SRG SSR Wahlbarometer - Hauptbericht - Oktober 2019 - Sotomo
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SRG SSR Wahlbarometer Hauptbericht – Oktober 2019
Auftraggeber Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR Auftragnehmer Forschungsstelle sotomo Dolderstrasse 24 8032 Zürich Autor/-innen: Michael Hermann David Krähenbühl Gordon Bühler Lorenz Bosshardt Sarah Bütikofer Zürich, Oktober 2019
INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis 1 Aktuelle Wahlabsicht 4 1.1 Eine «grüne Welle» und viele Verliererinnen . . . . . . . . . . . 4 1.2 FDP fällt ins Minus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3 Mitte verschiebt sich nach links . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.4 Deutsch- und französischsprachige Schweiz im Vergleich . . . . 7 1.5 Wählerwanderungen: Einseitige Mobilisierung . . . . . . . . . . 8 2 Einschätzung Wahlentscheid und Wahlausgang 11 2.1 Sicherheit des Wahlentscheids und der Wahlteilnahme . . . . . . 11 2.2 Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.3 Art des Wahlentscheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3 Wichtigste politische Herausforderungen 16 3.1 Klima gewinnt nochmals an Wichtigkeit . . . . . . . . . . . . . 16 3.2 Nach Parteien und politischer Position . . . . . . . . . . . . . . 18 3.3 Herausforderungen nach demographischen Kriterien . . . . . . . 21 3.4 Sprachregionale Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4 Schwerpunktthema Klima 24 4.1 Euphorie und Anzeichen von Überdruss . . . . . . . . . . . . . 24 4.2 Mehrheit für griffige Klimapolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4.3 FDP im Dilemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 5 Profil der Parteiwählerschaften 29 5.1 Demographie: Geschlecht und Alter . . . . . . . . . . . . . . . 29 5.2 Soziale Schichtung: Bildung und Einkommen . . . . . . . . . . 30 5.3 Wahlentscheid Auslandschweizer/-innen . . . . . . . . . . . . . 32 5.4 Selbstpositionierung im Links-rechts-Spektrum . . . . . . . . . . 33 6 Bundesrat und Parlament im Urteil der Stimmberechtigten 35 6.1 Wahrgenommener Einfluss der Bundesratsmitglieder . . . . . . 35 6.2 Wahrgenommene Sympathie der Bundesratsmitglieder . . . . . 37 6.3 Einschätzung der politischen Ausrichtung der Räte . . . . . . . 38 7 Datenerhebung und Methode 42 3
1 AKTUELLE WAHLABSICHT 1 Aktuelle Wahlabsicht 1.1 Eine «grüne Welle» und viele Verliererinnen Konzentrierte Gewinne, verteilte Verluste. So präsentiert sich das letzte Wahlba- rometer vor den eidgenössischen Wahlen vom 20. Oktober 2019. Klar auf der Gewinnerseite stehen die Grünen und die Grünliberalen, während alle anderen Parteien zumindest tendenziell mit Verlusten rechnen müssen. 30 -2.1 27.3 20 -0.6 18.2 Anteil [%] -1.2 15.2 +3.6 -1.0 10 10.7 10.6 +2.7 7.3 -1.3 -0.1 2.8 1.8 0 SVP SP FDP Grüne CVP GLP BDP EVP Abbildung 1: Nationale Wähleranteile der Parteien gemäss aktueller Wahlabsicht 3.6 2.5 2.7 Anteil [%] 0.0 −0.6 −0.1 −1 −1.2 −1.3 −2.1 −2.5 SVP SP FDP Grüne CVP GLP BDP EVP Abbildung 2: Gewinne und Verluste im Vergleich zu den Nationalratswahlen 2015 Mit einem aktuellen Plus von 3,6 Prozentpunkten steuern die Grünen in Rich- tung rekordmässigen 10,7 Prozent. Ebenfalls auf Rekordkurs befinden sich die Grünliberalen. Gemäss aktueller Wahlabsicht, wollen der GLP 7,3 Prozent ihre Stimme geben. Dies entspricht einem Plus von 2,7 Prozentpunkten. Gelingt es 4
1 AKTUELLE WAHLABSICHT den beiden Parteien des ökologischen Spektrums dieses Umfrageergebnis am Wahltag tatsächlich zu realisieren, erreichen sie zusammen 18 Prozent. Damit wären sie zumindest gemäss Wähleranteil auf Augenhöhe mit den beiden doppelt im Bundesrat vertretenen Traditionsparteien SP und FDP. Da sich die beiden Öko-Parteien auf dem Links-rechts-Spektrum unterschiedlich positionieren, lässt sich ihr Stimmengewicht im politischen Alltag und insbesondere auch bei einer Bundesratswahl nicht einfach aufsummieren. Anders als die Gewinne verteilen sich die Verluste auf eine ganze Reihe von Parteien. Bei der letzten Ausgabe des Wahlbarometers im September lag die mediale Aufmerksamkeit bei der CVP und der Möglichkeit, dass diese von den Grünen überholt werden könnte. Diese Möglichkeit ist keineswegs vom Tisch. Die beiden Parteien sind gegenwärtig faktisch gleichauf. Dennoch hat dieser Wettlauf an Brisanz verloren. Zum einen, weil sich das Minus der CVP seit der letzten Umfrage leicht reduziert hat und mit einem erwarteten Wähleranteil von 10,6 der Abstand zur symbolisch wichtigen Zehnprozenthürde etwas grösser gewor- den ist. Wichtiger für die Wahrnehmung ist allerdings, dass gemäss aktuellem Umfrageergebnis die CVP etwas weniger verliert als alle anderen anderen bürger- lichen Parteien. Würde das aktuelle Umfrageergebnis am 20. Oktober Realität, stünde wohl mindestens so sehr die FDP im Fokus, die in der letzten Welle des Wahlbarometers erstmals mehr verliert als die CVP. Dies zeigt, wie im stabilen Parteiensystem der Schweiz kleine Veränderungen in den Wähleranteilen, grosse Auswirkungen auf die resultierende Wahrnehmung von Siegern und Verlierern haben können. Dabei gilt es zu bedenken, dass die Schätzgenauigkeit dieser Umfrage vergleichbar ist mit einer Zufallsstichprobe mit einem Strichprobenfehler von +/-1,4 Prozentpunkten. 1.2 FDP fällt ins Minus Die markanteste Verschiebung im Vergleich zum letzten Wahlbarometer betrifft die FDP. Das Plus von 0,3 bei der letzten Welle drehte sich innerhalb von nur fünf Wochen in ein Minus von 1,2. Zwischenzeitlich hatten sich in Bern die eidgenössischen Räte zur letzten Session dieser Legislatur versammelt. In der letzten Woche der Session behandelte der Ständerat das CO2-Gesetz. Dabei setzte sich die FDP erstmals und mitunter federführend für die Konkretisierung ihres neuen Kurses in der Klimapolitik ein. Der Start der vorliegenden Umfrage fiel dabei genau mit dem Ende der Session zusammen. Die weiter unten folgende Auswertung der Wählerwanderungen (Abb. 6) zeigt, dass hier durchaus ein Zusammenhang bestehen dürfte. Fast spiegelbildlich zur Entwicklung der FDP ist jene der SVP. Die nationalkon- servative Partei hatte bis im Juni laufend Wähleranteile verloren. Seither scheint sie sich langsam von ihrer Frühjahrs-Baisse zu erholen. Wie noch gezeigt wird, dürfte auch hier die Klimapolitik eine wichtige Rolle spielen. 5
1 AKTUELLE WAHLABSICHT Wahlen 2011 Wahlen 2015 WB Okt. 2017 WB Feb. 2019 WB Okt. 2018 WB Jun. 2019 30 WB Sept. 2019 29.4 28.7 WB Okt. 2019 27.4 27.3 SVP 27 26.6 26.5 26.8 20 19.3 19.1 Wählerstärke [%] 18.7 18.8 18.7 17.7 17.7 18.2 SP 17.4 17.1 16.7 16.4 16.2 15.1 15.2 FDP 12.3 11.6 11.3 Grüne 10.9 10.6 10.7 10 10.1 10.1 10.5 CVP 9.5 8.7 8.4 8.1 GLP 7.3 7.1 6.9 6.4 6.4 5.7 5.4 5.4 4.6 4.1 3.4 3.2 3.3 BDP 2.9 2.8 2.6 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Abbildung 3: Entwicklung der nationalen Wähleranteile (Nationalratswahlen 2011, 2015 / SRG Wahlbarometer 2017 bis 2019) 1.3 Mitte verschiebt sich nach links Der dominante Trend ist grün, damit verbunden ist jedoch auch eine Bewegung Richtung links. Weil die SP trotz deutlicher Gewinne der Grünen gemäss Umfrage nur wenig verliert, gewinnt das rotgrüne Lager aktuell 3 Punkte hinzu. SVP und FDP, die beiden Parteien rechts der Mitte, verlieren demgegenüber 3,3 Punkte. Der Wählerzuwachs des rechten Lagers von 2015 wären damit wieder weitgehend eingebüsst. Die politische Mitte kann ihren Anteil dagegen insgesamt halten. Dies allerdings nur wenn die mitte-links positionierte GLP dazugezählt wird. Aktuell gleicht sie die Verluste von CVP und BDP vollständig. Wenn rechts verliert und links gewinnt, verschiebt sich die politische Mitte des Nationalrats nach links. Das heisst, es braucht jeweils nur einen Teil des Mittespektrums für Mehrheiten auch nach links. Werden in der Mitte zugleich die Grünliberalen stärker, dürfte dies zu variableren Mehrheitsoptionen im Nationalrat führen. 6
1 AKTUELLE WAHLABSICHT 50 40 16.4 15.2 15.1 30 Anteil [%] 8.4 10.7 7.1 5.4 20 4.1 5.4 29.4 4.6 7.3 27.3 26.6 10 18.7 18.8 18.2 12.3 11.6 10.6 0 Wahlen Wahlen WB Okt. Wahlen Wahlen WB Okt. Wahlen Wahlen WB Okt. 2011 2015 2019 2011 2015 2019 2011 2015 2019 Links Mitte Rechts Grüne GLP EVP FDP SP CVP BDP SVP Abbildung 4: Entwicklung der Wähleranteile der drei Lager Links, Mitte, Rechts 1.4 Deutsch- und französischsprachige Schweiz im Vergleich Die grüne Welle kennt keinen Röstigraben. Der grüne Aufstieg unterscheidet sich dennoch in den beiden grossen Sprachregionen. Während sich der Grünrutsch in der Deutschschweiz auf die Grünen und die GLP aufteilt, profitieren in der Romandie vorwiegend die Grünen davon. Diese schaffen gemäss aktueller Umfrage in der französischsprachigen Schweiz ein bemerkenswertes Plus von 4,5 Prozent. Die Grünen in der Romandie sind traditionell etwas weniger links positioniert als in der Deutschschweiz, gleichzeitig steht der Freisinn etwas weniger rechts. Entsprechend bleibt in der Romandie weniger Platz für eine grünliberale Partei. Auffällig ist, dass in der Romandie eher die SP und in der Deutschschweiz dafür vermehrt die FDP verliert. Zumindest teilweise dürfte dies auch mit der spezifischen Ausprägung des Grünrutsches zusammenhängen. In der Romandie kommt der grüne Aufstieg primär den Grünen zugute und diese fischen im selben Teich wie die SP. In der Deutschschweiz teilen sich die Gewinne gleichmässiger auf GP und GLP auf. Dabei stellt letztere auch für die FDP eine Konkurrenz dar. Dies ist allerdings nur ein Teil der Erklärung, denn das stärkere Minus der FDP 7
1 AKTUELLE WAHLABSICHT in der Deutschschweiz hat auch mit der grösseren Konkurrenz durch die SVP zu tun. Deutschschweiz Französische Schweiz 40 30 30.5 22.8 Anteil [%] 19.8 18.5 20 17.9 13.7 12.5 10 12.6 10.2 9.8 8.8 3.6 3.6 0 0.6 SVP SP FDP Grüne CVP GLP BDP FDP SP SVP Grüne CVP GLP BDP +4.5 +3.5 +3.3 2.5 Anteil [%] 0.3 +1.1 0.0 −0.4 −1.6 −1.6 −1.6 −1.4 −0.6 −0.7 −2.4 −2.3 −2.5 Abbildung 5: Nationale Wähleranteile der Parteien gemäss aktueller Wahlabsicht sowie Gewinne und Verluste im Vergleich zu den Nationalratswahlen 2015 – nach Sprachregion 1.5 Wählerwanderungen: Einseitige Mobilisierung Die Auswertung der Wählerwanderungen (Abb. 6) zeigt woher die Gewinne der Parteien stammen und wohin die Verluste gehen. Dargestellt ist jeweils der Saldo der Zu- und Abwanderung seit den letzten Wahlen. Für Gewinne und Verluste der Parteien spielen neben den Wechselwählern auch die Gruppe der Nichtwähler eine wichtige Rolle. Die Auswertung zeigt, dass der erwartete Linksrutsch bei den Wahlen vorwiegend eine Folge einer einseitigen Mobilisierung ist. Nicht nur die SP, sondern vor allem auch die Grünen gewinnen nur wenige ehemalige Wählende von bürgerlichen Parteien. Der prognostizierte Zuwachs des linken Lagers geht somit fast ausschliesslich auf die Mobilisierung ehemaliger Nichtwähler zurück. Gerade bei den Grünen gehören dazu sehr viele junge Menschen, die das erste Mal an der Wahl teilnehmen. Genau umgekehrt verhält es sich bei der SVP: Ihre erwarteten Verluste resultieren nicht aus einer Abwanderung zu anderen Parteien. Die SVP verliert nur, weil ein Teil ihrer ehemaligen Wählenden dieses Mal voraussichtlich nicht an den Wahlen teilnehmen wird. Dabei trägt die zunehmende Überalterung der SVP-Wählerbasis dazu bei, dass mehr Ältere wegfallen als Junge nachkommen. 8
1 AKTUELLE WAHLABSICHT Verluste Gewinne Verluste Gewinne SVP SP Grüne 0 Grüne −4 SP 0 GLP −3 GLP CVP CVP 0 BDP BDP 0 FDP FDP 5 SVP Andere 6 Andere Nichtwähler −17 Nichtwähler 6 −20 −10 0 10 20 −20 −10 0 10 20 FDP Grüne Grüne SP 7 SP GLP 0 GLP −3 CVP 1 CVP 0 BDP 0 BDP 3 FDP SVP −9 SVP 1 Andere Andere 3 Nichtwähler 8 Nichtwähler 21 −20 −10 0 10 20 −20 −10 0 10 20 CVP GLP Grüne Grüne SP SP 7 GLP −3 CVP 5 BDP BDP 5 FDP FDP 7 SVP SVP Andere 0 Andere Nichtwähler Nichtwähler 16 −20 −10 0 10 20 −20 −10 0 10 20 Anteil [%] BDP Grüne SP −6 GLP −13 CVP −3 FDP −14 SVP Andere Nichtwähler −6 −20 −10 0 10 20 Anteil [%] Abbildung 6: Wählerwanderungen aus Sicht der sieben grössten Parteien. Dargestellt ist die Bilanz der Ab- und Zuwanderungen in Prozent der aktuellen Wählenden. Lesebespiel: Vom erwarteten Total der Wählenden der Grünen gehen 21 % auf ehemalige Nichtwähler und 7 % auf ehemalige Wählende der SP zurück. 9
1 AKTUELLE WAHLABSICHT Das Ausmass des Linksrutsches bei diesen Wahlen hängt vom relativen Unter- schied in der Stimmbeteiligung der potenziellen Links- und Rechts-Wählenden ab. Die Höhe der Stimmbeteiligung insgesamt ist somit nicht das entscheidende Mass. Von Bedeutung ist viel mehr die erwartete ungleiche Mobilisierungskraft der Parteien. Im politischen Diskurs besteht dabei oft ein zu enges Verständnis von Mobilisierung. Mobilisieren wird oft mit dem gezielten Aktivieren der Basis durch Mobilisierungskampagnen im Vorfeld der Wahlen gleichgesetzt. Das Mobi- lisierungspotenzial einer Partei hängt allerdings wesentlich davon ab, ob sie mit ihrem politischen Angebot überzeugende Antworten auf die Anliegen und Sorgen ihrer potenziellen Wählenden bietet. Auch wenn Mobilisierung und Demobilisierung wichtig ist, werden sie längst nicht nur dadurch entschieden. So geht etwa der Zuwachs bei den Grünliberalen mehr- heitlich auf Wechselwähler zurück. Die GLP profitiert von ihrer Brückenposition zwischen den politischen Lagern. Jeweils sieben Prozent derer, die ihr die Stimme geben wollen, sind ehemalige SP- bzw. ehemalige FDP-Wählende. Jeweils fünf Prozent stammen von BDP und CVP. Wie die Grünen profitiert auch die GLP von jüngeren Neuwählern – jedoch weniger ausgeprägt. Abbildung 6 liefert wichtige Hinweise für den Grund des Negativtrends der FDP: Gemäss Umfrage verliert sie neun Prozent ihrer ehemaligen Wählenden an die SVP. Seit dem letzten Wahlbarometer vom September hat sich die Bilanz gegenüber der SVP für die FDP ins Negative gedreht. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Freisinnigen trotz ihres profilierteren Klimakurses auch Wählende an die GLP verlieren. Noch schlechter wäre die FDP-Bilanz, wenn es ihr nicht gelingen würde, ehemalige Nichtwähler zu Mobilisieren und und Wählende von der BDP zu erben 10
2 EINSCHÄTZUNG WAHLENTSCHEID UND WAHLAUSGANG 2 Einschätzung Wahlentscheid und Wahlausgang 2.1 Sicherheit des Wahlentscheids und der Wahlteilnahme Die meisten, die sich für eine Partei ausgesprochen haben, sind sich sicher, dass sie tatsächlich an der Wahl teilnehmen werden. Mit 7 Prozent, ist der Anteil, der sich nicht so sicher ist, bei der SVP etwas höher als bei den anderen Parteien. Auffällig viele SVP-Anhängerinnen und Anhänger geben dabei als Grund an, dass sich sowieso nichts ändere, wenn sie teilnehmen würden. Am sichersten bezüglich Wahlteilnahme sind sich jene, die sich für die SP oder die CVP ausgesprochen haben. SVP 7 FDP 6 Grüne 6 GLP 6 CVP 4 SP 4 0.0 2.5 5.0 7.5 10.0 Anteil [%] Abbildung 7: Anteil, der womöglich doch nicht an der Wahl teilnehmen wird. 83 Prozent der Befragten waren sich drei Wochen vor der Wahl sicher, dass sie bei ihrem Wahlentscheid bleiben werden. 17 Prozent hielten es für möglich, sich noch für eine andere Partei zu entscheiden. SVP 91 SP 83 Grüne 83 CVP 81 FDP 76 GLP 69 0 25 50 75 100 Anteil [%] Abbildung 8: Anteil, der sich sicher ist, sich nicht mehr für eine andere Partei zu entscheiden. Auffällig ist der hohe Wert der Entschlossenen bei der SVP mit 91 Prozent. Demgegenüber geben besonders viele GLP-Wählende an, möglicherweise noch 11
2 EINSCHÄTZUNG WAHLENTSCHEID UND WAHLAUSGANG auf ihren Entscheid zurückzukommen. Fast ein Drittel der voraussichtlichen GLP- Wählenden ist sich der Sache noch nicht ganz sicher. Dies ist auch Ausdruck davon, dass die erwarteten Gewinne dieser Partei mehrheitlich auf Wechselwähler zurückgehen. Auch bei der FDP gibt es mit 24 Prozent relativ viele, die angeben, dass sie von ihrem Wahlentscheid noch abrücken könnten. 2.2 Erwartungen «Wird die Zusammensetzung des Parlaments nach den Wahlen besser sein als heute?». Diese Frage wird von den Wählenden der verschiedenen Parteien sehr unterschiedlich beurteilt. Am pessimistischsten ist die Wählerbasis der SVP. Nur 15 Prozent sind sehr oder eher zuversichtlich, dass sich die Zusammensetzung des Parlaments mit den Wahlen zum besseren wendet. Ganz anders ist die Stimmungslage im rotgrünen Spektrum und bei der GLP. Bei der Wählerschaft dieser Parteien sind rund Zweidrittel zuversichtlich, dass die Zusammensetzung besser wird und nur rund jede bzw. jeder Zehnte ist pessimistisch. Gesamt 14 34 27 14 12 Nach Parteipräferenz Grüne 19 45 25 7 4 SP 19 47 23 7 3 GLP 21 46 22 7 3 CVP 12 33 33 15 8 BDP 9 31 34 16 10 FDP 7 23 33 23 14 SVP 5 10 23 25 38 0 25 50 75 100 Anteil [%] Sehr Gar nicht zuversichtlich zuversichtlich 5 4 3 2 1 Abbildung 9: «Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Zusammensetzung des Parlaments nach den Wahlen besser sein wird als heute?» Grundsätzlich fällt auf, dass die Zuversicht links und im ökologischen Spektrum gross ist, während Richtung rechts der Pessimismus zunimmt. Dies zeigt, dass die Wählenden insgesamt von einem Rutsch Richtung mehr Grün und mehr Rot ausgehen. 12
2 EINSCHÄTZUNG WAHLENTSCHEID UND WAHLAUSGANG Ein leichtes und dennoch auffälliges Links-Rechts-Gefälle zeigt sich auch bei der Einschätzung der Wichtigkeit des Wahlausgangs für die Zukunft der Schweiz. Die meisten Wählenden von links bis rechts geben an, dass der Wahlausgang aus ihrer Sicht wichtig sei für die Zukunft des Lands. Dies ist nicht erstaunlich, schliesslich handelt es sich dabei um Stimmberechtigte, die an den Wahlen teilnehmen wollen. Und dennoch kommt in Abbildung 10 deutlich zum Ausdruck, dass im links- ökologischen Spektrum die grösste Dringlichkeit in Bezug auf die Wahlen besteht. Im rechtsbürgerlichen Spektrum geben etwa doppelt so viele Wählende an, dass der Wahlausgang nicht speziell wichtig ist für die Zukunft der Schweiz. Spannend ist, dass die Ansichten an der Basis der SVP am weitesten auseinandergehen. Für überdurchschnittlich viele von ihnen ist der Wahlausgang sehr wichtig, zugleich sind auch überdurchschnittlich viele nur mässig von der Dringlichkeit der Wahlen überzeugt. Gesamt 50 33 13 3 Nach Parteipräferenz Grüne 63 28 7 SP 55 33 10 GLP 45 39 13 CVP 42 39 16 3 BDP 43 36 16 4 FDP 39 39 17 4 SVP 53 25 16 4 0 25 50 75 100 Anteil [%] Sehr Gar nicht wichtig wichtig 5 4 3 2 1 Abbildung 10: «Was denken Sie: Wie wichtig ist der Ausgang der Wahlen für die Zukunft der Schweiz?» 2.3 Art des Wahlentscheids Geht es um den wichtigsten Grund für den Wahlentscheid geben auch in der der letzten Befragung vor den Wahlen die meisten Wählenden an, dass dies die politische Ausrichtung einer Partei ist. Bei den Nationalratswahlen in der Schweiz geht es nur am Rand um Persönlichkeiten. Nur 9 Prozent gegeben dies als wichtigstes Kriterium an. Auch Lösungskompetenz steht mit 22 Prozent nicht im Vordergrund. Die Nationalratswahlen sind im Wesentlichen Auseinandersetzungen um die politische Ausrichtung des Parlaments. Dies gilt allerdings nicht für alle 13
2 EINSCHÄTZUNG WAHLENTSCHEID UND WAHLAUSGANG Parteien gleichermassen. Die politische Ausrichtung steht bei den Wählenden von SVP, SP, Grünen und GLP klar im Vordergrund (Typ Polpartei). Demgegenüber sind bei CVP, BDP und FDP andere Motive insgesamt wichtiger (Typ Mittepartei). Speziell sind dabei die klare Zuordnung der FDP und der GLP zu einer der beiden Gruppen. In früheren Befragungen nehmen die beiden Parteien nämlich eine Mittelstellung zwischen den beiden Gruppen ein. In der Beurteilung durch ihre Wählenden hat sich die FDP einer Mittepartei angenähert, während sich die GLP vermehrt einer Polparteien gleicht. Dies ist zumindest ein Indiz dafür, dass das Profil der FDP aus Sicht ihrer Wählenden an Schärfe verloren hat, während jenes der GLP klarer geworden ist. Gesamt 59 22 10 9 Nach Parteipräferenz Grüne 63 24 9 4 SP 67 16 8 10 GLP 65 23 9 4 CVP 31 39 15 16 BDP 33 31 28 9 FDP 39 33 11 18 SVP 76 14 6 4 0 25 50 75 100 Anteil [%] Politische Ausrichtung Lösungskompetenz Art des Politisierens Persönlichkeiten in der Partei Abbildung 11: Wichtigster Grund für den aktuellen Wahlentscheid Erstmals in dieser Legislatur geben mehr als die Hälfte der Befragten an, ihren Wahlentscheid aus voller Überzeugung zu treffen (54 %). Dieser Anteil ist typischerweise bei den Polparteien besonders gross. Noch im Juni war der Anteil derer, die ihren Wahlentscheid aus Mangel an besseren Alternativen gefällt haben, bei der SVP mit 42 Prozent am grössten. Nun geben dies nur noch 30 Prozent der SVP-Wählenden an. Dies deutet darauf hin, dass die Motivation der SVP-Basis nach dem Tiefpunkt im Frühsommer wieder gestiegen ist. 14
2 EINSCHÄTZUNG WAHLENTSCHEID UND WAHLAUSGANG Gesamt 54 27 8 11 Nach Parteipräferenz Grüne 59 13 4 24 SP 60 21 15 4 GLP 41 28 29 CVP 44 25 14 17 BDP 39 37 21 FDP 46 35 13 6 SVP 62 30 4 3 0 25 50 75 100 Anteil [%] ... aus voller Überzeugung. ... aus Mangel an besseren Alternativen. ... aufgrund langjähriger Bindung. ... aus einem Bedürfnis nach Neuem. Abbildung 12: Art des aktuellen Wahlentscheids 15
3 WICHTIGSTE POLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN 3 Wichtigste politische Herausforderungen 3.1 Klima gewinnt nochmals an Wichtigkeit Vor einem Jahr, im Oktober 2018, war an dieser Stelle folgendes vermerkt: «Nachdem die Umweltthematik jahrelang in der Wahrnehmung der Bevölkerung keine zentrale Rolle spielte, hat der heisse, trockene Sommer 2018 das Thema ‹Klimawandel, CO2-Ausstoss› wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.» Dass das Klimathema ein Jahr später immer noch im Fokus stehen würde, galt damals keineswegs als ausgemacht. Dass dieses Thema die Wahlen 2019 geradezu dominieren könnte – damit dürfte vor einem Jahr niemand ernst- haft gerechnet haben. In dieser letzten Ausgabe des SRG Wahlbarometers vor den Wahlen hat die Klimathematik nochmals einen Sprung gemacht. Für 42 Prozent der Befragten gehört das Klima zu den drei wichtigsten politischen Herausforderungen der Schweiz. 47 46 45 Krankenkassen- prämien 42 43 42 42 Klimawandel, 40 CO2−Ausstoss 38 38 38 37 Anteil [%] 36 Beziehungen 35 35 34 34 zur EU 33 33 Reform 31 Altersvorsorge 30 30 28 26 26 Zuwanderung, 25 25 25 Ausländer 9 9 8 9 9 01 01 01 01 01 .2 2 .2 .2 i2 r. pt n b kt kt Se Ju Fe O O Abbildung 13: Wichtigste politische Herausforderungen aus Sicht der Wählenden – Zeitverlauf Die Klimathematik liegt damit immer noch einen Punkt hinter den Kranken- kassenprämien. Die hohen Prämien stellen für viele eine finanzielle Belastung dar, sie eignen sich dennoch nicht für eine grosse, emotionale Erzählung wie die Flüchtlinge von 2015 oder eben das Klima von 2019. Dazu passt, dass viele, welche die hohen Prämien zu den grossen Herausforderungen zählen, diese den- noch nicht als relevant für den Wahlentscheid ansehen. Geht es um die Themen, die relevant sind für den Wahlentscheid, steht der Klimawandel mit 27 Prozent Nennungen klar an der Spitze. Das heisst zugleich, dass für 73 Prozent dieses Thema beim Wahlentscheid nicht im Vordergrund steht. In Abbildung 14 sind die 16 den Befragten zur Auswahl vorgelegten Herausforderungen dargestellt. 16
3 WICHTIGSTE POLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN Klimawandel, CO2−Ausstoss 27 14 Krankenkassenprämien 21 22 Beziehungen zur EU 19 15 Zuwanderung, Ausländer 19 7 Reform Altersvorsorge 14 18 Unabhängigkeit, Souveränität 13 4 Natur− und Landschaftsschutz 9 7 Gleichstellung der Frauen 8 5 Erhalt des Rentenniveaus 7 9 Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaft 7 4 Kriminalität, Sicherheit 6 4 Arbeitslosigkeit, Lohndruck 6 5 Steuerbelastung, Staatsausgaben 4 4 Wohnungspreise 3 4 Stau, Verkehrsfluss 4 Unternehmenssteuerreform 0 10 20 30 40 50 Anteil [%] Relevant für Wahlentscheid Wichtig, aber nicht relevant für Wahlentscheid Abbildung 14: Wichtigste politische Herausforderungen nach Relevanz für Wahlentscheid Folgende Abbildung ?? zeigt die meistgenannten Herausforderungen jeweils im Zeitverlauf. Dabei kann den Diagrammen auch entnommen werden, wie viele die jeweilige Herausforderung als relevant für den Wahlentscheid angesehen haben. Auffällig ist der gegenläufige Trend von Klima und Europa. Die EU- Beziehungen haben seit Anfang Jahr stetig an Bedeutung für den Wahlentscheid verloren, während das Klima immer wichtiger wurde. Leicht abgenommen hat auch die Bedeutung die Reform der Altersvorsoge. Auffällig ist ausserdem, dass die Ausländerfrage, wenn auch auf tiefem Niveau, wieder etwas an Bedeutung für die Wählenden gewonnen hat. 17
3 WICHTIGSTE POLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN Krankenkassenprämien Febr. 2019 23 24 Juni 2019 18 23 Sept. 2019 22 24 Okt. 2019 21 22 Klimawandel, CO2−Ausstoss Febr. 2019 23 15 Juni 2019 24 14 Sept. 2019 25 13 Okt. 2019 27 14 Beziehungen zur EU Febr. 2019 26 21 Juni 2019 22 16 Sept. 2019 21 14 Okt. 2019 19 15 Reform Altersvorsorge Febr. 2019 16 18 Juni 2019 15 21 Sept. 2019 15 17 Okt. 2019 14 18 Zuwanderung, Ausländer Febr. 2019 18 8 Juni 2019 18 7 Sept. 2019 18 6 Okt. 2019 19 7 0 10 20 30 40 50 Anteil [%] Relevant für den Wahlentscheid Wichtig, aber nicht relevant für den Wahlentscheid Abbildung 15: Wichtigste politische Herausforderungen nach Relevanz für Wahlentscheid – Zeitverlauf 3.2 Nach Parteien und politischer Position Wie beurteilen die Wählenden der verschiedenen Parteien die Wichtigkeit der Herausforderungen für ihren Wahlentscheid? Abbildung 16 zeigt für die sieben grössten Parteien die jeweils sechs relevantesten Themen für den Wahlentscheid. Noch stärker als in jeder Befragungswelle zuvor überragt das Klimathema bei den Grünen und den Grünliberalen alles. Erstmals steht bei beiden Parteien der Natur- und Landschaftsschutz an zweiter Stelle. Die Fokussierung auf Umweltthemen hat im Verlauf des Jahres insbesondere bei der GLP-Wählerschaft markant zugenommen. Das heisst, es ist auch hier primär die grüne Parteifarbe, welche eine besondere Anziehungskraft entwickelt. Bei der SVP-Wählerschaft hat seit Anfang Jahr der Themenbereich ‹Unabhängigkeit, Souveränität› an Dringlichkeit 18
3 WICHTIGSTE POLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN verloren. Dafür liegt der Fokus wieder stärker beim Ausländerthema. Markant ist schliesslich die Bedeutung, welche die CVP-Basis den Krankenkassenprämien zumisst. Erstmals ist dieses Thema für fast die Hälfte der Wählenden der CVP entscheidungsrelevant. Offenbar haben die Wahlkampagnen dazu geführt, dass die Wählenden von GP, GLP, SVP und CVP ihre Partei jeweils mit einem Hauptthema in Verbindung bringen. Im Gegensatz dazu werden SP und insbesondere FDP und BDP mit keinem eigenen dominanten Thema in Verbindung gebracht. SVP SP Zuwanderung, Ausländer 57 7 Klimawandel, CO2−Ausstoss 39 25 Unabhängigkeit, Souveränität 37 5 Krankenkassenprämien 28 21 Beziehungen zur EU 20 7 Reform Altersvorsorge 22 17 Kriminalität, Sicherheit 16 9 Beziehungen zur EU 20 18 Krankenkassenprämien 14 22 Gleichstellung der Frauen 17 6 Reform Altersvorsorge 7 14 Natur− und Landschaftsschutz 9 10 anderes Thema 7 anderes Thema 11 andere Faktoren 7 andere Faktoren 14 0 25 50 75 0 25 50 75 FDP CVP Beziehungen zur EU 32 14 Krankenkassenprämien 47 16 Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaft 25 5 Reform Altersvorsorge 24 19 Reform Altersvorsorge 20 24 Beziehungen zur EU 19 19 Krankenkassenprämien 17 21 Klimawandel, CO2−Ausstoss 15 24 Klimawandel, CO2−Ausstoss 16 19 Erhalt des Rentenniveaus 8 10 Zuwanderung, Ausländer 5 10 Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaft 7 8 anderes Thema 9 anderes Thema 14 andere Faktoren 14 andere Faktoren 14 0 25 50 75 0 25 50 75 Grüne GLP Klimawandel, CO2−Ausstoss 80 5 Klimawandel, CO2−Ausstoss 66 8 Natur− und Landschaftsschutz 30 10 Natur− und Landschaftsschutz 20 7 Gleichstellung der Frauen 22 13 Beziehungen zur EU 20 25 Krankenkassenprämien 12 25 Reform Altersvorsorge 12 30 Reform Altersvorsorge 6 20 Krankenkassenprämien 9 27 Beziehungen zur EU 6 17 Gleichstellung der Frauen 7 8 anderes Thema 5 anderes Thema 8 andere Faktoren 6 andere Faktoren 11 0 25 50 75 0 25 50 75 BDP Reform Altersvorsorge 29 18 Krankenkassenprämien 22 25 Klimawandel, CO2−Ausstoss 18 21 Beziehungen zur EU 17 15 Relevant für Wahlentscheid Erhalt des Rentenniveaus 9 16 Wichtig, aber nicht relevant für Wahlentscheid Gleichstellung der Frauen 5 13 anderes Thema 6 andere Faktoren 25 0 25 50 75 Anteil [%] Abbildung 16: Wichtige und wahlrelevante Herausforderungen nach Parteiwählerschaften Abbildung 17 zeigt die wichtigsten Herausforderungen nach Selbstpositionierung auf der Links-rechts-Skala. Von den vier Themen mit der höchsten Relevanz für den Wahlentscheid werden zwei sehr ungleich von links und rechts beurteilt. Dies ist zum einen der Klimawandel. Dieses Thema wurde in dieser Befragungswelle so häufig genannt wie nie zuvor. Dennoch wird es fast ausschliesslich von Wählenden 19
3 WICHTIGSTE POLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN als Top-Herausforderung bezeichnet, die sich selber politisch zwischen der Mitte und links einordnen. Das Gegenstück dazu ist die Ausländerthematik. Dieses Thema ist vorwiegend für Wählende relevant, die sich rechts im politischen Spektrum einordnen. Die Migrationsthematik hat aber in der politischen Mitte deutlich weniger Gewicht als das Klima. 19 16 21 54 59 13 42 25 14 Klimawandel, CO2-Ausstoss 10 links Mitte rechts 22 24 20 20 22 22 18 21 24 28 19 20 14 14 Krankenkassenprämien links Mitte rechts 21 21 15 13 13 24 22 23 Beziehungen zur EU 14 18 19 9 links Mitte rechts 10 11 60 48 25 Zuwanderung, Ausländer 11 links Mitte rechts Relevant für Wahlentscheid Wichtig, aber nicht relevant für Wahlentscheid Abbildung 17: Relevanteste Herausforderungen nach Selbstpositionierung im Links-Rechts-Spektrum Genau hier liegt der Erklärungskern für die politische Dynamik zwischen den Wahlen 2015 und 2019. Vor vier Jahren war Migration das Top-Thema. Diese im rechten Spektrum verankerte Thematik beschäftigte die Menschen bis in die politische Mitte hinein. Heute ist mit dem Klima ein Thema top, das im linken Spektrum verankert ist. Und es ist nicht mehr die Migration, sondern das Klima, das die Menschen bis in die politische Mitte hinein beschäftigt. Wir haben damit zwei aufeinanderfolgende Wahlen mit einem ideologisch beinahe perfekt gespiegelten Themenumfeld. Diese aussergewöhnliche Konstellation macht die Wahlen 2019 zu einem Unikum. Dieses gespiegelte Kräftefeld kann zu einem, zumindest für schweizerische Verhältnisse, ungewöhnlichen Linksrutsch führen. 20
3 WICHTIGSTE POLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN 3.3 Herausforderungen nach demographischen Kriterien Es waren Schüler und Studierende, die mit ihren Protesten seit der Jahreswende das Klimathema in die politische Öffentlichkeit getragen haben. Im Lauf des Jahres kam das Thema zunehmend auch in den anderen Altersgruppen an. Kurz vor den Wahlen zeigt sich der Altersgegensatz nochmals akzentuiert. Bei den 18 bis 25-Jährigen dominiert das Klimathema den Wahlentscheid wie in keiner Befragungswelle zuvor. Für 45 Prozent von ihnen ist dieses Thema relevant für den Wahlentscheid. 18 17 15 13 13 12 14 45 32 24 25 25 24 21 Klimawandel, CO2−Ausstoss 18-25 26-35 36-45 46-55 56-65 66-75 > 75 22 19 25 24 22 21 15 26 29 18 21 20 21 13 Krankenkassenprämien 18-25 26-35 36-45 46-55 56-65 66-75 > 75 12 16 13 18 13 13 16 23 27 16 16 17 21 17 Beziehungen zur EU 18-25 26-35 36-45 46-55 56-65 66-75 > 75 7 8 7 5 4 7 6 17 20 19 20 22 21 13 Zuwanderung, Ausländer 18-25 26-35 36-45 46-55 56-65 66-75 > 75 Relevant für Wahlentscheid Wichtig, aber nicht relevant für Wahlentscheid Abbildung 18: Die vier relevantesten Herausforderungen nach Alter Demgegenüber werden die Krankenkassenprämien und in etwas schwächerer Ausprägung auch die ‹Beziehungen zur EU› tendenziell eher von Älteren als Kriterien für den Wahlentscheid herangezogen. Die Migrationsthematik spielt mit Ausnahme der unter 36-Jährigen, wo sie etwas weniger Bedeutung hat, in allen Altersgruppen eine ähnlich wichtige Rolle. 21
3 WICHTIGSTE POLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN 33 16 Frau Klimawandel, CO2−Ausstoss 22 12 Mann 22 21 Frau Krankenkassenprämien 20 22 Mann 14 16 Frau Beziehungen zur EU 24 14 Mann 15 7 Frau Zuwanderung, Ausländer 23 7 Mann 15 21 Frau Reform Altersvorsorge 13 16 Mann 9 Frau Unabhängigkeit, Souveränität 16 5 Mann 10 8 Frau Natur− und Landschaftsschutz 7 6 Mann 13 7 Frau Gleichstellung der Frauen 3 Mann 0 20 40 Anteil [%] Relevant für Wahlentscheid Wichtig, aber nicht relevant für Wahlentscheid Abbildung 19: Herausforderungen nach Geschlecht Die Klimathematik beschäftigt besonders die Jungen und sie ist für Frauen weit häufiger ein Faktor als für Männer. 33 Prozent der Frauen geben an, dass dieses Thema relevant ist für ihren Wahlentscheid. Bei den Männern sind es nur 22 Prozent. Bei den Männern sind die ‹Beziehungen zur EU› sowie die Ausländerthematik mindestens ebenso wichtig für den Wahlentscheid wie die Klimafrage. Die grösste Diskrepanz zeigt sich in der Gleichstellungsfrage: Diese ist für 13 Prozent der Frauen, aber nur für 3 Prozent der Männer ein relevantes Thema für den Wahlentscheid. 3.4 Sprachregionale Unterschiede In der Deutschschweiz als der klar grössten Sprachregion entsprechen die wichtigs- ten politischen Herausforderungen weitgehend dem Profil der gesamten Schweiz. Dennoch fällt auf, dass bei den für den Wahlentscheid relevanten Herausforderun- gen in der Deutschschweiz die Migrationsfrage auf den zweiten Platz vorgerückt ist. Bemerkenswert ist, dass in der französischsprachigen Schweiz der Klima- 22
3 WICHTIGSTE POLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN wandel nochmals an Bedeutung für den Wahlentscheid gewonnen hat und nun bereits von einem Drittel der Wählenden als relevant dafür genannt wird. In der Deutschschweiz sagen dies nur ‹nur› ein Viertel. Deutschschweiz Französische Schweiz Klimawandel, CO2−Ausstoss 26 15 Klimawandel, CO2−Ausstoss 33 13 Zuwanderung, Ausländer 21 7 Krankenkassenprämien 25 22 Krankenkassenprämien 19 22 Beziehungen zur EU 23 13 Beziehungen zur EU 18 16 Gleichstellung der Frauen 13 7 Reform Altersvorsorge 15 21 Reform Altersvorsorge 11 12 Unabhängigkeit, Souveränität 13 4 Erhalt des Rentenniveaus 10 10 anderes Thema 10 anderes Thema 10 andere Faktoren 14 andere Faktoren 9 0 10 20 30 40 50 60 0 10 20 30 40 50 60 Anteil [%] Anteil [%] Italienische Schweiz Auslandschweizer/in Krankenkassenprämien 37 19 Klimawandel, CO2−Ausstoss 39 12 Beziehungen zur EU 26 7 Beziehungen zur EU 34 22 Zuwanderung, Ausländer 22 5 Zuwanderung, Ausländer 13 5 Klimawandel, CO2−Ausstoss 21 12 Krankenkassenprämien 11 14 Reform Altersvorsorge 17 11 Reform Altersvorsorge 11 14 Arbeitslosigkeit, Lohndruck 12 14 Erhalt des Rentenniveaus 8 10 anderes Thema 10 anderes Thema 13 andere Faktoren 5 andere Faktoren 9 0 10 20 30 40 50 60 0 10 20 30 40 50 60 Anteil [%] Anteil [%] Abbildung 20: Wichtigste Herausforderungen nach Sprachregionen und Auslandschweizer/-innen Auch für die Auslandschweizerinnen und -schweizer hat die Klimathematik noch- mals an Bedeutung gewonnen. 37 Prozent von ihnen geben an, dass dies für sie ein relevantes Kriterium für den Wahlentscheid ist. 23
4 SCHWERPUNKTTHEMA KLIMA 4 Schwerpunktthema Klima 4.1 Euphorie und Anzeichen von Überdruss Die Klimathematik hat in den letzten Wochen vor den Wahlen nochmals an Bedeutung für die Wahlen gewonnen. Mehr Stimmberechtigte als zuvor, geben an, das Klima sei für sie ein entscheidendes Wahlkriterium. Die Grünen und die Grünliberalen sind noch immer im Aufwind. Wie die Analyse der Herausforderun- gen zeigt, steht das Klima jedoch längst nicht bei allen Stimmberechtigten im Vordergrund. Von Bedeutung ist deshalb auch das Gesamtbild: Führt das Thema, das die einen aktiviert, bei anderen allenfalls zu einem Überdruss? Klimapolitik: Beachtung durch die Parteien WB Jun. 2019 52 21 27 WB Sept. 2019 48 26 26 WB Okt. 2019 42 26 32 Klimapolitik: Beachtung durch die Medien WB Jun. 2019 30 34 35 WB Sept. 2019 26 37 37 WB Okt. 2019 22 36 42 0 25 50 75 100 Anteil [%] Zu wenig Genau richtig Zu viel Abbildung 21: Beurteilung des Umgangs von Medien und Parteien mit der Klimathematik – Zeitreihe In den Befragungswellen vom Juni, September und Oktober wurden die Stimm- berechtigten jeweils gefragt, ob dem Klimathema genügend Beachtung durch die Medien bzw. die Parteien geschenkt werde. Der Vergleich der Befragungswel- len (Abb. 21) macht deutlich, dass insbesondere in Bezug auf die Medien eine gewisse Sättigung eingesetzt hat. Während im Juni 35 Prozent der Befragten der Ansicht waren, dass dem Thema zu viel Beachtung geschenkt werde, waren Anfang Oktober schon 42 Prozent dieser Ansicht. Parallel dazu ist der Anteil, der findet, dem Thema werde von den Medien zu wenig Beachtung geschenkt von 30 auf 22 Prozent gesunken. Ähnlich, wenn auch auf tieferem Niveau, verläuft die Beurteilung des Umgangs der Parteien mit dem Klimathema. Im Juni war noch eine Mehrheit der Meinung, dem Thema werde von den Parteien zu wenig Beachtung geschenkt (52 %). Mittlerweile sind nur noch 42 Prozent dieser Ansicht. 24
4 SCHWERPUNKTTHEMA KLIMA 4.2 Mehrheit für griffige Klimapolitik Tatsächlich erhielt das Klimathema nicht nur im Wahlkampf viel Beachtung, in der Herbstsession nahm sich auch der Ständerat dieser Thematik an, indem er das CO2-Gesetz behandelte und verschärfte. Klimapolitik wurde dadurch auf einmal konkret und neben der Sorge um den Klimawandel rückten erstmals auch die Kosten von Klimaabgaben in den Vordergrund. WB Jun. 2019 34 25 10 14 17 WB Sept. 2019 32 22 12 15 19 WB Okt. 2019 32 25 8 15 19 0 25 50 75 100 Anteil [%] Dafür Eher dafür Neutral Eher dagegen Dagegen Abbildung 22: Beurteilung von Klimamassnahmen mit im Alltag deutlich spürbaren Kostenfolgen – Zeitreihe Obwohl die grüne Welle eher stärker geworden ist, hat der Widerstand gegen Klimamassnahmen mit im Alltag deutlich spürbaren Kostenfolgen seit Juni ten- denziell zugenommen. Allerdings steht auch nach der Herbstsession eine Mehrheit der Wählenden dahinter. Gesamt 32 25 8 15 19 Nach Parteipräferenz Grüne 72 21 3 SP 52 33 5 7 GLP 58 29 5 6 CVP 24 43 8 14 11 BDP 25 33 15 14 13 FDP 20 34 13 19 14 SVP 5 9 10 26 50 0 25 50 75 100 Anteil [%] Dafür Dagegen Neutral Eher dafür Eher dagegen Abbildung 23: Beurteilung von Klimamassnahmen mit im Alltag deutlich spürbaren Kostenfolgen. 25
4 SCHWERPUNKTTHEMA KLIMA In diesen Trends wird dennoch deutlich, dass jeder politische Wandel auch Gegenkräfte weckt. So provozierte etwa der Aufstieg der Grünen in den 1980er- Jahren die Gründung der Autopartei. Einzig die Wählerschaft der SVP ist klar gegen eine Klimapolitik mit spürbaren Kostenfolgen. Beinahe geschlossen dahinter steht die Basis von Grünen, GLP und SP. Im bürgerlichen Spektrum ist der Widerstand dagegen durchaus subtanziell. Die Wählenden der FDP sind zwar mehrheitlich für eine Klimapolitik mit spürbaren Kostenfolgen. Klar dafür sind allerdings nur 20 Prozent. Zugleich ist aber auch ein Drittel dagegen, was mehr ist als bei allen anderen Parteien – mit Ausnahme der SVP. Hier zeigt sich bereits das Dilemma, in dem die FDP in dieser Frage steckt. 4.3 FDP im Dilemma Wie bereits bei der Analyse der Herausforderungen gezeigt wurde, gehört die Klimathematik längt nicht für alle Wählenden zu den drei wichtigsten politischen Herausforderungen der Schweiz. Es ist ein Thema, das aus Sicht der Anhänger- schaft von GP und GLP absolut im Zentrum steht, aber nur gerade 7 Prozent der SVP-Wählenden erachten es als zentrale politische Herausforderung für die Schweiz. Bei der FDP sind es mit 35 Prozent zwar deutlich mehr als bei der SVP. Dennoch ist das Niveau nicht vergleichbar mit den Parteien des ökologischen Mitte-links-Spektrums. 30 10 20 7 Klimawandel, CO2−Ausstoss 22 13 20 25 Grüne 12 25 80 5 Relevant für Wahlentscheid 12 30 GLP 6 20 66 8 Wichtig, aber nicht relevant für 9 Wahlentscheid 27 SP 6 1739 25 7 8 5 8 BDP 18 21 6 11 FDP 16 19 CVP 15 24 SVP 5 0 29 25 18 50 75 22 Anteil 25 [%] Abbildung 24: Klima als wichtige Herausforderung nach Parteiwählerschaften. Auch wenn die Klimapolitik bei der FDP-Basis insgesamt nicht im Vordergrund steht, sind mit 27 Prozent besonders viele FDP-Wählende mit der Klimapolitik ihrer Partei unzufrieden. Die Mehrheit davon, wünscht sich mehr Engagement in diesem Bereich. Darin kommt der Druck aus der Basis für ein grösseres Klimaengagement zum Ausdruck. 26
4 SCHWERPUNKTTHEMA KLIMA Anteil der Unzufriedenen mit der Klimapolitik der eigenen Partei FDP 17 6 4 27 CVP 11 6 1 18 Gewünschtes Engagment der SP 13 2 15 Parteien in der Klimapolitk SVP 4 5 4 12 Mehr Gleichviel Grüne 9 1 10 Weniger GLP 8 1 9 BDP 2 35 0 10 20 30 Anteil [%] Abbildung 25: Anteil der Unzufriedenen mit der Klimapolitik ihrer Partei. Alle diese Fakten zusammen bringen die FDP in eine schwierige Situation. Eine Mehrheit ihrer Wählenden steht hinter griffigen Klimamassnahmen. Eine relativ grosse Minderheit ist trotz verstärktem Engagement immer noch unzufrieden und wünscht sich noch mehr Engagement der Partei. Zugleich stellt sich ein Drittel ihrer Wählerschaft gegen Klimamassnahmen mit im Alltag spürbaren Kostenfolgen. Ausgerechnet beim dominanten Thema dieser Wahlperiode geht die Bruchlinie mitten durch die freisinnige Partei. Ganz anders sieht dies bei der SVP auf der einen Seite und den Grünen, Grünliberalen und Sozialdemokraten auf der anderen Seite aus. Deren Politik steht im Einklang mit der eigenen Wählerschaft. Grundsätzlich in einem ähnlichen Spannungsfeld wie die FDP befinden sich auch die CVP und die BDP. Hier ist jedoch der ordnungspolitische Widerstand gegen Klimamassnahmen innerhalb der Basis weniger stark. Ausserdem haben diese Parteien keinen markanten öffentlichen Kurswechsel vollzogen und stehen deshalb nicht derart im Spannungsfeld aller Emotionen. Wechselwähler FDP zu SVP 6 25 69 Aktuelle FDP Wähler 35 37 28 Wechselwähler FDP zu GLP 81 12 8 0 25 50 75 100 Anteil [%] Zu wenig Genau richtig Zu viel Abbildung 26: Haltung zur Klimapolitik der Parteien nach Wechselwähler-Typ. 27
4 SCHWERPUNKTTHEMA KLIMA Kurz vor den Wahlen scheint die für die Einheit der Partei anspruchsvolle und zugleich sehr sichtbare Positionierung der FDP in der Klimafrage eine negative Dynamik in Gang gesetzt zu haben. Gemäss dieser Wahlbefragung verliert der Freisinn Wähler an die SVP und in geringerem Mass auch an die Grünliberalen. Schaut man die Positionierung dieser Wechselwähler in der Klimafrage an, zeigt sich ein sehr klares Muster: 69 Prozent der Wechselwähler von der FDP zur SVP sind der Ansicht, die Parteien würden der Klimapolitik zu viel Beachtung schenken. Demgegenüber sind 80 Prozent der Wählenden, die von der FDP zur GLP wechseln, der Ansicht, dass die Parteien in dieser Frage zu wenig tun. Der Aufschwung des Klimathemas hat die FDP mitten zwischen den Fronten getrieben. Einen einfachen und eleganten Ausweg aus diesem Dilemma dürfte es kaum geben. 28
5 PROFIL DER PARTEIWÄHLERSCHAFTEN 5 Profil der Parteiwählerschaften Wer sind die Wählenden der einzelnen Parteien? Wie setzen sie sich nach de- mographischen und sozioökonomischen Kriterien zusammen? Wie sieht ihre ideologische Ausrichtung aus? In den folgenden Abschnitten wird das Profil der Parteiwählerschaften unter die Lupe genommen. Die sehr stabile Parteienstruktur in der Schweiz bringt es mit sich, dass sich bei der aktuellen Wahlabsicht auch in soziodemographischer Hinsicht vergleichsweise stabile Muster zeigen. Dennoch zeigen sich ein paar ungewohnte Zusammenhänge. 5.1 Demographie: Geschlecht und Alter Abbildung 27 zeigt, dass Frauen in der Tendenz etwas linker wählen als Männer. So wählen Frauen etwas häufiger Grüne oder SP als Männer. Demgegenüber wählen Frauen etwas weniger häufiger SVP. Während Männer etwa gleichhäufig Grüne und Grünliberale wählen, entscheiden sich Frauen doppelt so häufig für die Grünen. 30 29 26 20 20 Anteil [%] 17 16 15 13 10 11 11 8 8 6 3 0 BDP GLP Grüne CVP FDP SP SVP Mann Frau Abbildung 27: Wähleranteile gemäss aktueller Wahlabsicht; nach Geschlecht Sowohl die Grünen als auch die Grünliberalen sprechen gegenwärtig ein eher junges Publikum an. Ihr Wähleranteil ist bei den unter 26-Jährigen etwa doppelt so gross wie bei den über 65-Jährigen. Sowohl die SP als auch die FDP werden eher von älteren Personen gewählt. Noch deutliche zeigt sich dies bei der SVP: Die Wählerschaft der SVP ist eher älter strukturiert als die der anderen Parteien. Besonders die sehr jungen Wählenden sind sehr schwach vertreten. Die SVP scheint ihre spezielle Anziehungskraft auf junge Wählende, die sie in früheren 29
5 PROFIL DER PARTEIWÄHLERSCHAFTEN Jahren auszeichnete, etwas eingebüsst zu haben. Auch die CVP und die BDP werden tendenziell in den älteren Altersklassen häufiger gewählt. 30 29 28 24 20 20 20 Anteil [%] 19 18 18 17 16 14 14 13 12 10 11 11 11 10 9 9 8 7 6 4 3 0 BDP GLP Grüne CVP FDP SP SVP 18−25 26−45 46−65 > 65 Abbildung 28: Wähleranteile gemäss aktueller Wahlabsicht; nach Alter 5.2 Soziale Schichtung: Bildung und Einkommen Bildungsabschluss und Haushaltseinkommen bilden die beiden wichtigsten Merk- male der sozialen Schichtung. Die Auswertung der Profile der Wählerschaften zeigt dabei, dass diese beiden Merkmale innerhalb der einzelnen Parteiwähler- schaften sehr unterschiedlich verteilt sind. Abbildung 29 zeigt den bekannten Bildungsgraben bei der SVP. Insbesondere bei Personen mit Hochschulabschluss wird sie klar unterdurchschnittlich gewählt. Ihr Wähleranteil in dieser Bildungska- tegorie liegt mit 15 Prozent sogar unter dem der Grünen und deutlich hinter der SP und der FDP. In der Wählerschaft der Grünen und der GLP sind Personen mit höheren Bildungsabschlüssen deutlich übervertreten. Die FDP wird dagegen insbesondere von Wählenden in der tiefsten Bildungskategorie weniger gewählt, während die Verteilung bei CVP relativ flach ist. Die SP wird sowohl von Personen mit hohem als auch mit tiefen Bildungshintergrund vermehrt gewählt. 30
5 PROFIL DER PARTEIWÄHLERSCHAFTEN 40 30 32 26 Anteil [%] 20 20 19 19 18 17 16 15 13 10 12 11 10 10 10 8 9 6 3 0 BDP GLP Grüne CVP FDP SP SVP obgl. Schule / Berufsschule Höhere Berufsbildung, Mittelschule FH, Universität, ETH Abbildung 29: Wähleranteile gemäss aktueller Wahlabsicht; nach Bildungsabschluss Auch das Einkommen korreliert mit dem Wahlentscheid. Am deutlichsten zeigt sich dies bei der FDP, deren Wähleranteile sich mit steigender Einkommensklasse vergrössern. Bei Personen mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von über 12’000 Franken bildet die FDP mit einem Wähleranteil von 24 Prozent die klare Nummer eins. Auch die Grünliberalen werden in der höchsten Einkommensklasse häufiger gewählt als in den tieferen, bei der SP ist es gerade umgekehrt. Sie wird in der obersten Einkommensklasse weniger oft gewählt als in der untersten. Besonders stark geht die Schere zwischen Bildung und Einkommen bei den Grünen auseinander. Die Wählenden dieser Partei sind zwar überdurchschnittlich gebildet, viele von ihnen gehören jedoch auch zu der untersten Einkommensklasse. Dabei handelt es sich weniger um eine klassische Unterschicht, sondern eher um eine postmateriell orientierte Wählerschaft. Die Wählerschaft der SVP weist im Schnitt ein eher tiefes Bildungsniveau auf, was sich in der Einkommensverteilung widerspiegelt, allerdings nur in einem geringen Ausmass. abgeschwächter Form. Tiefere Einkommensschichten wählen eher SVP als höhere. 31
5 PROFIL DER PARTEIWÄHLERSCHAFTEN 30 29 26 25 24 24 20 21 20 Anteil [%] 18 16 13 14 14 12 10 10 11 11 10 11 9 8 8 8 6 5 3 0 BDP GLP Grüne CVP FDP SP SVP < 5000 CHF 5000 − 9000 CHF 9000 − 12000 CHF > 12000 CHF Abbildung 30: Wähleranteile gemäss aktueller Wahlabsicht; nach monatlichem Haushaltseinkommen 5.3 Wahlentscheid Auslandschweizer/-innen 30 27 25 20 Anteil [%] 19 18 15 13 14 14 10 11 11 7 6 0 BDP GLP Grüne CVP FDP SP SVP Auslandschweizer/in In der Schweiz wohnhaft Abbildung 31: Wähleranteile gemäss aktueller Wahlabsicht; Auslandschweizer/innen Im Vergleich zu in der Schweiz wohnhaften Teilnehmenden würden Ausland- schweizer und Auslandschweizerinnen deutlich grüner wählen: Sowohl die Grünen 32
5 PROFIL DER PARTEIWÄHLERSCHAFTEN als auch die GLP werden von dieser Gruppe im Vergleich präferiert. Im Ge- gensatz dazu erzielt die SVP bei den Auslandschweizern einen viel geringeren Wähleranteil (19 %). Bezüglich der FDP, der SP und der CVP sind die Anteile ausgeglichener. Insgesamt wird deutlich, dass die aktiven Stimmberechtigten, die ausserhalb der Schweiz wohnen, deutlich seltener nationalkonservativ denken als die Inlandschweizerinnen und -schweizer. 5.4 Selbstpositionierung im Links-rechts-Spektrum Die Teilnehmenden der Befragung wurden gebeten, sich selber im politischen Spektrum zwischen links und rechts einzuordnen. Abbildung 32 zeigt das politische Profil der Wählenden der einzelnen Parteien. Identisch ist gegenwärtig die Selbst- positionierung der Wählenden der Grünen und der SP. Im Spektrum zwischen links (-3) und rechts (+3) positioniert sich das Elektorat der beiden Parteien bei -1,6. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums ist die durchschnittliche SVP-Anhängerschaft minim weiter rechts positioniert und zwar bei 1,7. −1.6 SP −1.6 Grüne −0.6 GLP 0 BDP 0.1 CVP 0.7 FDP 1.7 SVP -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 Links Mitte Rechts Abbildung 32: Verteilung der Wählenden der Parteien im Links-rechts-Spektrum 33
5 PROFIL DER PARTEIWÄHLERSCHAFTEN Rechts der Mitte und doch deutlich weniger rechts als die Wählerschaft der SVP findet sich jene der FDP. Ihre mittlere Position liegt bei 0,7. Fast spiegelbildlich dazu, jedoch etwas stärker eingemittet, findet sich die durchschnittliche Position der Wählerschaft der Grünliberalen mit -0,6. Praktisch in der Mitte positionieren sich die typischen Wählenden von CVP und der BDP (0,1 resp. 0.0). 34
6 BUNDESRAT UND PARLAMENT IM URTEIL DER STIMMBERECHTIGTEN 6 Bundesrat und Parlament im Urteil der Stimm- berechtigten Der Bundesrat ist mit zwei neuen Mitgliedern ins Wahljahr gestartet. Wie schätzen die Stimmberechtigten die Machtverhältnisse im Bundesrat ein, und wie sieht es aus mit den Sympathiewerten der Mitglieder der Exekutive? Neben der Beurteilung der einzelnen Bundesratsmitglieder geht es in den folgenden Abschnitten um die Einschätzung der politischen Ausrichtung von Bundesrat und Parlament. 6.1 Wahrgenommener Einfluss der Bundesratsmitglieder Karin Keller−Sutter −7 50 Alain Berset −9 46 Ueli Maurer −18 31 Simonetta Sommaruga −18 29 Viola Amherd −21 19 Ignazio Cassis −48 10 Guy Parmelin −67 −80 −40 0 40 80 Anteil [%] wenig Einfluss viel Einfluss Abbildung 33: Einschätzung des Einflusses der Bundesratsmitglieder Aus Sicht der Stimmberechtigten ist Karin Keller-Sutter (FDP), die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, die Bundesrätin mit dem grössten politischen Einfluss. 50 Prozent der Befragten zählen sie zu den zwei einflussreichsten Bundesratsmitgliedern, nur 7 Prozent zu jenen zwei mit dem ge- ringsten Einfluss. Seit ihrem Amtsantritt Anfang Jahr hat sie in der Einschätzung der Stimmberechtigten massiv an Einfluss gewonnen und liegt mittlerweile relativ klar vor Innenminister Alain Berset (SP). Dieser wird von 47 Prozent als einer der zwei einflussreichsten Bundesratsmitglieder eingestuft, zu Beginn des Jahres taten dies noch 56 Prozent. Am deutlichsten zurück geht der wahrgenommene Einfluss von Finanzminister Ueli Maurer (SVP). Nämlich von 51 Prozent Anfang Jahr auf aktuell 31 Prozent. Er liegt damit aktuell fast gleichauf mit Simonetta Sommaruga (SP), die von 29 Prozent als eine der einflussreichsten Mitglieder des Bundesrates eingeschätzt wird. Während Keller-Suter aus Sicht der Befragten einen Kaltstart im Bundesrat hingelegt hat, ändert sich nun zunehmend auch die Wahrnehmung der Rolle von Verteidigungsministerin Viola Amherd (CVP) 35
6 BUNDESRAT UND PARLAMENT IM URTEIL DER STIMMBERECHTIGTEN im Bundesrat. 19 Prozent zählen sie mittlerweile zum Kreis der besonders Ein- flussreichen. Sie überlässt somit die beiden letzten Plätze im Einfluss-Ranking mittlerweile klar Ignazio Cassis (FDP) und Guy Parmelin (SVP). 56 51 50 51 50 Karin Keller−Sutter 49 47 46 Alain Berset 43 40 39 37 35 34 Anteil [%] 31 Ueli Maurer 30 29 29 Simonetta Sommaruga 24 20 19 Viola Amherd 14 14 13 12 10 10 Ignazio Cassis 8 5 4 4 5 4 Guy Parmelin Sept. 2019 Feb. 2019 Okt. 2019 Juni 2019 Abbildung 34: Einschätzung, welche Bundesratsmitglieder viel Einfluss haben – Zeitvergleich. Das Einfluss-Ranking der einzelnen Parteianhängerschaften zeigt, dass sich die Einschätzung im politischen Spektrum nicht grundlegend unterscheidet. So schrei- ben auch die Wählenden der FDP Ignazio Cassis nur unterdurchschnittlichen Einfluss zu und auch die SVP-Basis zählt Guy Parmelin zu den Bundesräten mit dem geringsten Einfluss. Karin Keller-Sutter belegt bei den Wählerschaften aller Bundesratsparteien entweder den ersten oder den zweiten Platz. Alain Berset ist überall mindestens auf Platz drei. 36
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