Stadt blick 22 - Metropolitanraum Zürich - Stadt Zürich

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Stadt blick 22 - Metropolitanraum Zürich - Stadt Zürich
Stadt
blick
22
September 2010

Metropolitanraum Zürich
    Vom statistischen zum politischen Raum
≥

    Zahnloser Tiger oder Zukunftsversprechen?
≥

    Visionen für den Metropolitanraum
≥

    Metropolitan handeln, lokal denken
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Stadt blick 22 - Metropolitanraum Zürich - Stadt Zürich
METROPOLITANRAUM ZÜRICH

 3   Editorial
 4   Vom statistischen zum politischen Raum
 5   Standpunkt der Stadtpräsidentin
 8   Zahnloser Tiger oder Zukunftsversprechen?
12   Metropolitanraum, beforscht
14   Aargau: Nordschweizer Brückenbauer für zwei Metropolitanräume
16   Visionen für den Metropolitanraum
18   Metropolitan handeln, lokal denken

     AKTUELL

21   Welcome Desk – willkommen in Zürich
22   World Expo 2010: zwischen Tradition und Moderne
26   Gewerbefreundliche Stadt: ein Blick nach München
28   Kreativwirtschaft: Trendwende geschafft

30   Kurz und bündig

     Impressum

     Kontakt: Stadt- und Quartierentwicklung, Telefon 044 412 36 63; Integrationsförderung,
     Telefon 044 412 37 37; Wirtschaftsförderung, Telefon 044 412 36 33; Aussenbeziehungen,
     Telefon 044 412 36 63 Redaktion: Orlando Eberle, Erika Sommer Lektorat/Produktion:
     Martin Grether, Techkomm, Zürich Korrektorat: Heike Burkard, Rorbas Druck: Lenggenhager
     Druck, Zürich Auflage: 2100 Exemplare Fotos: Umschlag vorne, S. 29: Christine Bärlocher;
     Umschlag hinten, links, S. 18: Amt für Städtebau; Umschlag hinten, rechts: Rapperswil Tourism;
     S. 9: Thurgau Tourismus, swiss-image.ch/Christian Perret; S. 10: Max Häberli; S. 12: ETH-Studio
     Basel/Zürcher Handelskammer; S. 13: Ursina Meyer, Digicom/S5-Stadt-Projekt; S. 14: Jiri Vurma;
     S. 17, oben ganz rechts: Werner Schelbert; S. 22: Sandra Christeller; S. 23 u. 25: Peter Erni;
     S. 24: Iwan Baan, Swiss Pavilion 2010; S. 26: MGH – Münchner Gewerbehof- und Technologie-
     zentrumsgesellschaft mbH; S. 30, oben: Dominique Meienberg; S. 30, Mitte: Gigon/Guyer
     Architekten; S. 31, oben: Standing Ovation GmbH; S. 31, unten: Markus Graf; übrige Fotos:
     Stadtentwicklung oder zur Verfügung gestellt.

     Nachdruck mit Quellenangabe erlaubt.
Stadt blick 22 - Metropolitanraum Zürich - Stadt Zürich
EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser
Weshalb befasst sich der «Stadtblick» mit dem Metropolitan-
raum Zürich und dessen oberstem Gremium, der Metropoli-
tankonferenz? Nun, Zürich gibt diesem Raum nicht nur den
Namen, sondern ist auch sein Nukleus, eben die Kernstadt.
Nicht mehr nur einer Agglomeration, sondern eines Raums,
der in acht Kantone hineinreicht. Mehr Fakten zum Metropoli-
tanraum und zur Metropolitankonferenz erfahren Sie im Artikel
des Geschäftsführers.                                             Brigit Wehrli-Schindler,
Allen Unkenrufen zum Trotz lässt sich in der Schweiz doch         Direktorin Stadtentwicklung Zürich

einiges bewegen. Noch ist es keine fünf Jahre her, dass wir
zusammen mit dem Gemeindeamt des Kantons Zürich eine
Studie zur Verbesserung der horizontalen und vertikalen Zu-
sammenarbeit im Grossraum Zürich in Auftrag gaben. Damit
war ein erster kleiner Grundstein zur Metropolitankonferenz
gelegt. Kantonale und kommunale Exekutiven diskutierten in
der Folge die Resultate dieser Studie in breiten Foren. Und
schneller, als wir dachten, hatten alle Feuer gefangen, und nur
vier Jahre später, im Juli 2009, wurde der Verein Metropolitan-
raum in Frauenfeld aus der Taufe gehoben. Wie Sie dem Inter-
view entnehmen können, glauben zwar noch nicht alle Städte
im Wirtschaftsraum Zürich im selben Mass an dessen Nutzen.
Die Mitglieder des Metrorats hingegen formulieren dazu visio-
näre Bilder. Die neue Institution muss sich nun einmal bewäh-
ren und macht sicher noch einige Kinderkrankheiten durch,
bis sie dann ganz erwachsen ist.
Es bewegt sich auch etwas in der Zusammenarbeit zwischen
den Städten. Zürich positioniert sich an der Weltausstellung in
Shanghai in einem Städtepavillon zusammen mit Basel und
Genf. Eine sehr angenehme und erfolgreiche Zusammenarbeit
über den Jura und über den «Röstigraben» hinweg! Mehr über
das gemeinsame Produkt und den Betrieb in Shanghai im Be-
richt unseres Städtedelegierten vor Ort.
Ich wünsche Ihnen viel Spass beim Lesen und hoffe, unser
Heft trägt dazu bei, dass Sie die neuen Formen der Zusammen-
arbeit in unserem Land wahrnehmen und sich ein Bild des
Metropolitanraums Zürich machen können. Dieser reicht, wie
Sie lesen können, sogar bis ins Muotatal.

                                                                                                  3
Stadt blick 22 - Metropolitanraum Zürich - Stadt Zürich
METROPOLITANRAUM ZÜRICH

Vom statistischen zum
politischen Raum
                                                                    HSSchaffhausen
                                                                   SH
                                                                      use
                                                                 Neuhausen
                                                                       nfa
                                                                am Rheinfall
                                                                                   Flurlingen

                                                                                                       Herdern
                                                                                            Hüttwilen     Pfyn Müllheim
                                                                                          Neunforn Felben-Wellhausen
                                                                                  Henggart
                                                                                             Gachnang
                                                                                                      Frauenfeld Hüttlingen
                                                                                                                        gen       TG
                                                                                                             Thundorf
                                      Würenlingen                 Bülach           Winterthur Bertschikon Matzingen n
                                                                                                             Stettfurt
                                                                                                                  furt
                                   Brugg
                            AG
                                                Ennetbaden                                                   Aadorff
                                                          Wettingen            Nürensdorf
                                           Baden Würenlos                Kloten
                                                                     Rümlang Bassersdorf
                                             Neuenhof Dällikon Regensdorf                                                              St. Gallen

                           Aarau
                                            Spreitenbach Dietikon
                                                                                Dietlikon Lindau
                                                                      Opfikon Wallisellen
                                                                          Dübendorf Wangen-        ZH
                                                     Bellikon       Schlieren          Brüttisellen
                                                               Uitikon       ZÜRICH            Fehraltorf
                                                                          Zollikon Zumikon Uster
                                                                 Stallikon                                Bäretswil
                                                                Adliswil       Küsnacht (ZH)
                                                           Bonstetten Erlenbach (ZH) Mönchaltorf Hinwil
                                                        Affoltern Langnau Thalwil      Herrliberg
                                                                                                  Oetwil           Goldingen
                                                                                                                          en
                                                        am Albis am Albis                         am See
                                                                       Oberrieden Männedorf                  Eschenbach
                                                                              Horgen          Stäfa         Rapperswil-Jona
                                                                             Wädenswil           Freienbach       Uznach Kaltbrunn
                                                              Cham Baar Hirzel Richterswil
                                                                                                                                       SG
                                                          Steinhausen Neuheim                                  Lachen
                                                                        Zug Schönenberg    Wollerau                         Schänis
                                                           Hünenberg                                  Altendorf
                                                                                       Hütten                       en
                                                                                                             Galgenen
                                                                             Menzingen
                                                       Root
                                                              Risch
                                                                     ZG
                                                                     Walchwil
                                                                                   Oberägeri
                                                 EEmmen Buchrain             Unterägeri      Einsiedeln
                                                   Ebikon
                             LU
                                                                                      Sattel
                                                                                Steinen            Unteriberg
                                            Luzern
                                             uze                           Arth
                                                                                      Schwyz
                                                                        Ingenbohl-Brunnen
                                                                                                     SZ
                                              Kriens
                                                                                              Illgau
                                                                                   Morschach
                                                                                                     Muotathal

                                                              Vollmitglieder des Vereins Metropolitanraum Zürich
                                                                    Gemeinde                              Kanton                       Heutige «Grenze» des Vereins

                                                              Assoziierte Mitglieder sind nicht dargestellt
                                                              Quelle: Stadt Zürich, Stadtentwicklung, Juli 2010
                                                              © BFS, ThemaKart – Neuchâtel 2009

                       Im Verein Metropolitanraum                                                                    Agglomerationen und rund 220 Städten und Ge-

                       Zürich arbeiten acht Kantone                                                                  meinden in sieben Kantonen. Zum anderen handelt
                                                                                                                     es sich um ein funktional stark verflochtenes Gebiet,
                       und über hundert Städte und                                                                   das über den statistischen Perimeter hinausgeht.
                       Gemeinden auf politischer                                                                     Bereits heute umfasst das Gebiet rund 1,9 Mio. Ein-
                       Ebene über die Grenzen hinweg                                                                 wohnerinnen und Einwohner (26 Prozent der Schweiz)
                                                                                                                     sowie 900 000 Arbeitsplätze (29 Prozent der Schweiz).
                       eng zusammen. Sie tragen                                                                      Entsprechend gross ist sein demografisches und
                       gemeinsam dazu bei, die                                                                       wirtschaftliches Potenzial.
                       Lebensqualität in diesem Raum
                                                                                                                     Verein Metropolitanraum Zürich
                       langfristig zu sichern und die
                                                                                                                     Seit einigen Jahren steht der Metropolitanraum
                       Wettbewerbsfähigkeit zu ver-                                                                  Zürich nun auch auf der politischen Agenda. Im
                       bessern.                                                                                      Rahmen von bisher sieben Metropolitankonferenzen
                                                                                                                     sind Schritte für eine bessere Zusammenarbeit über
                       Der Metropolitanraum Zürich ist zum einen ein vom                                             die Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinweg gemacht
                       Bundesamt für Statistik definierter Raum mit zwölf                                            worden (siehe Kasten). Seit Juli 2009 koordiniert der

4     Stadtblick 22/2010
Stadt blick 22 - Metropolitanraum Zürich - Stadt Zürich
STANDPUNKT

Verein Metropolitanraum Zürich diese Aktivitäten.
Auslöser für den Aufbau des Vereins war die Er-
                                                          Living apart,
kenntnis, dass sich die urbanen Gebiete der Schweiz       working together
räumlich, wirtschaftlich und gesellschaftlich stark
verändert haben, ohne dass die föderalen Politik-
strukturen damit Schritt gehalten hätten. Hinzu kommt,    Fast zwei Millionen Menschen wohnen
dass urbane Gebiete trotz ihrer Bedeutung für die         im Grossraum Zürich, 40 Prozent des
Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz strukturell be-          BIP werden hier erwirtschaftet. Gerade
nachteiligt sind (Stichwort Ständemehr). Deshalb          weil die Schweiz (immer noch) kleinteilig
sollen die Zusammenarbeits- und Entscheidungs-            strukturiert ist, ist Zusammenarbeit über
strukturen zwischen Kantonen, Städten und Gemein-         die Gemeinde- und Kantonsgrenzen hin-
den im Metropolitanraum Zürich optimiert werden.          weg eine Notwendigkeit. Wie anders
Mit dieser Absicht steht der Metropolitanraum Zürich      könnte der Grossraum Zürich im Wettbe-
im Übrigen nicht alleine da. Auch in Basel, Bern und      werb mit mehrfach grösseren Regionen
anderen Regionen sind ähnliche Bestrebungen im            wie der Lombardei oder dem Grossraum
Gange. Beim Metropolitanraum Zürich ist indes             München bestehen? Nicht Städte stehen
seine Position in Europa hervorzuheben: Er zählt zu       in einer globalisierten Wirtschaft im
den 16 wichtigsten europäischen Wachstumsmoto-            Wettbewerb zueinander, sondern ganze
ren und steht in direkter Konkurrenz mit Amsterdam,       Stadtregionen. Der Erfolg der gesamten
Brüssel, Berlin, München, Wien, Mailand und ande-         Region Zürich kann auf Dauer nur mit
ren Grossagglomerationen.                                 einer sinnvollen strategischen Zusammen-
                                                          arbeit zwischen ihren einzelnen Teilräu-
Mehr als ein statistischer Raum                           men aufrechterhalten werden.
Ein zentrales Anliegen des Vereins ist es, den            Im Grossraum Zürich gibt es bereits eine
Metropolitanraum grundlegender zu denken und zu           Vielfalt von unterschiedlichen Plattformen
lenken. Aus dieser Sicht ist der Metropolitanraum         der regionalen und überregionalen Zu-
Zürich nicht einfach eine statistische Grösse, son-       sammenarbeit. Einen wichtigen neuen
dern ein vielfältiger und funkional-räumlich zusam-       Meilenstein setzte die Gründung des
menhängender Raum.                                        Vereins Metropolitanraum Zürich im
– Gemeinsamer Identitäts- und Interessenraum: Das         Sommer 2009. Die ersten gemeinsamen
   wohl wichtigste Kriterium ist die politische Bereit-   Projekte sind lanciert und werden nun
   schaft, die am 3. Juli 2009 an der Gründungsver-       umgesetzt. Ich bin zuversichtlich, dass
   sammlung verabschiedete «Vision für den Metro-         ihnen Erfolg beschieden sein wird. Was
   politanraum Zürich» mitzutragen und einen Bei-         ich in den letzten Monaten als Mitglied
   trag zur Umsetzung zu leisten. Gemäss dieser           des Metropolitanrats miterleben konnte,
   Vision setzt sich der Verein für eine exzellente       hat mich beeindruckt. Es ist ein fester
   Wettbewerbsfähigkeit, eine ausgezeichnete Le-          Wille spürbar, Herausforderungen und
   bensqualität und eine bereichernde Vielfalt im         Probleme gemeinsam anzugehen und
   gemeinsamen Metropolitanraum ein.                      dies in einer sehr effizienten und erstaun-
– Gemeinsamer Mobilitätsraum: Regionen, Städte            lich unbürokratischen Weise. Dies ist
   und Gemeinden verfügen über direkte Verkehrsver-       angesichts der Tatsache, dass im Verein
   bindungen mit den Zentren des Metropolitanraums        Metropolitanraum Zürich gleichberech-
   Zürich. Sie möchten diese optimieren, weil das         tigt auf zwei verschiedenen Staatsebenen
   Pendleraufkommen in Richtung Metropolitanraum          zusammengearbeitet wird, nicht selbst-
   Zürich höher ist als in andere Regionen. Haupt-        verständlich.
   bahnhöfe und Flughafen im Metropolitanraum
   Zürich sind die wichtigsten Verkehrsdrehscheiben
   für nationale und internationale Fernreisen.
– Gemeinsamer Bildungs- und Wirtschaftsraum:
   Die Bildungs- und Dienstleistungsangebote wei-
   sen grosse Synergien auf. Sie werden von Be-
   völkerung und Wirtschaft über die Kantons-
   grenzen hinweg genutzt. Auch gibt es erkennba-
   re wirtschaftliche Standortverflechtungen.
– Gemeinsamer Siedlungs- und Lebensraum: Kan-
   tone, Städte und Gemeinden arbeiten bereits            Corine Mauch, Stadtpräsidentin

                                                                                                     5
Stadt blick 22 - Metropolitanraum Zürich - Stadt Zürich
METROPOLITANRAUM ZÜRICH

                          KANTONE                                        STÄDTE/GEMEINDEN
     ZH      SH     ZG     SG      TG       SZ     LU     AG

                   entsenden je 1 VertreterIn                  entsenden je 1 VertreterIn

                                     METROPOLITANKONFERENZ
    REVISIONS-         wählt
                                  Kantonskammer              Städte-/
      STELLE                                              Gemeindekammer
                                                                                             ARBEITSGRUPPEN
                                                 wählt Präsidium
                                                                                                AG Wirtscha
                               besmmt Vertreter                   wählt Vertreter

                                                                                                 AG Verkehr
    OPERATIVER         wählt                                                         setzt
    AUSSCHUSS                               METROPOLITANRAT                          ein
                                                                                               AG Gesellscha

                                                   setzt ein
                                                                                               AG Lebensraum

                                            GESCHÄFTSSTELLE

Organigramm des Vereins Metropolitanraum Zürich.

                               heute auf regionaler Stufe eng zusammen und                    Handlungsfelder und konkrete Projekte
                               wollen diese Zusammenarbeit mit Blick auf die                  Die Metropolitankonferenz hat beschlossen, in den
                               metropolitanen Herausforderungen stärken (zum                  vier Handlungsfeldern Verkehr, Lebensraum, Wirt-
                               Beispiel Abstimmung Siedlung/Verkehr, Lebens-                  schaft und Gesellschaft konkrete Projekte umzuset-
                               qualität).                                                     zen, die von den Kantonen, Städten und grösseren
                           – Gemeinsamer Kulturraum: Kantone, Städte und                      Gemeinden gemeinsam finanziert werden. Für jedes
                               Gemeinden verfügen über gemeinsame gesell-                     Projekt ist eine verantwortliche Projektleitung und
                               schaftliche und kulturelle Identitäten und wollen              ein breit zusammengesetzter Echoraum eingesetzt
                               diese weiter stärken. Dazu arbeiten sie u. a. bei              worden. Im Vordergrund steht der Nutzen für den
                               kulturellen Einrichtungen zusammen.                            Metropolitanraum als Ganzes.
                           – Gemeinsamer politischer Raum: Seit Juli 2009 ist                 Im Handlungsfeld Verkehr ist das Projekt zur Identi-
                               der Metropolitanraum Zürich ein Verein, beste-                 fizierung und Förderung von Schlüsselvorhaben zwi-
                               hend aus acht Kantonen und rund 110 Städten                    schen den Zentren im Metropolitanraum und für die
                               und Gemeinden. Die Metropolitankonferenz ist                   bessere Anbindung an andere Metropolitanräume
                               das oberste Organ. Darin üben die Vertreterinnen               weit fortgeschritten. Fünf gemäss sachlichen Krite-
                               und Vertreter der kantonalen und kommunalen                    rien priorisierte Bahnprojekte sind verabschiedet, die
                               Exekutivbehörden ihre gewichtete Stimmkraft aus                Ergänzung durch Strassenprojekte folgt. Der Metro-
                               (1 Stimme pro 4000 Einwohner plus eine Basis-                  politanrat wird auf Bundesebene für diese Projekte
                               stimme). Das politische Steuerungsgremium ist                  lobbyieren. Ein zweites Projekt betrifft die Identifika-
                               der Metropolitanrat, der sich aus den acht Mit-                tion und Förderung von Schlüsselvorhaben in urba-
                               gliedern der Kantonskammer und acht Vertrete-                  nen Kerngebieten.
                               rinnen und Vertretern der Städte-/Gemeindekam-                 Im Handlungsfeld Lebensraum stehen zwei Projekte
                               mer zusammensetzt. Total verfügen die Kantons-                 im Vordergrund: Beim einen Projekt geht es um die
                               und die Städte-/Gemeindekammer derzeit über je                 Schaffung von Vorstellungen zu den räumlichen Ent-
                               456 Stimmen. Die noch jungen Erfahrungen zei-                  wicklungsmöglichkeiten. Im Vordergrund stehen die
                               gen, dass die Partner eine erstaunlich grosse                  Koordination von Siedlungsentwicklung und Ver-
                               Handlungsbereitschaft aufweisen: Erstens wurde                 kehrsplanung sowie Massnahmen für eine flächen-
                               der Verein innert kurzer Zeit aufgebaut. Zweitens              sparende Siedlungsentwicklung. In einem ersten
                               wird konstruktiv und im Interesse des gesamten                 Schritt werden in einer Testplanung Bilder und Ideen
                               Raums zusammengearbeitet und entschieden.                      generiert, um daraus die Eckpunkte eines gemeinsa-

6         Stadtblick 22/2010
Stadt blick 22 - Metropolitanraum Zürich - Stadt Zürich
men Raumentwicklungskonzepts ableiten zu können.            2005
Das zweite Projekt widmet sich der Identifikation           Grundlagenstudie «Strukturen für eine bessere Zusam-
und Förderung von Naherholungsräumen im ganzen              menarbeit im Wirtschaftsraum Zürich» mit den Hand-

Metropolitanraum.                                           lungsempfehlungen Interkommunal- und Metropolitan-
                                                            konferenzen.
Im Handlungsfeld Wirtschaft steht die Stärkung des
Arbeitsmarkts, des Bildungsstandorts und des Wis-
                                                            2006
senstransfers im Vordergrund. Um sich national wie
                                                            «Geist von Winterthur» – Strategieworkshop und
international profilieren zu können, hat sich die Metro-
                                                            Ergebniskonferenz in Winterthur mit Entscheid zu
politankonferenz darauf geeinigt, dass der Metropo-         Pilotprojekten.
litanraum künftig eine «Green Region» werden soll.
Dazu gehört die Steigerung der Standortattraktivität        2007
für Cleantech-Unternehmen, eine Stärkung der ent-           22. Mai: 1. Metropolitankonferenz in Rapperswil-Jona
sprechenden Forschungs- und Bildungsaktivitäten             mit Diskussion und Abstimmung über künftige Schwer-
sowie die Sicherstellung der im internationalen Ver-        punktthemen.
gleich als hoch eingestuften Lebensqualität. Die so         6. November: 2. Metropolitankonferenz in Zug mit

verstandene Standortqualität soll sich u. a. durch eine     Diskussion und Abstimmung über Porträt, Charta und
                                                            erste konkrete Projekte.
hohe Zahl an Minergiebauten, gemeinsame Förder-
standards im Gebäudebereich und möglichst viele
                                                            2008
Energiestädte auszeichnen. Es werden auch konkrete
                                                            Charta für die Verbesserung der Zusammenarbeit im
Dienstleistungen für die Vereinsmitglieder entwickelt,
                                                            Metropolitanraum Zürich von sieben Kantonen und
so z. B. die Beratung von Gemeinden und KMU in              rund 70 Städten und Gemeinden unterzeichnet.
Fragen der Ökologie und Energieeffizienz.                   6. Mai: 3. Metropolitankonferenz in Zürich mit
Die Projekte im Handlungsfeld Gesellschaft haben            Verabschiedung des Porträts und Lancierung einer
eine Querschnittsfunktion. Zu Beginn geht es dabei          gemeinsamen Vision, der Organisationsform und der
um die bessere Einbindung und Vernetzung der klei-          Arbeitsgruppe Verkehr.
neren Städte und Gemeinden auf politischer und ge-          28. November: 4. Metropolitankonferenz in Schaff-
sellschaftlicher Ebene. Weiter sollen mit gezielten         hausen mit Diskussion und Abstimmung über die

Aktionen, wie Workshops, Ausstellungen oder einem           Vision und die Organisationsform.

Metrofest, die Wahrnehmung und die Identifikation
                                                            2009
mit dem Metropolitanraum Zürich gestärkt werden,
                                                            3. Juli: 5. Metropolitankonferenz und Gründungsver-
ohne dabei die als positiv wahrgenommene ge-
                                                            sammlung in Frauenfeld (8 Kantone, 65 Städte und
sellschaftliche und kulturelle Vielfalt preisgeben zu
                                                            Gemeinden) mit Verabschiedung der «Vision für den
müssen.                                                     Metropolitanraum Zürich», der Vereinsstatuten bzw.
                                                            Organisationsform und zweier konkreter Verkehrs-
Vom Experiment zum Modell der Zukunft                       projekte.
Noch ist der Verein Metropolitanraum Zürich ein Ex-         4. Dezember: 6. Metropolitankonferenz in Pfäffikon SZ
periment. Seine Resultate müssen evaluiert, seine           mit Verabschiedung des ersten Aktionsprogramms
Tätigkeiten entsprechend angepasst werden. Auch             sowie der Vereins- und Projektbudgets.
gilt es mögliche Spannungsfelder zu beachten, so
beispielsweise das Dilemma zwischen funktional              2010
                                                            7. Mai: 7. Metropolitankonferenz in Luzern mit Verab-
ausgerichteter Handlungsfähigkeit und den staats-
                                                            schiedung von fünf prioritären Bahnprojekten.
politischen Autonomie- und Demokratieansprüchen.
                                                            Mitgliederstand bei 8 Kantonen und 107 Städten und
Der Verein muss deshalb seine «Flughöhe» einhalten
                                                            Gemeinden sowie 11 assoziierten Institutionen (siehe
und darf weder regionale Egoismen noch politische
                                                            Karte).
Bevormundungen zulassen. Auch braucht es ein                5. November: 8. Metropolitankonferenz in Baden mit
Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen, ökologi-           Schwerpunkt Verkehr und Wirtschaft.
schen und sozialen Zielsetzungen. Können diese An-
sprüche erfüllt werden, ist der Verein auch ein Modell      2011/12
für andere Regionen der Schweiz.                            Nächste Metropolitankonferenzen in Zürich, Cham und
                                                            Winterthur.
Walter Schenkel, Dr. phil. I, synergo, Geschäftsführer
Verein Metropolitanraum Zürich

Weitere Informationen auf www.metropolitanraum-zuerich.ch

                                                                                                                    7
Stadt blick 22 - Metropolitanraum Zürich - Stadt Zürich
METROPOLITANRAUM ZÜRICH

Zahnloser Tiger oder
Zukunftsversprechen?
                                          Ein kontroverses Ge-                          und Visionen des Vereins nicht teilten –

                                          spräch mit Otto Müller,                       die Stadt Dietikon hat in ihrem Leitbild
                                                                                        grundsätzlich dieselben Ziele formuliert.
                                          Stadtpräsident von Dieti-                     Was uns hingegen weniger überzeugt,
                                          kon, und Carlo Parolari,                      ist die fehlende Verbindlichkeit bezie-
                                          Stadtammann von                               hungsweise die fehlende politische
                                                                                        Durchsetzungskraft des Vereins. Wir zie-
                                          Frauenfeld, über Sinn,                        hen es vor, unsere Kräfte dort einzuset-
                                          Nutzen und ideale Art                         zen, wo wir auf dem politischen Weg
Carlo Parolari                            der Zusammenarbeit                            wirklich etwas realisieren können. Ob
Stadtammann von Frauenfeld (seit
                                                                                        eine Organisation wie der Verein Metropo-
2005), Vorsteher der Abteilung            im Metropolitanraum
Zentralverwaltung und Finanzen                                                          litanraum Zürich dies kann, ist fraglich.
sowie der Abteilung Werkbetriebe.         Zürich.
Mitglied des Thurgauer Kantonsrats
                                                                                        Es ist interessant, dass ausgerechnet
(seit 2003), Vertreter der FDP.
                                          Herr Parolari, vor genau einem Jahr           im Kanton Zürich einige Gemeinden
                                          war die Gründungsversammlung des              so argumentieren und deshalb noch
                                          Vereins Metropolitanraum Zürich bei           nicht Mitglied sind. Gleichzeitig sind
                                          Ihnen in Frauenfeld. Was haben Sie            die Gemeinden am Rande des Metro-
                                          sich davon versprochen und was,               politanraums in den anderen Kantonen
                                          würden Sie sagen, hat der Verein bis-         fast vollständig mit dabei. Hängt das
                                          her für Sie gebracht?                         damit zusammen, dass eine Stadt wie
                                          Parolari: Versprochen habe ich mir eine       Dietikon, die mitten im Metropolitan-
                                          gewisse Öffnung über unsere Gemeinde-         raum liegt, davon ausgeht, dass sie
                                          und Kantonsgrenzen hinaus, damit wir in       auch ohne Mitgliedschaft profitieren
                                          diesem Lebensraum, der grösser ist als        kann? Städte wie Frauenfeld, Schaff-
                                          eine Gemeinde oder ein Kanton, zusam-         hausen oder Zug sehen es anders, da
Otto Müller                               men in den Dialog treten können. Seit         sie neu von aussen dazukommen.
Vollamtlicher Stadtpräsident von
                                          der Vereinsgründung hat sich das aus          Müller: Gut, vielleicht sind wir ja «Tritt-
Dietikon (seit 2006), betreut in dieser
Funktion als Ressortvorstand die          meiner Sicht schon zu einem erheblichen       brettfahrer». Ich habe natürlich Verständ-
Präsidial- und Tiefbauabteilung.          Teil verwirklicht. Die Tatsache, dass jetzt   nis für die Situation von Frauenfeld, das
Mitglied des Stadtrats seit 1998.
                                          Gespräche auch auf einer neuen Ebene,         nicht im Kanton Zürich liegt und daher
Präsident Standortförderung
Limmattal und der MRI Zentrum             nämlich zwischen Städten und Kantonen,        vielleicht einen engeren Austausch mit
Schlieren AG sowie der Planungs-          möglich sind, stellt für mich einen gros-     dem Wirtschaftsraum Zürich sucht. Wir
gruppe Limmattal. Mitglied der FDP.
                                          sen Schritt dar, um Probleme ausserhalb       sind der Ansicht, dass es bereits zahl-
                                          der bisherigen Strukturen anzugehen.          reiche andere Organisationen gibt, die
                                                                                        im Prinzip dieselben Ziele verfolgen wie
                                          Herr Müller, heute hat sich der Metro-        der Verein Metropolitanraum Zürich: zum
                                          politanrat getroffen, die «Exekutive»         Beispiel die Greater Zürich Area (GZA),
                                          des Vereins Metropolitanraum Zürich.          die Planungsgruppe Limmattal oder
                                          Eine Gelegenheit also für Gespräche,          unsere Standortförderung Limmattal. Wir
                                          Vernetzungen. Reut es Sie nicht, dass         sind der Meinung, dass wir in solchen
                                          Sie da nicht dabei sind?                      Strukturen besser an handfesten Proble-
                                          Müller: Nein. Es ist richtig, die Stadt       men arbeiten können.
                                          Dietikon ist nicht Mitglied des Vereins       Parolari: Ich sehe in der Beteiligung am
                                          Metropolitanraum Zürich, und wir wer-         Metropolitanraum Zürich eine grosse
                                          den vorerst auch nicht beitreten. Das         Chance, die man ergreifen muss. Wenn
                                          liegt aber nicht daran, dass wir die Ziele    man nicht mitmacht, dann entscheiden

8        Stadtblick 22/2010
Stadt blick 22 - Metropolitanraum Zürich - Stadt Zürich
Bis an die Thur: Feuer und Flamme für den Metroraum.

andere über einen. In einem Punkt bin              Müller: Aber schauen Sie, das sind doch      dieser Standortförderung Limmattal
ich anderer Meinung als Sie: Der Kanton            Gremien, die keine politische Legitima-      nicht mitmachen will, weil ihr das zu
Thurgau ist beispielsweise nicht Mitglied          tion haben. Sie können zusammensitzen        lokal ausgerichtet sei. Sie sind inter-
der GZA, und ich selber habe mich                  und Probleme miteinander diskutieren,        essiert an der Achse Zürich–Baden,
immer vehement dafür eingesetzt, dass              das ist gut, aber sie haben keinen politi-   an der Beziehung zur Kernstadt. In
mindestens wir als der westliche Kantons-          schen Hintergrund.                           der internationalen Wahrnehmung
teil, der ganz klar nach Zürich orientiert                                                      gibt es einfach den Wirtschaftsraum
ist, beitreten könnten. Aber jetzt, mit dem        Kann denn nicht auch ein Know-how-           Zürich. Mit dem Projekt «Zürich –
Aufkommen des Metropolitanraums,                   Austausch wichtig sein?                      Green Region» will man Qualitäten des
musste ich mir sagen, dass dieser einen            Müller: Ja, das stimmt, und das machen       Raums erarbeiten, die wahrscheinlich
viel breiteren Ansatz verfolgt als die GZA,        wir ja bereits. Im Limmattal und im Kan-     auch jeder einzelnen Gemeinde im
die – grob gesagt – eine reine Ansied-             ton Zürich bestehen Zusammenschlüsse         Raum nützen. Wenn Sie hingegen
lungsmaschine ist. Der Metropolitanraum            der Gemeinden, zum Beispiel auf regio-       eine regionale Standortförderung
ist nicht nur auf internationale Ansied-           naler Ebene. Man kann natürlich einfach      haben, interessiert das ausserhalb
lungen ausgerichtet, sondern ist viel-             zusammensitzen und sich austauschen          des Raumes – provokativ gesagt –
schichtiger. Das scheint mir die richtige          – das ist wertvoll, aber um dann auch        wahrscheinlich niemanden.
Stossrichtung zu sein. Sehr wichtig er-            etwas verwirklichen zu können, benötigt      Müller: Ja, aber wenn wir eine von hun-
scheint mir vor allem, dass wir ein Lobby-         man politische Legitimation, Einfluss-       dert Gemeinden sind in diesem Verein
inginstrument gegenüber Bern aufbauen              möglichkeiten. Wenn es in diese Rich-        Metropolitanraum, sind wir eine von
können. Gerade wir als Städte haben                tung gehen würde, fände ich das sehr         ganz vielen. Da wird doch eher auf den
eigentlich viel zu wenig Resonanz in               interessant. Unter diesen Voraussetzun-      Raum aufmerksam gemacht, aber nicht
Bern, und da ist es wichtig, ein Gefäss            gen könnten wir uns sicher auch vorstel-     auf die einzelnen Gemeinden. Und irgend-
zu schaffen, in dem wir als Städte zu-             len mitzumachen.                             wo müssen ja die Gemeinden auch für
sammen mit den Kantonen in Bern vor-                                                            sich schauen. Wenn sich jemand ansie-
stellig werden können. Das ist einer der           Sie haben vorher die Standortförde-          delt, zum Beispiel aus Amerika, dann
wesentlichen Gründe, warum ich für die-            rung Limmattal angesprochen. Inter-          kommt zuerst der Entscheid Irland oder
ses Projekt «Feuer und Flamme» bin.                essant ist, dass die Stadt Baden in          Schweiz und dann die Frage Grossraum

                                                                                                                                          9
Stadt blick 22 - Metropolitanraum Zürich - Stadt Zürich
Zürich oder Genf, zum Beispiel. Und da            tend im ganzen Metropolitanraum             von überzeugen, dass wir den Mut haben
spielt die Stadt Zürich vielleicht eine           statt. Der Kanton Thurgau wirbt mit         müssen, ganz klar zu sagen, dass wir
Rolle. Bei den Gemeinden ist entschei-            dem Slogan «in Zürich arbeiten, im          nach Zürich orientiert sind. Damit haben
dend, was gerade für ein Angebot an               Thurgau wohnen», und auch im                wir uns im Kanton nicht nur Freunde
wichtigen Liegenschaften vorhanden ist.           Limmattal wohnen viele Leute, die in        gemacht. Jene, die nach St. Gallen ori-
Parolari: Ich denke, es geht hier auch            Zürich arbeiten. Herr Parolari, wie         entiert sind, sehen das völlig anders.
nicht in erster Linie um die Ansiedlungs-         stark identifizieren sich Ihre Bürgerin-    Aber wirtschaftlich, wenn man die Pend-
frage. Sie haben vorhin Agglomerationen           nen und Bürger mit dem Metropolitan-        lerströme und die Wirtschaftsströme
angesprochen. Heute können Sie Ver-               raum Zürich? Es gibt im Kanton Thur-        anschaut, dann liegt es einfach auf der
kehrsprobleme ohne Agglomerations-                gau ja auch die Orientierung Richtung       Hand.
programm gar nicht mehr lösen, und ich            Bodensee.
bin felsenfest überzeugt, dass auf Stufe          Parolari: Der Thurgau ist vielleicht ein    Nicht nur der Kanton Thurgau, auch
Metropole oder Metropolitanraum etwas             Spezialfall: Wir haben kein eigentliches    der Kanton Aargau hat dieses Prob-
Ähnliches kommen wird. Der Bund wird              Zentrum, die Kantonshauptstadt ist im       lem, er ist zerrissen zwischen Zürich
irgendwann verlangen, dass die Metropo-           Westen, und unser Kanton wird eigent-       und Basel und wollte deshalb den
litanräume zur Problemlösung gemein-              lich durch eine Zentrifugalkraft etwas      Metropolitanraum Nordschweiz pro-
same Programme entwickeln müssen,                 auseinandergerissen. Der eine Teil ist      pagieren. Vielleicht müsste man die
um Bundessubventionen zu erhalten.                Richtung St. Gallen orientiert, ein Teil    politischen Strukturen den Siedlungs-
Und das ist für mich auch ein Grund               Richtung Norden, Kreuzlingen Richtung       und Pendlergegebenheiten anpassen?
dafür, dass man nicht einfach bei den             Konstanz und wir ganz klar Richtung         Vielleicht ist es langfristig denkbar,
Gemeindegrenzen aufhören darf.                    Zürich. Dies reisst unseren Kanton aus-     dass sich die kantonalen Strukturen
                                                  einander. Man hatte daher lange ver-        auflösen, weil sie funktional nicht
Sprechen wir einmal vom gewöhnli-                 sucht, die Euregio Bodensee aus der         mehr sinnvoll sind, und sich stattdes-
chen Alltag. Dieser findet immer mehr             Taufe zu heben, was aber gescheitert        sen die Metropolitanräume etablieren.
gemeinde- und kantonsüberschrei-                  ist. Ich konnte unseren Stadtrat dann da-   Wie sehen Sie das?

            Skepsis gegen den Metropolitanraum im Stadthaus von Dietikon.

10     Stadtblick 22/2010
Parolari: Das ist schon sehr visionär,        Müller: Bezüglich der kantonsübergrei-        hat und ob konkrete Resultate erreicht
und ich glaube in absehbarer Zeit nicht       fenden Zusammenarbeit gebe ich Ihnen          wurden. Für die Stadt Frauenfeld, muss
daran. Bei uns hat Alt-Regierungsrat          recht. Der Kanton Zürich überarbeitet         ich sagen, ist es nur schon ein Gewinn,
Hans-Peter Ruprecht einmal die Vision         gerade den Richtplan bis ins Jahr 2013,       in einem Gremium wie dem Metropolitan-
vom Kanton Ostschweiz in die Welt             das ist ganz entscheidend, und da sind        rat mitzumachen und auf dieser Ebene
gesetzt – diese Idee wurde in der Luft        die Planungsgruppen stark involviert.         mitdiskutieren zu können. Damit können
zerrissen. Das ist im Moment eine             Und das ist ein politischer Prozess, in       wir auch aus unserer Randsicht, als
Utopie, die man nicht wird realisieren        dem letztlich 180 Kantonsräte zu einem        Stadt am Rand dieser Agglomeration,
können. Ich bin ganz klar der Meinung,        Richtplan Ja oder Nein sagen müssen.          einen Input in die Exekutive des Vereins
dass wir zu kleine Organisationseinhei-       Das passiert jetzt, in drei Jahren sind die   einbringen, was vorher schlicht nicht
ten haben und dass gewisse Zusam-             Weichen gestellt. Da müssen Sie mir auf-      möglich war. Ich kann also dem Thurgau
menschlüsse unumgänglich sind. Den            zeigen, wie ein Verein Metropolitanraum       – in Abstimmung mit der Regierung –
Metropolitanraum als Organisations-           auf so einen entscheidenden Prozess           hier eine Stimme geben. Und das ist für
einheit zu sehen, ist jedoch etwas gar        einwirken kann.                               mich schon mal relativ viel. Jetzt geht es
hoch gegriffen.                               Parolari: Im Thurgau haben wir diese          vor allem darum, konkrete Projekte und
                                              Übung vor etwa drei Monaten gemacht           erste Resultate zu erreichen.
Herr Müller, Sie haben die mangelnde          und den ganzen Richtplan verabschiedet.       Müller: Klar, Sie sind ja eines von 16 Mit-
Verbindlichkeit im Verein Metropolitan-       Ich bin ja auch Kantonsrat im Kanton          gliedern des Metropolitanrates. Die Ge-
raum kritisiert. Nun sind da verschie-        Thurgau. Es hat aber niemand mit dem          meinden, die nicht dabei sind, treffen
dene konkrete Projekte gestartet              Kanton Zürich oder mit Nachbarkantonen        sich ja nur zweimal pro Jahr an der Kon-
worden. So ist man daran, Entwick-            Kontakt aufgenommen und sich überlegt,        ferenz. Wie kann sich denn dort eine
lungsbilder des Lebensraums zu erar-          wie das über die Kantonsgrenze hinaus         Gemeinde einbringen?
beiten. Daraus entsteht dann mögli-           aussehen könnte. Stattdessen gibt es          Parolari: Es gibt zum Beispiel gemäss
cherweise ein Raumkonzept für den             hier immer noch das «Gärtlidenken» jedes      Statuten die Möglichkeit, Unterverbände
Metropolitanraum. Im besten Fall ist          Kantons. Verkehrs- und Siedlungsprob-         zu gründen. Unsere Regionalplanungs-
das Raumkonzept so gut, dass es die           lematiken können Sie aber heute einfach       gruppen, das sind 16 Gemeinden mit
Richtplanung der Kantone beeinflusst          nicht mehr lösen, wenn Sie nur bis an         53 000 Einwohnern, haben sich zusam-
und zu einer sinnvollen Koordination          die Gemeinde- oder Kantonsgrenze              mengeschlossen, und ich darf diese im
beiträgt. Ein solches Projekt kann            denken.                                       Metropolitanrat vertreten. Ich vertrete
also schliesslich doch zu einer gewis-                                                      also nicht nur meine Stadt, sondern
sen Verbindlichkeit führen. Ist Ihnen         Herr Müller, was braucht es, damit die        eigentlich die ganze Region, die mir je-
das immer noch zu wenig?                      Stadt Dietikon im Verein Metropolitan-        weils an den Delegiertenversammlungen
Müller: Die RZU, bei der alle Planungs-       raum Zürich mitmacht?                         Aufträge erteilt und der ich aus dem
verbände dabei sind, macht ja genau das       Müller: Wir haben diese Entscheidung          Metropolitanrat berichte.
auf regionaler Ebene. Die Raumentwick-        vorerst einmal zurückgestellt. Es war ja,
lungskonzepte und all das, die Verdich-       wie schon gesagt, kein Entscheid gegen        Meine Herren, vielen Dank für das
tungsräume, das gibt es alles schon. Alle     diesen Verein im eigentlichen Sinne. Aus      Gespräch.
haben identische Visionen. Wir wollen alle    unserer Sicht müsste ein Nutzen ersicht-
mehr Lebensqualität, wir wollen den Wirt-     lich und die Abgrenzung zu den beste-
schaftsraum fördern, wir wollen gesell-       henden Organisationen klarer sein, das        Interview:
                                                                                            Brigit Wehrli-Schindler, Direktorin Stadtent-
schaftliche Fragen lösen, wollen den          fehlt noch etwas. Ein Nutzen könnte auch      wicklung Zürich
Verkehr in den Griff bekommen. Dafür          auf der konkreten Projektebene liegen.        Christina Wandeler, Projektleiterin Aussen-
                                                                                            beziehungen
braucht es politische Verbindlichkeit, eine
Durchsetzungsmöglichkeit, und das ist         Herr Parolari, worin liegt der Nutzen
das, was ich vorderhand nicht richtig         aus Ihrer Sicht?
sehe.                                         Parolari: Ich bin mit Ihnen einverstanden:
Parolari: Ich bin anderer Meinung. Auch       Man muss einen Nutzen sehen. Aber,
ohne rechtliche Durchsetzbarkeit kann         wenn von Anfang an immer jeder nur an
man Planung aufeinander abstimmen,            den Eigennutzen denkt, dann passiert
und das macht man im Moment nicht.            nie etwas. Darum sollte man vielleicht
Natürlich haben wir das auch innerhalb        auch ein gewisses Experiment, ein Wag-
einer Regionalplanungsgruppe, sogar           nis eingehen. Es ist klar, dass man nach
gemeindeübergreifende Siedlungs- und          einer Legislatur eine Zwischenbilanz zie-
Verkehrsrichtpläne, das kommt immer           hen und beurteilen muss, ob dieses Ge-
mehr. Aber kantonsübergreifend passiert       bilde mit Inhalt gefüllt werden konnte, ob
das nicht oder praktisch nicht.               dieser Raum eine Identität bekommen

                                                                                                                                            11
METROPOLITANRAUM ZÜRICH

Metropolitanraum,
beforscht
Der Metropolitanraum                        für die wirtschaftliche und gesellschaftli-   tanraums vor, entwirft das ETH-Studio

Zürich ist auch For-                        che Entwicklung der Schweiz zu stärken.       Basel ein städtebauliches Konzept, um
                                            Zwei aktuelle Forschungen rücken nun          die Kluft zwischen dem gelebten Funk-
schungsraum: Das Pro-                       den Metropolitanraum Zürich und sein          tional- und Wirtschaftsraum Zürich und
jekt S5-Stadt nimmt die                     Innenleben ins Zentrum.                       den überbrachten politischen Strukturen
Agglomeration an und                                                                      zu überwinden.
                                            Zürichsee als Projekt                         Ausgangspunkt der Überlegungen ist
für sich unter die Lupe,                    Wie gross darf Zürich sein, und wie kann      die Frage, wie der Zürichsee als «natürli-
während das ETH-Studio                      das immer noch vorherrschende klein-          che» Mitte des Ballungsraums Zürich
Basel den Zürichsee als                     räumliche Denken und Planen im Metro-         zum räumlichen und symbolischen
                                            politanraum Zürich überwunden werden?         Zentrum der Metropolitanregion werden
städtebauliches Projekt
                                            Diesen Fragen ging das ETH-Studio             könnte. Die Forschenden haben dabei
für die Metropolitan-                       Basel im Auftrag der Zürcher Handels-         die Gemeinden des linken Seeufers für
region propagiert.                          kammer nach und veröffentlichte diesen        ihre Betrachtung ausgewählt. Entlang
                                            Frühling unter dem Titel «Metropolitanre-     der Seestrasse – von Zürich bis Pfäffi-
                                            gion Zürich – Der Zürichsee als Projekt»      kon SZ – postulieren die Autoren die
Zum urbanen und metropolitanen Raum         die Untersuchungsergebnisse. Das              Schaffung eines kontinuierlichen, metro-
sind hierzulande in den letzten rund zehn   Projektteam unter der Leitung von Roger       politanen Stadtraums. Mit der Platzierung
Jahren verschiedene Forschungsarbei-        Diener und Marcel Meili versucht einen        von fünf Institutionen von metropolitaner
ten publiziert worden. Damit gelang es,     Perspektivenwechsel vorzunehmen.              Ausstrahlung (u. a. Kongresszentrum auf
im öffentlichen Bewusstsein die Bedeu-      Herrschte bislang eine politische und         der Halbinsel Au und Sportstadion im
tung der Städte und Metropolitanregionen    funktionale Betrachtung des Metropoli-        See) setzen sie städtebauliche Akzente.

12     Stadtblick 22/2010
Agglomeration im Zentrum                   Entwicklung sind gefragt. Immerhin lebt
Das vom ETH Wohnforum – ETH CASE           und arbeitet etwa die Hälfte der Men-
initiierte Forschungsprojekt «S5-Stadt.    schen in der Schweiz in Agglomeratio-
Agglomeration im Zentrum» befasst sich     nen. Das Projekt S5-Stadt will diese
mit einem anderen Teilgebiet des Metro-    Forschungslücke füllen.
politanraums Zürich: Rund 30 Forschen-     Der Titel des Forschungsprojekts sugge-
de aus fünf Hochschulen, zwei privaten     riert einen zusammenhängenden Stadt-
Planungs- und Forschungsbüros sowie        raum entlang der S5, die Forschungs-
einem in der Region verankerten Verein     ergebnisse relativieren dieses Bild aber.
haben den Raum entlang der Schnell-        Zwar ist entlang der S5 in den letzten
bahnlinie S5 vom Stadelhofen bis Pfäffi-   Jahrzehnten ein beinahe zusammenhän-
kon SZ beforscht. Agglomerationen sind     gender Siedlungsteppich entstanden, der
in der Schweiz noch wenig erforschte       auch funktional teilweise eng verflochten
Räume. Strategien für deren zukünftige     ist. Politisch und administrativ herrschen
                                           jedoch kommunal ausgerichtetes Denken
                                           und Handeln vor. Genauso wenig sehen
                                           sich die Menschen, die in diesem Raum         werden sie für ein wissenschaftlich inter-
                                           leben, einem S5-Stadtraum zugehörig.          essiertes Publikum als E-Book und etwas
                                           Die Forschenden sehen denn auch hier          später für die Bevölkerung als Buch mit
                                           den grössten Handlungsbedarf und plä-         dem Titel «AgglOasen» veröffentlicht.
                                           dieren für vermehrte Kooperation zwi-
                                           schen den Kommunen, insbesondere in           Umgang mit Teilräumen
                                           Fragen der Raumentwicklung. Sie emp-          Beide Forschungsarbeiten betrachten
                                           fehlen die Einrichtung von administrativ      nicht institutionalisierte Teilgebiete des
                                           übergeordneten Gremien und fordern            Metropolitanraums. Für den Verein
                                           nicht zuletzt eine aktive Kulturarbeit, die   Metropolitanraum könnten sich daraus
                                           dazu beitragen soll, gemeinsame Vor-          die Fragen ergeben, welche Bedeutung
                                           stellungen und Interessen zu entwickeln.      und Rolle in Zukunft Teilräume des
                                           Spannend ist dabei der Gedanke, die           Metropolitanraums haben und wie diese
                                           zukünftige räumliche Entwicklung einer        im laufenden Projekt «Entwicklungs-
                                           Agglomeration wie der S5-Stadt weniger        räume» (vgl. Artikel S. 4 ff.) berücksich-
                                           von der Siedlungsentwicklung her, son-        tigt werden können.
                                           dern von der Entwicklung (und dem
                                           Schutz) der Landschaft und der Natur-         Christina Wandeler, Projektleiterin Aussen-
                                                                                         beziehungen
                                           räume her zu denken.                          Orlando Eberle, Projektleiter Stadt- und
                                           Seit April 2010 werden die Forschungs-        Quartierentwicklung
                                           ergebnisse mit Veranstaltungen, Führun-
                                           gen und Aktionen einem breiteren Publi-       Weitere Informationen: www.studio-basel.com
                                           kum zugänglich gemacht. Im Herbst 2010        und www.s5-stadt.ch

                                                                                                                                       13
METROPOLITANRAUM ZÜRICH

Aargau: Nordschweizer Brückenbauer
für zwei Metropolitanräume

                         Im globalen Wettbewerb treten                          aber auch die beiden Metropolitanregionen Zürich
                                                                                und Basel politisch enger zusammenarbeiten – im
                         vorab wirtschaftliche Schlüssel-
                                                                                bereits bestehenden Wirtschaftsraum Nordschweiz.
                         räume gegeneinander an. Um                             Der Kanton Aargau als wirtschaftsstarkes Glied beider
                         in diesem Wettbewerb zu be-                            Metropolitanregionen setzt sich für eine enge Zu-
                         stehen, müssen auch die beiden                         sammenarbeit innerhalb dieses Wirtschaftsraums ein.

                         Metropolitanregionen Zürich                            Enge ökonomische Verflechtungen
                         und Basel enger zusammenar-                            Aufgrund seiner geografischen Lage ist der Aargau
                         beiten. Ein Diskussionsbeitrag.                        Partner der beiden vom Bundesamt für Statistik defi-
                                                                                nierten Metropolräume Zürich und Basel. Diese
                                                                                Verbindung zu den beiden städtisch geprägten
                         Die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Volks-   Räumen gilt es zu nutzen – und zu stärken. Bereits
                         wirtschaft hängt von der Wettbewerbsfähigkeit seiner   heute bestehen enge ökonomische Verflechtungen
                         Wirtschaftsräume ab. Mit der Gründung der Metro-       auf der Achse Zürich–Aargau–Basel. Die Finanz- und
                         politankonferenz Zürich im Juli 2009, dem Entscheid    Dienstleistungsunternehmen in Zürich sind eng ver-
                         zur Gründung einer Metropolitankonferenz Basel im      bunden mit den führenden Schweizer Industrieunter-
                         Juni 2010 sowie den Bestrebungen der Hauptstadt-       nehmen im Aargau und in Basel, zahlreiche an der
                         region Schweiz und des Arc Lémanique sind erste        ETH Zürich ausgebildete Ingenieure arbeiten heute
                         Weichenstellungen erfolgt. Um nachhaltig im inter-     in den Forschungsstätten bei der ABB und Alstom in
                         nationalen Standortwettbewerb zu bestehen, müssen      Baden und Birrfeld und vor den Toren Basels. Die

Pulsierendes Baden.

14      Stadtblick 22/2010
grossen Schweizer Pharma- und Chemiefirmen, wie
Novartis oder Syngenta, haben ihre administrativen
Sitze in der Stadt Basel und entwickeln neue Pro-
dukte in grossen Forschungsstätten im
aargauischen Teil des Fricktals. Und nicht zu
vergessen ist: In Zürich wird nicht nur
Sprüngli-Schokolade konsumiert, in den
Migros-Filialen, wie etwa am Zürcher Kreuz-
platz oder am Hauptbahnhof, werden eifrig
Frey-Schokoladen gekauft, die in der Nähe
der Kantonshauptstadt Aarau produziert wer-
den. Die enge Verflechtung zeigt sich auch bei
den Werktätigen: Zehntausende von Arbeitnehmen-
den pendeln täglich auf dieser Wirtschaftsachse von
Ost nach West und umgekehrt. Diese Achse bildet
denn auch den eigentlichen Kern eines ökonomi-
schen Faktums, des Wirtschaftsraums Nordschweiz.
Der Raum bildet eine zusammenhängende Wert-             Brückenbauer zur Nordschweiz
schöpfungskette.                                        Das vermehrte Denken und Handeln in Wirtschafts-
                                                        räumen zeigt sich auch im internationalen Umfeld:
Interessen des Wirtschaftsraums Nordschweiz             Im europäischen bzw. globalen Wettbewerb wird sich
gemeinsam vertreten                                     der Konkurrenzkampf in Zukunft zwischen Wirt-
Der Nordschweizer Wirtschaftsraum ist das ökono-        schaftsräumen wie etwa Greater London, Greater
mische Kraftwerk der Schweiz. Gegen 40% des             New York oder Rhein-Ruhr abspielen. Die Metropol-
Schweizer Volkseinkommens werden in der Nord-           räume Basel und Zürich erreichen je für sich allein
schweiz erwirtschaftet, fast die Hälfte der Schweizer   diese kritische Grösse für einen im internationalen
Exporte stammt aus diesem Raum. Als ökonomi-            Vergleich konkurrenzfähigen Denk- und Werkplatz
sches Gebilde besteht die Nordschweiz bereits, nun      nicht. Nur der Wirtschaftsraum Nordschweiz kann,
findet im politischen Diskurs auch sukzessive eine      insbesondere langfristig, in dieser Liga des globalen
Entwicklung statt, die nicht an den herkömmlichen       Wettlaufs mitspielen. Für die grossen Unternehmen
regionalen Abgrenzungen haltmacht. Dazu trägt           ist bereits heute der Wirtschaftsraum Nordschweiz
auch die Heranbildung von Metropolitankonferenzen       eine Realität und die verstärkte Zusammenarbeit in
bei. Definierte man vor zehn Jahren den politischen     dieser Region eine Notwendigkeit. Der Kanton Aar-
Aktionsraum noch vorwiegend innerhalb der eigenen       gau nimmt im Wirtschaftsraum Nordschweiz eine
Stadt- bzw. Kantonsgrenzen, agiert man heute inter-     starke interkantonale Stellung ein. Mit seiner konse-
kantonal vermehrt auch in Metropolitanräumen. Um        quenten Standortstrategie ist der Aargau beim jähr-
aber eine nachhaltige Wirkung gerade gegenüber          lich publizierten Standortqualitätsindikator der
den bundespolitischen Weichenstellungen erzielen        Credit Suisse 2010 neu auf Platz drei vorgerückt und
zu können, ist innerschweizerisch neben dem kanto-      befindet sich damit erstmals unter den drei attrak-
nalen und metropolitanen Lobbying auch eine Ab-         tivsten Wirtschaftsstandorten der Schweiz. Mit sei-
stimmung der kantonalen Positionen in Wirtschafts-      ner verkehrstechnischen Erreichbarkeit, der Verfüg-
räumen – in unserer Region dem Wirtschaftsraum          barkeit von hoch qualifizierten Fachkräften, der
Nordschweiz – notwendig. So reicht es kaum, wenn        moderaten Steuerbelastung und seinen dynami-
etwa die Metropolitanregion Zürich alleine für die      schen Hightech-Unternehmen bildet der Aargau die
Verkehrsinfrastrukturen in «Bundesbern» lobbyiert,      Brücke zur Region Nordschweiz für seine Partner in
da die Infrastrukturausbauten in «Zürich» den gleich-   den Metropolitanräumen Zürich und Basel.
zeitigen Ausbau in der Metropolitanregion Basel be-     Die Vision der Metropolitankonferenz Zürich nennt
dingen, um die Kapazitätszunahme bewältigen zu          die Zusammenarbeit mit anderen Metropolitanräu-
können. Und bei der Forschungspolitik, die vom          men (wie etwa dem Metropolitanraum Basel) sowie
Bund reguliert wird und die direkte Auswirkungen auf    die Stärkung der gemeinsamen Interessen in Gross-
zahlreiche Unternehmen im Raum Basel und Aargau         räumen (wie etwa im Raum Nordschweiz) als wichti-
hat, ist die Wirkung beschränkt, wenn nur die «For-     ge Herausforderung für die Zukunft. Der Aargau wird
schungskantone» Basel und Aargau ihre Anliegen          einen tatkräftigen Beitrag dazu leisten.
gegenüber «Bundesbern» darlegen. Erst vereinigt
mit «Zürich» verschaffen sie sich im parlamentari-      Peter Grünenfelder, Dr. oec., Staatsschreiber Kanton
                                                        Aargau
schen Prozess die notwendige Aufmerksamkeit.

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METROPOLITANRAUM ZÜRICH

Visionen für den
Metropolitanraum

Dr. Markus Notter, Regierungsrat   Dr. Urs Hofmann, Regierungsrat   Yvonne Schärli-Gerig,             Dr. Josef Keller, Regierungsrat
Kanton Zürich, Präsident des       Kanton Aargau                    Regierungsrätin Kanton Luzern     Kanton St. Gallen
Metropolitanrats

«Wir werden einer der wirt-        «Um mit dem globalen Wett-       «Der anfänglich eher techno-      «Es wird ein Raum sein, in
schaftsstärksten und kulturell     bewerb Schritt zu halten,        kratischen Metropolitankon-       dem (noch) bessere Verkehrs-
attraktivsten Metropolitan-        wird der Metropolitanraum        ferenz ist es gelungen, durch     verbindungen nach innen
räume Mitteleuropas sein.          Zürich in zehn Jahren als dy-    gute Kommunikation und            und nach aussen bestehen,
Noch immer ‹klein, aber fein›,     namischer Akteur die Zusam-      partizipative Projekte eine       Verbindungen, die dazu füh-
doch mit weit mehr politi-         menarbeit im grösseren Wirt-     gemeinsame Identität und          ren, dass mentale Grenzen
schem Gewicht in Bern und          schaftsraum Nordschweiz          übergreifendes Denken und         und ‹Gartenhäge› abgebaut
in Brüssel.»                       pflegen.»                        Handeln zu bewirken.»             werden und gemeinsame
                                                                                                      Interessen in den Vorder-
                                                                                                      grund rücken.»

Benedikt Würth, Stadtpräsident     Hans-Peter Hulliger, Präsident   Walter Bosshard, Stadtpräsident   Carlo Parolari, Stadtammann
Rapperswil-Jona, Vizepräsident     Gemeindepräsidentenverband       Bülach                            Frauenfeld
des Metropolitanrats               Kanton Zürich, Bäretswil

«Der Metropolitanraum              «Der Metropolitanraum soll       «Der Metroraum entwickelt         «Ich habe die Vision, dass
Zürich wird in zehn Jahren         die wirtschaftliche Zukunft      sich stetig. Über Gebiets-        die Kantone und Städte im
klarere Konturen haben. Er         und damit die hohe Lebens-       grenzen weg spielt er eine        Metropolitanraum Zürich im
wird nicht nur auf die klassi-     qualität in einem globalisier-   wichtige Rolle. Eine Symbio-      Jahr 2020 als Einheit auftre-
schen Themen der Siedlungs-        ten Umfeld sicherstellen. Der    se zwischen Verkehrser-           ten und ihre wichtigen Ver-
und Verkehrsentwicklung fo-        Raum besteht aus Städten         schliessung, Raumplanung,         kehrs-, Infrastruktur- und So-
kussieren, sondern sich auch       und Gemeinden. Die Gemein-       Naherholungsraum entsteht –       zialvorhaben koordinieren.»
in andern Schlüsselthemen          den sollten sich beteiligen,     koordiniert, gemeinsam.»
profilieren (Gesundheit, Bil-      um ihre Interessen einbringen
dung, Wirtschaft, Kultur). In      und davon auch Nutzen ziehen
der öffentlichen Wahrneh-          zu können. Gelingt diese ge-
mung wird er ein Player sein,      meinsame Interessensvertre-
dessen Stimme Beachtung            tung, wird der Metropolitan-
findet.»                           raum eine immer wichtigere
                                   Rolle spielen.»

16         Stadtblick 22/2010
Wo steht der Metropolitanraum Zürich in zehn Jahren?
Welche Rolle und Bedeutung wird er 2020 haben?

Antworten der Mitglieder des Metropolitanrats

Dr. Reto Dubach, Regierungsrat    Kurt Zibung, Regierungsrat       Dr. Jakob Stark, Regierungsrat     Dr. Matthias Michel,
Kanton Schaffhausen               Kanton Schwyz                    Kanton Thurgau                     Regierungsrat Kanton Zug

«Der Metropolitanraum Zürich      «Den Metropolitanraum stär-      «Im Jahre 2020 ist die Metro-      «Der Metropolitanraum ist für
hat sich als starker Wirt-        ken heisst gemeinsam an der      politankonferenz Zürich der        unsere Einwohnerinnen und
schafts- und Bildungsstand-       Zukunft bauen – bis 2020         Ansprechpartner für Fragen         Einwohner ein bereichernder
ort mit attraktivem Wohn-,        werden wir über ein solides      der Metropolitanregion             Lebensraum, für unsere
Freizeit- und Arbeitsumfeld       Fundament verfügen.»             Zürich. Sie ist Eigentümerin       Unternehmen ein vernetzter
national und international                                         des Flughafens Zürich. Die         Standort und für unser Land
positioniert und etabliert. Der                                    süddeutschen Landkreise            eine essenzielle Grösse in
Kanton Schaffhausen trägt zu                                       sind Mitglieder der Metropo-       der Entwicklung.»
diesem Erfolg des Gesamt-                                          litankonferenz und stehen
raums mit seinen spezifischen                                      voll und ganz hinter dem
Stärken bei.»                                                      Flughafen Zürich.»

Urs W. Studer, Stadtpräsident     Josef Bütler, Gemeindeammann     Ernst Wohlwend, Stadtpräsident     Corine Mauch, Stadtpräsidentin
Luzern                            Spreitenbach                     Winterthur                         Zürich

«Der Konkurrenzkampf inner-       «Unsere Bevölkerung hat den      «In unseren kleinräumigen          «In zehn Jahren wird die
halb des Metroraums ist dem       Metroraum so verinnerlicht,      Strukturen wird für eine erfolg-   Zusammenarbeit im Rahmen
Verständnis für geteilten         dass wir in den Ferien bei der   reiche gesellschaftliche und       der Metropolitankonferenz
Raum und gemeinsame               Frage nach unserer Herkunft      wirtschaftliche Entwicklung        Zürich eine Selbstverständ-
Lösungen gewichen. Unsere         neben der Schweiz und            die übergeordnete Sichtweise       lichkeit sein. Erste konkrete
Konkurrenten sollten nicht        unserem Wohnort auch zum         gefragt sein. Deshalb ist der      Projektergebnisse, zum Bei-
die Nachbarstädte und             Ausdruck bringen: ‹ Ich lebe     Metropolitanraum mit seinen        spiel ein gemeinsames Raum-
-kantone sein.»                   im Metroraum Zürich!›»           Entscheidungsträgern unver-        konzept, werden überzeu-
                                                                   zichtbares Steuerungsinstru-       gende Argumente für die
                                                                   ment.»                             Notwendigkeit der Zusam-
                                                                                                      menarbeit, den Nutzen und
                                                                                                      den Erfolg des Metropolitan-
                                                                                                      raums sein.»

                                                                                                                                      17
METROPOLITANRAUM ZÜRICH

Metropolitan handeln,
lokal denken

                       In unserem täglichen Verhalten                            fonischen Abstecher in den Kanton Aargau sind wir

                       ist der Metropolitanraum Reali-                           dieser Frage nachgegangen.

                       tät. Aber gibt es auch ein metro-                         Funktional: selbstverständlich
                       politanes Selbstverständnis?                              Eine Spontanumfrage auf unserer Reise zeigt, dass
                       Eine Spurensuche.                                         der Metropolitanraum Zürich den wenigsten Men-
                                                                                 schen ein Begriff ist. Zumeist ernten wir einen ratlosen
                                                                                 Blick. Der Einzige, der schon davon gehört hat, ent-
                       Der Grossraum Zürich hat sich in den letzten Jahr-        gegnet: «Der Metropolitanraum Zürich ist eine Kopf-
                       zehnten von einer Kernstadt mit Agglomeration zu          geburt, ein Kunstgebilde.» Fragt man die Menschen
                       einer Metropolitanregion entwickelt. Diese erstreckt      nach ihrem Alltagsverhalten, sieht die Sache schon
                       sich von Luzern bis tief in den Thurgau und von           etwas anders aus. Ein Mann auf dem Schwyzer
                       Schaffhausen bis ins Muotatal und reicht damit weit       Hauptplatz meint dazu: «Die S-Bahn und die Auto-
                       in den ländlichen Raum hinein. Der Metropolitanraum       bahn haben eine wichtige Funktion übernommen.
                       ist mehr als eine Ausdehnung der Stadt. Er stellt viel-   Man ist heute einfach schneller in Luzern oder
                       mehr das funktionale Zusammenwachsen von städ-            Zürich. Entsprechend ist man auch in der Freizeit
                       tischen, periurbanen und ländlichen Räumen dar. Wie       grossräumiger orientiert. Als ich noch jünger war,
                       wirkt sich dieses Zusammenwachsen auf unseren             gingen wir von Schwyz aus oft nach Hinwil, Winter-
                       Alltag und unser Selbstverständnis aus?                   thur und auch nach Zürich in den Ausgang. Gleich-
                       Auf einer Reise von Zürich ins Muotatal, mit Zwi-         zeitig gibt es auch die Städter, die jedes Wochen-
                       schenhalten in Schwyz und in Zug, sowie einem tele-       ende in ihrem Ferienhaus auf dem Stoos verbringen.»

18    Stadtblick 22/2010
Gemeinde- und Kantonsgrenzen spielen im Alltag je           Status her dem Umland angeglichen haben, scheint
länger, je weniger eine Rolle: Menschen wohnen bei-         der viel bemühte Stadt-Land-Gegensatz weiterhin
spielsweise in Zürich-Höngg, kaufen im Volkiland in         zu bestehen.
Volketswil ein und arbeiten in der Zürcher Innen-           Auch im direkten Gespräch mit Menschen aus dem
stadt. Sie treffen sich zu einem Konzert im «Rössli»        Metropolitanraum Zürich werden eher die Unter-
in Stäfa und wandern am Samstag im Muotatal.                schiede als die Gemeinsamkeiten betont. Nicht sel-
Die Mobilitätsentwicklung ist der wesentliche Grund         ten werden dabei Klischees bemüht. Exemplarisch
dafür, dass neue geografische Bezugsräume ent-              dafür steht ein Gespräch mit drei jungen Schwyzern.
standen sind. Noch 1980 pendelte eine Minderheit            Auf die Frage, was ihnen zum Stichwort Zürich in den
der Erwerbstätigen über grössere Distanzen. «Heute          Sinn komme, lautet die Antwort «Finger weg von de-
ist Pendeln schon fast der Normalfall», meint ein jun-      nen da unten! Wir sind eben Landeier und wollen mit
ger Mann im Interregio von Zürich nach Zug. «Und            der Stadt nichts zu tun haben.» Wobei sie gleich wie-
letztlich ist es ein Stück weit Zufall, ob ich täglich      der relativieren: «Das ist natürlich auch ein Klischee.»
von Zürich nach Zug, Winterthur oder Schlieren              Unterschiede zwischen Stadt und Land sind ein
fahre. Ich gehe dahin, wo ich einen Job finde, möch-        schlechter Indikator für ein fehlendes metropolitanes
te aber weiterhin in Zürich leben.»                         Bewusstsein. Die Betonung der Unterschiede setzt
Zugleich hat der Freizeitverkehr enorm zugenom-             zudem am falschen Punkt an: Verschiedenheit ist
men: Im Schnitt legt die Schweizer Bevölkerung für          nicht ein Problem, sondern vielmehr eine wesentli-
den Freizeitverkehr fast doppelt so viele Kilometer         che Eigenschaft des Metropolitanraums. Gefragt ist
zurück wie für den Arbeitsweg. Wer hätte sich 1980          nicht die Überwindung von Differenzen, sondern ein
vorstellen können, dass Ausgehen in Zürich zum all-         neuer Blick darauf. Liegt darin die Möglichkeit für ein
wöchentlichen Ritual für Tausende junger Menschen           metropolitanes Bewusstsein?
aus dem Aargau oder dem Thurgau würde? Ohne
Nachtbusse oder -züge wäre dies undenkbar. Auch             Vielfalt als Chance
das Einkaufen im Shoppinggürtel des Glatttals oder          Die zunehmende Mobilität bedeutet für den Einzelnen
ein spontaner Ausflug auf den Bachtel oder den              eine räumliche Entflechtung von Wohnen, Arbeiten
Zugerberg sind heute eine Selbstverständlichkeit.           und Freizeit. Mit der Folge, dass Räume zu unglei-
                                                            chen Zeiten von unterschiedlichen Menschen ver-
Auch im Kopf angekommen?                                    schieden genutzt werden. So ist etwa der Haupt-
Im Mobilitätsalltag der Menschen ist der Metropoli-         bahnhof Zürich eine zentrale Mobilitätsdrehscheibe,
tanraum Zürich offensichtlich Realität. Ist er auch in      zugleich aber auch der grösste überdachte Jugend-
ihrem Denken angekommen? Lässt sich gar ein me-             treff des Metropolitanraums. Umgekehrt sind Alpwei-
tropolitanes Selbstverständnis feststellen?                 den zugleich Teil der Lebensgrundlage von Bauern
Zieht man das Abstimmungs- und Wahlverhalten                wie Wochenend-Freizeitpark der Stadtbevölkerung.
oder die Lebensstile der Bewohnerinnen und Be-              Menschen machen von denselben Räumen ver-
wohner im Metropolitanraum Zürich in Betracht, fal-         schieden Gebrauch. Das ist eine Realität, die sich als
len primär die Unterschiede zwischen den grösseren          Nutzungskonflikt oder als Vielfalt deuten lässt. Erste-
Städten und den suburbanen bis ländlichen Gemein-           res betont die Probleme, Letzteres eröffnet neue
den auf. Obschon sich die Städte vom sozialen               Perspektiven. Vielfalt – lange primär ein städtisches

                   Am südlichen Rand des Metropolitanraums Zürich.

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