisch umzusetzen, und zum anderen habe es
                        nach einem Schlaganfall deutlich stärker beeinträchtigt sind als bei   auffällig viele Beiträge gegeben, die zeigten, wie sinnvoll und rea-
                        Jüngeren. Die Älteren erholten sich langsamer und litten vermehrt      listisch eine digitale Unterstützung von Diagnostik und Therapie-
                        an Ängsten sowie Post-Stroke-Depressionen. Eine andere Studie          entscheidungen ist.
                        untersuchte den Einfluss einer vorbestehenden Gebrechlichkeit
                        (Frailty-Scores) auf die Therapieergebnisse einer Thrombektomie
                        [8] und zeigte eine signifikante Abhängigkeit des funktionellen Er-

                        204     Der Nervenarzt 2 · 2022
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Epilepsie-Chirurgie extrem wichtige Befunde werden leicht über-
                                                                                                  sehen. „Ursache ist hier nicht immer nur das menschliche Auge,
                                                                                                  sondern auch die technische Qualität der Daten – dennoch ist die
                                                                                                  Folge, dass Betroffene dann nicht adäquat beraten und behandelt
                                                                                                  werden.“
                                                                                                      Obwohl genetische generalisierte Epilepsien klinisch häufig gut
                                                                                                  abgrenzbar sind, kann dies beispielsweise bei genetisch generali-
                                                                                                  sierten Epilepsien und Frontallappenepilepsie im Alltag schwierig
                                                                                                  sein. In diesen Situationen könnten ­MR-​Biomarker hilfreich sein;
© ­DGN/Claudius Pflug

                                                                                                  neue Wege soll hier das ­ENIGMA-​Projekt („Enhancing NeuroIma-
                                                                                                  ging Genetics through Meta-Analysis Epilepsy project“) ermögli-
                                                                                                  chen. Es ist ein Projekt zur optimierten Bildauswertung mittels au-
                                                                                                  tomatisierter Analyse verschiedener ­MR-​Modalitäten (Struktur, ­DTI,
                                                                                                  funktionelles bzw. fMRI, Resting state fMRI) [13].
                        8 Prof. Yvonne Weber, Aachen                                                  Ein weiteres Problem sind ­MR-​negative Epilepsien – auch in
                                                                                                  diesen Fällen könnte künftig die Strukturanalyse von ­FLAIR- und
                        Großer Nutzen durch Epilepsie-Register                                    T1-gewichteten M   ­ R-​Hochauflösungssequenzen automatisiert er-
                                                                                                  folgen. Eine Studie zeigte dabei trotz vermeintlicher M
                                                                                                                                                        ­ R-​Negativi-
                        Epilepsie-Register haben grundlegend dazu beigetragen, Pati-              tät eine Sensitivität von 83 % für die Nachweisbarkeit vorhandener
                        entinnen und Patienten besser zu behandeln und zu beraten. Ein            Läsionen unter spezifischer Nachbearbeitung [14]. Das Problem di-
                        wichtiges Register ist das Epilepsie- und Schwangerschafts-Regis-         gitalisierter Auswertungen sei generell eine gewisse Rate falsch po-
                        ter ­EURAP („European registry of antiepileptic drugs and pregnan-        sitiver Befunde durch technische Fehler und Artefakte, sodass die
                        cy“), das über 45 Länder mit mehr als 28.000 Fällen umfasst. Hie-         Daten nachbewertet werden müssen, erläuterte Prof. Weber. Ins-
                        raus haben sich bereits wertvolle Erkenntnisse zur Medikation bei         gesamt seien die moderne Bildgebung sowie die Nachbearbeitung
                        Epilepsie vor und während einer Schwangerschaft ergeben, so We-           technisch sehr weit fortgeschritten, was die operativen Möglichkei-
                        ber. Unter anderem wurden Fragen zur Kontrazeption bzw. Ver-              ten deutlich verbessere. „Die automatisierte Auswertung wird künf-
                        meidung von Embryopathien geklärt, wodurch die medikamen-                 tig eine weitere große Hilfestellung sein, kann jedoch das mensch-
                        töse Einstellung vieler Patientinnen verbessert werden konnte. Ein        liche Auge nicht ersetzen.“
                        zweites, das ­DESIRE-​Register („Development and Epilepsy – Strate-           Die epilepsiechirurgischen Optionen sind grundsätzlich sehr
                        gies for Innovative Research to improve diagnosis, prevention and         gut, allerdings nur, wenn strukturelle Ursachen bzw. läsionelle
                        treatment in Epilepsy“), mit über 9500 Fällen umfasst insbesonde-         Epilepsien vorliegen. Oftmals sind Läsionen jedoch im 3-Tesla-­
                        re neuropathologische und epilepsiechirurgische Daten mit einem           MRT nicht erkennbar, die erst in der Hochfeld-­MR-​Untersuchung
                        Follow-up über 25 Jahre. Hier konnte ebenfalls eine verbesserte           mit 7-Tesla-cMRT sichtbar waren (Sensitivität ca. 30 %) [15].
                        Beratung hinsichtlich prächirurgischer Aspekte und des Verlaufs
                        abgeleitet werden.                                                        Telemedizin in der Epileptologie
                            Eine digitalisierte Erfassung aller genetischen Epilepsien bzw.
                        Epilepsie-Syndrome ist notwendig, so Weber, um diese besser               Auch in der Epileptologie nehmen die Möglichkeiten der Teleme-
                        durch digitale Systeme verarbeiten zu können. In einem speziel-           dizin zu. So kann eine „Doc-to-Doc“-Kommunikation bei der Dia-
                        len Projekt zu genetischen Epilepsie-Befunden („Treat Ion“/Epi-           gnostik und zur Verbesserung der Versorgungsqualität eingesetzt
                        Reg) werden Phänotypen inklusive Therapien, Verläufen und des             werden. Es sind bereits mehrere Netzwerke aktiv, um Expertenwis-
                        Outcomes digitalisiert erfasst. Vorgesehen sei, aus der Datenfülle        sen zur Verfügung zu stellen und aus den Zentren herauszutragen.
                        (z. B. Hauptgenfaktoren und Risikofaktoren/Risikogene) Kenntnisse         Nachteilig ist noch, dass es sich um lokale Netzwerke handelt, die
                        abzuleiten, die direkt in die klinische Arbeit einfließen sollen. Mit     nicht miteinander verknüpft sind. Der zweite Aspekt ist die „Pa­
                        dem ­HPO-​Verfahren („human phenotype ontology“) werden Phä-              tient-to-Doc“-Kommunikation, auch sie beinhaltet Anfallserken-
                        notypen (Anfallstypen) und Genotypen in Assoziation zur Thera-            nung, Diagnosestellung und Therapieentscheidungen. Es gibt ver-
                        pie digital erfasst [12]. Es zeigte sich, dass innerhalb der vielen un-   schiedene Epilepsie-Management-Apps (z. B. „helpilapsy“ und „epi
                        übersichtlichen Syndrome eine Systematik darstellbar ist. Auf Basis       vista“), jedoch auch diese kommunizieren noch nicht miteinander.
                        dieser Kohortenergebnisse wird auch bei seltenen Syndromen eine
                        bessere Beratung Betroffener möglich.                                     Digitale Anfallsdetektion und Dokumentationshilfen

                        Bildgebung mit automatisierter Auswertung in der                          Die Notwendigkeit einer apparativen Anfallsdetektion ergibt sich
                        Epileptologie                                                             aus der Erkenntnis, dass mittels Anfallskalendern ungefähr 40 %
                                                                                                  der generalisierten Anfälle und sogar bis zu 70 % der fokalen An-
                        Bei der Auswertung epileptologischer Bildgebung müsse, wie Prof.          fälle nicht erfasst werden [16]. „Wir therapieren in solchen Fällen
                        Weber hervorhob, mit einer menschlichen Fehlerrate von 20 % bis           also mit einem extremen systematischen Fehler, denn man kann
                        40 % gerechnet werden; vor allem sehr kleine, aber gerade für die         sich auf Anfallskalender überhaupt nicht verlassen“, so Weber. Op-

                                                                                                                                                                  205
                                                                                                                                          Der Nervenarzt 2 · 2022  
Spotlight: Höhepunkte des DGN-Kongresses 2021 - Mitteilungen der DGN
Mitteilungen der DGN

timal wäre ein permanentes ­EEG-​Monitoring, das Verfahren sei je-
doch nicht alltagstauglich aufgrund der Stigmatisierung beim Tra-
gen und der nicht ausreichend automatisierten ­EEG-​Auswertung.
Dennoch gibt es inzwischen einige kommerziell verfügbare Geräte,
die in der Regel als Arm- oder Brustband getragen werden und ver-
schiedene Parameter wie Bewegung, elektrodermale Aktivität und
Herzfrequenz auswerten. Die Sensitivität für generalisierte tonisch-
klonische Anfälle sei mit 90 bis 100 % bei manchen Geräten gut.
Nachteilig sei jedoch, dass diese Geräte lediglich tonisch-klonische

                                                                                                                                                © ­DGN/Claudius Pflug
Anfälle detektieren und nicht die wesentlich entscheidenderen fo-
kalen Anfälle mit Bewusstseinsstörung, betonte Weber. Außerdem
können Fehlalarme für die Betroffenen sehr störend sein.
    Das Projekt ­RADAR-CNS („remote assessment of disease and
relapse – central nervous system“) [17] soll eine Bedarfsanalyse er-
stellen, welche tragbare Geräteart Patientinnen und Patienten fa-       8 Prof. Heinz Wiendl, Münster
vorisieren bzw. akzeptieren würden; welche Fragen durch solche
„Wearables“ überhaupt beantwortet werden sollen bzw. wobei sie          auch ein Positionspapier der ­MSTKG entstanden. Zusammenfas-
unterstützen sollen. Geplant sind stationäre und ambulante Studi-       send lasse sich sagen, dass die Kernaussage der neuen ­DGN ­LL ­MS
en und Testszenarien mit dem Ziel, eine multimodale Anfallsdetek-       zur verlaufsmodifizierenden Therapie ist: so viel wie nötig, so we-
tion sowie die Integration interaktiver Smartphone-Anwendungen          nig wie möglich („Treat-to-target-Strategie“), mit einer sehr star-
zu evaluieren.                                                          ken Gewichtung der Therapiesicherheit. In einer Pro- und Contra-
    Beim ­CDS-​System/­CDSS („clinical decision support system“) han-   Diskussion wurde dieser Strategie das Konzept der „bestmöglichen
delt es sich ebenfalls um ein digitales Hilfssystem des Gesundheits-    Krankheitskontrolle unter der bestmöglichen Lebensqualität“ („hit
wesens als Entscheidungshilfe für ein individualisiertes Erkrankungs-   hard/smart and early“) gegenübergestellt (die wesentliche Kenn-
management (Diagnostik und Therapie). Betroffene haben dabei die        linie der ­MSTKG-Position). Die Gewichtung der Therapiesicherheit
Möglichkeit, Daten einzugeben (z. B. Verträglichkeit von Medika-        sowie die Einflussnahme-Möglichkeiten und Präferenzen von Be-
menten), und auch die Behandelnden können darauf zugreifen und          troffenen seien enorm wichtig, allerdings dürften sie nicht über
Einträge vornehmen. Die Verarbeitung erfolgt auf der Basis von Wis-     die Möglichkeiten der modernen M   ­ S-​Therapie, nämlich langfristig
sen und Datenbanken (z. B. Medikamenteninteraktionen, Leitlinien,       Behinderung zu vermeiden, gestellt werden.
Literatur, Expertenmeinungen); ein Algorithmus kann dann automa-            Der Vergleich beider Strategien ist auch Gegenstand aktueller
tisiert Diagnosen, Hilfestellungen und Therapieempfehlungen aus-        Studien, beispielsweise beim Vergleich von Registerdaten aus Dä-
geben. Am Uniklinikum Aachen soll im Frühjahr 2022 eine klinische       nemark (langsame Eskalation) und Schweden (primär hochaktive
Studie im Rahmen des ­EDITH-​Projekts („Epilepsie richtig diagnosti-    Therapie) [19]. Hier zeigte sich hinsichtlich der Zunahme des Be-
zieren und therapieren“) starten, welche die Leitlinien-Adhärenz bei    hinderungsgrads eine klare Überlegenheit der frühen hocheffekti-
Verwendung dieses ­CDSS und ohne ­CDSS vergleichen soll.                ven ­DMT. „Die Daten sollten auch den Patientinnen und Patienten
                                                                        dargelegt werden“, so Wiendl.
Multiple Sklerose und Neuroimmunologie
                                                                        Schubunabhängige Progression
„Die Neuroimmunologie ist einer der wesentlichen Innovations-
treiber in der Neurologie“ – mit dieser Aussage begann Prof. Dr.        Ein sehr wichtiges Forschungsthema ist die Progression der Multip-
Heinz Wiendl, Münster, seinen Vortrag im Spotlight-Symposium.           len Sklerose, also wann und wie es zur Neurodegeneration kommt.
Viel habe sich im vergangenen Jahrzehnt in der M ­ S-​Therapie ge-      Die klassische Einteilung in schubförmige M  ­ S (­RRMS), sekundär
tan, aber es gebe noch immer offene Forschungsfragen, wie letzt-        progrediente ­MS (­SPMS) und primär progrediente ­MS (­PPMS) wird
lich auch die aktuelle Debatte um die neue S2k-Leitlinie „Diagnose      inzwischen zunehmend verlassen, man spricht vielmehr von „re-
und Therapie der ­MS“ zeige.                                            lapsing“ und „progressiver“ ­MS. Eine zunehmende neurologische
                                                                        Behinderung stehe einerseits im Zusammenhang mit den Schü-
Neue S2k-Leitlinie „Diagnose und Therapie der ­MS“                      ben, zum anderen trete sie auch unabhängig davon auf. Neue Akro-
                                                                        nyme seien daher R­ AW („relapse associated worsening“) und P­ IRA
Auf dem Kongress gab es ein eigenes Symposium mit Informatio-           („progression independent of relapse activity“), erläuterte Wiendl.
nen und wissenschaftlichen Diskussionen zu den neu publizierten             Das ­PIRA-​Phänomen setzt nach jüngsten Daten schon sehr früh
S2k-Leitlinien von ­AWMF und ­DGN [18]. Die Empfehlungen sollen         im Krankheitsverlauf der ­MS ein und bei einem relevanten Anteil
besonders das Management der verlaufsmodifizierenden ­MS-​Im-           von Patientinnen und Patienten. Von daher sollte die M ­ S von Be-
muntherapie verbessern (z. B. Therapiebeginn, Eskalation und De-        ginn an als potenziell progrediente Erkrankung gesehen werden,
eskalation). Es ist vorgesehen, die Leitlinie regelmäßig als „living    in unterschiedlicher Ausprägung der Progredienz, betonte Wiendl.
guideline“ anzupassen bzw. weiterzuentwickeln, erläuterte Prof.         Laut neueren Studien seien über 30 % der Patientinnen und Patien-
Wiendl. Die Leitlinie habe viel Diskussion generiert, parallel sei      ten von ­PIRA betroffen. „Das ist eine ziemlich erschütternde Bot-

206     Der Nervenarzt 2 · 2022
Spotlight: Höhepunkte des DGN-Kongresses 2021 - Mitteilungen der DGN
schaft, vor allem wenn man bedenkt, wie nachlässig oftmals mit             Eomesodermin sei möglicherweise sogar geeignet, im peripheren
der Frühtherapie umgegangen wird“, kritisierte Wiendl.                     Blut zwischen primär und sekundär progredienter M      ­ S zu diskrimi-
                                                                             nieren.
Neue Immuntherapien und -strategien in der Neurologie                           Für die Verlaufsbeurteilung und Therapiekontrolle der M        ­S
                                                                             kommt in erster Linie das M  ­ RT zum Einsatz. 2021 wurde erstmals
„Mit der Neuroimmunologie als Innovationstreiber für Therapien             ein internationales Positionspapier zu vereinheitlichten ­MRT-​Stan-
kommt eine extrem interessante und reichhaltige Werkzeugbox                dards bei M ­ S publiziert [24]. Die Konsensus-Empfehlungen des Eu-
auf uns zu; auch für neue Indikationen“, erklärte Prof. Wiendl. Dabei        ropäischen Netzwerks ­MAGNIMS („Magnetic Resonance Imaging in
gebe es neue Hoffnung für Patientinnen und Patienten auch über             ­MS“), des C ­ MSC („Consortium of Multiple Sclerosis Centers“) und
die M
    ­ S hinaus, beispielsweise bei N
                                   ­ MOSD-​Spektrum-Erkrankungen            ­der NAIMS („North American Imaging in ­MS Cooperative“) beinhal-
und Myasthenia gravis [20]. Neue Antikörpertypen wirken teilweise            ten technisch vereinfachte und verkürzte M ­ RT-​Protokolle.
nach anderen Prinzipien als bisher, sie kombinieren Fc-Modifikati-              Bei steroidresistenten M ­ S- oder N
                                                                                                                   ­ MOSD-​Schüben erfolge an-
onen mit neuen Zielantigenen; sie senken Gesamtimmunglobulin,              stelle einer Steroideskalation zunehmend häufiger bzw. nieder-
richten sich gegen ­FcRN- bzw. Fc(γ)-Rezeptoren, selektiv gegen ­IL-6      schwelliger der Einsatz von Immunadsorption oder Plasmapherese.
oder Komplementfaktoren.                                                   Zurzeit wird nach zellulären Biomarkern und klinischen Prädiktoren
    Speziell für die M
                     ­ S-​Therapie richten sich derzeit große Erwar-       für das Therapieansprechen gesucht. Das Therapieansprechen auf
tungen auf die oral applizierbaren Inhibitoren der Bruton-Tyrosinki-       die Immunadsorption hängt in erster Linie von IgG1-assoziierten
nase (­BTK-​Blocker). Hier gebe es gerade gleichzeitig vier Phase-­III-​   autoimmunen Mechanismen ab; als möglicher negativer Prädiktor
Programme (bei ­RMS sowie ­PMS) mit verschiedenen ­BTK-​Blockern.          wurde die Aktivierung der zellulären zytotoxischen Autoimmunität
Die Substanzen wirken nicht nur auf B-Zellen, sondern auch auf             bei Non-Respondern identifiziert [25]. Eine andere Studie [26] er-
innate Elemente des Immunsystems, so die myeloiden Zellen. Zu-             gab, dass es sich bei der Wirkung der Plasmapherese nicht nur um
dem besitzen sie eine Gehirngängigkeit [21] – im Gegensatz zu              ein Auswaschen von humoralen Faktoren handele, sondern dass T-
Antikörpern. Man hoffe, über diesen Weg sowohl die periphere als           Helferzellen für besseres Therapieansprechen eine Bedeutung zu
auch die Kompartment-Inflammation im ­ZNS einzudämmen und                  haben scheinen.
damit auch progredienzfördernde Mechanismen zu stoppen, er-
klärte Wiendl.                                                             Last, but not least: ­MS und ­COVID-19

Neues zur Pathogenese: die Meningen als B-Zell-                            Zum Thema ­MS und ­COVID-19 konnten in den letzten zwei Jah-
Reservoir                                                                  ren viele Fragen beantwortet werden. Wie Wiendl betonte, könne
                                                                           eine ­SARS-CoV-2-Infektion ­MS-​Schübe auslösen – wie viele ande-
Privatdozent Dr. Gerd Meyer zu Hörste, Münster, erhielt den Wis-           re Infektionen auch, besonders Viruserkrankungen. ­MS-​Betroffene
senschaftspreis der ­DGN 2021 für wegweisende Erkenntnisse zur             haben aber per se kein erhöhtes Ansteckungsrisiko oder Risiko für
Entstehung autoimmun-entzündlicher Erkrankungen des Nerven-                einen schwereren Verlauf. Eine spezielle Situation bestehe jedoch
systems. Gezeigt wurde [22], dass das zentrale Nervensystem ein            unter bestimmten Immuntherapien, problematisch seien vor al-
B-Zell-Reservoir darstellt. Speziell die Dura mater erwies sich un-        lem Steroidbehandlungen und CD20-depletierende Therapien, un-
erwartet als Ort einer B-Zell-Residenz und möglicherweise einer            ter denen es zu schwereren Erkrankungsverläufen kommen könn-
B-Zell-Reifung im Rahmen von Homöostase und Neuroinflamma-                 te. Auch Alter, höhere Behinderung und zusätzliche Risikofaktoren
tion. Ähnlich dem Knochenmark beherbergt die gesunde Dura B-               (Rauchen, kardiovaskuläres Risikoprofil) gehören zu den Risikofak-
Zell-Vorläufer, sodass von hier direkt myeloide Zelltypen expan-           toren für einen schwereren Verlauf.
dieren können. Es scheint pathophysiologisch sinnvoll, so Wiendl,              Die Impfung gegen ­SARS-CoV-2 gilt für ­MS-​Betroffene als si-
dass ortsständige, duraresidente Zellen auch direkt mit neuroin-           cher und wirksam, auch unter der Mehrzahl möglicher Immun-
flammatorischen Erkrankungen in Zusammenhang stehen – pas-                 therapien. Eine deutlich verminderte Antikörper-Impfantwort ist
send zum Konzept der Kompartmentalisierung der Entzündung.                 allerdings bei Anti-CD20-Therapien zu erwarten. „Wir motivieren
                                                                           unsere Patientinnen und Patienten zur Corona-Impfung, denn eine
Biomarker für die ­MS-​Progression und Kontrolle des                       schwächere Immunantwort ist trotzdem immer besser als gar kei-
Therapieansprechens                                                        ne“, betonte Wiendl. Hinzu komme, dass nach neuen Studien zwar
                                                                           eine verminderte humorale, aber durchaus eine zelluläre Immun­
Für die Therapiekontrolle, Prognose und Diagnostik existierten             antwort erwartet werden könne.
bislang nur bei wenigen neurologischen Erkrankungen Biomarker
oder Biosignaturen. Ein optimaler Biomarker sollte gleichzeitig kli-       Bewegungsstörungen
nisch hilfreich sein und die Pathogenese und/oder Progression er-
klären, so Wiendl.                                                         Prof. Dr. Heinz Reichmann, Dresden, widmete sich aktuellen The-
   Eine Studie [23], die auf dem Kongress einen E-Poster-Preis er-         men aus dem Gebiet der Bewegungsstörungen, zu welchen der
hielt, suchte nach präklinischen M
                                 ­ S-​Progressionsmarkern im peri-         Kongress mit 29 Hauptvorträgen, mit Beiträgen im Präsidenten-
pheren Blut und konnte den Transkriptionsfaktor Eomesodermin               symposium, einem Videoforum und ca. 50 Postern viel zu bieten
identifizieren, der von bestimmten T-Helferzellen exprimiert wird.         hatte.

                                                                                                                                             207
                                                                                                                     Der Nervenarzt 2 · 2022  
Spotlight: Höhepunkte des DGN-Kongresses 2021 - Mitteilungen der DGN
Mitteilungen der DGN

                                                                                             Behandlung möglich sei (d. h. bei deutlich asymmetrischem Mor-
                                                                                             bus Parkinson bzw. einseitigem Tremor); vermutlich sei in Zukunft
                                                                                             jedoch auch eine bilaterale Behandlung denkbar. Darüber hinaus
                                                                                             werde die Anwendung künftig weiter optimiert werden müssen,
                                                                                             dies betreffe neue Indikationen, Patientenauswahl, Erfassung von
                                                                                             Langzeiteffekten und Nebenwirkungen (z. B. Halbseitenlähmung,
                                                                                             Sprachstörungen, Dyskinesieauslösung).
                                                                                                 Ein Vorteil des ­MRgFUS gegenüber der ­THS sei das geringere Ri-
© ­DGN/Screenshot

                                                                                             siko von Blutungen und Infektionen, außerdem entfallen Narkose-
                                                                                             risiko und potenzielle Elektrodendislokationen. Auch gebe es nun
                                                                                             für geeignete Patientinnen und Patienten eine Alternative, die zu
                                                                                             große Angst vor einer offenen Gehirnoperation hätten.
                    8 Prof. Heinz Reichmann, Dresden
                                                                                                 „Ich glaube, dass der M
                                                                                                                       ­ RgFUS eine wichtige neue Facette in die
                                                                                             Versorgung der Patientinnen und Patienten bringt, der bestehen-
                    ­MR-​gesteuerter fokussierter Ultraschall                                de spannende Diskurs sollte aber im akademischen Feld bleiben“,
                                                                                             merkte Reichmann an.
                    Der ­MR-​gesteuerte fokussierte Ultraschall (­MRgFUS) ist eine läsi-         Doch gerade der Vergleich mit der tiefen Hirnstimulation sei
                    onelle Technik, mit der Gewebestrukturen ohne Operation gezielt          wichtig, denn auch diese entwickle sich immens weiter (bedarfs-
                    ausgeschaltet werden können. Mittels ­MRT erfolgten die Zielloka-        gesteuerte, adaptive Stimulation, lernfähige Algorithmen, A ­ I-​Pro-
                    lisation und die Temperaturkontrolle; mit einem sehr starken fo-         gramme).
                    kussierten Ultraschall können dann millimetergenau thermische                Es gibt erste Übersichten, die mögliche Einsatzgebiete der bis-
                    Läsionen gesetzt werden. Dazu erfolgt eine Gewebeerwärmung               her wichtigsten Therapieoptionen des M. Parkinson (Apomorphin,
                    zunächst auf 50 Grad. Dabei wird kontrolliert, ob die Zielsymptome       Duodopa, ­THS) mit dem ­MRgFUS vergleichen. Die Effekte auf be-
                    zurückgehen, und dann die Temperatur auf 60 Grad erhöht und die          stimmte Symptome seien hier teilweise unterschiedlich und ent-
                    Zielstruktur deaktiviert.                                                sprechend seien die Einsatzgebiete zu wählen, betonte Reichmann.
                        Gesicherte Indikationen (Klasse-1-Evidenz) seien der essenzielle     So sei beispielsweise im Gegensatz zur ­THS der fokussierte Ultra-
                    Tremor [27], der tremordominante M. Parkinson [28] und ein hoch-         schall auch bei kognitiven Störungen/Demenz sowie bei Sprech-
                    gradig asymmetrischer M. Parkinson [29], erweiterte Indikationen         und Schluckstörungen eine Option.
                    (mit Anwendung in Studien) der M. Parkinson mit Wirkungsfluktu-
                    ation und leichten Peak-Dose-Dyskinesien [30] sowie bestimmte            Oropharyngeale Dysphagie und Schlucktraining
                    andere Tremores (z. B. Holmes-Tremor, ­MS-​Tremor) [31]. Darüber
                    hinaus kämen perspektivisch Indikationen infrage wie Schmerz,            Wenn Parkinson-Erkrankte auf ihre Medikamente nicht gut anspre-
                    Epilepsie, Blut-Hirn-Schranken-Eröffnung, Dystonie, Demenz [32].         chen, ist nicht selten eine Schluckstörung das eigentliche Problem,
                        Die Zielpunktauswahl bei M. Parkinson mit einem beeinträch-          begann Reichmann das nächste Thema. Schluckstörungen träten
                    tigenden, einseitigen Tremor betrifft in erster Linie Strukturen des     bei vielen Parkinson-Kranken sehr früh auf und würden viel zu sel-
                    Thalamus (Nucleus subthalamicus ­STN, Nucleus ventralis interme-         ten diagnostiziert – nach der Literatur seien jedoch bis zu 80 % der
                    dius VIM). Während bei der tiefen Hirnstimulation (­THS) bestimmte       Kranken im Verlauf betroffen [34], erinnerte er. Folgen sind Man-
                    Regionen moduliert werden, schaltet der ­MRgFUS die Zielstruktur         gelernährung, reduzierte Lebensqualität und Aspirationspneumo-
                    ganz aus (Subthalamotomie). In einer randomisierten Studie [32]          nien. Die Behandlungsmöglichkeiten von Schluckstörungen seien
                    halbierte sich die Symptomlast in der Verumgruppe. Bei Patientin-        bislang nicht zufriedenstellend, daher sei die ­EMST-​Methode („ex-
                    nen und Patienten, die unter geringen Levodopa-Dosen schwere             spiratory muscle strength training“) von besonderem Interesse.
                    Dyskinesien entwickeln, könne als Zielstruktur wie bei der ­THS der      Das exspiratorische Muskelkrafttraining führte in einer früheren
                    Globus pallidus internus (GPi) auch mit M ­ RgFUS angegangen wer-        Studie zur Verbesserung der Schlucksicherheit (Penetration/Aspira-
                    den (direkter antidyskinetischer Effekt).                                tion-Score) [35]. Nun wurden erstmals die Effekte auf die Schluckef-
                        Eine ganz aktuelle Studie ging der Frage nach, ob bei Tremor-        fizienz untersucht (5 × wöchentlich, über vier Wochen häusliches
                    Erkrankten die Läsionierung des ­VIM oder des Tractus cerebello-         Atemtraining mit definierten Übungen mit einem speziellen Gerät)
                    thalamicus entscheidender ist [33]. Dazu wurden die individuellen        [36]. Nach vierwöchigem Training sowie nach weiteren zwei Mo-
                    Läsionen von erfolgreich behandelten Patientinnen und Patienten          naten zeigte sich eine deutlich verbesserte Schluckeffizienz (­FEES-​
                    mittels M
                            ­ R-​Traktographie lokalisiert und gezeigt, dass Traktusläsio-   Befund) gegenüber der Sham-Kontrollgruppe.
                    nen vorherrschend waren.
                        Insgesamt seien bei dem Verfahren des ­MRgFUS noch viele Fra-        Abgrenzung von Bewegungsstörungen und
                    gen offen und die bisherigen Behandlungsserien seien noch klein,         funktionellen Störungen
                    fuhr Reichmann fort. Technische Limitationen des ­MRgFUS umfass-
                    ten zu weit lateral gelegene Zielstrukturen, die teilweise nicht aus-    Auch für erfahrene Behandelnde sei es manchmal schwierig, funk-
                    reichend erhitzbar sind. Der größte Nachteil der Methode sei der-        tionelle Störungen von einer definierten Bewegungsstörung ab-
                    zeit, dass im Hinblick auf die Patientensicherheit nur eine einseitige   zugrenzen; die Diagnose einer funktionellen Bewegungsstörung

                    208     Der Nervenarzt 2 · 2022
Spotlight: Höhepunkte des DGN-Kongresses 2021 - Mitteilungen der DGN
ist oft anspruchsvoll. Für den klinischen Alltag sei eine gezielte,
orientierende Objektivierung von Symptomen daher besonders
relevant [37, 38], so Reichmann. Auf ein funktionelles bzw. psy-
chogenes Parkinson-Syndrom weisen jedoch bestimmte Untersu-
chungsbefunde hin, beispielsweise ein Tremor, der durch Ablen-
kung sistiert, fehlende Mikrographie, eine Gangstörung mit dicht
am Körper gehaltenen Armen (auch beim Rennen), ein verlang-
samter Gang ohne Freezing oder ein Rigor mit starkem Gegenhal-

                                                                                                                                                 © ­DGN/Screenshot
ten ohne Zahnradphänomen.

Integrierte Versorgung
                                                                         8 Prof. Christine von Arnim, Göttingen
Die Therapie funktioneller Bewegungsstörungen ist komplex, opti-
mal sei ein multidisziplinäres Herangehen, das von Neurologinnen
und Neurologen koordiniert werden sollte. Notwendig seien meist          Vorgehen deutlich; denn wenn kein Biomarker nachweisbar sei,
viele Komponenten wie Psychoedukation, Psychotherapie (kogni-            werde verstärkt nach Differenzialdiagnosen gesucht, so von Arnim.
tive Verhaltenstherapie), Neurophysiotherapie, Ergotherapie, Lo-         „Auch bei ­MCI (‚mild cognitive impairment‘) hängt inzwischen das
gopädie [39–41]. Die interdisziplinäre Langzeitbehandlung erfol-         Prozedere davon ab, ob eine biologisch definierte Diagnose vor-
ge heutzutage optimalerweise bedürfnisorientiert/individualisiert        liegt“, erläuterte von Arnim.
und flexibel („Hilfe zur Selbsthilfe“), so Reichmann. Vergleichbare          Etablierte Liquormarker wie Beta-Amyloid 40/42 oder Tau-Pro-
integrierte Versorgungskonzepte bei Parkinson-Betroffenen finde          tein werden zunehmend durch umfangreiche neue Biomarker-Ent-
man beispielsweise in den Niederlanden [42]. Auch hier wird zur          wicklungen in der Differenzialdiagnostik ergänzt, die künftig zur
Patientenführung und -edukation eine große Zahl an Behandeln-            Diskriminierung zwischen A  ­ D und anderen neurodegenerativen
den bzw. Ressourcen benötigt, dies sind Physiotherapie, Neurochi-        Erkrankungen oder z. B. für vaskuläre Demenzen oder Parkinson-
rurgie, Ernährungsberatung, Logopädie, Parkinson-Nursing, Apo-           Demenz zum Einsatz kommen werden. Neben den Liquormarkern
theken, Geriatrie, Sozialarbeitende und andere Alltagshilfen.            seien bedeutende Fortschritte in der Blutbiomarkerdiagnostik zu
                                                                         verzeichnen. Von besonderer Bedeutung scheine auch das Verhält-
Studien zur Neuroprotektion                                              nis verschiedener Blutbiomarker zueinander zu sein; beispielsweise
                                                                         das Gesamt- und das Phospho-Tau [44]. Gerade hier habe sich die
Besonders bei Bewegungsstörungen, die mit Proteinfehlfaltung             Technik der Multiplex-Assays stark weiterentwickelt und werde in
und neurozellulärer Aggregatbildung einhergehen, liegt es nahe,          den nächsten Jahren den Weg in die Klinik finden und das Vorge-
so Reichmann, Interventionsmöglichkeiten zu untersuchen, die             hen weiter verändern, so von Arnim. Neben den Konzentrationen
molekularchemisch genau dort angreifen. So soll die Aggregati-           von Biomarkern spielen auch die Eigenschaften von Proteinen bzw.
on von Tau-Proteinen beispielsweise bei der progressiven supra-          Biomarkern eine Rolle – wie beispielsweise Aggregationseigen-
nukleären Blickparese bzw. 4R-Tauopathien [43] verhindert wer-           schaften bei neurodegenerativen Erkrankungen [45].
den; oder die Weitergabe von α-Synuclein von Zelle zu Zelle. Etliche         Ein ganz neuer Marker für neuronale Schäden bei der Alzhei-
Studien laufen bereits, wobei neben monoklonalen Antikörpern             mer-Krankheit ist Visinin-like-Protein-1 (­VILIP-1) [46]. Der Marker
auch Antisense-Oligonukleotide zum Einsatz kommen. Angriffs-             zeigte bei ­AD-Patientinnen und -Patienten eine signifikante Erhö-
punkte sind dabei Gene wie ­MAPT („microtubule-associated pro-           hung im Liquor. ­VILIP-1 könnte zunächst zur Stratifizierung der Pa-
tein tau“), ­SNCA (Synuclein), LRRK2 („leucine-rich repeat kinase 2“),   tienten in Therapiestudien und als Surrogat-Parameter zur Effekti-
SOD1 („superoxide dismutase1“) und ­HTT (Huntingtin).                    vitätskontrolle neuroprotektiver Therapien zum Einsatz kommen.
                                                                             „Das Potenzial neuer Biomarker-Entwicklungen zur besseren
Altern und demenzielle Erkrankungen                                      Einordnung, Charakterisierung bzw. biologischen Klassifizierung
                                                                         der Erkrankungen halte ich für immens“, so von Arnim.
Prof. Dr. Christine von Arnim, Göttingen, stellte die wichtigsten Bei-
träge zum Thema Altern und demenzielle Erkrankungen dar.                 Stellenwert von Tau- und Amyloid-­PET in der
                                                                         Bildgebung
Diagnostik und Früherkennung
                                                                         Die P­ ET-​Marker für den Amyloid-Nachweis sind inzwischen eta-
Die ­ATN-​Klassifikation, die ursprünglich ein Forschungskonstrukt       bliert und gut validiert. Die Validierung von vielen wissenschaftlich
darstellte, so Prof. von Arnim, findet weltweit wie auch in Deutsch-     eingesetzten Tau-Tracern (in Ante-mortem-/Post-mortem-Studien)
land zunehmend den Weg in die klinische Praxis. Damit habe sich          steht dagegen noch aus. Während in präklinischen und prodroma-
das Bild der Alzheimer-Demenz gewandelt – von der rein klini-            len Stadien der Alzheimer-Erkrankung die Amyloid-Marker nicht
schen Beschreibung zu einer klinisch-biologischen Diagnose, die          durch Tau ersetzbar sind, kann das Tau-­PET bei manifester A ­ D zum
definiert wird durch Amyloid (A), Tau-Protein (T) und Neurodege-         Erkenntnisgewinn bei der Differenzialdiagnostik beitragen [47].
neration (N). Die biologische Diagnostik beeinflusst das klinische       Das Tau-Protein scheint im Verlauf der Alzheimer-Erkrankung eine

                                                                                                                                          209
                                                                                                                  Der Nervenarzt 2 · 2022  
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Mitteilungen der DGN

wichtige Rolle zu spielen; der klinische Nutzen des Tau-PETs muss    im mittleren Lebensalter zu identifizieren. Eine Studie [49] unter-
jedoch noch weiter quantifiziert werden. Gegenüber dem Beta-         suchte daher Insomnie-Betroffene mit einfachen Screeningtools
Amyloid-Imaging, das sich zur Darstellung des neurodegenerati-       (Montreal Cognitive Assessment/­MoCA, Pittsburgh sleep quality
ven Typs eignet, und dem ­FDG-PET (mit F-18-Desoxyglukose), das      Index/­PSQI, insomnia severity Index/iSI und Polysomnographie)
die räumliche Verteilung der Neurodegeneration abbildet, hat die     und konnte kognitive Defizite nachweisen, die mit der objektiven
Tau-­PET-​Bildgebung den Vorteil, dass sie den Typ der Neurodege-    und subjektiven Schlafqualität korrelierten, nicht jedoch mit Angst-
neration und die räumliche Verteilung kombiniert darstellen kann.    und Depressionssymptomen.
Die Lokalisation stimmte dabei gut mit den Braak-Stadien überein.
                                                                     Neues zur frontotemporalen Demenz
(Nichts) Neues zur Therapie neurodegenerativer
Erkrankungen?                                                        Entgegen der bisherigen Lehrmeinung, dass die Verhaltensvariante
                                                                     der frontotemporalen Demenz (behaviorale F­ TD bzw. bvFTD) nicht
Seit ungefähr 20 Jahren scheinen effektive Therapien gegen neu-      mit Gedächtnisstörungen einhergehe, zeigte eine Studie [50] bei
rodegenerative Erkrankungen wie die Alzheimer-Demenz immer           41 % der Betroffenen im Frühstadium einer bvFTD primär enko-
wieder greifbar nahe, doch gingen Studien mit Medikamenten (wie      dierungsbezogene, amnestische Gedächtnisstörungen (verbale
Beta-Sekretase, Gamma-Sekretase, Tau-Antikörper) negativ aus.        und nonverbale Wiedererkennungsleistung). Bei Vorhandensein
Besonders wichtig sei dann, so von Arnim, zu klären, weshalb die     von Gedächtnisstörungen und Verhaltensstörungen war die funk-
Therapien nicht funktionierten. So habe beispielsweise die Beta-     tionale Beeinträchtigung stärker. Außerdem war eine Atrophie im
Sekretase neben der Förderung der Amyloid-Bildung noch ande-         Hippocampus und der Amygdala nachweisbar.
re Funktionen, sie spiele nämlich auch bei der Amyloid-Clearance         Zusammenfassend wies Frau Prof. von Arnim auf die Wichtigkeit
eine Rolle [48].                                                     guter Register und Netzwerke hin, um am Patientenprofil neue Di-
    Eine neue Ära der Alzheimer-Therapie könnte mit dem Antikör-     agnostikmethoden wie Biomarker und auch Therapien in der Brei-
per Aducanumab beginnen, wobei auch andere Substanzen mit            te zu charakterisieren und zu evaluieren. Hier leiste die Gründung
ähnlichem Wirkmechanismus untersucht werden. Der Amyloid-An-         des „Deutschen Netzwerks Gedächtnisambulanzen“ einen wichti-
tikörper Aducanumab war klinisch vielversprechend und hatte in       gen Beitrag.
einer Phase-1-Studie im P­ ET eine eindrucksvolle Amyloid-Reduk-
tion gezeigt. Phase 3 wurde direkt angeschlossen mit den paralle-    Literatur
len Studien ­EMERGE und ­ENGAGE. Beide Studien waren nach ei-
ner Zwischenanalyse („Futility-Analyse“) gestoppt worden. Später      1. Fischer U, Basel; mündliche Präsentation auf dem Kongress der Europäischen
                                                                         Schlaganfallgesellschaft
wurden abschließend alle noch erfassten Daten ausgewertet. Al-        2. Nogueira RG, Abdalkader M, Qureshi MM et al (2021) Global impact of CO-
lerdings nur in der ­EMERGE-​Studie ergab sich nach Aufdosierung         VID-19 on stroke care. Int J Stroke 16(5):573–584 (Jul)
in der Hochdosisgruppe nun doch ein Positiveffekt – sowohl im         3. Wu J, Mamas MA, Mohamed MO et al (2021) Place and causes of acute cardio-
                                                                         vascular mortality during the COVID-19 pandemic. Heart 107(2):113–119 (Jan)
Amyloid-­PET als auch klinisch. Obwohl Expertinnen und Experten
                                                                      4. Greinacher A, Thiele T, Warkentinet TE et al (2021) Thrombotic Thrombocyto-
eher Zurückhaltung empfohlen hatten, erfolgte aufgrund des ein-          penia after ChAdOx1 nCov-19 Vaccination. N Eng J Med 384(22):2092–2101.
drucksvollen Biomarker-Effekts im Juni 2021 eine F­ DA-​Zulassung        https://doi.org/10.1056/NEJMoa2104840
nach demselben Prinzip wie bei onkologischen Medikamenten, um         5. Schultz NH, Sørvoll ICH, Michelsen AE et al (2021) Thrombosis and Thrombocy-
                                                                         topenia after ChAdOx1 nCoV-19 Vaccination. N Engl J Med 384(22):2124–2130
Erkrankten die therapeutische Chance nicht vorzuenthalten. Es soll       (Jun 3)
jedoch noch spezifiziert werden, welche Patientinnen und Patien-      6. Schulz JB, Berlit P, Diener HC et al (2021) German Society of Neurology SARS-
ten von der Präzisionsmedizin am ehesten profitieren. Die ­EMA hat       CoV-2 Vaccination Study Group. COVID-19 Vaccine-Associated Cerebral Venous
                                                                         Thrombosis in Germany. Ann Neurol 90(4):627–639 (Oct)
dagegen Ende 2021 die Zulassung abgelehnt.
                                                                      7. Sadlonova M, Wasser K, Nagel J et al (2021) Health-related quality of life,
                                                                         anxiety and depression up to 12 months post-stroke: Influence of sex, age,
Demenzrisiko und neurokognitive Auffälligkeiten bei                      stroke severity and atrial fibrillation – A longitudinal subanalysis of the Find-AF
                                                                         RANDOMISED trial. J Psychosom Res 142:110353
Patientinnen und Patienten mit Insomnie
                                                                      8. Schnieder M, Bähr M, Kirsch M et al (2021) Analysis of Frailty in Geriatric Pati-
                                                                         ents as a Prognostic Factor in Endovascular Treated Patients with Large Vessel
Da eine chronische Insomnie einen Risikofaktor für eine Alzhei-          Occlusion Strokes. J Clin Med 10(10):2171
mer-Entwicklung im höheren Lebensalter darstellt, wäre es sinn-       9. Beuker C, Wanker MC, Thomas C et al (2021) Characterization of Extracranial
                                                                         Giant Cell Arteritis with Intracranial Involvement and its Rapidly Progressive
voll, Betroffene mit erhöhtem neurodegenerativem Risiko bereits          Subtype. Ann Neurol 90(1):118–129
                                                                     10. Ludewig P, Graeser M, Forkert ND et al (2021) Magnetic particle imaging for
                                                                         assessment of cerebral perfusion and ischemia. Wiley Interdiscip Rev Nanomed
 Alle Kongressinhalte noch bis November 2022 zum Nachhören und           Nanobiotechnol. https://doi.org/10.1002/wnan.1757 (Oct 6)
 Nachsehen!                                                          11. Montaner J, Ramiro L, Simats A, Tiedt S et al (2020) Multilevel omics for the
 Das gesamte Kongressprogramm, alle Live-Veranstaltungen und             discovery of biomarkers and therapeutic targets for stroke. Nat Rev Neurol
 die über 300 vorproduzierten Webcasts stehen den Kongressbesu-          16(5):247–264
 cherinnen und -besuchern noch bis zum November 2022 auf dem         12. Ganesan S, Galer PD, Helbig KL et al (2020) A longitudinal footprint of genetic
 Kongressportal zur Verfügung. Nutzen Sie dieses Angebot! Eine           epilepsies using automated electronic medical record interpretation. Genet
                                                                         Med 22(12):2060–2070 (Dec)
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                                                                     13. https://www.nitrc.org/projects/enigma. Zugegriffen: 9. Jan. 2022
 https://www.dgnvirtualmeeting.org

210     Der Nervenarzt 2 · 2022
Spotlight: Höhepunkte des DGN-Kongresses 2021 - Mitteilungen der DGN
14. Singh Gill R, Lee HM, Caldairou B et al (2021) Multicenter Validation of a          39. Lidstone SC, MacGillivray L, Lang AE (2020) Integrated Therapy for Functional
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    resonance imaging in human epilepsy: A systematic review. Neuroimage Clin               changes in the last decade. Eur J Neurol 27(6):975–984
    30:102602                                                                           41. Schmidt T, Ebersbach G, Oelsner H et al (2021) Evaluation of Individualized
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    Arch Neurol 64(11):1595–1599                                                            Mov Disord Clin Pract 8(6):911–918 (Jun)
17. Bruno E, Biondi A, Böttcher S et al (2020) Remote Assessment of Disease and         42. Bloem BR, Munneke M (2014) Revolutionising management of chronic disease:
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    Res Protoc 9(12):e21840 (Dec)                                                           g1838
18. Hemmer B et al Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-         43. Stamelou M, Respondek G, Giagkou N et al (2021) Evolving concepts in
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    S2k-Leitlinie, 2021, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien       17(10):601–620 (Oct)
    für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. www.dgn.org/leitlinien. Zuge-        44. Palmqvist S, Janelidze S, Quiroz YT et al (2020) Discriminative Accuracy of
    griffen: 9. Jan. 2022                                                                   Plasma Phospho-tau217 for Alzheimer Disease vs Other Neurodegenerative
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    Multiple Sclerosis: Data From 2 Different National Strategies. JAMA Neurol              Neurol 20(3):165–166
    78(10):1197–1204 (Oct)                                                              46. Riedel DW, Halbgebauer S, Steinacker P, Otto M, Entwicklung und Validierung
20. Ruck T, Nimmerjahn F, Wiendl H et al (2021) Next generation antibody-                   eines sensitiven ELISAs für die Quantifizierung von Visinin-like protein 1 im
    based therapies in neurology. Brain https://doi.org/10.1093/brain/awab465               Liquor, DGN-Kongress 2021, Poster EP129
    (awab465)                                                                           47. Drzezga A, Bischof GN, Giehl K, Eimeren T (2021) Chapter 67 – PET and SPECT
21. Dolgin E (2021) BTK blockers make headway in multiple sclerosis. Nat Biotech-           Imaging of Neurodegenerative Diseases. Mol Imaging. https://doi.org/10.1016/
    nol 39(1):3–5                                                                           B978-0-12-816386-3.00085-5
22. Meyer zu Hörste G et al. B-Zellen und B-Zell-Vorläufer sind langfristig gewebe-     48. Liebsch F, Kulic L, Teunissen C et al (2019) Aβ34 is a BACE1-derived degrada-
    resident in den Meningen. E-Poster EP005; DGN 2021                                      tion intermediate associated with amyloid clearance and Alzheimer‘s disease
23. Faissner S. Abstract, DGN-Kongress 2021. Eomesodermin-positive Th-Zellen als            progression. Nat Commun 10(1):2240
    Biomarker für Progression bei Multipler Sklerose. EP002; DGN 2021                   49. Künstler, Koryani, Meinhardt (Vortrag): Neurokognitive Auffälligkeiten bei
24. Wattjes MP, Ciccarelli O, Reich DS et al (2021) MAGNIMS-CMSC-NAIMS consen-              Patienten mit Insomnie – ein potenzieller Marker für Demenzrisiko? Joint
    sus recommendations on the use of MRI in multiple sclerosis. Lancet Neurol.             Symposium Schlaf DGSM-DGN: Schlaf als Prävention und Risikofaktor in der
    https://doi.org/10.1016/S1474-4422(21)00095-8                                           Neurologie, DGN-Kongress 2021
25. Wurm H, Fitzner B, Trebst C et al. Immunadsorption bei MS und NMOSD: poten-         50. Uttner I, Anderl-Straub, Semler et al. Störungen in der Gedächtnis-Enkodierung
    zielle Biomarker und klinische Prädiktoren für das Therapieansprechen. Poster           bei der Verhaltensvariante der frontotemporalen Demenz: Ergebnisse einer
    EPO 010; DGN 2021                                                                       Atlas-basierten MRT-Volumetrie. DGN-Kongress 2021, Poster EP127
26. Kimura K, Lin Y, Yamaguchi H et al (2021) Th1 – CD11c + B Cell Axis Associated
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27. Elias WJ (2016) A Trial of Focused Ultrasound Thalamotomy for Essential Tremor.
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    mized Trial of Focused Ultrasound Subthalamotomy for Parkinson‘s Disease.
    N Engl J Med 383(26):2501–2513 (Dec)
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                                                                                                                                                                  211
                                                                                                                                          Der Nervenarzt 2 · 2022  
Spotlight: Höhepunkte des DGN-Kongresses 2021 - Mitteilungen der DGN
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                        Ein Jahr ­DGN-​Präsident –                                                       Neue Personalia im
                        erste Bilanz und persönlicher                                                    DGN-Vorstand und der
                        Ausblick auf 2022                                                                DGN-Geschäftsstelle
                        Prof. Dr. Christian Gerloff bilanziert sein erstes Jahr als Präsident
                        der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V. und gibt im Vi-                                         Prof. Lars Timmermann, Marburg, ist neuer stellvertretender
                        deointerview am Beispiel der Digitalisierung und Weiterbildung                                          Präsident der ­DGN
                        Einblicke in die Themen, die er in seinem zweiten Amtsjahr 2022                                                                         Seit dem 1. Januar 2022 ist Prof.
                        voranbringen möchte. Das Video finden Sie auf https://www.                                                                              Lars Timmermann, Marburg,
                        youtube.com/watch?​v=​XaHp96U1AVo                                                                                                       neues Mitglied im Präsidium
                                                                                                                                                                und stellvertretender Präsident
                                                                                                                                                                der Deutschen Gesellschaft
                        Weiterbildung und Digitalisierung – beide Themen hängen eng                                                                             für Neurologie (­DGN). Der
                        zusammen und sind für die Zukunftsfähigkeit des Fachs von gro-                                                                          49-jährige Direktor der Klinik für
                        ßer Bedeutung. Deshalb hat sich Prof. Gerloff zum Ziel gesetzt,                                                                         Neurologie des Universitätskli-
                        diese Themen in seiner Präsidentschaft weiterzuentwickeln. „Wir                                                                         nikums Marburg (­UKGM) wurde

                                                                                                     © ­DGN/Christian Staaden
                        müssen uns fragen: Warum würde jemand in 10 oder 15 Jahren                                                                              in der Mitgliederversammlung
                                                                                                                                                                der ­DGN am 4. November 2021
                        ein neurologisches Konsil anfordern?“ Für die Zukunftsfähigkeit                                                                         in das ­DGN-​Präsidium gewählt.
                        der Neurologie und der zukunftsfähigen Weiterbildung ist aus                                                                            Ein thematischer Aspekt, den er
                        Sicht des ­DGN-​Präsidenten die Vermittlung der genuinen neuro-                                                                         verstärkt in die Vorstandsarbeit
                        logischen Skills bedeutsam, wie z. B. elektrophysiologische oder                                                                        einbringen möchte, ist die
                                                                                                                                 8 Prof. Lars Timmermann,       Intensivierung der Netzwerk-
                        neurosonographische Fertigkeiten. Die Herausforderung liegt also                                         Marburg                        arbeit.
                        darin, genau diese dem Nachwuchs fundiert zu vermitteln. Dafür
                        wurde 2021 eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe ins Leben geru-
                        fen und erste neue Veranstaltungsformate wie die SkillsLabs eta-
                        bliert.                                                                                                 David Friedrich-Schmidt, neuer Geschäftsführer der ­DGN
                           Begleitet werden müssen diese Aktivitäten von einem um-                                                                             Seit Beginn des Jahres ist
                        fassenden digitalen Konzept – und derzeit wird an einem digi-                                                                          David Friedrich-Schmidt neuer
                        talen „­DGN-​Channel“ gearbeitet, der ab November 2022 live ge-                                                                        Geschäftsführer der ­DGN. Der
                        hen wird.                                                                                                                              Betriebswirt war bereits acht
                                                                                                                                                               Jahre für die D
                                                                                                                                                                             ­ GN tätig, seit
                                                                                                                                                               2018 verantwortete er sämtliche
                                                                                                                                                               operativen Tätigkeiten der
                                                                                                                                                               Fachgesellschaft. David Friedrich-
                                                                                                                                                               Schmidt hat sich zum Ziel gesetzt,
                                                                                                      © ­DGN/Christian Staaden

                                                                                                                                                               die DGN durch kontinuierlichen
                                                                                                                                                               Ausbau der Infrastruktur zu
                                                                                                                                                               einem unabhängigen Informa-
                                                                                                                                                               tionsdienstleister auszubauen
                                                                                                                                                               und so die größte neurologische
                                                                                                                                                               Fachgesellschaft Europas
                                                                                                                                 8 David Friedrich-Schmidt,    auch zu einer der modernsten
                                                                                                                                 Berlin                        medizinischen Fachgesellschaften
                                                                                                                                                               weltweit zu entwickeln.
© peshkov, iStock.com

                        8 ­DGN-​Präsident Prof. Christian Gerloff gibt im Video einen Ausblick auf
                        das zweite Jahr seiner Amtszeit

                        212     Der Nervenarzt 2 · 2022
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