SRG Corona-Monitor 30.10.2020 | 5. Studienbericht Vorauszug: Massnahmen und Vertrauen - Sotomo
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Auftraggeber Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR Auftragnehmer Forschungsstelle sotomo Dolderstrasse 24 8032 Zürich Autor/innen (alphabetisch) Gordon Bühler Julie Craviolini Michael Hermann David Krähenbühl Virginia Wenger Titelbild Anna Shvets Zürich, Oktober 2020
INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 4 2 Politische Massnahmen 5 2.1 Breite Unterstützung für Ausdehnung der Maskenpflicht . . . . . . . . 5 2.2 Klare Mehrheiten für Slow-Down-Massnahmen . . . . . . . . . . . . . 6 2.3 Meinungen zu Kurz-Lockdown geteilt . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.4 Mehr Unterstützung bei Lohnausfällen gefordert . . . . . . . . . . . . 10 2.5 Kürzere Quarantäne und Schnelltests gefordert . . . . . . . . . . . . 12 2.6 Drei Eindämmungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3 Behörden und Öffentlichkeit 16 3.1 Erodiertes Vertrauen in den Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.2 Wunsch nach mehr Zentralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 4 Datenerhebung und Methode 21 3
1 EINLEITUNG 1 Einleitung Nachdem die Corona-Situation in der Schweiz in den Sommermonaten etwas an Dynamik verloren hatte, überschlagen sich seit Beginn der zweiten Welle die Ereignisse. Die Zahl der Fälle nimmt im internationalen Vergleich besonders rasch zu und am Mittwoch dem 28. Oktober 2020 hat der Bundesrat erstmals wieder deutlich strengere und schweizweit einheitliche Massnahmen erlassen. Die Befragung zum 5. SRG-Corona-Monitor erfolgte vom 23. bis 28. Oktober 2020 und damit im Vorfeld der Beschlüsse der Landesregierung. In die Auswertung eingeflossen sind die Antworten von 34’825 Befragten. Durch die statistische Gewichtung sind die Ergebnisse dieser Befragungsreihe repräsentativ für die sprachlich integrierte Wohnbevölkerung der Schweiz ab 15 Jahren. Beim vorliegenden Dokument handelt es sich um einen Vorauszug der Studie. Der Vorauszug zeigt die Einstellung der Bevölkerung zu den neuen Massnahmen sowie die Entwicklung des Vertrauens in den Bundesrat in Bezug auf die Handhabung der Corona-Pandemie. Die Hauptstudie erscheint in der ersten Novemberwoche. 4
2 POLITISCHE MASSNAHMEN 2 Politische Massnahmen Stark steigende Fallzahlen in der Schweiz haben den Druck auf die Politik in den vergangenen Wochen erhöht. In einer ersten Phase hatten verschiedene Kantone unterschiedliche Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus erlassen. Am 28. Oktober 2020 hat schliesslich der Bundesrat erstmals wieder verstärkt das Zepter in die Hand genommen und schweizweit einheitliche Mindeststandards durchgesetzt – sich dabei jedoch gegen einen erneuten Lockdown der Wirtschaft ausgesprochen. Diese Umfrage wurde in den Tagen vor den Massnahmen vom 28. Oktober durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass die vom Bundesrat ergriffenen Massnahmen grossmehrheitlich mitgetragen werden. Noch strengere Eingriffe wie ein Kurz-Lockdown sind dagegen höchst kontrovers und teilen die Bevölkerung in zwei fast gleich grosse Gruppen. 2.1 Breite Unterstützung für Ausdehnung der Maskenpflicht Nachdem die Skepsis gegen Hygienemasken in der Schweiz zunächst gross war, zeigt sich heute eine breite Zustimmung zu einer starken Ausweitung der Mas- kenpflicht. 64 Prozent sprechen sich eher oder klar für eine Tragpflicht im Büro bzw. am Arbeitsplatz aus. Ebenfalls eine deutliche Mehrheit findet es richtig, dass die Maskenpflicht zumindest punktuell auch im Freien gilt. 59 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer wollen, dass überall dort, wo der Mindestabstand von 1,5 Metern im Aussenraum nicht eingehalten werden kann, eine Pflicht zum Tragen einer Hygienemaske gelten soll. Die vom Bundesrat beschlossene Ausweitung der Maskenpflicht wird von der Bevölkerung klar unterstützt. Abbildung 1: Haltung zur Maskenpflicht nach Kontext öffentliche Veranstaltungen 68 10 4 16 Einkaufsläden 67 9 5 18 Büro (Arbeitsplatz) 42 22 10 24 Draussen, wenn der Abstand nicht eingehalten 40 19 10 30 werden kann (z.B. Innenstädte) 0% 25% 50% 75% 100% Dafür Dagegen Weiss nicht «Wie stehen Sie zu einer schweizweiten Maskenpflicht in folgenden Bereichen?» Die Maske erscheint heute vielerorts als Selbstverständlichkeit. So sprechen sich heute über drei Viertel der Befragten für eine Maskenpflicht in Einkaufsläden aus. Der Zeitvergleich der Zustimmung macht jedoch deutlich, dass der Stimmungs- 5
2 POLITISCHE MASSNAHMEN wandel erst vergleichsweise spät eingesetzt hat. Noch im Juni sprach sich eine deutliche Mehrheit von 63 Prozent gegen eine Maskenpflicht in Einkaufsläden aus. Mit dem Abflachen der ersten Welle ist damals die Opposition dagegen sogar gestiegen. Abbildung 2: Maskenpflicht in Einkaufsläden ril ril ril ril ni ni . . ni . ni . ai ai ai ai kt kt kt kt Ap Ap Ap Ap Ju Ju Ju Ju M M M M O O O O 100% 10 18 21 21 20 20 20 30 34 34 30 9 40 37 45 10 75% 48 11 9 19 17 8 21 10 23 19 23 23 20 10 22 50% 18 22 21 8 17 26 80 24 73 21 67 65 21 19 25% 18 20 16 21 43 33 36 29 18 22 18 22 17 16 16 16 0% Total Deutschschweiz Romandie Ital. Schweiz Ja Nein Weiss nicht «Soll in der Schweiz eine Pflicht zum Tragen von Schutzmasken beim Einkaufen eingeführt werden?» (April bis Juni) / «Wie stehen Sie zu einer schweizweiten Maskenpflicht in folgenden Bereichen?»: «Einlaufsläden» (Oktober) 2.2 Klare Mehrheiten für Slow-Down-Massnahmen Die vom Bundesrat am 28. Oktober beschlossenen Slow-Down-Massnahmen werden von der Bevölkerung mitgetragen. Die Befragung fand im Vorfeld der entscheidenden Bundesratssitzung statt, was bedeutet, dass die Bevölkerung mit diesen Haltungen nicht einfach dem Bundesrat folgt, sondern sich bereits vor der Regierung dafür ausgesprochen hat. Zwei Drittel der Befragten sprechen sich für die Sperrstunde von Gaststätten ab 23 Uhr aus. Eine zusätzliche abgefragte Variante mit Sperrstunde 22 Uhr findet dabei praktisch dieselbe Zustimmung. Ebenfalls bei 66 Prozent liegt die Zustimmung zur Beschränkung von privaten und öffentlichen Veranstaltungen auf maximal 10 Personen. Der Bundesrat hat diese Beschränkung schliesslich nur für private Veranstaltungen verhängt. Dies zeigt, dass die Bevölkerung hier tendenziell zu weitergehenden Massnahmen bereit ist. 6
2 POLITISCHE MASSNAHMEN Abbildung 3: Beschränkungen für Gastronomie und Veranstaltungen 24 Dafür 24 Eher dafür 46 50 Weiss nicht 7 9 Eher dagegen 16 20 Dagegen Sperrstunde für Restaurants Beschränken von privaten und und Bars um 23:00 öffentlichen Veranstaltungen auf maximal zehn Personen «Die Corona-Taskforce des Bundes fordert, dass folgende Massnahmen schweizweit eingeführt werden sollen. Wie stehen Sie dazu?» Die Begrenzung der Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Veranstaltungen wird von allen Altersgruppen mitgetragen. Am grössten ist die Skepsis bei den 25- bis 44-Jährigen. Auffällig ist, dass die ganz jungen Erwachsenen (15-24 j.) sich weniger skeptisch zeigen. Dies gilt übrigens auch für die Sperrstunde um 23 Uhr. Abbildung 4: Beschränkung von Versammlungen – nach Soziodemographie Gesamt 46 20 9 24 Nach Alterskategorien 15-24 41 24 10 24 25-34 39 18 9 32 35-44 41 17 9 32 45-64 48 19 9 23 65-75 57 23 7 12 75+ 58 25 8 8 Nach Sprachregion Deutschschweiz 45 19 9 26 Romandie 50 22 9 17 Ital. Schweiz 56 22 9 12 0% 25% 50% 75% 100% Dafür Dagegen Weiss nicht «Die Corona-Taskforce des Bundes fordert, dass folgende Massnahmen schweizweit eingeführt werden sollen. Wie stehen Sie dazu?»: «Beschränken von privaten und öffentlichen Veranstaltungen auf maximal 10 Personen» Deutliche Mehrheiten sprechen sich zudem für die Einschränkung von musikali- schen und sportlichen Aktivitäten aus. 68 Prozent befürworten ein Verbot von 7
2 POLITISCHE MASSNAHMEN Chorsingen sowie Blasmusiken. 63 Prozent sind der Ansicht, dass sämtliche sportliche Aktivitäten, bei denen der Mindestabstand nicht eingehalten und eine Maske nicht getragen werden kann, untersagt werden sollen. Abbildung 5: Verbot von musikalischen und sportlichen Aktivitäten 20 Dafür 25 Eher dafür 8 46 43 Weiss nicht 10 Eher dagegen 22 20 Dagegen Verbot von Chorkonzerten und Verbot sämtlicher Sportaktivitäten, Singanlässen – inklusive bei denen weder Maske getragen Proben – sowie Auftritten von noch der Abstand eingehalten Orchestern und Blasmusiken werden kann «Die Corona-Taskforce des Bundes fordert, dass folgende Massnahmen schweizweit eingeführt werden sollen. Wie stehen Sie dazu?» 2.3 Meinungen zu Kurz-Lockdown geteilt In der öffentlichen Debatte sind die Meinungen über die Beschlüsse des Bundes- rats vom 28. Oktober 2020 geteilt. Vielfach wird kritisiert, dass die getroffenen Massnahmen nicht nur spät, sondern auch zu wenig umfassend sind. Eine weiter- gehende Massnahme wäre ein Kurz-Lockdown, ähnlich wie er in Frankreich oder Deutschland beschlossen wurde. In der Schweizer Bevölkerung sind die Meinun- gen dazu geteilt. 49 Prozent sprechen sich dafür aus, 47 Prozent dagegen. Dies zeigt, dass nur wenig für eine Mehrheit fehlt. Fast die Hälfte der Bevölkerung spricht sich für eine temporäre Schliessung des öffentlichen, wirtschaftlichen Lebens aus, um die rasante Zunahme der Fallzahlen zu stoppen (so genannter «Circuit Breaker»). Zugleich zeigt sich hier ein deutlicher Unterschied zu den Massnahmen, die vom Bundesrat dann tatsächlich beschlossen wurden. Während diese von einer überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen werden, teilt die Möglichkeit eines Kurz-Lockdowns die Bevölkerung in zwei fast gleich- grosse Gruppen. Mehrheiten für einen Kurz-Lockdown bestehen insbesondere bei den älteren Befragten. Mehrheitlich dagegen sind demgegenüber die 35- bis 44-Jährigen. Während die Befragten aus der lateinischen Schweiz sich dafür aus- sprechen, ist die Skepsis in der Deutschschweiz grösser. Die Ansichten zwischen den Sprachregionen unterscheiden sich allerdings nicht grundlegend. Die Haltung zum Kurz-Lockdown hängt dagegen relativ stark von der politischen Ausrichtung der Befragten ab. Es zeigt sich ein klarer Links-rechts-Gegensatz. Auffällig ist allerdings, dass die Zustimmung unter der Anhängerschaft der SP grösser ist, als bei der Basis der Grünen. 8
2 POLITISCHE MASSNAHMEN Abbildung 6: Haltung Kurz-Lockdown Gesamt 23 26 5 15 32 Nach Alterskategorien 15-24 27 23 7 13 30 25-34 25 23 6 11 35 35-44 23 18 5 13 41 45-64 21 25 5 15 34 65-75 22 35 3 21 19 75+ 22 38 4 20 16 Nach Sprachregion Deutschschweiz 21 25 4 15 35 Romandie 26 27 7 15 25 Ital. Schweiz 24 31 5 18 22 0% 25% 50% 75% 100% Dafür Dagegen Weiss nicht «Wie stehen Sie zu einem schweizweiten Kurz-Lockdown von wenigen Wochen (sog. «Circuit Breaker»), um den Anstieg der Fallzahlen wieder in den Griff zu bekommen?» Abbildung 7: Kurz-Lockdown – nach Parteipräferenz Gesamt 23 26 5 15 32 Nach Parteipräferenz Grüne 29 29 7 14 21 SP 31 36 7 13 13 GLP 21 33 5 21 20 CVP 18 32 6 19 25 FDP 18 28 3 18 33 SVP 18 15 13 53 0% 25% 50% 75% 100% Dafür Dagegen Weiss nicht «Wie stehen Sie zu einem schweizweiten Kurz-Lockdown von wenigen Wochen (sog. «Circuit Breaker»), um den Anstieg der Fallzahlen wieder in den Griff zu bekommen?» 9
2 POLITISCHE MASSNAHMEN 2.4 Mehr Unterstützung bei Lohnausfällen gefordert In allen fünf Befragungswellen wurde die Bevölkerung zu drei Themenbereichen befragt, ob sie mit den aktuell gültigen Massnahmen einverstanden seien, ob sie weitergehende Massnahmen befürworten würden oder der Ansicht seien, die behördlichen Massnahmen gingen zu weit. Abbildung 8 zeigt einen U-förmigen Verlauf bei den Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Nach der Entspan- nungsphase im Frühsommer nimmt der Druck auf die Behörden für strengere Massnahmen wieder zu. Auffällig ist allerdings, dass der Anteil, welcher der An- sicht ist, die Massnahmen gingen zu weit, nicht abgenommen hat. Im Gegenteil: Der Anteil der Skeptiker nimmt stetig zu. Dies hat zur Folge, dass statt rund 60 Prozent nur noch rund 30 Prozent hinter der offiziellen Politik der Behörden stehen. Bundesrat und Kantonsregierungen stehen von allen Seiten unter Druck – der Konsens in Bezug auf die COVID-19-Politik ist erodiert. Erstmals ist eine knappe Mehrheit der Schweizer Bevölkerung der Ansicht, dass die Behörden zu wenig unternehmen, um die Lohnausfälle (etwa für Selbstständige) zu kompensieren. Anders als bei den Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus gibt es nur ganz wenige, die der Ansicht sind, dass in diesem Bereich zu viel getan wird. Abbildung 8: Akzeptanz politischer Massnahmen z z z ril ril ril ni ni ni . . . är är är ai ai ai kt kt kt Ap Ap Ap Ju Ju Ju M M M M M M O O O 100% 6 8 7 10 7 5 6 13 17 14 17 9 15 16 11 19 14 10 12 75% 53 43 64 57 56 53 60 31 68 30 50% 62 58 67 59 61 31 26 25 27 25% 28 26 25 21 24 14 17 13 11 19 7 16 8 9 14 10 9 9 11 9 11 5 0% Schliessung von Einschränkung der Abfederung von Geschäften und Bewegungsfreiheit Lohnausfällen Dienstleistungen Gehen viel zu wenig weit Gehen eher zu weit Gehen eher zu wenig weit Gehen viel zu weit Sind angemessen Überblick über alle in allen Wellen abgefragten Massnahmen – Vergleich der Befragungswellen 10
2 POLITISCHE MASSNAHMEN Zwischen Ende März und Ende Oktober zeigt sich ein markanter Wandel in der Haltung der verschiedenen demografischen Bevölkerungsgruppen zu den Massnahmen zur Beschränkung der Bewegungsfreiheit (vgl. Abb. 9). Während in der ersten Welle der Pandemie insbesondere die jüngeren Befragten der Ansicht waren, die Einschränkungen im ersten Lockdown gingen zu wenig weit, sind nun vor allem die älteren dieser Ansicht. Demgegenüber ist der Widerstand gegen die Begrenzung der Bewegungsfreiheit insbesondere bei jungen Erwachsenen und jenen im mittleren Alter verbreitet. Abbildung 9: Einschränkung der Bewegungsfreiheit – Nach Alter und Sprachregion März Okt. Nach Alter 15-24 18 31 45 5 14 20 34 13 19 25-34 23 31 42 13 21 30 13 23 35-44 23 26 47 15 21 27 12 25 45-64 16 25 55 18 25 31 10 17 65-75 9 21 66 19 32 36 8 5 75+ 5 15 77 17 45 29 5 4 Nach Sprachregion Deutschschweiz 5 13 53 12 17 14 25 56 3 Romandie 3 13 71 8 3 28 30 40 Ital. Schweiz 12 69 7 10 8 22 67 0% 25% 50% 75% 100% 0% 25% 50% 75% 100% Gehen viel zu wenig weit Gehen eher zu weit Gehen eher zu wenig weit Gehen viel zu weit Sind angemessen «Massnahmen, die die persönliche Bewegungsfreiheit einschränken (Verbot von Ansammlungen mit mehr als fünf Personen, Besuchsverbot usw.)» Ebenfalls eine deutliche Veränderung zeigt sich in Bezug auf die Parteiorientierung. Mitten in der ersten Welle bestand nur ein schwacher Zusammenhang zwischen der Einstellung zur Einschränkung des öffentlichen Lebens und der Parteiorientierung. Auffällig war aber, dass die Forderung nach strengeren Massnahmen bei der SVP- Basis am meisten verbreitet war. Zwischenzeitlich hat der Wind gedreht: Heute ist der Widerstand gegen entsprechende Massnahmen unter den Anhängerinnen und Anhänger der SVP klar am grössten. 11
2 POLITISCHE MASSNAHMEN Abbildung 10: Einschränkung der Bewegungsfreiheit – nach Parteipräferenz März Okt. Grüne 13 27 56 17 28 34 11 10 SP 12 25 61 17 34 37 8 4 GLP 7 28 63 15 31 39 8 7 CVP 11 21 65 13 26 46 9 6 FDP 12 25 59 16 26 37 11 9 SVP 21 24 49 4 14 18 22 12 33 0% 25% 50% 75% 100% 0% 25% 50% 75% 100% Gehen viel zu wenig weit Gehen eher zu weit Gehen eher zu wenig weit Gehen viel zu weit Sind angemessen «Massnahmen, die die persönliche Bewegungsfreiheit einschränken (Verbot von Ansammlungen mit mehr als fünf Personen, Besuchsverbot usw.)» – nach Parteipräferenz 2.5 Kürzere Quarantäne und Schnelltests gefordert Abbildung 11: Kürzere Quarantäne dank Schnelltests Gesamt 25 31 9 15 19 Nach Alterskategorien 15-24 24 25 11 19 22 25-34 26 28 11 15 20 35-44 28 27 11 13 21 45-64 28 31 8 14 18 65-75 20 38 8 18 16 75+ 13 43 8 20 16 Nach Sprachregion Deutschschweiz 25 29 10 16 20 Romandie 28 36 9 12 16 Ital. Schweiz 20 36 6 22 17 0% 25% 50% 75% 100% Ja Nein Weiss nicht «Soll die heute gültige 10-tägige Quarantäneplicht bei Kontakt mit Covid-19-Erkrankten teilweise oder ganz durch Schnelltests ersetzt werden?» 12
2 POLITISCHE MASSNAHMEN Wer heute ohne entsprechende Schutzmassnahme in näherem Kontakt mit einer positiv getesteten Person gestanden ist, muss in eine 10-tägige Quarantäne. 56 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind heute der Ansicht, dass diese Quarantänepflicht ganz oder teilweise zugunsten von Schnelltestes ersetzt werden sollte. 34 Prozent sprechen sich dagegen aus. Obwohl die Befragten aus der französischsprachigen Schweiz in den meisten Bereichen für eher strenge Massnahmen einstehen, sprechen sie sich besonders häufig für eine Begrenzung der Quarantänepflicht aus (64 %). Während sich eine Mehrheit der Bevölkerung für eine Reduktion der Dauer der Quarantäne ausspricht, war in der Umfrage nur eine Minderheit (31 %) der Ansicht, dass die Massnahmen in Bezug auf Auslandreisen in Risikoländer zu weit gehen würden. Eine Lockerung der Einreisequarantäne wurde nicht gefordert. Dies obwohl die Befragung vor dem Beschluss des Bundesrats erfolgte, die Kriterien für Risikoländer stark abzuschwächen. Am grössten ist der Widerstand gegen die Einreisequarantäne bei der Anhängerschaft der SVP (40 %). Dies ist durchaus bemerkenswert, schliesslich ist die nationalkonservative Partei ansonsten für restriktive Positionen in Bezug auf Einreisen aus dem Ausland bekannt. Hier scheint die Corona-Skepsis stärker zu sein. Abbildung 12: Massnahmen zur Einschränkung der Reisefreiheit – nach Parteipräferenz Gesamt 17 19 36 14 15 Nach Parteipräferenz Grüne 15 20 41 15 9 SP 15 20 45 14 6 GLP 11 25 40 16 8 CVP 18 21 43 11 7 FDP 14 17 42 14 13 SVP 22 15 23 13 27 0% 25% 50% 75% 100% Gehen viel zu wenig weit Gehen eher zu wenig weit Sind angemessen Gehen eher zu weit Gehen viel zu weit Massnahmen zur Einschränkung von Auslandreisen (Quarantänepflicht bei Einreise aus Risikoland) 13
2 POLITISCHE MASSNAHMEN 2.6 Drei Eindämmungsstrategien Wie gezeigt, ist der Konsens im Umgang mit der Pandemie, der im Frühjahr noch bestanden hatte, weitgehend erodiert. Heute lassen sich in der Schweiz drei Lager unterscheiden. Knapp die Hälfte der Bevölkerung (48 %) steht hinter einer Unterdrückungsstrategie, bei der das Verhindern jeglicher Ansteckungen das Ziel ist und alles zur Verhinderung von Ansteckungen unternommen werden soll. 30 Prozent stehen für eine Tolerierungsstrategie. Gemäss diesem Ansatz soll eine Verbreitung des Virus zugelassen werden, zumindest bis die Kapazitätsgrenzen der Spitäler erreicht werden. Weitere 22 Prozent setzen auf eine Eindämmungs- strategie, bei der die Ausbreitung des Virus zwar gebremst werden soll, aber nicht um jeden Preis. Die Unterdrückungsstrategie findet bei der älteren Bevöl- kerung sowie in der italienischsprachigen Schweiz besonders viel Unterstützung (Abb. 13). Die Tolerierungsstrategie findet bei den 35- bis 44-Jährigen besonders viel Unterstützung. Abbildung 13: Ziel der zukünftigen Schweizer Corona-Strategie – Nach Soziodemographie Gesamt 48 22 30 Nach Alterskategorien 15-24 46 23 31 25-34 40 23 38 35-44 38 23 39 45-64 46 23 31 65-75 68 19 13 75+ 68 18 14 Nach Sprachregion Deutschschweiz 47 20 32 Romandie 48 26 26 Ital. Schweiz 63 26 10 0% 25% 50% 75% 100% Jegliche Verbreitung unterbinden Verbreitung eindämmen Verbreitung weitgehend zulassen, solange das Gesundheitssystem nicht kollabiert «Was sollte Ihrer Meinung nach, das Ziel der zukünftigen Schweizer Strategie im Umgang mit dem Coronavirus sein?» Die Unterdrückungsstrategie ist bei der Anhängerschaft der SP am grössten (63 %). Die Tolerierungsstrategie dagegen bei der Basis der SVP (49 %). Ansonsten 14
2 POLITISCHE MASSNAHMEN hängt die Haltung zu den drei Strategien nur noch wenig von der politischen Orientierung ab (Abb. 14). Abbildung 14: Ziel der zukünftigen Schweizer Corona-Strategie – Nach Parteiwählerschaft Gesamt 48 22 30 Nach Parteipräferenz Grüne 54 24 22 SP 63 23 13 GLP 50 26 23 CVP 53 29 18 FDP 49 26 25 SVP 35 15 49 0% 25% 50% 75% 100% Jegliche Verbreitung unterbinden Verbreitung eindämmen Verbreitung weitgehend zulassen, solange das Gesundheitssystem nicht kollabiert «Was sollte Ihrer Meinung nach das Ziel der zukünftigen Schweizer Strategie im Umgang mit dem Coronavirus sein?» 15
3 BEHÖRDEN UND ÖFFENTLICHKEIT 3 Behörden und Öffentlichkeit 3.1 Erodiertes Vertrauen in den Bundesrat Kurz nach Beginn der ausserordentlichen Lage – in der ersten Befragungswelle im März dieses Jahres – sprach die Schweizer Bevölkerung dem Bundesrat mehrheit- lich ihr grosses bis sehr grosses Vertrauen aus. Trotz zunehmender kontroverser Debatten über die Politik und das Verhalten des Bundesrats blieb dieses bis über das Ende der ausserordentlichen Lage hinaus stabil. In der aktuellen Befragung von Ende Oktober zeigt sich jedoch ein markanter Stimmungsumschwung. Nun halten sich skeptische und vertrauensvolle Stimmen beinahe die Waage, mit leichter Gunst zu ersteren. In den Tagen vor der schweizweiten Verschärfung der Massnahmen am 29. Oktober 2020 gaben nur noch 37 Prozent der Schwei- zerinnen und Schweizer an, sie hätten grosses oder sehr grosses Vertrauen in den Bundesrat in Bezug auf die Bewältigung der Corona-Krise. Am tiefsten ist der Anteil der Vertrauensvollen in der italienischsprachigen Schweiz (30 %), am grössten in der Romandie (42 %), obwohl hier die Fallzahlen insgesamt am grössten sind. Abbildung 15: Vertrauen in den Bundesrat – nach Sprachregion z z z z ril ril ril ril ni ni ni ni . . . . är är är är ai ai ai ai kt kt kt kt Ap Ap Ap Ap Ju Ju Ju Ju M M M M M M M M O O O O 100% 12 11 8 9 8 14 15 8 8 16 9 10 21 9 23 10 12 12 14 8 9 15 15 20 19 20 17 75% 23 22 15 21 25 26 22 19 14 23 22 19 33 31 29 25 44 50% 40 37 23 41 40 22 39 34 32 39 39 38 40 39 44 32 32 35 25% 32 27 26 30 24 27 29 27 30 29 22 23 24 21 24 19 16 18 10 10 11 10 14 0% Total Deutschschweiz Romandie Ital. Schweiz Sehr klein Sehr gross «Wie gross ist Ihr Vertrauen in die politische Führung der Schweiz (den Bundesrat) in Bezug auf die Bewältigung der Corona-Krise?» – Vergleich der Befragungswellen nach Sprachregionen Ein Rückgang des Vertrauens zeigt sich im gesamten politischen Spektrum. Besonders ausgeprägt ist er bei der Basis der Nicht-Bundesratsparteien GLP und Grüne, sowie bei der Anhängerschaft der SVP. Hier geben mittlerweile 62 16
3 BEHÖRDEN UND ÖFFENTLICHKEIT Prozent an, sie hätten wenig oder sehr wenig Vertrauen in die Handhabung der Pandemie durch die politische Führung. Abbildung 16: Vertrauen in den Bundesrat im Zeitvergleich – nach Parteipräferenz März Oktober Gesamt 6 9 23 39 22 21 19 23 27 10 Nach Parteipräferenz Grüne 4 7 20 44 24 11 19 26 33 11 SP 6 18 45 29 7 14 26 38 14 GLP 4 14 46 35 8 18 26 36 12 CVP 3 5 16 45 32 7 14 25 38 16 FDP 6 19 44 28 11 18 25 34 13 SVP 10 11 26 36 18 40 22 19 14 5 Sehr klein Sehr gross «Wie gross ist Ihr Vertrauen in die politische Führung der Schweiz (den Bundesrat) in Bezug auf die Bewältigung der Corona-Krise?» – Vergleich der Befragungswellen Obwohl der Bundesrat seit Beginn der zweiten Welle öffentlich vor allem für sein zögerliches Vorgehen gerügt wird, erhält er die tiefsten Vertrauenswerte von jenem Teil der Bevölkerung, der sich für eine Covid-Tolerierungsstrategie mit wenigen Massnahmen zur Eindämmung ausspricht. Dies zeigt die schwierige Lage, in der sich die Landesregierung gegenwärtig befindet. Abbildung 17: Vertrauen in den Bundesrat – nach Covid-Strategie Jegliche Verbreitung unterbinden 11 18 25 33 13 Verbreitung eindämmen 7 15 25 40 13 Verbreitung weitgehend zulassen, 45 22 18 11 3 solange das Gesundheitssystem nicht kollabiert 0% 25% 50% 75% 100% Sehr klein Sehr gross «Wie gross ist Ihr Vertrauen in die politische Führung der Schweiz (den Bundesrat) in Bezug auf die Bewältigung der Corona-Krise?» Abbildung 18 zeigt das durchschnittliche Vertrauen in den Bundesrat im Zeitver- lauf. Je höher der Wert, desto grösser das Vertrauen (Wertebereich: 1 bis 5). 17
3 BEHÖRDEN UND ÖFFENTLICHKEIT Auffällig ist der unterschiedliche Verlauf in der Deutschschweiz und der Romandie. In der Deutschschweiz war das Vertrauen zunächst am grössten, ist aber am stärksten zurückgegangen. In der Romandie war die Skepsis zunächst grösser als in den anderen Sprachregionen, im Verlauf der Pandemie haben sich die Verhält- nisse jedoch gedreht. Das Vertrauen der Älteren ist insgesamt etwas grösser, hat sich aber ähnlich negativ entwickelt wie bei den anderen Altersgruppen. Abbildung 18: Vertrauen in den Bundesrat Total Nach Sprachregion Nach Alter Sehr gross 5 4 3.8 3.6 3.6 3.6 3 2.9 2 Sehr klein 1 ni ni ni z ai z ai z ai . . . ri l ri l ri l kt kt kt är är är Ju Ju Ju M M M Ap Ap Ap O O O M M M Deutschschweiz 15−34 Romandie 35−64 Ital. Schweiz 65+ «Wie gross ist Ihr Vertrauen in die politische Führung der Schweiz (den Bundesrat) in Bezug auf die Bewältigung der Corona-Krise?» 1 «Sehr klein» bis 5 «Sehr gross» – Vergleich der Befragungswellen 3.2 Wunsch nach mehr Zentralisierung Nach dem Ende der ausserordentlichen Lage lag und liegt es wieder überwiegend in der Kompetenz der Kantone, die notwendigen Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu ergreifen. Dabei zeigt Abbildung 19, dass das Vertrauen in die eigene Kantonsregierung in Bezug auf die Bewältigung der Corona-Krise noch tiefer ist als das entsprechende Vertrauen in den Bundesrat. Insgesamt haben nur 27 Prozent der Bevölkerung grosses oder sehr grosses Vertrauen in die eigene Kantonsregierung, wenn es um das Handling der Pandemie geht. Am tiefsten ist das Vertrauen wiederum bei der Basis der SVP. Allerdings zeigt sich hier kein Unterscheid zum tiefen Vertrauen in den Bundesrat. 18
3 BEHÖRDEN UND ÖFFENTLICHKEIT Abbildung 19: Vertrauen in den Bundesrat und die Kantonsregierung – nach Parteipräferenz Bundesrat Kantonsregierung Gesamt 21 19 23 27 10 24 23 25 22 5 Nach Parteipräferenz Grüne 11 19 26 33 11 18 24 27 26 5 SP 7 14 26 38 14 15 22 29 28 6 GLP 8 18 26 36 12 17 26 27 25 5 CVP 7 14 25 38 16 10 19 28 32 10 FDP 11 18 25 34 13 15 23 26 29 7 SVP 40 22 19 14 5 37 25 20 14 4 Sehr klein Sehr gross «Wie gross ist Ihr Vertrauen in die politische Führung der Schweiz (den Bundesrat) in Bezug auf die Bewältigung der Corona-Krise?», «Wie gross ist Ihr Vertrauen in Ihre Kantonsregierung in Bezug auf die Bewältigung der Corona-Krise?» Angesichts des mangelnden Vertrauens in die Kantonsregierungen bei der Pandemie-Bewältigung erstaunt es nicht, dass der Wunsch nach einer stärkeren Zentralisierung weit verbreitet ist. 67 Prozent der Befragten waren in den Tagen vor dem Erlass neuer Massnahmen durch den Bundesrat der Ansicht, dass es mehr einheitliche Vorgaben durch den Bund brauche. Nur 21 Prozent verlangten mehr Spielraum für die Kantone. Der traditionelle schweizerische Föderalismus steht in der aktuellen Krise stark unter Druck. Der Rückhalt in der Bevölkerung für dezentrale Ansätze ist bemerkenswert tief. 19
3 BEHÖRDEN UND ÖFFENTLICHKEIT Abbildung 20: Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen – Nach Parteiwählerschaft Gesamt 67 12 21 Nach Sprachregion Deutschschweiz 67 11 22 Romandie 70 16 14 Ital. Schweiz 49 13 38 Nach Parteipräferenz Grüne 75 13 13 SP 81 11 8 GLP 76 14 10 CVP 71 16 14 FDP 68 15 17 SVP 49 10 40 0% 25% 50% 75% 100% Es braucht noch mehr schweizweit einheitliche Vorgaben durch den Bund Genau richtig, so wie es ist. Es braucht mehr Spielraum für Kantone für flexible Lösungen abhängig der jeweiligen Situation. «Wie stehen Sie zur Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie?» 20
4 DATENERHEBUNG UND METHODE 4 Datenerhebung und Methode Datenerhebung und Stichprobe Die Datenerhebung zur fünften Befragung des SRG Corona-Monitors fand zwi- schen dem 23. und 28. Oktober 2020 statt. Die Grundgesamtheit der Befragung bildet die sprachlich integrierte Wohnbevölkerung der Schweiz ab 15 Jahren. Die Befragung erfolgte online. Die Rekrutierung der Befragten fand einerseits über die Webportale von SRG SSR, andererseits via Online-Panel von sotomo statt. Nach der Bereinigung und Kontrolle der Daten konnten die Angaben von 34 872 Personen für die Auswertung verwendet werden (Deutschschweiz: 24 208, Romandie: 8984, italienische Schweiz: 1680). Repräsentative Gewichtung Da sich die Teilnehmenden der Umfrage selber rekrutieren (opt-in), ist die Zu- sammensetzung der Stichprobe nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit. Den Verzerrungen in der Stichprobe wird mittels statistischer Gewichtungsverfahren entgegengewirkt. Es werden räumliche (Wohnort), soziodemographische (Alter, Geschlecht, Bildung, Haushaltsform) und politische Gewichtungskriterien (Partei- präferenz) beigezogen. Durch die Gewichtung wird eine hohe Repräsentativität für die Schweizer Bevölkerung erzielt. Der Stichprobenfehler, wie er für Zufallss- tichproben berechnet wird, lässt sich nicht direkt auf gewichtete opt-in Umfragen übertragen. Die Repräsentativität dieser Befragung ist jedoch vergleichbar mit einer Zufallsstichprobe mit einem Stichprobenfehler von +/-1,1 Prozentpunkten (für 50% - Anteil und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit). 21
Sie können auch lesen