Stellungnahme - Deutscher Anwaltverein
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Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Steuerrecht zum Entwurf des BMF-Schreibens „Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von Token Stellungnahme Nr.: 46/2021 Berlin, im Juli 2021 Mitglieder des Ausschusses Steuerrecht - RA Dr. Klaus Olbing, Berlin (Vorsitzender) - RAin Dr. Stefanie Beinert, LL.M., Frankfurt am Main - RA Georg Geberth, München - RA Robert Hörtnagl, München - RA Dr. Michael Messner, Hannover - RA Prof. Dr. Stephan Schauhoff, Bonn - RAin Susanne Thonemann-Micker, LL.M., Düsseldorf (Berichterstatterin) Zuständig in der DAV-Geschäftsstelle - RA Manfred Aranowski Deutscher Anwaltverein Littenstraße 11, 10179 Berlin Tel.: +49 30 726152-0 Fax: +49 30 726152-190 E-Mail: dav@anwaltverein.de Büro Brüssel Rue Joseph II 40, Boîte 7B 1000 Brüssel, Belgien Tel.: +32 2 28028-12 Fax: +32 2 28028-13 E-Mail: bruessel@eu.anwaltverein.de EU-Transparenz-Registernummer: 87980341522-66 www.anwaltverein.de
Verteiler Deutscher Bundesrat Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Deutscher Bundestag – Vorsitzende des Finanzausschusses Deutscher Bundestag – Vorsitzender Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag Fraktion AfD im Deutschen Bundestag Landesjustizminister der Länder Landesfinanzverwaltungen Bundesnotarkammer Bundesrechtsanwaltskammer Bundessteuerberaterkammer Deutscher Notarverein Deutscher Richterbund e.V. Arbeitsgemeinschaft Klimatagung Bund der Steuerzahler Bundesverband der Deutschen Industrie Bundesverband der Freien Berufe Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) Deutscher Industrie- und Handelskammertag Deutscher Steuerberaterverband Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. Ver.di Vorstand und Geschäftsführung des Deutschen Anwaltvereins Vorsitzende der DAV-Gesetzgebungsausschüsse Landesverbände des DAV Vorsitzende der DAV-Arbeitsgemeinschaften Steuerrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins NJW Börsenzeitung Die Aktiengesellschaft Frankfurter Allgemeine Zeitung Handelsblatt Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. ZIP Seite 2 von 7
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist der freiwillige Zusammenschluss der deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Der DAV versammelt mehr als 62.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare, die in 252 lokalen Anwaltvereinen im In- und Ausland organisiert sind. Er vertritt die Interessen der deutschen Anwaltschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Mit Schreiben vom 14. Juni 2021 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) erstmalig einen Entwurf zur ertragsteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen und Token veröffentlicht (Stand: 3. Juni 2021). Dieser in der Szene lange ersehnte Schritt ist ausdrücklich zu begrüßen und ein richtungsweisendes Zeichen für die zunehmende Relevanz dieses Wirtschaftszweiges. Der Entwurf knüpft teilweise an in der Praxis bestehende Vorgehensweisen an, schlägt aber auch neue Wege in der ertragsteuerlichen Behandlung ein. Während das BMF-Schreiben in einzelnen Fragen Rechtssicherheit schafft, ist jedoch auch zu konstatieren, dass manche praktisch bestehenden Unsicherheiten nicht behandelt oder durch die Ausführungen des BMF gar vergrößert werden. Es ist zu befürchten, dass durch die Bindung der Finanzverwaltung an ein BMF-Schreiben mit dem Inhalt des vorliegenden Entwurfs eine Welle von Gerichtsverfahren ausgelöst werden und Vollzugsdefizite entstehen. I. Rechtsklarheit und Rechtssicherheit Es sind aus unserer Sicht insbesondere die nachfolgenden Aspekte des Schreibens positiv hervorzuheben: 1. Die vom BMF gewählte Herangehensweise, zunächst die technischen Aspekte zu erläutern und in einem zweiten Schritt ertragsteuerlich zu würdigen, wird der Thematik in besonderem Maße gerecht. Eine sachgerechte Besteuerung kann nur vor dem Hintergrund eines einheitlichen und zutreffenden technischen Verständnisses der Sachverhalte erreicht werden. 2. Außerdem begrüßen wir, dass sich das BMF zu der Eigenschaft virtueller Währungen als Wirtschaftsgut äußert. Auch wenn die Äußerung in der Sache an der einen oder anderen Stelle kritisch zu betrachten ist, sehen wir die Einordnung ebenfalls als maßgebliche Fragestellung im Kontext der Seite 3 von 7
Ertragsbesteuerung an. Die etwaige Erweiterung der Haltedauer auf zehn Jahre erscheint zumindest beim Lending dogmatisch schlüssig. 3. Es ist weiterhin positiv hervorzuheben, dass das BMF sich der Frage der Gewerblichkeit von Mining in dem Entwurf annimmt. Für die Praxis sind allerdings noch belastbarere Aussagen bzw. klare Kriterien zur Widerlegbarkeit der Vermutung einer gewerblichen Tätigkeit erforderlich. 4. Während das BMF scheinbar bezüglich der Besteuerung dem Grunde nach einen sehr rigorosen und profiskalischen Kurs einschlägt, ist die in dem Entwurf zu erkennende Bereitschaft, bei Fragen bspw. zur Verbrauchsfolge und den zugrundeliegenden Wechselkursen (mit Auswirkungen auf die Besteuerung der Höhe nach) eine für alle Beteiligten vereinfachende Handhabung vorzunehmen, zu begrüßen. 5. Das BMF stellt erfreulicherweise auch klar, dass unter Heranziehung der Rechtsprechungsgrundsätze zum gewerblichen Wertpapier- und Devisenhandel die Häufigkeit des An- und Verkaufs allein keine gewerbliche Tätigkeit darstellt (Rz. 38). II. Kritikpunkte Einige Aussagen des BMF-E sind aber auch kritisch zu hinterfragen und verbesserungswürdig: 1. Technisch komplexere Vorgänge wie bspw. Airdrops, Staking oder Masternoding werden steuerlich nicht ausreichend und teilweise unzutreffend beleuchtet. Eine (scheinbar) pauschale Anwendung von § 22 Nr. 3 EStG ist insbesondere vor dem Hintergrund der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung strikt zurückzuweisen. Die genannte Norm ist gerade kein General-Steuertatbestand und darf auch nicht zu einem solchen in extensiver Auslegung gemacht werden. Entgegen den Ausführungen in Rz. 79 erfolgen beispielsweise Airdrops in der Praxis regelmäßig ohne weiteres Zutun des Investors und es werden lediglich die notwendigen Daten für die Zuteilung von Airdrops preisgegeben, so dass darin grundsätzlich keine Gegenleistung gesehen werden kann und § 22 Nr. 3 EStG demnach nicht erfüllt wäre. Seite 4 von 7
Mangels (entgeltlicher) Anschaffung kann auch die spätere Veräußerung eines Airdrops nicht nach § 22 Nr. 2 iVm § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbar sein (entgegen Rz. 81). Überdacht werden sollte (entgegen Rz. 47) auch die Verlängerung der Haltefrist bezüglich Masternoding, da dies analog bei verzinslich angelegten Fremdwährungsguthaben auch nicht zutrifft. Bei verzinslich angelegten Fremdwährungsguthaben bleibt es nach Auffassung der Finanzverwaltung bei der Frist von einem Jahr, da die Einkünfte (Zinsen) nicht Ausfluss des „anderen Wirtschaftsgutes Fremdwährungsguthaben”, sondern Ausfluss der eigentlichen Kapitalforderung sind (vgl. Bayerisches Landesamt für Steuern v. 12.03.2013 - S 2256.1.1-6/4 St32). 2. Zudem sind die Ausführungen in Rz. 24 – 29 des Entwurfs zur Abgrenzung von gewerblichen Einkünften aus Mining (ggf. auch Staking, Rz. 72 ff.) kritisch zu hinterfragen. Nach dem Entwurf kann Mining zwar grundsätzlich – und auch u. E. richtigerweise – als gewerbliche oder vermögensverwaltende Tätigkeit qualifizieren, wobei widerlegbar die Gewerblichkeit vermutet wird. Es wäre aus Sicht der Praxis wünschenswert, klare Kriterien zur Abgrenzung der Gewerblichkeit von der privaten Vermögensverwaltung in dem finalen Schreiben zu finden. Hier besteht u. E. erheblicher Klarstellungsbedarf für die Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung. Faktisch würden beim Mining bei enger Auslegung des Entwurfs durch die Finanzverwaltung in den meisten Fällen gewerbliche Einkünfte angenommen werden, da keine klaren Abgrenzungskriterien definiert sind und insbesondere quantifizierbare Aufwendungen für Hardware und Strom die Vermutung nicht widerlegen können. Es sollte – wie von der Rechtsprechung des BFH bei der Abgrenzung der Gewerblichkeit von der Vermögensverwaltung gefordert – auf das Gesamtbild der Tätigkeit abgestellt werden. Dabei wären unter anderem spezielle Hardwareausstattung, erhebliche Rechnerkapazitäten und geschäftliche Organisationsstrukturen zu berücksichtigen. Andernfalls könnte Mining beispielsweise in der Startphase von neuen Coins mithilfe einfacher Software und einem üblichen Laptop bereits irrtümlich als gewerblich qualifiziert werden. Seite 5 von 7
Außerdem besteht in der Praxis ein Bedürfnis zu klären, wann eine etwaige Gewerblichkeit beim Mining/Staking beginnt und wann sie endet. Der Interpretationsspielraum darf nicht dazu führen, dass die Finanzverwaltung nicht zu dem Ergebnis kommen kann, dass automatisch jede Form des Mining/Staking gewerblich ist. Es werden klare Aussagen zu einer etwaigen Infektion vermögensverwaltender Gesellschaften bzw. der parallel/anschließend gehandelten Kryptoassets benötigt. 3. Zwar differenziert der Entwurf des BMF-Schreibens sinnvollerweise zu Beginn zwischen Currency Token, Utility Token, Equity Token und Debt Token (Rz. 3), es werden aber keinerlei Abgrenzungskriterien oder konkrete Merkmale für die Kategorisierung genannt. Auch wird gesagt, dass Token eine Kombination der verschiedenen Kategorien beinhalten können (Rz. 4). Was das für die steuerliche Einordnung bedeutet, bleibt offen, müsste aber unbedingt kommuniziert werden. 4. Auch sollten die Aussagen zu Equity-Tokens (Rz. 63) vertieft werden. Zwar können solche de lege lata in Deutschland nicht ausgegeben werden, jedoch können Investoren derartige DLT-basierte Vermögenswerte im Ausland erwerben. Hier sollte das BMF die Einordnung als Einkünfte aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bestätigen mit der Folge, dass für Kapitalgesellschaften bspw. § 8b KStG anwendbar sein könnte. 5. Besonders bei technisch komplexen Vorgängen (wie Airdrops, Mining oder Staking) erscheint es sinnvoll, zwischen dem Teil der Entlohnung, die vom Netzwerk (Block-reward) und dem Teil der von einem anderen Teilnehmer gewährt wird (Transaction-incentive), zu differenzieren, da die steuerliche Konsequenzen unterschiedlich sein dürften (vgl. z.B. die Frage der Anschaffung unter II.1.). 6. Hinsichtlich der Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten (Rz. 51 – 53) ist bisher nur ein Platzhalter vorgesehen. Diese Pflichten sind jedoch für die Praxis besonders relevant, da diesbezüglich große Unsicherheiten bestehen. Seite 6 von 7
7. So wird in der Praxis sehr unterschiedlich hinsichtlich der Dokumentation für steuerliche Deklarationszwecke verfahren und auch die Auswertungen/Datenformate von Exchanges/Wallets sind mangels entsprechender Regulierung sehr unterschiedlich. Wünschenswert wären vor allem konkrete Mindestanforderungen hinsichtlich der Form, des Inhalts und des Umfangs hinsichtlich der bei den Finanzbehörden einzureichenden Dokumentation bzw. Auswertung der Transaktionen. (Mindest-)Vorgaben für ein standardisiertes (Daten-)Ausgabeformat (für die Transaktionshistorie, das Bestandsverzeichnis und die Erträgnisaufstellung), das zum Ende eines jeden Jahres von den Betreibern von Exchanges/Wallets für die Investoren zu erstellen ist, würde für alle Beteiligte ebenfalls Klarheit schaffen und einem etwaigen Vollzugsdefizit entgegenwirken. 8. Es besteht ferner das Bedürfnis klarzustellen, dass Zuordnungssubjekt einer Blockchain immer ein pseudonymer public-key (Wallet) ist, während Besteuerungssubjekt im Steuerrecht immer ein (rechtlich festgelegtes) Steuersubjekt sein muss. Diese Begriffe können (und werden) auseinanderfallen; dieser Umstand muss Berücksichtigung finden. So kann bspw. ein Steuersubjekt mehrere Wallets führen (wie auch richtigerweise implizit vom BMF vorausgesetzt in Rn. 45), Transaktionen zwischen diesen Wallets dürfen selbstverständlich nicht steuerbar sein. III. Mögliche Ergänzungen für künftige Schreiben Abschließend kommen wir gern der Bitte des BMF nach, weitere, bisher nicht erfasste Phänomene zu nennen. Gleichzeitig begrüßen wir den Ansatz, diese für Zwecke des finalen (ersten) Schreibens nicht mehr aufzunehmen, sondern das Schreiben fortlaufend zu ergänzen und dem jeweiligen technischen Fortschritt und den praktischen Bedürfnissen anzupassen. Weitere Themen, die bisher nicht erfasst werden, aber in kommenden Ausführungen behandelt werden sollten, sind: ● Margin-Trading, Option-Trading ● Delegated Proof of Stake ● Behandlung von Wechselkursunterschieden (täglich, stündlich, minütlich) ● Yield farming Seite 7 von 7
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