UHZ aktuell - HTX - Ausgabe 36 Oktober 2021 - Universitäts-Herzzentrum Freiburg

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UHZ aktuell - HTX - Ausgabe 36 Oktober 2021 - Universitäts-Herzzentrum Freiburg
UHZ aktuell
                                                      Ausgabe 36 • Oktober 2021

                                                          Beiträge
                                                          • MICS-CABG
                                                          • Rhythmologie
                                                          • Perkutane
                                                             Koronar­
                                                             intervention
                                                          • Pädiatrische
                                                             HTX
                                                          • Implementierung
                                                             IMC-Einheit

Empfang eines Herzpatienten im UHZ in Bad Krozingen                  Foto: Christina Dages
UHZ aktuell - HTX - Ausgabe 36 Oktober 2021 - Universitäts-Herzzentrum Freiburg
EDITORIAL

                                            Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,
                                            liebe Leserinnen und Leser,

                                            noch immer leben wir in bewegten Zeiten. Nach einem
        Prof. Dr. Dr. h. c. F. Beyersdorf   etwas ruhigeren Sommer blicken wir nun aufmerksam, aber
        Klinik für Herz- und
        Gefäß­chirurgie
                                            gut vorbereitet in die kalte Jahreszeit. Das Engagement und
                                            der Einsatz im Bereich der Intensivmedizin wurde im August
                                            in besonderer Weise durch einen Besuch der Wissenschafts-
                                            ministerin Frau Theresa Bauer gewürdigt – mit einer Führung
                                            über unsere Intensivstationen in Freiburg und Gesprächen
        Prof. Dr. Dr. h. c. Ch. Bode        mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ein weiteres Thema
        Klinik für Kardiologie
        und Angiologie I                    ihres Besuches war die Digitalisierung und künstliche Intel-
                                            ligenz in der Medizin – ein sich immer schneller entwickeln-
                                            des Feld. Am Beispiel des Herzkatheter-Roboters wurde
                                            der Ministerin die Zukunft der interventionellen Kardiologie
                                            demonstriert.
        Prof. Dr. P. Kohl
        Institut für Experimentelle
        Kardiovaskuläre Medizin             Aber auch weitere Themen finden Sie in dieser Ausgabe –
                                            mit den neuesten Daten aus dem Bereich der Koronar­
                                            chirurgie, Einblicken in neue Positionspapiere und ESC-
                                            Leitlinien, der Lebensqualität von Kindern nach Herztrans-
                                            plantation und vielem mehr.
        Prof. Dr. F.-J. Neumann
        Klinik für Kardiologie
        und Angiologie II                   Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre!

                                            Mit allen guten Wünschen bin ich
                                            Ihr

        Frau Prof. Dr. B. Stiller
                                            Christoph Bode
        Klinik für Angeborene
        Herz­fehler/Kinderkardiologie

        P. Bechtel
        Pflegedirektion

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INHALT

MICS-CABG – Minimal-invasive Bypasschirurgie....................................................................................................................4

Physiologische Herzstimulation (His-Bündel- & Linksschenkel-Stimulation) und neue ESC-Leitlinien .....................................6

Behandlung chronischer Koronarverschlüsse – Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie..........................8

Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen nach orthotoper Herztransplantation............................................................10

Pflege: Implementierung einer IMC-Einheit auf der Herz- und Gefäßchirurgischen Intensivstation in Freiburg –
ein Rückblick auf die Anfangsphase.....................................................................................................................................12

Forschung: Plötzlicher Herztod bei asymptomatischen Patient*innen mit Aortenstenose......................................................14

Leitlinien: „2021 ESC/EACTS Guidelines for the Management of Valvular Heart Disease“: Was ist neu?..............................16

Wir über uns: Klinisches Wahlfach Notfallsonographie – Sono4Students Freiburg................................................................18

Rückblick: 20. Freiburg · Bad Krozinger Herz-Kreislauf-Tage 2021.......................................................................................20

Presse..................................................................................................................................................................................22

Ausgezeichnete Mitarbeiter*innen/Termine...........................................................................................................................23

Partner am Universitätsklinikum Freiburg

  •   Allgemein- und Viszeralchirurgie                          •   Institut für Umweltmedizin und                            •   Plastische und Handchirurgie
  •   Anästhesiologie und                                           Krankenhaushygiene                                         •   Pneumologie
      Intensivmedizin                                            •   Klinische Chemie                                          •   Psychiatrie und Psychotherapie
  •   Orthopädie und Unfallchirurgie                            •   Mikrobiologie und Hygiene                                 •   Radiologie
  •   Dermatologie und Venerologie                              •   Nephrologie                                               •   Thoraxchirurgie
  •   Frauenheilkunde                                           •   Neurologie und Neurophysiologie                           •   Transfusionsmedizin
  •   Herzkreislauf-Pharmakologie                               •   Nuklearmedizin                                            •   Transplantationszentrum

  IMPRESSUM
  Herausgeber:                                         Konzept und Gestaltung:
  UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG                        H. Bahr, F. Schwenzfeier
  Universitäts-Herzzentrum                             Druck:
  Verantwortlich:                                      Hofmann Druck, Emmendingen
  Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. M. Zehender                   Anschrift:
  Redaktionsleitung:                                   UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG
  Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. M. Zehender,                  Universitäts-Herzzentrum
  Prof. Dr. J. Minners                                 Standort Freiburg
                                                       Hugstetter Str. 55 ∙ D-79106 Freiburg
  Redaktion:
                                                       E-Mail: uhzaktuell@
  H. Bahr, Frau G. Huber, Dr. R. Kubicki,
                                                       uniklinik-freiburg.de
  Frau M. Roth, Dr. D. Schibilsky, Frau C.
  Spitz-Köberich, Frau Dr. J. Verheyen

                                                                                                                                                                                         3
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MINIMAL-INVASIVE BYPASSCHIRURGIE
MICS-CABG – Minimal-invasive Bypasschirurgie
Albi Fagu, Dr. Tim Berger, PD Dr. Wolfgang Bothe und Prof. Dr. Matthias Siepe

                                                Seite dargestellt und präpariert. Dahin-       mittels RIMA (als sogenannter T-Graft)
Einleitung                                      gegen ist die Präparation der rechten          oder unter Verwendung von anderen
                                                Arteria mammaria wesentlich anspruchs-         geeigneten Gefäßen (Arteria radialis, Vena
Die minimal-invasive Bypasschirurgie ist        voller. Mit Hilfe eines Gewebestabilisa­       saphena magna) bypassiert werden
eine weniger invasive Form der koronaren        tors wird das anteriore mediastinale Fett­     (Abb.1). Eine stärkere Luxation des Her-
Bypassoperation über eine links antero-         gewebe nach posterior verlagert und            zens ist für den Zugang zu der lateralen
laterale Thorakotomie. Dieses Verfahren         somit der Zugang in die rechte Pleura          und posterioren Wand nötig. Hierfür wird
kann sowohl mit als auch ohne Verwen-           ermöglicht.                                    ein spezielles apikales Saugsystem (Star-
dung der Herz-Lungen-Maschine (HLM)               Abhängig von der Revaskularisations-         fish NS) über die subxyphoidale Inzision
erfolgen. Im Folgenden werden wir die           strategie kann zeitgleich die Entnahme         eingebracht. Während dieses Vorgangs
verschiedenen Revaskularisationstech-           der Arteria radialis oder der Vena saphena     könnte die Hämodynamik des*der
niken genauer vorstellen.                       magna durchgeführt werden.                     Patient*in beeinträchtigt werden. Um dies
                                                  Nachdem das Bypassmaterial entnom-           zu verhindern, ist eine gute Zusammen-
                                                men wurde, wird der*die Patient*in für die     arbeit mit der Kardioanästhesie von abso-
MICS-CAGB-Technik                               Revaskularisation vorbereitet. Das Peri-       luter Wichtigkeit, um normale Perfusions-
                                                kard wird eröffnet und die Koronararterien     drücke zu erhalten. Dies kann mittels
Der*die Patient*in wird in einer 30°-Rechts­    werden identifiziert und inspiziert.           Volumensubstitution, Schrittmachersti-
seiten­lage gelagert. Die linke und rechte        MICS-CABG kann: (I) ohne HLM (MICS-          mulation und Katecholamintherapie
Leiste sollten gut erreichbar sein, falls die   OPCAB), (II) mit HLM (beating-heart MICS-      erreicht werden. Über die laterale Thora-
Verwendung der HLM notwendig ist. Als           CABG), (III) mit HLM und kardioplegem          kotomie lässt sich ebenfalls eine proximale
alternatives arterielles Zugangsgefäß kann      Kreislaufstillstand oder als (IV) Hybrid­      Anastomose an der Aorta durchführen.
auch die rechte Arteria subclavia verwen-       revaskularisationskonzept (HCR) durch-
det werden. Eine Einlungenventilation ist       geführt werden.                                 Technische Aspekte
zumindest für Teile der Operation not-                                                          • Linke anterolaterale Thorakotomie
wendig. Die Schnittführung erfolgt am 4.        MICS-OPCAB erfolgt ohne HLM und                    4. oder 5. ICR
oder 5. Interkostalraum, abhängig von           nach den gleichen Prinzipien wie eine           • Präparation der LIMA, RIMA,
der Lokalisation des Apex. Dieser Zugang        OPCAB-Prozedur in voller Sternotomie.              Radialis
kann sowohl medial als auch lateral der         Die Hilfsmittel zur Positionierung und Sta-     • Verwendung eines Gewebe­
vorderen Axillarlinie durchgeführt werden,      bilisierung des Herzens erlauben eine              stabilisators und Herzpositionierers
je nach Dimension des linken Ventrikels.        gute Darstellung, ohne die Sicht des Chi-          für eine gute Exposition
Ein MICS-Retraktor (Thoratrac. IMAgate,         rurgen einzuschränken. Die Reihenfolge
marTract) wird eingebracht und die Rip-         der Revaskularisation erfolgt ebenfalls
pen werden vorsichtig gespreizt um Rip-         wie bei dem konventionellen OPCAB-             Beating-Heart MICS-CABG
penfrakturen zu verhindern. Die Interkos­       Verfahren, beginnend mit der Vorderwand
talmuskulatur wird lateral und medial           über die laterale zur posterioren Wand.        Die Verwendung der HLM während der
getrennt, um die mechanische Bean-              Die zu revaskularisierenden Gefäße wer-        Operation verhindert die hämodyna-
spruchung auf die Rippen zu reduzieren.         den identifiziert und mit dem Gewebe-          mische Kompromittierung durch die
Zwei weitere Hilfsinzisionen (im 6. Inter-      stabilisator stabilisiert (Abb.2).             Luxation des Herzens. Der Anschluss
kostalraum und unterhalb des Xyphoids)            Das Gefäß wird inzidiert und ein Shunt       der HLM erfolgt über die Leistengefäße
zum Einbringen des Stabilisators ermög-         wird zur Sicherstellung der kontinuierlichen   oder alternativ über die Arteria subclavia
lichen eine bessere Übersicht durch die         Perfusion während des Nähens der Ana-          als arterielles Zugangsgefäß. Dies ermög-
Hauptinzision. In der minimal-invasiven         stomose eingebracht. Dieser Shunt              licht dem*der Chirurg*in eine ausge­
Bypasschirurgie können verschiedene             ermöglicht eine adäquate Perfusion und         dehntere Luxation des Herzens, um eine
Revaskulationsstrategien durchgeführt           ein klares Sichtfeld für den*die Opera­        vollständige Revaskularisation durch­
werden. Die linke Arteria mammaria wird         teur*in. Die Anastomose wird in üblicher       zuführen. Im Falle einer Beating-Heart
ebenfalls von der linken Seite dargestellt      Technik durchgeführt. Die Sicht durch          MICS-CABG-Prozedur wird eine Voll­
und präpariert.                                 den kleinen Schnitt an der Brustwand auf       heparinisierung benötigt. Die Anastomo-
   Nach dem Darstellen der IMA kann die         das Zielgebiet der Vorderwand ist in der       sen werden in der gleichen Technik wie
Präparation in pedikel- oder skelettierter      Regel sehr gut. Diagonal- und hohe             bei dem OPCAB-Verfahren angelegt
Form erfolgen. Hierbei wird die linke Arte-     Marginal­äste können ebenfalls ohne grö-       (Shunt, Stabilisierungshilfen).
ria mammaria ebenfalls von der linken           ßere Luxation des Herzens erreicht und

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Abb. 1: Durchführung der T-Graft-Anastamose                         Abb. 2: Stabilisierung des R.Marginalis

MICS-CABG mit kardioplegem Kreis-             lente mittelfristige Ergebnisse im Sinne
                                                                                               Minimal-invasive koronare Bypasschir-
laufstillstand wird ebenfalls mittels HLM     von einer kürzeren Krankenhausaufent-
                                                                                               urgie ist eine Alternative zu den her-
durchgeführt. Die hierfür notwendige          haltsdauer, nicht vorhandener Wund­              kömmlichen Verfahren. Man kann hier-
Aortenklemme wird über eine kleine Hilfs­     infekte und einer vergleichbaren Über­           bei auf eine Sternotomie verzichten,
inzision eingeführt. Die antegrade Kardio­    lebensrate verglichen mit herkömmlichen          was zu einer kürzeren Krankhausauf-
plegie wird über die Hauptinzision direkt     Verfahren zeigen.                                enthaltsdauer und einer früheren Mobi-
in die Aorta eingebracht. Die Vorteile von                                                     lisation führt. Im Fall des MICS-CABG-
MICS-CABG mit kardioplegem Kreislauf-           Pro                                            Verfahrens wird das Schlaganfallrisiko
stillstand sind die Möglichkeit der vollen      •	Weniger Invasivität                         signifikant reduziert. Darüber hinaus
Revaskularisation und die hämodyna-                – Kleiner Schnitt                           kann mit entsprechender Erfahrung
mische Stabilität während des Verfahrens.          – Vermeidung von CPB                        jede Revaskularisationsstrategie (voll-
Auf der anderen Seite ist das Schlag­           •	Kein Risiko für Mediastinitis               arteriell, proximale Anastomosen) an-
                                                                                               gewandt werden. Hierbei ist das Über-
anfallrisiko höher als bei dem MICS-            •	Kürzerer Krankenhausaufenthalt
                                                                                               leben und die Offenheitsrate der
OPCAB-Verfahren.
                                                                                               Bypasse vergleichbar mit den her-
   Eine Hybridrevaskularisation besteht                                                        kömmlichen Verfahren.
aus der chirurgischen Revaskularisation         Kontra
der Vorderwand (RIVA, R. diagonalis) mit-       •	Technische Komplexität
tels Bypass und der interventionellen           •	Vollständige Revaskularisierung
Behandlung mittels Stentimplantation der           nicht immer möglich
verbleibenden Stenosen.                         •	Reduzierte LV-Funktion und
                                                   erweiterter Ventrikel
                                                •	Reoperation
Klinische Ergebnisse
                                              Ruel et al konnten bei ihren 91 Pati­ent*in­
Aktuell gibt es nur kleine Studien, die die   nen eine sehr gute Offenheitsrate der
klinischen Ergebnisse von Patient*innen,      Bypässe belegen. Zum aktuellen Zeitpunkt        Kontaktadresse
die mittels MICS-CABG behandelt wur-          haben nur wenige Zentren weltweit eine          Albi Fagu
                                                                                              UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG
den, evaluiert haben. Im Allgemeinen kann     große Erfahrung mit MICS-CABG. Aller-           Universitäts-Herzzentrum
eine kürzere Krankhausaufenthaltsdauer        dings kann angenommen werden, dass              Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie
                                                                                              Hugstetter Straße 55 79106 Freiburg
                                                                                                                 •

und eine frühere Mobilisation erwartet        minimal-invasive Bypassoperationen die          Tel.: 07633-402-2606
werden. McGinn et al. konnten in ihrer        herkömmlichen Verfahren bis zu einem            E-Mail: albi.fagu@
Serie von 800 Patient*innen bereits exzel-    gewissen Maß ersetzen werden.                   uniklinik-freiburg.de

                                                                                                                                         5
UHZ aktuell - HTX - Ausgabe 36 Oktober 2021 - Universitäts-Herzzentrum Freiburg
RHYTHMOLOGIE
Physiologische Herzstimulation (His-Bündel- & Linksschenkel-Stimulation) und neue
ESC-Leitlinien
Dr. Johannes Steinfurt und PD Dr. Thomas Faber

                                                Prozedurdauer wie Sharma et al. sowie          Resynchronisation (CRT) und eine IIb-
Hintergrund                                     Studien aus den Herzzentren Leipzig und        Indikation bei Patient*innen mit schlankem
                                                Bad Oeynhausen zeigen konnten. In              QRS-Komplex und geplanter AV-Knote-
Die konventionelle Herzstimulation über         Freiburg können wir hierfür das CARTO-         nablation zur Verhinderung einer tachy-
eine Elektrode in der rechtsventrikulären       System nutzen (Abb.1).                         karden AV-Überleitung bei therapie­
Herzspitze führt zu einer unphysiologisch                                                      refraktärem Vorhofflimmern „pace-­and-
verzögerten, linksschenkelblockartigen                                                         ablate“ (Abb. 2). Die His-Bündel-­Stimu­
Ventrikelaktivierung, die in Studien bei        Leitlinien                                     lation stellt zudem in beiden Leitlinien
einem Stimulationsanteil von >20 % mit                                                         bereits eine Alternative zur konventionellen
dem Auftreten von Vorhofflimmern, der           Die His-Bündel-Stimulation wurde erst-         RV-Stimulation bei Patient*innen mit
Entstehung einer Herzinsuffizienz und           mals 2018 in den amerikanischen Leitli-        hohem Stimulationsanteil und leicht- bis
einer erhöhten Mortalität assoziiert ist.       nien und aktuell auch erstmals in den          mittelgradig reduzierter LV-Funktion (USA
                                                neuen europäischen Leitlinien von 2021         IIa, Europa IIb) oder permanenten AV-
                                                verankert. Demnach hat die His-Bündel-         Block und erhaltener LV-Funktion dar. Bei
Physiologische Herzstimulation                  Stimulation eine IIa-Indikation als Bailout-   schrittmacherabhängigen Patient*innen
                                                Strategie nach erfolgloser Implantation        wird von den Autoren die Implantation
Bereits im Jahr 2000 konnten Deshmukh           einer Koronarsinuselektrode zur kardialen      einer Backup-Elektrode empfohlen.
et al. bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz
und Vorhofflimmern zeigen, dass es tech-
nisch möglich ist, das Reizleitungssystem
direkt über eine im His-Bündel implantierte
Schrittmachersonde dauerhaft zu stimu-
lieren und so eine physiologische Ventri-
kelaktivierung nach AV-Knotenablation
zu bewahren. Huang et al. konnten 2017
bei einem Patienten mit Herzinsuffizienz
und Linksschenkelblock (LSB) eine
Schrittmacherelektrode durch das Septum
bis zum linken Schenkel vorbringen und
durch direkte Stimulation eine LSB-Kor-
rektur mit Normalisierung der linksvent-
rikulären Pumpfunktion erzielen. Insbe-
sondere in den letzten drei Jahren haben
positive Registerstudiendaten zur His- und
Linksschenkel-Stimulation, technische
Fortschritte (z. B. spezielle Schleusen für
die His-Elektrode) und die Verbreitung
über das Internet (#dontdisthehis) zu einer
Renaissance der physiologischen Herz-
stimulation geführt.

3D-Mapping

Die rein fluoroskopie-gestützte Implanta-
tion einer His-Elektrode kann mit einer
relativ hohen Strahlenexposition einher-
gehen. Durch Einsatz von 3D-Mapping-
Systemen (CARTO u. EnSite) kann diese           Abb. 1: 3D-elektroanatomisches Mapping mit integrierter Fluoroskopie zur präzisen und
                                                strahlungsarmen His-Markierung und Implantation der His-Elektrode mit dem CARTO-
Strahlenbelastung auf ein Bruchteil redu-
                                                System. Distale His-Bündel-Stimulation mit LSB-Korrektur
ziert werden bei gleicher oder kürzerer

6
UHZ aktuell - HTX - Ausgabe 36 Oktober 2021 - Universitäts-Herzzentrum Freiburg
Abb. 2: „Pace-and-ablate“: bradykarder His-junktionaler Ersatzrhythmus (nach AV-Knotenablation bei Vorhofflimmern mit TAA) und
  selektive His-Bündel-Stimulation (identischer QRS-Komplex). In der Ableitung der His-Bündel-Elektrode (HBP) ist vor dem Ventrikel­
  signal das His-Bündel-Potential zu erkennen.

His- oder Linksschenkel-                     Kardiale Resynchronisation                      Die physiologische Herzstimulation ist
Stimulation?                                                                                 eine neue, vielversprechende Stimu­
                                             Upadhyay et al. konnten erstmals invasiv        lationsform, die eine physiologische
Die breite klinische Anwendung der           nachweisen, dass ein LSB im EKG in 2/3          Ventrikelaktivierung erhalten oder bei
His-Bündel-Stimulation außerhalb von         der Fälle durch einen Leitungsblock meist       Patient*innen mit Schenkelblock wie-
                                                                                             derherstellen kann. Patient*innen mit
Zentren ist aktuell durch die technisch      im linksseitigen His-Bündel oder im pro-
                                                                                             Bradykardie und einem Stimulations-
anspruchsvolle Implantation und in           ximalen linken Schenkel verursacht wird,
                                                                                             anteil von >20 % sowie Patient*innen
einigen Fällen hohe Reizschwellen (akut      dass aber in 1/3 der Fälle eine intakte         mit Herzinsuffizienz und LSB scheinen
oder im Verlauf) limitiert. Die direkte      septale Purkinje-Aktivierung besteht. Mit       besonders von dieser neuen Therapie-
Stimulation des linken Schenkels ist         der His-Stimulation konnte nur ein LSB          form zu profitieren.
technisch einfacher, zeigt niedrig-nor-      aufgrund Leitungsblock im His und sel-
male, stabile Reizschwellen und kann         tener im linken Schenkel korrigiert werden.
häufiger einen LSB korrigieren, indem        Bei intakter Purkinje-Aktivierung war eine    Literatur beim Verfasser
das betroffene Segment (s. nächster          LSB-Korrektur mittes His-Stimulation
Abschnitt) umgangen wird. In einigen         naturgemäß nicht möglich. Um dennoch
Zentren wird daher pragmatisch nach          eine möglichst synchrone Aktivierung des
einem initialen Versuch der His-Stimu-       linken Ventrikels zu erreichen, kann die
lation bei suboptimalem Ergebnis             His- oder Linksschenkel-Stimulation mit
anschließend die Linksschenkel-Stimu-        einer Koronarsinuselektrode kombiniert
lation getestet. Die His-Markierung mit      werden (His-/Leftbundle Optimized-CRT,         Kontaktadresse
3D-Mapping erleichtert hierbei auch          HOT-/LOT-CRT). In zwei Beobachtungs-           Dr. Johannes Steinfurt
                                                                                            UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG
das Auffinden der optimalen Implanta-        studien führte dies zu einer größeren          Universitäts-Herzzentrum
tionsstelle zur Linksschenkel-Stimulation    Reduktion der QRS-Dauer verglichen mit         Klinik für Kardiologie und Angiologie I
                                                                                            Hugstetter Straße 55 • 79106 Freiburg
(ca. 1,5 cm unterhalb des His-Bündels        der biventrikulären CRT und einer signi-       Tel.: 0761 270-35601
Richtung RV-Apex).                           fikanten Verbesserung echokardiographi-        E-Mail: johannes.steinfurt@
                                             scher und klinischer Parameter.                universitaets-herzzentrum.de

                                                                                                                                       7
UHZ aktuell - HTX - Ausgabe 36 Oktober 2021 - Universitäts-Herzzentrum Freiburg
PERKUTANE KORONARINTERVENTION
Behandlung chronischer Koronarverschlüsse –
Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie
PD Dr. K. Mashayekhi

Einleitung                                       Indikationstellung für die CTO-PCI
                                                 1) Typische Angina Pectoris oder Dyspnoe trotz optimaler medikamentöser Therapie.
Die perkutane Koronarintervention (PCI)          2)	Nachweis von Vitalität: durch den Nachweis von Wandbewegung/Kinetik in der trans­
von chronischen Koronarverschlüssen                  thorakalen Echokardiographie.
(CTO-PCI) ist mittlerweile in spezialisierten
Zentren ein etabliertes Verfahren. Ziel der      3)	Beurteilung des transmuralen Narbenanteils im Kardio-MRT (
UHZ aktuell - HTX - Ausgabe 36 Oktober 2021 - Universitäts-Herzzentrum Freiburg
von Symptomen und Verbesserung der             Patient*innen mit erfolgreicher CTO-PCI
Lebensqualität nachweisen. Die multizen-       mit einer geringeren Gesamtmortalität         Erfolgsaussichten, Risiken
trische Euro-CTO-Studie zeigte eine signi-     nach fünf Jahren assoziiert. Auch anhand      und Komplikationsmanage-
fikante Verbesserung der Angina-Häufig-        der United Kingdom Central Cardiac Audit      ment bei der CTO-PCI
keit zwölf Monate nach CTO-PCI im              Database konnte ein eindeutiger Überle-
Vergleich zur medikamentös-konservativen       bensvorteil bei 14.439 CTO-Patient*innen      Daten aus dem weltweit größten Register,
Therapie. Die kleinere IMPACTOR-Studie         durch die CTO-PCI (70,6 %) innerhalb          dem europäischen Euro-CTO-Register
zeigte zudem, dass die CTO-PCI im Ver-         von 2,65 Jahren gezeigt werden. Unklar        mit über 17.000 behandelten CTO-
gleich zur medikamentösen Therapie die         bleibt, ob es sich hierbei tatsächlich um     Patient*innen, zeigen einen Anstieg der
myokardiale Ischämielast gemessen im           einen Behandlungseffekt oder einen            prozeduralen Erfolgsrate von 79,7 % auf
Adenosin-Kardio-MRT signifikant innerhalb      Selektionseffekt handelt.                     89,3 % zwischen 2008 und 2015. Die
von zwölf Monaten senkte.                                                                    Inzidenz von Komplikationen wurde im
   Über den prognostischen Nutzen der           Komplett-Revaskularisation bei koro­         PROGRESS-CTO-Register am genau-
CTO-PCI existieren derzeit noch immer           narer Mehrgefäßerkrankung mit CTO:           esten untersucht. Hierbei lag die periin-
keine prospektiv randomisierten Daten,          perkutane Koronarintervention ver-           terventionelle kombinierte Komplikati-
jedoch eine Fülle nicht randomisierter          sus aortokoronarer Bypassoperation           onsrate, bestehend aus Tod (in 0,9 %),
Studien. In diesen werden in der Regel          (PCI versus ACB)                             Myokardinfarkt (in 1,1 %) und Re-Inter-
Patient*innen mit erfolgreicher gegenüber       Es gibt ausreichend viele Hinweise, dass     vention, bei 3,0 %.
erfolgloser CTO-PCI hinsichtlich verschie-      Patient*innen mit einer koronaren Mehr­
dener prognostischer Endpunkte evaluiert.       gefäßerkrankung von einer kompletten          Zusammenfassend kann gesagt werden,
Im bereits erwähnten SCAAR-Register             Myokardrevaskularisation unabhängig           dass sich die interventionelle Behand-
waren insgesamt 54,2 % der 6.442 CTO-           des Revaskularisationsverfahrens profi-       lung chronischer Koronarverschlüsse in
                                                                    tieren. Dabei sollte      der letzten Dekade stetig weiterentwi-
                                                                    das Vorhandensein         ckelt hat und mittlerweile mit hohen Er-
                                                                    einer CTO per se          folgsraten von über 85 % einhergeht.
                                                                    nicht als einziges        Hauptindikation ist der symptomatische
                                                                                              Nutzen der CTO-PCI. Die Ausbildung
                                                                    Entscheidungskrite-
                                                                                              zum*zur selbstständigen CTO-Opera­
                                                                    rium im Hinblick auf
                                                                                              teur*in dauert oft mehrere Jahre und Be-
                                                                    PCI oder ACB heran-       darf neben institutionellen Voraussetzun-
                                                                    gezogen werden.           gen eines hohen Eigenengagements zur
                                                                    Entsprechend der          ständigen Weiterbildung. Zielführend er-
                                                                    aktuellen europä-         scheint eine bundesweite Etablierung
                                                                    ischen Leitlinien         von spezialisierten CTO-Zentren. Nur da-
                                                                    sollte das Revasku-       durch können diese hochkomplexen
                                                                    larisationsverfahren      Prozeduren unseren Patient*innen mit
                                                                    priorisiert werden,       einem niedrigen und somit vertretbaren
                                                                    mit dem die prognos-      Risiko angeboten werden.
                                                                    tisch vorteilhafte
                                                                    Komplett-Revasku-        Literatur beim Verfasser
                                                                    larisation tatsächlich
                                                                    erreicht werden
                                                                    kann, also entweder
                                                                    die Bypass-Opera-
                                                                                              Kontaktadresse
                                                                    tion, die PCI oder ein    PD Dr. Kambis Mashayekhi
                                                                    Hybdrid-Verfahren in      UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG
Abb. 1: Behandlung eines Patienten mit chronischem Verschluss-                                Universitäts-Herzzentrum
                                                                    Abhängigkeit von
aller drei Nativgefäße und schwer reduzierter linksventrikulärer                              Klinik für Kardiologie und Angiologie II
Funktion unter hämdoynamischem Support während eines LIVE A u s p r ä g u n g u n d           Freiburg • Bad Krozingen
Cases für EuroPCR 2021.                                             Komplexität der KHK       Südring 15 • 79189 Bad Krozingen
A) Koronarangiographische Darstellung vor der Intervention.         (Empfehlungsklasse        Tel.: 07633 402-2105
B) Angiographie nach erfolgreicher Rekanalisation des R. interven- IIa, Evidenzlevel B).      Fax: 07633-402-2409
                                                                                              E-Mail: kambis.mashayekhi@
trikularis anterior und des R. circumflexus.
                                                                                              universitaets-herzzentrum.de

                                                                                                                                          9
UHZ aktuell - HTX - Ausgabe 36 Oktober 2021 - Universitäts-Herzzentrum Freiburg
LEBENSQUALITÄT NACH PÄDIATRISCHER HTX
Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen nach orthotoper Herztransplantation
PD Dr. Thilo Fleck

                                                von Fallzah­len mit
Historie der Herztrans­plan­                    mehr als zehn
tation bei Kindern­                             Transplantationen
                                                pro Jahr. Das Uni-
Die erste Kinderherztransplantation bei         versitätsherzzen-
einem 19 Tage alten Baby, das ansonsten         trum Freiburg ist
an einem schweren angeborenen Herz-             mit zwölf erfolg-
fehler verstorben wäre, führte Adrian Kan-      reichen Kinder-
trowitz am 6. Dezember 1967 in New York         herztransplanta-
durch. Dies war nur vier Tage nach der          tionen im Jahr
ersten Herztransplantation (HTX) bei einem      2019 eines dieser
Erwachsenen durch Christiaan Barnard            Zentren mit
in Kapstadt. Leider überlebte das Baby          großen Fallzahlen.
nur sechs Stunden. Auch der Patient in             Laut dem Jah- Abb.: Fünf Jahre alte Patientin mit schwerem angeborenen Herzfehler
Kapstadt verstarb 18 Tage nach der Ope-         resbericht der kurz vor Herztransplantation (links) und vier Monate nach HTX (rechts).
ration an einer Lungenentzündung. Die           Deutschen Ge-
gefäßchirurgische Ausführung der Herz-          sellschaft Organtransplantation (DSO) die Wartelistensterblichkeit deutlich
transplantation wurde seither nur gering-       wurden 2019 in Deutschland 44 Herz- gesenkt werden, jedoch steigt die Anzahl
fügig verändert, jedoch gab es seit den         transplantationen durchgeführt, bei denen      der potentiellen Empfäng*innen.
1970 er Jahren massive Fortschritte in der      die Empfänger*innen unter 16 Jahre alt
medikamentösen Transplantationsmedizin.         waren. Dabei lag die mediane Wartezeit
Hierbei geht es vor allem darum, das neu        von der Aufnahme auf die Liste bis zur Ergebnisse nach pädiatrischer
implantierte Spenderherz vor einer Absto-       HTX in der Altersgruppe der 0 –15-Jährigen     HTX
ßungsreaktion zu schützen. Dies geschieht,      zwischen zwei bis vier Monaten. Der stei-
indem das Abwehrsystem (Immunsystem)            gende Organmangel bei fehlen­d er Primäres Organversagen, akute Absto-
durch Medikamente so unterdrückt wird           Spenderbereitschaft ist eines der größ- ßungsreaktionen, Infektionen, Transplant-
(Immunsupression), dass das fremde              ten Probleme der Transplantations­ vaskulopathien und die Entwicklung
Gewebe nicht angegriffen wird. Allerdings       medizin. Die Nachfrage der Herzen über- maligner Erkrankungen sind die Haupt-
darf das Abwehrsystem auch nicht so weit        steigt die Anzahl der verfügbaren Organe, todesursachen nach der Transplantation.
geschwächt sein, dass keine Immunab-            sodass bis zu einem Drittel der Patient*innen Vor allem das erste Jahr nach der Trans-
wehr gegen Infektionserreger wie z. B.          auf der Warteliste versterben.                 plantation ist von entscheidender Bedeu-
Viren, Bakterien oder Pilze stattfinden kann,                                                  tung. Das Risiko zu sterben ist in der
da die Patient*innen sonst Gefahr laufen,                                                      frühen Posttransplantationsphase am
an einer Infektion zu versterben.               Indikationen zur HTX                           höchsten. Die Fünfjahresüberlebensrate
                                                im Kindesalter                                 liegt heutzutage weltweit bei 80–83 %.
                                                                                               Diesen Überlebensraten gegenüber steht
Herztransplantation bei                         Die häufigsten Indikationen für eine Herz- eine 50 %-Wahrscheinlichkeit, ohne HTX
Kindern heute                                   transplantation im Kindesalter stellen eine    in den nächsten fünf Jahren an einer
                                                Herzmuskelerkrankung (Kardiomyopathie) schweren Herzschwäche zu versterben.
Seit diesen ersten Meilensteinen machte         (ca. 60 %), gefolgt von komplexen ange-
die Transplantationsmedizin enorme Fort-        borenen Herzfehlern (ca. 30 %) dar. Je
schritte. Im letzten Jahrzehnt wurden           nach Alter des Kindes zum Zeitpunkt der Herztransplantation bei Kindern
weltweit insgesamt circa 4.000 bis 5.000        Transplantation gibt es hierbei Unter- und Patient*innen mit angebo­
HTX pro Jahr durchgeführt. Dabei liegt der      schiede: Angeborene Herzfehler sind bei        re­nen Herzfehlern am Univer­
Anteil der Transplant-Empfänger*innen           Kleinkindern mit 57% die häufigste Indi- sitäts-Herzzentrum Freiburg ∙
unter 18 Jahren gleichbleibend bei circa        kation, wohingegen eine Kardiomyopathie       ­Bad Krozingen (UHZ)
10 %. Auch die Anzahl der Zentren, die          als Ursache mit dem Alter zunimmt. Auch
Transplantationen bei Kindern durchführen,      die Anzahl an Patient*innen, die eine Am UHZ wurde im Jahr 2008 die erste
ist konstant bei weltweit 120 Zentren, die      mechanische Kreislaufunterstützung als         Säuglingsherztransplantation in Baden-
mindestens eine Transplantation durch-          Überbrückung bis zur Transplantation           Württemberg durchgeführt. Die heute 13
führten. Nur 10% dieser Zentren berichten       erhalten, steigt. Hierdurch konnte zwar Jahre alte Patientin geht heute regulär in

10
die Schule, treibt Sport und freut sich     2.	Emotionale Funktionsfähigkeit:              schlechter eingeschätzt (74,5 vs. 80
dieses Jahr wieder auf den regulären Prä-       Gefühle (u. a. Sorgen, Ängste, emoti-      Punkte). Bereits vorangehende Studien
senzunterricht. Seither wurden in Freiburg       onale Schwierigkeiten).                    haben gezeigt, dass die elterliche Ein-
insgesamt 76 Kinder und Patient*innen 3.	Soziale Funktionsfähigkeit:                       schätzung des funktionellen Gesundheits-
mit angeborenen Herzfehlern herztrans-           Soziale Interaktion mit anderen Kindern.   zustandes ihrer Kinder deutlich schlechter
plantiert. Das mittlere Alter zum Zeitpunkt 4.	Schulische Funktionsfähigkeit:              ausfällt als die Selbsteinschätzung der
der HTX lag bei 10,1 Jahren, wobei die 	Erinnerungsvermögen, Handlungspla-                 Kinder. Häufig sind die Eltern traumatisiert
jüngste Patientin zum Zeitpunkt der HTX          nung, Steuerung der Aufmerksamkeit,        durch die lebensbedrohliche Situation, in
eineinhalb Monate alt war. 21% unserer           Gründe für mögliches Fernbleiben des       der sich ihre Kinder befanden und haben
jungen Patient*innen litten zum Zeitpunkt        Unterrichts.                               daher berechtigte Sorgen um die weitere
der HTX an einem schweren angeborenen                                                       Entwicklung ihrer Kinder. Dennoch ist die
Herzfehler, oftmals fehlte sogar eine der Bei den Fragebögen sollten die Pro­               gesundheitsbezogene Lebensqualität eine
beiden Herzkammern. Hier konnte durch       band*innen für den Zeitraum des letzten         subjektive, emotionale Einschätzung des
unsere exzellenten Kinderherzchirurgen      Monats rekapitulieren, wie häufig die           eigenen Gesundheitszustands und sollte
bei der HTX ein normaler „Zwei-Kammer- genannten Probleme jeweils eingetreten               daher möglichst vom betroffenen Men-
Kreislauf“ hergestellt werden, was die      sind. Eine Beispielfrage zur physischen         schen selbst durchgeführt werden.
Überlebensprognose der betroffenen          Funktionsfähigkeit wäre zum Beispiel:              Insgesamt bestätigte diese systema-
Menschen deutlich verbessert. Trotz die- „Es ist mir schwergefallen, an sportlichen         tische Studie unseren subjektiven Eindruck,
ser zum Teil hochkomplexen Patien­t*innen Aktivitäten teilzunehmen.“ Die Antwort-           dass die meisten unserer herztransplan-
liegt die Fünf-Jahres-Überlebensrate am     möglichkeiten lauten: 0= nie, 1= fast nie,      tierten Kinder und Jugendlichen mit beiden
UHZ bei 86,6 % und ist damit auch im 2= manchmal, 3= häufig, 4= fast immer.                 Beinen im Leben stehen und eine gute
internationalen Vergleich überdurchschnitt- In zahlreichen Studien konnte gezeigt wer-      Lebensqualität nach HTX aufweisen.
lich gut. Jedoch ist uns nicht nur das      den, dass gesunde Kinder höhere Werte
Überleben unserer Patient*innen wichtig, (bessere Lebensqualität) auf den PedsQL-            Am UHZ wurde seit 2008 bei 76 Kinder
sondern auch die Lebensqualität nach HTX. Skalen erreichen als chronisch oder akut           und Jugendlichen mit zum Teil komplexen
                                                                                             Herzfehlern eine Herztransplantation durch-
                                            kranke Kinder. Daher kann man von einer
                                                                                             geführt. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate
                                            guten Konstruktvalidität ausgehen.
Gesundheitsbezogene Lebens-                                                                  von 86,6% ist auch im internationalen Ver-
                                               Die Ergebnisse der Selbstbeurteilung          gleich überdurchschnittlich gut. Die syste-
qualität nach pädiatrischer HTX unserer HTX-Patient*innen ergab einen
                                                                                             matische Erfassung der gesundheitsbezo-
                                            mittleren Punktewert der Gesamtbeurtei-          genen Lebensqualität unserer Kinder
Um die gesundheitsbezogene Lebens- lung von 81,6. Dies entspricht dem Ver-                   nach Herztransplantation ergab Punkte-
qualität der Kinder nach HTX systematisch   gleichswert einer großen Befragung von           werte, die denen von gesunden Kindern
zu erfassen, haben wir eine Befragung 2.435 gesunden Kindern und Jugendlichen,               und Jugendlichen entsprechen.
unserer Patient*innen mit Hilfe eines eva- bei der der Gesamtpunktwert bei 80,6 im
luierten und standardisierten Fragebogens   Mittel lag [1]. Auch die Selbsteinschätzung     Literatur
durchgeführt. Mit Hilfe dieses PedsQL- der Kinder in Bezug auf die physische                1. James W. Varni et al. (2006) The PedsQL
TM-4.0-Fragebogens erfolgt die alters- Leistungsfähigkeit war mit 83,7 Punkten                 TM 4.0 as a school population health mea-
spezifische Messung der gesundheits- vergleichbar mit dem gesunden Kontroll-                    sure: Feasibility, reliability, and validity.
                                                                                                Quality of Life Research (2006) 15: 203–215
bezogenen Lebensqualität von Kindern        kollektiv (85,2 Punkte). Der Punktewert für
                                                                                            2. L ambert LM, et al. (2009) Parent- vs. child-­
und Jugendlichen (5 – 18 Jahre) in drei     die emotionale Belastbarkeit mit 80 Punk-
                                                                                                reported functional health status after the
verschiedenen Selbstversionen. Gleich- ten lag sogar etwas höher als beim gesun-                Fontan procedure. Pediatrics 124: e942-949
zeitig wurden Elternversionen entwickelt, den Vergleichskollektiv (78,2 Punkte).
mit welchen die Lebensqualität von 2- bis      Interessanterweise war die Fremdein-
                                                                                             Kontaktadresse
18-jährigen Patient*innen fremdbeurteilt schätzung der gesundheitsbezogenen                  PD Dr. Thilo Fleck
werden kann. Die Lebensqualität wird        Lebensqualität durch die Eltern schlech-         UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG
anhand der folgenden vier Funktionsklas- ter als die Selbsteinschätzung mit einem            Universitäts-Herzzentrum
                                                                                             Klinik für Angeborene Herzfehler
sen abgefragt:                              Gesamtpunktwert von 76,3 vs. 81,6                und Pädiatrische Kardiologie
1.	Physische Funktionsfähigkeit:           Punkten.                                         Mathildenstraße 1 • 79106 Freiburg
                                                                                             Tel.: 0761-270-46380
	körperliche und sportliche Performanz,         Vor allem bei der Einschätzung der          Fax: 0761-270-44680
    Schmerzen, Level der körperlichen       emotionalen Belastbarkeit wurden die             E-Mail: thilo.fleck@
    Energie.                                Kinder hier durch ihre Eltern deutlich           uniklinik-freiburg.de

                                                                                                                                          11
PFLEGE
Implementierung einer IMC-Einheit auf der Herz- und Gefäßchirurgischen Intensiv-
station in Freiburg – ein Rückblick auf die Anfangsphase
Karolin Garbe

Die Corona-Pandemie hatte 2020 deut-                                                            Einschlusskriterien
liche Auswirkungen auch auf die Herz- und       Die Vorbereitung
Gefäßchirurgie des Departments UHZ in                                                           i.v.-Medikamente: Niedrig dosierte Katecho­
Freiburg. Elektive Herzoperationen muss-        Die IMC-Einheit wurde in die Herz- und          lamin-Therapie mit Norepinephrin oder Dobu­
ten abgesagt werden, dafür wurden nach-         Gefäßchirurgische Intensivstation inte-         tamin mit festgelegter maximaler Laufrate;
folgend viele Patient*innen mit dringlicher     griert. Aufgrund der dortigen personellen       Kreislaufwirksame Medikamente (Milrinon,
bzw. Notfall-OP-Indikation aufgenommen.         Situation waren vier Betten nicht belegt,       Levosimendan); Antiarrhythmika (Amiodaron,
Da diese Patient*innen häufig einen kom-        diese wurden in einem Raum zur IMC-             Verapamin, Flecainid); Blutdrucksenker
plikationsreicheren Verlauf haben, erhöhte      Einheit deklariert. Für die Betreuung der       (Ebrantil, Nepreson, Nitroprussidnatrium)
sich die Anzahl an schwerstkranken              Patient*innen bedarf es einer examinierte       Zu- und Abgänge: ZVK, Arterie, venöse
Patient*innen auf der Herz- und Gefäß-          Pflegefachperson pro Schicht notwendig,         Schleuße, Shaldon, PDK, BDK
chirurgischen Intensivstation mit verlän-       welche*r von der Normalstation rekrutiert
                                                                                                Erhöhter Überwachungsaufwand und
gerter Liegedauer, längerer intensiver          werden sollte. Im Rahmen einer Informa-
                                                                                                pflegerischer Aufwand
Überwachungspflicht und höherer Pfle-           tionsveranstaltung, bei der die pflege-
gebedürftigkeit. Eine zeitnahe Verlegung        rischen Abteilungsleitungen von Intensiv-       Delirante oder verwirrte Patient*innen
auf Normalstation war nicht oder nur mit        und Normalstationen sowie Oberärzte,
                                                                                                Externe Schrittmacherstimulation
dem Risiko einer Rückverlegung bei Ver-         der Ärztliche Direktor und Pflegedienst-
schlechterung möglich, was zu einem             leiter anwesend waren, wurde über die           Dauerdialyse
Mangel an Intensivbetten für zu operie-         Pläne berichtet und interessierte Pflege-
rende Patient*innen führte. Ein Teufelskreis.   fachpersonen konnten sich anschließend          Ausschlusskriterien
                                                für die Mitarbeit auf der IMC-Einheit mel-      i.v.-Medikamente: Epinephrin
                                                den. Es bildete sich ein Team aus Pfle-
Der Ausweg                                                                                      Zu- und Abgänge: Liquordrainage
                                                gefachpersonen und Hilfskräften aus den
                                                eigenen Reihen, wofür aber die Betten-          Patient*innen mit nicht-invasiver Beatmung
Gespräche zwischen den pflegerischen            anzahl auf der Normalstation reduziert          mit Beatmungsgerät
Führungskräften der Intensiv- und Nor-          werden musste. Als Teil des Ausfallkon-        Tab. 1: Auszug aus den IMC-Kriterien
malstation mit den leitenden Oberärzten         zeptes erklärten sich die Pflegefachper-
über die unbefriedigende Situation führten      sonen zu einem Hintergrunddienst bereit
dazu, dass man den akuten Handlungs-            und der Springerpool des Universitäts-         Für die Umwandlung des Raumes in eine
bedarf erkannte und die Entscheidung            klinikums steht ebenfalls zur Verfügung        IMC-Einheit gemäß den Kriterien wurden
traf, eine IMC-Einheit aufzubauen. Die             Zu Beginn erhielten die rekrutierten        unter anderem Beatmungsgeräte entfernt
Idee dahinter war es, Patient*innen mit         Pflegefachpersonen ein auf sie zuge-           und die Anzahl der Spritzen- und Infusi-
noch hohem, aber nicht mehr intensivem          schnittenes Fortbildungsprogramm, Ein-         onspumpen reduziert (siehe Abb.).
Überwachungs- und Pflegebedarf dort             weisung in das elektronische Dokumen-
zu betreuen und noch nicht auf die Nor-         tationssystem der Intensivstation, welches
malstation zu verlegen. Gestützt durch          auch für die IMC-Einheit genutzt werden        Start des Projektes
Empfehlungen aus der Literatur und nach         sollte, sowie Geräteeinweisungen. Das
Absprache mit dem Ärztlichen Direktor           Fortbildungsprogramm beinhaltete unter         Am 31.05. 2021 startete die IMC-Einheit
und der Pflegedienstleitung der Abteilung       anderem Schulung zu speziellen Medi-           und wurde mit den ersten IMC-
wurde das Projekt „Aufbau und Imple-            kamenten, ZVD- und arterieller Druck-          Patient*innen belegt. Zu Beginn lagen
mentierung einer IMC-Einheit in der Herz-       messung (inkl. Aufbau der Systeme),            maximal 3 Patient*innen in dem 4-Bett-
und Gefäßchirurgie“ beschlossen.                Formen der nichtinvasiven Beatmung             Zimmer. Im ersten Monat unterstützten
   Als Projektleitung wurde die pflegefach-     ohne Beatmungsgerät (z.B. nasale High-         fachlich hochqualifizierte und langjährig
liche Abteilungsleitung der Herz- und           Flow-Therapie), Interpretation der BGA-        erfahrene Pflegefachpersonen der Inten-
Gefäßchirurgischen Normalstation                Befunde und spezielle Reanimationsschu-        sivstation die Mitarbeiter*innen der IMC-
benannt. Die dazugehörige Projektgruppe,        lung.                                          Einheit zur Einarbeitung. Die pflegefach-
bestand aus einer Oberärztin, sowie pfle-          In diesem Zusammenhang wurden IMC-          liche Leitung/Projektleitung IMC war
gerischer Leitung von Intensiv- und Nor-        Kriterien festgelegt, in denen geregelt ist,   anfangs täglich vor Ort zur Koordination,
malstation und dem zuständigen Pflege-          welche Patient*innen für die IMC-Einheit       Klärung von Fragen und punktueller Unter-
dienstleiter.                                   geeignet sind und somit nicht mehr als         stützung. Ebenfalls zur Unterstützung war
                                                intensivpflichtig gelten (Tab.1).              der Pflegefachperson in der Tagschicht

12
Vorteile der IMC
                                                                                             Keine leerstehenden Intensivbetten
                                                                                             Entlastung der Normalstation mit intensiv
                                                                                             überwachungspflichtigen und pflegeauf­
                                                                                             wändigen Patient*innen
                                                                                             Keine Absage von OPs wegen nicht zu
                                                                                             belegenden Intensivbetten
                                                                                             Zusammenwachsen des Teams von Nor­
                                                                                             malstation und Intensivstation
                                                                                             Weiterentwicklungsmöglichkeit für das
                                                                                             Personal der Normalstation
                                                                                             Kleinere Patientenanzahl von Patient*innen
Abb.: Bettplatz in der IMC-Einheit                                                           mit erhöhtem Betreuungsbedarf für eine
                                                                                             Pflegefachpersonen
ein*e Krankenpflegehelfer*in oder erfah-                                                     Längere intensive Überwachungsmöglich­
rene Pflegehilfskraft zur Seite gestellt.       Evaluation der ersten Monate
                                                                                             keit für kritische, aber nicht mehr intensiv­
Außerdem waren zu jeder Zeit die Schicht-                                                    pflichtige Patient*innen
leitung der Intensivstation, der stell­ver­     Wie bei jeder Umstrukturierung kam es
tretende Stationsleiter, alle andere Mit­       auch bei diesem Projekt immer wieder         Kontinuierliche Anwesenheit der Ärzt*innen
arbeiter*innen der Intensivstation und die      mal zu Diskussionen. Thema war z.B.          Kurze Wege bei Verschlechterung des
zuständigen ärztlichen Mitarbeiter*innen        die Einhaltung der IMC-Kriterien, die zu     Zustandes des Patient*innen
der Station ansprechbar. Die Zusammen-          Verzögerungen der Verlegung der
                                                                                            Tab. 2: Vorteile der IMC-Einheit für die Herz-
arbeit funktionierte vom ersten Tag an sehr     Patient*innen oder auch zu Rückverle-       und Gefäßchirurgie des UHZ
gut, die IMC-Einheit war in den täglichen       gungen in den Intensivbereich führten.
Ablauf der Intensivstation sofort integriert.   Ebenso kam es zu Beginn hin und wie-
   Morgens fand eine Besprechung statt,         der durch Verortung der IMC-Einheit auf     (Tab. 2) eine Entlastung sowohl auf der
bei der unter anderem besprochen wurde,         der Intensivstation dazu, dass bei sich     Intensivstation als auch auf der Normal-
welche Patient*innen zur Verlegung von          verschlechternden Patient*innen von         station zeigt.
der IMC-Einheit auf Normalstation und von       Seiten des Intensiv-Teams der Wunsch
der Intensivstation bzw. ggf. Normalstation     geäußert wurde, nicht den*die Patient*in     Aufgrund der intensiven gemeinschaft­
in den IMC-Bereich geplant werden.              in ein anderes Zimmer zu verlegen, son-      lichen Vorbereitungen der Verantwort­
Es wurde darauf geachtet, dass nur              dern das notwendige Equipment am             lichen und Mitarbeiter*innen konnte das
Patient*innen, die keine verstärkte Über-       Bettplatz aufzurüsten. Alle diese Themen     Projekt erfolgreich starten. Bereits nach
wachung benötigten und keinen hohen             konnten aber durch Gespräche und             kurzer Zeit bestätigte sich die Notwendig­
pflegerischen Aufwand aufwiesen, auf die        Verweis auf die vorab festgelegten Kri-      keit einer IMC-Einheit in der Herz- und
Normalstation verlegt wurden und bis dahin      terien und Rahmenbedingungen geklärt         Gefäßchirurgie, welche auch Entlastung
im IMC-Bereich verblieben. Diese Ent­           werden.                                      für die Intensiv- sowie Normalstation mit
lastung war auf der Normalstation spürbar.         Die Pflegefachpersonen des IMC-           sich bringt und eine angepasste adäquate
                                                                                             Versorgung der Patient*innen sicherstellt.
   Nach dem ersten Monat reduzierte sich        Bereiches konnten sich durch die ange-
die enge Begleitung; die Ansprechbarkeit        botenen Fortbildungen und die enge
der Ärzt*innen und der Schichtleitung           Begleitung durch die Projektleitung sowie   Kontaktadresse
blieb aber bestehen. Der stellvertretende       dem interdisziplinären Team der Inten-      Karolin Garbe
pflegerische Leiter der Intensivstation und     sivstation sehr schnell einarbeiten und     UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG
                                                                                            Universitäts-Herzzentrum
die pflegefachliche Leitung waren weiter-       ihr Wissen und ihre Erfahrung in der        Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie
hin punktuell, aber zeitlich reduzierter vor    Versorgung der Patient*innen ausbauen,      Station Blalock /Zenker
Ort. Das pflegerische Team der IMC blieb        so dass sich rückblickend sagen lässt,      Hugstetter Straße 55 • 79106 Freiburg
                                                                                            Tel.: 0761-270-26700
konstant und nahm mit Begeisterung die          dass das Projekt bisher sehr erfolgreich    E-Mail: karolin.garbe@
neue Herausforderung an.                        läuft und dass sich aufgrund der Vorteile   uniklinik-freiburg.de

                                                                                                                                         13
FORSCHUNG
Plötzlicher Herztod bei asymptomatischen Patient*innen mit Aortenstenose
PD Dr. Nikolaus Jander

Die Aortenklappenstenose ist eine im           ersatz erreicht hatten. Ausgeschlossen        Analyse der potentiellen Prädiktoren für
Alter häufige, zwangsläufig progrediente       wurden deshalb auch sieben Pati­              einen plötzlichen Herztod. Nur Alter,
Erkrankung, die durch einen Aortenklap-        ent*innen, die eine Indikation zum AKE        niedriger BMI und linksventrikuläre Masse
penersatz (AKE) behandelt werden muss,         hatten, aber auf der Warteliste oder nach     waren mit dem plötzlichen Herztod asso-
sobald Beschwerden auftreten oder das
Spontanrisiko das Risiko des Eingriffs
übersteigt. Hierbei spielt die Abwägung          Alter (pro Jahr)
des Risikos eines plötzlichen, unerwar-          Weiblich
teten Todes eine herausragende Bedeu-            Männlich
                                                 Body mass index
tung. Kein Zweifel besteht, dass Pati­
                                                 Blutdruck
ent*innen, die aufgrund einer Aorten­            systolisch (pro mmHg)
                                                 Blutdruck
stenose symptomatisch werden,                    diastolisch (pro mmHg)

unver­züglich einem Klappenersatz zuge-          Bluthochdruck
                                                 Kein Bluthochdruck
führt werden müssen, da bereits mittel-          Herzfrequenz

fristig ein hohes Risiko für Tod und Kom-        EjekEonsfrakEon

plikationen besteht. Die vorliegende             LVED (pro mm)

Studie untersucht die Häufigkeit eines           LVES (pro mm)

plötzlichen unerwarteten Herztods bei            LVM index (pro 10g/m²)
                                                 Spitzengeschwindigkeit
(noch) asymptomatischen Patient*innen            (pro m/s)
mit Aortenstenose und versucht Risiko-           Spitzengeschwindigkeit
                                                 > 3 m/s
                                                 ≤ 3 m/s
faktoren hierfür zu identifizieren.              MiRlerer Druckgradient
                                                 (pro mmHg)
                                                 Aortenöffnungsfläche (pro cm²)

SEAS-Studie                                                Mul$variate Analyse
                                                           Alter (pro Jahr)
                                                           Body mass index

Für die vorliegende Arbeit [1] wurden                      LVM index

Daten der SEAS-Studie analysiert [2],
für die das UHZ etliche Patient*innen
rekrutieren konnte. 1.873 asymptoma-
tische Patient*innen mit leicht- bis mit-
telgradiger Aortenstenose waren rando-           Abbildung: Univariate (oben) und multivariate (unten) Cox-Regression-Analysen für
misiert worden zu intensiver Lipidsenkung        plötzlichen Herztod (Follow-up 14 ± 15 Monate) in der SEAS-Studie. Die Zahl der
oder Placebo. Patient*innen mit bekann-          Ereignisse ist in den dunkelblauen Balken links gezeigt (für kontinuierliche Variablen
ter koronarer Herzkrankheit, Diabetes            mit Separation am Median). Rechts eine Forst-Plot-Darstellung der Hazard Ratios
                                                 für plötzlichen Herztod. LVED enddiastolischer Durchmesser des linken Ventrikels;
oder Niereninsuffizienz waren ausge-
                                                 LVES endsystolischer Durchmesser des linken Ventrikels; LVM linksventrikuläre
schlossen worden. Die klinischen Visiten         Masse.
fanden halbjährlich, echokardiogra-
phische Untersuchungen jährlich statt.
Das primäre Studienergebnis war nega-          Ablehnung des Eingriffs verstarben und        ziiert, mittlerer Druckgradient und Aor-
tiv, d.h. es konnte kein Effekt einer lipid-   vier Patient*innen, die nach dem Klap-        tenöffnungsfläche hingegen nicht.
senkenden Therapie auf die klappenbe-          penersatz einen plötzlichen Herztod              Bei den Patient*innen, die im Verlauf
dingten Endpunkte oder die Progression         erlitten. Während eines mittleren Follow-     eine schwere Aortenstenose (max. Dopp-
der Erkrankung gezeigt werden.                 ups von 46 ± 15 Monaten traten 27             lergeschwindigkeit > 4 m/s) entwickelt
                                               plötzliche Herztode nach im Mittel 28         hatten (n=650), ergab sich ein ähnlicher
                                               ±17 Monaten bei weiterhin asymptoma-          Trend wie in der Gesamtgruppe: Fünf
Studienergebnisse                              tischen Patient*innen auf (entsprechend       Personen erlitten einen plötzlichen Herz-
                                               einer jährlichen Rate von 0,39 %); dies       tod (jährliche Rate 0,6 %), was sich nicht
Die aktuelle Analyse [1] umfasst 1.849         ist vergleichbar mit der Inzidenz des         unterschied von der Rate derer, die wei-
Patient*innen mit ausreichenden Echo­          plötzlichen Herztodes in der Allgemein-       terhin eine allenfalls mittelschwere Aor-
daten, die in den Verlaufsuntersuchungen       bevölkerung (0,29 % pro Jahr). Die Abbil-     tenstenose hatten (0,46 %). Kein*e
keine klaren Kriterien für einen Klappen-      dung zeigt die uni- und multivariate          Patient*in erreichte die Gruppe einer sehr

14
schweren Aortenstenose (max. Doppler-           Sehr schwere Stenosen (max. Doppler-
                                                                                               • Der plötzliche Herztod ist bei asympto-
geschwindigkeit > 5 m/s). Die Progression       geschwindigkeit > 5 m/s) wurden aller-           matischer Aortenklappenstenose bis
der Erkrankung vor dem Ereignis war bei         dings nicht beobachtet. Diese waren in            hin zum schweren Bereich (Spitzen­
Patient*innen mit plötzlichem Herztod im        vorangegangenen, auch aktuellen Studien          geschwindigkeit über 4 m/s) nicht häu-
Vergleich zur Kontrollgruppe nicht unter-       mit dem Risiko für einen plötzlichen Herz-       figer als in der Allgemeinbevölkerung.
schiedlich (Druckanstieg 0,16 vs. 0,17 m/s      tod assoziiert [3,4]. Hier besteht bereits     • Die seltenen Ereignisse sind vermut-
pro Jahr).                                      in den aktuellen Leitlinien die Indikation        lich eher auf Begleiterkrankungen
  Die Operationsmortalität betrug 2,6%          für einen Aortenklappenersatz.                   zurückzuführen.
(15/545 Patient*innen); in der postope­            Zusammenfassend ergibt die vorge-           • Das in der Studie gewählte Vorgehen
rativen Nachbeobachtungsphase über              stellte Analyse keinen Hinweis darauf,            mit halbjährlichen bis jährlichen Kon­
22 ±15 Monaten ergab sich zusätzlich            dass asymptomatische Aortenklappen-               trolluntersuchungen erscheint sicher.
                                                                                               • Bei sehr schwerer Aortenstenose
eine Rate des plötzlichen Herztodes von         stenosen wegen des Risikos eines plötz-
                                                                                                 (Spitzengeschwindigkeit 5 m/s) gibt
0,42 % pro Jahr.                                lichen Herztodes früher interveniert wer-
                                                                                                 es – aus anderen Studien – Hinweise
                                                den sollten als bisher in den Leitlinien          für den Vorteil eines frühzeitig invasi-
                                                empfohlen. Die Operationsmortalität              ven Vorgehens.
Diskussion                                      betrug das Achtfache der jährlichen Inzi-
                                                denz des plötzlichen Herztodes; auch der      Literatur
Die Analyse zeigt bei asymptomatischen          postoperative Verlauf war nicht frei von      1.	Minners J, et al… Jander, N. Sudden
Patient*innen mit Aortenstenose ein nied-       plötzlichen Herztod-Ereignissen. Gleich-          cardiac death in asymptomatic Patients
riges Risiko für einen plötzlichen Herztod,     wohl kann aus der Studie abgeleitet wer-          with aortic stenosis. Heart 2020; 106:
das sich nicht wesentlich von dem in der        den, dass, um plötzliche Herztode zu              1646
Allgemeinbevölkerung unterscheidet. Die         vermeiden, Begleiterkrankungen sorgfäl-       2.	Rossebø AB, et al. Intensive Lipid Low-
Erkrankung scheint deshalb per se nicht         tig erfasst werden müssen, es unbedingt           ering with Simvastatin and Ezetimibe in
                                                                                                  Aortic Stenosis (SEAS) New England
mit einem erhöhten Risiko für plötzlichen       gewährleistet sein muss, dass die
                                                                                                  Journal of Medicine 2008; 359: 1343
Herztod einherzugehen. Die hier betrach-        Patient*innen regelmäßig untersucht wer-
                                                                                              3.	Taniguchi T, et al. Sudden Death in Pa-
teten Studienteilnehmer*innen hatten bei        den können, und dass beim Auftreten               tients With Severe Aortic Stenosis: Ob-
Einschluss eine leichte bis mittelschwere       von Symptomen der Eingriff unverzüglich           servations From the CURRENT AS Reg-
Aortenstenose, und Begleiterkrankungen          durchgeführt wird; zum Zeitpunkt der              istry. J Am Heart Assoc 2018; 7: 1
(außer Hypertonie) waren weitgehend             Studie (vor 2008) verstarben offensichtlich   4	Kang, D-H, et al. Early Surgery or Con-
ausgeschlossen. Dies erklärt die Diskre-        immer noch Menschen auf der Warteliste            servative Care for Asymptomatic Aortic
panz zu anderen diesbezüglichen Studien.        an einem plötzlichen Herztod.                     Stenosis. New England Journal of Medi-
Kürzlich wurde in einem großen Register            Die regelmäßigen, je nach Schwere-             cine 2020; 382: 111
eine Inzidenz des plötzlichen Herztodes         grad halbjährlichen bis jährlichen Kon-
von 1,4 % pro Jahr beobachtet [3]. Ein          trolluntersuchungen erscheinen deshalb
erhöhtes Risiko wurde bei Patient*innen         als eine sichere Option bei der Betreuung
mit Hämodialyse, vorangegangenem                der Patient*innen mit asymptomatischer
Herzinfarkt, Body-Mass-Index < 22 und           Aortenklappenstenose. Da Symptome
verminderter Ejektionsfraktion in Verbin-       häufig nicht adäquat berichtet werden,
dung gebracht, also Begleiterkrankungen,        ist wichtig darauf hinzuweisen, dass
die in der SEAS- Studie weitgehend aus-         heute nur noch Patient*innen als asym-
geschlossen waren. Trotzdem verstarben          ptomatisch gelten, die eine altersgemäße
auch im Verlauf der SEAS-Studie                 Leistung ohne Beschwerden erbringen
Patient*innen an Begleiterkrankungen,           können. Deshalb spielt der Belastungs-
vor allem einer koronaren Herzkrankheit,        test neben der Echokardiographie eine          Kontaktadresse
wie durch Obduktion bei Einzelnen nach-         entscheidende Rolle bei diesen Kontroll-       PD Dr. Nikolaus Jander
gewiesen wurde.                                 terminen.                                      UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG
                                                                                               Universitäts-Herzzentrum
   Der plötzliche Herztod war in der vor-                                                      Klinik für Kardiologie und Angiologie II
liegenden Untersuchung nicht mit dem                                                           Südring 15 • 79189 Bad Krozingen
                                                                                               Tel.: 07633-402-0
Schweregrad der Aortenstenose assozi-                                                          Fax: 07633-402-4409
iert, obwohl ein Drittel im Verlauf Kriterien                                                  E-Mail: nikolaus.jander@
einer schwere Aortenstenose entwickelte.                                                       universitaets-herzzentrum.de

                                                                                                                                          15
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