US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten - SWP-Studie
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SWP-Studie Peter Rudolf US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit SWP-Studie 6 Mai 2018
Die USA sehen sich durch China und Russland herausgefordert und in ihrem Führungsanspruch bedroht. Beide gelten als »revisionistisch« und als Mächte, die die internationale Ordnung zu ihren Gunsten zu verändern suchen. Und beide Mächte beanspruchen eine eigene Interessensphäre. Dies läuft dem traditionellen geopolitischen Kerninteresse der USA zuwider: zu verhindern, dass eine oder mehrere feindliche Großmächte die Kontrolle über die Ressourcen Eurasiens gewinnen. In einer Welt wachsender Machtkonkurrenzen wollen die USA erklärter- maßen ihre militärische Überlegenheit bewahren. Doch das Streben, ihre militärische Superiorität aufrechtzuerhalten, birgt Risiken: Es könnte das Sicherheitsdilemma im Verhältnis der USA zu Russland und zu China verschärfen, in der Folge eine Konfliktspirale antreiben und zur Verfesti- gung von Konfliktformationen beitragen. Geopolitisch begründete Interessen sind mit dem Risiko eines Krieges behaftet. Damit ändert sich auch der Stellenwert nuklearer Abschreckung. Nukleare Abschreckung beruht im amerikanischen Denken, wie es sich in der »Nuclear Posture Review« vom Februar 2018 manifestiert, auf der Fähig- keit, im Falle eines Konflikts über eine große Bandbreite abgestufter und flexibel nutzbarer nuklearer Optionen zu verfügen, darunter den Einsatz von Atomwaffen mit relativ geringer Sprengkraft. Die USA werden zu- sehends vor der Herausforderung stehen, im Interesse globaler Kooperation und der Vermeidung eines Kriegsrisikos eine geopolitische Verständigung mit China und Russland zu suchen.
SWP-Studie Peter Rudolf US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit SWP-Studie 6 Mai 2018
Alle Rechte vorbehalten. Abdruck oder vergleichbare Verwendung von Arbeiten der Stiftung Wissenschaft und Politik ist auch in Aus- zügen nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung gestattet. SWP-Studien unterliegen einem Begutachtungsverfah- ren durch Fachkolleginnen und -kollegen und durch die Institutsleitung (peer review). Sie geben die Auffassung der Autoren und Autorinnen wieder. © Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, 2018 SWP Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit Ludwigkirchplatz 3–4 10719 Berlin Telefon +49 30 880 07-0 Fax +49 30 880 07-200 www.swp-berlin.org swp@swp-berlin.org ISSN 1611-6372
Inhalt 5 Problemstellung und Schlussfolgerungen 7 Beginn einer neuen Ära der Weltpolitik 11 Die Wiederbelebung geopolitischen Denkens 13 Die Bewahrung militärischer Überlegenheit 16 Die Renaissance nuklearer Abschreckung 23 Geopolitische Verständigung oder verschärfte Machtrivalität 27 Perspektiven
Dr. Peter Rudolf ist Senior Fellow in der Forschungs- gruppe Amerika
Problemstellung und Schlussfolgerungen US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten In der Weltpolitik hat eine neue Ära begonnen: So zumindest lautet die Annahme, die seit einigen Jahren im amerikanischen Diskurs Gestalt angenom- men und unter Präsident Trump Eingang in die Nationale Sicherheitsstrategie gefunden hat. Die USA sehen sich durch die beiden als »revisionistisch« gel- tenden, die internationale Ordnung zu ihren Gunsten zu verändern suchenden Mächte China und Russland herausgefordert und in ihrem Führungsanspruch be- droht – längerfristig in weit größerem Maße gewiss durch ein China, das zu einem globalen hegemo- nialen Konkurrenten heranwachsen könnte. Beide Mächte beanspruchen eine Einflusssphäre. Dies läuft dem traditionellen geopolitischen Kerninteresse der USA zuwider: zu verhindern, dass eine oder mehrere feindliche Großmächte die Kontrolle über die Res- sourcen Eurasiens gewinnen. Zwar entstammt die Befürchtung, dass dies globale Vorherrschaft ermög- licht und die Sicherheit der USA gefährdet, einer Zeit, in der die wirtschaftliche Verflechtung vergleichs- weise gering war und nukleare Abschreckung noch nicht als ultimativer Garant nationaler Sicherheit galt. Doch im außenpolitischen Diskurs der USA ist die geopolitische Perspektive nach wie vor präsent. In einer Welt wachsender Machtkonkurrenzen wollen die USA erklärtermaßen ihre militärische Überlegenheit bewahren. Doch das amerikanische Streben, die militärische Superiorität aufrechtzuer- halten, birgt das Potential, das Sicherheitsdilemma zwischen den USA und Russland sowie den USA und China zu verschärfen und so zu einer Konfliktspirale und zur Verfestigung von Konfliktformationen bei- zutragen. Die Protagonisten eines »Friedens durch Stärke« (so das auch unter Präsident Trump geltende traditionelle sicherheitspolitische Leitmotiv der Repu- blikanischen Partei) lassen wenig Sensibilität dafür erkennen, dass andere Staaten dieses Vorgehen als bedrohlich wahrnehmen könnten. Geopolitisch begründete Großmachtrivalitäten sind gefährlich – für die internationale Ordnung wie für die weltweite Sicherheit. Sie bringen das Risiko eines Krieges hervor, und damit ändert sich auch der Stellenwert nuklearer Abschreckung. Sie ist nicht län- SWP Berlin US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Mai 2018 5
Problemstellung und Schlussfolgerungen ger eher ein Hintergrundfaktor, wie das in der Perio- Sollte das skizzierte Negativszenario eintreten, de nach dem Ost-West-Konflikt der Fall war. Nukleare dann steht Berlin vor der Frage, ob, in welchem Maße Abschreckung beruht im amerikanischen Denken, und unter welchen Bedingungen es die USA in der wie es sich in der »Nuclear Posture Review« vom Machtrivalität mit Russland und im Hegemonial- Februar 2018 manifestiert, auf der Fähigkeit, im Falle konflikt mit China unterstützen will. Nähmen die eines Konflikts über eine große Bandbreite abgestuf- USA etwa im Zuge einer sich zuspitzenden Krise mit ter und flexibel nutzbarer nuklearer Optionen zu China zu einer Art Wirtschaftskrieg Zuflucht, könnte verfügen, darunter den Einsatz von Atomwaffen mit sich Deutschland mit beträchtlichen Kosten konfron- relativ geringer Sprengkraft. Damit soll das Glaub- tiert sehen. Nun lässt sich argumentieren, diese Kos- würdigkeitsproblem umgangen werden, das der ten müssten im Interesse internationaler Ordnung Drohung mit dem Einsatz strategischer Atomwaffen getragen werden. Nur muss man sich darüber im bei einem regionalen Konflikt innewohnt, sei es mit Klaren sein, welcher Art diese Ordnung ist. Sie beruht Russland im Osten Europas oder mit China im Pazi- auf den Annahmen, die USA könnten ihre Überlegen- fik. Die USA als konventionell überlegene Macht, so heit auf Dauer bewahren und die globale Kooperation die Sicht im gegenwärtigen Washington, müssen da- werde sich zuspitzenden Machtrivalitäten standhalten. mit rechnen, dass Russland und China im Falle eines Krieges nuklear eskalieren – in der Hoffnung, die militärische Auseinandersetzung dadurch zu ihren Gunsten beenden zu können. Zum Zwecke der erwei- terten Abschreckung im Frieden sowie der Eskalations- kontrolle und Schadensbegrenzung im Kriegsfalle brauchen die USA der tradierten Abschreckungslogik folgend die Fähigkeit, einen »begrenzten Nuklear- krieg« zu führen. Die USA werden mehr und mehr vor der Heraus- forderung stehen, im Interesse globaler Kooperation und der Vermeidung eines Kriegsrisikos eine geo- politische Verständigung mit China und Russland zu suchen, die darauf basiert, dass man de facto Einfluss- sphären und Pufferzonen hinnimmt. In dem in den USA vorherrschenden Narrativ gelten Einflusssphären jedoch als unvereinbar mit liberalen Ordnungsvorstel- lungen und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker. Eher selten ist in der amerikanischen Diskussion zu vernehmen, dass solche Zonen, sofern nicht durch die Androhung militärischer Gewalt oder deren Einsatz erzwungen, durchaus stabilisierend wirken, das Risi- ko von Fehlkalkulationen verringern und die Koope- ration in anderen Bereichen erleichtern können. Wenn die USA die bisherige Linie beibehalten, das heißt Verweigerung einer geopolitischen Verständi- gung bei gleichzeitiger Bewahrung der militärischen Überlegenheit, ist mit einer Verschärfung von Groß- machtkonflikten und einer Verfestigung der Ab- schreckungspolitik zu rechnen. Dann aber rücken, wie sich im Ost-West-Konflikt gezeigt hat, militäri- sche »Worst-case«-Analysen in den Vordergrund, und auch eher periphere Konflikte gewinnen als Testfall für die Glaubwürdigkeit der Abschreckungsdrohung an Bedeutung. SWP Berlin US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Mai 2018 6
Beginn einer neuen Ära der Weltpolitik Beginn einer neuen Ära der Weltpolitik Im sicherheitspolitischen Diskurs der Vereinigten gesetzt. 4 China und Russland werden weithin als Staaten ist die machtpolitische Konkurrenz mit einem »revisionistische« Staaten 5 wahrgenommen, die ihre aufstrebenden China sowie einem wiedererstarken- Macht und ihren Einfluss auf Kosten der USA und den Russland seit einigen Jahren in den Brennpunkt der von ihr geführten internationalen Ordnung aus- gerückt. Die USA, im vorherrschenden Selbstverständ- weiten wollen und sich dabei aller Mittel im »Grau- nis seit dem Zweiten Weltkrieg der globale Garant bereich« unterhalb der Schwelle eines Krieges mit von Sicherheit und Stabilität, sind aus dieser mitt- den USA bedienen. 6 China baut demnach seine mili- lerweile die außenpolitische Debatte prägenden Sicht tärischen Fähigkeiten aus, um der amerikanischen einer neuen strategischen Konstellation ausgesetzt. 1 Interventionsfähigkeit an seiner Peripherie etwas Von einer »neuen Ära der Großmachtrivalitäten« 2 entgegenzusetzen, im süd- und ostchinesischen Meer oder der »Rückkehr der Großmachtrivalität« 3 ist die einen Sicherheitsgürtel zu errichten und seine mili- Rede, auch Topoi wie die von einem »aggressive Rus- tärische Macht in den ostasiatischen Raum und dar- sia« und einem »assertive China« haben sich durch- über hinaus zu projizieren. In Verbindung mit ver- stärkter wirtschaftlicher Einflussnahme diene dies 1 Als Ausdruck dieser Perzeption siehe etwa Michael Mandelbaum, »America in a New World«, in: The American 4 Hierzu und zu den problematischen Aspekten im Falle Interest, 11 (23.5.2016) 6; Thomas J. Wright, All Measures Short Chinas siehe Alastair Iain Johnston, »How New and Assertive of War: The Contest for the Twenty-First Century and the Future of Is China’s New Assertiveness?«, in: International Security, 37 American Power, New Haven/London: Yale University Press, (Frühjahr 2013) 4, S. 7–48; Björn Jerdén, »The Assertive 2017. China Narrative: Why It Is Wrong and How So Many Still 2 So spricht John McCain von einer »new era of great Bought into It«, in: The Chinese Journal of International Politics, power competitions« und führt aus: »China and Russia 7 (2014) 1, S. 47–88. Zur negativen Perzeption Russlands aspire to diminish U.S. influence and revise the world order in amerikanischen Medien siehe Andrei P. Tsygankov, in ways that are contrary to U.S. national interests.« John »The Dark Double: The American Media Perception as Neo- McCain, Chairman, Senate Armed Services Committee, Soviet Autocracy, 2008–2014«, in: Politics, 37 (Februar 2017) Restoring American Power. Recommendations for the FY 2018-FY 1, S. 19–35. 2022 Budget [Januar 2017], S. 2 und S. 6, (ein- der Gegenseite wird vorgeworfen, die bestehende Ordnung gesehen am 16.4.2018). nach eigenem Gusto verändern zu wollen]. Zu einer konzep- 3 In den Worten von Verteidigungsminister Mattis: »A re- tionell-analytischen Klärung des Begriffs siehe Lena Jachob/ turn to Great Power competition, marked by a resurgent Carsten Rauch/Reinhard Wolf/Iris Wurm, »Was frustriert die and more aggressive Russian Federation and a rising, more Gewinner? Revisionismus in der internationalen Politik und confident and assertive China, places the international order das Rätsel revisionistischer Aufsteiger«, in: Zeitschrift für under assault.« Secretary of Defense Jim Mattis, Senate Außen- und Sicherheitspolitik, 10 (2016) Suppl. 1, S. 1–24. Armed Services Committee, Written Statement for the Record, 6 Zu dieser Sicht siehe Nathan P. Freier (Project Director June 13, 2017, S. 4, (eingesehen am a Post-Primacy World, Carlisle, PA: United States Army War 16.4.2018). College Press, Juni 2017, S. 60ff. SWP Berlin US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Mai 2018 7
Beginn einer neuen Ära der Weltpolitik dazu, die USA von Asien zu »entkoppeln« und die Wenn im Folgenden von Großmachtrivalitäten eigene Vorherrschaft in der Region zu gewährleisten. 7 die Rede ist, dann handelt es sich um eine Verein- fachung. Keineswegs können die USA, China und Begonnen hatte die Rede von der Ära Russland mit Blick auf ihre Machtpotentiale ein und neuer Großmachtkonflikte bereits derselben Kategorie zugeordnet werden. Nach wie vor unter der Obama-Administration. sind die USA als Supermacht allen anderen voraus, gefolgt von China, das als »emerging potential super- Begonnen hatte die Rede von der Ära neuer Groß- power« bezeichnet werden kann, während Russland machtkonflikte bereits unter der Obama-Administra- als Großmacht zu betrachten ist. 10 Zwar mag im tion. Doch damals hatte das Weiße Haus versucht, amerikanischen Diskurs eher Russland als das un- den Diskurs einzuhegen, und beispielsweise das Pen- mittelbare sicherheitspolitische Problem erscheinen, tagon angewiesen, den Begriff »great power com- doch längerfristig ist es der Aufstieg Chinas, der die petition« nicht zu verwenden, weil er den Eindruck Weltführungsrolle der USA gefährdet. erwecken könne, die USA und China befänden sich Russland versucht seit Putins erneuter Wahl zum geradezu unvermeidlich auf Kollisionskurs. 8 In der Präsidenten im Jahre 2012, seinen Einfluss über die unter Präsident Trump im Dezember 2017 veröffent- eigene Peripherie und die dort beanspruchte »privi- lichten Nationalen Sicherheitsstrategie hat sich da- legierte Interessensphäre« hinaus zulasten der USA gegen sehr deutlich die Auffassung niedergeschlagen, auszuweiten, und nutzt dabei die Chancen, die dass die USA sich in einer Welt wachsender Macht- sich ergeben. 11 Die Hegemonie der USA wird in Mos- konkurrenzen befinden, dass sie von Russland und kau weithin als eine Gefahr für die eigenen Kern- China im Ringen um Einfluss herausgefordert sind, interessen – Regimesicherheit, Vorrangstellung im dass die Hoffnung getrogen hat, die Einbindung der »Nahen Ausland«, Großmachtstatus – angesehen. beiden Staaten in internationale Institutionen und Die bis etwa 2007 herrschende Erwartung, der Wes- in die internationale Wirtschaft werde sie zu verläss- ten werde auf diese Bedürfnisse Rücksicht nehmen, lichen Partnern machen. Vielmehr zielten Russland so dass sie sich im Rahmen einer integrativen Politik und China darauf, »eine Welt zu formen, die den US- gewährleisten ließen, hat sich aus russischer Sicht Werten und Interessen entgegengesetzt sei«. Denn zerschlagen. Dabei ist ordnungspolitisch nicht alles beide Mächte machten den USA deren »geopolitische zwischen den USA und Russland strittig. Auch Russ- Vorteile streitig und versuchen, die internationale land wünscht das System der Vereinten Nationen (VN) Ordnung zu ihren Gunsten zu verändern«. 9 zu bewahren, wenngleich die Vorstellungen zu staat- licher Souveränität sich gegen das »moderne« liberale westliche Verständnis richten. Die entscheidende ord- 7 So etwa Ashley J. Tellis, Protecting American Primacy in the nungspolitische Konfliktlinie zwischen den USA und Indo-Pacific, Testimony, Senate Armed Services Committee, Russland ist die geopolitische: der russische Anspruch 25.4.2017, (eingesehen am 16.4.2018). 8 Siehe David Larter, »White House Tells the Pentagon to sprach in seiner Rede zur Veröffentlichung der Nationalen Quit Talking about ›Competition‹ with China«, in: Navy Times, Sicherheitsstrategie von »a new era of competition« und 26.9.2016. davon, dass Russland und China »seek to challenge Ameri- 9 The White House, National Security Strategy of the United can influence, values, and wealth.« »Remarks by President States of America, Washington, D.C., Dezember 2017, S. 3, Trump on the Administration’s National Security Strategy«, Zitate auf S. 25 (»China and Russia want to shape a world 18.12.2017, (eingesehen am 16.4.2018). change the international order in their favor«). Eine ähnliche 10 Siehe dazu im Detail Stephen G. Brooks/William C. Sicht war bereits in der jüngsten Einschätzung globaler Wohlforth, »The Rise and Fall of the Great Powers in the Trends durch den National Intelligence Council zu finden: Twenty-first Century: China’s Rise and the Fate of America’s »Geopolitical competition is on the rise as China and Russia Global Position«, in: International Security, 40 (Winter 2015/16) seek to exert more sway over their neighboring regions and 3, S. 7–53. promote an order in which US influence does not dominate.« 11 Im Detail siehe Paul Stronski/Richard Sokolsky, The National Intelligence Council, Global Trends: Paradox of Pro- Return of Global Russia: An Analytical Framework, Washington, gress, Washington, D.C., Januar 2017, S. 44. Trump selbst D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, 2017. SWP Berlin US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Mai 2018 8
Beginn einer neuen Ära der Weltpolitik auf eine Einflusssphäre in früheren Sowjetrepubli- Prozesse der Machttransition sind ken. 12 Die baltischen Staaten gehören, folgt man riskant für die Stabilität des einer Analyse der im Auftrag des Pentagon forschen- internationalen Systems. den amerikanischen RAND-Corporation, nicht dazu. Eine Einverleibung des Baltikums wird in der Prozesse der Machttransition sind riskant für die russischen Diskussion nicht als strategisches Interesse Stabilität des internationalen Systems: Denn un- formuliert. 13 gleiche wirtschaftliche Wachstumsprozesse führen Moskau fordert Washington zwar heraus, verfügt zu Veränderungen in der Machtverteilung, denen die aber nicht über die Machtmittel, den USA ihre globale bestehende politische Ordnung des internationalen Vormachtstellung streitig zu machen. Dem Land ist Systems irgendwann nicht mehr entspricht. Je größer es nicht gelungen, die Erlöse aus den Öl- und Gas- das Ungleichgewicht wird, desto mehr steigt der vorräten für eine Diversifizierung der Wirtschaft und »realistischen« Sicht internationaler Politik zufolge eine Modernisierung der Infrastruktur zu nutzen, das Kriegsrisiko. Die Wahrscheinlichkeit für eine die demographische Entwicklung ist ungünstig und kriegerische Auseinandersetzung gilt dann als am gesellschaftliche Probleme werden nicht nachhaltig größten, wenn ein nicht saturierter Herausforderer gelöst. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung sich mit seiner militärischen Macht dem führenden Russlands zu einem wichtigen Akteur im Rahmen Staat im internationalen System annähert – strittig globaler Machtverschiebungen zumindest fraglich. 14 ist, ob eher der Herausforderer zu den Waffen greift China dagegen hat das Potential zu einer neuen oder die führende Macht einen Präventivkrieg be- Supermacht. Die durch seinen Aufstieg ausgelöste ginnt. Nun mag man darauf verweisen, dass die Exis- machtpolitische Dynamik in Asien ist der große geo- tenz von Nuklearwaffen und die wirtschaftliche Inter- politische Umbruch, vor dem die USA in den näch- dependenz einen Krieg zwischen Großmächten längst sten Jahrzehnten stehen werden. 15 Die Integration obsolet gemacht und solche Theoreme ad absurdum einer aufstrebenden Großmacht in das internationale geführt hätten. Nur: Sie sind zumindest in den USA System ist aller historischen Erfahrung nach keine in der Debatte und in den Köpfen der Sicherheits- leichte Aufgabe. Denn solche Staaten tendieren dazu, politiker weiterhin lebendig und daher politisch rele- in ihrem Bemühen um Rohstoffe, Märkte und Militär- vant. Damit prägen sie den Blick auf den Aufstieg stützpunkte die Reichweite ihrer Aktivitäten aus- Chinas, das als einzige Macht die Fähigkeit entwi- zudehnen und im Zuge dessen Konflikte mit anderen ckeln könnte, die Führungsrolle der USA nicht nur in Mächten heraufzubeschwören, selbst wenn sie keine Asien zu gefährden. 17 Und dass China sich anschickt, aggressive, revisionistische, risikobereite Außen- eine internationale Vormachtstellung anzustreben, politik betreiben. 16 spricht die chinesische Führung mittlerweile deutlich aus. Staatspräsident Xi Jinping hat daran beispiels- weise auf dem 19. Parteitag im Oktober 2017 keinen 12 Siehe Andrew Radin/Clint Reach, Russian Views of Inter- Zweifel gelassen. national Order, Santa Monica, CA: RAND Corporation, 2017, Was steht aus amerikanischer Sicht zu erwarten, bes. S. 85–89. wenn China zum Hegemon in Asien und womöglich 13 Siehe Bryan Frederick et al., Assessing Russian Reactions to zur führenden Supermacht würde? Wären die USA U.S. and NATO Posture Enhancements, Santa Monica, CA: RAND Corporation, 2017, S. XIff. dadurch gefährdet? Oder geht es bei hegemonialen 14 Siehe Rajan Menon, »Pax Americana and the Rising Pow- Konflikten weniger um handfeste Interessen als um ers«, in: Current History, 108 (November 2009) 721, S. 353– Fragen des Status und des Prestiges, wie vielfach zu 360; Stephen Fortescue, Can Russia Afford to Be a Great Power?, Sydney: Lowy Institute for International Policy, Juni 2017. 15 Zur Debatte siehe etwa Yuen Foong Khong, »Primacy or World Order? The United States and China’s Rise – A Re- view Essay«, in: International Security, 38 (Winter 2013/2014) 3, tair Iain Johnston/Robert S. Ross (Hg.), Engaging China: The S. 153–175; John J. Mearsheimer, »Can China Rise Peace- Management of an Emerging Power, London/New York: Rout- fully?«, in: The National Interest, 25.10.2014; Graham Allsion, ledge, 1999, S. 1–31. »The Thucydides Trap«, in: Foreign Policy, 9.6.2017. 17 Zur Problematik siehe etwa Christopher Layne, »The US- 16 Grundsätzlich dazu siehe Randall L. Schweller, »Manag- Chinese Power Shift and the End of the Pax Americana«, in: ing the Rise of Great Powers: History and Theory«, in: Alas- International Affairs, 94 (2018) 1, S. 89–111. SWP Berlin US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Mai 2018 9
Beginn einer neuen Ära der Weltpolitik hören ist? 18 Selten wird ausbuchstabiert, was befürch- macht zu empfehlen. 22 Ebenso wenig ergibt die tet wird, wenn mit China ein »peer competitor« her- Abkehr von der Trans-Pacific Partnership (TTP) anwüchse, gar die USA überholte: eine Bedrohung der geopolitisch einen Sinn – war diese doch auch als amerikanischen Sicherheit, könnte sich China in der Element zur Begrenzung chinesischer Ambitionen westlichen Hemisphäre militärisch festsetzen; ein Be- konzipiert. deutungsverlust des Dollars als internationale Reser- vewährung, was die Kosten für die USA erhöhen und ihren Handlungsspielraum einschränken würde; eine Veränderung insbesondere der von den USA gepräg- ten internationalen Institutionen. Wenn die USA nicht mehr die unbestrittene Nummer eins wären, nicht mehr attraktiv für die Finanzzuflüsse, die amerikanischen Wohlstand sichern helfen, nicht mehr ihre Interessen fern vom eigenen Territorium und nahe an dem potentieller Gegner verteidigen könnten, sähen sie sich in ihrer »strategischen Auto- nomie« beschnitten. 19 So betrachtet bedroht China langfristig nicht nur den Status der USA als Vor- macht, sondern auch die sich daraus ergebenden Privilegien und wirtschaftlichen Vorteile (deren Art und Umfang in der wissenschaftlichen Diskussion durchaus unterschiedlich eingeschätzt werden). 20 Aus amerikanischer Perspektive ist daher eine Zeit neuer, potentiell gefährlicher Großmachtkonflikte angebrochen. Die Debatte, wie die USA darauf reagie- ren sollen, ist im Gange. Doch eine konsistente Stra- tegie, die über das instinktive Bemühen hinausginge, die eigene Vorherrschaft zu bewahren, lässt sich noch nicht erkennen. 21 Mit der Preisgabe des traditionellen Führungsanspruchs im Sinne liberaler Hegemonie hat Präsident Trump vielmehr China geradezu den Weg geebnet, sich rhetorisch als neue Führungs- 18 So John Glaser, »The Ugly Truth about Avoiding War with China«, in: The National Interest, 28.12.2015. 19 Ashley J. Tellis, Balancing without Containment: An American Strategy for Managing China, Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, 2014, S. 18f, 14 (dort »strategic autonomy«). 20 Siehe Michael Mastanduno, »System Maker und Privi- lege Taker: U.S. Power and the International Political Econo- my«, in: World Politics, 61 (Januar 2009) 1, S. 121–154; Daniel W. Drezner, »Military Primacy Doesn’t Pay (Nearly as Much as You Think)«, in: International Security, 38 (Sommer 2013) 1, S. 52–79; Doug Stokes/Kit Waterman, »Security Leverage, Structural Power and US Strategy in East Asia«, in: Interna- tional Affairs, 93 (2017) 5, S. 1039–1060. 22 Für die chinesische Führung, so ein chinesischer Ex- 21 Siehe Michael J. Mazarr/Hal Brands, »Navigating Great perte, sei Trump »the biggest strategic opportunity«. Zitiert Power Rivalry in the 21st Century«, in: War on the Rocks, in: Evan Osnos, »Making China Great Again«, in: The New 5.4.2017. Yorker, 8.1.2018. SWP Berlin US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Mai 2018 10
Die Wiederbelebung geopolitischen Denkens Die Wiederbelebung geopolitischen Denkens Die Veränderungen im internationalen Sicherheits- Eroberungspolitik Nazi-Deutschlands spitzte Nicholas umfeld haben das traditionelle machtpolitische Kern- Spykman diese Auffassung 1942 zu: Wer Eurasien interesse aktiviert, das Washington in den 1940er kontrolliere, habe das Schicksal der Welt in der Hand. Jahren unter dem Einfluss geostrategischen Denkens Dieses Credo fand in den USA unter dem Einfluss der sowie der Politik der Achsenmächte entwickelt hatte Eroberungspolitik seitens der Achsenmächte immer und das seitdem als selten in Frage gestellte Prämisse größere Verbreitung. Auch der Konflikt mit der Kon- die amerikanische Weltpolitik leitet: zu verhindern, tinentalmacht Sowjetunion wurde unter diesem Blick- dass eine oder mehrere feindliche Großmächte die winkel betrachtet. Niemals, so die Grundüberzeu- Ressourcen Eurasiens kontrollieren und sich ein gung, dürfe eine feindliche Macht die Vorherrschaft Machtpotential aneignen, das die amerikanische über die industriellen Zentren Eurasiens erlangen; Überlegenheit gefährden könnte. 23 Dieses Denken anderenfalls sähen sich die USA gezwungen, ihr wurzelt in einem geopolitischen Realismus, der sich politisches und wirtschaftliches System zu verändern, an den klassischen Vorstellungen eines Alfred Thayer um im globalen Machtkampf bestehen zu können. Mahan, eines Halford Mackinder und schließlich Aus den USA wäre, wie es Präsident Truman später eines Nicholas Spykman orientiert. Eng verwandt einmal formulierte, ein Garnisonsstaat geworden. 25 mit dem »realistischen« Denken, das die Unveränder- Die traditionellen Prinzipien amerikanischer lichkeit von Machtpolitik postuliert, rückt die geo- Außenpolitik – nationale Selbstbestimmung und politische Sichtweise die machtpolitische Bedeutung »open door«, also offener Zugang für die amerika- bestimmter geographischer Regionen in den Mittel- nische Wirtschaft –, die sowohl den wirtschaftlichen punkt – und insbesondere die sicherheitspolitischen Interessen als auch den Wertvorstellungen der USA Konsequenzen, die sich aus der Beherrschung des entsprachen, gewannen vor dem Hintergrund der in eurasischen Kontinents durch eine Macht ergeben den 1930er und 1940er Jahren gemachten Erfahrun- könnten. 24 In diesem Falle, so sah es Mackinder 1904, gen eine eminent sicherheitspolitische Bedeutung. hätte sie Zugriff auf ungeheure Ressourcen für den Bilateralismus und Autarkie in geschlossenen Wirt- Flottenbau, für den Hegemon rücke damit die Welt- schaftsräumen – diese beiden wirtschaftlichen Ent- herrschaft in Reichweite. Unter dem Einfluss der wicklungen der 1930er Jahre – beeinträchtigten nicht nur den Zugang der amerikanischen Wirtschaft 23 Siehe Ronald O’Rourke, A Shift in the International Security zu anderen Märkten. Eine derartige Politik hatte es Environment: Potential Implications for Defense – Issues for Congress, Deutschland und Japan auch erlaubt, Ressourcen für Washington, D.C.: Congressional Research Service, 8.6.2016. den Krieg zu mobilisieren. 26 24 Zur Rolle geopolitischen Denkens siehe G. R. Sloan, Geo- politics in United States Strategic Policy, 1890–1987, New York: St. Martin’s Press, 1988; Simon Dalby, »American Security 25 Siehe Melvyn P. Leffler, A Preponderance of Power: National Discourse: The Persistence of Geopolitics«, in: Political Geo- Security, the Truman Administration, and the Cold War, Stanford: graphy Quarterly, 9 (April 1990) 2, S. 171–188; William May- Stanford University Press, 1992; Akira Iriye, The Globalizing of born, »The Pivot to Asia: The Persistent Logics of Geopolitics America, 1913–1945, Cambridge u.a.: Cambridge University and the Rise of China«, in: Journal of Military and Strategic Press, 1993 (The Cambridge History of American Foreign Studies, 15 (2014) 4, S. 76–101. Siehe auch Samuel P. Hun- Relations, Bd. 3). tington, The Clash of Civilizations and the Remaking of World 26 Siehe Warren I. Cohen, America in the Age of Soviet Power, Order, New York: Simon&Schuster, 1996, S. 228ff. 1945–1991, Cambridge/New York/Melbourne: Cambridge SWP Berlin US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Mai 2018 11
Die Wiederbelebung geopolitischen Denkens Das geopolitische Argument, die Kontrolle einer Golf – zu verhindern, bleibe unverändert gültig. 31 Macht über Eurasien gebe ihr Potentiale an die Hand, Und in einer von den Joint Chiefs of Staff veröffent- die weltweite Vorherrschaft und eine Gefährdung lichten Analyse, in der es um das künftige Sicher- des amerikanischen Territoriums ermöglichten, ent- heitsumfeld und die Konsequenzen für die amerika- stammt zwar einer Zeit, in der wirtschaftliche Inter- nischen Streitkräfte geht, wird ausdrücklich Nicholas dependenz gering ausgeprägt war und Nuklearwaffen Spykman zitiert, der 1942 schrieb: Wenn die Land- noch nicht der ultimative Garant der Sicherheit massen der alten Welt der Herrschaft einiger weniger waren. 27 Nur wurde und wird diese geopolitische Staaten anheimfielen, dann wären die USA politisch Betrachtungsweise im außenpolitischen Diskurs der und strategisch eingekreist. Liest man das Dokument, USA konserviert und perpetuiert. Auch so manche bekommt man den Eindruck, dass zwei autoritäre »realistischen« Befürworter einer zurückhaltenden Staaten, bewaffnet mit Atomwaffen, bereits die eura- Außenpolitik teilen diese Auffassung im Prinzip, sische Landmasse dominierten oder auf dem Weg wenngleich sie in absehbarer Zeit keine Hegemonial- dahin seien. Nach dieser Wahrnehmung schicken macht auf dem eurasischen Kontinent fürchten. 28 sich China und Russland an, durch Konsolidierung Eher selten wird die Ansicht vertreten, die Furcht vor ihrer Einflusssphären den Einfluss der USA zu be- einem eurasischen Hegemon sei ein »strategisches grenzen. 32 Insofern stehen die USA auch vor der Artefakt des pränuklearen Zeitalters«. 29 Frage, ob und, wenn ja, wie sich der »ultimative geo- Die alte geopolitische Sorge vor globaler Vorherr- politische Albtraum« verhindern lässt: der Schulter- schaft mittels eurasischer Ressourcen mag anachro- schluss zweier autoritärer Herausforderer. 33 nistisch erscheinen; kein Geringerer als der frühere Sicherheitsberater Brzezinski hat dies in aller Deut- lichkeit ausgesprochen und entsprechend für eine Politik der »accomodation« aufstrebender Mächte 31 Mac Thornberry/Andrew F. Krepinevich, Jr., »Preserving Primacy: A Defense Strategy for the New Administration«, in: geworben, im Falle Chinas für die stillschweigende Foreign Affairs, 95 (September/Oktober 2016) 5, S. 26–35 (27). Anerkennung von dessen »geopolitical preeminence 32 Joint Chiefs of Staff, Joint Operating Environment 2025: on the mainland of Asia«. 30 Doch das alte Denken The Joint Force in a Contested and Disordered World, 14.7.2016, hat beträchtliches Beharrungsvermögen. So heißt S. 27ff. Zitierenswert ist auch die folgende Formulierung des es in einem 2016 vom Vorsitzenden des Streitkräfte- geopolitischen Interesses: »If a single power came to domi- ausschusses im Repräsentantenhaus als Mitautor nate either Europe or Asia, it would possess substantially publizierten Plädoyer für die Bewahrung der Vor- greater manpower, economic and technical capacity – and machtrolle: Das traditionelle Ziel, die Kontrolle einer thus greater military potential – than the United States. feindlichen Macht über eine der Schlüsselregionen – Such a development would represent a major threat to U.S. Europa, den westlichen Pazifik und den Persischen national security. Even if such a hegemon’s intentions were benign, were they to become hostile the effect would be the same. Therefore, if possible, the emergence of such a power must be resisted. Consequently, preserving a favorable mili- University Press, 1993 (The Cambridge History of American tary balance of power along the Eurasian periphery to dis- Foreign Relations, Bd. 4), S. 3f. courage would-be-hegemons from achieving their aims 27 Als kritische Perspektive siehe Stephen Van Evera, through aggression or coercion remains, as it has for a cen- »American Foreign Policy for the New Era«, in: Stephen Van tury, a fundamental U.S. strategic objective. If successful, Evera (Hg.), How to Make America Safe: New Policies for National preserving a favorable military balance keeps threats as Security, Cambridge, MA: The Tobin Project, 2006, S. 87–96. distant from the U.S. homeland as possible, thereby enabling 28 So etwa Barry R. Posen, Restraint: A New Foundation for U.S. the United States to maintain and exploit its strategic depth, Grand Strategy, Ithaca/London: Cornell University Press, 2014, an important source of competitive advantage.« Andrew F. S. 70f. Krepinevich, Preserving the Balance: A U.S. Eurasia Defense Stra- 29 Christopher Layne, »From Preponderance to Offshore tegy, Washington, D.C.: Center for Strategic and Budgetary Balancing: America’s Future Grand Strategy«, in: International Assessments, 2017, S. 3f. Security, 22 (Sommer 1997) 1, S. 86–124 (117: »strategic arti- 33 Siehe Greg R. Lawson, »Avoding America’s Ultimate fact of the prenuclear era«). Geopolitical Nightmare«, in: The National Interest, 2.4.2014; 30 Zbigniew Brzezinski, Strategic Vision: America and the Crisis ferner Aaron L. Friedberg, The Authoritarian Challenge: China, of Global Power, New York: Basic Books, 2012, S. 131, 174 (dort Russia and the Threat to the Liberal International Order, Tokio: auch Zitat[e]). The Sasakawa Peace Foundation, August 2017, S. 74f. SWP Berlin US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Mai 2018 12
Die Bewahrung militärischer Überlegenheit Die Bewahrung militärischer Überlegenheit Angesichts der Wiederbelebung geopolitischen Den- Formuliert bereits in den strategischen Planungen kens hat die Bewahrung der amerikanischen mili- des Pentagon nach Zusammenbruch der Sowjetunion, tärischen Vormachtstellung mit Blick auf China und als die Weltpolitik der USA neu legitimiert werden Russland eine neue Begründung gefunden. Als sich musste, 36 kam diese Auffassung klarer als nirgendwo die US-Sicherheitspolitik nach dem Ende des Ost- sonst in der »National Security Strategy« von 2002 West-Konflikts – in den späten 1980er/frühen 1990er zum Ausdruck: »Unsere Streitkräfte«, heißt es dort, Jahren – auf eine neue Situation einstellen musste, »werden stark genug sein, potentielle Gegner von kristallisierte sich in den Planungsprozessen schnell ihren Aufrüstungsvorhaben abzubringen, die sie in heraus, dass die USA in einer Zeit des Umbruchs und der Hoffnung auf Überlegenheit oder Gleichstellung der Ungewissheit eine deutliche militärische Supe- im Hinblick auf die Macht der Vereinigten Staaten riorität aufrechterhalten wollten – und das Sicher- betreiben.« 37 Traditionelle Großmachtrivalitäten, so heitsestablishment wenig Neigung zeigte, am Status die optimistische Annahme, ließen sich auf diese quo und an der Stärke des militärischen Arsenals Weise überwinden. etwas zu ändern. 34 Das galt auch für die Rolle der Doch die Erwartung hat getrogen. Schon unter Nuklearwaffen. Zwar wurde die Zahl der stationierten Obama sahen sich die USA – genauer: die Planer im Atomwaffen verringert, doch die Struktur des nu- Pentagon – in einer neuen strategischen Situation: klearen Dispositivs (die Triade aus landgestützten Russland erstarkte, China stieg auf, und Großmacht- Interkontinentalraketen, seegestützten Raketen und konflikte rückten wieder auf die Agenda. Es galt, bei- luftgestützten Systemen) blieb bestehen. Die Ziel- den potentiellen Gegnern demonstrativ militärisch planung wurde lediglich dahingehend flexibilisiert, die Stirn zu bieten, und zwar mit der Fähigkeit zur dass »Schurkenstaaten« ins Visier genommen wurden. Als potentieller Gegner Nummer eins galt aber weiter- hin die Atommacht Russland. 35 36 Zugang zu den einschlägigen Dokumenten findet sich über »›Prevent the Reemergence of a New Rival‹. The Making In den ersten zwei Jahrzehnten nach Ende des Ost- of the Cheney Regional Defense Strategy, 1991–1992. De- West-Konflikts war diese Politik mit der Erwartung classified Studies from Cheney Pentagon Show Push for U.S. verbunden gewesen, andere Großmächte ließen sich Military Predominance and a Strategy to ›Prevent the Re- durch überlegene Machtressourcen von vornherein emergence of a New Rival‹«, The National Security Archive, entmutigen, als Gegenmächte aufzutreten und die 26.2.2008, (eingesehen am 16.4.2018). Im Detail zu diesen Vorstellungen und Planungen siehe Hal Brands, 34 Siehe Alexandra Homolar, »How to Last Alone at the »Choosing Primacy: U.S. Strategy and Global Order at the Top: US Strategic Planning for the Unipolar Era«, in: The Jour- Dawn of the Post-Cold War Era«, in: Texas National Security nal of Strategic Studies, 34 (April 2011) 2, S. 189–217. Review, 1 (2018) 2, (ein- West-Konflikts siehe Harald Müller/Annette Schaper, US- gesehen am 16.4.2018). Nuklearpolitik nach dem Kalten Krieg, Frankfurt a.M.: Hessische 37 »Our forces will be strong enough to dissuade potential Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), 2003 (HSFK- adversaries from pursuing a military build-up in hopes of Report 3/2003); Amy F. Woolf, U.S. Nuclear Weapons: Changes surpassing, or equaling, the power of the United States.« The in Policy and Force Structure, Washington, D.C.: Congressional White House, The National Security Strategy of the United States of Research Service, 23.1.2008. America, September 2002, S. 30. SWP Berlin US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Mai 2018 13
Die Bewahrung militärischer Überlegenheit Konfliktdominanz. 38 Entsprechend soll insbesondere nach ihm wieder zu ihr zurückfinden, ist eine offene die militärtechnologische Überlegenheit der USA be- Frage. Doch solange in der US-Außenpolitik nicht die wahrt werden, um Herausforderern keine Anreize zu eher rüstungskritische linkspopulistische Richtung bieten, in einer Krise präemptiv militärische Gewalt die Oberhand gewinnt, dürfte die Bewahrung militä- einzusetzen, und, sollte es doch dazu kommen, um rischer Stärke innenpolitisch weithin unstrittig bleiben. den Konflikt vor Überschreiten der nuklearen Schwel- Angesichts sich verhärtender Großmachtkonflikte le zu beenden. 39 ist diese Haltung mit problematischen Konsequenzen verbunden. Sie verschärft nämlich das Sicherheits- Auch die Trump-Administration will dilemma. 41 Gemeint ist damit Folgendes: In einem die militärische Überlegenheit der »anarchischen« internationalen System, einem Sys- USA aufrechterhalten. tem ohne übergeordnete Autorität, kann kein Staat, so die Annahme, vor Angriff, Beherrschung oder gar Auch die Trump-Administration hat keinen Zwei- Auslöschung sicher sein. Maßnahmen zum Ausbau fel daran gelassen, dass sie die militärische Über- der eigenen Sicherheit, sei es über Rüstung, territo- legenheit der USA aufrechterhalten will. 40 Die USA riale Expansion oder Bündnisse, sind jedoch geeignet, haben sich unter Donald Trump zwar von der Rolle die Sicherheit anderer Staaten zu beeinträchtigen und des wohlwollenden Hegemons verabschiedet; ob sie zu Macht- und Rüstungskonkurrenzen zu führen. Die Sensibilität für das Sicherheitsdilemma ist in den USA 38 Siehe die Rede von Verteidigungsminister Ashton Carter allerdings nicht besonders ausgeprägt. In seinem am 2.2.2016, »Remarks by Secretary Carter on the Budget Selbstverständnis ist das Land als liberale Demokratie at the Economic Club of Washington, D.C.«, (eingesehen am 30.4.2018). Dass die Möglichkeit, amerikanische (Rüstungs-) 39 Siehe Deputy Secretary of Defense Bob Work, »The Politik könne von anderen als beunruhigend wahr- Third U.S. Offset Strategy and its Implications for Partners genommen werden, gar nicht in Betracht gezogen and Allies«, Washington, D.C., 28.1.2015, (eingesehen am 30.4.2018). geradezu exemplarisch zum Ausdruck. 43 Und wenn Warum dritte Offset-Strategie? Als erste gilt die Einführung doch zugestanden wird, dass eine Erhöhung der Ver- taktischer Atomwaffen in den 1950er Jahren zur Abschre- teidigungsausgaben zur Absicherung der schwinden- ckung eines konventionellen sowjetischen Angriffs gegen den militärischen Vormachtstellung in Verbindung Westeuropa, als zweite die Einführung präzisionsgesteuerter mit der Vornestationierung verstärkter Kräfte in konventioneller Waffen in den 1970er Jahren. Siehe auch Osteuropa und Ostasien die Spannungen mit Russ- Cheryl Pellerin, »Work: Great Power Competition Aims for land und China verschärfen mag, ist dies aus Sicht Deterrence, Not War«, DoD News, 30.3.2016, (eingesehen am 30.4.2018). 41 Dieser Begriff stammte ursprünglich von John H. Herz, 40 »Our task is to ensure that American military superiority dem Vordenker des »realistischen Liberalismus«, und wurde endures«. Und an anderer Stelle heißt es in der Nationalen später von Robert Jervis ausgearbeitet. John H. Herz, »Idealist Sicherheitsstrategie: »We must convince adversaries that we Internationalism and the Security Dilemma«, in: World Poli- can and will defeat them – not just punish them if they tics, 2 (1950) 2, S. 157–180; Robert Jervis, »Cooperation attack the United States. We must ensure the ability to deter under the Security Dilemma«, in: World Politics, 30 (1978) 2, potential enemies by denial, convincing them that they can- S. 167–214. not accomplish objectives through the use of force or other 42 Zu den möglichen Ursachen für diese Selbstwahrneh- forms of aggression.« The White House, National Security mung siehe Christopher J. Fettweis, »Unipolarity, Hegemony, Strategy of the United States of America, Washington, D.C., De- and the New Peace«, in: Security Studies, 26 (2017) 3, S. 423– zember 2017, S. 3 und S. 28. Siehe auch Department of 451 (443ff). Defense, Summary of the National Defense Strategy of the United 43 The White House, National Security Strategy of the United States of America: Sharpening the American Military’s Competitive States of America, Dezember 2017 [wie Fn. 40]; Department of Edge, Washington, D.C., 2018. Defense, Nuclear Posture Review, Februar 2018. SWP Berlin US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Mai 2018 14
Die Bewahrung militärischer Überlegenheit Zwecke langfristiger Stabilität gleichwohl notwendig. Denn der Aufrüstung der beiden anderen Staaten zuzusehen, anstatt deren Möglichkeiten zur Aus- übung von Druck und Zwang zu begrenzen, könnte sich als wesentlich destabilisierender erweisen. 44 44 So Hal Brands/Eric Edelman, »The Crisis of American Military Primacy and the Search for Strategic Solvency«, in: Parameters, 46 (Winter 2016–2017) 4, S. 27–42 (40). SWP Berlin US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Mai 2018 15
Die Renaissance nuklearer Abschreckung Die Renaissance nuklearer Abschreckung Die Revitalisierung nuklearer Abschreckung unter »bedeutende nicht-nukleare strategische Angriffe« Bedingungen geopolitischer Großmachtkonkurrenzen gezählt werden, worunter wohl Cyberangriffe zu ist zu einem Kerntopos des sicherheitspolitischen Dis- verstehen sind. 45 Es geht dabei vor allem um Angriffe kurses in den USA geworden, wie er sich auch in der gegen die Zivilbevölkerung, die Infrastruktur sowie »Nuclear Posture Review« vom Februar 2018 wider- gegen Nuklearwaffen und ihre Kontroll- und Kom- spiegelt. Die Funktion nuklearer Abschreckung ist mandoeinrichtungen. traditionell nicht darauf beschränkt, potentielle Geg- Auf operativer Ebene ist die amerikanische Nu- ner von einem Angriff gegen die USA abzuhalten, kleardoktrin am sogenannten »Counterforce«-Ansatz sondern im Sinne der sogenannten erweiterten Ab- orientiert. Ziel ist es, gegnerische militärische, ins- schreckung auch von einer Aggression gegen verbün- besondere nukleare Fähigkeiten auszuschalten, dete Staaten in Europa und Asien, die unter dem darunter Raketensilos, Flughäfen, Stützpunkte der »nuklearen Schutzschirm« der USA stehen. Gerade strategischen U-Boote, Kommunikations- und Kon- die erweiterte Abschreckung und das Problem ihrer trolleinrichtungen. Seit geraumer Zeit ist in der Glaubwürdigkeit hat die amerikanische Nuklear- amerikanischen Debatte die Rede von der »Counter- politik seit Jahrzehnten in hohem Maße geprägt. Wie force Revolution« und dem »nuklearen Primat« der können glaubhaft aggressive Akte gegen Verbündete USA. 46 Letzterer mag gar nicht beabsichtigt gewesen abgeschreckt werden, wenn die USA selbst durch sein, aber die beständige Suche nach Optionen zur sowjetische/russische und chinesische Nuklearangriffe Neutralisierung gegnerischer Atomwaffen führte in verwundbar sind? Wie ist das daraus sich ergebende diese Richtung. 47 Schadensbegrenzung durch Aus- Problem der Selbstabschreckung zu bewältigen? Wel- schaltung des gegnerischen strategischen Nuklear- che Möglichkeiten gibt es, die gegnerische Seite von potentials spielte und spielt im Denken der amerika- einer nuklearen Eskalation abzuhalten, sollte die nischen Entscheidungsträger eine gewichtige Rolle; Abschreckung versagen? Und wie lässt sich der Scha- in öffentlichen Verlautbarungen ist Schadensbegren- den im Falle eines Nuklearkrieges begrenzen? Abschreckung zielt darauf, die Intentionen sowie die Kosten-Nutzen-Kalkulation potentieller Gegner zu beeinflussen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die 45 Department of Defense, Nuclear Posture Review sogenannte deklaratorische Nukleardoktrin – Äuße- [wie Fn. 43], S. 21. rungen zur Rolle von Nuklearwaffen, die für die Geg- 46 Hierzu und im Folgenden siehe Keir A. Lieber/Daryl ner, aber auch für verbündete Staaten bestimmt sind. G. Press, »The New Era of Nuclear Weapons, Deterrence, and Derartige Stellungnahmen sind mit Blick auf den Erst- Conflict«, in: Strategic Studies Quarterly, 10 (Frühjahr 2013) 5, einsatz von Nuklearwaffen mit einer »kalkulierten S. 31–42; dies., »The New Era of Counterforce: Technologi- Zweideutigkeit« formuliert. Denn dieser wird nicht cal Change and the Future of Nuclear Deterrence«, in: Inter- ausgeschlossen, aber die Konditionen, unter denen es national Security, 41 (Frühjahr 2017) 4, S. 9–49. dazu kommen könnte, sind nicht näher ausgeführt. 47 Präemptive »Counterforce«-Optionen waren übrigens schon während des Ost-West-Konflikts Bestandteil der ameri- So heißt es, dass der Einsatz nur »unter extremen kanischen Abschreckungspolitik. Siehe Austin Long, Deterrence Bedingungen« erfolgen werde, um die vitalen Inter- from Cold War to Long War: Lessons from Six Decades of RAND Re- essen der USA, ihrer Verbündeten und Partner zu ver- search, Santa Monica, CA: RAND Corporation 2008, S. 25–43, teidigen. Unter Präsident Trump ist neu hinzugekom- Zitat S. 27. men, dass zu den »extremen Bedingungen« auch SWP Berlin US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Mai 2018 16
Die Renaissance nuklearer Abschreckung zung durch Erstschlagsfähigkeit jedoch nach wie vor punktgenau auszuschalten. 52 Nicht ohne Grund ein »Tabu-Thema«. 48 wurde daher festgestellt, dass das amerikanische Modernisierungsprogramm die strategische Stabilität Optionen zur Ausschaltung im Verhältnis zu Russland und China zu gefährden gegnerischer Nuklearwaffen drohe – und zwar durch die Kombination aus ziel- erstrecken sich über weite Bereiche genauen, die Ausschaltung gehärteter Ziele ermög- der Kriegführung. lichenden Raketensprengköpfen, Fortschritten bei konventionellen Waffen und verbesserten Raketen- Optionen zur Ausschaltung gegnerischer Nuklear- verteidigungssystemen. 53 waffen erstrecken sich über weite Bereiche der Krieg- Unter Präsident Trump schreitet die Modernisie- führung. Dazu gehören zielgenauere Atomwaffen rung des atomaren Arsenals voran. Die Position, man relativ niedriger Stärke, deren Detonation oberhalb strebe keine »neuen nuklearen Fähigkeiten« an, ist der »fall out threshold« nicht in dem Maße radio- Makulatur. 54 Die Trump-Administration will die see- aktiven Fallout freisetzt, wie es bei der Explosion gestützte Komponente nuklearer Abschreckung aus- auf dem Boden der Fall wäre. 49 Dazu zählen ferner bauen, um die Vielfalt und Flexibilität nuklearer Cyberwarfare, U-Boot-Bekämpfung, Raketenverteidi- Optionen zu vergrößern: Zum einen sollen neue see- gung und präzisionsgesteuerte konventionelle Waf- gestützte, nuklear bestückte Marschflugkörper ent- fen großer Reichweite. Hinzu kommen gewachsene wickelt werden, nachdem die alten 2010 ausgemus- Fähigkeiten zur Informationsverarbeitung und sen- tert wurden; zum anderen werden seegestützte ballis- sorischen Aufklärung. All diese Kompetenzen sind tische Raketen mit Gefechtsköpfen geringer Spreng- nicht auf die USA beschränkt bzw. werden es nicht kraft ausgestattet. 55 bleiben. 50 Aber die amerikanischen Streitkräfte füh- Die USA stehen vor der Frage, wie weit sie ihre ren die »Counterforce Revolution« an. »Counterforce«-Optionen ausbauen und damit einen Zwar haben die USA unter Obama eine Nuklear- Rüstungswettlauf mit China und Russland vorantrei- politik entlang von drei Maximen verfolgt: keine ben wollen. Etliche der nuklearen Rüstungsprojekte neuen atomaren Sprengköpfe, keine neuen mili- Chinas und Russlands dienen dazu, die Fähigkeit tärischen Missionen und keine neuen militärischen sicherzustellen, einen Zweitschlag gegen die USA aus- Fähigkeiten. Doch im Rahmen des Modernisierungs- zuführen. Im Rahmen der Logik atomarer Abschre- programms, das 2010 die Zustimmung des Senats ckung müssen sie daher eigentlich als stabilisierend zum nuklearen Rüstungskontrollvertrag mit Russland sicherte, wurde das bestehende Atomwaffenarsenal 52 »The result is a nuclear arsenal being optimized for sur- qualitativ weiterentwickelt. 51 Dabei kamen »revoluti- prise attacks against Russia and for fighting and winning onäre neue Technologien« zur Anwendung, die insbe- nuclear wars.« Dies geht insbesondere auf die Ausstattung sondere die Fähigkeit der seegestützten ballistischen der Sprengköpfe mit einer »super fuse device« zurück. Hans Raketen drastisch verbesserten, russische Raketensilos M. Kristensen/Matthew McKinzie/Theodore A. Postol, »How US Nuclear Force Modernization Is Undermining Strategic Stability: The Burst-height Compensating Super-fuze«, in: 48 Brendan Rittenhouse Green/Austin Long, »The Geo- Bulletin of the Atomic Scientists, 1.3.2017, Mason (Hg.), The Lure and Pitfalls of MIRVs: From the First to the (eingesehen am 2.5.2018). Second Nuclear Age, Washington, D.C.: Stimson Center, Mai 53 Siehe James E. Doyle, »Strategic Stability and Arms 2016, S. 19–53 (43). Control«, in: Adelphi Series, 56 (2016) 462, S. 49–68. 49 Im Detail siehe Lieber/Press, »The New Era of Counter- 54 »This need for flexibility to tailor U.S. capabilities and force: Technological Change« [wie Fn. 46]. strategies to meet future requirements and unanticipated 50 Ebd., S. 9f: »Changes in technology, […], are eroding the developments runs contrary to a rigid, continuing policy foundation of nuclear deterrence. Rooted in the computer of ›no new nuclear capabilities‹.« Department of Defense, revolution, these advances are making nuclear forces around Nuclear Posture Review [wie Fn. 43], S. 27. the world far more vulnerable than before.« 55 Siehe Michael R. Gordon, »U.S. Plans New Nuclear 51 Adam Mount, The Case against New Nuclear Weapons, Wa- Weapons; Pentagon Weighs ›Low-yield‹ Warhead and Sea- shington, D.C.: Center for American Progress, Mai 2017, based Cruise Missile, Igniting Debate over Strategy«, in: S. 7–10. The Wall Street Journal, 16.1.2018. SWP Berlin US-Geopolitik und nukleare Abschreckung in der Ära neuer Großmachtrivalitäten Mai 2018 17
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