Südafrika vor der wm aufbruch mit schwierigkeiten
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3,50 Euro März 2010 151 zeitschrift zum Nord-süd-konflikt und zur konziliaren bewegung Südafrika vor der WM Aufbruch mit Schwierigkeiten Hoffnungsträger Fußball-Weltmeisterschaft Die Verdrängung von Obdachlosen und Straßenkindern Südafrika braucht einen Politikwechsel Die aufstrebende Regionalmacht Apartheid-Opfer: Warten auf Entschädigung Die HIV/Aids-Politik der neuen Regierung Gewalt gegen Frauen – eine Frage der Macht Welche Rolle spielt die Hautfarbe im neuen Südafrika?
Südafrika 4 • Kommentare Finanzmarktreform im Schneckentempo 5 • Südafrika am Scheideweg • Peter Wahl 16 Jahre nach dem Ende der Apartheid braucht der Hoffnungsträger ganz Afrikas einen Politikwechsel Antikoloniale Straßenumbenennungen: • Hein Möllers Kampf um Deutungshoheit • Armin Massing 8 • Ein Cup voller Hoffnung Die Erwartungen an die erste Fußball-Weltmeisterschaft 29 • Fairer Handel in Afrika auf dem Kontinent sind riesig • Martin Ling Kleinbauern unter Druck 10 • Abschieben und Aufpolieren Auch der Faire Handel kämpft in Südafrika Für die Fußball-WM werden Straßenkinder und Arme mit dem Erbe der Apartheid • Mandy Moussouris aus den Städten vertrieben • Joe Walker 12 • Eine WM für alle? 30 • Blickwechsel Acht Perspektiven aus Mankweng auf die Fußball-WM 2010 Jenseits der Klischees • Magdalena Freudenschuß und Peter Steudtner Ein Fotoprojekt über MigrantInnen in Südafrika • Mimi Chereno Ng'ok 14 • Eine aufstrebende Regionalmacht Südafrikas selbstbewusste Außenpolitik • Peter Meyns 16 • Warten auf Entschädigung 32 • Entwicklungshilfe-Diskussion Viele Opfer des Apartheid-Regimes sind immer noch Schillernde Fundamentalkritik marginalisiert • Marjorie Jobson „Dead Aid – Tödliche Hilfe“ von Dambisa Moyo sorgt für Aufregung • Andreas Rosen 17 • Mit Druck von der Straße Erfolge und Herausforderungen der Zivilgesellschaft im heutigen Südafrika • Patrick Bond 33 • literatur pur 19 • „Es ist ein tagtäglicher Kampf“ Der Hüter Interview mit der südafrikanischen HIV/Aids-Aktivistin • Diane Awerbuck Nonkosi Khumalo 21 • Race trouble 34 • rezensionen Die Rolle der Hautfarbe im Post-Apartheid-Südafrika Jürgen Bacia/Dorothée Leidig: • Kevin Durrheim und Kevin Whitehead Kauft keine Früchte aus Südafrika. Geschichte der Anti-Apartheid-Bewegung 23 • Eine Frage der Macht Trotz fortschrittlicher Gesetze sind Frauen in Südafrika Walter Eberlei: Afrikas Wege aus der Armutsfalle vielfältig diskriminiert • Gladys Ryan Boniface Mabanza Bambu: Gerechtigkeit kann es nur für alle geben. Eine Globalisierungskritik 25 • „Der Klimawandel ist das neue Aids“ aus afrikanischer Perspektive Ein Gespräch mit Michelle Pressend über Umwelt und soziale Bewegungen in Südafrika Astrid Messerschmidt: Weltbilder und Selbstbilder. Bildungsprozesse im Umgang mit Globalisierung, 26 • Überbordende Geschichten Migration und Zeitgeschichte Bedenkliche und vielversprechende Trends in Südafrikas Antonio Dal Masetto: Als wärs ein fremdes Land Literatur und im literarischen Leben des Landes • Peter Ripken Amir Hassan Cheheltan: Teheran Revolutionsstraße Georg Brunold (Hg.): Nichts als die Welt. Reportagen 28 • Verbotene Berührungen und Augenzeugenberichte aus 2500 Jahren „Ein schöner Ort zu sterben“ ist mehr als ein gut erzählter Krimi • Rezensiert von Michael Krämer 40 • Leserinnenumfrage Sie haben uns die Meinung gesagt Aufschlussreiche LeserInnenumfrage zum INKOTA-Brief 39 • netzwerk 42 • Impressum Dieser INKOTA-Brief erscheint mit freundlicher Unterstützung des Evangelischen Entwicklungsdienstes, von Misereor sowie der Stiftung Nord-Süd-Brücken. Fußballteam in einem Township außerhalb Johannesburgs Foto: iStockfoto/Cliff Parnell
blickwechsel / editorial Vor 30 Jahren, am 24. März 1980, wurde Erzbischof Oscar Arnulfo Romero in San Salvador ermordet. Er wurde zur „Stimme derer, die keine Stimme haben“ und widersetzte sich der Repression der herrschenden Oligarchie des Landes. Deswegen musste er sterben. Den Auftrag dazu gab Roberto D’Aubuisson, Gründer und bis heute unumstrittenes Idol der ultrarechten ARENA-Partei, die El Salvador bis zum letzten Juni re- gierte. Aus Anlass des 30. Jahrestages lädt INKOTA gemeinsam mit der Botschaft El Salvadors für den 30. März zu einer Veranstaltung über Monseñor Romero in Berlin ein (siehe Termine, Seite 43). Foto: Michael Krämer Liebe Leserin, lieber Leser, Warnende Stimmen finden im allgemeinen Stück vorangebracht, als moralische Instanz WM-Taumel indes nur wenig Gehör. Dabei so manchen Konflikt entschärft. wer die Menschen in Südafrika auf die kom- ist sicher, dass die Einnahmen die riesigen Doch längst noch ist das Erbe der Apartheid mende Fußball-Weltmeisterschaft anspricht, Ausgaben für Stadien und Infrastruktur nicht nicht in allen Bereichen überwunden. Das trifft immer wieder auf Stolz und Euphorie: ausgleichen werden. Geld, das fehlt für Bild der Regenbogennation, das Bischof Endlich ist Afrika Austragungsort dieses dringend notwendige Investitionen in die Desmond Tutu für das Postapartheid-Südafri- nach den Olympischen Spielen wichtigsten Infrastruktur der Townships oder für den ka geprägt hat, erscheint heute als pures Sportereignisses, und Südafrika kann der Ausbau des Bildungswesens und des Ge- Wunschbild. Zu ungleich verteilt ist die ganzen Welt zeigen, dass es in der Lage sundheitssystems. Zudem wurden ganze Macht der Farben. Millionen Schwarze sind ist, so ein Großevent zu organisieren. Sport- Gemeinden plattgemacht für die neuen Fuß- in die Mittelschicht aufgestiegen und einige lich sind die Erwartungen ebenso groß, und ballarenen und Zufahrtswege, Tausende von ihnen gehören zu den Reichen des wenn es schon nicht die Bafana Bafana, die Landes. Doch hat sich auch die Ungleich- zuletzt doch arg kriselnde Nationalmann- Südafrika vor der WM heit verschärft, sind die Armen bis heute schaft Südafrikas sein sollte, dann möge meist Schwarze. doch bitte ein anderes afrikanisches Team BewohnerInnen von Armenvierteln vertrie- Armut und Aids, Kriminalität und Korrupti- erstmals bei einer WM bis ins Halbfinale ben. „Für die südafrikanische Regierung on, Gewalt und Geschlechterungerechtig- oder gar ins Finale am 11. Juli 2010 in Jo- sind Slums ein Imageproblem“, schreibt Joe keit – die Probleme Südafrikas sind enorm. hannesburg kommen. Walker in seinem Beitrag über die Vertrei- Auch in der Politik verschärft sich die Kon- Auch sonst verbinden die Menschen enorme bung von Obdachlosen und Straßenkin- frontation. Hein Möllers sieht das Land „er- Hoffnungen mit der WM. Irgendwie träumt dern. neut an einem Scheideweg“. Bleibt zu hof- fast jeder davon, ein wenig abzubekommen Fast 16 Jahre sind seit dem Ende der Apart- fen, dass der dringend nötige Politikwechsel von den Milliarden, die für den Bau von heid vergangen. Vieles hat sich seither ver- gelingt. Südafrika hat eine bessere Zukunft Stadien, Verkehrswegen und Hotels ausge- ändert in Südafrika. Als aufstrebende Regi- verdient. geben wurden und werden, und vom Geld, onalmacht findet das Land weltweit Gehör, Ihnen eine interessante Lektüre dieses IN- das die TouristInnen im Sommer im Land am die demokratischen Strukturen sind gefes- KOTA-Briefs und Südafrika sowie den ande- Kap ausgeben sollen. Verständlich, ist die tigt, politische Teilhabe ist gesichert. Ganz ren afrikanischen Teilnehmern viele Tore Wirtschafts- und Finanzkrise doch auch hier besonders ist dies ein Verdienst von Nelson und ein erfolgreiches Abschneiden bei der stark spürbar und Südafrika bis heute von Mandela. Mit seiner Politik des Verzeihens WM wünscht immenser Armut gekennzeichnet. und Versöhnens hat er Südafrika ein gutes Michael Krämer INKOTA-Brief 151 • März 2010
Kommentare Finanzmarktreform im Schneckentempo Über zwei Jahre ist die Finanzkrise nun alt. Zwar wurde immer Demgegenüber hat die Bundesregierung sich bisher nicht einmal mal wieder ihr Ende verkündet, aber dann kamen erneut böse die Mühe gemacht, ein auch nur halbwegs kohärentes Reformpro- Überraschungen, wie der Bankrott Dubais und jüngst die Griechen- gramm vorzulegen. Es gibt lediglich einige vage Ankündigungen land-Krise. Weitere spektakuläre Pleiten sind nicht auszuschließen, und ein paar Einzelvorschläge, wie die Übertragung der Finanzauf- Spanien, Portugal und Irland geht es ganz schlecht. Aber auch sicht an die Bundesbank. deutsche Banken haben noch toxische Derivate von mindestens 80 Allerdings ist eine interessante Initiative dabei: Merkel hat sich Milliarden Euro in den Büchern. Und noch immer hängt das ganze für die Finanztransaktionssteuer (FTT) eingesetzt. Mit Ausnahme der System am Tropf billiger Kredite der Zentralbanken. Einige machen FDP haben alle Parteien Beschlüsse zugunsten der FTT gefasst. Die mit den Billigzinsen von Vater Staat zwar wieder saftige Renditen, FTT ist eine Umsatzsteuer auf den Handel mit allen finanziellen Ver- aber von einer Gesundung des Systems kann noch längst nicht die mögenswerten (also Aktien, Anleihen, Devisen, Derivate). Selbst Rede sein. bei einem Steuersatz von nur 0,1 Prozent würden angesichts der Auch die Weltwirtschaftskrise 1929, mit der der gegenwärtige gigantischen Umsätze auf den Finanzmärkten Hunderte von Milliar- Crash zu Recht verglichen wird, war mit dem Schwarzen Freitag den Euro Einnahmen entstehen. Genug um in wenigen Jahren die nicht vorbei. Bis 1933, also vier Jahre lang, ging der Absturz wei- Krisenkosten zu begleichen und darüber hinaus etwas für Umwelt ter – trotz mehrerer Zwischenhochs. und Entwicklungsländer zu tun. Und sie würde Spekulation zu Während die Krise weiter schwelt, kommen die bitter notwen- einem gewissen Teil zurückdrängen. digen Reformen des Finanzsystems nicht aus den Startlöchern. Da- Außerdem würden jene, die jahrelang das große Geld gemacht bei liegen durchaus brauchbare Vorschläge auf dem Tisch. Eine und den Crash verursacht haben, zur Kasse gebeten. Aber schon UN-Kommission unter Vorsitz von Nobelpreisträger Joseph Stiglitz wieder wird von der Bankenlobby versucht, mit bankenfreundlichen hat ein umfangreiches Reformpaket vorgelegt, das auch die Interes- Konkurrenzvorschlägen wie einem Bankensicherungsfonds der FTT sen der Entwicklungsländer berücksichtigt. Der G20-Gipfel in Pitts- den Wind aus den Segeln zu nehmen. burgh hat Maßnahmen angekündigt, deren Umsetzung zwar keine Ansonsten verlässt sich Berlin darauf, dass in Brüssel Reformen Revolution wäre, aber doch deutlich mehr Stabilität in die Finanz- auf den Weg gebracht werden. Dort sind mehrere Direktiven in märkte bringen würde. Vorbereitung. Aber die sind schon im Entwurfsstadium so beschei- Auch die Obama-Administration hat einen umfangreichen Re- den, dass sie die Finanzindustrie nicht beeindrucken. Das Monster, formkatalog präsentiert, darunter einige interessante Vorschläge wie Bundespräsident Horst Köhler die Finanzmärkte zu bezeichnen des Ex-Chefs der US-Zentralbank, Paul Volcker. Aber ob sie gegen pflegt, kann man damit jedenfalls nicht an die Kette legen. die Blockadepolitik der Republikaner und die Lobby der Wall Street Peter Wahl durchgesetzt werden können, ist ungewiss. Der Autor arbeitet bei WEED (Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung). Antikoloniale Strassenumbenennungen: Kampf um Deutungshoheit Wenn stramm rechte Internetseiten den europäischen Sklaven- Fregatten befanden sich hunderte eiserner Fußfesseln für ebenjenen handel sowie den Kolonialismus verharmlosen, ist das zwar verur- Handel. Er selbst bekam vor Reisebeginn die Erlaubnis, auf dem teilenswert, aber auch nicht weiter verwunderlich. Wenn solche Schiff „Moriaen“ (holl. Mohr) fünf oder sechs versklavte Kinder zum Stimmen jedoch in eigentlich seriösen Blättern wie der Frankfurter „Eigenbedarf“ mit nach Deutschland zu bringen. Die Fracht der Allgemeinen Zeitung (FAZ) und der Berliner Zeitung (BZ) zu finden zweiten durch von der Groeben nach Afrika geführten Fregatte be- sind, lohnt sich ein genaueres Hingucken. Die Debatte um die Um- stand aus knapp 300 Versklavten, die wie Vieh zum Verkauf in die benennung des Berliner Gröbenufers in May-Ayim-Ufer offenbart Karibik transportiert wurden. Zwischen 1683 und 1711 ver- von konservativer Seite einen Kampf um Deutungshoheit, den man schleppten die Brandenburger nachweislich 20.000 Menschen in so heute kaum mehr erwartet hätte. die Sklaverei. Von der Groeben wusste genau, was er tat und wel- Los ging es mit einem Beitrag von Martin Otto in der FAZ Anfang che Konsequenzen die Gründung von Groß-Friedrichsburg hatte, Januar. Darin wird der Namensgeber der kleinen Uferstraße in für die ihn Kaiser Wilhelm II. 1895 in der Hochphase des deut- Kreuzberg, Otto Friedrich von der Groeben (1657-1728), als „For- schen Kolonialismus mit dem Straßennamen ehrte. schungsreisender“ bezeichnet und die Umbenennung als „ein Stück „Sklaverei und Sklavenhandel sind Verbrechen gegen die linkes Biedermeier“ von „Kreuzberger Pfahlbürgern“. In der BZ legte Menschlichkeit, die zu allen Zeiten als solche hätten gelten sollen“, Götz Aly dann im Februar noch mal richtig nach: Die Initiatoren der heißt es in der – auch von der deutschen Bundesregierung unter- Umbenennung werden als „Altstalinisten“ beschimpft. Die durch von zeichneten – Abschlusserklärung der UN-Antirassismus-Konferenz der Groeben im Auftrag des brandenburgischen Kurfürsten gegrün- von 2001. Die Akteure heute noch mit einem Straßennamen zu dete Kolonie an der Küste des heutigen Ghanas bezeichnet Aly als ehren, verbietet sich. Doch die Umbenennung einer Straße nach „Koloniechen“, stellt die Umbenennung in eine Traditionslinie mit einer afrodeutschen Wissenschaftlerin und Dichterin, die sich kri- den Nationalsozialisten und diffamiert ihre Akteure – in Anlehnung tisch mit Rassismus und Kolonialismus beschäftigt hat, scheint eine an Nazijargon – als „Straßenschänder“. Wie nebenbei äußern sich gewisse Generation weißer Männer in Panik zu versetzen. Da wer- beide Autoren abschätzig über May Ayim (1960-1996) – offensicht- den dann auch schon mal Fakten verdreht oder gleich ganz frei er- lich ohne wirkliche Kenntnisse von Werk und Person. funden. Insoweit kann man der Debatte aber auch etwas Positives Man reibt sich die Augen ob so viel Furor. Wie kann es sein, abgewinnen: Sie weist darauf hin, dass die weiße Deutungshoheit dass die historisch gesicherten Fakten so grob ignoriert werden? zunehmend durch andere Perspektiven in Frage gestellt wird. Von der Groeben hatte den Auftrag, die Kolonie Groß-Friedrichs- Armin Massing Der Autor ist Redakteur des INKOTA-Briefs. Zugleich arbeitet er beim Berliner burg zu gründen, damit die Brandenburger von dort aus Sklaven- Entwicklungspolitischen Ratschlag (BER), der sich für die Straßenumbenennung handel betreiben konnten. An Bord der zwei von ihm geführten eingesetzt hat. INKOTA-Brief 151 • März 2010
Südafrika Hein Möllers Südafrika am Scheideweg 16 Jahre nach dem Ende der Apartheid braucht der Hoffnungsträger ganz Afrikas einen Politikwechsel Sechzehn Jahre sind seit den ersten freien Wahlen und dem Ende des als Vize die Alltagsgeschäfte geführt. Auch Apartheid-Regimes in Südafrika vergangen. Viel hat sich seither verän- in dieser Nachfolgerfrage zeigt sich ein dert, doch einige Hoffnungen wurden auch enttäuscht. Die weit Charakterzug Mandelas: die Loyalität. Mbe- ki hat den ANC in den komplizierten und verbreitete Armut verhindert bis heute die Herausbildung einer ge- konspirativen Verhandlungen vor 1990 auf meinsamen Identität für das gesamte Land. Ke Nako – Es ist Zeit, das die Linie Mandelas einschwören können. Motto der Fußball-WM, gilt auch für den Politikwechsel, den Südafrika dringend benötigt. Mbeki: Afrika auf Augenhöhe Der 11. Februar dieses Jahres 2010 war in haben. Die oft beschworene Nacht der lan- bringen Südafrika ein Gedenktag. Zwanzig Jahre gen Messer blieb aus. Er führte zusammen, Das herausragende Merkmal der Regie- war es her, dass der erste Schritt in die Frei- was nach dem Willen der alten Machthaber rungszeit von Thabo Mbeki – es ist gerade- heit getan wurde. An diesem Februartag nie zusammenkommen sollte. zu sein Projekt – war seine Hinwendung zu 1990 kam Nelson Mandela – bis dahin Auch die Wahrheits- und Versöhnungs- Afrika und die Heimkehr Südafrikas auf Staatsfeind Nr.1 – nach 27 Jahren aus dem kommission wird mit Mandelas Namen ver- dem Kontinent. Er prägte das Schlagwort Gefängnis frei, verbotene Parteien wurden bunden bleiben, nicht zuletzt, weil er sich der Afrikanischen Renaissance, erarbeitete zugelassen. Es begann ein Übergangspro- weigerte, unangenehme Stellen, die den mit NEPAD die politischen Leitlinien der zess, der fast vier Jahre dauern sollte. ANC belasteten, zu streichen, während er neuen Afrikanischen Union (AU) und ließ Der damalige Präsident Frederik de Klerk Schwärzungen in Protokollen seines poli- sich dabei von der Grundüberzeugung lei- hatte die Reißleine gezogen. Er hatte er- kannt, dass der Apartheidstaat, der auf ras- sischer Hierarchie und Ausschluss der Be- völkerungsmehrheit von politischer und ge- sellschaftlicher Entscheidung beruhte, so nicht mehr haltbar, bestenfalls noch einige Jahre fortzuführen war. Sein Ziel war, die Macht – mit der Bevölkerungsmehrheit – zu teilen, um die Kontrolle zu behalten. Mandela: Das Land versöhnen Es kam anders. Mehr als drei Jahre dauer- ten die Verhandlungen. Sie wurden immer wieder torpediert, und noch zwei Wochen vor den vereinbarten Wahlen stand nicht fest, ob Südafrika in seinem territorialen Be- stand halten würde oder von Beginn an mit Separatismus zu kämpfen hätte. Gatsha Buthelezi, Homelandchef von KwaZulu und Präsident der Inkatha-Freiheitspartei weiger- te sich, die Vereinbarungen der Verhand- lungen anzuerkennen, und besaß durchaus Nelson Mandela im Wahlkampf 1994: Ohne ihn wäre ein friedlicher Übergang vom Apartheid- das militärische Potenzial, einen politischen System zur Demokratie weniger wahrscheinlich gewesen Neustart Südafrikas wirkungsvoll zu stören. Foto: Peter Steudtner Es gelang buchstäblich im letzten Augen- tischen Gegners de Klerk zuließ. In seinen ten: Afrika soll kein Bittsteller sein, es hat blick, Buthelezi einzubinden. Der erfolg- Erinnerungen schreibt er, schon als Junge seinen Beitrag zur Zivilisation unserer Erde reiche Emissär Mandelas hieß übrigens Ja- habe er gelernt, einen Gegner zu bezwin- erbracht und leistet ihn auch heute. Die Völ- cob Zuma, heute Staatspräsident Südafri- gen, ohne ihn zu entehren. ker der Welt bedürfen einander. Dazu ist kas. Und noch etwas zeichnete ihn aus: Die eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe nö- Das zentrale Verdienst Nelson Mandelas – auch ironische – Distanz zur Macht, nicht tig. ist es, das Land zusammengehalten, durch nur in Afrika eine seltene Einsicht bei Politi- Doch der hochintelligente Mann hatte den alles andere als leichten Übergangs- kern. Er trat nach Ende seiner ersten Amtspe- wenig Gespür dafür, wo seinen Landsleuten prozess geführt und durch seine Haltung riode zurück, nicht ohne einen Nachfolger der Schuh drückte, und fand den Ton des des Verzeihens und Versöhnens Südafrika aufgebaut zu haben: Thabo Mbeki. Dieser gemeinen Volkes nicht. Schwer erklärbar vor Bürgerkrieg und Blutbad bewahrt zu hatte schon unter Mandelas Regentschaft ist, dass Mbeki als einziger der drei bishe- INKOTA-Brief 151 • März 2010
Südafrika rigen Präsidenten die Zweidrittelmehrheit dieser wegen schwerer Korruptionsvorwür- Doch Zuma überraschte alle. Nach den der Stimmen überschritt – mit weiterem Zu- fe ins Visier der Staatsanwaltschaft geriet. Wahlen legte er einen Start hin, für den gewinn bei seiner Wiederwahl (von 66,35% Der Prozess wurde schließlich niederge- auch der politische Gegner Respekt zollte. auf 68,68%). schlagen, weil das Gericht eine unzuläs- Seine ausgewogene Regierungsbildung und Stattdessen verlor Mbeki bei seiner Re- sige Einflussnahme des Präsidialamtes fest- Neustrukturierung fand allenthalben Aner- gierungsallianz aus ANC, dem Gewerk- stellte. kennung. Besondere Aufmerksamkeit erhielt schaftsverband Cosatu und der Kommunisti- Diese Schlappe nutzten die innerpartei- die Berufung von Trevor Manuel, Wirt- schen Partei SACP an Rückhalt. Sie warfen lichen Gegner Mbekis, Zuma gegen Mbeki schaftsminister unter Mbeki, in ein neue ge- ihm vor, dass er in seiner Wirtschafts- und zum neuen Präsidenten des ANC und damit bildetes Schlüsselministerium für die Koordi- Sozialpolitik die Armen vergessen hatte. traditionsgemäß zum Kandidaten des ANC nierung der gesamten Regierungspolitik und Die unter der Apartheid keine Chance hat- für das Präsidentenamt zu küren. Der ANC- die Einbindung des Vorsitzenden der kon- servativen Freiheitsfront Plus in die Regie- rung. Es zeigte sich schon vor den Wahlen 2009, dass Zuma stark an einer Einbindung dieser konservativen Gruppe gelegen war, um deren fachliche Kompetenz zu nutzen. Eine gemeinsame Identität für Südafrika Zuma kann zum Politiker werden, der die zwei Parallelwelten Südafrikas einen und dem Land eine gemeinsame Identität geben kann. Seine Vermittlungsfähigkeit hat er mehrfach unter Beweis gestellt, nicht nur auf nationaler Ebene, wie damals im Fall Buthe- lezi, sondern auch auf internationalem Par- kett bei der Vermittlung zwischen Hutu und Tutsi in Ruanda. Erste Bewährungsproben kamen schon im Juli 2009, zwei Monate nach Zumas Amtsantritt. Die Staatsbediensteten traten in den Ausstand. Es folgten die Chemie- und Bauarbeiter sowie die Bergarbeiter. Doch was den ANC noch stärker traf, waren die Alles andere als harmonisch: Der ANC-Kongress im Dezember 2007, bei dem Jacob Zuma Unruhen in den Townships, wo sich die Be- (links) Thabo Mbeki (rechts) stürzte Foto: INKOTA-Archiv völkerung gegen die Korruption und Unfä- higkeit der Verwaltung auflehnte. Die Wo- ten, sahen auch jetzt keine Verbesserung, Kongress im Dezember 2007 führte zu ei- chenzeitung Mail&Guardian titelte damals: obwohl nun „ihre“ Regierung die Macht ner seismischen Verschiebung in der Politik „Die Nation ist im Protest vereint.“ Zum Teil hatte. Südafrikas. Erstmals trat ein Kandidat ge- konnten die Unruhen nur durch massiven Während das Wahlprogramm von 1994 gen den amtierenden Präsidenten einer Polizeieinsatz eingedämmt werden. Aber (RDP, Reconstruction and Development Pro- ehemaligen Befreiungsbewegung an und anders als Mbeki ging Zuma in die Town- gramme) noch deutlich die Handschrift von setzte sich durch. ships und sprach mit den Leuten. Er bekräftig Cosatu und SACP trug, kam es 1996 mit Dieser Machtkampf offenbarte aber te das Recht auf soziale Proteste und Streiks, der neuen Leitlinie „Growth, Employment auch: Die entscheidenden Auseinanderset- verurteilte aber die damit verbundene Ge- and Redistribution“ (GEAR) zu einem ent- zungen im ANC werden immer noch in walt. scheidenden Politikwechsel. Im Vordergrund mehr oder weniger konspirativen Zirkeln Die Unruhen legten den Finger auf die stand nun eine schnelle Integration in die ausgetragen und nicht öffentlich und demo- Wunde: die unfähige und korrupte Verwal- Weltwirtschaft. Zentrales Instrument war die kratisch entschieden. Bemerkenswert ist al- tung. Das Schlagwort, das schon im Wahl- Privatisierung. Das Sozial- und Wirtschafts- lerdings auch, dass Mbeki umstandslos sei- kampf eine zentrale Rolle spielte, heißt ser- gefüge Südafrikas, das sich ja alles andere nen Posten räumte und, da er den nötigen vice delivery, die Bereitstellung grundle- als naturwüchsig entwickelt hatte, sollte sich Rückhalt durch die Partei nicht mehr hatte, gender Dienstleistungen für die ganze Be- nun im freien Spiel der Marktkräfte korrigie- auch als Staatspräsident zurücktrat. völkerung. Auf über 2.000 landesweit wer- ren. Drastischer drückte es ein südafrika- Die Entscheidung für Zuma wurde von den die informal resettlements geschätzt. nischer Kollege aus: Deck’ den Geladenen den Medien verrissen. Nicht nur wegen der Beinahe jede Woche brennt in diesen er- den Tisch reichlich, dann bleibt auch etwas offen gebliebenen Korruptionsvorwürfe, bärmlichen Siedlungen aus Blech, aufge- für die Bediensteten. auch wegen seines persönlichen Lebens- sammelten Lattenresten und Karton ein Stra- wandels – einen Vergewaltigungsprozess ßenzug ab, weil Kerzen Licht bieten, auf hatte er nur überstanden, weil das Gericht Paraffin-Brennern gekocht werden muss, wo Zuma: getrennte Fäden den Ausführungen der Klägerin nicht zwei- es kaum Strom, Wasserleitungen oder Toilet- verweben felsfrei folgen mochte. Ein Niedergang von ten gibt. Der zuständige Minister Sicelo Zum Verhängnis wurde Mbeki die Entlas- öffentlicher Moral, Staat und Demokratie Shiceka räumt ein, dass die meisten Ge- sung seines Stellvertreters Jacob Zuma, als wurde beschworen. meinden Südafrikas sich in einem Zustand INKOTA-Brief 151 • März 2010
Südafrika der Lähmung befinden und die Verwal- und eine ineffektive Verwaltung auf Vorder- tische Karte einzusetzen – und damit die tungen nicht funktionieren. mann gebracht. Nun ist sie die Premiermi- Spaltung der südafrikanischen Gesellschaft nisterin des Westkaps. zu fördern. Selbst die ihr gewogene Wo- Doch die nicht zuletzt von der deutschen chenzeitung „Mail&Guardian“ überschrieb Wie weiter? Ke Nako Presse begrüßte Helen Zille – sie ist eine anlässlich der Amtseinführung ihres Kabi- Dass Südafrika über Improvisations- und Enkelin des Berliner Milieu-Malers Heinrich netts einen Leitartikel: „Die Rückkehr des Organisationstalent verfügt, zeigen die Vor- Zille – spielt mit dem Feuer. Schon in ihrem weißen Mannes.“ Ganz allgemein zeichnet bereitungen zur Fußball-Weltmeisterschaft Wahlkampf schürten sie und ihre DA die sich 16 Jahre nach dem Ende der Apartheid im Juni 2010. Vergangene sportliche Groß- traditionellen Vorbehalte gegen die „schwar- eine heftige Rassismus-Diskussion ab, wel- ereignisse haben gezeigt, dass sie die ze“ Regierung, indem sie sich auf – durch- che die DA erheblich mitzuverantworten Chance bieten, die Nationsbildung zu för- aus verbreiteten – Amtsmissbrauch und Kor- hat. dern. Ke Nako steht als Motto über der WM 2010. Das Wort aus der Sotho-Spra- che bedeutet: Es ist Zeit. Das gilt auch für die Politik. Doch auch ein knappes Jahr nach seinem Amtsantritt ist noch nicht erkennbar, wohin die Regierung Zuma steuern will. KritikerInnen, aber auch eigene AnhängerInnen monieren immer häufiger: Es reicht nicht, dass der Präsident mit allen redet und dass er den Ausgleich sucht. Er muss auch klar definieren, welche Richtung er einschlagen, welche Ziele er verfolgen und wie er sie erreichen will. Hat Zuma überhaupt ein Konzept, wird immer lauter gefragt. Und die andere Frage: Gibt es eine Op- position, die die Regierung ernsthaft heraus- fordern kann? Hoffnungsträger war COPE, der „Congress of the People”, der sich nach der Wahl Zumas zum ANC-Vorsitzenden von der Partei abgespalten hatte. Er konnte einige politische Schwergewichte des ANC gewinnen. Die Gründung von COPE weckte Euphorie. Er sollte so viele Stimmen binden, dass der übermächtige ANC auf ein „nor- maleres“ Maß gestutzt würde und eine Op- position bekäme, die ihre Wurzeln im Wi- derstand hat. Nicht von ungefähr wurde die Gründung in Bloemfontein vollzogen, wo sich 1912 auch der ANC gegründet hatte. COPE wurde offensichtlich überschätzt. Von 15 Prozent plus x war die Rede. Doch bei den Wahlen 2009 hat die Partei gera- de einmal einen halb so großen Stimmenan- teil erreicht. Sie hat es nicht geschafft, sich landesweit zu verankern und als Alternative zum ANC zu präsentieren, zu unpräzise blieb das Wahlprogramm. Letztlich hat COPE nur jene erreicht, die von der Politik Mbekis profitiert und den Sprung in die neue Mittel- und Oberklasse geschafft hat- ten. Die große Überraschung bei den Wah len von 2009 war die „Democratic Alli- ance“ (DA) unter ihrer Präsidentin Helen Am Reichtumsgefälle zwischen Schwarz und Weiß hat sich bis heute nur wenig geändert Zille. Die DA wurde landesweit zweitstärks- Foto: Peter Steudtner te Fraktion und gewann das Westkap, das nun als einzige Provinz Südafrikas nicht ruption kaprizierte, welche die vorhande- Das alte Problem besteht also weiter: Die vom ANC regiert wird. nen Vorurteile der weißen Bevölkerung stets Regierungsallianz stellt gleichzeitig die Op- Helen Zille ist eine tüchtige und durchset- aufs Neue bestätigten. position. Kann aus dem ANC – genauer zungsfähige, vor allem aber umtriebige Po- Spätestens mit ihrem Amtsantritt im West- aus der Dreierallianz von ANC, Gewerk- litikerin. Als Bürgermeisterin von Kapstadt kap muss sie sich den Vorwurf gefallen las- schaftsverband Cosatu und der Kommunisti- hat sie erfolgreich die Korruption bekämpft sen, im Spiel um die Macht auch die rassis- schen Partei SACP – eine Bewegung entste- INKOTA-Brief 151 • März 2010
Südafrika hen? Reibereien zwischen den Partnern hat gestellt. Viel Erfolg hatte diese Strategie in zen versuchen, und sich stattdessen demo- es immer gegeben. Cosatu und SACP ver- der Vergangenheit nicht. Und auch jetzt, als kratischen Wahlen stellen. treten eine alternative Wirtschafts- und Sozi- die Streiks im vergangenen Juli ausbrachen, Wie tief Südafrika in der Krise steckt, alpolitik und haben andere Vorstellungen betonte Zuma gegenüber den Gewerk- wird sich erst nach der Fußball-WM zeigen. von der Umgestaltung des Landes. Sie schaften die Unabhängigkeit seiner Ent- Bis dahin wird die Euphorie darüber, als scheuen jedoch davor zurück – das zeigte scheidungen als Staatspräsident, der die erster afrikanischer Staat das Weltturnier sich erneut auf dem Cosatu-Kongress Ende Verantwortung für die Gesamtpolitik trage. auszutragen, den Alltag überdecken. Spä- letzten Jahres –, ihre Positionen als eigen- Die Dreierallianz beschert der Regierung testens nach dem Schlusspfiff droht Kater- ständige politische Kraft zu vertreten. Sie eine breite Grundlage, aber auch unbeweg- stimmung. Schönfärberei und Verdrängung fürchten, im Alleingang eine unbedeutende liche Strukturen. sind dann nicht mehr möglich. Dann muss Kraft zu werden, und setzen darauf, inner- KritikerInnen innerhalb und außerhalb auch Jacob Zuma zeigen, dass er in der halb des ANC mehr von ihren Ideen durch- der Allianz sehen denn auch den einzigen Lage ist ein Hoffnungsträger für den gesam- setzen zu können. Insofern haben sie auch Ausweg aus dem politischen Stillstand in ten Kontinent zu werden. Südafrika jeden- die Kandidatur Zumas als ihren Erfolg ge- der Ausdifferenzierung der Richtungen in falls steht erneut an einem Scheideweg. Ke bucht. Und genau das spiegelt die Schwä- der Allianz in konkurrierende Parteien. Vor Nako! che der südafrikanischen Linken wider. allem Cosatu und SACP müssten aufhören, Ob diese Rechnung aufgeht, sei dahin- ihre Programme über den ANC durchzuset- Hein Möllers ist Redakteur der Zeitschrift afrika süd. Martin Ling Ein Cup voller Hoffnung Die Erwartungen an die erste Fußball-Weltmeisterschaft in Afrika sind auf dem Kontinent riesig Wohl noch nie war der mediale Fokus so auf den afrikanischen Kontinent Nationalhelden auf den Punkt: Mandela: gerichtet wie nun rund um die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. „Francois, ich danke Ihnen dafür, was sie für Groß ist der Ehrgeiz Südafrikas, aller Welt zu beweisen, dass das Land unser Land getan haben!“ Pienaar: „Nein, Herr Präsident. Wir danken Ihnen dafür, durchaus in der Lage ist ein solches Großereignis durchzuführen. Doch was sie getan haben!“ Die Geste über- viele der überzogenen Erwartungen können gar nicht in Erfüllung gehen. zeugte auch viele Weiße, die ein Jahr zuvor Denn die Milliardeninvestitionen in Infrastruktur und Sicherheit sowie an den Wahlurnen eine vernichtende Nie- die große Euphorie und Freude gehen an den sozialen Missständen vor- derlage erlitten hatten und zweifelten, ob sie bei – die Kluft zwischen Arm und Reich ist auch nach Ende der Apartheid noch eine Zukunft im Land haben würden. weiter gewachsen. Mandela, der 27 Jahre im Gefängnis geses- sen hatte, erhob sich über die tiefen Gräben Es war eine Geste von historischer Be- Neuseeland und bis heute gilt der der südafrikanischen Gesellschaft. Das Süd- deutung weit über die Grenzen des Moment, als Mandela im Trikot der afrika als übergreifende Sportnation der Sports hinaus: Nelson Mandela, Süd- Rugby-Nationalmannschaft die Sie- Nachapartheid war geboren, die Hoff- afrikas erster schwarzer Präsi- gestrophäe dem weißen Ka- nungen auf eine goldene Zukunft weit über dent, begab sich in die Um- pitän Francois Pienaar den Sport hinaus waren ein Jahr nach dem kleidekabine der fast aus- überreichte, als große Ende der Apartheid gewaltig. schließlich aus Weißen be- Geste der Versöhnung setzten südafrikanischen zwischen Schwarz und Rugby-Nationalmannschaft, Weiß. John Carlin inspi- Fußball: erste Ansätze der streifte das Trikot des Spiel- rierte die Szene zu sei- Regenbogennation in der führers über und schwor nem Roman „Playing Apartheid-Ära die Außenseitertruppe auf the enemy – Nelson Genährt wurden die Hoffnungen bereits ein das Finale der Weltmeister- Mandela and the game Jahr später, als Südafrika beim Afrika-Cup schaft im eigenen Lande ein that made a Nation“, kurzerhand für das finanziell überforderte – das erste sportliche Großer- auf dem der derzeit in den Kenia als Veranstalter einsprang. Statt dem eignis in der Nachapartheid- Kinos laufende Holly- Sport der Weißen stand nun der Sport der Ära. Sensationell gewannen wood-Film „Invictus“ von Massen im Blickpunkt: Fußball. Gerade ein- die Springboks – einst Sym- Die Orlando Pirates aus Clint Eastwood basiert. mal vier Jahre nachdem der südafrikanische Soweto, einer der ältesten und bol für das Südafrika der größten Vereine Südafrikas Den Geist der Versöh- Fußballverband wieder in den Weltfußball- Apartheid – 1995 gegen Abbildung: Orlando Pirates nung bringt der damalige verband FIFA zurückkehren durfte, aus dem den haushohen Favoriten kurze Dialog der beiden er wegen der Apartheid erst 1976 nach INKOTA-Brief 151 • März 2010
Südafrika dem Aufstand von Soweto ausgeschlossen schoss. Williams erinnert sich, wie ihn Man- der 1996 mit Fiiiiiish-Rufen zu seinen Sturm- wurde. dela vor dem Spiel im Mannschaftshotel läufen animiert wurde. Das Sportministerium der Apartheid-Re- besuchte: „Er nahm mich in den Arm und Die achtbare Leistung mit dem Halbfinal gierung hatte den Fußball mit Missachtung meinte: Heute ziehen wir in den Krieg. Was einzug beim Confed-Cup letztes Jahr ist der gestraft. Das wiederum eröffnete gewisse auch immer passiert, denk daran, die gan- Strohhalm, an den sich die Fans der Bafana Freiräume: Gemischte Teams entstanden ze Nation steht hinter dir.“ Und in der Tat Bafana im Hinblick auf die WM klammern. dort früher als in allen anderen Sportarten. standen auch die schwarzen Fußballfans Denn die erwartete Erfolgsperiode nach Es dauerte allerdings bis 1977, dass ein hinter der neuen Nationalmannschaft, ob- 1996 blieb aus. Zu mehr als zwei WM-Teil- weißer Verein einen Schwarzen im Aufge- wohl sie selbst noch wenige Jahre zuvor nahmen 1998 und 2002, bei denen die bot hatte: Die Arcadia Shepherds in der von der südafrikanischen Nation als auch Jungs über die Vorrunde nicht hinauskamen, Hauptstadt Pretoria stellten unter dem Beifall ihre Idole von der weißen Nationalmann- reichte es nicht, und seitdem befindet sich die Truppe im freien Fall. In der FIFA-Welt- rangliste steht Südafrika derzeit auf dem 81. Rang, direkt vor dem kleinen Malawi, und für den letzten Africa-Cup in Angola Anfang 2010, an dem 16 afrikanische Mannschaften teilnahmen, schaffte man nicht einmal die Qualifikation. Niemand will sich ausmalen, dass die Bafana Bafana als erste Heimmannschaft die Vorrunde einer WM nicht übersteht. Schließlich ist die Fußballbegeisterung groß, überall im Lande wird gekickt, ob auf stau- bigen Dorfplätzen oder in den Townships. Und keiner weiß, wie stark sich ein Schei- tern Südafrikas auf die Stimmung des ganzen Turniers niederschlagen würde. Die Euphorie und Vorfreude ist riesig und ent- sprechend hoch die Fallhöhe. Zu hohe Erwartungen Was für die sportlichen Hoffnungen gilt, ist für die wirtschaftlichen Erwartungen bereits absehbar. Viele SüdafrikanerInnen waren nach dem Entscheid 2004 der Meinung, dass der WM-Boom für jeden und jede et- was abfallen ließe. Zwar hat das milliarden- schwere Konjunkturpaket rund um die WM (3,5 Milliarden Euro für die Stadien, 75 So wie bei der Nationalmannschaft selbst hat auch bei den Fans der Bafana Bafana Rassismus Milliarden Euro für Infrastruktur seit 2004) keinen Platz vermocht, die Weltwirtschaftskrise abzufe- dern, doch den Verlust von einer Million Ar- Foto: INKOTA-Archiv der Zuschauer Vincent Julius auf. „Fußball schaft ausgeschlossen waren. Jahrzehnte- beitsplätzen 2009 verhinderte es nicht. Und hat bei uns einen unreflektierten, fast selbst- lang hatte für sie deshalb nur der Ligafuß- wie viele von den 40.000 neuen Arbeits- verständlichen Anti-Rassismus an sich“, äu- ball und vor allem die beiden großen Klubs plätzen im Baugewerbe nach der WM er- ßerte der südafrikanische TV-Kommentar aus Soweto – die Orlando Pirates und die halten bleiben, ist offen, sicher ist nur, dass John Perlman einst in den 90er Jahren ge- Kaizer Chiefs – gezählt. das Land kaum mehr jemals wieder so viele genüber dem englischen Fanzine „When BauarbeiterInnen brauchen dürfte wie in Saturday Comes“. den letzten Jahren. Und weil Fußball die „Rainbow Nation“ Die Bafana Bafana Immerhin hat der einst auf Robben Island schon zu Apartheid-Zeiten ansatzweise vor- in der Krise gefürchtete Linksverteidiger und jetzige wegnahm, war es auch keiner Rede wert, Nun hatten sie die ethnisch gemischte Bafa- Staatspräsident Jacob Zuma ein neues 70 dass beim Africa-Cup 1996 ein Weißer, na Bafana vorbehaltlos als ihr Nationalteam Milliarden Euro schweres Infrastrukturpro- Neil Tovey, die Bafana Bafana (Die Jungs) akzeptiert. Rassismus, wie ihn spanische gramm ins Leben gerufen, mit dem Straßen, als Kapitän aufs Feld führte – beim Rugby und brasilianische Journalisten während Tunnel und Flughäfen gebaut oder renoviert damals undenkbar. Wie vor Jahresfrist Pi- des Confederation-Cups 2005 bei den und bis 2013 mehr als vier Millionen Jobs enaar bekam Tovey von Mandela den Sie- schwarzen südafrikanischen Fans wähnten, geschaffen werden sollen. Nur, für dieses gespokal überreicht und Mandelas Kluft hat da keinen Platz. Die als rassistische Buh- Infrastrukturprogramm gilt wie für das ver- konnte 1996 nicht mehr überraschen: Er rufe interpretierten Booooooth-Rufe galten gangene: Das Auseinanderklaffen der trug das Nationaltrikot von Tovey. dem bei Schwarz und Weiß äußerst popu- Schwere zwischen Arm und Reich wird da- Der Held des Finales war freilich der lären baumlangen weißen Verteidiger durch nicht verhindert. Über zehn Millionen schwarze Einwechselspieler Mark Williams, Matthew Booth, gewissermaßen der Nach- SüdafrikanerInnen vegetieren in erbärm- der beide Tore zum 2:0 gegen Tunesien folger von Offensivverteidiger Mark Fish, lichen Behausungen, 13 Millionen sind auf INKOTA-Brief 151 • März 2010
Südafrika Sozialhilfe angewiesen. Jeder dritte Südafri- mon. Ähnlich sieht das der Johannesburger soll ein positives Bild von dem Kontinent kaner verfügt über ein Tageseinkommen von Sozialwissenschaftler Dale McKinley, der zeichnen, der sonst häufig nur bei Bürger- maximal 15 Rand (ca. 1,35 Euro). eine falsche Prioritätensetzung kritisiert: Die kriegen, Völkermord oder Hungerkatastro- Freiheitskämpfer Marcus Solomon, der Investitionen kämen hauptsächlich TouristIn- phen in den Fokus der Medien rückt. Eine einst mit Zuma und Mandela auf Robben Is- nen und einer kleinen einheimischen Min- erfolgreiche WM, sowohl auf organisato- land einsaß, lässt kein gutes Haar an der derheit zu Gute, während Schulkinder in rischer als auch auf sportlicher Ebene, wo anstehenden Weltmeisterschaft. „Wenn ich den bedürftigsten Stadtteilen weiterhin kei- irgendein afrikanisches Team erstmals min- daran denke, wie viel Gutes wir mit dem ne vernünftigen Fußballplätze hätten, in destens das Halbfinale erreichen sollte, ist Geld tun könnten, das allein für den Bau Stadtteilen, in denen Fußball eine der ein- der länderübergreifende Wunschtraum der der WM-Stadien ausgegeben wird, werde fachsten Formen von sozialem Zusammenle- afrikanischen Fußballfans. Die Messlatte ich wütend“, erklärt der drahtige Siebzig- ben und Freizeitaktivitäten ist. liegt hoch und damit auch das Risiko der jährige. „Unsere Kinder können sich Sport Der Vorfreude der Fußballfans in Südafri- Enttäuschung. nicht leisten, weil es keine Infrastruktur dafür ka und dem Rest des Kontinents tun diese gibt, und wir verbauen Milliarden von Rand offensichtlichen Fehlentwicklungen freilich Martin Ling ist Auslandsredakteur der Tageszeitung für sinnlose Prestigevorhaben“, sagt Solo- keinen Abbruch. Die erste WM in Afrika „Neues Deutschland“. Joe Walker Abschieben und Aufpolieren Für die Fußball-WM werden Straßenkinder und Arme aus den Städten vertrieben Fußball-Weltmeisterschaften werden gerne als großes Fest der Völkerver- Für den Außenstehenden mag das Leben ständigung inszeniert, das alle Menschen schicht- und nationalitäten auf der Straße hoffnungslos erscheinen, übergreifend zusammenbringt. Stellvertretend für den ganzen Kontinent viele Kinder betrachten es jedoch als die bessere Alternative gegenüber einer Rück- möchte Südafrika bei der WM in diesem Jahr eine gute Figur machen. kehr nach Hause oder der Annahme von Straßenkinder, Arme und Obdachlose stören da nur. Sie sehen sich im Hilfsprogramme von Regierungsbehörden Zuge der WM Vertreibungen gegenüber. Insbesondere für die Straßen- oder Nichtregierungsorganisationen (NRO). kinder bringt dies zusätzliche Bedrohungen mit sich. Die Gesellschaft sieht Straßenkinder oft nur als ein Problem, das gelöst werden muss, Hinter der Vorfreude und dem Glamour der Straßenlebens zu entfliehen. Kleinkriminali- teilweise werden sie schlicht als „öffent- Fußball-WM in Südafrika verbirgt sich noch tät wird für die Kinder oft zur notwendigen liches Ärgernis“ angesehen. Dabei handelt eine andere Geschichte. 2010 ist nicht nur Überlebensstrategie. Viele sterben aufgrund es sich bei ihnen um eine marginalisierte für Südafrika, sondern für ganz Afrika ein der riskanten Lebensumstände. Gruppe, deren Verletzbarkeit zusätzlich da- bedeutendes Jahr. Der „vergessene Konti- nent“, der allzu oft nur mit Armut, Krieg und Hungersnot in Verbindung gebracht wird, möchte der Welt ein anderes Gesicht prä- sentieren. Für Südafrikas Straßenkinder ist die Fußball-WM jedoch keine schöne Erfah- rung. Denn die Behörden sind darauf be- dacht, dass die vielen erwarteten Touristen ihre Existenz weder zu spüren noch zu se hen bekommen. Eine Vielzahl von armutsbedingten Fak- toren haben dazu geführt, dass heute Kin- der auf den Straßen von Südafrikas Groß- städten leben. Das Leben auf der Straße kann verheerend und traumatisch sein. Stra- ßenkinder leben in der ständigen Gefahr von sexuellem Missbrauch, Vergewaltigung und Ausbeutung. Hunger, Gewalt und Krankheiten sind allgegenwärtig. Drogen- missbrauch, insbesondere Klebstoffschnüf- feln, ist weit verbreitet und wird von den Draußen Zuhause: Straßenkinder in Durban Kindern benutzt, um der harten Realität des Foto: Hermien 10 INKOTA-Brief 151 • März 2010
Südafrika durch erhöht wird, dass die Bevölkerung säubern“. Vor der Fußball-WM haben sich durch therapeutische Rehabilitation wieder und die Behörden sich großteils weigern, nun aber Ausmaß und Häufigkeit drastisch in die Gesellschaft zu integrieren. sie als das zu sehen, was sie sind: Kinder. gesteigert. Die südafrikanische Sunday Die AktivistInnen fürchten, dass weitere Sie versuchen, den extremen sozialen und Times berichtete Mitte Februar, wie die Poli- Razzien vor der WM, bei denen die Kinder wirtschaftlichen Missständen in ihren Town- zei in Durban die Kinder mit Gewalt aus in sogenannte „safe houses” fur Obdachlo- ships zu entfliehen. Neben Armut haben dem Stadtzentrum wegbringt und sie an se gebracht werden, zu verstärktem sexuel- Straßenkinder oftmals Gewalt und Miss- Autobahnen sowie in Außenbezirken und lem Missbrauch und Abrutschen in die Kri- brauch zu Hause und in ihren Gemeinden erlebt. Gewalt zieht sich wie eine Epidemie durch ihr Leben. Wenn sie versuchen, dies hinter sich zu lassen, finden sie sich in einer Straßenkultur wieder, die noch größere Ge- fahren birgt. Vertreibungen vor der WM Stadtplaner in Südafrika haben schon oft öffentlichen Raum kommerzialisiert. Dies führt zur Ausgrenzung der Armen und Be- nachteiligten. Menschen, die ohne Elektrizi- tät und Wasser im Schatten von funkelnden neuen Stadien leben, sind nicht das Bild, das die Regierung der Welt zeigen will. Die südafrikanische SlumbewohnerInnen- Bewegung „Abahlali baseMjondolo“ be- schuldigt die Regierung, für die Fußball- WM große Zwangsräumungsaktionen in den Armenvierteln durchzuführen, um Platz für die TouristInnen zu schaffen. Die Zeitung „The Guardian“ schrieb dazu in einer Re- portage: „Die Rolle der Armen scheint zu sein, in Hotels, Fußballstadien und anderen Die SlumbewohnerInnen-Vereinigung Abahlali baseMjondolo protestiert gegen die Vertrei- Einrichtungen, die den internationalen Be- bung ganzer Gemeinden für die Fußball-WM Foto: Abahlali baseMjondolo suchern dienen, hart zu arbeiten. Aber nach Feierabend müssen sie die Städte nicht registrierten Obdachlosenheimen, in minalität führen werden. Ein grundsätzliches verlassen und bekommen keinen Anteil am denen weder Betreuung noch Sozialarbeiter Problem ist, dass die staatliche Verantwor- Gewinn.“ vor Ort sind, aussetzt. tung für den Umgang mit den Straßenkin- Für die südafrikanische Regierung sind dern bei den Provinzen und nicht bei der Slums ein Imageproblem. Für diejenigen, nationalen Regierung liegt. Die Provinzre- die ihr Zuhause verlieren, ist dies allerdings Kinder organisieren sich gierungen neigen dazu, Straßenkinder als ein menschliches Problem. Die Austragungs- Ein Lichtblick in dieser schwierigen Lage ist eine Sicherheitsfrage und nicht als ein sozi- orte versuchen krampfhaft, die Straßen „zu „Umthombo Street Children” in Durban. ale Frage wahrzunehmen. säubern“, um sie für die WM sicher und at- Umthombo ist eine dynamische Organisati- Umthombo will die WM und das Medien- traktiv zu machen. Besonders betroffen da- on, die überwiegend von ehemaligen Stra- interesse dafür nutzen, dass Straßenkinder von sind die Straßenkinder. ßenkindern geleitet wird, die als Jugendar- mit einem menschlichen Gesicht wahrge- Die Überschrift eines kürzlich erschie- beiterInnen, ReferentInnen fur Öffentlich- nommen werden und die Gesellschaft ihnen nenen Artikels in der südafrikanischen Zei- keitsarbeit und GruppenleiterInnen ausge- hilft, anstatt sie abzuschieben und zu schika- tung „Mail & Guardian“, der die „Straßen- bildet werden. Sie revolutionieren den Sta- nieren. Ein wichtiges Event dafür ist die säuberungsaktionen“ der lokalen Polizei in tus Quo, wie Straßenkinder von der Gesell- „Straßenkinder-WM” mit Teams aus neun Durban aus Sicht der Straßenkinder be- schaft gesehen und behandelt werden. Von Ländern, die Umthombo Mitte März in Dur- schreibt, lautet „Zusammengetrieben und ihrem Stützpunkt aus, dem sogenannten ban mitorganisiert. Promis wie David Beck- verfrachtet.“ Die interviewten Kinder be- „Safe Space”, einem Rehabilitations- und ham gehören zu den Unterstützern. Der 15- schuldigen die Polizei, während den Razzi- Therapiezentrum für Straßenkinder im Stadt- Jährige Mbali drückt seine Hoffnungen auf en Gewalt anzuwenden. Sie laufen im All- zentrum, organisiert Umthombo Sport- und das Turnier so aus: „Die Menschen lachen gemeinen so ab, dass die Polizei die Kinder Kunstaktivitäten für Straßenkinder. uns immer nur aus. Mein Mund scheint ver- in Kleintransporter pfercht und erst weit vom Die Projekte sollen die Kinder stärken und schlossen, da sie über und für uns reden. Ich Stadtzentrum entfernt wieder laufen lässt. ihnen Alternativen bieten, um die Straße zu wünsche mir, dass sie uns die Chance ge- Die Kinder müssen dann zu Fuß wieder zu- verlassen und ein besseres Leben zu führen. ben, für uns selbst zu sprechen.” rückgelangen. Ein Marsch, der oftmals Tage Umthombo kritisiert, dass es der Polizei an dauert. sozialpädagogischer Ausbildung fehlt, um Aus dem Englischen von Katja Kellerer. Razzien sind keine Neuheit in Durban. mit den Kindern adäquat umzugehen. Die Die Polizei hat sie im Vorfeld von anderen Methoden der Polizei bei den Razzien ha- Joe Walker ist Gründer der Nichtregierungsorganisati- on Street Action (www.streetaction.org) mit Sitz in internationalen Veranstaltungen schon des ben schwere traumatisierende Folgen und London, die sich für die Rechte von Straßenkindern Öfteren angewendet, um die Straßen „zu machen den Versuch zunichte, die Kinder einsetzt und die Arbeit von Umthombo unterstützt. INKOTA-Brief 151 • März 2010 11
Südafrika Magdalena Freudenschuß und Peter Steudtner Eine WM für alle? Acht Perspektiven aus Mankweng auf die Fußball-WM 2010 Der Kartenvorverkauf ist seit Beginn des Jahres 2010 vereinfacht worden, Unternehmen aufgebaut würden, die dauer- für öffentliche Vorführungen zu nicht-kommerziellen Zwecken müssen haft bleiben. Außerdem wünsche ich mir mehr Entwicklung in unserem Land. Dann keine Übertragungsgebühren bezahlt werden und die Fertigung von Fan gäbe es mehr Jobs, das ist schließlich unser artikeln ist in vollem Gange. Darüber informiert uns die Webseite der Hauptproblem, dass es zu wenig Jobs gibt. FIFA. Über die Perspektiven der Bevölkerung auf die WM findet sich indes Die Regierung sollte aufhören, große Autos wenig. Was erwarten sie sich von der WM – für sich selbst und für Süd- zu kaufen, all diese schönen Autos für die afrika? Wie schätzen sie die Entwicklungen rund um die WM ein? Mo- Polizei oder andere. Stattdessen sollte sie mentaufnahmen aus einem Dorf im Nordosten des Landes. versuchen, irgendwas aufzubauen, das den Leuten Arbeit verschafft, Twenty Ten für die Mankweng bei Polokwane im Nordosten sie alle, unabhängig von ihrem Interesse für Gesellschaft und für das ganze Land etwas Südafrikas: Ein Hof, acht Menschen, die Fußball, gespannt entgegen. Die Erwar- bringt.“ dort leben, arbeiten, zu Besuch kommen tungen gehen dabei in durchaus unter- und im Laufe eines Nachmittags unsere schiedliche Richtungen. Fast alle verstehen Fragen nach ihrer Einschätzung der Welt- die WM als Chance für die ökonomische meisterschaft beantworten. Der Hof liegt Situation Südafrikas und erhoffen „mehr an der Hauptstraße der Universitätsstadt. Jobs“. Damit verbunden ist für Motshabi, Mehrere Zimmer umgeben den sandigen die den Telefoncontainer an der Straße vor- Platz, in der Mitte steht das Wohnhaus der ne betreibt und deren Familie die Zimmer Familie, die die umliegenden Räume ver- rund um den Hof gehören, ebenso wie für mietet. einige andere ein Rückgang der Kriminali- tät, die sie einhellig auf die weit verbreitete Armut zurückführen. Erwerbsarbeit für mehr Menschen, so Motshabi, würde die Situati- on grundlegend verbessern. Sie bringt dann Zumindest zwei Monate lang auch gleich auf den Punkt, dass die Schaf- wird es etwas besser fung von Arbeitsplätzen im Kontext der Busang, Motshabis jüngerer Bruder, der in WM-Vorbereitungen nicht unbedingt von der Nähe wohnt und nachmittags kurz vor- Dauer sein muss: beikommt, sieht die Situation etwas anders. Zwar erhofft auch er sich Arbeit durch die WM. Er will während der WM an die Tou- Ob sie sich die Spiele ansehen werden? ristInnen Souvenirs verkaufen. Dass er damit Tshepo will die Spiele verfolgen, meint ein gutes Stück Geld verdienen wird, da ist aber, keine Tickets mehr zu bekommen und er sich sicher. Ihm ist aber auch klar, dass hofft deshalb darauf, dass er dies vor Groß- sich der ökonomische Erfolg auf zwei Mo- bildschirmen tun kann. Lucia träumt dage- nate beschränken wird. gen davon, Tickets unter 100 Rand zu er- „Es wird Verbesserungen geben, da bin gattern. Tjiane schließlich interessiert sich ich mir sicher. Wieso? Es werden einige gar nicht für Fußball. Leute für 2010 eingestellt, nur für diesen Der Weltmeisterschaft in diesem Jahr, in „Ich bin mir nicht sicher, ob die Zeitraum. Danach werden sie ihnen sagen, Alltagsgesprächen zusammengefasst unter Arbeitsplätze auch nach der WM noch da dass der Vertrag ausgelaufen ist. In diesen dem Stichwort „Twenty Ten“ (2010), sehen sein werden. Am besten wäre es, wenn zwei Monaten können wir aber viel verdie- 12 INKOTA-Brief 151 • März 2010
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