STELLUNGNAHME DER REGIERUNG AN DEN LANDTAG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN ZU DEN ANLÄSSLICH DER ERSTEN LESUNG BETREFFEND DIE UMSETZUNG DES ...

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STELLUNGNAHME

                                 DER REGIERUNG

                                     AN DEN

                 LANDTAG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN

            ZU DEN ANLÄSSLICH DER ERSTEN LESUNG BETREFFEND DIE

      UMSETZUNG DES EUGH-URTEILS C-236/09 (TEST-ACHATS URTEIL)

    SOWIE DIE ABÄNDERUNG DES GESETZES ÜBER DIE GLEICHSTELLUNG

             VON MANN UND FRAU (GLEICHSTELLUNGSGESETZ; GLG)

                              AUFGEWORFENEN FRAGEN

      Behandlung im Landtag

                       Datum

1. Lesung                xx

2. Lesung

Schlussabstimmung                                       Nr. 34/2021
3

                                          INHALTSVERZEICHNIS

                                                                                                                 Seite

Zusammenfassung .................................................................................................. 4

Zuständiges Ministerium......................................................................................... 4
Betroffene Stellen ................................................................................................... 4

I.      STELLUNGNAHME DER REGIERUNG ......................................................... 5

1.      Allgemeines ................................................................................................... 5

2.      Grundsätzliche Fragen ................................................................................... 6
        2.1 Aktive Versicherungsunternehmen ..................................................... 6
        2.2 Krankenversicherung ........................................................................... 6
        2.3 Praxis in Liechtenstein .......................................................................... 7
3.      Fragen zu einzelnen Artikeln ......................................................................... 7

II.     ANTRAG DER REGIERUNG ..................................................................... 10

III.    REGIERUNGSVORLAGE .......................................................................... 11
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ZUSAMMENFASSUNG

Anlässlich der ersten Lesung des Bericht und Antrags betreffend die Umsetzung des
EuGH-Urteils C-236/09 (Test-Achats Urteil) sowie die Abänderung des Gesetzes
über die Gleichstellung von Mann und Frau (Gleichstellungsgesetz; GLG), Bericht
und Antrag Nr. 101/2020, hat der Landtag die Vorlage beraten und begrüsst.

Das Eintreten war unbestritten und wurde mit 23 Ja-Stimmen einhellig beschlos-
sen. Grundsätzlich war der Bericht und Antrag unbestritten und es wurden sehr
wenige Fragen gestellt. Eine Abgeordnete hatte Detailfragen zur konkreten Um-
setzung. Diese Fragen werden in der vorliegenden Stellungnahme beantwortet.

ZUSTÄNDIGES MINISTERIUM
Ministerium für Gesellschaft und Kultur (federführend)
Ministerium für Präsidiales und Finanzen

BETROFFENE STELLEN
Finanzmarktaufsicht
Amt für Soziale Dienste
Stabstelle EWR
5

                                                            Vaduz, 27. April 2021
                                                                   LNR 2021-572
                                                                                P

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete

Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Stellungnahme
zu den anlässlich der ersten Lesung betreffend die Umsetzung des EuGH-Urteils
C-236/09 (Test-Achats Urteil) sowie die Abänderung des Gesetzes über die Gleich-
stellung von Mann und Frau (Gleichstellungsgesetz, GLG), Bericht und Antrag Nr.
101/2020 aufgeworfenen Fragen zu unterbreiten.

I.   STELLUNGNAHME DER REGIERUNG

1.   ALLGEMEINES

In der Landtagssitzung vom 6. November 2020 hat der Landtag den Bericht und
Antrag betreffend die Umsetzung des EuGH-Urteils C-236/09 (Test-Achats Urteil)
sowie die Abänderung des Gesetzes über die Gleichstellung von Mann und Frau
(Gleichstellungsgesetz; GLG), Bericht und Antrag Nr. 101/2020 in erster Lesung be-
raten. Das Eintreten war unbestritten und wurde sodann mit 23 Ja-Stimmen ein-
hellig beschlossen.

Anlässlich der Eintretensdebatte sowie im Zuge der ersten Lesung gab es Fragen,
die im Folgenden beantwortet werden.
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2.    GRUNDSÄTZLICHE FRAGEN

2.1   Aktive Versicherungsunternehmen

Eine Abgeordnete hat sich erkundigt, ob bereits Zahlen vorliegen, wie viele in
Liechtenstein aktive Versicherungsunternehmen sich aufgrund der Umsetzung des
EuGH-Urteils vom Markt zurückziehen werden.

Wie bereits im Bericht und Antrag auf Seite 11 ausgeführt, hat lediglich ein Teil der
in Liechtenstein aktiven Versicherungsunternehmen angekündigt, sich vom Markt
zurückzuziehen. Die Mehrheit der in Liechtenstein aktiven Versicherungsunterneh-
men hat jedoch signalisiert, ihre Produkte auf die neue EU- bzw. EWR-Regulierung
auszurichten und entsprechend anzupassen. Ausserdem haben die Versicherungs-
unternehmen angekündigt, die freiwerdenden Marktanteile zu übernehmen, wo-
mit eine potenzielle Versorgungslücke im Versicherungsbereich geschlossen wer-
den könnte. Konkrete Zahlen liegen derzeit nicht vor.

2.2   Krankenversicherung

Eine Abgeordnete stellte in der der 1. Lesung fest, dass gemäss Bericht und Antrag
das Test-Achats Urteil nur private freiwillige und von Beschäftigungsverhältnissen
unabhängige Versicherungen und Rentensysteme betrifft und stellte konkret die
Frage, ob die Krankenversicherung davon umfasst sei.

Wie bereits im Bericht und Antrag auf Seite 7 ausgeführt, betrifft das Test-Achats
Urteil nur private, freiwillige und von Beschäftigungsverhältnissen unabhängige
Versicherungen und Rentensysteme. Das bedeutet, dass die obligatorische Kran-
kenpflegeversicherung per se nicht vom EuGH-Urteil betroffen ist, ebenso wenig
die obligatorische Krankengeldversicherung. Letztere ist zudem vom Beschäfti-
gungsverhältnis abhängig und auch aus diesem Grund nicht betroffen. Gemäss
Krankenversicherungsgesetz dürfen die Beiträge der Versicherten nicht nach dem
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Geschlecht differenziert werden. Dies gilt für die obligatorischen wie auch für die
freiwilligen Versicherungen nach diesem Gesetz.

2.3   Praxis in Liechtenstein

Des Weiteren wurde von einer Abgeordneten die Frage gestellt, ob die liechten-
steinischen Versicherungen in der Schweiz nach wie vor zwischen Mann und Frau
unterscheiden können und somit unterschiedliche Tarife zur Anwendung kommen
dürfen. Es sei davon auszugehen, dass Unisex-Policen nun insgesamt teurer bzw.
durchschnittlich die Beiträge steigen werden.

Hierzu kann ausgeführt werden, dass in der Schweiz auf versicherungsmathemati-
schen und statistischen Daten beruhende Unterschiede bei Prämien und Leistun-
gen unter Berücksichtigung des Geschlechts zulässig sind. Die Umsetzung des Test-
Achats Urteils in Liechtenstein lässt sowohl Prämienerhöhungen als auch Prämien-
senkungen erwarten. Wie sich die Umsetzung konkret auswirken wird, kann derzeit
nicht beurteilt werden.

3.    FRAGEN ZU EINZELNEN ARTIKELN

Zu II. Übergangsbestimmung
Eine Abgeordnete führt aus, dass Änderungen nur bei neuen Verträgen greifen,
welche nach Inkrafttreten, also nach dem 1. Januar 2022, abgeschlossen worden
seien. Bei Versicherungsverträgen, welche vor dem 1. Januar 2022 abgeschlossen
worden seien, komme das bisherige Recht zur Anwendung, ausser die Parteien
würden vertraglich die Verlängerung eines Versicherungsvertrages vereinbaren.
In diesem Fall komme das neue Recht zur Anwendung. Es wurde die Frage gestellt,
wenn sich beispielsweise ein Parameter des Versicherungsvertrages ändert, ob
dies dann zu einer Verlängerung des Versicherungsvertrages führe, wenn man als
Versicherungsnehmer die Änderung akzeptiere.
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Bei der Umsetzung des EuGH-Urteils müssen alte und neue vertragliche Vereinba-
rungen klar voneinander abgegrenzt werden. Die Abgrenzung ist wichtig, damit
dem Gebot der Rechtssicherheit Rechnung getragen wird und muss anhand von
Kriterien erfolgen, mit denen unverhältnismässige Eingriffe in bestehende Rechte
vermieden und die legitimen Erwartungen aller Beteiligten nicht enttäuscht wer-
den. Diese Herangehensweise steht im Einklang mit dem Ziel der Richtline
2004/113/EG eine abrupte Umstellung zu vermeiden, indem die Unisex-Regel auf
neue Verträge beschränkt wird.

Auf vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens abgeschlossene Versicherungsverträge
kommt das bisherige Recht zur Anwendung. Vereinbaren die Parteien vertraglich
die Verlängerung eines Versicherungsvertrages, so findet das neue Recht Anwen-
dung. Dies entspricht grundsätzlich auch den Leitlinien der Europäischen Kommis-
sion zur Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates auf das Versicherungs-
wesen im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-236/09.1

Nachstehend eine (nicht abschliessende) Aufzählung von Sachverhalten, die nicht
mit dem Abschluss eines neuen Vertrages gleichzusetzen sind:

Bei der vertraglich festgelegten automatischen Verlängerung eines bestehenden
Vertrags, wenn bis zu einem bestimmten Datum keine Benachrichtigung erfolgt ist,
kommt das bisherige Recht zur Anwendung.

Bei der Änderung einzelner Punkte des Vertragsinhalts, wie etwa der Anpassung
von Prämien, wenn sie anhand zuvor festgelegter Parameter erfolgt und die Zu-
stimmung des Versicherungsnehmers nicht erforderlich ist, ist dies auch nicht mit

1   Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates auf das Versicherungswesen im Anschluss
    an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-236/09 (Test-Achats), 2012/C
    11/01,                                                              https://eur-lex.europa.eu/legal-con-
    tent/DE/TXT/?qid=1540196672550&uri=CELEX:52012XC0113(01)
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dem Abschluss eines neuen Vertrages gleichzusetzen. Hier ist beispielsweise an die
Anhebung der Prämie um einen bestimmten Prozentsatz aufgrund des Schaden-
verlaufs zu denken.

Auch der reine Transfer eines Versicherungsportfolios von einem Versicherer auf
einen anderen, ohne dass sich der Status der in diesem Portfolio enthaltenen Ver-
träge ändert, entspricht nicht einem neuen Vertrag. 2

Es wäre, gestützt auf die Ausführungen der Europäischen Kommission somit denk-
bar, dass ein Versicherungsvertrag mit bestimmten Anpassungen automatisch ver-
längert wird, ohne dass es zu einer Änderung des Vertrages und damit zur Anwend-
barkeit des neuen Rechts kommt, sofern die Anpassungen an zuvor festgelegte Pa-
ramater geknüpft sind.

Die Frage kann jedoch an dieser Stelle nicht abschliessend beantwortet werden, da
es sich immer um eine Einzelfall-Beurteilung handeln wird, abhängig von einer zi-
vilrechtlichen Beurteilung konkreter Vertragsverhältnisse.

Zudem wurde die Frage gestellt, ob bei der Verlängerung des Versicherungsver-
trages die Police folglich zwingend in eine Unisex-Police umgewandelt wird.

Hierzu kann ausgeführt werden, dass jede Verlängerung auf Grundlage einer
neuen Vereinbarung mit ausdrücklicher Einwilligung aller Parteien die Anwendung
des neuen Rechts und damit eine Umstellung auf einen Unisex-Tarif zur Folge hat.
Wenn jedoch im bestehenden Versicherungsvertrag eine automatische Verlänge-
rung vorgesehen ist, etwa wenn bis zu einem bestimmten Datum keine

2   Siehe hierzu jeweils die Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates auf das Versiche-
    rungswesen im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-
    236/09          (Test-Achats),          2012/C       11/01,          https://eur-lex.europa.eu/legal-con-
    tent/DE/TXT/?qid=1540196672550&uri=CELEX:52012XC0113(01)
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Benachrichtigung erfolgt ist, liegt keine Verlängerung im Sinne der Übergangsbe-
stimmung vor und es findet in diesem Fall das neue Recht keine Anwendung. 3

II.      ANTRAG DER REGIERUNG

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen unterbreitet die Regierung dem Land-
tag den

                                               Antrag,

der Hohe Landtag wolle diese Stellungnahme zur Kenntnis nehmen und die beilie-
gende Gesetzesvorlage in Behandlung ziehen.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrte Frauen und
Herren Abgeordnete, den Ausdruck der vorzüglichen Hochachtung.

                                                        REGIERUNG DES
                                                  FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN

                                                           gez. Daniel Risch

3     Siehe auch die Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates auf das Versicherungswe-
      sen im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-236/09
      (Test-Achats),              2012/C              11/01,             https://eur-lex.europa.eu/legal-con-
      tent/DE/TXT/?qid=1540196672550&uri=CELEX:52012XC0113(01)
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III.   REGIERUNGSVORLAGE

                                     Gesetz
                                      vom …

            über die Abänderung des Gleichstellungsgesetzes

       Dem nachstehenden vom Landtag gefassten Beschluss erteile Ich Meine Zu-
stimmung:

                                        I.

                         Abänderung bisherigen Rechts

       Das Gesetz vom 10. März 1999 über die Gleichstellung von Frau und Mann
(Gleichstellungsgesetz, GLG), LGBl. 1999 Nr. 96, in der geltenden Fassung, wird wie
folgt abgeändert:
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                                  Art. 4a Abs. 5 Bst. c
                                     Aufgehoben

                                           II.

                               Übergangsbestimmung

        1) Auf vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes abgeschlossene
Versicherungsverträge findet vorbehaltlich Abs. 2 das bisherige Recht Anwen-
dung.

        2) Vereinbaren die Parteien vertraglich die Verlängerung eines Versiche-
rungsvertrags nach Abs. 1, so findet das neue Recht Anwendung.

                                           III.

                                     Inkrafttreten

        Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2022 in Kraft.
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