Strassenbau und Militär in der Schweiz zwischen 1750 und 1850

 
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14     Construction routière et armée | Costruzioni stradali e esercito

     Verkehr und Krieg im Raum

     Strassenbau und Militär in der
     Schweiz zwischen 1750 und 1850
     Militär und Verkehrswesen hängen voneinander ab; beide sind stark auf den
     Raum bezogen. In der Schweiz wurden aber kaum Strassen aus primär militä-
     rischen Gründen gebaut: Das bis ins 19. Jahrhundert kantonal organisierte Mili-
     tär war nie in der Lage, eine bestimmende Rolle zu spielen. Trotzdem sind die
     Beziehungen zwischen Militär und Strassenbau vielfältig. Ein wichtiges Binde-
     glied waren die Ingenieure, die ihr in französischen Diensten erworbenes Wis-
     sen in der Schweiz im Strassenbau anwendeten. Ihr Einfluss reichte weit über
     die Ingenieurtechnik hinaus.

     Hans-Ulrich Schiedt                                    sprechende Studien abstützen. Er ist für das 18.
                                                            und 19. Jahrhundert vielmehr eine Sondierung

     D
               er Zusammenhang von Verkehrswegen            im noch kaum erforschten Gebiet.
               und Militär respektive Krieg zwischen
               1750 und 1850 ist vielschichtig. Positiv     Verkehr und Krieg im Raum
     drückt er sich etwa im Sinne der Realisierung          Es ist zunächst der Raum, es sind die Möglich-
     militärisch motivierter Verkehrsbauten und der         keiten und die Bedingungen der Raumüber­
     Verteidigung der Verkehrsinfrastruktur aus. Ne-        windung, die die grundlegendste Klammer und
     gativ erscheint er, wenn man die Kriegsschäden         die gemeinsame Basis sowohl für den Verkehrs-
     betrachtet, die nicht nur in der Zerstörung der        wegbau und als auch für die militärischen Be­
     materiellen Verkehrsinfrastruktur, sondern auch        wegungen und die Militärkonzeptionen bilden.
     im Zerfall der gesellschaftlichen Organisation des     Die je eigenen Entwicklungen von Militär und
     traditionellen Unterhalts und des Strassenbaus         Verkehrswesen sind so stark auf den Raum be­
     lagen. Ebenso zwiespältig war die Funktion der         zogen, dass sie oft parallel zueinander erfolgten,
     Genieoffiziere. Sie waren wichtige Figuren des         auch ohne dass immer und überall konkrete, di-
     Trans­fers des technischen und organisatorischen       rekte Verbindungen bestanden hätten. Die Wirt-
     Know-hows, auf dem der Chausseebau seit der            schafts- und die Verkehrsbeziehungen inten­
     Mitte des 18. Jahrhunderts und noch der Kunst-         sivierten und beschleunigten sich parallel zur
     strassenbau der 1820er- und 1830er-Jahre be-           Entwicklung der militärischen Mobilität, parallel
     ruhte. Zu den Aufgaben der Genietruppen ge-            zur Entwicklung vom räumlich und saisonal be-
     hörte aber auch die Sprengung und Zerstörung           grenzten Geschehen hin zum raumgreifenden
     der Strassen und Brücken. So ging beispielsweise       Territorialkrieg.
     im Koali­tionskrieg 1798–1800 und im Sonder-           Die vorhandenen Strassen und Wege ergaben die
     bundskrieg 1847 die Mehrzahl der zerstörten            Bedingungen für den Auf- und Durchmarsch
     Brücken in der Schweiz auf das Konto der Ver­          und, nicht weniger wichtig, für den Nachschub.
     teidiger, die damit den gegnerischen Auf- und          Der Krieg war in vormoderner Zeit saisonal, wie
     Durchmarsch behinderten.1                              es auch die Transporte waren. Die Möglichkeit,
     Die Beziehungen zwischen den Verkehrswegen             einen beweglichen Krieg zu führen, beschränkte
     und dem Militär sind in mancher Hinsicht offen-        sich vor allem auf die Sommer- und Herbst­
     sichtlich, und noch öfter werden sie einfach un-       monate. Die Transporte und Truppenverschie-
     terstellt. Und doch gibt es für die Zeit vor dem       bungen hingen vom Futter für die Zugtiere und
     Eisenbahnbau kaum Literatur darüber. Der fol-          der Versorgung der Soldaten ab. Jede Armeefüh-
     gende Text kann sich denn auch nicht auf ent-          rung hatte sich mit der komplexen Logistik der

     Les chemins et l’histoire | Strade e storia 2006 | 2
Strassenbau und Militär        15

Transporte und der militärischen Raumaktionen          Die Verteidigung des Verkehrsraums
zu befassen. Entweder wurde die Verpflegung             Keine dieser säkularen Entwicklungen der
aufwändig transportiert oder an Ort und Stelle          Raumerschliessung des 18. und 19. Jahrhunderts
requiriert. Im letzteren Falle war aber die Trup-       ging in der Schweiz dominant vom Militär aus.
pen immer dann zum Weitermarsch gezwungen,              Allenfalls gaben militärische Erwägungen den
wenn die Gegend erschöpft war. Dies traf oft in         Ausschlag für die eine oder andere Linienfüh-
kurzer Zeit ein.2 Da liegt es auf der Hand, dass die    rung. Keine der neuen Chausseen seit 1740 und
nach­haltigen Verbesserungen der Strassennetze          kaum eine Kunststrasse der ersten Hälfte des
in der zweiten Hälfte des 18. und in der ersten         19. Jahrhunderts wurden in der Schweiz aber aus
Hälfte des 19. Jahrhunderts eine wichtige Bedin-        primär militärischen Gründen gebaut.5 Eine wich­
gung waren für die Vergrösserung und Mobilisie-         tige Ausnahme war die 1800–1805 gebaute Sim-
rung der Heere und den wachsenden Einsatz der          plonstrasse. Sie wurde jedoch aufgrund des mi­
Artillerie, deren Transporte über grosse Strecken       litärstrategischen Diktats von Frankreich reali-
auf gute Strassen angewiesen waren. Eine wich-          siert, dessen politisch-militärische Zielsetzung
tige taktische und strategische Vorkehrung lag          des Chausseebaus im 18. Jahrhundert allgemein
denn auch darin, in den nun entstehenden Chaus-         einen wichtigen Unterschied zum Strassenbau
see- und Kunststrassennetzen die eigene Beweg-          der Schweiz darstellte. Die bis ins 19. Jahrhun-
lichkeit zu sichern und die des Gegners einzu-         dert hauptsächlich kan­to­nal organisierten Wehr-
schränken. Suworow hat den Krieg nicht auf dem          organisationen der Schweiz waren nie in der Lage,
Schlachtfeld verloren, sondern auf den engen,           eine bestimmende Rolle im grossräumigen Infra-
steilen und abschüssigen Gebirgspfaden. Die             strukturbau zu spielen.
über­ragende strategische Leistung der gegne-           Bei der allmählichen Herausbildung einer schwei-
rischen französischen Truppen von Masséna und          zerischen militärischen Zentralbehörde im 19. Jahr­
Le­courbe war es, ihn von den Chausseen der            ­hundert waren es die beiden Kernbereiche der
Ebenen fernzuhalten.                                    militärischen Raumerfassung und Raumkont­
Die besseren Strassen erschlossen in der zweiten        rolle, der Festungsbau und die Kartografie, von
Hälfte des 18. und in der ersten Hälfte des             denen wichtige Impulse zur bundesstaatlichen
19. Jahrhunderts jenen Raum, boten jene Mög-            Integration ausgingen. Nicht zufällig waren un-
lichkeiten, die auch die Kriegsführung nachhaltig       ter den frühen Offizieren des Generalstabs und
veränderten, mobilisierten und intensivierten.3         vornehmlich der Genietruppen jene Ingenieur­
Die Zerstörungspotenziale wurden grösser. Chaus­        offiziere zahlreich vertreten,6 die auf Bundes-
seen und Kunststrassen bildeten bis zum Eisen-          und Kantonsebene auch mit der topografischen
bahnbau der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts         Landesaufnahme und in den entstehenden kan-
das Rückgrat der militärischen Bewegungen des           tonalen Verwaltungen mit dem Strassen- und
Landkriegs. Diese neue, saisonal weniger ein­           Brückenbau beschäftigt waren.
geschränkte Beweglichkeit hinterliess mit der           Sowohl die wichtigsten Hauptstrassen als auch
raumgreifenden Entwicklung der napoleonischen           später die Eisenbahnen wurden sukzessive in das
Kriege, in denen die Schweiz selbst zum Auf-            Festungssystem integriert, um so ihren Wert für
und Durchmarschgebiet und zum Kriegsschau-              die Verteidigung zu sichern und zu erhöhen. Da-
platz wurde, einen nachhaltigen Eindruck.               bei lösten neue Festungen die Burgen, Letzinen
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eröff-       und Stadtbefestigungen des Mittelalters und der
neten die Eisenbahnen den Militärs wiederum             Frühneuzeit ab. Sie sollten der wachsenden Feu-
neue Dimensionen der Kriegsführung.4 Diese er-          erkraft der Artillerie standhalten. An allen wich-
wiesen sich – im Zusammenwirken mit der Tele-           tigen Transitrouten der Schweiz entstanden Fes­
grafie – zuerst im amerikanischen Bürgerkrieg           tungswerke. Diese bezogen sich noch im 18. Jahr-
1861–1865 und dann in den italienischen und             hundert hauptsächlich auf die Städte des Ancien
deutschen Einigungskriegen der 1860er-Jahre             Régime: Genf, Bern, Solothurn, Zürich und Basel
und im deutsch-französischen Krieg von 1870/71          waren mit aufwändig gebauten Schanzen be­
als neue, noch um vieles potentere militärische         festigt.
Aufmarsch-, Transport- und Kommunikations-              Das zunehmend dichte Kunststrassennetz der
mittel. Sie revolutionierten das Kriegswesen ohne       1830er- und 1840er-Jahre und der schnelle Bau
Zweifel noch radikaler als der Chausseebau.             der Eisenbahnen seit Mitte der 1850er-Jahre wa-

                                                                          2006 | 2 Wege und Geschichte
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     ren gleichzeitig Voraussetzung und auch wich-
                                                            Le verrou de Saint-Maurice – un site hautement
     tige Prozesse einer sukzessiven Integration des
                                                            stratégique et bientôt le siège du bureau
     schweizerischen Raums. Entsprechend bezog sich
                                                            ViaStoria en Suisse romande
     der seit 1831 forcierte Aus- und Neubau von Fes­
     tungen auf den grösseren Raum. Für diese An­           C’est à l’époque gallo-romaine que les premiers
     lagen war bereits jene Konzeption der strate-          vestiges archéologiques attestent de l’occupation
     gischen Defensive im Zentralraum bestimmend,           du site de Saint-Maurice, autrefois Agaune (Acau-
     die schliesslich im so genannten Réduit ihre Voll-     nus). Il est une porte naturelle sur la vallée du
     endung finden sollte.                                  Rhône et un poste de contrôle inévitable pour
     Im Laufe des 19. Jahrhunderts entstanden neue          accéder à la rampe nord du col du Grand-Saint-
     Festungswerke beim Luziensteig, am Nord- und           Bernard, principale voie de franchissement des
     Südzugang zum Gotthard, bei Saint-Mau­rice be-         Alpes entre Rome et le nord de l’Europe. Station
     zogen auf die Walliser Pässe, in der Gondo­            de péage du Quarantième des Gaules on y perçoit
     schlucht an der Simplonroute und in den Zent­          une taxe sur toute marchandise (2,5 %) entrant
     ralalpen. Eine solche «Verzahnung» von vorher-         ou sortant du Valais. Agaune se trouve entre
     gehendem Verkehrswegbau und nachfolgendem              Tarnaiae (Massongex), capitale des Nantuates
     Festungsbau lässt sich beispielhaft am Gotthard        abritant le sanctuaire fédéral des quatre tribus
     verfolgen und dort heute noch ablesen.7                qui peuplaient le Valais – passage obligé sur le
     Eine gesamteidgenössische Verteidigungskon-            Rhône – et Octodure bourg véragre, à proximité
     zeption und neue Festungswerke wurden in den           duquel l’empereur Claude fonde Forum Augusti
     1860er-Jahren noch dringlicher, als der schwei-        Vallen­sium (Martigny).

     zerische Raum durch die nationalen Einigungen          Du rocher de Saint-Maurice sort une source au-

     von Deutschland und Italien eine zusätzliche Ak-       près de laquelle ont été bâtis de nombreux édi-

     zentuierung als Kleinstaat erfuhr. In dieser hier-     fices religieux. Aux autels romains dédiés aux

     zulande als akute Bedrohung wahrgenommenen             nymphes, à Mercure et au «dieu apaisé», suc-
                                                            cède, vers 380, un premier sanctuaire chrétien
     geopolitischen Situation überzeugten in der so
                                                            établi par saint Théodule, premier évêque du
     genannten Militär- oder Alpenstrassenfrage 1860
                                                            Valais. En 515, saint Sigismond, roi des Bur­
     zum ersten Mal dominant militärische Motive für
                                                            gondes, y fonde l’abbaye dont l’occupation et les
     grössere Strassenbauprojekte.8 Kernstück der
                                                            laudes perpétuelles n’ont cessé jusqu’à nos jours.
     neuen, in den 1860er-Jahren gebauten Militär-
                                                            A cette première basilique sept autres lui suc­
     strassen war ein «Kreuz» von Axen-/Gotthard-
                                                            cèdent au cours des siècles. Prochainement un
     strasse und Furka-/Oberalppass, welche die bis-
                                                            rapport sur les nombreuses fouilles faites en ces
     her isolierten Sperrstellen über die Zentralalpen
                                                            lieux permettra d’établir dans le détail la succes-
     verbinden sollten.9
                                                            sion des événements liés au site.

     Die militärische Tradition im Strassenbau
     aus dem Festungsbau
     In einer speziellen, wichtigen Hinsicht ergaben
     sich aber auch direkte Linien vom Militär zum
     Strassenbau. In Frankreich waren die Ausbildung
     und die Leitung des zentralstaatlichen Haupt-
     strassenbaus bis ins frühe 18. Jahrhundert selbst
     Teil des Festungsbaus. Das militärische Inge­
     nieurwesen des Festungsbaus und immer mehr
     auch der Artillerie umfasste unter anderem die
     grundlegenden technischen und administrativen
     Kenntnisse des Hoch- und Tiefbaus: der Mauer-
     bau und die Erdarbeiten, die Vermessung, die Kar­
     to­grafie, die Planung, der Schwertransport und
     die Anleitung und Durchführung von Gross­
     unternehmungen. Diese Kenntnisse erwiesen sich
     auch für den Strassenbau als grundlegend.

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                                                                                                                En haut: Le pont et
                                                                                                                le château de Saint-
                                                                                                                Maurice avant la cons­
                                                                                                                truction de la maison
                                                                                                                de douane. Litho­
                                                                                                                graphie de Jean du Bois
                                                                                                                et Briquet, vers 1830.
                                                                                                                (IVS documentation
                                                                                                                Valais, VS 18)

                                                                                                                En bas (page de
                                                                                                                gauche): Etat actuel
                                                                                                                du château, l'ancienne
                                                                                                                maison de douane
                                                                                                                (en cours de restau­
                                                                                                                ration) est à l'avant du
                                                                                                                château.
Un pont, un château, un fort...                        Le site est un point névralgique sur la route du
La configuration du terrain fait de Saint-Maurice      Simplon inaugurée en 1806. Pour la contrôler
un site voué au contrôle du passage et à la dé­        Guillaume-Henri Dufour imagine dès 1821 la
fense du territoire; ainsi, vers l’an 275 de notre     défense du verrou de Saint-Maurice: «en coupant
ère déjà, c’est ici qu’est arrêtée l’invasion des      le défilé … on ferme toute la vallée». Pour ce faire,
Alamans. Si durant tout le Moyen Âge le rayonne-       le château ne suffit pas, de sorte qu’en 1823–1825
ment spirituel du lieu prévaudra, ses fonctions        il conçoit les défenses que nous connaissons
militaires et viaires ne sont pas en reste.            aujourd’hui. A partir de 1831, de nombreux tra-
On établit un premier pont dans le courant du          vaux sont effectués dans tout le site, en rive
12ème siècle, il s’agit d’un ouvrage en maçonnerie     gauche comme en rive droite afin d’en assurer la
d’une seule arche; souvent réparé, il est entière-     défense. En 1844–1846 on construit un poste de
ment restauré à la fin du 15ème siècle. A cette        douane à l’avant du château, en face du pont:
époque, les événements (guerres de Bourgogne)          c’est au rez-de-chaussée de cet édifice que
nécessitent de renforcer les défenses du site,         ViaStoria établira son bureau suisse-romand au
Saint-Maurice devenant une ville frontière. Les        début 2007.
sept dizains du Haut-Valais organisent la défense
du pont: on édifie une première tour à l’emplace­      Un espace multifonctionnel – le nouveau bureau
ment du château actuel pour se prémunir des            de ViaStoria
avancées savoyardes et on dote le pont d’une           L’espace ViaStoria aménagé dans le bâtiment de
porte pour en défendre l’accès oriental.               l’ancienne maison de douane servira de bureau et
Au début du 16ème siècle on aménage les pre­miers      de centre d’information. Le visiteur pourra y con-
bâtiments du château, on peut y abriter une gar-       sulter l’inventaire des voies de communication
nison et ainsi contrôler les routes de Monthey au      his­toriques de la Suisse (IVS), en particulier les
nord et de Bex à l’est. Le château devient aussi la    éléments qui ont servi à sa réalisation: textes,
résidence du gouverneur du Bas-Valais. On              photos, cartes; une pièce sera réservée à la pré-
amélio­rera son séjour tout au long des 16ème et       sentation du projet Itinéraires culturels en Suisse,
17ème
        siècles.                                       une exposition y présentera des vues issues des
En 1693, un incendie ravage la ville, le château si-   12 itinéraires nationaux.
tué pourtant à une distance respectable, est aussi     Situé sur le passage de la ViaFrancigena, grand
détruit, il abritait une réserve de poudre qui a ex-   itinéraire culturel européen, les locaux de ViaStoria
plosé. On le reconstruit entièrement. Par la suite,    offriront ainsi un complément idéal au pôle cultu-
il ne changea guère, son entretien laissant même       rel et militaire qu’est le château des Gouverneurs
à désirer. L'Etat du Valais en devient propriétaire    qui avec l’abbaye fera de Saint-Maurice une étape
à sa création en 1815, mais il faut attendre 1831      incontournable des Itinéraires culturels en Suisse.
pour voir à nouveau d’importants travaux.                              Sandro Benedetti, ViaStoria Valais

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18     Construction routière et armée | Costruzioni stradali e esercito

     Es war dann in Frankreich im 18. Jahrhundert           fizier in französischen Diensten. Als solcher war
     aber gerade der Strassen- und Brückenbau, der          er an der Planung und Leitung von Befestigungs-
     sich zu einer der Leitlinien der sich herausbilden-    anlagen in Korfu beteiligt. Nach seiner Rückkehr
     den zivilen Ingenieurwissenschaft entwickelte.         nach Genf wurde Dufour 1817 Kantonsingenieur.
     In dieser Trennung von «Génie militaire» und           Er wirkte in führender Position bei der baulichen
     «Génie civil» waren die Schaffung eines Corps          Umgestaltung der Stadt mit, projektierte und lei-
     des Ponts et chaussées 1716 und die Gründung           tete unter anderem den Bau der weltweit ersten
     der berühmten École des Ponts et chaussées 1747        permanenten Drahtkabel-Hängebrücke. Gleich-
     wichtige Etappen.10                                    zeitig rückte er in der neu entstehenden schwei-
     In der Schweiz kam es zu keiner entsprechenden         zerischen Heeresleitung auf. Er wurde 1817 Mit-
     Entwicklung. Dazu fehlten sowohl die Ausbil-           begründer der eidgenössischen Militärschule
     dungsstätten als auch eine für die Trennung grund­     Thun und dort Genie-Instruktor. 1832 wurde er
     legende Herausbildung einer modernen Staats-           Oberstquartiermeister und 1833 Chef der trigono­
     verwaltung, in deren Tiefbauressorts sich die          metrischen und kartografischen Aufnahme der
     Zivilingenieure hätten betätigen können. Solche        Schweiz, deren 1842–1864 publizierte Blätter
     Ressorts entstanden in der Schweiz in den meis­        schliesslich nach ihm benannt werden sollten,
     ten Regenerationskantonen erst in den 1830er-          die so genannten Dufourkarten.
     und 1840er-Jahren und in manchen Gebirgskan-           Damit steht Dufour auch für alle jene Ingenieur-
     tonen noch später. Bis dahin blieb es hauptsäch-       offiziere, die nicht nur die in französischen Schu-
     lich bei der militärischen Tradition, beim Know-       len und Diensten erworbenen Kompetenzen in
     how-Transfer der in Frankreich ausgebildeten           die Schweiz brachten und im Tiefbau an­wendeten
     und dort in Dienst stehenden Soldoffiziere, die        und verbreiteten, sondern sie hier auch wieder
     nach ihrer Rückkehr eine wichtige Rolle im Stras-      in den militärischen Zusammenhang zurück-
     sen- und Wasserbau und in der topografischen           führten.15
     Landesaufnahme spielten.11                             Die Entsumpfungen, die Flussmeliorationen, der
     So realisierte beispielsweise Generalleutnant          Verkehrswegbau, die topografische Landesauf-
     Franz Ludwig Pfyffer von Wyher (1716–1802)             nahme und die Schaffung von schweizerischen
     nach seiner Rückkehr nach Luzern 1758–1761             Militärstrukturen und -strategien erscheinen in
     die Chaussee von Luzern bis Aarburg. Der ehe-          diesen Personen als miteinander verbundene,
     malige Soldoffizier vereinigte im ausgehenden          sich immer wieder gegenseitig bedingende Ele-
     Ancien Régime die Kenntnisse in der Anleitung          mente eines umfassenden Prozesses der Trans-
     grosser Arbeitsverbände, der Planung, der Karto-       formation des Raumes. Jene wirtschaftlichen,
     grafie und des Tiefbaus mit den politischen und        politischen und militärischen Aneignungen, jene
     wirtschaftlichen Interessen seiner führenden           Intensivierung und Beschleunigung der Raum­
     Patri­ziatsfamilie. Später erlangte Pfyffer mit sei-   beziehungen werden schliesslich auch grund­
     nem 1762–1786 entstandenen Relief der Ur-              legend für das Zusammenwachsen der Schweiz.
     schweiz europaweite Bekanntheit.12 Auch Jean-
     Samuel Guisan (1740–1801) stand zuerst als Of-         Résumé:
     fizier in französischen Diensten. In Cayenne war       Construction routière et armée
     er Chefingenieur für hydraulische und landwirt-        en Suisse entre 1750 et 1850
     schaftliche Arbeiten, bevor er in der Helvetischen     L’évolution de l’armée et celle des transports al-
     Republik zum Generalinspektor für Strassen-            lèrent souvent de pair; l’une comme l’autre sont
     und Brückenbau ernannt wurde, wichtige Stras-          fortement liées au territoire. L’amélioration des
     sen- und Brückenbauten selbst leitete und eine         réseaux routiers au 18e siècle fut une condition
     viel beachtete Anleitung für den Bau klei­nerer        du développement et de la mobilisation de l’armée
     Strassen verfasste.13                                  – en raison de la nécessité de transporter des armes
     Das späte, überragende Beispiel der französischen      lourdes, mais aussi de ravitailler les troupes. En
     Tradition bietet schliesslich der nachmalige Ge-       Suisse, toutefois, il n’est guère de route qui ait
     neral Guillaume-Henri Dufour 14 (1787–1875):           été construite en priorité pour des raisons mili-
     Ausgebildet an der zivilen École polytechnique in      taires. L’armée, dont l’organisation était princi-
     Paris und an der militärischen École supé­rieure       palement cantonale jusqu’au 19e siècle, ne fut chez
     d’application du génie in Metz wurde auch er Of-       nous jamais en mesure de jouer un rôle détermi-

     Les chemins et l’histoire | Strade e storia 2006 | 2
Strassenbau und Militär     19

                                                                                                             Guillaume-Henri
                                                                                                             Dufours Projekt für
                                                                                                             die Festung Saint-
                                                                                                             Maurice von 1823.
                                                                                                             (Archiv Jean-Jacques
                                                                                                             Rapin, aus: Mittler
                                                                                                             1992, 17)

Guillaume-Henri Dufours Festungsprojekt                Der Plan lässt in vielschichtiger Weise den Zusam-
für Saint-Maurice                                      menhang von Raum, Strasse und Festung hervor-
                                                       treten: Die Festung liegt in der Talenge, wo wich-
1823 stellte Guillaume-Henri Dufour, der damalige
                                                       tige Routen zwischen Frankreich, der westlichen
Chefinstruktor der Genietruppen, den Plan einer
                                                       Schweiz und Italien zusammenführen: die Stras-
Festung beim Rhoneübergang von Saint-Maurice
                                                       sen von beiden Seiten des Genfersees und die
vor. Der Simplon war als Operationslinie zwischen
                                                       Routen aus dem schweizerischen Mittelland. Sie
Frankreich und Italien seit der Neuanlage der
                                                       soll den Brückenübergang schützen und sowohl
Passstrasse 1800–1805 noch mehr ins Blickfeld
                                                       die Transitroute als auch das oberhalb ge­legene
der erst entstehenden schweizerischen Heeres­
                                                       Wallis kontrollieren – in Friedens- und in Kriegs-
leitung gerückt. Die Festung wurde in den 1830er-
                                                       zeiten. Ebenso verkörpert Dufour, der die Gelän-
Jahren unter der Leitung des Ingenieurs Salomon
                                                       deaufnahmen zum Plan selbst zeichnete, diesen
Hegner in enger Zusammenarbeit mit Dufour ge-
                                                       Zusammenhang: Er war Soldoffizier, Kartograf,
baut. Das realisierte Projekt entspricht in Details
                                                       leitender Zivilingenieur in der Genfer Staats­
nicht mehr den Plänen von 1823.
                                                       verwaltung, er rückte in der schweizerischen
Bei Hegner ist wie bei Dufour (vgl. S. 14) die fran-
                                                       Armee bis zum General auf, und er war eidgenös-
zösische Tradition nachzuweisen. Diese beginnt
                                                       sischer Politiker.
allerdings nicht beim Militär, sondern in der École
des ponts et chaussées, also nicht im «Génie mili-
taire», sondern im «Génie civil». Sie führt ihn wie
Dufour über die entstehenden modernen Staats-          Literatur
verwaltungen – Hegner war 1816–1831 im Kanton          Zur Festung Saint-Maurice vgl.: Jean-Jacques
Zürich Strassen- und Wasserbauinspektor – zu           Rapin, Festung Saint-Maurice: Riegel im Rhone-
den schweizerischen Genietruppen, als deren            ­tal, in: Max Mittler (Hg.), Die Geschichte der
Kommandant er die eidgenössischen Festungs-            schweizerischen Landesbefestigung. Zürich,
bauten leitete.                                        Köln 1992, 107–140.

                                                                            2006 | 2 Wege und Geschichte
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                                nant à cet égard. Ce n’est qu’à partir des années        (vgl. Anm. 2); Klaus-Jürgen Bremm, Von der Chaussee zur
                                1830 que le système des fortifications fut aligné        Schiene. Militärstrategie und Eisenbahnen in Preussen
                                                                                         von 1833 bis zum Feldzug von 1866 (Militärgeschichtliche
                                sur les voies de communication. Les ingénieurs,
                                                                                         Studien 40), München 2005.
                                qui appliquaient à la construction routière en           5     Eine Ausnahme stellen hier natürlich die direkten
                                Suisse un savoir technique qu’ils avaient souvent        lokalen Wege zu den Festungen und Kasernen dar, die
                                acquis en France en tant qu’officiers, constituaient     schon damals als reine Militärstrassen angesprochen
                                                                                         werden müssen. Diese sind im vorliegenden Artikel
                                un lien important entre la construction routière         ausgeklammert.
                                et l’armée. Guillaume-Henri Dufour (1787–1875)           6     Daniel Lätsch, Militärische Ausbildung und Aus­
                                en est un exemple éminent: celui qui allait de­          bildner in der Schweiz 1815–1870/71. Ein Beitrag zur Ge-
                                venir général de l’armée suisse marqua fortement         schichte der kantonalen und eidgenössischen Instruk-
                                                                                         toren, Rapperswil 1995, 74.
                                notre pays de son empreinte durant la première           7     Zum Festungsbau des 19. Jahrhunderts vgl. Kurt
                                moitié du 19e siècle comme ingénieur, topo-              Werner, Die Anfänge der schweizerischen Landesbefesti-
                                graphe et officier.                                      gung (Schweizer Studien zur Geschichtswissenschaft,
                                                                                         NF 10), Zürich 1946; Julius Rebold, Histoire de la cons­
                                                                                         truction des ouvrages fortifiés fédéraux édifiés au cours
                                Riassunto:                                               des années 1831–1860 et 1885–1921, Saint-Maurice 1982;
                                Esercito e costruzioni stradali                          Max Mittler (Hg.), Die Geschichte der schweizerischen
                                in Svizzera tra 1750 e 1850                              Landesbefestigung, Zürich, Köln 1992.
                                                                                         8     Kontext dieser Entwicklung waren auch ein erstmals
                                Essendo entrambi molto legati allo spazio terri-
                                                                                         vorhandener finanzieller Spielraum des Bundesstaates
                                toriale, lo sviluppo di esercito e vie di traffico av­   und das sukzessive Erstarken der Bundesstrukturen der
                                viene spesso su binari paralleli. Nell’Ottocento il      schweizerischen Heeresorganisation sowie mit dem Fö-
                                miglioramento della rete viaria favorì l’espan­          deralismus eine politische Struktur, in der das Interesse
                                                                                         der Alpenkantone stark zur Geltung kam.
                                sione e la mobilitatione dell’esercito facilitando
                                                                                         9     Vgl. dazu Hans-Ulrich Schiedt, Die Alpenstrassen-
                                il trasporto di armi pesanti e l’approvvigionamento      frage oder «Die prinzipielle Figur des Kreuzes», in: Wege
                                della truppa. In Svizzera furono però costruite          und Geschichte 2002, 34–39, sowie hier S. 26–33.
                                solo poche strade a scopi esclusivamente mili­           10 Vgl. dazu Antoine Picon, French architects and
                                                                                         en­gineers in the age of enlightenment (Cambridge
                                tari: fin nel 19o secolo l’esercito, organizzato
                                                                                         studies in the history of architecture), Cambridge 1988.
                                principalmente su scala cantonale, non ebbe mai          11    Diese französische Tradition wird zu recht allge-
                                un ruolo importante nel settore. Il sistema delle        mein angenommen. Allerdings ist sie im Detail noch nicht
                                fortificazioni venne orientato in rapporto alle vie      aufgearbeitet. In diesem Forschungsstand ist der Know-
                                                                                         how-Transfer hauptsächlich über die Biografien einzelner
                                di comunicazione solo a partire dal 1830. Gli in-        Protagonisten zu fassen.
                                gegneri, che spesso come ufficiali in Francia ave-       12 Andreas Bürgi, Der Blick auf die Alpen. Franz Lud-
                                vano acquisito un sapere tecnico che poi diffu­          wig Pfyffers Relief der Urschweiz (1762 bis 1786), in:
                                                                                         Cartographica Helvetica 18, 1998, 3–9.
                                sero anche in Svizzera, furono un importante
                                                                                         13 J[ean] S[amuel] Guisan, Bemerkungen über Erbau-
                                anello di congiunzione tra esercito e costruzioni        ung, Verbesserung und Unterhaltung der Wege vorzüg-
                                stradali. Ne è significativo esempio il generale         lich der Nebenwege. Den Landbauern Helvetiens gewid-
                                Guillaume-Henri Dufour (1787–1875) che come              met, Bern 1800. Franz. Original: Observations sur la
                                                                                         construction, l’entretien e l’amélioration des chemins,
                                ingegnere, topografo e ufficiale ebbe in Svizzera
                                                                                         notamment de ceux de traverse, 1800; zu Guisan vgl.
                                un ruolo importante nella prima metà dell’Otto­          Historisches Lexikon der Schweiz, Internetversion 2006.
                                cento.                                                   14 Zu Dufour vgl. Roger Durand (éd.), Guillaume-Henri
                                                                                         Dufour dans son temps, 1787–1875, Genève 1991.
                                                                                         15 Vgl. dazu Rudof Jaun, Das Eidgenössische General-
                                                                                         stabskorps 1804–74: eine kollektiv-biographische Studie,
Rechte Seite: Die Train-        Anmerkungen                                              Basel 1983; Lätsch 1995 (vgl. Anm. 6).
pferde waren aufwän-            1     Diese Information verdanke ich meinem Kollegen
                                Cornel Doswald.
dig geschirrt, ihre
                                2     Vgl. dazu Burkhard Köster, Militär und Eisenbahn
Haupt­last waren die            in der Habsburgermonarchie 1825–1859 (Militär­
zwei seitlichen «Colli».        geschichtliche Studien 37), München 1999, 39 ff.                             Hans-Ulrich Schiedt
(Aus: Benennung und             3     Zum Strassenbau in diesem Zeitraum vgl. Hans-
                                Ulrich Schiedt, Chausseen und Kunststrassen: Der Bau
                                                                                                             Historiker, arbeitet seit 1990
Beschreibung der
                                der Hauptstrassen zwischen 1740 und 1910, in: Schwei­                        bei ViaStoria. Er leitet die Abtei-
Haupt­bestand­theile            zerische Zeitschrift für Geschichte 56, 1/2006, 13–21.                       lung Forschung von ViaStoria
der eidgenössischen             4     Vgl. dazu: Dennis E. Showalter, Railroads and
                                                                                                             und ist Mitglied der Geschäfts-
Train-Pferdegeschirre,          Rifles. Soldiers, Technology and the Unification of
                                Germany, Hamden, Connecticut 1975; Köster 1999
                                                                                                             leitung.
Zürich 1844)

                                Les chemins et l’histoire | Strade e storia 2006 | 2
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