Die Wegbereiterin - 15 Jahre Stiftung Parität Berlin
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4. Quartal 2020 Die Wegbereiterin – 15 Jahre Stiftung Parität Berlin Seite 8 Seite 14 Seite 45 Mitgliederversammlung Protestaktion Förderprogramm Erstmals digital und hybrid Hauptstadtzulage für alle Flexi-Budget Jugend Was macht ein Berliner Bär auf einem Haus der Nordseeinsel Föhr? Die Auflösung finden Sie auf Seite 41. Foto: Babette Brandenburg
Vorwort Die Wegbereiterin 15 Jahre Stiftung Parität Berlin M ancher möchte reich sein, einfach des Besitzes wegen. In der Sozialwirtschaft ist Geld Mittel zum Zweck. Und gerade bei uns, in der Stiftung Parität Berlin, geht es um Ideen, die sich mit Geld verwirklichen las- sen. So notwendig Geld ist – das allein Entscheidende ist es hier nicht. Das wird in den Beispielprojekten deutlich, die wir Ihnen im Schwerpunkt dieser Ausgabe zum Thema »15 Jahre Stiftung Parität Berlin« vorstellen. Ein ganz wesentlicher Gedanke dabei ist für mich: Unsere Stiftung trägt zur Weiterentwicklung des gesamten Netz- werks unter unserem Dachverband bei. Wie? Die meisten Auf- gaben sozialer Arbeit werden durch Entgelte und Zuwendun- gen finanziert. Was aber oft auf der Strecke bleibt, sind die Wege, die eigene Arbeit nicht nur umzusetzen, sondern sie zu entwickeln. Man sieht diese Wege zwar, kann sie aber nicht gehen. Etwa, weil der Haushalt genau an dieser Stelle nicht genügend Mittel vorsieht und Vorgaben nicht ausreichend Spielraum lassen. Hier kann unsere Stiftung einen entscheidenden Impuls setzen. Sie hilft dabei, innovative Ideen in die Tat umzusetzen. Von solchen Best-Practice-Beispielen wiederum können auch Barbara John Foto: Holger Groß / Der Paritätische Berlin andere Mitgliedsorganisationen unter unserem Dach profi- tieren, denn unsere Foren oder Netzwerke sind für den Aus- tausch da. Welche Projekte sind das? Da gibt es etwa das Jugendfor- und ohne körperliche Beeinträchtigungen. Ich habe selbst schungsschiff, ein Angebot der außerschulischen Jugend- einmal daran teilgenommen, ein Bild davon, das mich tan- arbeit, mit dem Schwerpunkt Naturwissenschaften, oder ein zend mit im Rollstuhl Sitzenden zeigt, hängt in meinem Büro. Netzwerk für Gesundheit und Bewegung oder die Integra- Diese Begegnung hat mir klargemacht: Das funktioniert, das tionspatenschaften. ist ganz real möglich. Es war sichtbar, spürbar, anfassbar, mit- Ein weiteres Beispiel ist das Gesprächstraining von schwer- machbar. Und vielleicht funktionieren solche Begegnungen behinderten Mitarbeitenden bei unserem Mitglied Silbernetz. und solch ein Miteinander auch in anderen Formaten unseres Sie sind am Telefon für ältere Menschen da, die sich einsam Alltags. Noch mehr innovative Ideen ermöglichen und dafür fühlen. Die Mitarbeitenden hören zu, fragen nach, lachen mit Impulse setzen, das will die Stiftung Parität Berlin. den Anrufenden und geben Rat oder Kontakt zu Hilfsnetzwer- ken, wenn sie danach gefragt werden. Daneben fördert die Stiftung Parität Berlin übrigens auch Fahrscheine für freiwillig Engagierte, den Bau von Häusern der Parität mit ihren vielfältigen Angeboten in verschiedenen Ihre Stadtteilen und zahlreiche Projekte für Kinder. Ein gefördertes Projekt ist für mich noch sehr präsent: die »Dance Days«. Bei diesem Rollstuhlfestival tanzten Menschen ganz selbstverständlich und entspannt zusammen, die das im Alltag leider nicht oder nur selten tun. Es sind Menschen mit Barbara John Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 3
Inhalt Foto: Sebastian Mehling Foto: Isabell Köller Landesgeschäftsstelle Freiwilliges Engagement Beim Salon Sozialer Träger diskutieren Teilnehmende vor Ort Senatorin Elke Breitenbach (r.) beteiligt sich an der und im Chat über Auswirkungen des Mietendeckels Seite 12 Gemeinsamen Sache – Berliner Freiwilligentage Seite 50 6 – 19 Landesgeschäftsstelle 44 – 47 Familie, Kinder und Jugendliche • Herzlich Willkommen beim Paritätischen Berlin! • Cabuwazi stellt Buch über Zirkustherapie vor • Was uns bewegt: Dr. Gabriele Schlimper • Der Verein AOB veröffentlicht Kalender • Mitgliederversammlung – ein Nachbericht „Wortbild 2021“ • Krise als Chance: Innovationen nachhaltig gestalten • Förderprogramm Flexibudget Jugend • Liga fordert Hilfen während Corona-Beschränkungen • Netzwerktreffen für Bildungsengagement • Salon Sozialer Träger: Mietendeckel als Chance? • FSJ bei Internationale Jugendgemeinschaftsdienste • Hauptstadtzulage: 50.000 Protestpostkarten an Regierungskoalition übergeben 48 – 49 Frauen • Vernissage: 70 Jahre Paritätischer Berlin in Bildern • Vertrauliche Geburt mit Hilfe von „Balance“ • Vielen Dank für die Geburtstagsgrüße – • „Weg der Mitte“ unterstützt Familien mit Frühchen Teil zwei • Großspende von Masken verteilt 50 – 56 Freiwilliges Engagement • #berlinbessermachen: Porträts Engagierter • Das waren die Freiwilligentage: 15 Beispielprojekte • Studie zum freiwilligen Engagement als Buch erschienen 20 – 21 Neues aus der Geschäftsstelle Bezirke • Paritätischer Berlin im Beirat der Jobcenter 57 Gesundheit • „FEMentoring“ stärkt Frauen mit Fluchthintergrund • Beratung für junge Erwachsene mit Krebs • Fünf Jahre Work for Refugees • Aktion für partizipative Stadtentwicklung am Moritzplatz 58 – 62 Menschen in Notlagen • Neue Gesamtkoordinatorin beim Berliner Krisendienst 21 – 23 Foren und Netzwerke • Sinnvolle Nutzung digitaler Medien im Strafvollzug • Netzwerktreffen „Neue Arbeitswelten“: neue Methoden • Prowo vernetzt Hilfen in einem Modellprojekt • Wirkungsorientierung: Informationen und Kurse • Helfende Hände im Tagestreff des HVD in Lichtenberg • Gangway: Warum nicht immer so? Was Corona 23 – 24 Gesamtverband positives bewirkt hat • Eigenanteil bei Pflegezuzahlungen begrenzen • Chancengleichheit in der Bildung fördern 63 – 67 Menschen mit Behinderung • Medizinisches Behandlungszentrum für Erwachsene 43 Ältere Menschen und Pflege mit Behinderungen eröffnet • Das neue Haus der Parität in Biesdorf • Lebenshilfe mit Kunstwerkstatt in Berlinischer Galerie Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 4
Inhalt 4. Quartal 2020 SCHWERPUNKT ParitaetBerlin Die Wegbereiterin 15 Jahre Stiftung Parität Berlin Foto: catlina film Foto: Marko Georgi/Mit-Mensch e. V. Menschen mit Behinderung Schwerpunkt Erstes Medizinisches Behandlungszentrum für Erwachsene Ein gefördertes Projekt von vielen: Rollstuhltanzfestival mit Behinderungen in Berlin eröffnet Seite 63 Berlin vom Verein Mit-Mensch Seite 36 • Corona-Umfrage in der Eingliederungshilfe: Seite 25 – 42 die Ergebnisse • 30 Jahre Berliner Behindertenverband • Vorstand Oswald Menninger: • Umweltschutz beim Verein die reha Von der Idee über die Gründung bis zu aktuellen Herausforderungen 68 Migration • Der Banker Dirk Brandes: • Netzwerk: Beratungsstelle kooperiert mit Dauerhafte Anlage statt kurzfristigem Feuerwerk Umzugsunternehmen • Förderprojekte: Häuser der Parität 68 – 71 Stadtteilarbeit und Bezirkliche Arbeit • Fahrkarten für freiwillige Engagierte bei • Modellprojekt zeigt innovative Kooperationsformen Mitgliedsorganisationen in Jugendhilfe auf • Pfefferwerk Stadtkultur mit Mühlenkiez-Buch • Projekt „KinderZukunft“: • 25 Jahre Stadtteilzentrum Steglitz Es geht weiter, aber anders • Vielfalt: 15 Beispielprojekte zeigen Bandbreite 72 – 76 Paritätische Akademie Berlin der Förderungen • Neues Führungsduo: • Besonderheit: Das Paritätische Haus Schöneberg Prof. Dr. Thomas Grießbach und Cengizhan Yüksel auf der Nordseeinsel Föhr • Termine Paritätische Foren • Weitere Veranstaltungen • Sonderprojekt: Beratung für Menschen mit Schulden 77 Bildungswerk Brandenburg 78 – 83 Service • Neue Mitglieder und Änderungen • Termine für Fördermittel-Direktanträge Wir nutzen eine Genderschreibweise, die auch • Seminarangebote der Servicestelle Barrierefreiheit und eine gute Lesbarkeit ermöglichen Zuwendungsrecht soll. Die Bezeichnung von Personengruppen schließt so- • Paritätjob: Stellen suchen und finden wohl männliche, weibliche als auch lesbische, schwule, • Impressum bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche • Fachgruppen und Arbeitskreise Menschen (LSBTI) explizit mit ein. • Telefonverzeichnis Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 5
Landesgeschäftsstelle Herzlich willkommen beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin! Marc Köster verantwortet das Referat »Partizipation und Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung« beim Paritätischen Berlin Wo ist das Projekt angesiedelt, und Projekt und oben genannten Dingen gibt es Partner? nach Wilmersdorf umgezogen. Das Bundesprojekt gehört zum Pro- gramm »Demokratie leben!« des Bun- Wie viele Namen von Kolleginnen und desfamilienministeriums und ist ein Kollegen konnten Sie sich bereits mer- Kooperationsprojekt mit den anderen ken? Wohlfahrtsverbänden. Ich leide unter einer Namensdemenz. Dafür kann ich mir Gesichter sehr gut Mit welchen Erwartungen sind Sie merken. Ich glaube, ich habe alle schon zum Paritätischen Berlin gekommen? einmal gesehen. Vorsichtshalber grüße Soweit ich mich erinnere – denn ich bin ich alle. ja schon seit Jahresbeginn 2020 beim Landesverband –, hatte ich mir erhofft, Wo hat man die besten Chancen, Sie dass die Arbeit in einem größeren Team nach Dienstschluss anzutreffen? bereichernder sein wird – und so erlebe Sie müssten mich bitte 20 Minuten vor- ich es auch. Beim Paritätischen Gesamt- her warnen, bevor sie mich zu Hause im verband hatte ich »nur« einen Kolle- Homeoffice oder auf dem Sofa antreffen gen und eine »halbe« Kollegin. Im Kita- Marc Köster Foto: Martin Thoma können. Die Zeit brauche ich, um das fa- referat sind wir doch ein kleines Team. miliäre Chaos verschwinden zu lassen. Außerdem war ich mir sicher, mit dem Umzug des Projektes etwas näher an Etwas weniger Projektentwicklung und Was sollten die neuen Kolleginnen die Praxis heranzurücken und auch die dafür mehr Alltagsgeschäft, das heißt, und Kollegen unbedingt von Ihnen Berliner Kitaszene besser kennenlernen mehr Kontakt zu den Fachkräften, den wissen? zu können. Mein Projekt richtet sich an Kitas und den Kindern. Und etwas Zeit, Dass es sein kann, dass ich sie grüße, Kitafachkräfte, da ist das von Vorteil. mich noch in Einzelthemen einzu- mich aber nicht an ihren Namen erin- arbeiten. nere (lacht). Auf welche Aufgaben freuen Sie sich besonders? Was gehört eher zum Was haben Sie in Ihr neues Büro mit- Pflichtprogramm? gebracht? Ich baue mit Unterstützung einer Agen- Meine Büroblume, die mich schon seit tur das erste Mal ein E-Learning-Ange- fast 20 Jahren beruflich begleitet – viel- bot für Kitafachkräfte und Kindertages- leicht ist die gar nicht echt. Einen Büro- pflegepersonen auf. Wenn man sich da stuhl und einen Schreibtisch. Und fünf dann im Internet durchklicken kann Umzugskartons mit Aktenordnern, die und das funktioniert, dann werde ich ich vermutlich so gut wie gar nicht nut- ein wenig stolz sein. Zumal ich vermute, zen werde. dass so ein Angebot gerade in Zeiten von Corona sehr gefragt ist. Auf das sich Sind Sie auch neu in die Stadt gekom- Wissenswertes anschließende Berichtswesen gegen- men, oder haben Sie nur den Job ge- Informationen zum Projekt »Partizipa- über dem Bundesfamilienministerium wechselt? tion und Demokratiebildung in der Kin- könnte ich zwar verzichten, aber es ist Ich habe den Stadtteil gewechselt. dertagesbetreuung« und zu den The- eben nötig. Davor habe ich gut ein Jahr beim Paritä- men Partizipation von Kindern, Demo- tischen Gesamtverband in der Oranien- kratiebildung, Kinderrechte, Vielfaltsge- Was wünschen Sie sich für Ihr erstes burger Straße gearbeitet. Davor zwölf staltung etc. finden Sie unter: Jahr beim Paritätischen Wohlfahrts- Jahre in Mitte im Deutschen Bundestag. www.kita.paritaet.org verband Berlin? Anfang des Jahres bin ich mit meinem Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 6
Landesgeschäftsstelle Was uns bewegt Von Dr. Gabriele Schlimper, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin Arbeiten in Coronazeiten Jeden Morgen pendeln die meisten von uns zur Arbeit. Zum Beispiel aus einem Bezirk mit noch etwas geringe- ren Covid-19-Zahlen in einen Bezirk mit vielen Covid-19-infizierten Menschen oder umgekehrt. Dann tritt ein Ver- dachtsfall bei Kollegen in Kita, Schule oder der Jugendhilfe auf – muss man sofort in Quarantäne, oder wer kann sich wo wie oft testen lassen, und kann er oder sie nach einem Negativergeb- nis wieder arbeiten? Wir sehen, dass sich die Mitarbeitenden in den Gesund- Dr. Gabriele Schlimper Foto: Nina Peretz heitsämtern der Bezirke mühen, zu tun, was nötig ist. Aber oft sind die Regeln nicht eindeutig, Anfragen werden erst stimmen, die eine Grundversorgung arbeit abgewendet, die Kündigung der spät beantwortet. Mehr Personal in der Leistungsberechtigten sicherstel- Rahmenvereinbarung verhindert, die den Gesundheitsämtern, einheitliche len. […] Die Grundversorgung der Leis- Finanzierung analog Kostenblatt gesi- Regeln in der ganzen Stadt und eine tungsberechtigten ist sicherzustellen.“ chert und weitere Verhandlungen für finanzielle Absicherung etwa für Ver- Lösungen für die Beschäftigten aus Ri- tretungspersonal würden den sozialen Finanzierung von Kitas sichern sikogruppen angeschoben. Trägern wesentlich bessere Rahmenbe- Ein Ausbaustopp von Kitaplätzen ist dingungen bieten. fatal – es fehlen Tausende Kitaplätze. Wir sind ein Berlin – oder nicht? Unsere Kitaträger sind bereit, zu bauen Hauptstadtzulage für alle! Wir haben Erfolg im Lockdown und Plätze zur Verfügung zu stellen. eine Kampagne gemeinsam mit unse- Im November kam der Lockdown „light“. Aber die weitere Finanzierung hat die ren Mitgliedsorganisationen gestar- Wieder stehen auch soziale Einrichtun- Senatsverwaltung für Bildung, Jugend tet: Sie richtet sich gegen die unglei- gen vor den Fragen: Wie können wir und Familie im Herbst auf das nächste che Bezahlung von Mitarbeitenden in Kitas und Schulen offen halten, wie las- Jahr verschoben. Beim Neubau aber der sozialen Arbeit. Denn Angestellte sen sich nötige Teilschließungen regeln? zählt jeder Monat. Kitaträger brauchen im öffentlichen Dienst erhalten nun Lassen sich Arbeits- und Besuchsrege- dringend feste Zusagen, um Grund- 150 Euro mehr pro Monat. Warum nicht lungen in Pflegeheimen diesmal bes- stücke halten zu können! Auch die zu- auch die Mitarbeitenden der freien Trä- ser gestalten? Wie können Kältehilfeein- sätzlichen Bundesmittel werden nicht ger? Diese Ungleichbehandlung für die richtungen unter Coronabedingungen ausreichen, um dem steigenden Be- gleiche Arbeit spaltet. Wir fordern die Hilfe anbieten? Wir müssen davon aus- darf an Plätzen nachzukommen. An Hauptstadtzulage für alle Mitarbeiten- gehen, dass die Einschränkungen noch dieser Stelle auch einige Worte zum den in der sozialen Arbeit. In den sozia- über den November hinaus gehen. Wir sogenannten Solidarbeitrag: Die An- len Medien haben wir diese Forderung haben deutlich gemacht: In allen Be- passungsverhandlungen hatten zum mit den Hashtags #NichtOkayR2G und reichen brauchen wir Schnelltests! Und Ergebnis, dass die Träger nach corona- #WirsindeinBerlin veröffentlicht, pa- es freut mich riesig, im Zuge der neuen bedingten Schließungen Rückzahlun- rallel Protestkarten zum Unterschrei- Regelungen einen wichtigen Erfolg er- gen an das Land Berlin leisten mussten. ben an unsere Träger geschickt und bei zielt zu haben. In die aktuelle Infektions- Wir verstehen den Unmut und die Irri- einer Unterschriftenaktion Ende Okto- schutzverordnung wurde nach unserem tation unserer Mitgliedsorganisationen. ber an die Regierungsfraktionen über- Hinweis die Ergänzung aufgenommen: Erst sicherte das Land Berlin die Finan- geben. So haben wir den Abgeordne- „Im Bereich der Eingliederungshilfe und zierung zu, dann verlangte es Geld zu- ten der Regierungsparteien unsere For- der Sozialhilfe kann die für Soziales zu- rück. Dennoch haben wir diese Kröte derungen deutlich gemacht. Wir er- ständige Senatsverwaltung Regelun- schlucken müssen. Dafür haben wir im warten, dass nachgebessert wird! Mehr gen durch Rechtsverordnung […] be- Gegenzug Folgendes erreicht: Kurz- auf Seite 14. Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 7
Landesgeschäftsstelle Premiere als Stream: Unsere Mitgliederversammlung 2020 Kann es eine Mitgliederversammlung geben, bei der sich die Mitglieder nicht versammeln? Der Paritätische Berlin hat es am 18. November 2020 gezeigt Neuer Veranstaltungsort: das bcc in Berlin-Mitte Foto: Martin Thoma D er Ort, das bcc Berlin Congress Center am Alexander- gut kennt und einander hilft, um wiederum anderen Men- platz, war groß genug erschienen für ein Treffen der schen zu helfen. Mitglieder mit Hygienekonzept und unter Wahrung Der Paritätische Berlin ist weiter gewachsen auf 803 Mit- der Sicherheitsabstände. Doch nach der Verschärfung des In- gliedsorganisationen, die ihrerseits wachsen und für stei- fektionsgeschehens ging das nicht mehr. Also waren nur Vor- gende Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge sorgen. Der Ver- stand, Geschäftsführung, Beirat, Wirtschaftsprüfer, Gebärden- band finanziert sich hauptsächlich über diese Beiträge. Die dolmetscherinnen, Produktionsteam und technische Helfe- Geschäftsführerin, Dr. Gabriele Schlimper, betonte, dass die- rinnen und Helfer anwesend, die für eine reibungslose Über- tragung des Ereignisses als Stream auf Youtube sorgten. Mehr als 150 Mitglieder verfolgten es dort live. »Sie, die Leistungserbringer, waren in allen sozialen Feldern mit In zwei Videobotschaften grüßten der Vorsitzende des Ge- einer Situation konfrontiert, die von heute auf morgen samtverbandes, Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, und Andreas Kac- Veränderungen erzwang. Dies haben Sie hervorragend gemacht.« zynski, Vorstandsvorsitzender des Paritätischen Landesver- Dr. Gabriele Schlimper, Geschäftsführerin Paritätischer Berlin bands Brandenburg. Sie gratulierten dem Berliner Verband zum 70. Jubiläum, dessen geplante Feier in der Berliner Phil- harmonie im Mai ebenfalls nicht stattfinden konnte, und be- ser Umstand seine wirtschaftliche Unabhängigkeit gegen- schrieben die Unverzichtbarkeit der freien Wohlfahrtspflege über der Politik garantiere und ihn gleichzeitig als Dienstleis- gerade in der Pandemie. ter für seine Mitglieder verpflichte. Außerdem stellten sich die Kandidatinnen und Kandida- Was #berlinbessermachen, so der neue Hashtag des Pa- ten für den Wahlausschuss in kleinen Filmen vor. Was bisher ritätischen Berlin, konkret bedeutet, führte sie in einer Zu- vor Ort entschieden wurde, wird dieses Mal per Briefwahl ent- sammenfassung beispielhafter Projekte aus verschiedenen schieden. Die offizielle Zustimmung der Mitglieder über die Arbeitsbereichen aus: vom Berliner Behindertenparlament Besetzung des Wahlausschusses und die Entlastung des Vor- bis hin zur gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft, stands stehen deshalb noch aus. die von 15 Mitgliedsorganisationen und dem Landesverband »Corona bringt die Eigenschaften hervor, die ein Mensch gegründet wurde. hat, die er aber nicht zeigen muss, wenn er nicht in der Krise Gabriele Schlimper beschrieb den »Drahtseilakt« im Um ist«, wandte sich Prof. Barbara John, die Vorstandsvorsitzende gang mit dem Coronavirus: Kitas im Notbetrieb und geschlos- des Paritätischen Berlin, an die Mitglieder. Beim Paritätischen sene Schulen. »Bitte bleiben Sie zu Hause« als Motto – aber habe die Krise vorhandene Potenziale geweckt: dass man sich was sollen beispielsweise obdachlose Menschen tun? Und Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 8
Landesgeschäftsstelle viele andere Fragen: Was plant der Bund? Was das Land? Was bedeutet die Schließung von Werkstätten, die zentrale Orte des sozialen Kontakts für die Menschen sind, die dort arbei- ten? Wo kriege ich Schutzausrüstung her? Wer darf in Kran- kenhäuser und Pflegeeinrichtungen noch rein? »Sie, die Leistungserbringer, waren in allen sozialen Feldern mit einer Situation konfrontiert, die von heute auf morgen Ver- änderungen erzwang. Dies haben Sie hervorragend gemacht«, stellte Gabriele Schlimper fest. Dass die Leistungen, die weiter erbracht werden – wenn auch anders als ursprünglich verein- bart –, auch weiter finanziert werden, konnte der Paritätische durchsetzen und in die Covid-Verordnung einbringen. Als »absolut inakzeptabel gerade in dieser Zeit« bezeich- nete es Gabriele Schlimper, dass Berlin die Hauptstadtzulage nur für seine eigenen Bediensteten zahlt. In einer großen Pro- testaktion hat der Paritätische Berlin bereits 65.000 Beschwer- depostkarten an Abgeordnete der Regierungsfraktionen übergeben. »Aber das wird es noch nicht gewesen sein«, so Gabriele Schlimper. Geschäftsführerin Dr. Gabriele Schlimper Foto: Martin Thoma Was lasse sich aus der Pandemie lernen? Erstens funktio- niere die soziale Arbeit auch in der Krise – aber anders. Zwei- tens zeigten sich bestehende Strukturprobleme nun in einem Situation so gut aus, dass der Vorstand erneut beschließen hellen Licht. Positiv sei Corona als Türöffner für die Digitali- konnte, den Mitgliedsorganisationen 600.000 Euro für allge- sierung. Auch dass die Paritätische Mitgliederversammlung in meine Investitionen und zusätzlich 200.000 Euro für die Digi- dieser Form möglich ist, hätte sie nie gedacht. talisierung zur Verfügung zu stellen. In deren weiteren Verlauf stellte Ingo Fehlberg, Wirtschafts- Zum Schluss dankte Prof. Barbara John allen, die vor Ort prüfer der Mazars GmbH & Co. KG, die geprüfte Jahresrech- und per Livestream bei dieser ungewöhnlichen Premiere an- nung 2019 vor und erteilte ihr einen uneingeschränkten Be- wesend waren, und fügte hinzu: »Ich wünsche mir in dieser stätigungsvermerk. Von der Arbeit des Beirats berichtete Form aber keine weitere Aufführung.« Und so lässt sich hof- dessen Vorsitzende Ria Schneider. Dr. Gabriele Schlimper fen, dass sich bei der Mitgliederversammlung 2021 wieder beschrieb den Wirtschaftsplan für 2021: 153.000 Euro Bilanz- hunderte Menschen am gleichen Ort versammeln können. gewinn sind geplant. Im aktuellen Wirtschaftsjahr sieht die Martin Thoma, freier Autor Blick in den Veranstaltungsraum Foto: Kathrin Zauter Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 9
Landesgeschäftsstelle Krise als Chance Warum es wichtig ist, gerade jetzt Innovation, Wirkung und Digitalisierung nachhaltig und gemeinsam zu gestalten D ie Coronasituation löst Wandel sungen und ein Umdenken erfordern, auf allen Ebenen aus. Haben wir dienlich. Innovativ sein kommt aber eben noch gedacht, der Spuk nicht über Nacht. Wir brauchen dazu ist bald vorbei, fragen wir uns vielleicht eine Lernkultur, die Fehler zulässt. Eine jetzt, wie viele Jahre es noch werden. Lernkultur gestalten alle gemeinsam, Der Wandel kommt zunächst von außen. nicht nur die Führung. Gerade in der Sozialwirtschaft sind die Die Krise kann auch dazu genutzt Auswirkungen spürbar. Er betrifft uns werden, um strukturelle Änderungen alle. Wir haben es uns nicht ausgesucht, anzugehen: Rollen und Zuständigkei- aber wir können mitbestimmen, wie wir ten anpassen, Entscheidungsprozesse in den sozialen Organisationen darauf überdenken, den Informationsfluss neu reagieren – zumindest, was das Mitein- Anne Jeglinski strukturieren sowie digitale Tools ein- ander angeht. Es kommt nun vermehrt Foto: Steffen Kauffmann führen und nutzen. Sowohl in der Krise auf Resilienz, kollaboratives Arbeiten als auch im Wandel entstehen neue Auf- und Vertrauen an. Neben vielen Schwie- gaben. Hier gilt es, in den Teams nach rigkeiten und Herausforderungen kön- agiler Führung unterstützen. Die Arbeit Menschen Ausschau zu halten, die diese nen in diesem Wandel auch Chancen an einem gemeinsamen Verständnis neuen Aufgaben nicht nur übernehmen stecken. der wichtigsten Werte kann das Wir- können, sondern dies auch wollen. Wer gefühl im Team stärken und helfen, kann eigentlich was gut? Das ist eine Bewusstsein für den Wandel ein Verständnis füreinander zu entwi- Frage, die wir stellen, um eigene vor- schaffen ckeln. Svenja Hofert, Autorin von »Agi- handene Ressourcen besser zu nutzen – Teams, Führungskräfte und Mitarbei- ler führen«, nennt hier Commitment, das geht aber nur, wenn nicht alle schon tende benötigen gerade jetzt Zeiten Feedback, Kommunikation, Fokus, Mut an der Belastungsgrenze sind. Dann gilt der Reflexion, denn ihr Arbeitsalltag und Respekt als die Werte, die in einem es, zu fragen: Was müssen wir wirklich verändert sich, das Tempo beschleu- Team maßgeblich sind. machen, und was können wir streichen? nigt sich, Verantwortung und Unüber- An einem gemeinsamen Verständ- sichtlichkeit steigen. Ein erster Schritt nis dieser Werte zu arbeiten, lohnt sich Den Wandel gemeinsam gestalten besteht darin, sich zu vergegenwär- schon deswegen, weil sie die Ressour- Wenn wir die Krise nutzen, um den Wan- tigen, in welcher Zeit wir stecken. Es cen stärken, auf die es derzeit ankommt. del gemeinsam zu gestalten, kommt er geht darum, die Herausforderungen zu Wir brauchen alle Resilienz. Wir benöti- nicht mehr von oben. Er kommt auch erkennen, vor denen wir stehen, und gen innere Klarheit und die Fähigkeit, nicht mehr von unten oder von außen. gleichzeitig ein Bewusstsein dafür zu zu priorisieren. Aufgrund der räumli- Wir haben uns den Wandel in dem Fall entwickeln, an welchen Stellen Wachs- chen Distanzen, die durch mobiles und zu eigen gemacht. Das geht aber nur, tum möglich ist. Ein weiterer Schritt be- digitales Arbeiten hervorgerufen wer- wenn jede und jeder Einzelne sich für steht darin, Mitarbeitende darin zu be- den, brauchen wir mehr Vertrauen in- die aktive Mitarbeit entscheidet. Das stärken, ihren eigenen Wirkungskreis einander und mehr Transparenz über geht nur, wenn jede und jeder Verant- zu erkennen. unsere Arbeitsprozesse. wortung übernimmt und dies nicht Was können wir selbständig entschei- Es gilt, auszuhandeln, was diejenigen, nur von der Führung erwartet. Es geht den? In welchen Bereichen haben wir die führen, und jene, die geführt wer- dann nicht mehr darum, wer was falsch die Macht, den Wandel mitzugestalten? den, brauchen. Denn es nutzt nichts, macht, sondern darum, wie wir es ge- Wo sind Grenzen und Außenfaktoren, über Nacht auf Selbstorganisation zu meinsam besser machen können. die wir nicht ändern können? setzen, wenn niemand geklärt hat, was das eigentlich genau heißt. Die Krise als Chance nutzen New Work und agile Führung Die Krise als Chance zu nutzen, ist ein unterstützen Innovativ denken, Lernkultur Prozess, an dem beide Seiten betei- Was wir ändern können, ist die Art, einführen und Strukturen anpassen ligt sind: Führungskräfte und Mitarbei- wie wir arbeiten und vor allem, wie wir Den Fokus auf Innovation für die Weiter- tende. Damit auch weiterhin ein gutes dabei miteinander umgehen. Dabei entwicklung von Arbeitsprozessen zu Ergebnis erbracht werden kann und können uns Ideen aus New Work und richten, ist in Zeiten, die große Anpas- Motivation vorherrscht und nicht Frust, Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 10
Landesgeschäftsstelle brauchen Mitarbeitende und Führungs- also die Menschen, für die wir soziale tiger sein, die gemeinsamen Ziele, wie kräfte Zeiten, ihre Akkus wieder aufzu- Organisationen gründen. Positive Um- Wirkung, die wir anstreben, klar zu de- laden. Das können Unternehmen und brüche aus der Krise zu gestalten, ist finieren und sich darauf zu fokussieren. Organisationen fördern. Warum sie das möglich. Es erfordert aber eine neue Art Es wird außerdem immer wieder darum fördern sollten, erklärt sich von selbst: des Denkens. gehen, den Spielraum zu erkennen, den Es ist eine Investition, die sich mehrfach Im derzeitigen Wandel ist davon aus- wir haben, und ihn auszufüllen. für die Mitarbeitenden und damit auch zugehen, dass die Zeiten eher rauer wer- Anne Jeglinski, Leiterin der Geschäftsstelle Bezirke, für die Zielgruppen auszahlen kann, den, auch finanziell. Es wird noch wich- Innovation und Wirkung An besonders schutzbedürftige Gruppen denken Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Berlin fordert kontinuierliche Hilfe während der Coronabeschränkungen D ie Liga der Spitzenverbände tionen eine den Erfordernissen ange- gen die Betreuung der vulnerablen der Freien Wohlfahrtspflege passte Gestaltungsfreiheit unter Pande- Zielgruppen gewährleisten. in Berlin begrüßt den Kurs der miebedingungen und vor allem finan- Um die Betreuung in allen Bereichen Bundesregierung und der Länder. zielle Sicherheit. Auf der Grundlage der sicherzustellen, muss einrichtungs- Die unbedingte Vermeidung von An- guten Erfahrungen aus den ersten Mo- übergreifender Personaleinsatz für die steckungsrisiken ist das Gebot der naten der Pandemie erwarten wir die Grundversorgung der betreuten Men- Stunde. Wir tragen die beschlossenen klare Zusicherung, dass eine der Pan- schen ausdrücklich ermöglicht werden. Beschränkungen zur Bekämpfung der demie angepasste Arbeit keine negati- Mit der neu erfolgten Einfügung des SARS-CoV-2-Pandemie gänzlich mit. ven Auswirkungen auf deren Finanzie- Paragrafen 5 Abs. 3a in die SARS-CoV-2- Zugleich müssen wir gemeinsam mit rungen hat. Infektionsschutzverordnung ist hier ein Politik und Verwaltungen sicherstellen, Unsere Mitarbeitenden sind hoch- wichtiger Schritt im Bereich der Einglie- dass hilfe- und schutzbedürftige Men- motiviert und zugleich extrem gefor- derungs- und der Sozialhilfe gegangen schen auch und gerade in dieser Krise dert, ihre Zielgruppen optimal durch worden, der nun schnell und möglichst weiterhin die nötige Unterstützung er- die Krise zu begleiten. Dafür gehen sie bürokratiearm ausgestaltet werden halten. Es geht um Kinder und Jugend- notgedrungen besondere Risiken ein. muss. liche, Menschen mit Behinderungen, Unsere Träger brauchen dafür die Rü- Die Träger der sozialen Arbeit und von Armut Betroffene, Menschen mit ckendeckung der politisch Verantwort- deren Mitarbeitenden wollen die Ver- psychischen Erkrankungen, chronisch lichen in der Stadt. So müssen sich die sorgung der Menschen in ihren Einrich- Erkrankte und Pflegebedürftige, Men- Gesundheitsämter bei der Testung und tungen und Diensten weiter sicherstel- schen ohne Wohnung und viele mehr. Nachverfolgung auf die in diesen Be- len. Dafür brauchen sie ihrerseits Unter- Die Liga Berlin fordert den Berliner reichen Tätigen konzentrieren und ent- stützung! Dazu gehört auch, dass trotz Senat deshalb auf, bei der Erstellung sprechend hoch priorisieren. Pandemie und mobilem Arbeiten die neuer Verordnungen und Maßnahmen Ein Beispiel: Aufgrund der neuen Stra- Erreichbarkeit von Jugendämtern, So- auf Landesebene dafür Sorge zu tra- tegie zur Entlastung der Gesundheits- zialämtern und Teilhabediensten ver- gen, dass die Lage dieser Gruppen be- ämter, die Entscheidung über Quaran- lässlich sichergestellt ist. sonders berücksichtigt wird. täne den Arbeitgebern überlassen, dür- In der Liga der Spitzenverbände der Unser gemeinsames Ziel muss es fen zunehmend mehr Mitarbeitende Freien Wohlfahrtspflege in Berlin ko- bleiben, dass auch während der Be- nicht mehr zum Dienst erscheinen. So operieren Arbeiterwohlfahrt, Landes- schränkungen Menschen in Not zuver- können stationäre Einrichtungen in der verband Berlin e. V., Caritasverband für lässig umfassende Hilfe, Beratung und Erziehungs-, der Eingliederungs- und das Erzbistum Berlin e. V., Diakonisches Schutz erhalten. Die Verbände und ihre der Altenhilfe ihre Betreuungsleistun- Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Mitgliedsorganisationen sehen sich in gen aber nicht sieben Tage 24 Stunden Oberlausitz e. V., Paritätischer Wohl- der Pflicht, entsprechende Angebote sicherstellen. fahrtsverband LV Berlin e. V., DRK Lan- unter Wahrung des Infektionsschutzes Unsere Einrichtungen brauchen mit desverband Berliner Rotes Kreuz e. V. weitgehend offenzuhalten und dort, den Gesundheitsämtern gut abge- und die Jüdische Gemeinde zu Berlin wo nötig, alternative Betreuungs- und stimmte Konzepte, die der jeweiligen KdöR. (gekürzte Fassung) Beratungsangebote zu schaffen. Dazu Arbeit Raum geben und auch in Qua- benötigen unsere sozialen Organisa- rantänesituationen in den Einrichtun- Oliver Bürgel Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 11
Landesgeschäftsstelle Mietendeckel als Chance für Trägerwohnungen? In der Veranstaltungsreihe Salon Sozialer Träger besprachen Teilnehmende in einer eine hybriden Diskussion die Auswirkungen des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen Teilnehmende der Diskussion vor Ort Foto: Sebastian Mehling E in Salon unter Coronabedingun- Podiumsdiskussion am 2. September Schwarz, führten in kurzen Vorträgen gen bietet ein ungewohntes Bild: 2020 diskutierten zum Thema Mieten- in das Thema ein. Bartels beschrieb Im großen Konferenzraum der Lan- deckel, genauer über die Auswirkungen allgemein die Entwicklungen nach In- desgeschäftsstelle des Paritätischen des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im krafttreten des Mietendeckels. Zwar Wohlfahrtsverbands Berlin verteilten Wohnungswesen in Berlin, kurz Mieten- habe dieser tatsächlich für eine deut- sich nur sieben Gäste. Weitere 50 nah- WoG. liche Entlastung vieler Mieter gesorgt, men über einen Internetlivestream teil Darunter waren Dr. Sandra Ober- die rechtliche Unsicherheit sei jedoch und diskutierten im Chat mit. meyer, von der Senatsverwaltung für groß und die verfassungsrechtliche Oft hatte der Termin verschoben und Stadtentwicklung und Wohnen, und Situation noch völlig ungeklärt. Viele die Planung geändert werden müssen, Dr. Gabriele Schlimper, Geschäftsführe- Vermieter spekulierten darauf, dass der sagte Regina Schödl, Fachreferentin für rin des Paritätischen Berlin. Der Staats- Mietendeckel keinen Bestand habe, Eingliederungshilfe beim Paritätischen sekretär für Arbeit und Soziales, Alexan- und schrieben ungedeckelte Schat- Berlin, zur Einführung. Nun konnte er der Fischer, hatte leider wegen Krank- tenmieten in die Mietverträge, die endlich – in veränderter Form – statt- heit absagen müssen. Daniela Radlbeck, dann nachgezahlt werden sollen. Ob finden. Fachreferentin für Wohnungsnotfall- in einem solchen Fall zum Beispiel das Die Salons Sozialer Träger organi- hilfe beim Paritätischen Berlin, mode- Jobcenter für Transferempfänger die siert der Paritätische Berlin zusam- rierte die Veranstaltung. Nachzahlungen übernehmen würde, men mit der Agentur Inklusiv Woh- stünde in den Sternen. Der Mieterver- nen im Rahmen der vom Gesamtver- Entlastung, Unsicherheit und ein hofft darauf, dass das Bundesver- band ausgerichteten und angeregten überraschende Vorteile fassungsgericht die Situation durch ein Veranstaltungsreihe »Gutes Wohnen Die Anwälte für Mietenrecht Sebas- Okay zum Mietendeckel klärt. Prielipp für alle – soziale Träger als Partner der tian Bartels, vom Berliner Mieterver- ging konkreter auf die Auswirkungen Wohnungswirtschaft«. Die Gäste der ein e. V., und Jan Prielipp, von SKW für Trägerwohnen ein. Für sie gilt der Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 12
Landesgeschäftsstelle Mietendeckel nicht. So würden die Trä- IV beziehen, an. Das müsse unbedingt Grundproblem der mangelnde Wohn- ger nach Jahren der Verdrängung auf verhindert werden. Man könne nicht raum sei. Nach wie vor müssten Men- dem Wohnungsmarkt zum Teil plötz- erwarten, dass sie Geld für eventuelle schen im betreuten Wohnen bleiben, lich wieder zu gefragten Mietern, weil Nachzahlungen zurücklegten. »Hartz- weil sie keine eigene Wohnung finden. sie höhere Mieten zahlen dürfen. Jan IV-Haushalte sind keine Sparhaushalte«, Dieses Problem werde durch den Mie- Prielipp empfahl, diesen Wettbewerbs- sagte Dr. Gabriele Schlimper. Die neuen tendeckel nicht gelöst. vorteil zu nutzen. ungewohnten Vorteile für Trägerwoh- Die Diskussion machte die Chancen nungen bestätigte sie – wie auch an- und die Notwendigkeit für viele Träger Das Grundproblem: Zu wenig dere Diskussionsteilnehmer. Trotzdem deutlich, mehr Wohnungen im betreu- Wohnungen gebe es weiterhin Kündigungen, weil ten Wohnen zu sichern, indem sie Mie- Dr. Gabriele Schlimper schloss sich der die Eigentümer an andere Gewerbe zu ten zahlen, die über den Vorgaben des Warnung vor einer möglichen Kündi- höheren Preisen vermieten können. Dr. Mietendeckels liegen. Es wurde aber gungswelle von Menschen, die Hartz- Gabriele Schlimper hob hervor, dass das auch angesprochen, dass man nicht die eigene soziale Ausrichtung konterkarie- ren und die Mieten in die Höhe treiben Hybride Veranstaltung: 50 weitere Personen nahmen über einen wolle. Livestream und im Chat teil Foto: Sebastian Mehling Dr. Gabriele Schlimper: Der Zivilgesellschaft vertrauen Neben der neuen Situation für Träger und der weiter allgemein schwierigen Lage durch den fehlenden Wohnraum kamen vor allem zwei Themen zur Spra- che: die hohen Bodenpreise, die dem Neubau günstiger Wohnungen im Weg stehen, und die hohen Gewerbemieten, deretwegen besonders Beratungsstel- len gekündigt werden. Über das Pro blem bestand Konsens. Über die Frage, ob der Versuch einer Deckelung auch bei den Berliner Gewerbemieten mach- bar und sinnvoll sein könnte, gingen die Meinungen auseinander. Sandra Obermeyer erkannte die Pro- bleme an. Der Wohnungsbau in Berlin sei deshalb auf einem Höchststand. Die städtischen Gesellschaften hätten die besonderen Bedarfsgruppen dabei im Blick. Zur Deckelung von Bodenpreisen habe das Land »Ideen«. Um Gewerbe- mieten einzuhegen, gibt es eine Berli- ner Initiative im Bundesrat, die dort al- lerdings keine Mehrheit findet. In der Schlussrunde beschrieb Dr. Ga- briele Schlimper, wie der Paritätische Berlin in der schwierigen Lage seine Ak- tivität erweitert und eine Wohnungs- baugenossenschaft gegründet hat: »Ich nenne es Selbsthilfe 2.0: Wir bauen jetzt selbst.« Sie appellierte an das Land Ber- lin, »der Zivilgesellschaft zu vertrauen« und soziale Projekte bei der Gestaltung von Wohn- und Sozialraum einzubin- den. Damit sei Berlin bisher immer gut gefahren. Martin Thoma, freier Autor Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 13
Landesgeschäftsstelle Übergabe von 50.000 Protestpostkarten »Hauptstadtzulage für alle!« Der Paritätische Berlin hat mit vielfältigen Aktionen auf die Ungleichbehandlung in der Auszahlung hingewiesen und eine Zahlung für alle gefordert Übergabe der Postkarten an die Fraktionsvorsitzenden Foto: Holger Groß S eit dem 1. November 2020 erhal- Veranstaltungen, wie dem Zukunftsdia- Für eine Protestaktion haben wir ten Beschäftigte im öffentlichen log der Linken, in SPD-Gesprächen etc., 100.000 Karten drucken lassen und an Dienst in Berlin eine sogenannte gegen die einseitige Bevorzugung ge- 500 Mitgliedsorganisationen aus dem Hauptstadtzulage von 150 Euro monat- wendet. Bereich Kita mit rund 45.000 Betreu- lich. Das hat der Senat am 8. September Über den Beschluss zur Hauptstadt- ungsplätzen verteilt. Mitarbeitende wie 2020 so beschlossen. Die Zulage wird zulage sind wir genauso empört wie Eltern haben die Karten mit der Forde- auch den Beschäftigten der Eigenbe- die Vertreterinnen und Vertreter unse- rung »Hauptstadtzulage für alle« unter- triebe und der Betriebe nach Paragraf 26 rer Mitgliedsorganisationen, und wir schrieben. Die ersten 50.000 Protest- LHO gewährt. werden nicht aufhören, uns zu positio- postkarten wurden am 27. Oktober Der Wohlfahrtsverband Berlin hat die nieren, wie unter anderem in der rbb- 2020 vor dem Roten Rathaus an Vertre- Hauptstadtzulage für den öffentlichen Abendschau vom 18. September 2020 terinnen und Vertreter der Regierungs- Dienst direkt nach dem Bekanntwer- oder im Brief an die jugendpolitischen koalition übergeben. Die Fraktionsvor- den der Pläne und seither immer wie- Sprecherinnen und Sprecher im Abge- sitzenden Raed Saleh (SPD), Silke Gebel der kritisiert. Gemeinsam mit der Liga ordnetenhaus. Viele unserer Mitglieder (Bündnis90/Die Grünen) und Cars- haben wir im Mai 2020 auf einer Pres- haben sich bereits ebenso kritisch zu ten Schatz (Die Linke) nahmen sie ent- sekonferenz Heldenprämie und Haupt- Wort gemeldet und protestiert. Das be- gegen. stadtzulage als Ungleichbehandlung grüßen wir sehr, denn nur gemeinsam Rund 120 Personen hatten sich für die kritisiert, haben uns dazu in diversen können wir erreichen, dass die Arbeit Übergabe vor dem Roten Rathaus ver- Nachrichtenformaten, etwa bei rbb24, der Beschäftigten freier gemeinnütziger sammelt und forderten lautstark eine in der rbb-Abendschau vom 13. August Träger genauso wertgeschätzt wird, wie »Hauptstadtzulage für alle!«, darunter 2020 und anderen, in den digitalen so- die der Beschäftigten im öffentlichen waren Erzieherinnen und Erzieher aus zialen Netzwerken und in politischen Dienst! Kitas freier Träger sowie Eltern und Ver- Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 14
Landesgeschäftsstelle treterinnen des Paritätischen Wohl- fahrtsverbands Berlin. Der Paritätische Berlin und seine Mit- gliedsorganisationen stehen für glei- che Bedingungen ein, die es allen Kita- trägern ermöglicht, Arbeit auch gleich zu bezahlen. Eine gute und gleiche Be- zahlung ist notwendige Voraussetzung zur Überwindung des Fachkräfteman- gels, der die soziale Zukunft Berlins akut bedroht. Die Hauptstadtzulage spaltet, anstatt zu einen. Parallel liefen unsere Social-Media-Protestaktionen in den digitalen sozialen Netzwerken Facebook und Twitter mit den Hash- tags #NichtOkayR2G und #WirSindEin- Beim Packen und Versenden der Postkarten: Kitareferentin Sabine Radtke und Berlin. Kitareferent André Borgmann Foto: Kathrin Zauter 70 Jahre Paritätischer Berlin in Bildern Aufnahme der Vernissage für Facebook Live Foto: Martin Hoyer Am 21. September 2020 haben wir unsere Vernissage zur Fotoausstellung coronakonform auf Facebook live übertragen. Fotograf und Kurator Martin Thoma führte unsere Geschäftsführerin Dr. Gabriele Schlimper (l.) dabei durch die Tagungsräume des Landesverbands in der Brandenburgischen Straße 80. Von der Gründungsurkunde über prägende Persönlichkeiten bis hin zu herausragenden Treffen, Demonstra- tionen und Veranstaltungen sprachen beide über die Meilensteine der Verbandsgeschichte. Lust auf eine Führung? Hier zum Nachschauen: https://www.facebook.com/ParitaetBerlin/videos/329723248477298/ oder hier: https://www.berlinbessermachen.de/70jahre Ein Foto in der Ausstellung: »Spree-Demo« im September 2003 – Protestzug von 29 Schiffen gegen die Kürzungen des Berliner Senats im Bereich Jugendhilfe Foto: Petra Engel Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 15
Landesgeschäftsstelle 70 Jahre Paritätischer Berlin Uns haben weiterhin zahlreiche Geburtstagsgrüße erreicht. Hier zeigen wir eine Auswahl – und sagen Danke! Sie sind uns Ansporn für künftiges Engagement A m 23. Mai 1950 wurde der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin im Hörsaal der Kinderklinik im Kaiserin- Auguste-Viktoria-Haus in Charlottenburg von damals zwölf Organisationen gegründet. In den vergange- nen 70 Jahren entwickelte sich der Verband zum größten Wohlfahrtsverband Berlins mit heute mehr als 800 Mitgliedsorganisationen aus vielen, ganz verschiedenen sozialen Bereichen. Sie alle arbeiten für ein soziales Berlin. Wie haben sie die Stadt mitgeprägt? Bereits in Rundbrief 3/2020 haben wir zahlreiche Glückwünsche von – internen wie externen – Gratulanten veröffentlicht, was wir auch diesmal wieder machen. »Es gibt eine Fülle von Dienstleistungen, ohne die unsere Gesellschaft nicht denkbar wäre. Sie Foto: Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf würde irgendwie funktionieren, lebenswertes Leben entsteht aber nur, weil es Menschen gibt, die sich zusätzlich und oft für andere Menschen einsetzen. Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin gibt es 780 eigenständige, gemeinnützige Organisationen, in denen sich Tausende hauptberuflich und ehrenamtlich für ein soziales Berlin engagieren. Seit 70 Jahren bündeln sie eine enorme integrative und verbindende Strahlkraft für gesellschaft- liche Vielfalt und sind als Sprachrohr von oftmals Benachteiligten unverzichtbar. Zu seinem 70-jährigen Bestehen gratuliere ich dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin und allen sei- nen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern sehr herzlich!« Reinhard Naumann, Bezirksbürgermeister Charlottenburg-Wilmersdorf »Ich gratuliere Frau Prof. John »Der Paritätische Wohlfahrtsver- Foto: Bezirksamt Reinickendorf Foto: Uwe Steinert und Ihrem Team herzlich zum band Berlin wird 70 Jahre alt. Das Verbandsjubiläum. Unser Ge- bedeutet 70 Jahre Frieden, 70 meinwesen wäre ohne Ihr wert- Jahre Engagement für eine gleich- volles Engagement in der freien berechtigte und gleichwertige Ge- Wohlfahrtspflege undenkbar. Ich meinschaft und seit 70 Jahren eine wünsche Ihnen im Namen des gute Partnerschaft für das Land Bezirks Reinickendorf alle Gute!« Berlin. Herzliche Glückwünsche!« Frank Balzer, Bezirksbürger Carolina Böhm, Bezirksbürgermeis- meister Reinickendorf terin Steglitz-Zehlendorf »Dem Paritätischen Berlin wünsche ich für die Zukunft weiterhin Foto: Beate Laudzim Respekt, Toleranz und Offenheit. Mit Ihren Organisationen, Mitarbeitenden und vielen Ehrenamtlichen sind Sie aus Berlin nicht wegzudenken! Ihre Arbeit ist systemrelevant – und das nicht erst seit Corona. Herzlichen Glückwunsch!« Oliver Igel, Bezirksbürgermeister Treptow-Köpenick Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 16
Landesgeschäftsstelle »Glückwunsch und Dank für 70 Jahre im Dienst für die Berlinerinnen und Berliner. Foto: privat Die Paritäter sind mit ihrer fachlichen und organisatorischen Beratung der vielen sozial engagierten und gemeinnützigen Vereinigungen ein Eckpfeiler im Bemühen um menschliches Miteinander, nicht wegzudenken in der einst gespaltenen und dann wiedervereinigten Stadt. Beachtenswert für den Berliner Landesverband war immer der ausgewogene fachliche Rat und der Blick auf die Herausforderungen der ganzen Stadt.« Eberhard Diepgen, von 1991 bis 2001 Regierender Bürgermeister von Berlin Foto: Holger Groß »Eine Metropole wie Berlin braucht verschiedenste soziale Organisationen, die für Werte wie Offenheit, Toleranz und Respekt einstehen. Aus dieser Viel- falt entsteht unsere gemeinsame Kraft, die es nach außen zu bündeln und nach innen zu stärken gilt. Dafür steht der Paritätische.« Malte Andersch, Vorstandsmitglied Foto: René Löffler »Die Berliner Stadtteilzentren haben mit dem Paritätischen Berlin einen starken und verlässlichen Partner an ihrer Seite. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Ber- lin für alle Menschen eine lebenswerte und soziale Stadt bleibt – offen für alle.« Thomas Mampel, Geschäftsführer Stadtteilzentrum Steglitz Schlange stehen für Masken Der Paritätische Landesverband Berlin hat eine Großspende an Einwegmasken vom Gesamtverband, vermittelt von der Bundesregie- rung, erhalten. Diese Masken wurden im September 2020 an unsere Mitglieder verteilt – bis zu 2000 Stück je Organisation. Die Masken werden dringend gebraucht, um Angebote für Klienten und Besucherinnen aufrechterhalten zu können. Foto: Nina Peretz Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 17
Landesgeschäftsstelle berlinbessermachen E s macht uns selbst große Freude, die Menschen aus unse- bessermachen unter unseren Mitgliedern und darüber hinaus ren Mitgliedsorganisationen vorzustellen, die #berlin- einen so großen Anklang findet. bessermachen, egal, aus welchem sozialen Bereich, egal, ob haupt- oder ehrenamtlich – es ist beeindruckend und es inspiriert. Das ist auch das Ziel der Aktion: zu zeigen, dass es Wissenswertes sich lohnt, sich einzubringen, gemeinsam #berlinbesserma- Die Website finden Sie unter: www.berlinbessermachen.de chen! Schauen Sie auf unsere Website berlinbessermachen.de Wenn Sie Ideen, Anregungen oder Informationen für #berlin und hören Sie sich die dazugehörige Podcastserie #berlinbes- bessermachen haben, dann schicken Sie uns eine E-Mail mit dem sermachen auf Spotify oder Apple Podcasts an. Und danke für Stichwort #berlinbessermachen an: presse@paritaet-berlin.de das tolle Feedback, wir freuen uns, dass unsere Aktion #berlin- »Unsere Aufgabe ist es, Familien zu entlasten, schwer kranke Kinder auf ihrem Lebensweg zu begleiten und ihnen Dinge zu ermöglichen.« Philipp Ramm, Gesundheits- und Krankenpfleger im Sonnenhof – Hospiz für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene der Björn Schulz Stiftung E igentlich wollte Philipp Ramm Heb- amme werden. Daraus wurde nichts – doch die Arbeit, die er seit elf Jah- ren macht, ist seinem ursprünglichen Be- rufsziel näher, als es scheint. Als Pfleger im Kinderhospiz Sonnenhof begleitet er Fa- milien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern und durchlebt mit ihnen inten- sive Momente. »Ich wollte immer mit Kin- dern arbeiten und etwas Besonderes ma- chen«, erzählt er. Oder mit den Worten der Begründerin der modernen Hospizbewe- gung Cicely Saunders: Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben. Das bringt auf den Punkt, was Philipp Ramms Arbeit ausmacht: »Kin- der sind wissbegierig und wollen was er- leben. Unsere Aufgabe ist es, Familien zu entlasten und auf ihrem Lebensweg zu be- Phillip Ramm Foto: Björn Schulz Stiftung gleiten, Dinge zu ermöglichen, Freiräume zu schaffen.« Manchmal heißt das, mit dem kranken Kind einen Ausflug zu ma- Ende eines solchen Weges entgegen- wollen, bereitet die Eltern auf das vor, was chen, damit die Eltern Zeit für sich oder schlägt – das sind schon beeindruckende kommt. die Geschwisterkinder haben. Manchmal Erlebnisse.« Als Pfleger im Krankenhaus Das Sterben nicht zu tabuisieren und gibt es nächtliche Kochsessions, wenn sich wäre all das undenkbar: Zeit, um herumzu- offen darüber zu sprechen – das zu vermit- das ein Kind wünscht und es ihm zu die- albern, laut Musik zu machen, sich auf die teln, ist Philipp Ramm ein Anliegen, nicht ser Zeit besser geht. Einmal zwängte Phi- Kinder und Jugendlichen einzulassen. Im nur gegenüber seinen Gästen. Auch die lipp Ramm sechs Matratzen in das Zim- Kinderhospiz Sonnenhof nimmt man sich Gesellschaft würde davon profitieren, fin- mer eines sterbenden Kindes, damit die- die Zeit, zu leben. Aber eben auch zu ster- det er. Blutrünstige Krimis gibt es zuhauf, ses seine letzten Momente in der Nähe der ben. »Wir sind eine Einrichtung, die den aber ernsthaft über den Tod reden will nie- weit angereisten Verwandten verbringen Tod als Teil des Lebens betrachtet«, sagt mand. Dabei gehört er zum Leben wie die konnte. »Geht nicht gibt‘s bei uns nicht«, Philipp Ramm. Er hört zu, wenn die Kin- Geburt. sagt er. »Die Dankbarkeit, die einem am der über den bevorstehenden Tod reden Nina Roßmann, Autorin Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 18
Landesgeschäftsstelle »Die soziale Arbeit sollte eine höhere Akzeptanz und Relevanz haben, auch, wenn es um deren Finanzierung geht.« Martina Sawaneh, Leiterin des Kieztreffs Lichterfelde-Süd, Stadtteilzentrum Steglitz R iesige Hochhäuser ste- Tag hier sitzen, weil sie jeman- Menschen zu tun«, erzählt sie. hen rund um den Kiez- den zum Reden brauchen«, sagt Zurück in Deutschland enga- treff Lichterfelde-Süd. Hier die 43-Jährige. Aber auch allein- gierte sie sich in der Flüchtlings- in der Thermometersiedlung erziehende Mütter und Geflüch- arbeit. »Da habe ich gemerkt, sind sie bis zu 16 Etagen hoch. tete, die ab 2015 kamen, gehö- dass ich nicht acht oder neun Zwischen dem Beton befindet ren zum Kieztreff. So ist ein ira- Stunden am Tag im Büro sit- sich der Treff mit seiner grünen kischer Vater, der mit seinem zen kann, damit der Chef einen Oase – ein interkultureller Gar- Sohn und ohne Deutschkennt- neuen Ferrari hat«, sagt sie. ten, 100 Quadratmeter groß. nisse in Berlin ankam, »jetzt ein Der Kieztreff ist für Martina Martina Sawaneh Hier arbeitet Martina Sawaneh. absoluter Bestandteil des Kiez- Sawaneh ein wichtiger Ort der Foto: Cathleen Herwarth von Bittenfeld Seit 2018 leitet sie den Kieztreff. treffs«. Er hilft im Garten, kocht Begegnung und für Projekte »Das ist noch ein echter Kiez. und repariert und will den Men- wie dem neuesten, bei dem Ju- sozialen Wohnraum, die Mie- Hier gibt es ganz verschiedene schen, die ihn auffingen, etwas gendliche älteren Menschen ten sind zu teuer. Da muss was Gruppen, wir führen sie zusam- zurückgeben. Wenn Martina Sa- zeigen, mit Smartphones und passieren.« Wenn Menschen men, hören zu, beraten, unter- waneh, die als Industriekauffrau Tablets umzugehen. »Die so- mit geringem Einkommen bei stützen«, fasst sie ihre Aufgabe ins Berufsleben startete, solche ziale Arbeit sollte eine höhere der Wohnungssuche gar keine zusammen. positiven Entwicklungen sieht, Akzeptanz und Relevanz haben, Chance haben, dann ärgert das Zu ihren Besuchern gehö- weiß sie, warum sie heute lieber auch wenn es um deren Finan- die Leiterin des Kieztreffs: »Ich ren viele Ältere; Einsamkeit ist im sozialen Bereich arbeitet. zierung geht«, sagt sie. Auch an wünsche mir, dass Vermieter an- ein großes Thema. »Wir haben »Ich habe lange in Kanada die Politik hat Martina Sawaneh ders damit umgehen.« viele Menschen, die den ganzen gearbeitet, hatte dort viel mit einen Wunsch: »Es gibt zu wenig Dominique Hensel, Autorin »Berlin muss noch einige Barrieren auf den Straßen und in den Köpfen beseitigen.« Janine Malik, Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit in der Geschäftsstelle der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) Berlin V or vier Jahren wurde Ja- einen monatlichen Stammtisch Aktionen von Verbänden sein. nine Malik von einer Fuß- ins Leben. Weil er Betroffene Im Zusammenhang mit Corona gängerin zur Rollstuhl- und Angehörige aus der gan- war die Frage, ob MS-Erkrankte fahrerin. Zu dem Zeitpunkt zen Stadt anzog, fand er bald besonders gefährdet seien und lebte sie bereits 14 Jahre mit drei Nachfolger: im Süden, im worauf sie achten müssten. Multipler Sklerose (MS). Als Roll- Osten und einen englischspra- Janine Malik ärgerte es, dass stuhlfahrerin veränderte sich ihr chigen. Einmal im Jahr treffen es zunächst keine Informatio- Blick auf ihr Umfeld. Das Kopf- sich die vier Gruppen zu einem nen in Gebärdensprache gab. steinpflaster konnte sie kaum großen Fest, fast 100 Menschen. »Hier werden Menschen behin- überqueren. Die Behinderten- »Sie fühlen sich angenommen dert, gleichberechtigt am ge- toiletten im Einkaufszen trum und verstanden, und es macht sellschaftlichen Leben teilzu- erreichte sie nur, nachdem mich glücklich, dazu beizutra- haben. Das darf nicht sein«, ist sie zuvor zwei verschiedene gen«, kommentiert die unter- sie überzeugt. Noch gebe es Fahrstühle benutzt hatte. Das nehmungslustige Frau. baulich, sprachlich und in den schrieb sie einem Reinicken- Heute leistet sie für die DMSG Köpfen in Berlin etliche Barrie- dorfer Kommunalpolitiker. Der Berlin Öffentlichkeitsarbeit in ren, findet sie. Ehrenamtliche nahm ihre Kritik auf und sorgte den sozialen Medien. Wie in sieht sie vom Senat nicht aus- daraufhin für geteerte Über- ihrem ursprünglichen Beruf reichend unterstützt, bekom- gänge an Kreuzungen. geht es um feinfühligen Kontakt. men diese doch oft nicht mal Die 38-Jährige suchte Gleich- »Ich poste, was uns alle angeht«, die Sachmittel für ihre Projekte. gesinnte, die wie sie lachen erklärt die Friseurmeisterin. Das Es bleibt also tun für Menschen und leben wollen, auch mit MS. können neue Erkenntnisse über wie Janine Malik viel zu tun. Im Norden von Berlin rief sie Multiple Sklerose ebenso wie Barbara Leitner, Autorin Janine Malik Foto: privat Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2020 19
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