Immunglobulin-Therapie bei steroidresistenter Hashimoto-Enzephalopathie: Ein Fallbericht

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Immunglobulin-Therapie bei steroidresistenter Hashimoto-Enzephalopathie: Ein Fallbericht
Journal für

 Neurologie, Neurochirurgie
 und Psychiatrie
             www.kup.at/
 JNeurolNeurochirPsychiatr   Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems

Immunglobulin-Therapie bei
                                                                               Homepage:
steroidresistenter
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Hashimoto-Enzephalopathie: Ein                                  JNeurolNeurochirPsychiatr

Fallbericht                                                          Online-Datenbank
                                                                       mit Autoren-
Gröppel G, Aull-Watschinger S
                                                                    und Stichwortsuche
Baumgartner C, Holzner F, Wolf P
Journal für Neurologie
Neurochirurgie und Psychiatrie
2002; 3 (4), 26-29

                                                                                           Indexed in
                                                              EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS

 Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz
 P.b.b. 02Z031117M,              Verlagsor t : 3003 Gablitz, Mozar tgasse 10               Preis : EUR 10,–
Seggauer
Fortbildungstage 2018

Entzündlicher Formenkreis,
Therapieansätze und Pathophysiologie.
Individualisierte Arzneimitteltherapie

13. bis 14. Oktober 2018
in Schloss Seggau
bei Leibnitz                             zum Programm 
IMMUNGLOBULIN-THERAPIE BEI
                      STEROIDRESISTENTER HASHIMOTO-
                      ENZEPHALOPATHIE: EIN FALLBERICHT
                      G. Gröppel1, P. Wolf2, F. Holzner2, S. Aull-Watschinger1, C. Baumgartner1
FALLBERICHT           1
                       Univ.-Klinik für Neurologie, Wien und 2Neurologische Abteilung, Allg. Krankenhaus, Wels

                                              der Wahl gilt eine Substitution von        In den folgenden Monaten kam es
     ZUSAMMENFASSUNG                          Levothyroxin. Die HT kann mit einer
                                              Reihe anderer Autoimmunerkrankun-
                                                                                         dreimalig zu stationären Aufnahmen
                                                                                         wegen Wiederauftreten von Tremor,
                                              gen, zum Beispiel einer perniziösen        Schwindel, Ataxie, Sprachstörungen
     Die Hashimoto-Enzephalopathie ist        Anämie [2], einer Immunkomplex-            und epileptischen Anfällen. Die Pati-
     eine neurologische Manifestation der     Glomerulonephritis [3] oder einer          entin mußte wegen rezidivierender
     Hashimoto-Thyreoiditis. Typische         Myasthenia gravis [4], einhergehen.        Status epileptici immer wieder inten-
     klinische Symptome sind Verwirrtheit,    Außerdem wird die HT als Teil der          sivmedizinisch behandelt werden. Im
     epileptische Anfälle, Tremor, Ataxie,    polyendokrinen Autoimmunsyndrome           MRT zeigten sich in den T2-gewich-
     schlaganfallähnliche Episoden und        Typ II (Morbus Addison, Diabetes           teten Bildern hyperintense Verände-
     Myoklonien. Im MRT können sowohl         mellitus Typ 1 und HT) und Typ III         rungen im Bereich beider Hippokam-
     eine Atrophie als auch hyperintense      (perniziöse Anämie, Diabetes mel-          pusformationen, im EEG eine diffuse
     Läsionen sichtbar sein. In der Liquor-   litus Typ 1 und HT) genannt.               Delta-Aktivität. Es erfolgte die anti-
     diagnostik zeigt sich ein erhöhter                                                  epileptische Einstellung auf Carba-
     Proteinwert mit oder ohne Zellzahl-      Brain et al. [5] beschrieben als erste     mazepin. Bezüglich der kognitiven
     erhöhung. Im EEG zeigen sich gene-       den Zusammenhang zwischen HT               Funktionen war ein progredientes
     ralisierte sowie fokale Verlangsamun-    und einer Enzephalopathie, die sich        schweres organisches Psychosyndrom
     gen. Es werden auch triphasische         klinisch als reversible, steroidsensiti-   zu beobachten.
     Wellen beschrieben. Therapeutisch        ve, progressive Demenz mit Myoklo-
     spricht die Hashimoto-Enzephalopa-       nien, Ataxie und epileptischen Anfäl-      Klinisch-neurologische Untersuchung
     thie in den meisten Fällen gut auf die   len manifestierte. Im allgemeinen ist
     Gabe von Cortison an. Wir stellen        die HE gut mit Cortison therapierbar.      Zum Zeitpunkt der Aufnahme an
     eine Patientin mit Hashimoto-Enze-       Wir berichten nun über eine Patien-        unserer Klinik im Juli, also 7 Monate
     phalopathie vor, welche keine Bes-       tin, bei der sich erst auf die intrave-    nach Krankheitsbeginn, befand sich
     serung auf Cortison zeigte. Erst die     nöse Gabe von Immunglobulinen eine         die Patientin in einem deutlich redu-
     Gabe von Immunglobulinen führte          Besserung der Symptomatik zeigte.          zierten Allgemeinzustand. Sie war
     zu einer signifikanten Besserung im                                                 afebril, somnolent und desorientiert
     Zustandsbild der Patientin.                                                         (zeitlich, örtlich und zur Person).
                                                                                         Es bestanden eine Dysarthrie und
                                              KASUISTIK                                  Schluckstörung, ein feinschlägiger
                                                                                         Haltetremor, eine Extremitätenataxie,
     EINLEITUNG                               Anamnese
                                                                                         eine herabgesetzte Feinmotorik und
                                                                                         stimulussensitive Myoklonien. Die
                                                                                         Patientin war auch mit Unterstützung
     Bei der Hashimoto-Enzephalopathie        Ende 1998 entwickelte eine 41jährige       nicht gehfähig.
     (HE) handelt es sich um eine neurolo-    Frau aus völliger Gesundheit Zustän-
     gische Manifestation der Hashimoto-      de mit Unruhegefühl und Tremor. Es         In Anbetracht der Symptomatik wurde
     Thyreoiditis (HT). Der HT liegt ein      wurde eine Panikstörung diagnosti-         die schon von der vorbehandelnden
     autoimmunologischer Prozeß zu-           ziert und die Patientin mit Fluoxetin      Klinik geäußerte Verdachtsdiagnose
     grunde [1]. Die Erkrankung betrifft      und Alprazolam behandelt, worauf           einer Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung
     überwiegend Frauen im 4. bis 5. De-      es zu einer kurzfristigen Besserung        (CJE) beibehalten. Als weitere Diffe-
     zennium. Der Beginn ist meist asym-      kam. Anfang 1999 erlitt die Patientin      rentialdiagnosen wurden eine der
     ptomatisch, erst später manifestiert     ihren ersten generalisierten tonisch-      progressiven Myoklonus-Epilepsien
     sich eine Hypothyreose. Der Nach-        klonischen Anfall. Kurz darauf ent-        (PME) und die Hashimoto-Enzepha-
     weis erfolgt einerseits durch Ultra-     wickelte die Patientin einen Status        lopathie (HE) in Erwägung gezogen
     schall (homogenes, echoarmes Schall-     epilepticus und mußte deshalb inten-       (Tab. 1).
     muster), andererseits durch das Szin-    sivmedizinisch behandelt werden. Die
     tigramm (verminderte Traceraufnah-       damals durchgeführte bildgebende           Klinisch-chemische Untersuchungen
     me). Im Serum zeigen sich erhöhte        Diagnostik (CCT, MRI des Schädels
     Titer von Antikörpern gegen thyreoi-     und MRI-Angiographie) war genauso          Bei den Routine-Laborparametern
     dale Peroxidase- (Anti-TPO-AK) und       unauffällig wie das EEG. In der Liquor-    zeigten sich erhöhte Leberfunktions-
     Thyreoglobulin-Antikörper (TAK)          diagnostik zeigte sich eine leichte        proben, ein gering erhöhtes C-reakti-
     sowie erhöhte Werte von thyreoidea-      Proteinerhöhung. Nach 14 Tagen             ves Protein (1,13 mg/dl) und eine nor-
     stimulierendem Hormon (TSH) und          konnte die Patientin mit einem mini-       male Blutsenkungsgeschwindigkeit
     erniedrigte Werte der Schilddrüsen-      malen organischen Psychosyndrom            (10/18). Im Rahmen der Schilddrüsen-
     hormone (T3 und T4). Als Therapie        in häusliche Pflege entlassen werden.      hormondiagnostik lag der TSH-Basal-

26    J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 4/2002

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FALLBERICHT
wert bei 7,10 uU/ml (Normwerte:                 Zusätzliche apparative Befunde               und zusätzlich eine parieto-okzipital
0,1–4,0 uU/ml), die TAK lagen bei                                                            links lokalisierte reduzierte Glukose-
284 IU/ml (Normwerte: < 100 IU/ml)              Im durchgeführten Video-EEG-Moni-            utilisation. Der Ultraschall der Schild-
und die Anti-TPO-AK bei 134 IU/ml               toring konnten keine Anfälle aufge-          drüse zeigte ein normal großes Organ
(Normwerte: < 100 IU/ml). T3 und T4             zeichnet werden. Im interiktalen EEG         mit inhomogener Echostruktur. Im
waren im Normbereich. Der Laktat-               zeigten sich keine epilepsietypischen        Schildrüsen-Scan war kein „spotty-
spiegel lag mit 1,2 mmol/l im Norm-             Veränderungen, sondern nur eine              uptake“ sichtbar.
bereich (Normwerte: 0,5–2,2 mmol/l).            generalisierte kontinuierliche Verlang-
Die virologische Diagnostik war eben-           samung. Insbesondere waren keine             Therapie und Verlauf
so unauffällig wie die Vaskulitisdia-           periodischen Komplexe ableitbar.
gnostik.                                        Während des Monitorings traten               Aufgrund der vorliegenden Befunde
                                                mehrfach durch Schreck auslösbare            wurde die Diagnose Hashimoto-Enze-
In der durchgeführten Liquordiagno-             Myoklonien auf, welche allerdings            phalopathie gestellt und ein Therapie-
stik zeigten sich eine erhöhte Zell-            im EEG kein Korrelat hatten. Im MRT          versuch mit Levothyroxin 0,1 mg/d
zahl (81/3), erhöhtes Gesamteiweiß              zeigte sich eine diffuse supratentori-       und Corticosteroiden unternommen
(92 mg/dl), erhöhtes Albumin                    elle Atrophie. Die Beta-CIT-SPECT war        (initiale intravenöse Bolus-Gabe mit
(65,2 mg/dl), IgG (13,2 mg/dl) und              genauso unauffällig wie die Nerven-          1000 mg Prednisolon/d über 5 Tage
IgA (1,2 mg/dl), allerdings keine intra-        leitgeschwindigkeit, das Elektromyo-         und nachfolgende orale Erhaltungs-
thekale Immunglobulinproduktion                 gramm, die transkortikale Magnet-            therapie mit 100 mg Prednisolon/d).
und keine oligoklonalen Banden.                 stimulation und die Medianus-SSEP.           Unter dieser Therapie kam es zu einer
Das 14-3-3-Protein war nicht nach-              Die FDG-PET ergab einen deutlichen           leichten Besserung der Symptomatik.
weisbar.                                        diffusen kortikalen Hypometabolismus         Allerdings litt die Patientin noch im-
                                                                                             mer an einer massiven Einschränkung
                                                                                             der Orientierungsfähigkeit und des
                                                                                             Erinnerungsvermögens. Bezüglich
  Tabelle 1: Differentialdiagnosen                                                           der epileptischen Anfälle wurde die
                                                                                             Patientin auf eine Valproinsäure-
              Spongiforme            Progressive              Hashimoto-                     Monotherapie (2500 mg/d) eingestellt.
              Enzephalopathie        Myoklonus-               Enzephalopathie                Die Patientin konnte in gebessertem
                                     Epilepsien                                              Zustand rücktransferiert und schließ-
  Liquor      14-3-3 (96 %)          Unauffällig              IgG ñ, Protein ñ,              lich unter einer Therapie mit Val-
                                                              oligoklonale Banden            proinsäure 2000 mg/d, Levothyroxin
                                                              positiv                        0,1 mg/d und Prednisolon 50 mg/d in
  MRT         Atrophie,              Atrophie                 Atrophie,                      häusliche Pflege entlassen werden.
              Signalerhöhung                                  Signalerhöhung                 Die nächste stationäre Aufnahme er-
              im Striatum (70 %)                              mesiotemporal                  folgte 2 Monate später wegen eines
  Klinik      Demenz (96 %),         Demenz,                  Demenz (52 %),
                                                                                             erneuten Status epilepticus. Da unter
              Myoklonien (88 %),     Myoklonien,              Myoklonien (45 %),             der Corticosteroid-Gabe keine deut-
              Ataxie (86 %),         Ataxie,                  Ataxie (28 %),                 liche Besserung der Symptomatik
              epileptische           epileptische Anfälle,    epileptische                   (weder der Anfälle noch der kogniti-
              Anfälle (12 %),        Muskelatrophie,          Anfälle (60 %),                ven Problematik) eingetreten war und
              extrapyramidale        Optikusatrophie,         Tremor (28 %),                 die Patientin schon an erheblichen
              Symptome (73 %),       Taubheit                 Vigilanzminderung (49 %),      Corticosteroid-Nebenwirkungen litt,
              Sehstörungen (54 %),                            schlaganfallähnliche           wurde Prednisolon reduziert. Als
              akinetischer                                    Episoden (49 %),               Therapiealternative wurde eine intra-
              Mutismus (53 %),                                Pyramidenbahn-                 venöse Immunglobulintherapie ver-
              Pyramidenbahn-                                  zeichen (25 %),
              zeichen (54 %)                                  Halluzinationen (25 %),
                                                                                             sucht. Die Patientin erhielt Immun-
                                                              fluktuierender Verlauf         globulin 10 g/d i.v. über 3 Tage und
                                                                                             eine Intervalltherapie mit Cortison in
  EEG         Triphasische           Spike-Wave-Komplexe, Generalisierte                     niedriger Dosierung. Die nächste
              Wellen (80 %)          Photosensibilität    Verlangsamungen,
                                                          Spike-Wave-Komplexe,
                                                                                             planmäßige Aufnahme zur Immun-
                                                          triphasische Wellen                globulingabe erfolgte einen Monat
                                                                                             später. In diesem Zeitraum hatte die
  Sonstiges                          Red ragged fibers        Schilddrüsen-Antikörper        Patientin keinerlei Anfälle, und es
                                     bei MERRF,               positiv
                                                                                             zeichnete sich auch eine Besserung
                                     Laktat erhöht
                                                                                             der kognitiven Funktionen ab. Sie

                                                                                          J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 4/2002       27
FALLBERICHT
     erhielt wiederum 30 g Immunglobulin.      bei 25 % und Halluzinationen eben-          [8, 10]. Epileptische Anfälle treten
     Das Cortison wurde auf 2 mg/d und         falls bei 25 % auf [6]. 49 % der Pati-      bei 12 % der Patienten mit CJE auf.
     die Valproinsäure auf 1750 mg/d re-       enten zeigen schlaganfallähnliche
     duziert. Zwei Monate später konnte        Episoden mit Paresen ohne Korrelat          Als weitere Differentialdiagnose
     das 4wöchige Intervall zuerst auf 6,      in der Bildgebung [6]. Epileptische         kommt eine Erkrankung aus der
     später dann auf 8 Wochen verlängert       Anfälle sind ein häufiges Symptom           Gruppe der progressiven Myoklonus-
     werden. Wegen Wiederauftreten von         (60 %) [6]. Als Ursache der HE wird         Epilepsien (PME) in Betracht. Diese
     Cortison-Nebenwirkungen wurde auf         einerseits eine zerebrale Autoimmun-        Erkrankungen (Unverricht-Lundborg-
     eine Gabe von 5 mg jeden 2. Tag           vaskulitis oder auch eine pathologi-        Erkrankung, Lafora-Erkrankung, Myo-
     gewechselt. Unter dieser Therapie         sche Erhöhung des Thyreotropin-             klonus-Epilepsie mit Ragged Red
     traten weiterhin keine Anfälle mehr       Releasing-Hormons diskutiert [4, 6].        Fibers, neuronale Zeroidlipofuzido-
     auf. Bezüglich der kognitiven Defizite    Für die Autoimmunpathogenese                sen, Sialidose und die juvenile Form
     verzeichnete sich eine langsame           sprechen einerseits die erhöhten            des Morbus Gaucher) sind durch Myo-
     Besserung. Bei der letzten Kontrolle      Schilddrüsen-Antikörper, die Liquor-        klonien, generalisierte tonisch-kloni-
     im April 2001 berichtete die Patien-      veränderungen, die Assoziation mit          sche Anfälle, progressive Demenz
     tin weiterhin über mnestische Störun-     anderen autoimmunologischen Er-             sowie syndromabhängig durch an-
     gen, aber nicht über Anfälle oder         krankungen und das gute Ansprechen          dere neurologische Symptome wie
     andere Symptome ihrer Erkrankung.         auf Corticosteroide. Kothbauer-Mag-         zerebelläre und extrapyramidale
                                               reiter et al. [4] unterschieden zwei        Störungen, Pyramidenbahnzeichen,
                                               verschiedene klinische Typen von            Visusverlust und Schwerhörigkeit
                                               HE. Einerseits beschrieben sie einen        gekennzeichnet [11–13]. Aufgrund
     DISKUSSION                                vaskulitischen Typ mit schlagartigem
                                               Beginn und transienten neurologi-
                                                                                           des klinischen Verlaufs, des normalen
                                                                                           Laktats und des normalen EMGs
                                               schen Defiziten. Bei diesem Typ kön-        konnte diese Erkrankungsgruppe bei
     Zusammenfassend zeigte sich bei der       nen kognitive Defizite und epilepti-        unserer Patientin ausgeschlossen
     Aufnahme eine desorientierte Patien-      sche Anfälle vorkommen, sind aber           werden.
     tin mit Myoklonien, Dysarthrie, posi-     nicht obligat. Patienten mit progres-
     tiven Pyramidenzeichen und rezidi-        sivem Typ leiden an kognitiven Defi-        Bezüglich der apparativen Zusatz-
     vierenden Status epileptici. Aufgrund     ziten, Halluzinationen und Anfällen.        untersuchungen ist zu erwähnen, daß
     der erhöhten Titer für die Schilddrü-                                                 im MRT eine generalisierte Atrophie
     sen-Antikörper (Anti-TPO-AK und           Therapeutisch sprechen beide Typen          sowohl bei HE (19 %) als auch bei
     TAK) wurde die Diagnose HE gestellt.      der HE normalerweise gut auf die            CJE und PME auftritt [8]. Bei 5 % der
     Über 80 % der Patienten mit einer HE      Gabe von Cortison an. Bei Versagen          Patienten können im MRT umschrie-
     zeigen erhöhte Titer für die Schild-      dieser Therapie wurde auch mit              bene Veränderungen nachgewiesen
     drüsen-Antikörper. Die Schilddrüsen-      Methotrexat erfolgreich behandelt.          werden. Besonders geeignete Sequen-
     funktion war bei unserer Patientin –      Bis jetzt ist nur ein Fall in der Litera-   zen sind die FLAIR- und die T2-gewich-
     wie bei 76 % der in der Literatur be-     tur bekannt, welcher bei fehlender          tete Sequenz, wobei die teilweise
     richteten Fälle – euthyreot [6]. Bei      Besserung auf Cortison positives            reversiblen Signalerhöhungen bei HE
     20 % der Patienten liegt eine hypo-       Ansprechen auf Immunglobuline               mesiotemporal, frontal oder diffus
     thyreote und bei 4 % eine hyperthy-       zeigte [9].                                 subkortikal verteilt sein können [14].
     reote Stoffwechsellage vor. Das TSH                                                   Bei CJE liegen diese Signalerhöhun-
     war bei unserer Patientin erhöht,         Betrachtet man nun die klinische Sym-       gen typischerweise im Striatum [15].
     ebenso wie bei 66 % der Patienten         ptomatik zum Zeitpunkt der Aufnah-          3 % der Patienten mit HE zeigen eine
     der in der Literatur berichteten Fälle;   me an unserer Klinik, liegt die Zu-         diffuse Leukenzephalopathie, 94 %
     bei 28 % der Patienten ist das TSH        weisungsdiagnose Creutzfeldt-Jakob-         haben einen unauffälligen oder un-
     normal und bei 6 % erniedrigt [6].        Erkrankung (CJE) nahe. 96–97 % der          spezifischen Befund [6]. Ein wichti-
     Die zerebrale Manifestation der HE        Patienten mit CJE entwickeln im Laufe       ger Marker in der Liquordiagnostik
     kann der Thyreoiditis oftmals um          ihrer Erkrankung eine Demenz [8, 10].       ist das 14-3-3-Protein, welches bei
     Jahre vorangehen [7]. Bezüglich der       Myoklonien treten bei 88 % [8, 10]          CJE eine Sensitivität von 95 % und
     klinischen Symptomatik zeigen 52 %        und ein ataktisches Gangbild bei 86 %       eine Spezifität von 93 % hat [16]. In
     der Fälle Zeichen einer Demenz [8].       der Patienten auf [8, 10]. Weitere          der Literatur werden Einzelfälle von
     Myoklonien treten bei 45 % dieser         häufige Symptome sind Tremor (68–           Alzheimer-Demenz-Patienten mit
     Patienten auf [6]. Die zerebelläre        73 %), positive Pyramidenzeichen            positivem 14-3-3-Protein beschrie-
     Ataxie wird bei 28 % der Fälle gese-      (54 %), Halluzinationen (53–54 %),          ben, allerdings kein Patient mit HE
     hen [6]. Tremor tritt bei 28 % der        akinetischer Mutismus (53–55 %) und         oder PME [8, 16]. Eine Erhöhung des
     Patienten, positive Pyramidenzeichen      Persönlichkeitsveränderungen (50 %)         Liquorproteins ist typisch für HE

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                                                                                                                      STELLEN-
                                                                                                                      AUSSCHREIBUNG
(70 % der Patienten) [6], wobei nur 17 % der Patienten
eine erhöhte Zellzahl zeigen. Positive oligoklonale Banden
kommen bei 30 % der Patienten vor. 10 % der Patienten
mit HE haben triphasische Wellen im EEG (80 % bei CJE)
[16]. 7 % der Patienten mit HE zeigen epilepsietypische
Veränderungen [6]. Bei den meisten Patienten zeigt das
EEG generalisierte (80 %) oder herdförmige (22 %) Verlang-
samungen. Um eine PME abzugrenzen sind noch geneti-
sche Untersuchungen oder, bezüglich MERRF, eine Mus-
kelbiopsie zur Diagnostik der Red Ragged Fibers geeignet.

Zusammenfassend stellt sich die HE als gut therapierbare
progressive Demenz mit fluktuierendem Verlauf dar. Diese
Erkrankung ist mit in die Differentialdiagnose der CJE auf-
zunehmen.

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Korrespondenzadresse:
Ao. Univ.-Prof. Dr. med. Christoph Baumgartner
Univ.-Klinik für Neurologie
1090 Wien, Währinger Gürtel 18–20
E-mail: christoph.baumgartner@univie.ac.at

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