Sprachförderung für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache Was wir wissen und was wir erhoffen können Alexander Grob Universität Basel
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Sprachförderung für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache Was wir wissen und was wir erhoffen können Alexander Grob Universität Basel Referat forumbildung und Erziehungsdepartement Basel-Stadt 2. November 2010 Folie 1
Übersicht Einstieg: Vier Fragen Prinzipien der Entwicklungspsychologie Evidenz Zweitspracherwerb Das Basler Projekt ZweitSprache Folie 2
Sprachenvielfalt Frage/Antwort 2 1. Mandarin-Chin. 726 000 000 2. Englisch 427 000 000 3. Spanisch 266 000 000 4. Hindi 182 000 000 5. Arabisch 181 000 000 6. Portugiesisch 165 000 000 7. Bengali 162 000 000 8. Russisch 158 000 000 9. Japanisch 124 000 000 10.Deutsch 121 000 000 (Haspelmath et al., 2005) Folie 6
Spracherwerb Jedes Kind kann jede Sprache erwerben • Sprache ist humanspezifisch • Sprache ist das zentrale Kommunikationsmittel • Nur der menschliche Vokaltrakt ist für die Produktion von Sprache vorbereitet • Sprache wird bei den meisten Menschen linkshemisphärisch verarbeitet • Die frühen Lebensjahre sind kritische Phasen für die Sprachentwicklung Folie 10
Entwicklung Ein lebenslanger Prozess im Kontext Vier Prinzipien der Entwicklung - Menschen werden in Umwelten hineingeboren - Die meisten Entwicklungsfunktionen sind plastisch, v.a. zu Beginn des Lebens - Menschen wählen ihre Umwelten zunehmend aus und gestalten diese selber mit - Kontinuität nimmt über die Lebensspanne zu
Prinzipien der Entwicklung Persönlichkeitsentwicklung ist durch zunehmende Stabilität über die Lebens- Kontinuität spanne charakterisiert (Non-) Normative Übergänge können Anlass für Veränderungen sein und bei Entwicklungs- Veränderung problemen initiierbare Wendepunkte darstellen Wendepunkte haben dann positives Potential, wenn sie den Fähigkeiten des Individuums Diagnostik und den sozialen Erwartungen entsprechen. Positive Veränderung basiert auf dem Lernen Aufbau tatsächlicher Kompetenzen Slide 12
Bedeutung zunehmender Kontinuität für frühe Förderung und Bildung ? Good News Personen, die einen positiven Start ins Leben vorfinden, erhalten Entwicklungsvorteile, die sich über die Lebens- spanne verstärken Bad News Personen, die einen negativen Start ins Leben vorfinden, erhalten Entwicklungsnachteile, die sich über die Lebens- spanne weiter verstärken Die Herausforderung Wenn Menschen immer mehr jene Person werden, die sie sind, ist es zentral zu erfahren, ob und wie man negative Spiralen durchbrechen kann Slide 13
Schule und Migration: Ende der Schulzeit Familialer Kontext und Leistungen in Mathematik (PISA 2006) Folie 14Risiko
Schule und Migration: in der Schule Zuweisung zu Sonderklassen und Klassenrepetitionen Fremdsprachige SchülerInnen müssen häufiger eine Klasse repetieren (Tresch & Zubler, 2009; Bless, Schüpbach & Bonvin 2004) Kinder mit einem Migrationshintergrund tragen ein erhöhtes Risiko der Sonderklassenzuweisung (BFS, 2008; Lanfranchi, 2007) Anteil Schüler in Sonderklassen und -schulen nach Migrations- status 1980–2007 (BFS, 2008) Folie 15
Schule und Migration: Beginn der Schulzeit Bereits bei Eintritt in den Kindergarten bestehen Unterschiede in den Schulvorläuferfähigkeiten in Abhängigkeit des sozioökonomischen Status und der Sprachbiographie (Moser, Bayer & Berweger, 2008) Grosse Differenz im Wortschatz (Deutsch) zwischen Kindern mit Deutsch als Zweitsprache und Kindern mit Deutsch als Erstsprache bei Kindergarteneintritt sowie bei Schuleintritt. (Moser, Bayer & Tunger, 2008). Folie 16
Nutzen familienergänzender Bildung und Betreuung Entwicklungskontext Der Besuch einer Kindertagesstätte vor Eintritt in den Kindergarten erhöht die Wahrscheinlichkeit des Gymnasiumsbesuch um 14 % in der Allgemeinbevölkerung (von 36 % auf 50 %). Dies gilt bei Kindern sozial benachteiligter Eltern noch stärker. In dieser Gruppe steigt die Wahrscheinlichkeit des Gymnasiumsbesuch um 66 % (Bertelsmann Stiftung 2008) Kinder, welche vor Kindergarteneintritt in einer KiTa waren, werden von Lehrpersonen in kognitiven, sprachlichen und sozialen Kompetenzen besser beurteilt als Kinder ohne KiTa- Erfahrung (Lanfranchi, 2002) Folie 17
Nutzen familienergänzender Bildung und Betreuung Qualität Familienergänzender Betreuung fördert kindliche Bildungs- und Entwicklungsprozesse — Eine hohe Qualität familienergänzender Betreuung hat insbesondere einen positiven Einfluss auf die soziale und kognitive Entwicklung von Kindern und trägt zu einem grösseren Bildungserfolg bei (Rossbach, 2005; Rossbach et al., 2008) — Gilt insbesondere für Kinder aus bildungsfernen Kontext, denn sie erleben hier ein vielfältigeres und breiteres Anregungsniveau für neue Erfahrungen als im Elternhaus. Folie 18
Nutzen familienergänzender Bildung und Betreuung Fremdsprachige Kinder Je mehr Zeit Kinder in familien- ergänzender Betreuung verbrin- gen, desto höher sind die Deutsch- kenntnisse im Kindergarten (Grob et al., 2008). Weitere strukturelle Faktoren - Zusammensetzung der Gruppe - Betreuungsschlüssel Eltern - Bildungsniveau Mutter - Migrationserfahrung - Finanzielle Situation Folie 19
Basel — ein wegweisender Beschluss des GR „Mit ausreichenden Deutschkenntnissen in den Kindergarten“ Folie 20
Sprachen in Basel-Stadt Daten des Statistischen Amtes Basel-Stadt, 2010 Folie 21
Sprachen in Basel-Stadt Daten des Statistischen Amtes Basel-Stadt, 2010 170 190 220 230 200 200 180 Gesamtbev in T Folie 22
Nationalitäten Kinder mit Kindergarteneintritt im Jahr 2011, Basel 6% DE 7% Ex-Ju 2% IN 2% IT 3% PT 2% LK 5% TR 61% CH Folie 23
Beschluss des Grossen Rates BS 2009 „Mit ausreichenden Deutschkenntnissen in den Kindergarten“ Der Grossrat des Kantons BS hat auf Antrag des Regierungsrates das Schulgesetzes und das Tagesbetreuungsgesetzes abgeändert (Oktober 2009). Alle Kinder mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen müssen ein Jahr vor Kindergarteneintritt während eines Jahres an zwei Halbtagen pro Woche eine Spielgruppe/KiTa zwecks Erwerb/ Verbesserung der Deutschkompetenz besuchen. Ziele Frühe Integration durch Verbesserung der Deutschkenntnisse Prävention internalisierender Problemverhaltensweisen Prävention externalisierender Problemverhaltensweisen Verbesserung des Bildungsniveaus und damit Förderung des Standortes Basel Folie 24
Sprachförderung konkret 2 mal pro Woche in die Spielgruppen / das Tagi Folie 25
ZWEITSPRACHE: Forschungsziele Auf Basis eines quasi-experimentellen Forschungsplanes wird 1. Bestandesaufnahme der Sprach- und Schulvorläufer- kompetenzen der Kinder 2. Entwicklung eines Instruments zur Einschätzung der Deutschkenntnisse durch die Eltern 3. Prüfen kurz- und mittelfristiger Effekte der Intervention Sprachkompetenz Schulvorläuferfähigkeiten und schulische Fähigkeiten Integration 4. Merkmale günstiger Entwicklungsverläufe Folie 26
Sprachstandserfassung bei 3-Jährigen Forschungsprojekt ZWEITSPRACHE Erhebungssequenzen Ziel 1. Gemeinsames Spiel Interaktion, Mimik/Gestik, sprachlicher Ausdruck im Kontext 2. Bilderbuch Interaktion, Mimik/Gestik, Sprachverständnis, Sprachproduktion, Interesse und Umgang mit Bilderbüchern 3. Sprachverstehen (Deutsch) Wörter verstehen (passiver Wortschatz) Sätze verstehen 4. Sprachproduktion (Deutsch) Produktion Wörter (aktiver Wortschatz), Produktion Sätze 5. Nachsprechen von Phonologisches Arbeitsgedächtnis Phantasienamen 6. Kategorien bilden Kategorisierungsfähigkeit 7. Sprachproduktion (Erstsprache) Produktion Wörter (aktiver Wortschatz) Folie 27
Sprachstandserfassung bei 3-jährigen Passiver Wortschatz Folie 28
Sprachstandserfassung bei 3-jährigen Aktiver Wortschatz Folie 29
Sprachstandserfassung bei 3-jährigen Kategorien bilden Folie 30
Deutschkenntnisse Ein Jahr vor dem KG-Eintritt in Basel (Stichproben 2009 und 2010) Vergleich Erstsprache Deutsch versus Deutsch als Zweitsprache Projekt Zweitsprache, 2010 Folie 31
Deutschkenntnisse (fremd- und mehrsprachige Kinder) Ein Jahr vor dem KG-Eintritt in Basel Stichprobe (M= 41 Monate, SD = 4 Monate) Normierung (roter Pfeil) für deutschsprachige Kinder im Alter von 30-35 Monaten Folie 32
Einschätzung der Deutschkenntnisse durch die Eltern Elternfragebogen zur Einschätzung der Deutschkenntnisse Wann: 1½ Jahre vor dem Kindergarteneintritt in 10 Sprachen o albanisch o bosnisch/serbisch/kroatisch o deutsch o englisch o französisch o italienisch o portugiesisch o spanisch o türkisch o tamilisch Folie 33
Einschätzung der Deutschkenntnisse Elternfragebogen (existiert in10 Sprachen) Folie 34
Einschätzung der Deutschkenntnisse Elternfragebogen (Frage 15) Mein Kind kennt keines dieser Wörter (auf Deutsch). Ich kann nicht einschätzen, welche Wörter mein Kind kennt. Folie 35
Einschätzung der Deutschkenntnisse Validität des Elternfragebogens 1. Können fremdsprachige Eltern die Deutschkenntnisse ihres Kindes einschätzen? Ja, sie schätzen den Sprachstand sehr präzise ein (Rmul = .80***; N = 165) Folie 36
Einschätzung der Deutschkenntnisse Validität des Elternfragebogens 1. Können fremdsprachige Eltern die Deutschkennt- nisse ihres Kindes einschätzen? Ja, sie schätzen den Sprach- stand sehr präzise ein (Rmultiple = .80***; N = 165) 2. Können Eltern mit guten Deutschkenntnissen den Sprachstand präziser einschätzen? Nein, es gibt keine Unterschiede. Unabhängig von den eigenen Deutschkenntnissen, gelingt es den Eltern sehr gut den Sprachstand der Kinder einzuschätzen. (BetaModerator = .154, p = .569, n.s.) Folie 37
ZWEITSPRACHE Forschungsdesign Folie 38
Forschungsfragen Überprüfen der Effekte der Intervention 1 Jahr vor dem Kindergarten ? Kindergarten- eintritt Welche Faktoren begünstigen die Entwicklung? Inwiefern können Entwicklungsrisiken aufgefangen werden? Bedeutung von Spielgruppen und Kindertagesstätten Merkmale des Betreuungssettings Konkrete Sprachförderung Persönlichkeitsmerkmale des Kindes Familiärer Kontext Gleichaltrigengruppe Folie 39
Dank für die Aufmerksamkeit Fragen und Diskussion Folie 40 Alexander.Grob@unibas.ch
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