GBE-Themenheft Hepatitis C - GESUNDHEITSBERICHTERSTATTUNG DES BUNDES GEMEINSAM GETRAGEN VON RKI UND DESTATIS
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GESUNDHEITSBERICHTERSTATTUNG DES BUNDES GEMEINSAM GETRAGEN VON RKI UND DESTATIS GBE-Themenheft Hepatitis C
GESUNDHEITSBERICHTERSTATTUNG DES BUNDES GEMEINSAM GETRAGEN VON RKI UND DESTATIS GBE-Themenheft Hepatitis C Robert Koch-Institut, Berlin 2016
Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C 3 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2 Krankheitsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1 Erreger der Virushepatitis C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.2 Krankheitsbild und -verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 5 Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 5.1 Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 5.2 Erstdiagnosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 5.3 Sterblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 6 Übertragungswege und Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 6.1 Blutprodukte und Transplantate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 6.2 Injizierender Drogengebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 6.3 Sexuelle Kontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 6.4 Medizinischer Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 6.5 Mutter-Kind-Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 6.6 Andere Übertragungswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 7 Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 8 Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 9 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 10 Aktivitäten und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 11 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 12 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
4 Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C
Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C 5 Themenheft Hepatitis C 1 Einleitung gebrauch, aber auch um HIV-positive Personen. Anders als in Ländern mit einer größeren Häufig- Die Hepatitis C ist eine Entzündung der Leber, keit (Prävalenz) in der Allgemeinbevölkerung sind die durch ein auf dem Blutweg übertragenes in Deutschland heute Virusübertragungen durch Virus verursacht wird. Meist nimmt die Infek- medizinische Eingriffe (beispielsweise kontami- tion einen chronischen Verlauf, der mit schweren nierte Injektionen) wie auch durch kontaminierte Folgeerkrankungen und einer deutlich erhöhten Blutprodukte äußerst seltene Ausnahmefälle. In Sterblichkeit einhergeht. Da die Erkrankung häu- früheren Jahren haben kontaminierte Blutproduk- fig erst erkannt wird, wenn Langzeitfolgen auf- te neben anderen Übertragungswegen zu Infek getreten sind, werden Betroffene oft nicht früh- tionen mit HCV beigetragen. Die routinemäßige zeitig adäquat therapiert. Weltweit und auch in Spenderuntersuchung und Präventionsmaßnah- Deutschland hat Hepatitis C eine große medizini- men, wie der Ausschluss HCV-infizierter Blutspen- sche, epidemiologische und gesundheitsökonomi- derinnen und Blutspender, haben seit Anfang der sche Bedeutung. 1990er-Jahre zu einem Rückgang der Neuinfek Die Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) tionen (Inzidenz) über diesen Weg geführt. verläuft in bis zu 85 % der Fälle chronisch. Men- Die medikamentöse Behandlung der chroni- schen mit einer chronischen Hepatitis C leben schen Hepatitis C befindet sich seit einigen Jah- meist über viele Jahre weitgehend beschwerdefrei ren in einem rasanten Umbruch. Die Heilungs- oder leiden an unspezifischen Symptomen wie chancen haben sich mit neuen Wirkstoffen und Leistungsminderung oder Müdigkeit. Deshalb Kombinationstherapien erheblich verbessert. bleibt die Erkrankung oft lange unentdeckt. Im Damit gewinnen die frühzeitige Erkennung und Lauf der Jahre kann es zu einer Schädigung der adäquate Behandlung von Infektionen zunehmend Leber bis hin zur Leberzirrhose kommen. Außer- an Bedeutung. Eine effektive antivirale Therapie dem besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich eine verhindert oder reduziert die Entwicklung einer Krebserkrankung der Leber (Leberzellkarzinom) Leberzirrhose und eines Leberzellkarzinoms. Dar- entwickelt. Die chronische HCV-Infektion zählt über hinaus wird die Möglichkeit der Übertragung in Deutschland zu den wichtigsten Ursachen für auf andere Personen unterbunden. chronische Lebererkrankungen und stellt einen Eine Schutzimpfung gegen Hepatitis C ist, im häufigen Grund für Lebertransplantationen dar. Gegensatz zu Hepatitis A oder B, derzeit nicht ver- Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisa- fügbar. Präventionsstrategien müssen daher auf tion (WHO) sind weltweit 130 bis 150 Millionen eine weitere Verringerung der Übertragungsrisi- und in der WHO-Region Europa etwa 15 Millionen ken zielen. Wirksame, zielgruppengerichtete Prä- Menschen chronisch mit HCV infiziert. Hepatitis C vention ist neben der Diagnostik und Fallfindung und ihre Folgeerkrankungen werden weltweit für bei entsprechender Risikokonstellation und der 350.000 – 500.000 Todesfälle pro Jahr verantwort- qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung lich gemacht [1, 2]. Während nach Schätzungen der chronisch infizierter Patientinnen und Patienten WHO rund 2 % der Weltbevölkerung chronisch von größter Bedeutung. mit HCV infiziert sind, liegt der Anteil in der deut- schen Allgemeinbevölkerung bei etwa 0,2 – 0,3 % [3–6]. Damit zählt Deutschland zu den Ländern 2 Krankheitsbild mit einem niedrigen Anteil chronisch Infizierter in der Allgemeinbevölkerung (Niedrigprävalenzland). Eine Entzündung der Leber wird als Hepatitis Bestimmte Bevölkerungsgruppen sind jedoch bezeichnet. Verschiedene Ursachen können dafür in Deutschland besonders stark von einer HCV- verantwortlich sein. Am häufigsten sind durch toxi- Infektion betroffen. Dabei handelt es sich insbe- sche Substanzen wie Alkohol, weitere (illegale) sondere um Personen mit injizierendem Drogen- Drogen oder Arzneimittel sowie durch Infektio-
6 Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C nen verursachte Schädigungen der Leberzellen. einer Leberfunktionseinschränkung bis hin zum Infektiöse Erkrankungen der Leber können durch drohenden Leberversagen [12]. verschiedene Viren, Bakterien, Pilze und Parasi- Bei einem Teil der Infizierten wird das Virus ten ausgelöst werden. Die Virushepatitis im enge- von der Immunabwehr des Körpers besiegt und ren Sinne wird durch fünf bekannte Hepatitisviren die Infektion heilt aus. Das Virus selbst ist dann (Hepatitisvirus A, B, C, D und E) verursacht. Die nicht mehr im Körper nachweisbar. Antikörper Bedeutung weiterer kürzlich entdeckter Viren, wie gegen das Virus, die als Reaktion des Immunsys- GB-Virus C und TT-Virus, als Ursache einer Hepa- tems gebildet werden, zirkulieren aber weiterhin titis bleibt umstritten. im Blut. Bei 50 – 85 % der Infizierten geht die akute Infektion in einen chronischen Verlauf über (Info- box 1) [12]. Ein chronischer Verlauf ist dann anzu- 2.1 Erreger der Virushepatitis C nehmen, wenn Virusbestandteile länger als sechs Monate im Blut nachweisbar sind. Bei der chroni- Die Hepatitisviren A (HAV) und B (HBV) wurden schen Hepatitis C finden sich typischerweise nur erstmals in den 1970er-Jahren beschrieben. Nach leicht erhöhte Leberwerte (Transaminasen) im Blut. der routinemäßigen Testung aller Blutspenderin- Die meisten Betroffenen sind lange beschwerdefrei nen und -spender auf HBV blieb jedoch die Ursa- oder haben unspezifische Krankheitszeichen, wie che vieler nach einer Bluttransfusion aufgetretenen zum Beispiel Müdigkeit und Appetitlosigkeit. Da die Hepatitisinfektionen ungeklärt. Mit dem Hepatitis- Symptome zunächst zu keiner starken gesundheitli- C-Virus konnte im Jahr 1988 einer der wichtigsten chen Beeinträchtigung führen, bleibt die chronische Erreger dieser durch Blut übertragbaren Infektion HCV-Infektion bei vielen Betroffenen unbemerkt. identifiziert werden, die zuvor als Non-A-Non-B- Hepatitis bezeichnet worden war. Das Hepatitis-C-Virus kommt in einer Reihe Infobox 1 von Varianten mit unterschiedlicher genetischer Definitionen der akuten und chronischen Hepatitis C Ausstattung (Genotypen, GT) vor. Neben den HCV-Genotypen 1 bis 7 gibt es über 60 bestätigte Akute Hepatitis C Subtypen. Weltweit ist GT 1 der häufigste Geno- Vor weniger als sechs Monaten erworbene Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus. Sie kann mit einer typ (46 %), gefolgt von GT 3 (30 %). GT 2, 4 und Erhöhung bestimmter Leberwerte (Transaminasen) 6 sind verantwortlich für insgesamt 23 % der Fälle. einhergehen und zu einer Leberfunktionseinschrän- GT 5 spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle kung führen. (< 1 %) [7, 8]. In den meisten europäischen Län- Chronische Hepatitis C dern, Nordamerika und Australien ist GT 1 am Länger als sechs Monate fortbestehende Infektion weitesten verbreitet [9]. mit dem Hepatitis-C-Virus (nachgewiesen durch Viruserbgut (Ribonukleinsäure, RNA)). Diese kann zu einer klinisch-chemisch und/oder in einer 2.2 Krankheitsbild und -verlauf Gewebeprobe (histologisch) nachweisbaren Leber- schädigung unterschiedlichen Ausmaßes und Krank- Zumeist wird die frische (akute) Infektion mit heitsmanifestationen außerhalb der Leber führen. dem Hepatitis-C-Virus von den Betroffenen nicht Quelle: nach [12] bemerkt. Nur bei einem kleineren Teil der Infi- zierten kommt es zu klinischen Symptomen, die Anlass zu entsprechenden Laboruntersuchungen Über 20 % [13] der Personen mit chronischer geben. Eine Gelbsucht entwickeln im akuten Sta- Hepatitis C entwickeln nach 20 Jahren als Spätfol- dium weniger als ein Viertel der Infizierten [10, ge eine Zirrhose mit zunehmendem Funktionsver- 11]. Die Symptome sind oft unspezifisch, wie zum lust der Leber. Häufig fällt erst durch spät auftre- Beispiel grippeähnliche Beschwerden, Müdigkeit, tende Symptome auf, dass eine Lebererkrankung Übelkeit oder Druckgefühl im Oberbauch. In selte- besteht. Ein durch die Leberschädigung beding- nen Fällen tritt eine schwere Leberentzündung auf ter Pfortaderhochdruck kann beispielsweise zur mit Gelbfärbung der Haut, Übelkeit, Erbrechen und Ansammlung von Flüssigkeit im Bauchraum (Aszi-
Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C 7 tes) und zu Blutungen aus erweiterten Gefäßen der sich eine bestimmte Form der Gefäßentzündung Speiseröhre (Ösophagusvarizenblutung) führen. (gemischte Kryoglobulinämie) nachweisen, die mit Bei eingeschränkter Stoffwechselleistung der Leber Schäden an Blutgefäßen und Nerven verbunden kommt es auch zu Wassereinlagerungen (Ödemen) sein kann. Ferner wird in epidemiologischen Stu- durch Bluteiweißmangel und zu einer verlängerten dien ein Zusammenhang mit bestimmten Nieren- Blutungszeit. Ein Leberschaden bei chronischer und Hauterkrankungen sowie mit Herz-Kreislauf-, Hepatitis C entwickelt sich schneller bei Infektion Stoffwechsel- und Krebserkrankungen des lympha- im höheren Alter und bei gleichzeitig bestehender tischen Systems beschrieben [17–21]. HIV-Infektion oder chronischer Hepatitis B. Durch die feingewebliche Untersuchung der Leber (Leber- biopsie) oder durch eine spezielle, sehr hoch auf- 3 Diagnostik lösende Ultraschalluntersuchung (Fibroscan) kann bestimmt werden, wie stark die Leber bereits durch Wenn Infektionsrisiken bekannt sind, sollte den kli- Einlagerung von Bindegewebe umgebaut ist und ob nischen Leitlinien entsprechend eine gezielte HCV- das Risiko der Entwicklung einer Zirrhose besteht. Diagnostik durchgeführt werden, um eine Infektion Krankheitslast und Sterblichkeit einer chroni- möglichst frühzeitig zu erkennen (Infobox 2) [12]. schen Hepatitis C werden im Wesentlichen durch das Vorliegen einer Leberzirrhose beziehungswei- se eines Leberzellkarzinoms bestimmt. Die Wahr- Infobox 2 scheinlichkeit, die nächsten fünf Jahre zu überleben Empfehlungen zur Durchführung einer Hepatitis-C- (5-Jahres-Überlebensrate), liegt für Patientinnen Virus-Diagnostik und Patienten mit einer Leberzirrhose abhängig von Ausmaß und Schweregrad bei 37 – 55 % [14, 15]. Eine HCV-Diagnostik sollte erfolgen bei: Personen mit HCV-bedingter Leberzirrhose weisen 1. Personen mit erhöhten Leberwerten (Trans ein erhöhtes Risiko auf, ein Leberzellkarzinom zu aminasen) und/oder klinischen Zeichen einer entwickeln. Die Leberzellkarzinom-Rate unter die- Hepatitis bzw. chronischen Lebererkrankung sen Patientinnen und Patienten liegt pro Jahr bei unklarer Ursache, circa 2 – 4 % [14]. Ein begleitender Alkoholkonsum 2. Empfängerinnen und Empfängern von Blut und bei chronischer Hepatitis C erhöht die Wahrschein- Blutprodukten (vor 1992), lichkeit eines Leberzellkarzinoms überproportional. 3. Transplantatempfängerinnen und -empfängern, Die Überlebenszeit nach der Erstdiagnose eines 4. Patientinnen und Patienten unter Hämodialyse, Leberzellkarzinoms liegt meist nur im Bereich 5. aktiven und ehemaligen intravenös Drogen von Monaten bis wenigen Jahren, abhängig vom gebrauchenden, Tumorstadium und der gewählten Therapieform. 6. Insassen von Justizvollzugsanstalten, Eine Heilung kann nur bei vollständiger Tumor- 7. HIV- und/oder Hepatitis-B-Virus-Infizierten, entfernung oder -zerstörung erzielt werden. Dies 8. Haushaltsangehörigen bzw. Sexualpartnerinnen erfordert eine Diagnose im Frühstadium, die nur und -partnern HCV-Infizierter, selten gegeben ist. 9. Kindern HCV-positiver Mütter, Schätzungen zufolge lassen sich in Industrie- 10. Personen mit Migrationshintergrund aus ländern etwa 20 % der akuten Leberentzündun- Regionen mit erhöhter HCV-Infektionsrate, gen, mehr als 40 % aller Leberzirrhosen, 70 – 85 % 11. medizinischem Personal sowie der chronischen Leberentzündungen und 60 % 12. Blut-, Organ- und Gewebespenderinnen und der Leberzelltumoren auf chronische Hepatitis C -spendern. zurückführen. Eine HCV-Infektion ist in 63 % der Darüber hinaus sollte eine HCV-Diagnostik ein- Fälle die aufgeführte Indikation für eine Lebertrans- schließlich adäquater Beratung jeder Person gewährt plantation in Europa [16]. werden, die eine entsprechende Untersuchung Bei chronischer Hepatitis C können auch Krank- explizit wünscht. heitsmanifestationen außerhalb der Leber (extra- Quelle: nach [12] hepatische Manifestationen) auftreten. Bei etwa einem Drittel aller chronisch HCV-Infizierten lässt
8 Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C Patientinnen und Patienten sollten auch dann Der Zeitraum zwischen der Infektion und der auf Hepatitis C untersucht werden, wenn eine nur Bildung von Antikörpern wird Serokonversionszeit geringe und unspezifische Beschwerdesympto- genannt. Den Zeitabschnitt zwischen Infektion und matik oder nur leicht erhöhte Leberwerte im Blut Nachweisbarkeit mittels Testverfahren bezeichnet vorliegen. Wegen der häufig fehlenden charakte- man als diagnostisches Fenster. Das diagnostische ristischen Krankheitssymptome erfolgt die Diag Fenster ist bei den verschiedenen Testverfahren nose der HCV-Infektion oft erst viele Jahre nach der unterschiedlich groß. Direkte Testverfahren liefern Ansteckung, wenn beispielsweise bei einer medizi- bereits nach ein bis zwei Wochen Ergebnisse. Bei nischen Routineuntersuchung erhöhte Leberwerte den gegenwärtig eingesetzten Immuntests (Immun festgestellt werden. assays) zum Nachweis von HCV-Antikörpern beträgt Für den Labornachweis einer HCV-Infektion ste- das diagnostische Fenster durchschnittlich sieben hen verschiedene Verfahren zur Verfügung, die in bis acht Wochen nach Infektion [12]. der Regel in einer bestimmten Reihenfolge ange- Die Basisdiagnostik bei Personen mit Verdacht wandt werden (Abbildung 1). Man unterscheidet auf Hepatitis C besteht im Nachweis spezifischer dabei zwischen indirekten Tests mit Nachweis von Antikörper gegen HCV mit einem Immunassay virusspezifischen Antikörpern und direkten Tests, (Infobox 3). Werden HCV-Antikörper nachgewie- bei denen Virusbestandteile nachgewiesen werden sen, folgt anschließend ein Test zum Nachweis von (Infobox 3). Virus-RNA, beispielsweise mittels Polymeraseketten- reaktion (PCR). Dies ist notwendig, weil der alleinige Nachweis von Antikörpern keine Unterscheidung Infobox 3 zwischen einer ausgeheilten/nicht mehr infektiö- Labordiagnostische Verfahren zum Nachweis einer sen und einer aktiven/infektiösen HCV-Erkrankung Hepatitis C ermöglicht. Ein PCR-Test ist ebenfalls erforderlich, wenn eine kurz zurückliegende Infektion vorliegen Indirekte Tests identifizieren spezifische Antikörper gegen das Hepatitis-C-Virus im Serum. Bei direkten könnte, weil dann möglicherweise noch keine Anti- Tests erfolgt der Nachweis des Hepatitis-C-Virus körper gebildet wurden. Fallen Immunassay und durch Virusbestandteile im Serum. PCR-Test positiv aus, liegt eine akute oder chroni- Für den Nachweis von Antikörpern gegen verschiede- sche Hepatitis-C-Infektion vor. Wurden im Immun ne Proteine des Hepatitis-C-Virus stehen verschiede- assay HCV-Antikörper nachgewiesen, der PCR-Test ne Immunassays (englisch: enzyme immunoassay, fällt aber negativ aus, liegt vermutlich eine abgelau- EIA) zur Verfügung, die über eine hohe Sensitivität fene beziehungsweise ausgeheilte HCV-Infektion und Spezifität verfügen. Während die Sensitivität die vor. Dies sollte mit einem Immunoblotassay bestä- Wahrscheinlichkeit misst, mit der Erkrankte durch ein tigt werden. Im Falle eines positiven Ergebnisses diagnostisches Testverfahren tatsächlich als erkrankt des Immunoblotassays wird von einem bestätigten erkannt werden, zeigt die Spezifität die Wahrschein- lichkeit an, mit der Gesunde tatsächlich als gesund Nachweis von anti-HCV-Antikörpern gesprochen. erkannt werden. Zur Bestätigung positiver und nicht Ist eine Infektion mit Hepatitis C labordiagnos- eindeutiger Ergebnisse werden als weitere indirekte tisch gesichert, sollten der HCV-Genotyp und die Tests aufwendigere immunologische Verfahren Viruslast (Konzentration der HCV-RNA) bestimmt (Immunoblotassays) eingesetzt. werden. Diese Informationen dienen der Planung Beim direkten Testverfahren wird beispielsweise das und Überwachung einer antiviralen Therapie. Erbgut des Virus in Form von Nukleinsäure (Ribo- nukleinsäure, RNA) nachgewiesen. Für die Testung auf HCV-RNA stehen sehr empfindliche Verfahren 4 Therapie zur Verfügung, die die gesuchten Nukleinsäuren vor dem eigentlichen Nachweis vermehren. Zu diesen sogenannten Nukleinsäureamplifikationstechniken In den letzten Jahren haben sich die Möglichkeiten (NAT) gehört zum Beispiel die Polymeraseketten der medikamentösen Therapie einer chronischen reaktion (polymerase chain reaction, PCR). Der direkte Hepatitis C rasant entwickelt. Die frühere Standard- Nachweis des Virus kann auch über die Bestimmung therapie bestand in einer Kombination aus verzö- des Kern-Antigens (HCV-Core-Antigen) erfolgen. gert freisetzendem (pegyliertem) Interferon alfa zur Stimulation des Immunsystems, welches gespritzt
Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C 9 Abbildung 1 Ablaufschema der Labordiagnostik zum Nachweis einer Hepatitis C Quelle: nach [12] Test auf HCV-Antikörper (Immunassay) positiv (reaktiv) negativ (nicht reaktiv) a Test auf HCV-RNA mutmaßlich keine HCV-Infektion nachweisbar nicht nachweisbar mutmaßlich HCV-Infektion ausgeheilte HCV-Infektionb RNA: Ribonukleinsäure a bei Verdacht auf eine akute HCV-Infektion, Patientinnen und Patienten mit Immunschwäche sowie Kindern HCV-infizierter Mütter während der ersten 18 Monate nach der Geburt ist zusätzlich HCV-RNA zu bestimmen b in diesen Fällen kann ein weiterer Antikörpertest (Immunoblot) unspezifische Reaktionen im Immunassay aufdecken. Eine Wiederholung des Tests auf HCV-RNA ist innerhalb der nächsten 6 – 12 Monate zu empfehlen (injiziert) werden muss, und Ribavirin, einem Wirk- Infektion und die Beseitigung des Infektionsrisikos stoff (Nukleosid-Analogon) mit Aktivität gegen ver- wichtige Therapieziele. Auf Bevölkerungsebene schiedene Viren. Die Heilungsrate lag bei Infektion können durch die Therapie Krankheitslast und mit dem in Deutschland am häufigsten vorkommen- Sterblichkeit der Hepatitis C vermindert werden den Genotyp 1 bei 40 – 50 % [22]. In den letzten Jah- (Infobox 4) [12]. ren wurden neue hochwirksame Substanzen aus ver- schiedenen Klassen zugelassen, die als spezifische pharmakologische Hemmstoffe (Inhibitoren) direkt Infobox 4 antiviral wirken, die sogenannten “directly acting Ziel der Therapie der chronischen Hepatitis C antivirals” (DAA). Hierzu gehören unter anderem die Wirkstoffe Sofosbuvir, Simeprevir, Daclatasvir, Ledi- Das Ziel der Therapie der chronischen Hepatitis C ist die Entfernung (Elimination) des Hepatitis-C- pasvir, Ombitasvir und Paritaprevir. In den nächsten Virus aus dem Körper. Als Ersatzmarker der erfolg- Jahren wird mit weiteren Zulassungen gerechnet. reichen Elimination dient die dauerhaft fehlende Neue Therapiekonzepte, bei denen verschiedene Nachweisbarkeit von Viruserbgut (HCV-RNA) im Wirkstoffe kombiniert werden, haben die Heilungs- Blut bei Untersuchung mit einem hochempfindli- aussichten der chronischen Hepatitis C erheblich chen Labortest. verbessert. Im Vergleich zur früheren Standard Durch die Viruselimination können das Fortschrei- therapie konnte die Therapiedauer deutlich ver- ten der Lebererkrankung und mögliche Krankheits- kürzt, die Anwendung vereinfacht und die Verträg- manifestationen außerhalb der Leber verhindert, lichkeit verbessert werden. Die Heilungschancen das Risiko eines Leberzellkarzinoms vermindert, liegen inzwischen bei 80 bis über 90 % [23]. Des- die Lebensqualität verbessert und das Infektions- halb ist es wichtig, möglichst viele Patientinnen risiko aufgehoben werden. Auf Bevölkerungsebene führt die Therapie von Menschen mit chronischer und Patienten mit chronischer Hepatitis C durch Hepatitis C zu einer Senkung der Krankheitslast und gezielte Labordiagnostik zu identifizieren und zu Sterblichkeit der HCV-Infektion. behandeln [24, 25]. Neben der Verhinderung von Quelle: nach [12] Spätfolgen einer Infektion sind die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit chronischer
10 Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C Durch die Zulassung neuer Wirkstoffe ändern Ländern. Die Häufigkeit einer HCV-Infektion vari- sich auch die Empfehlungen zur Therapie der iert von 0,3 % in Schweden, Deutschland und den Hepatitis C. Ein Expertengremium der Deutschen Niederlanden über 2 – 3 % in den Mittelmeerlän- Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- dern bis hin zu über 20 % in einer Region im süd- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) aktualisiert lichen Italien [3–5]. Untersuchungen belegen, dass die Therapieempfehlungen laufend [26]. Eine neue in besonders stark betroffenen Gebieten in der Ver- Fassung der HCV-Leitlinie zur evidenzbasierten gangenheit teilweise mit unsterilen medizinischen und rationalen Prophylaxe, Diagnostik und Thera- Instrumenten gearbeitet wurde. pie der Hepatitis-C-Infektion wird derzeit von der DGVS erstellt (Stand: 01.07.2016). Das Ansprechen auf die Therapie wird über 5.1 Häufigkeit den Nachweis von Virus-RNA im Blut beurteilt. Als Therapieerfolg ist definiert, dass das HCV sechs Die Häufigkeit spezifischer (gegen das Hepati- Monate nach Therapieende nicht im Blut nach- tis-C-Virus gerichteter) Antikörper in der Bevöl- weisbar ist (sustained virological response, SVR) kerung bezeichnet man als Antikörperprävalenz. [12]. Hierbei kann man mit sehr hoher Sicherheit Finden sich auch Virusbestandteile im Blut, liegt davon ausgehen, dass der Therapieerfolg anhaltend eine aktive (akute oder chronische) Infektion vor. ist. Allerdings kann man sich nach einer sponta- Da der Anteil der Bevölkerung, der jemals infiziert nen Ausheilung oder einer erfolgreich therapierten war und HCV-Antikörper im Blut aufweist, höher HCV-Infektion erneut mit dem Virus infizieren. liegt als der Anteil mit einer aktiven HCV-Infek- Bei Patientinnen und Patienten mit chroni- tion, ist die Prävalenz von HCV-Antikörpern in der scher Hepatitis C wird generell eine Impfung Bevölkerung höher als die Prävalenz der aktiven gegen Hepatitis A und B empfohlen, sofern noch Hepatitis C. keine spezifischen Antikörper gegen HAV und/ In der Studie zur Gesundheit Erwachsener in oder HBV vorhanden sind. Um weitere Belastun- Deutschland (DEGS1, 2008 – 2011), einer bevölke- gen der Leber zu verringern, wird außerdem der rungsbezogenen Untersuchung des Robert Koch- Verzicht auf Alkohol und andere leberschädigende Instituts, wurden Bluttests auf Antikörper gegen Substanzen empfohlen [12, 27]. Hepatitis C durchgeführt. Die Häufigkeit von HCV- Ein Teil der Patientinnen und Patienten mit Antikörpern in der Bevölkerung von 18 bis 79 Jah- Leberzirrhose oder Leberzellkarzinom im Früh- ren lag bei etwa 0,3 % [6]. Zwischen Frauen und stadium kommt für eine Lebertransplantation in Männern gab es dabei keine Unterschiede. Antikör- Frage. Die Indikation hierfür muss durch entspre- per gegen HCV zeigten sich ausschließlich in den chende Zentren gestellt werden. Die 5-Jahres-Über- Altersgruppen zwischen 40 und 79 Jahren. Durch lebensrate nach Lebertransplantation bei Hepati- Nachweis von Erbgut des Hepatitis-C-Virus im Blut tis C liegt zwischen 60 und 80 % [28–30]. (HCV-RNA) konnte belegt werden, dass zwei Drittel der Personen mit HCV-Antikörpern Virusträgerin- nen bzw. Virusträger waren – bei ihnen lag also eine 5 Verbreitung aktive Hepatitis C vor. Vermutlich liegen die tatsäch- lichen Zahlen höher, da Bevölkerungsgruppen mit Das Hepatitis-C-Virus kommt in allen Teilen der erhöhtem Risiko, wie Drogengebrauchende, Haft Welt vor und wurde bisher ausschließlich beim insassen oder Migrantinnen und Migranten aus Menschen nachgewiesen. Jährlich infizieren sich Regionen mit höherer HCV-Prävalenz, in dieser weltweit drei bis vier Millionen Menschen mit dem Untersuchung unterrepräsentiert beziehungsweise Virus. Die WHO schätzt, dass derzeit 130 bis 150 nicht vertreten waren. Zusätzliche Studien sind in Millionen Personen chronisch infiziert sind [1]. Welt- diesem Bereich dringend erforderlich. weit und auch in Europa gibt es deutliche regionale Zur Anzahl der Personen mit einer aktiven Unterschiede bei der Prävalenz von HCV-Infektio- Hepatitis C in Deutschland liegen unterschiedliche nen in der Allgemeinbevölkerung. Innerhalb Euro- Schätzungen vor [31, 32]. Das Robert Koch-Institut pas sind in den südlichen Ländern deutlich mehr arbeitet derzeit an einer Fallzahlschätzung auf der Menschen mit HCV infiziert als in den nördlichen Grundlage aktueller epidemiologischer Daten.
Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C 11 5.2 Erstdiagnosen mit Nachweis des Erregers in den nationalen Statis- tiken publiziert [33, 34]. Bis Ende 2014 erfüllten auch In Deutschland bestehen für Hepatitis C gemäß Fälle mit serologischem Nachweis die Falldefinition. Infektionsschutzgesetz (IfSG) Meldepflichten für In den kommenden Jahren ist daher mit einem Ärztinnen und Ärzte sowie für Labore: Nach § 6 Abfall der berichteten Fallzahlen zu rechnen, weil IfSG besteht für die feststellende Ärztin bzw. den ausgeheilte Erkrankungen nicht mehr berücksichtigt feststellenden Arzt eine Meldepflicht bei Krank- werden. heitsverdacht, Erkrankung oder Tod an einer akuten Bei der Erfassung der Hepatitis C nach dem IfSG Virushepatitis. Nach § 7 IfSG gilt eine Meldepflicht besteht aufgrund der Vermischung von akuten und für Laborleiterinnen und Laborleiter bei allen Nach- erstmals diagnostizierten chronischen Fällen die weisen einer Hepatitis C, soweit nicht bekannt ist, Problematik, dass die Anzahl der neu aufgetrete- dass eine chronische Infektion vorliegt. Es werden nen HCV-Infektionen möglicherweise überschätzt demnach nicht nur die Neuinfektionen, sondern wird. Auch Mehrfachmeldungen sind nicht auszu- alle Erstdiagnosen einer chronischen Hepatitis C schließen. Andererseits ist davon auszugehen, dass erfasst. aufgrund des häufig unspezifischen klinischen Ver- In den Publikationen des Robert Koch-Instituts laufs nur ein Teil der Neuinfektionen diagnostiziert werden die Fälle veröffentlicht, die der Referenz und nach IfSG gemeldet wird, da ein Labortest in definition des Robert Koch-Instituts entsprechen. der Regel nur im Verdachtsfall erfolgt. In Erman- Bei Hepatitis C sind das alle labordiagnostisch bestä- gelung anderer Datenquellen zur Inzidenz bieten tigten Fälle. Gemäß Falldefinition erfüllt seit 2015 die übermittelten Hepatitis-C-Erstdiagnosen der- nur der direkte Erregernachweis (HCV-RNA oder zeit die bestmögliche Einschätzung des aktuellen HCV-Core-Antigen) die Kriterien für den labor Infektionsgeschehens. diagnostischen Nachweis, dementsprechend wer- Seit dem Jahr 2005 ist in Deutschland ein den nur Fälle einer aktiven (infektiösen) Hepatitis C abnehmender Trend bei den absoluten Fallzahlen Abbildung 2 Übermittelte Hepatitis-C-Erstdiagnosen 2001 bis 2015* Quelle: [35] 10.000 Anzahl 9.000 8.000 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Meldejahr * Die Abbildung bezieht sich auf Fälle, die der Referenzdefinition entsprechen. Eine Umstellung des Meldewesens nach Einführung des Infektionsschutzgesetzes 2001 erfolgte im Jahr 2002. Im Jahr 2015 erfolgte eine grundlegende Änderung der Falldefinition für Hepatitis-C-Erstdiagnosen. Dadurch sind Vergleiche mit den Vorjahren jeweils nur bedingt möglich.
12 Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C gemeldeter erstdiagnostizierter Hepatitis C zu ver- für Frauen und Männer nach Alter. In der Alters- zeichnen (Abbildung 2). Diese Entwicklung hat sich gruppe der 30- bis 39-Jährigen, in der die meisten ab dem Jahr 2009 verlangsamt. Seit 2011 ist die Erstdiagnosen verzeichnet werden, waren Männer Anzahl der Erstdiagnosen relativ stabil mit leich- 2,8-fach häufiger betroffen als Frauen. Im Kindes- ten Schwankungen. Der Anstieg im Jahr 2014 ist alter (unter 15 Jahren) war die Inzidenz der Hepa- möglicherweise auf eine Zunahme der diagnos- titis-C-Erstdiagnosen mit 0,3 je 100.000 Einwoh- tischen Testung seit Zulassung neuer antiviraler ner (entsprechend 37 übermittelten Fällen) gering. Medikamente gegen Hepatitis C zurückzuführen Weitere Informationen zum zeitlichen Verlauf und wird Gegenstand weiterer Beobachtungen sein. sowie zur geografischen und demografischen Ver- Der Abfall der Inzidenz übermittelter Hepatitis- teilung der Meldedaten in Deutschland können C-Erstdiagnosen im Jahr 2015 im Vergleich zum dem jährlich erscheinenden Infektionsepidemio- Vorjahr ist vermutlich durch die oben beschrie- logischen Jahrbuch des Robert Koch-Instituts ent- bene Änderung der Falldefinition zum 01.01.2015 nommen werden (www.rki.de/jahrbuch). bedingt. Aufgrund dieser Änderung entfallen bis her übermittlungspflichtige Fälle mit indirektem Erregernachweis und nur noch Fälle mit direktem 5.3 Sterblichkeit Erregernachweis gehen in die Statistiken ein. Aus den Meldedaten kann nicht auf den Anteil von neu Personen mit chronischer Hepatitis C haben im Ver- diagnostizierten Infektionen, deren Infektionszeit- gleich zur Allgemeinbevölkerung ein signifikant punkt bereits lange zurückliegt, geschlossen wer- erhöhtes Risiko, an einer leberbezogenen Erkran- den. Insgesamt ist davon auszugehen, dass sich in kung zu versterben [12]. Studien belegen auch ein Deutschland jedes Jahr mehrere tausend Personen erhöhtes Sterberisiko für nichtleberbezogene (extra- mit dem Hepatitis-C-Virus infizieren. hepatische) Ursachen, insbesondere bei Drogen Wie auch in den Vorjahren lag die Inzidenz 2015 gebrauchenden [36–38]. Eine Auswertung im Rah- bei Männern mit 8,2 Erstdiagnosen je 100.000 Ein- men der Global Burden of Disease Studie (GBD) wohner deutlich höher als bei Frauen (3,9). Abbil- aus dem Jahr 2010 kommt zu dem Ergebnis, dass dung 3 zeigt die Verteilung der Erstdiagnoseraten Hepatitis C bei Berücksichtigung aller mit der Infek- Abbildung 3 Übermittelte Hepatitis-C-Erstdiagnosen je 100 000 Einwohner nach Alter 2015 (4 855 Fälle)* Quelle: [35] 24 Anzahl 21 18 15 12 9 6 3
Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C 13 tion zusammenhängenden Todesfälle weltweit an Eine internationale Schätzung geht für Deutsch- 25. Stelle der Todesursachen stehen würde [39]. land von einer deutlich höheren leberbezogenen Für Deutschland fehlen derzeit belastbare Sterblichkeit aus als in der Todesursachenstatistik Daten zur Sterblichkeit aufgrund von Hepatitis-C- unter den Diagnosen akute und chronische Hepa- Infektionen und ihren Folgeerkrankungen [40]. titis C verzeichnet. In der Studie wird ein mathema- Es muss davon ausgegangen werden, dass die auf tisches Modell zum Fortschreiten der Erkrankung HCV zurückzuführende Sterblichkeit in der Todes- auf Prävalenzschätzungen der Hepatitis C ab dem ursachenstatistik erheblich unterschätzt wird, da Jahr 1950 angewendet. Für 2013 werden mit diesem vermutlich überwiegend die Folgeerkrankungen Modell 1.300 leberbezogene Sterbefälle bei Perso- als Todesursache angegeben werden und nicht die nen mit HCV-Infektion und eine Zunahme um zugrundeliegende HCV-Infektion. Häufig dürfte 10 % von 2013 bis 2030 geschätzt. Die Modellrech- die Infektion den Ärztinnen und Ärzten, die die nungen der Studie weisen außerdem in Richtung Todesbescheinigung ausstellen, auch nicht bekannt eines Anstiegs der geschätzten Anzahl der Folge- sein [41]. Dies muss bei der Interpretation der im erkrankungen Leberzirrhose und Leberzellkarzi- Folgenden dargestellten Daten der Todesursachen- nom durch chronische HCV-Infektionen in den statistik berücksichtigt werden. kommenden Jahren [44]. Infobox 5 6 Übertragungswege und Risikofaktoren Klassifikation nach ICD-10 In den allermeisten Fällen erfolgt die HCV-Übertra- Die Internationale statistische Klassifikation der gung durch das Eindringen von virushaltigem Blut Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme in die Blutbahn oder das Gewebe des Empfängers. (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, ICD) ist ein interna Kleinste Mengen können ausreichend sein. Das tional anerkanntes Klassifikationssystem für medizi- Hepatitis-C-Virus ist im Blut von infizierten Perso- nische Diagnosen. Es wird von der Weltgesundheits nen zuverlässig nachweisbar. Mittels hochempfind- organisation (WHO) herausgegeben und liegt licher Methoden kann Erbmaterial des HCV auch aktuell in der zehnten Revision vor (ICD-10). in anderen Körperflüssigkeiten (Speichel, Schweiß, Auswahl relevanter Codes nach ICD-10: Tränen, Sperma und Muttermilch) nachgewiesen B15 – B19 Virushepatitis werden. Dennoch ist der bloße Nachweis von HCV- B17 Sonstige akute Virushepatitis RNA dort nicht notwendigerweise mit Infektiösität B17.1 Akute Virushepatitis C gleichzusetzen. Eine Infektion über diese Körper- B18 Chronische Virushepatitis flüssigkeiten wird als äußerst unwahrscheinlich B18.2 Chronische Virushepatitis C angesehen [12]. Aufgrund des meist unbekannten Infektions- zeitpunkts ist die Identifizierung von Übertragungs Laut Todesursachenstatistik verstarben im wegen oft schwierig. Aus dem Jahr 2015 liegen Jahr 2014 in Deutschland insgesamt 5 Frauen und für ungefähr ein Viertel der gemäß Referenz 3 Männer an einer akuten Hepatitis C (ICD-10: definition übermittelten Erstdiagnosen belast- B17.1, Infobox 5). An einer chronischen Hepatitis C bare Angaben zum Übertragungsweg vor. Die- (ICD-10: B18.2) verstarben 305 Frauen und 323 Män- se Angaben stammen in der Regel von behan- ner [42]. Dies entspricht einer Sterberate der chro- delnden Ärztinnen und Ärzten oder von den nischen Hepatitis C von 0,7 Sterbefällen bei Frauen Betroffenen selbst (Abbildung 4). Demnach sind und 0,8 bei Männern je 100.000 Einwohner. Bei 81,0 % der Infektionen bei Männern und 62,0 % der chronischen Hepatitis C bestanden laut Todes- bei Frauen am wahrscheinlichsten durch injizie- ursachenstatistik 2014 deutliche Geschlechterunter renden Drogengebrauch übertragen worden [35]. schiede im durchschnittlichen Sterbealter zuunguns- An zweiter Stelle steht die Übertragung in der ten der Männer. Frauen verstarben durchschnittlich Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben. im Alter von 73,4 Jahren und Männer im Alter von Der Erhalt von Blutprodukten vor der Einfüh- 62,4 Jahren [43]. rung der diagnostischen Testung von Blut und
14 Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C Abbildung 4 Gemeldete Fälle von Hepatitis-C-Virus-Infektionen mit belastbaren Angaben zum wahrscheinlichsten Übertragungsweg 2015 (1 170 Fälle)* Quelle: [35] Injizierender Drogengebrauch (76,2 %) Männer, die Sex mit Männern haben (8,1 %) Heterosexueller Kontakt Übertragungsweg Wahrscheinlicher mit Hepatitis-C-infiz. Partner/in (6,1 %) unbekannt Übertragungsweg (3.717 Fälle, 76,1 %) (1.170 Fälle, 23,9 %) Blutprodukte (7,8 %) Dialyse (1,4 %) Perinatal (0,4 %) * Die Abbildung bezieht sich auf Fälle, die der Referenzdefinition entsprechen. Blutprodukten im Jahr 1991 wurde am dritthäu- die Übertragung während der Geburt (perinatal) figsten als wahrscheinlichster Übertragungsweg als wahrscheinlichster Übertragungsweg ange- aufgeführt. Darüber hinaus wurden heterosexuel- geben. ler Kontakt mit Hepatitis-C-infizierter Partnerin Die Übertragbarkeit des Hepatitis-C-Virus auf oder Hepatitis-C-infiziertem Partner, Dialyse und dem Blutweg spiegelt sich in der unterschiedlich Tabelle 1 HCV-Antikörperprävalenz in verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Deutschland und Europa Bevölkerungsgruppe HCV-Antikörperprävalenz, HCV-Antikörperprävalenz, Studien in Deutschland Studien in anderen europäischen Industrieländern Menschen mit Bluterkrankheit (Hämophilie), 98,6 % [45] 83 – 100 % [46, 47], die vor 1992 Arzneimittel aus menschlichem 92 % [48], 98 % [49] Blutplasma (Plasmaderivate) erhalten haben Dialysepatientinnen und -patienten 3,6 % [50] 5,0 – 7,5 % [51] Injizierende Drogengebrauchende 37 – 73 % [52, 53], 7,5 – 84,3 %* [56] 66 % [54], 75 % [55] Gefängnisinsassen 8,6 % [57], 14,3 % [58], 5,2 % [60], 4,8 % [61] 17,6 % [59] Kinder von Müttern, die während der Schwanger- 1,0 % [62] 0,3 % [63], 0,2 % [64], schaft/Entbindung mit HCV infiziert waren 0,5 % [65, 66], 0,8 % [67] Migrantinnen und Migranten 1,2 % [54], 1,9 % [68], 1,5 % [70], 5,8 – 6,3 % [69], 3,1 % [71] Erstspendewillige, Erstspenderinnen und 0,07 % [72] 0,0 – 1,5 % [73–75] Erstspender in einem Blutspendedienst Allgemeinbevölkerung (Erwachsene) 0,3 % [6] 0,4 – 5,2 % [76] * Studiensetting: Drogenbehandlungszentren in europäischen Städten, Bezirken oder Ländern
Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C 15 hohen Antikörperprävalenz in verschiedenen Bevöl- nen geführt. Therapeutisches Plasma, das keinem kerungsgruppen wider. Angaben zum Herkunfts- technischen Inaktivierungsverfahren unterzogen land von Asylsuchenden mit einer neu diagnos- wird, wird für vier Monate quarantänegelagert. Erst tizierten HCV-Infektion werden im Rahmen der wenn die Spenderin beziehungsweise der Spen- gesetzlichen Meldepflicht erst seit September 2015 der in einer erneuten Testung auf alle Infektions- übermittelt. Dabei ist zu beachten, dass die Zahl der werte einschließlich HCV negativ getestet wurde, übermittelten Fälle unter anderem von Bestimmun- kann das tiefgefroren gelagerte Plasma zur Trans- gen für systematische Untersuchungen (Screening) fusion freigegeben werden. Nachdem Mitte der in den jeweiligen Bundesländern abhängt. Aussagen 1980er-Jahre zuverlässige Verfahren zur Virus über die Höhe des Anteils von Infektionen bei Per- inaktivierung bei der Herstellung von Arzneimit- sonen, die aus Ländern mit einer hohen HCV-Präva- teln aus Blutplasma (Plasmaderivate, beispielsweise lenz stammen, sind aus den Meldedaten nicht ableit- Gerinnungsfaktorenpräparate, Immunglobuline) bar. Um die Antikörperprävalenz in verschiedenen verbindlich eingeführt wurden, gelten diese Prä- Bevölkerungsgruppen darstellen zu können, wer- parate als HCV-sicher. den daher weitere Studien und Erhebungen benö- Durch die vorgeschriebene Testung aller Organ- tigt. Tabelle 1 zeigt die aus verschiedenen Untersu- spenderinnen und -spender auf das Vorliegen einer chungen zusammengefassten Daten für Deutsch- HCV-Infektion (indirekter und gegebenenfalls land und andere europäische Industrieländer. Die direkter Test) konnte auch die Übertragungsgefahr Antikörperprävalenz bei Organtransplantierten und durch Organtransplantationen minimiert werden. Dialysepatientinnen und -patienten erklärt sich im Wesentlichen aus den relativ hohen Infektionsrisi- ken durch Organ- beziehungsweise Blutspenden vor 6.2 Injizierender Drogengebrauch Einführung der routinemäßigen HCV-Testung der entsprechenden Spenderinnen und Spender. Ein wichtiger Übertragungsweg ist die gemeinsame Verwendung von Injektionsutensilien bei Perso- nen, die intravenös Drogen gebrauchen. Das Hepa- 6.1 Blutprodukte und Transplantate titis-C-Virus ist in der Umwelt sehr stabil, auch auf Flächen. Dadurch ist beim Drogengebrauch In Deutschland werden alle Blutspenden seit April und bei der Vorbereitung der Injektion nicht nur 1991 auf HCV-Antikörper und seit 1999 zusätzlich das Teilen von Spritzen und Nadeln risikobehaftet auf HCV-Erbgut untersucht. Zusätzlich zur sorgfäl- [80]. Das Auskochen und Weitergeben von Filtern, tigen Auswahl der Spenderinnen und Spender hat die gemeinsame Benutzung eines Wassergefäßes dies dazu geführt, dass das Risiko einer HCV-Über- sowie das Teilen von Löffeln oder Stauschlauch kön- tragung durch Bluttransfusionen in Deutschland, nen ebenfalls ein Risiko darstellen [81]. Auch das wie auch in anderen Industrieländern, sehr stark Teilen von Sniefröhrchen zum Inhalieren pulverför- zurückgegangen ist. Seit dem Jahr 2000 wurde bei miger Drogen kann durch Mikroverletzungen der jährlich rund vier bis fünf Millionen Transfusionen Nasenschleimhaut eine HCV-Übertragung begüns- nur noch eine HCV-Übertragung im Jahr 2004 tigen [32]. Diese Verhaltensweisen werden mit dem bestätigt [77, 78]. Hierbei handelte es sich um die Begriff “Unsafe Use” zusammengefasst. Spende einer Person mit einer sehr frischen HCV- Der durchschnittliche Anteil der injizierenden Infektion, die noch nicht im Blut nachgewiesen Drogengebrauchenden an allen diagnostizierten werden konnte. Für die im Blutspendewesen ver- HCV-Fällen betrug 64 % in den 18 europäischen wendeten direkten Tests (Nukleinsäure-Amplifika Ländern, für die Daten im Zeitraum 2011 bis 2012 tionstests, NAT) schätzt man das diagnostische zur Verfügung standen. Der Anteil an den gemel- Fenster aktuell auf circa 9 – 11 Tage. Das Restrisiko deten HCV-Fällen mit bekannter Risikokategorie einer unerkannt infektiösen Spende im diagnosti- lag bei 50 % [82]. Die seit einigen Jahren etablier- schen Fenster wird anhand mathematischer Modelle ten Präventionsprogramme für injizierende Dro- aktuell auf circa 1:3 Millionen geschätzt [79]. gengebrauchende (gezielte Aufklärung, Ausgabe Weitere Maßnahmen haben zu einer Reduk steriler Injektionsbestecke) haben zwar dazu beige- tion des HCV-Infektionsrisikos durch Transfusio- tragen, das Risiko für Infektionen mit dem Huma-
16 Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C nen Immundefizienz-Virus (HIV) deutlich zu ver- zurückliegende Risiken zurückzuführen waren, ringern; HCV ist aber in dieser Gruppe weiterhin wie beispielsweise medizinische Eingriffe mit kon- stark verbreitet. In verschiedenen Studien wurden taminierten Instrumenten. Seit den 2000er-Jahren hohe Neuinfektionsraten beobachtet, insbesondere wurden verschiedene Ausbrüche von akuter Hepa- auch bei jungen Personen in den ersten Jahren des titis C unter HIV-infizierten Männern, die Sex mit injizierenden Drogengebrauchs. In Justizvollzugs- Männern haben (MSM), aus den USA, Australien anstalten besteht oft eine besondere Gefährdungs- und verschiedenen europäischen Ländern berich- situation für injizierende Drogengebrauchende, da tet. Als Risikofaktoren für eine HCV-Infektion unter hier der Zugang zu Präventionsmaßnahmen, wie HIV-positiven MSM wurden häufiger Analsex mit sterilem Material zur Injektion, limitiert ist. wechselnden Partnern, Gruppensex, rektale Verlet- Menschen, die Drogen gebrauchen, sind in zungen und Drogengebrauch im sexuellen Kontext bevölkerungsbezogenen Untersuchungen meist identifiziert [83–86]. Im Zusammenhang mit sexu- unterrepräsentiert. Das Robert Koch-Institut hat ellen Risiken, nasalem und injizierenden Drogenge- deshalb im Rahmen einer weiteren Studie die Häu- brauch wurde aktuell auch von akuten HCV-Infekti- figkeit von Infektionsmarkern im Blut (Seropräva- onen unter MSM ohne HIV-Infektion berichtet [87]. lenzen) von HIV, HBV und HCV sowie Verhaltens- weisen von über 2.000 injizierenden Drogenge- brauchenden in acht deutschen Städten untersucht. 6.4 Medizinischer Bereich Die Studie zu »Drogen und chronischen Infek tionskrankheiten in Deutschland« (DRUCK-Stu- Beruflich bedingte Infektionen mit HCV bei medi- die) zeigte unter anderem deutliche Unterschiede zinischem Personal kommen in Einzelfällen vor von HCV-Antikörperprävalenz und HCV-Infek und sind in der Regel auf konkrete Unfallereignisse tionshäufigkeit zwischen den Studienstädten. Die zurückzuführen, beispielsweise auf eine Nadelstich- Antikörperprävalenz bei injizierenden Drogenge- verletzung bei der Behandlung HCV-infizierter Pati- brauchenden lag zwischen 37 % in Leipzig und 73 % entinnen oder Patienten. Das Risiko einer HCV-Infek- in Hannover. Zwischen 23 % und 54 % der Teilneh- tion nach einer Nadelstichverletzung oder einer ver- menden wiesen Marker einer aktiven, infektiösen gleichbaren Exposition beträgt etwa 2 %. Damit liegt Hepatitis C auf, die potenziell behandlungsbedürf- das Risiko höher als bei HIV (0,1 %), aber deutlich tig und auf andere Personen übertragbar ist [53]. niedriger als beim Hepatitis-B-Virus (> 20 %). Studien zeigen, dass bei medizinischem oder zahnmedizini- schem Personal in Industrieländern die HCV-Anti- 6.3 Sexuelle Kontakte körperprävalenz in der Regel nicht höher liegt als in der Allgemeinbevölkerung [88]. Der sexuelle Übertragungsweg der Hepatitis C ist HCV-Übertragungen auf Patientinnen und Pati- grundsätzlich möglich, spielt aber eine untergeord- enten im Rahmen diagnostischer oder chirurgischer nete Rolle. Verletzungsträchtige Sexualpraktiken stel- Eingriffe sind äußerst selten. Infektionsquellen kön- len allerdings ein relevantes Infektionsrisiko dar. nen entweder HCV-infiziertes medizinisches Per- Bei Personen mit häufig wechselnden Sexualpart- sonal sein – beispielsweise im Zusammenhang mit nerinnen und -partnern sowie mit Sexualpraktiken, unbemerkten Verletzungen von Chirurginnen oder bei denen Kontakt mit Blut nicht ausgeschlossen Chirurgen bei Operationen – oder medizinische Ins- ist, wurde eine gegenüber der Allgemeinbevölke- trumente, die nicht sachgerecht desinfiziert bezie- rung erhöhte Prävalenz von HCV-Antikörpern fest- hungsweise sterilisiert wurden. In den letzten Jahren gestellt. Die Infektionsgefahr ist besonders hoch, wurden in Deutschland Einzelfälle einer HCV-Über- wenn bereits eine andere Viruserkrankung vorliegt, tragung auf Patientinnen und Patienten dokumen- insbesondere mit HIV. Bei Langzeit-Partnerinnen tiert und wissenschaftlich untersucht, zum Beispiel und -Partnern von Personen mit aktiver Hepatitis C durch einen Anästhesisten und einen Gynäkolo- wurden hingegen in verschiedenen Ländern HCV- gen [89, 90]. Des Weiteren wurde von Einzelfällen Infektionen nur selten beobachtet. Zum Teil blieb berichtet, die sich durch eine HCV-Übertragung von dabei unklar, ob die Infektionen auf sexuelle Über- Patient zu Patient auf einer orthopädischen Station tragung oder auf gemeinsam bestehende, lange ereignet haben [91]. Nachfolgende Untersuchungen
Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C 17 zeigten keine Verstöße in der Durchführung der abhängig von der Viruskonzentration im mütter Basishygiene. Es konnten auch keine spezifischen lichen Blut. Wenn die Mutter zugleich HIV-infi- Aktivitäten identifiziert werden, die zu den im Kran- ziert ist, steigt das HCV-Übertragungsrisiko im Ver- kenhaus erworbenen (nosokomialen) Infektionen gleich zu HIV-negativen Müttern auf das Zwei- bis geführt haben könnten. In anderen europäischen Dreifache [96, 97]. Ländern kam es auch vereinzelt zu HCV-Infektionen Obwohl Virus-RNA auch in Muttermilch nach- im Krankenhaus, zum Beispiel auf einer Entbin- gewiesen wurde, gibt es bisher keinen gesicherten dungsstation. In Großbritannien wurde bei einer Fall einer Infektion auf diesem Wege. Trotzdem Frau zwei Monate nach der Entbindung eine akute besteht theoretisch ein Restrisiko, dass es bei hoher HCV-Infektion festgestellt [92]. Untersuchungen Viruslast über blutende Wunden (beispielsweise ergaben, dass eine Hebamme auf der Station mit bei Verletzungen der Brustwarzen) zu einer Infek- dem gleichen Genotyp des Virus chronisch infiziert tion des Säuglings kommen kann. Die Nationale war. Des Weiteren wurde über Einzelfälle berich- Stillkommission empfiehlt daher, bei der Beratung tet, bei denen die HCV-Infektion im Rahmen einer von HCV-positiven Müttern folgende Aspekte zu Darmspiegelung (Koloskopie) übertragen wurde [93, berücksichtigen [98]: 94]. In diesen Fällen waren meist Hygienevorschrif- ten missachtet worden. ▶▶ Hepatitis-C-positive Mütter können nach ent- Personen, die im medizinischen Bereich sprechender Beratung zum Stillen ermuntert beschäftigt sind, sollten im Rahmen arbeitsme- werden. dizinischer Vorsorgeuntersuchungen regelmäßig ▶▶ Hepatitis-C-positive Mütter sollten entsprechend auf HCV-Antikörper untersucht und in Maßnah- professionell begleitet und unterstützt werden, men zur Vermeidung blutübertragener Infektio- um möglichst blutende Verletzungen der Brust- nen geschult werden [95]. Im Falle einer infektiö- warzen zu vermeiden. sen Hepatitis C sollte, wie bei allen Virusträgerin- nen und Virusträgern, umgehend eine adäquate Behandlung angeboten werden. Für Beschäftigte 6.6 Andere Übertragungswege mit aktiver HCV-Infektion gibt es keine generelle Empfehlung zur Einschränkung ihrer Tätigkeit in Bei weniger als einem Viertel der gemäß Refe- Einrichtungen der Krankenversorgung. Allerdings renzdefinition übermittelten Erstdiagnosen finden können bestimmte Tätigkeiten mit einem erhöhten sich belastbare Angaben zum Übertragungsweg Infektionsrisiko verbunden sein. In Abhängigkeit [35]. Es ist unklar, inwieweit es sich bei den nicht von individuellen Faktoren, beispielsweise der Art bekannten Fällen um bisher unbekannte Übertra- einer Operation und der damit verbundenen Verlet- gungswege handelt oder um Risikoverhaltenswei- zungsgefahr sowie der technischen Fertigkeit und sen und Risikoereignisse (beispielsweise injizie- Erfahrung des Operierenden, können bestimmte render Drogengebrauch oder Bluttransfusionen Tätigkeitseinschränkungen notwendig sein. Über vor 1992, an die sich die Betroffenen nicht erin- die Art des Einsatzes von HCV-infiziertem medizi- nern oder die sie nicht berichten). Derzeit ist nicht nischen Personal sollte in jedem einzelnen Fall ein bekannt, ob in Deutschland HCV-Infektionen bei- interdisziplinär besetztes Expertengremium ent- spielsweise durch Vernachlässigung von Hygiene- scheiden. Dabei hat die Risikominimierung für die regeln beim Tätowieren, Piercing oder Ohrlochste- Patientinnen und Patienten vorrangige Bedeutung. chen vorkommen. Auch eine Übertragung über gemeinsame Benutzung oder Verwechslung von Rasierklingen, Rasierapparaten, Nagelscheren 6.5 Mutter-Kind-Übertragung oder Zahnbürsten ist nicht hinreichend geklärt. In einigen Studien wurden unsachgemäß durch- Das Risiko einer HCV-Übertragung von der Mut- geführte Tätowierungen (insbesondere in Haftan- ter auf das Kind während der Schwangerschaft stalten) als Risikofaktor für eine HCV-Infektion oder unter der Geburt (vertikale Transmission) ist identifiziert [99, 100]. geringer als bei einer Hepatitis-B-Virus-Infektion der Mutter. Es wird mit 3 – 5 % angegeben und ist
18 Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Hepatitis C 7 Prävention der Zugang zu den oben genannten Maßnahmen der Prävention und Infektionsvermeidung teilweise Eine wirksame Schutzimpfung gegen Hepatitis C eingeschränkt, so dass ein wichtiges Ziel der Prä- ist nicht verfügbar. Auch stellt eine früher einmal ventionsbemühungen auch die Absenkung erhöh- durchgemachte HCV-Infektion keinen sicheren ter Infektionsrisiken für Inhaftierte sein sollte. Schutz vor einer erneuten Infektion dar. Präven- Bei sexuellen Kontakten mit häufig wechseln- tionsmaßnahmen müssen deshalb vor allem dar- den Partnerinnen und Partnern oder verletzungs- auf zielen, die bekannten Übertragungsrisiken zu trächtigen Sexualpraktiken wird Kondomgebrauch minimieren. empfohlen, um die Infektionsgefahr zu verringern. Zu den wichtigsten präventiven Maßnahmen gehö- Bei Drogengebrauch im sexuellen Kontext sollte ren die sorgfältige Auswahl von Blutspenderinnen neben dem Kondomgebrauch darauf geachtet wer- und -spendern einschließlich einer hochempfindli- den, dass möglicherweise mit Blut kontaminierte chen Testung von Blutprodukten auf HCV-Antikörper Gegenstände wie Injektionsmaterial, Sniefröhrchen und HCV-Erbgut. Die Verwendung virusinaktivierter oder Handschuhe nicht geteilt werden, insbeson- Blutprodukte (wo möglich) oder gentechnologisch dere unter HIV-Infizierten. hergestellter Präparate, können ein mögliches Rest- Um bei der Behandlung und Pflege von infizier- risiko weiter verringern. Blut und Blutprodukte sind ten Patientinnen und Patienten eine HCV-Übertra- nach Einführung dieser Tests und Verfahren erheb- gung auf medizinisches Personal zu vermeiden, lich sicherer geworden, so dass Infektionen in den empfiehlt es sich, die Regeln der Basishygiene zu Industrieländern nur noch in sehr seltenen Einzel- beachten, die auch für die Verhütung einer HIV- fällen vorkommen. Grundsätzlich sollten zellhaltige oder HBV-Infektion gelten. Bei möglichem Kon- Blutprodukte, wie beispielsweise Erythrozyten- oder takt zu virushaltigen Körperflüssigkeiten müssen Thrombozytenpräparate, nur nach strenger Indikati- Schutzhandschuhe getragen werden. Sollten bei onsstellung eingesetzt werden. der Behandlung virushaltige Aerosole (schwebende Für die weiterhin stark gefährdete Gruppe der feste oder flüssige Teilchen in der Luft) auftreten Personen mit injizierendem Drogengebrauch sind können, wie zum Beispiel bei zahnärztlichen Maß- gezielte Aufklärungsmaßnahmen beispielsweise in nahmen, ist das Tragen eines Mundschutzes und Therapieeinrichtungen, szenenahen Kontaktläden, einer Schutzbrille angezeigt. Scharfe oder spitze Drogenkonsumräumen und über Straßensozial Gegenstände, die mit Blut oder anderen Körper- arbeit (Streetwork) notwendig. Die Aufklärung flüssigkeiten in Berührung gekommen sind, müs- sollte mit der bedarfsorientierten Vergabe von ste- sen sicher entsorgt werden. Umgekehrt sollte bei rilem Material gekoppelt sein. Es sollte insbeson- HCV-infiziertem medizinischem oder zahnmedizi- dere Wissen zu den weniger gut bekannten Über- nischem Personal, bei dem durch adäquate Thera- tragungsmöglichkeiten, wie durch die gemeinsame pie keine Viruselimination erzielt werden kann, in Benutzung von Löffeln, Filtern, Wasser und Snief- jedem Einzelfall − zum Beispiel durch eine inter- röhrchen, vermittelt werden. Auch ein erhöhtes disziplinär zusammengesetzte Kommission aus »Blutbewusstsein« zu Risiken und Kontaktmög- Expertinnen und Experten − sorgfältig abgewogen lichkeiten im Alltag gehört dazu. Bei der Ausgabe werden, in welchen Arbeitsbereichen die betroffene von sterilem Material zur Vorbereitung und zum Person eingesetzt werden kann [95]. Tätigen der Injektion ist wichtig, dass nicht nur Eine effektive Therapie kann eine chronische HCV- Spritzen und Kanülen, sondern auch Filter, Löffel Infektion heutzutage in einem Großteil der Fälle hei- und steriles Wasser zur Injektion ausgegeben wer- len, so dass keine Übertragungsgefahr mehr besteht. den. Spritzentauschprogramme oder Automaten Eine wichtige Präventionsmaßnahme besteht des- kommen inzwischen in vielen Städten zum Einsatz, halb auch in der frühzeitigen Diagnose, zum Beispiel allerdings besteht bei diesen Angeboten ein starkes durch geeignete Screeningmaßnahmen, und umge- Stadt-Land-Gefälle [101]. henden adäquaten Behandlung. HCV-Screeningpro- Menschen mit injizierendem Drogengebrauch gramme für Bevölkerungsgruppen mit einer hohen werden aufgrund der Illegalität von Drogenerwerb, HCV-Prävalenz (wie injizierende Drogengebrau- -besitz und -verkauf sowie Beschaffungskrimina chende, Migrantinnen und Migranten) haben sich in lität häufig inhaftiert. In Justizvollzugsanstalten ist Studien auch als kosteneffektiv erwiesen [76, 102].
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