Südostasien: Brennpunkt der Grossmachtrivalität - Center for ...

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Südostasien: Brennpunkt der Grossmachtrivalität - Center for ...
CSS Analysen zur Sicherheitspolitik
Nr. 277, Februar 2021

Südostasien: Brennpunkt
der Grossmachtrivalität
In Südostasien fordert die aufstrebende Grossmacht China die
Vormachtstellung der USA heraus, die an ihrer Führungsrolle in
der Region festhalten. Zwar sind sich die Länder Südostasiens einig,
dass der Grossmachtkonflikt ihnen einzeln und als Region schadet,
trotzdem suchen sie in Reaktion auf den kleiner werdenden
Spielraum vor allem punktuelle, länderspezifische Lösungen.

Von Linda Maduz und
Simon Stocker

Der sich zuspitzende amerikanisch-chine-
sische Konflikt manifestiert sich in Südost-
asien in aller Deutlichkeit. China und die
USA verfolgen unvereinbare Ziele und
Ordnungsvorstellungen und sehen sich als
potenzielle militärische Gegner. Im Wett-
bewerb um Einfluss in den Ländern der
Region spielen nicht nur Sicherheits- und
Handelspolitik, sondern auch Technolo-
gie- und Infrastrukturpolitik eine zuneh-
mend wichtige Rolle. Diese unterschiedli-
chen Politikfelder sind fortschreitend eng
miteinander verknüpft.

Der neue US-Präsident Joe Biden trifft auf
ein Südostasien, das sich über die letzten
Jahre wirtschaftlich stark nach China aus-
gerichtet hat, aber nach wie vor auf die                Regierungsoberhäupter der ASEAN-Staaten nehmen im November 2020 in virtueller Form am
USA als wichtigen strategischen Partner                 37. ASEAN-Gipfel teil. Nguyen Huy Kham / Reuters
setzt. Die US-amerikanische Asienpolitik
war während der vergangenen US-Präsi-
dentschaften alles andere als gradlinig. Zu
den ersten Amtshandlungen von Bidens                    Die Machtverschiebung in Südostasien            wie bisher die Beziehungen zu China und
Vorgänger, Donald Trump, gehörte zum                    birgt Risiken für die Stabilität in der Regi-   den USA parallel vorantreiben.
Beispiel der formelle Rückzug der USA                   on. Während sich die Wirtschaftsordnung
aus dem transpazifischen Handelsabkom-                  Südostasiens immer mehr nach China hin          Dies fordert die Länder der Region einzeln,
men (TPP), einer Errungenschaft der Ob-                 orientiert, bleibt die Sicherheitsordnung       aber auch als Kollektiv heraus. Sie teilen ein
ama-Präsidentschaft. China hingegen                     auf absehbare Zeit US-dominiert. Im im-         starkes Interesse an einer regelbasierten
konnte seine Position in der Region                     mer offener ausgetragenen Grossmacht-           Ordnung, die sie als Grundlage für Frieden,
schrittweise stärken und ist heute die do-              konflikt sind die südostasiatischen Länder      Stabilität und Wirtschaftswachstum sehen.
minierende Handelsmacht und wichtiger                   (siehe Karte) vermehrt mit Entscheidungs-       Chinas Expansionswille, der im vergange-
Kapitalexporteur.                                       zwängen konfrontiert und können nicht           nen Jahrzehnt unter anderem zahlreiche

© 2021 Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich                                                                                               1
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CSS Analysen zur Sicherheitspolitik                                                                                                      Nr. 277, Februar 2021

Konflikte im Südchinesischen Meer ge-
                                                          Die Rolle der EU
schürt hat, aber auch das unilaterale Vorge-
hen der USA während der Trump-Präsi-                      Die EU hat bis jetzt noch keine Strategie für Südostasien verabschiedet. Aufgrund der gegenseiti-
dentschaft, liefen diesem Interesse zuwider.              gen wirtschaftlichen Abhängigkeit sowie dem gemeinsamen Interesse an einer regelbasierten
Obwohl der Verband Südostasiatischer                      internationalen Ordnung scheint ein europäisches Engagement immer notwendiger. Als erstes
                                                          EU-Mitglied hat Frankreich 2019 eine eigene Strategie vorgelegt. Da Paris über Territorien in der
Nationen (ASEAN) eine etablierte, ge-
                                                          Region verfügt, stehen hier auch direkte nationale Interessen im Vordergrund. In diesem Kontext
meinsame Plattform bietet, suchen die                     betont Frankreich strategische Partnerschaften mit örtlichen Akteuren und Rüstungsexporte. Im
Länder im Ringen auf eine Antwort auf die                 letzten Herbst haben auch Deutschland und die Niederlande eigene Strategiepapiere für die
Grossmachtrivalität vermehrt länderspezi-                 Region vorgelegt. Beide betonen, dass eine Zuschauerrolle für die EU unvorteilhaft wäre.
fische Lösungen oder Partnerschaften mit                  Der Begriff «Indo-Pazifik» hat keine klare Definition und dies könnte eine Chance für die EU sein,
Ländern ausserhalb der Region. Im Fokus                   mit einem eigenen Vorgehen als gestaltende Kraft aufzutreten. Da die US-amerikanische
stehen dabei Australien, Indien, Japan und                FOIP-Politik primär auf eine Eindämmung Chinas zielt, war es für die EU deshalb nie eine Option,
zunehmend auch potenzielle europäische                    dem amerikanischen Kurs zu folgen. Aufgrund zunehmend gewichtiger Differenzen zwischen
Partner.                                                  Brüssel und Peking scheint eine Strategie der Äquidistanz für die EU aber auch keine Option. Die
                                                          EU wird deshalb einen eigenen Ansatz vorlegen müssen. Ein Fokus könnten hier Bereiche sein, die
                                                          von anderen Akteuren nicht als prioritär gesehen werden wie etwa die Klimapolitik. Frankreich
US-Asienpolitik: quo vadis?                               wird wohl spätestens während seiner Ratspräsidentschaft 2022 das Thema auf die Agenda setzten.
Die Trump-Präsidentschaft schwächte den
amerikanischen Einfluss in Südostasien
und das Vertrauen der Länder in die Füh-
rungsrolle der USA. Das von Trump im Ja-
nuar 2017 versenkte Freihandelsabkom-
men TPP war das Kernstück des «Pivot to                 Handelskonflikt entwickelte sich schnell in          zum wichtigen Kreditgeber geworden. Die
Asia» – der strategischen Hinwendung der                eine multidimensionale strategische Rivali-          Verschuldung Kambodschas und Laos’ be-
USA zum asiatisch-pazifischen Raum, die                 tät zwischen den USA und China, in der               trägt heute über 25 Prozent ihrer Wirt-
sein Vorgänger Barack Obama seit 2011                   beide Grossmächte versuchen, auf Dritt-              schaftsleistung.
angestrebt hatte. Anders als Obama blieb                länder Einfluss zu nehmen. Der neue pro-
Trump hochrangigen Gipfeltreffen der                    tektionistische Kurs erhält ebenfalls breite         Chinas Vorgehen in Südostasien kenn-
ASEAN weitestgehend fern. Handelspart-                  Unterstützung und könnte Biden hinsicht-             zeichnet sich durch eine Mischung aus Ex-
nern mit einem Handelsbilanzüberschuss                  lich Verhandlung und Abschluss von Frei-             pansionswillen und Streben nach Sicher-
wie Vietnam, Malaysia, Thailand und In-                 handelsabkommen, die gerade auch in Süd-             heit durch stabile Partnerschaften. Die
donesien drohte er mit Strafzöllen.                     ostasien zunehmend von geopolitischer                Geopolitik Chinas des 21. Jahrhunderts
                                                        Bedeutung sind, die Hände binden.                    orientiert sich stark in Richtung Meer. Zu
Anders als in der Handelspolitik zeichnen                                                                    wirtschaftlichen Aspekten kommen Si-
sich die Beziehungen der USA mit Süd-                   Von den USA unter Biden wird erwartet,               cherheitsprioritäten hinzu. Seit 2012 hat
ostasien im Bereich der Sicherheits- und                dass sie auf den multilateralen Pfad zu-             Peking das Ziel, eine Grossmacht auf See
Militärzusammenarbeit durch grössere                    rückkehren und versuchen, wieder eine                zu werden und verfügt heute zahlenmässig
Kontinuität aus. Seit dem Zweiten Welt-                 Führungsrolle in internationalen Politik-            über die grösste Marine der Welt. China
krieg stellen die USA mit ihren bilateralen             bereichen wie der Klimapolitik oder der              erhebt im Südchinesischen Meer histori-
Partnerschaften die Sicherheitsarchitektur              globalen Gesundheitspolitik einschliess-             sche Gebietsansprüche. Obwohl diese
in Südost- und Nordostasien. Als US-Alli-               lich der Coronavirus-Pandemie zu über-               2016 vom Haager Schiedsgericht im Fall
ierte sind die Philippinen und Thailand                 nehmen – eine Rolle, die unter Trump                 Philippinen gegen China als unrechtmä-
Teil dieser Architektur. Ihre Anfang der                auch in Südostasien vermisst wurde. Bi-              ssig zurückgewiesen wurden, schafft China
1950er-Jahre abgeschlossenen formellen                  dens Regierung wird in allen Bereichen               anhand von Seemanövern, künstlichen In-
Verteidigungsbündnisse mit den USA sind                 und insbesondere auch mit Blick auf China            seln und Verwaltungsordnungen entspre-
allerdings weniger umfassend und zentral                wieder vermehrt die Zusammenarbeit mit               chende Fakten. Den resultierenden Kon-
als diejenigen von Australien, Japan und                alten und neuen Partnern in allen Weltre-            flikt mit Brunei, Indonesien, Malaysia, den
Südkorea. Mit Singapur unterhalten die                  gionen suchen.                                       Philippinen und Vietnam nimmt es dabei
USA ebenfalls eine jahrzehntealte, vertief-                                                                  in Kauf. China sieht das Südchinesische
te Sicherheitskooperation, die sie unter an-            China zementiert seine Macht                         Meer als seine Einflusssphäre und weist die
derem mit jährlichen gemeinsamen Mili-                  Mit dem Abschluss des Freihandelsab-                 von den USA angeführte Forderung nach
tärübungen pflegen.                                     kommen RCEP Ende 2020 ist China ein                  Freiheit der Schifffahrt im Südchinesi-
                                                        Coup gelungen. Die Schaffung der bisher              schen Meer forsch zurück.
Der neue US-Präsident hat fortan die Auf-               grössten Freihandelszone der Welt um-
gabe, die USA in einem internationalen po-              fasst alle zehn ASEAN-Länder, China,                 Hinter der 2013 lancierten Belt and Road
litischen Umfeld zu positionieren, das                  Japan und Südkorea. China war bereits zu-            Initiative (BRI) stand für China ursprüng-
durch starke geopolitische Verschiebungen               vor der wichtigste Handelspartner der                lich auch die geostrategische Überlegung,
und das disruptive Verhalten seines Vor-                ASEAN und umgekehrt. Zwischen 2010                   den Konflikten in Südostasien und insbe-
gängers geprägt ist, und muss dabei neuen               und 2017 haben sich die chinesischen Di-             sondere der Rivalität mit den USA ein
Prioritäten gerecht werden. China wird in               rektinvestitionen im ASEAN-Raum fast                 stückweit auszuweichen und nach Westen
den USA parteiübergreifend als strategi-                verdreifacht, blieben aber hinter den aus            zu expandieren. In der Zwischenzeit hat
scher Konkurrent gesehen und seit 2017 in               ASEAN-Ländern und Japan getätigten                   sich die BRI aber zum globalen Investi-
offiziellen US-Strategiepapieren als solcher            Investitionen zurück. Gerade für die klei-           tions- und Infrastrukturprogramm ent­
bezeichnet. Der von Trump angestossene                  neren Länder Südostasiens ist China auch             wickelt. Mit der BRI und weiteren

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Kooperationsinitiativen, die China seit der
                                                          Südostasien im Spannungsfeld
Machtübernahme Xi Jinpings 2012 ver-
mehrt ergreift, intensiviert China seine
wirtschaftlichen und politischen Bezie-
hungen sowohl weltweit als auch in der
Region. Zu solchen für Südostasien wich-
tigen Kooperationsformaten gehören etwa
die Asiatische Infrastruktur-​Investitions-
bank oder die Lancang-​Mekong-Koope-
ration. (siehe CSS Analyse 272)

Druck auf Südostasien steigt
Obwohl Trump Südostasien nicht dieselbe
Beachtung schenkte wie Obama, versuchte
er, der wachsenden strategischen Bedeu-
tung Südostasiens im amerikanisch-chine-
sischen Konflikt Rechnung zu tragen und
lancierte eine Reihe von Initiativen. Mit
der seit 2017 propagierten, amerikanischen
Version des Free and Open Indo-Pacific
(FOIP) bekräftigen die USA ihr regionales
Engagement. Im Rahmen der FOIP-Poli-
tik verstärkten die USA ihre Bemühungen
in der Sicherheitszusammenarbeit. Kon-
kret ging es dabei um die Wiederbelebung
des 2007 initiierten multilateralen Sicher-
heitsdialogs mit Australien, Indien und Ja-
pan sowie der Intensivierung von Freedom-
of-Navigation-Operationen im Südchine-
sischen Meer. Die USA versuchen auch
mit Initiativen in der Entwicklungszusam-               stark von chinesischen Investitionen, Hilfs-   mit China bei zahlreichen BRI-Projekten.
menarbeit, Infrastrukturfinanzierung und                geldern und diplomatischer Unterstützung       Auch wenn die USA und Thailand noch
Technologieausbau dem Einfluss Chinas                   ab, sollten aber nicht als Satellitenstaaten   regelmässig Militärübungen durchführen,
zu begegnen.                                            Pekings erachtet werden. Auch sie verfügen     die Strukturen der Streitkräfte gut aufein-
                                                        über Absicherungsstrategien gegenüber          ander abgestimmt sind und der Luftstütz-
Die Länder Südostasiens sind zunehmend                  China. So liess 2011 der damalige Präsident    punkt U-Tapao ein wichtiger Knotenpunkt
in der Zwickmühle. Chinas Expansion im                  Myanmars, Thein Sein, die Arbeiten an          für die USA in der Region ist, scheint
Südchinesischen Meer führt zu einer Zu-                 dem von China vorgeschlagenen Myitsone-        Thailand für die USA längst kein Vorzei-
spitzung von Territorialkonflikten. Die                 Staudamm aufgrund grossen gesellschaftli-      gealliierter mehr zu sein. Gleichzeitig
wachsende wirtschaftliche Abhängigkeit                  chen Drucks einstellen. Trotz geringerem       macht sich in Thailand aufgrund verzöger-
Südostasiens von China schürt                                                                          ter BRI-Projekte zunehmendes Misstrau-
Befürchtungen, dass China ver- Die Länder Südostasiens sind                                            en gegenüber China breit.
suchen wird, mit seinem öko-
nomischen Gewicht auch die zunehmend in der Zwickmühle.                                                Stärkere «Hedger»
sicherheitspolitische Ordnung                                                                          Der philippinische Präsident Rodrigo Du-
der Region neu zu formieren. Aber auch geopolitischem Gewicht dürften daher                            terte hat letztes Jahr zwar das Besuchsrecht
der konfrontative Kurs der USA gegenüber auch Kambodscha und Laos künftig in der                       für US-amerikanische Truppen suspen-
China und Versuche, südostasiatische Alli- Lage sein, auf ähnliche Weise schwierigen                   diert und betonte in der Vergangenheit,
ierte und Partner – etwa mit der gegen Hu- Entscheidungen aus dem Weg zu gehen –                       eine engere militärische Kooperation mit
awei gerichteten 5G-Clean-Network-Initi- zum Beispiel mit Blick auf Chinas viel kri-                   China anstreben zu wollen. Fachleute ge-
ative – auf ihre Seite zu ziehen, sind nicht tisierten Mekong-Staudammprojekte.                        hen aber davon aus, dass dies kein langfris-
im Sinne jener Länder. Überdies geht die                                                               tiger Trend sein dürfte und sich das Land
amerikanische FOIP-Politik bisher nur Die beiden US-Verbündeten Thailand und                           nach dem Ende von Dutertes Amtszeit
bedingt auf die realen Bedürfnisse der je- die Philippinen haben sich zuletzt stärker                  2022 auf eine weniger China-freundliche
weiligen Staaten Südostasiens ein.           China zugewandt. Thailand war nach dem                    Linie begeben wird. Dann dürften auch die
                                             Kalten Krieg Hauptpartner Washingtons                     Streitigkeiten um die Grenzziehungen im
Schwächere «Hedger»                          in der Region. Nach dem Militärputsch                     Südchinesischen Meer wieder zunehmen.
Die Länder Südostasiens positionieren sich 2014 verschlechterten sich die Beziehun-
im Spannungsfeld der beiden Grossmächte gen zu den USA und Thailand schloss                            Indonesien, Singapur, Vietnam und bis-
unterschiedlich. Deutlich sichtbar ist der mehrere Rüstungsgeschäfte mit China ab,                     weilen auch Malaysia versuchen, möglichst
chinesische Einfluss in den südostasiati- einschliesslich eines Ankaufs von drei U-                    selbständige Positionen zwischen den USA
schen Festlandstaaten Laos, Kambodscha Booten. Die Militärjunta sieht in China                         und China zu finden. Dabei nehmen sie
und Myanmar. Diese Länder hängen zwar einen zuverlässigen Partner und kooperiert                       auch punktuell Konflikte in Kauf. Trotz

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starken Handels- und Investitionsbezie- ASEAN-Staaten China, Japan und Südko-                            distanzstrategie ist die Region in den
hungen zu China suchen diese Länder ver- rea dazu, bei ASEAN+6 zusätzlich Austra-                        letzten Jahren gut gefahren. Ebenso könnte
mehrt die diplomatische und militärische lien, Indien und Neuseeland. Trotz zahlrei-                     ein verstärktes europäisches Engagement
Zusammenarbeit mit den USA und ande- cher diplomatischer Foren stellt der                                interessant werden (siehe Infobox). Es stellt
ren externen Akteuren wie                                                                                sich aber auch die Frage, ob die ASEAN
Australien, Indien oder Japan. Nach wie vor sehen die                                                    die Grenzen der regionalen Kooperation
Diesen Ländern bereitet das                                                                              nicht bereits erreicht hat. ASEAN hatte in
vermehrt konfrontative Auftre-
                                     ASEAN-Länder China als ihren                                        der Vergangenheit Mühe bekundet, weitere
ten Chinas im Südchinesischen wichtigsten Wirtschaftspartner                                             Integrationsschritte zu gehen. Dies galt
Meer sowie der wachsende                                                                                 lange als Stärke der Organisation, denn so
wirtschaftliche Einfluss grosse
                                     und die USA als bedeutenden                                         konnten Konflikte vermieden werden. Chi-
Sorgen. Malaysias ehemaliger Sicherheitsgaranten.                                                        nas wachsender Einfluss scheint ASEAN
langjähriger Premierminister                                                                             aber zunehmend zu lähmen.
Mahathir Mohamad führte 2018 sogar Wiederaufstieg Chinas für die Einigkeit
eine erfolgreiche Wahlkampagne, in der er der ASEAN eine grosse Herausforderung                          Auswege aus der Zwickmühle
den chinesischen Einfluss kritisierte. Er dar, der nicht nur die Beziehung der                           Die südostasiatischen Länder versuchen im
strich anschliessend auch ein als zu kost- ASEAN-Staaten mit China verändert, son-                       Spannungsfeld der amerikanisch-chinesi-
spielig taxiertes 20 Milliarden USD schwe- dern auch die Beziehungen der ASEAN-                          schen Rivalität individuell und als Region
res BRI-Eisenbahnprojekt. Nach Neuver- Staaten untereinander.                                            mit verschiedenen Strategien ihre Interes-
handlungen reduzierten sich die Kosten                                                                   sen zu wahren. Tiefere Lohnkosten und
für Malaysia um einen Drittel. Indonesien In wichtigen Bereichen der ASEAN-Zu-                           eine vorteilhafte Altersstruktur ermögli-
zeigt sich ebenfalls immer geschickter im sammenarbeit bietet sich China als natür-                      chen den ASEAN-Staaten in Zusammen-
Umgang mit China.                             licher Partner an. Gemäss dem G20 Global                   arbeit mit anderen Ländern die wirtschaft-
                                              Infrastructure Outlook klafft in Südostasien               liche Abhängigkeit von China zu reduzie-
Indonesien, Vietnam und Malaysia haben bis 2040 eine 600 Milliarden USD grosse                           ren. Chinas teilweise konfrontatives Auf-
auch begonnen, ihre Marine und Küsten- Finanzierungslücke im Bereich der Infra-                          treten bietet auch den USA die Möglichkeit,
wachen weiterzuentwickeln und ihre Ab- struktur. BRI-Projekte dürften die Vernet-                        sich stärker zu engagieren und Partner-
schreckungsfähigkeiten zu stärken. Für den zung in der Region verbessern und als                         schaften substanziell zu vertiefen. Auch
indonesischen Präsidenten Joko Widodo Grundlage für weiteres wirtschaftliches                            Europa kann hier eine Rolle spielen. Die
war die Aufrüstung der Seestreitkräfte ein Wachstum dienen. In den Mekong-Staa-                          ASEAN-Staaten würden indes von einem
Eckpfeiler seines Kurses, der die Wahrung ten zeigt sich China auch in der Bildung                       geschlossenen Auftreten und kohärenter
der maritimen Souveränität zum Ziel hat. und Gesundheit aktiv. China will auch in                        Kommunikation gemeinsamer Interessen
Vietnam und bis zu einem gewissen Grad den Bereichen Digitalisierung und Urba-                           profitieren. In einem ersten Schritt wäre ein
auch Singapur weiten ihre strategischen nisierung behilflich sein und unterstützt                        Dialog zum Umgang mit den Rivalen Chi-
Beziehungen mit Indien, Japan und Frank- die ASEAN-Länder mit seiner digitalen                           na und den USA essenziell. So können die
reich aus. So werden die vietnamesischen Seidenstrasseninitiative und dem Bau so-                        verschiedenen südostasiatischen Interessen
U-Boot-Truppen von der indischen Marine genannter «Smart Cities». Diesen Verspre-                        abgewogen, priorisiert und falsche Bedro-
ausgebildet, die mit den gleichen U-Booten chungen steht aber auch die Befürchtung                       hungswahrnehmungen abgebaut werden
operiert. Zudem legen australische und gegenüber, dass die Region zunehmend                              mit dem Ziel, die Kooperation untereinan-
französische Kriegsschiffe regelmässig zum China-zentriert wird und die ASEAN ihre                       der zu stärken.
Auftanken oder Unterhalt in Vietnam an.       Zentralität verliert. Gleichzeitig wollen die
                                              ASEAN-Länder auch nicht von den USA
ASEAN am Limit?                               bei der Eindämmung Chinas instrumenta-
1967 gegründet, steht die Regionalorgani- lisiert werden und sich etwa zur FOIP be-
sation auch heute für den Erhalt einer regel- kennen müssen.                                               Für mehr zur «neuen Seidenstrasse»,
basierten Ordnung und die Stärkung multi-                                                                  siehe CSS Themenseite.
lateraler Kooperation. Die ASEAN ist auch Nach wie vor sehen die ASEAN-Länder
Vermittlerin für Vertrauensbildung zwi- China als ihren wichtigsten Wirtschafts-
schen Nicht-Mitgliedstaaten. Dieser inklu- partner und die USA als bedeutenden Si-                       Linda Maduz ist Senior Researcher am Center for
sive Ansatz führt zu einer vielschichtigen cherheitsgaranten. Dazu kommen Japan als                      Security Studies (CSS) der ETH Zürich.
regionalen      Sicherheitsarchitektur. Im wichtige Investitionsquelle und Indien als
ASEAN Regional Forum tauschen sich 27 vielversprechender Absatzmarkt. Am liebs-                          Simon Stocker ist Masterstudent am Graduate
Länder zu sicherheitsrelevanten Themen ten wünscht man sich das weitere Engage-                          Institute of International and Development
aus. Bei ASEAN+3 kommen zu den zehn ment aller Akteure, denn mit dieser Äqui-                            Studies (IHEID) in Genf.

Die CSS Analysen zur Sicherheitspolitik werden herausgegeben vom               Zuletzt erschienene CSS-Analysen:
Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich. Das CSS ist ein Kompetenz-
                                                                               China und die nukleare Rüstungskontrolle Nr. 276
zentrum für schweizerische und internationale Sicherheitspolitik. Jeden
                                                                               Tumult im östlichen Mittelmeerraum Nr. 275
Monat erscheinen zwei Analysen auf Deutsch, Französisch und Englisch.
                                                                               Söldner im Dienst autoritärer Staaten Nr. 274
                                                                               Die Internetfreiheit auf dem Rückzug Nr. 273
Herausgeber: Julian Kamasa
                                                                               China, multilaterale Banken und Geopolitik Nr. 272
Lektorat: Julian Kamasa, Benno Zogg
                                                                               Manöver von China und Russland im Nahen Osten Nr. 271
Layout und Grafiken: Miriam Dahinden-Ganzoni

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Weitere Ausgaben und Abonnement: www.css.ethz.ch/cssanalysen                   ISSN: 2296-0236; DOI: 10.3929/ethz-b-000464408                             4
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