Lebensretter - Symposium Schwimmen Gesundheit - Kinder - Sicherheit - DLRG
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spezial Lebensretter W I R I N D E R D L R G Kongress-Dokumentation Grundsatzreferate Arbeitskreisergebnisse Abschlusserklärung 2. Symposium Schwimmen Gesundheit – Kinder – Sicherheit Deutsche Lebens-Rettungs- Gesellschaft e. V.
Vo r w o r t Impressum Herausgeber: Präsidium der Deutschen Lebens- Sehr geehrte Damen und Herren, Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Verantwortlich: liebe Kameradinnen und Kameraden, Achim Wiese Redaktion: Martin Janssen, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Dr. Harald Rehn, Susanne Mey (Fotos) die Schwimmausbildung und damit besonders Gestaltung: D r. K l a u s W i l k e n s , für die Sicherheit der Kinder im und am Was- Bernhard Lubos Präsident der DLRG ser haben sich in den vergangenen Jahren stark Verlag: DLRG Verlag und Vertriebsgesellschaft verändert. Bäderschließungen, die rückläufige m.b.H (DVV), Im Niedernfeld 2 Schwimmfähigkeit speziell in der gegenwär- 31542 Bad Nenndorf tigen Schülergeneration und die Probleme in Druck: BWH, Beckstr. 10, 30457 Hannover der schulischen Schwimmausbildung sind die Redaktionsanschrift: wesentlichen Einflussfaktoren, mit denen sich Lebensretter, Im Niedernfeld 2 alle an der Förderung des Schwimmens be- 31542 Bad Nenndorf teiligten Organisationen, Verbände und Insti- Telefon: 05723-955440 Telefax: 05723-955549 tutionen konfrontiert sehen. E-Mail: lebensretter@dlrg.de Das 2. Symposium Schwimmen trug den Internet: www.dlrg.de Titel „Gesundheit – Kinder – Sicherheit“. Es hatte zum Ziel, eine wissenschaftliche Be- Die Dateien mit den Vorträgen können unter www.dlrg.de/symposium standsaufnahme der aktuellen Ist-Situation vor- heruntergeladen werden. H e l m u t S t ö h r, zunehmen, Lösungsvorschläge zu entwickeln Leiter Ausbildung und darauf aufbauende Forderungen zur Ver- der DLRG besserung der Schwimmausbildung zu erarbei- „Dankeschön“ ten. 25 namhafte Wissenschaftler aus Sport, Ein besonderer Dank gilt den in alphabe- tischer Reihenfolge aufgeführten Mitar- Medizin und anderen Disziplinen, 300 Fach- beitern und Referenten des Symposiums: leute aus Politik, Schule, Sport, Verbänden, Badbetreibern sowie der DLRG nahmen an Martina Abel, Heiko Adler, Dr. Lilli Ahrendt, dem Fachkongress vom 15.–17. November Katrin Balcer mit dem Team der DLRG Bildungsgesellschaft mbH, Claudia 2007 in Bad Nenndorf teil. Bellmer, Maria Bergmann, Volker Bertram, Sechs Grundsatzreferate, 10 Workshops Dr. Dirk Bissinger, Sebastian Boeken, und zahlreiche Präsentationen mit innovativen Prof. Dr. Klaus Bös, Michael Bornus, Ansätzen zur Verbesserung der Schwimmaus- Holger Boshammer, Prof. Dr. Wolf-Dietrich Brettschneider, Silke Busche und bildung bildeten das Gerüst des Symposiums. die Mitarbeiter der Wandelhalle Bad Der Lebensretter, die Verbandszeitschrift Nenndorf, Karl-Ernst Christmann, DLRG der DLRG, stellt in diesem Lebensretter spezial Jugend mit Sebastian Latte, Katharina recht zeitnah zum Symposium die Inhalte Eberl, Hans Joachim Eikholt, Kerstin Frese, Dr. phil. Thomas Fritz, Max der Grundsatzreferate vor, gibt einen Über- Gebauer, Prof. Dr. Hans Jürgen Gerner, blick über die Workshopergebnisse und ver- Jörg Goldenbaum, Ute Grasser-Daucks, öffentlicht die wesentlichen Aussagen der Torben Hahn, Robby Harsch, Dirk Heinrich, Björn Heinrich, Björn Hinte, Roy Hinte, Abschlusserklärung. Dr. Gerhard Hole, Ute Hole, Karin Diese Fachpublikation soll dazu beitra- Kirchhübel, Sabine Klinge, Uwe Köhnken, gen, allen Beteiligten und Interessenten ei- Thomas Konkart mit der DLRG Ortsgruppe nen Einblick in die Situation rund um das Bad Nenndorf, Prof. Dr. phil. Dietrich Kurz, Gunter Kurz, Dr. jur. Reiner Lemke, Schwimmen zu vermitteln, in den Landesver- Manfred Lötgering, Monika Lorke, bänden mit den Ergebnissen zu arbeiten und Reinhard Meffert, Thomas Meier, Harald einen tieferen Blick hinter die komplexen Zu- Melching, Stephan Mohr, Jutta Moog, sammenhänge zu werfen. Praktiker erhalten Gesa Müller, Stephan Mundt, Carsten Nieber, Otto Oldenburg, Dr. Barbara Passek, somit neue Anregungen für die aktuelle Aus- Dr. med. Peter Pietsch, Thomas Prusko, bildungsarbeit. Dr. Thomas Poller, Jens Quernheim, Wir wünschen allen Lesern viel Freude Dr. Harald Rehn, Martin Reincke, Carmen beim Studium dieser Zeitschrift. Reus, Thorsten Reus, Berndt Rodacker, Monika Schimmel, Dr. Hellmut Schreiber, Ludger Schulte-Hülsmann, Jan Schumann, Eckehard Seidel, Helga Seidl, Viola Seipelt, Dr. Klaus Wilkens und Helmut Stöhr Fikret Sisman, Rüdiger Steinmetz, Helmut Stöhr, Uschi Stöhr, Karin Stoller, Maiken Stolze, Rainer Wartmann, Prof. Kurt Wilke, Dr. Klaus Wilkens, Harald Wolf, Insa Wolfrum, Dr. Lutz Worms 2 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l
Inhalt Das 2. Symposium Schwimmen Gesundheit – Kinder – Sicherheit Über 300 Teilnehmer, Wissenschaftler und Referenten haben in Bad Nenndorf, vom 15. bis 17. November 2007, das Schwimmen in den Fokus gerückt. Sechs Grundsatzreferate, zehn Arbeitskreise, zwei Praxisworkshops, eine Badeparty und zwölf im Markt der Möglichkeiten dargestellte Projekte standen auf dem Kongressprogramm. 3 Vorwort Impressum, Dank an die Mitwirkenden I h r e Vo r t r ä g e k o n z e n - Die Vorträge trierten sich auf das S c h u l s c h w i m m e n ( v. l i . ) : 4 Kinderertrinken als weltweites und deutschlandspezifisches Problem P r o f . D r. Wo l f - D i e t e r Dr. Klaus Wilkens B r e t t s c h n e i d e r, P r o f . D r. D i e t r i c h K u r z u n d 6 Zur Situation des Schwimmens im D r. T h o m a s F r i t z Kontext von Schulsport Prof. Dr. Wolf-Dieter Brettschneider 20 AK 06 – Bäderinfrastruktur 8 Aktivität und motorische Leistungs- und Schwimmen lernen fähigkeit von Kindern unter besonderer Ludger Schulte-Hülsmann, Berücksichtigung des Schwimmens Rüdiger Steinmetz Prof. Dr. Klaus Bös AK 07 – Sicherheit und Unfallprophylaxe 10 Die Schwimmfähigkeit der Elfjährigen in der Schwimmausbildung Prof. Dr. Dietrich Kurz, Dr. Thomas Fritz, Harald Melching Dipl. SpOec. Ralf Tscherpel 21 AK 08 – Juristische Grundlagen 12 Ouerschnittlähmungen – ein Aspekt der der Schwimmausbildung Vorbeugung in der Schwimmausbildung Dr. Reiner Lemke, Jan Schumann Prof. Dr. Hans-Jürgen Gerner 22 AK 09 – Wege zum Schwimmen = Wege 14 Schwimmen – eine universelle Sportart zur Gesunderhaltung und Prävention im Dr. Peter Pietsch Bewegungsraum Wasser Markt der Möglichkeiten Dr. Gerhard Hole, Dr. Hellmut Schreiber 15 Eines aus zwölf Projekten: AK 10 – Die Präventions- und Rettungs- Der DLRG/NIVEA Strandfest Infopoint fähigkeit als Qualifikationsgrundlage für den Schwimmausbilder Die Arbeitskreise Reinhard Meffert, Dr. Thomas Poller 16 AK 01 – Schwimmbad mit Kinderaugen Dr. Lilli Ahrendt, Monika Schimmel 17 AK 02 – Anfängerschwimmen in seiner Fachleute wie Auswirkung auf die Bewegungserziehung Martina Abel (li.) Gunter Kurz, Prof. Kurt Wilke u n d D r. D i r k B i s s i n g e r 18 AK 03 – Laute Warnung gegen leises (Mi.) brachten ihre Ertrinken Erfahrungen in Martina Abel, Dr. Dirk Bissinger die gehaltvollen AK 04 – Schwimmen ist gesund! Arbeitskreise ein Monika Lorke, Dr. Lutz Worms Ergebnisse 19 AK 05 – Geprüfte Sicherheit Die „Deutsche Prüfungsordnung 23 Impulsreferat zur Ergebnissicherung Schwimmen-Retten-Tauchen“ auf dem Prof. Kurt Wilke Prüfstand 24 Abschlusserklärung Maria Bergmann, Thorsten Reus des 2. Symposiums Schwimmen 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l 3
Vo r t r a g A Dr. Klaus Wilkens Präsident der DLRG Kinderertrinken als weltweites und deutschland- spezifisches Problem Der Tod durch Ertrinken ist die Schatten- sturzgefährdete Brücken, wenn Flüsse oder seite des Nicht-Schwimmen-Könnens, ins- Bäche überquert werden müssen. besondere der Kinder. Die Umstände des Fehlendes Gefahrenbewusstsein, man- Kinderertrinkens sind sehr komplex, müs- gelnde Schwimmfähigkeit, aber auch fehlen- sen intensiv analysiert und differenziert de Aufsicht durch Eltern oder Erwachsene bewertet werden. Es ist aber unstrittig, führen zu einer gefährlichen Konstellation, die dass es einen direkten Zusammenhang oftmals tödlich endet. zwischen der Fähigkeit zu Schwimmen Demgegenüber ist in den wohlhaben- und dem Tod durch Ertrinken gibt: Wer den Staaten der Tod durch Ertrinken mehr nicht schwimmen kann, der trägt ein hö- auf Freizeitaktivitäten im und am Wasser zu- D r. K l a u s W i l k e n s heres Risiko zu ertrinken. rückzuführen. wurde im Oktober 1998 In Europa sterben jährlich 28.000 Kinder zum Präsidenten der Die nationalen und internationalen Statistiken unter 15 Jahren an Verletzungsfolgen, davon DLRG gewählt. Er ist liefern Anhaltspunkte für Strategien der Vor- sind 89 % Unfälle. Ertrinken und Beinahe-Er- außerdem Präsident beugung und Vermeidung von Wasserunfäl- trinken sind Hauptgründe für den Tod oder der International Life len mit tödlichen Folgen. Im Jahr 2000 sind in Behinderungen von Kindern. Für das Jahr 2002 Saving Federation of der Welt 410.000 Menschen ertrunken. Zwei ermittelte das europäische Regionalbüro der E u r o p e ( I L S E ) , Vi z e - Jahre später kamen nach Angaben der World WHO 6.389 Opfer von Verkehrsunfällen (23%). präsident der Health Organization (WHO) 385.000 Menschen An zweiter Stelle rangiert das Ertrinken. 4.679 International Life im Wasser ums Leben, vor 2000 waren es Jungen und Mädchen kamen im Wasser ums Saving Federation 490.000. Diese Zahlen berücksichtigen aber Leben. Das sind 17 %. ( I L S ) u n d Vo r s i t z e n d e r nicht die Opfer von Naturkatastrophen, von Junge Kinder haben spezifische Risiken: des Bundesverbandes Schiffsunglücken und Suiziden. Die vorliegen- Im Alter bis zu zwei Jahren ist es das Ertrin- zur Förderung der den, unvollständigen Zahlen zeigen: Weltweit ken in Badewannen, Ein- bis Dreijährige er- Schwimmausbildung ist das Ertrinken die Unfallursache Nummer trinken oft im heimischen Gartenteich, für zwei nach den Verkehrsunfällen. Zwei- bis Sechsjährige sind die offenen Ge- Der Ertrinkungstod von Kindern ist ein wässer in der Stadt oder Gemeinde die Haupt- herausragendes Problem in allen Teilen der gefahrenpunkte. Kinder über sechs Jahre er- Welt. Das hat der World Water Safety Kon- trinken in Schwimmbädern und für Kinder über gress in Porto mit Wissenschaftlern und Ex- acht Jahre sind es Meeresstrände und Seen. perten aus 53 Nationen im September 2007 Im Europa der 27 Nationen besteht ein bestätigt. erhebliches Ost-West-Gefälle. Die wenigsten Bei näherer Betrachtung stellen wir fest, Kinder bis zu 19 Jahren ertranken in Großbri- dass die Umstände und Ursachen des Ertrin- tannien und Schweden. Je 100.000 Einwoh- kens von Kindern erhebliche regionale Un- ner ergaben sich im Jahr 2000 Werte von In den armen Ländern terschiede aufweisen. In den armen Ländern 0,31 (GB) und 0,47 (Schweden). Deutschland ist das Ertrinken ein und Nationen mit mittlerem Einkommen er- rangierte mit 0,52 hinter Italien an vierter Stelle. Alltagsproblem, in den trinken die allermeisten Menschen; dort ist Für Europa ergab sich ein Mittelwert von 1,58 wohlhabenden Staaten das Ertrinken ein Alltagsproblem. Es ereig- je 100.000 Einwohner. ein Freizeitproblem net sich auf dem Weg zur Schule oder zu Alle Staaten über dem Mittelwert lie- den Freunden im Nachbardorf. Das Risiko, gen in Zentral- und Osteuropa. Die Kinder in auf den täglichen Wegen zu ertrinken, wird den baltischen Staaten und Rumänien sind erhöht durch oft nicht vorhandene oder ein- besonders vom Ertrinken betroffen. Schluss- 4 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l
Kinderertrinken in Deutschland Ertrinken im Alter bis 15 Jahre, 2001 bis 2006, in 3 Altersklassen Quelle: DLRG 45 45 34 0–5 29 26 25 Die Zahl der 20 22 21 6 –10 22 18 To d e s o p f e r i n d i e s e n 10 15 11 Altersgruppen ist 9 8 9 8 11–15 in den letzten Jahren Jahre um fast 50% gesunken 2001 2002 2003 2004 2005 2006 licht der Statistik ist Lettland mit 7,24 ertrun- 1– 4-Jährigen von Rang elf auf zwei, in der kenen Kindern je 100.000 Einwohner. Noch Altersklasse 5 – 9 von 13 auf drei und bei den höher sind die Todesraten in den meisten Re- 10 –14-Jährigen vom sechsten auf den ersten Lettland publiken der ehemaligen Gemeinschaft Unab- Platz. 7,24 hängiger Staaten (GUS). Wenn es um die Sicherheit der Kinder Im europäischen Kontext rangierte die geht, muss ein zukunftsweisendes Prophy- Bundesrepublik bei den 1– 4-Jährigen an 11. laxe- und Sicherheitskonzept entstehen, von Stelle, bei den 5 – 9-Jährigen lag Deutschland dem alle Kinder in der Welt profitieren. Für im Mittelfeld auf Platz 13. Besser war die ihre Sicherheit müssen wir deshalb unsere Platzierung in der Alterstufe 10 –14 Jahre: Kenntnisse, unser Know-how sowie unser Rang sechs für die Bundesrepublik. Bei den persönliches und technisches Potenzial über- 15 –19 Jährigen kam Deutschland sogar auf all einsetzen, um stetig den Tod durch Ertrin- Litauen den ersten Platz. In der Summe über alle Al- ken zurückzudrängen. 5,08 tersklassen belegte Deutschland – wie bereits erwähnt – einen guten vierten Platz. Diese Vergleichswerte mit den europäi- O s t - We s t - G e f ä l l e E u r o p a s schen Nachbarn zeigen, dass Deutschland in einigen Alterssegmenten Nachholbedarf hat Ertinkungstote bei Kindern (0 –19 Jahre) in EU27 und die Anstrengungen für mehr Sicherheit (Europa der 27 Nationen) im 5-Jahres-Durchschnitt verstärken muss, obwohl das Kinderertrinken in Deutschland in den letzten Jahren eine pro 100.000 Einwohner positive Entwicklung genommen hat. In der Quelle: WHO Mortality Database Altersklasse von null bis 15 Jahren gingen LR-Grafik nach Angaben von destatis die Zahlen von 2001 bis 2004 von 90 auf 50 zurück. Die Estland DLRG verzeichnet im gleichen Zeitraum ei- 3,52 nen Rückgang von 93 auf 43 tödliche Was- Schweden Polen serunfälle. 0,47 1,72 Mit dem DLRG/NIVEA Kindergartenpro- Dänemark jekt, das seit dem Jahr 2000 darauf abzielt, 0,59 Slowakei das Ertrinken der Kleinsten zu senken, hat 1,79 Niederlande die DLRG und ihr Wirtschaftspartner einen 0,67 wichtigen Beitrag zum Rückgang der Ertrin- kungsfälle in dieser Altersklasse geleistet. Aufklärung und frühzeitige Schwimmaus- bildung sind die Eckpfeiler für mehr Sicher- heit der Kinder im und am Wasser. Die DLRG Großbritannien Ungarn leistet mit diesen Projekten und den zahllo- 0,31 1,61 sen Ausbildungskursen vorbeugende Hilfen Deutschland für die Gesundheit der jungen Menschen. Es 0,52 ist erfreulich festzustellen, dass die Zahl der Todesopfer in diesen Altersgruppen in den Rumänien Italien 4,77 letzten Jahren um fast 50 % gesunken ist. 0,49 Das macht Mut weiterzuarbeiten, insbeson- Bulgarien dere wenn man die deutsche Entwicklung vor 1,99 dem europäischen Hintergrund betrachtet. Portugal In der Statistik des Jahres 2006 verbes- 0,61 sert sich Deutschland in der Stufe 0 –19 Jahre von Platz vier auf Platz zwei, bei den 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l 5
Vo r t r a g B Prof. Dr. Wolf-Dieter Brettschneider Universität Paderborn, Sportwissenschaft Zur Situation des Schwimmens im Kontext von Schulsport Mein Vortrag hat folgende Schwer- halten. 43 % erreichen beim Rumpfbeugen punkte: nicht das Fußsohlenniveau. 1. Lebenswelt, Körper- und Bewegungs- Eine Ursache für diese beunruhigenden status der jungen Generation Ergebnisse liegt darin, dass etwa zwei Drittel 2. Schulsport auf Lehrplanebene der Mädchen und die Hälfte der Jungen nicht 3. Realität des Schulsports mehr den empfohlenen Richtwert von 90 Mi- 4. Schwimmen im Kontext von Schulsport nuten moderater Bewegung pro Tag erreichen. Kann nun der Schulsport diesem Bewe- Als Ausgangspunkt für meine Anmerkungen gungsmangel entgegenwirken? zum Bewegungsstatus wähle ich die Aspekte Was wissen wir über die gegenwärtige P r o f . D r. Wo l f - D i e t e r Übergewicht/Adipositas sowie die motorische Situation des Schulsports, seine Bedeutung Brettschneider ist Leistungsfähigkeit der jungen Generation. und Wirkung? Die DSB-SPRINT-Studie 2006 Sportwissenschaftler 15 % der Kinder und Jugendlichen sind hat die Situation umfangreich analysiert. an der Universität übergewichtig und bei 6,3 % ist Adipositas Schulsport hat im Lehrplan einen Doppelauf- Paderborn. Er war diagnostiziert. In den letzten 10 Jahren nahm trag: zum einen soll die individuelle und kör- Koordinator der Übergewicht um 50 % und Adipositas um perliche Entwicklung durch Bewegung, Spiel S P R I N T- S t u d i e ü b e r 100 % zu! Jungen und Mädchen sind gleicher- und Spaß gefördert werden und zum ande- den Schulsport in maßen betroffen. Die soziale Herkunft und ren soll der Sportunterricht dazu beitragen, Deutschland der Migrationshintergrund beeinflussen diese junge Menschen die Bewegungs-, Spiel- und [siehe fachthema Entwicklung stark. Kinder aus diesen Schich- Sportkultur zu erschließen. Lebensretter 2/2006] ten der Bevölkerung sind überproportional Charakterisiert ist der Sport in der Schule gefährdet. Die körperlichen Defizite wirken sich der jüngeren Vergangenheit vor allem durch auch in psychischer Hinsicht aus. Während drei Merkmale: die Befunde bei Kindern in der Altersgruppe 1. Konzentration auf Erziehung durch Sport der 3–12-Jährigen keinen Zusammenhang zwi- 2. Distanzierung von etablierten Sportarten In der Gruppe der schen Übergewicht und Selbstwertgefühl er- 3. Verlust eines inhaltlichen Kerns 13–18-Jährigen kennen lassen, tritt dieser in der Gruppe der existiert ein deutlicher 13–18-Jährigen deutlich zu Tage. (Anmerkung: Gerade die beiden letzten Punkte sind Zusammenhang eine Gewichtsreduzierung hat vor allem bei sicher als Fehlentwicklung zu bezeichnen. All- zwischen Übergewicht weiblichen Jugendlichen positive Effekte auf mählich beginnt man, ihr entgegenzuwirken. und Selbstwertgefühl das Selbstwertgefühl!) Was den Umfang des Sportunterrichts Am Beispiel verschiedener körperlichen angeht, hat SPRINT uns gezeigt: Jede vierte Basiskompetenzen, wie z.B. dem 12-Minuten- Sportstunde im Sekundarbereich wird nicht Lauf oder dem Standweitsprung lässt sich erteilt! nachweisen, dass die motorische Leistungs- Besorgniserregend für den Sportunter- fähigkeit in den letzten 25 Jahren bei dieser richt ist der – nach Aussagen der 191 befrag- Altersgruppe durchschnittlich um 10 – 15 % ten Schulleiter – hohe Anteil der fachfremd zurückgegangen ist. unterrichtenden Sportlehrer, vor allem in den Auch die ermittelten Ergebnisse zur Ko- Schulen, die den qualifiziertesten Sportunter- ordinationsfähigkeit sind deutlich verschlech- richt benötigen: tert. So können bspw. 35 % der Kinder nicht Grundschule . . . . . . . . . . . . 49 % zwei oder mehr Schritte rückwärts balancie- Hauptschule . . . . . . . . . . . . 30 % ren; 86 % können nicht eine Minute einbei- Realschule . . . . . . . . . . . . . 11 % nig auf einer T-Schiene (3 cm breit) Balance andere . . . . . . . . . . . . . . . . 2–3 % 6 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l
Die Orte des Schwimmenlernens Auf die Frage „Wo hast du Schwimmen gelernt?“ antworteten … 100% Könner 80% Fortgeschrittene Anfänger 60% Unerfahrene 40% 20% 0% in der in der in einem Schule Familie Kurs Quelle: Kurz & Fritz, 2006 Insgesamt genießt der Schulsport in Könner nicht viel höher. Das Ergebnis zeigt Der Anteil von der Sicht der Schüler – auf einer Skalierung weniger das Versagen der Schule, sondern Kindern, deren Eltern von 1 (nicht wichtig) bis 5 (sehr wichtig) – ei- vielmehr den hohen Anteil von Kindern, de- wenig Interesse nen durchschnittlichen Beliebtheitsgrad von ren Eltern offenbar wenig Interesse haben, haben, sich selbst um 3,97 bei den Jungen und 3,71 bei den Mäd- sich selbst um das Schwimmen ihrer Kinder das Schwimmen ihrer chen. Anstrengung, Leistung und Kompetenz- zu kümmern. Kinder zu kümmern, erwerb als Markenzeichen des Sportunterrichts Auch die Rahmenbedingungen beeinträch- ist hoch werden von der jungen Generation heute (wie- tigen Quantität und Qualität des Schulschwim- der) anerkannt. Der Beitrag des Sportunter- mens. 32,6 % der Grundschulen müssen eine richts kann für das allgemeine Wohlbefinden Entfernung von ca. 3km und 37,1% von 10km der Schüler und Schülerinnen nicht hoch ge- oder mehr bis zur nächsten Schwimmhalle nug bewertet werden. Er liegt in den unter- zurücklegen. Schwimmen wird in vielen Schu- suchten Klassenstufen 4, 7 und 9 deutlich len vernachlässigt. 20 % der Grundschulen ha- über dem Wohlbefinden in der Schule gene- ben keinen Zugang zu einer Schwimmhalle. rell. Die generelle Wertschätzung des Sport- Diesen Nachweis hat SPRINT erbracht (vgl. unterrichts ist bei allen Akteuren – Schülern, SPRINT, S. 122/123). Lehrern, Eltern – ausgesprochen hoch. Im Ergebnis dessen darf dann auch nicht Innerhalb der allgemeinen Analyse des verwundern, dass: Schulsports ist die Situation des Schul- 12 % Nichtschwimmer sind, schwimmens für die DLRG natürlich beson- 24 % kein Abzeichen erworben haben und ders relevant. „Seepferdchen oder Bleiente?“ 35 % Seepferdchenabnahmen vorliegen. – welches Etikett trifft die Situation des Schulschwimmens am ehesten? Bei den Schwimmabzeichen, als Aus- Fragt man die Kinder, wo sie Schwim- weise für das sichere Schwimmen, ist fol- men gelernt haben und unterteilt sie nach gende Verteilung vorhanden: Könnensstufen, zeigt sich eine Überrepräsen- 19 % Bronze tanz der unerfahrenen und schlechten Schwim- 8 % Silber mer aufseiten der Schule. Bei Kindern, die 2 % Gold im Rahmen der Familie oder in einem Kurs Schwimmen gelernt haben, ist der Anteil der Die Diskrepanz zwischen der hohen At- traktivität des Schwimmens in der Freizeit der Jungen und Mädchen und dem spärlichen An- gebot als Inhalt des Schulsports ist beträcht- lich. Von der Zielstellung 90 % der Grundschü- ler als Schwimmer bezeichnen zu können, sind wir deutlich entfernt. Die realistische Ein- Ein Drittel unserer schätzung dürfte lauten: Ein Drittel unserer Grundschulkinder hat Grundschulkinder haben als schwimmunfähig als schwimmunfähig zu gelten. Es wird Zeit, an dieser Situation zu gelten etwas zu ändern. 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l 7
Vo r t r a g C Prof. Dr. Klaus Bös Universität Karlsruhe, Sportwissenschaft Aktivität und motorische Leistungsfähigkeit von Kindern – unter besonderer Berücksichtigung des Schwimmens Der Vortrag gliedert sich in: von 4–17 Jahren durchgeführt. Die Daten sind 1. KiGGS (Studie zur Gesundheit von repräsentativ, die Untersuchung erfolgte in Kindern und Jugendlichen in Deutsch- den Jahren 2003 bis 2006. land) und MoMo (das nationale Motorik Erfasst wurden die körperlich-sportlichen Survey 2003–2006) Aktivitäten wie Schul-, Vereins- und Freizeit- 2. Untersuchungsmethodik sport und darüber hinaus vollzogene Bewe- 3. Ergebnisse gungen des Alltages. Dabei wurde sie nach • Schwimmen als sportliche Aktivität Häufigkeit, Dauer, Intensität und nach der Art • Schwimmen und Leistungsfähigkeit der Bewegung/Sportart differenziert. Als Indi- 4. Einige Schlussgedanken zes galten der berechnete Energieverbrauch P r o f . D r. K l a u s B ö s und die Erfüllung von Guidelines. ist ein international 1. KiGGS und MoMo Die Motorik wurde mithilfe von 11 sport- bekannter Sport- KiGGS wurde vom Bundesgesundheitsministe- motorischen Tests erfasst. wissenschaftler auf rium finanziert und untersucht primär psychi- Wie aktiv sollten Kinder sein? Idealer- dem Gebiet des Freizeit- sche Gesundheit (Bella-Studie). Als eigenstän- weise sollten Kinder täglich für mindestens und Gesundheitssports. dige Module wurden ein Umwelt-Survey, ein 60 Minuten bei moderater bis starker Inten- Er doziert an der Kinder- und Jugend-Gesundheitssurvey und sität aktiv sein! Zu dieser übereinstimmen- Universität Karlsruhe ein Ländermodul Schleswig-Holstein konzipiert. den Aussage kommt eine Vielzahl ähnlicher und versteht Bestandteil des Kinder- und Jugend-Gesund- Studien. Schwimmen als heitssurveys ist das Motorik-Modul (MoMo). Grundfähigkeit für alle Warum ist Motorik Teil eines Gesundheits- 3. Ergebnisse [siehe fachthema surveys? Diese Frage soll an drei Aspekten Wie viele Kinder erfüllen die Guideline? Lebensretter 4/2006] kurz erläutert werden: Der absolute Anteil der Bewegung unserer Aktivität, Leistungsfähigkeit und Gesund- Kinder in Deutschland ist zu gering, denn nur heit gehören zusammen. ein Drittel der 4 –7-jährigen Kinder erreichen Motorik und Aktivität sind unverzichtbar die beabsichtigte Bewegungszeit. Der dann in der Lebensspanne: Fitness ist Vorausset- einsetzende weitere Rückgang ist alarmierend. zung für Gesundheit und diese macht Lebens- Insofern ist es nicht verwunderlich, dass es qualität aus! auch Einschränkung bei der motorischen Leis- Verhaltensdimensionen prägen sich früh tungsfähigkeit gibt. 43 % der Kinder und Ju- aus und bleiben in der Lebensspanne relativ gendlichen erreichen beim Rumpfbeugen nicht We r i n K i n d h e i t o d e r stabil, d.h. wer in Kindheit oder Jugend re- das Fußsohlenniveau und 35 % können nicht Jugend regelmäßig gelmäßig sportlich aktiv ist, wird es mit hö- zwei oder mehr Schritte rückwärts balancie- sportlich aktiv ist, wird herer Wahrscheinlichkeit bleiben, als dass es ren. e s m i t h ö h e r e r Wa h r- gelingt, inaktive Jugendliche später an regel- Es drängt sich auch die Frage auf: Hat scheinlichkeit bleiben mäßiges Sporttreiben heranzuführen. sich die motorische Leistungsfähigkeit von Kin- dern und Jugendlichen verändert? Gemessen 2. Untersuchungsmethodik am Standweitsprung haben sich im Vergleich MoMo wurde als deutschlandweite Studie von 1976 zu 2006 die Leistungen um 14% ver- an 167 Orten mit 4.529 Probanden im Alter schlechtert. 8 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l
Effekte beim Schwimmen Leistungsfähigkeit von Schwimmkindern und Rolle der Anstrengungsbereitschaft PWV 170 Liegestütz Watt kg / KG Wh / 40 Sek Seitliches HH-Springen Stand and Reach Wh / 30 Sek cm / Sohle Nun zum Schwimmen als sportliche Ak- tivität in diesem Kontext. Vier Fragestellungen sollen näher betrachtet werden: Quelle: MoMo-Studie 2003 bis 2006 Wie viele Kinder schwimmen in Verein und Freizeit? Schwimmen ist für die Kinder und Ju- gendlichen nach wie vor eine der beliebtes- bildung beantwortet. Sie zeigt zum einen an ten Sportarten. Sowohl bei den Mädchen als der Höhe der dunklen Säulen die Leistungs- auch bei den Jungen in den Altersklassen fähigkeit der Schwimmkinder in der Ausdauer 4 –10 Jahre ist Schwimmen meist auf dem (VO2 Max), Liegestütz, seitliches Hin- und Her- 3. Platz zu finden (einmal 6 –10 Jahre Jungen springen sowie Rumpfbeugen. mit 18 % auf Platz 2). Tendenziell haben Kinder, die Leichtathle- We n i g e r d u r c h d i e Auch der Organisationsgrad beim Schwim- tik als Sportart betreiben die Höchste, Kinder, Leistungsfähigkeit men, gemessen an der Mitgliederstatistik des die nicht im Sportverein sind, die niedrigste als durch die LSV Baden-Württemberg 7–14 Jahre, ist hoch. Leistungsfähigkeit. Anstrengungsbereit- Schwimmen nimmt bei beiden Geschlech- Beeindruckend ist der Effekt der An- schaft heben sich tern den 8. Rang ein. Das heißt, Schwimmen strengungsbereitschaft (schraffierte Säulen). „Schwimmkinder“ ab hat in seiner Breite durchaus eine akzeptable Schwimmkinder, die sich im Verein anstrengen Basis. sind deutlich leistungsfähiger, als Kinder, die Schwimmen eher als Freizeitsport betreiben. Wie sehr strengen sich Kinder beim Schwimmen an? 4. Vier Schlussbemerkungen: Schwimmen ist für die meisten Kinder im 1. MoMo bestätigt „Inaktivität“ und Verein (52 %) und in der Freizeit (58 %) etwas „Fitnessmängel“ heutiger Kinder anstrengend. Starke Belastungen entstehen 2. Schwimmen ist eine beliebte Sportart im Verein bei 30 % und in der Freizeit bei und erreicht viele Kinder 11 %. Die übrigen der untersuchten 1.512 3. „Schwimmkinder“ sind durchschnittlich Kinder im Alter von 6 –10 Jahren empfinden leistungsfähig Schwimmen gar nicht als anstrengend. 4. Die Verbesserung der Anstrengungs- bereitschaft durch Schwimmen schafft Wie leistungsfähig sind „Schwimmkinder“? Leistungspotenziale Gemessen an 4 Kriterien und im Vergleich zu Kindern, die nicht in Sport-, in Turn- oder Der Wert des Schwimmens für unsere Leichtathletikvereinen organisiert sind, lässt junge Generation scheint mir mit diesen Er- sich keine höhere Leistungsfähigkeit messen. gebnissen sehr gut belegt. Es ist eine loh- Fazit: Engagement nenswerte Aufgabe, sich für das Schwimmen für das Schwimmen Welche Rolle spielt die Anstrengungsbereit- und seine Belange, so wie die Deutsche Le- lohnt immer schaft für die Leistungsfähigkeit? bens-Rettungs-Gesellschaft es erfolgreich prak- Die beiden letzten Fragen werden in der Ab- tiziert, zu engagieren. 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l 9
Vo r t r a g D Prof. Dr. Dietrich Kurz, Universität Bielefeld, Sportwissenschaft Dr. Thomas Fritz und Dipl.-SpOec. Ralf Tscherpel Die Schwimmfähigkeit der Elfjährigen Um ein bewegungsaktives, gesundes Le- wurde in 5. Schulklassen von den Fachlehr- ben führen und an entwicklungsrelevanten kräften im Rahmen des Sportunterrichts durch- Bereichen der Bewegungs-, Spiel- und geführt. Untersucht wurden 58 Klassen mit Sportkultur teilnehmen zu können („kultu- insgesamt 1.384 Schülerinnen und Schülern. relle Teilhabe“), müssen junge Menschen Unsere Probanden waren zwischen 10 und 12 über ein altersangemessenes Bewegungs- Jahre alt, die meisten 11 (Durchschnitt: 10,77). können verfügen. Als „motorische Basis- Jungen und Mädchen sind etwa gleich ver- qualifikationen (MOBAQ)“ bezeichnen wir treten. Auch die Verteilung nach Schulformen solche Voraussetzungen auf einem ele- und Siedlungsstruktur weicht von der Grund- mentaren Niveau. Es gibt vermutlich ei- gesamtheit der Fünftklässler in NRW nicht er- Der Wissenschaftler nen breiten gesellschaftlichen Konsens, heblich ab. P r o f . D r. D i e t r i c h dass möglichst alle Kinder schwimmen Für die Durchführung der Untersuchung Kurz untersuchte lernen sollten. erhielten die Lehrkräfte (Testleiter) ein Test- gemeinsam mit manual und eine DVD mit Videosequenzen. D r. T h o m a s F r i t z i m Dieser Konsens beruht bei genauerer Betrach- Sie hatten lediglich zwischen „bestanden“ Jahr 2006 in einer tung weniger auf der Befürchtung, dass Nicht- oder „nicht bestanden“ zu entscheiden. Die Praxisstudie der schwimmer höher gefährdet sind zu ertrin- folgende Tabelle beschreibt die Aufgaben und Abteilung Sport- ken, als auf der Überzeugung, dass Kindern, gibt jeweils an, wie viel Prozent der Kinder wissenschaft der die nicht schwimmen können, der Zugang die Aufgabe bestanden haben. Universität Bielefeld zu wertvollen Lebensbereichen verschlossen Testaufgaben Bestanden [%] die Ausprägung bleibt. Den Besuch von Schwimmbädern, den von Qualifikationen, Urlaub an der See, Wassersport jeder Art 1. • Springen vom Startblock 87 Ins Wasser springen und zum Beckenrand die für das sichere wird nur eingeschränkt genießen und als Ele- zurückschwimmen können Schwimmen benötigt mente der Lebensführung stabilisieren kön- 2. • 25 m Schwimmen 81 werden nen, wer über eine gewisse Sicherheit im Schwimmend eine Strecke in Bauch- [siehe fachthema Schwimmen verfügt. und Rückenlage zurücklegen können Lebensretter 1/2007] Unsere Daten zur Schwimmfähigkeit ha- 3. • „Qualle“ 58 ben wir im Zusammenhang eines größeren An der Wasseroberfläche schweben Forschungsprojekts gewonnen, das bisherige und unter Wasser kontrolliert ausatmen und absinken können Untersuchungen zum Thema „Bewegungs- mangel im Kindesalter“ in einem ausdrücklich 4. • Gleiten 66 Durch das Wasser gleiten können pädagogischen Interesse ergänzt. Im Unter- 5. • Slalomtauchen 55 schied zu geläufigen Zeitreihenuntersuchungen Eine vorgegebene Bahn tauchen und sich zur motorischen Entwicklung, die vorwiegend unter Wasser orientieren können Veränderungen von Durchschnittswerten er- Die Studie konzentrierte fassen, konzentrierten wir unsere Aufmerk- Nach diesen Ergebnissen haben wir die s i c h a u f d i e K i n d e r, samkeit auf die Kinder, die über Basisqualifi- Kinder in vier Gruppen zusammengefasst die mit dem Eintritt kationen auch mit dem Eintritt in die Sekundar- Die Kinder der ersten Gruppe („Unerfahre- in die Sekundarstufe I stufe I noch nicht verfügen. Wir haben nur eine ne“= 9 %) lösten keine einzige Aufgabe. Die noch über keine Altersgruppe untersucht, nämlich die Kinder zweite Gruppe („Anfänger“= 19 %) löste eine Basisqualifikationen des 5. Schuljahres, und sie auch nur einmal. oder zwei Aufgaben. Auch diese Gruppe liegt verfügen Die Untersuchung bestand aus Testaufga- mit ihrer Schwimmfähigkeit noch weit unter ben zu den Basisqualifikationen, einer schriftli- dem, was Lehrpläne für dieses Alter fordern. chen Befragung der Schülerinnen und Schüler Für diese beiden Gruppen nehmen wir einen und einer Messung des BMI. Die Untersuchung besonderen Förderbedarf an. 10 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l
Schwimmfähigkeit in der 5. Klasse Die Schwimmfähigkeit nach Schulklassen getestet an 5 Aufgaben 100% 5 bestanden 3 – 4 bestanden 1– 2 bestanden 80% Die Gruppen rot und 0 bestanden orange repräsentieren 60% alle Kinder in N o r d r h e i n - We s t f a l e n , 40% die bis zur Jahrgangs- stufe 5 das Schwimmen 20% überhaupt noch nicht oder erst in Anfängen 0% Quelle: Kurz & Fritz, 2006 gelernt haben Fast 30 %, Unerfahrene und Anfänger, mit besonderem Förderbedarf Die dritte Gruppe, mit 42 % die größte, löste 3 oder 4 Aufgaben; alle diese Kinder Unerfahrene schafften es, 25 m zu schwimmen. Obwohl auch sie nicht so schwimmen können, wie 9% Anfänger wir uns das für 11-Jährige wünschen wür- Könner den, können wir sie als „Fortgeschrittene“ bezeichnen. 30 % der Kinder, die vierte Grup- 30 % 19 % pe, löst alle Aufgaben. Es sind die „Könner“! Sehen wir uns nun an, wie sich diese Gruppen auf Schulklassen verteilen, ergibt sich in vielen Fällen ein dramatisch heterogenes 42 % Bild. Es ist schwer vorstellbar, wie in diesen Fortgeschrittene Fällen ein Schwimmunterricht im Klassenver- band den Anforderungen des Lehrplans ge- recht werden soll. Betrachten wir die 118 Kinder näher, die keine Testaufgabe bestanden haben, dann er- Fassen wir zum Schluss das Wichtigste kennen wir systematische Zusammenhänge. in pädagogischer Absicht zusammen und konzentrieren dabei unseren Blick auf die Die Kinder, die keine einzige Aufgabe Kinder mit einem besonderen Förderbedarf gelöst haben, … im Schwimmen. Denken Sie an die Kinder • besuchen mit größerer Wahrscheinlich- der Gruppen rot und orange, also fast 30 % keit Hauptschulen oder Gesamtschulen als Real- aller Kinder in Nordrhein-Westfalen, die bis zur schulen oder gar Gymnasien Jahrgangsstufe 5 das Schwimmen überhaupt • besuchen überwiegend Schulen in den noch nicht oder erst in Anfängen gelernt ha- Ballungszentren, ben! Aus unserer Untersuchung erfahren • geben überzufällig häufig als Religions- wir über diese Kinder: Sie sind überzufällig Nichtschwimmer sind zugehörigkeit „muslimisch“ an, häufig in Familien aufgewachsen, in denen häufig in Familien • waren noch nie Mitglieder eines Sport- sie für ihren Sport wenig Interesse erfahren aufgewachsen, in vereins oder sind bereits wieder ausgetreten. haben. In ihren Familien war niemand, der denen sie für ihren versucht hat, ihnen das Schwimmen selbst Sport wenig Interesse Schon hinter diesen Daten ahnen wir, beizubringen. Sie hatten auch keine Gelegen- erfahren haben welch großen Einfluss die Familie dafür hat, heit, in einem Kurs schwimmen zu lernen. ob Kinder schwimmen lernen. Wir haben in So waren sie auf die Schule angewiesen. unserer Untersuchung die Kinder auch gefragt: Aber bisher – in der Grundschule – haben sie „Wo hast du schwimmen gelernt?“, und ihnen es dort nicht oder nur in bescheidensten An- diese drei Antworten zur Wahl gegeben: in fängen gelernt. Offensichtlich ist die Grund- der Schule, in der Familie, in einem Kurs. Sie schule derzeit in Nordrhein-Westfalen nicht in Die Grundschule in durften auch mehrere Antworten ankreuzen. der Lage, ohne Vor- oder Mitarbeit der Fami- NRW ist nicht in der 75 % der Kinder haben nur einen dieser lie allen oder auch nur den meisten Kindern Lage, allen Kindern „Lernorte“ angekreuzt, und zwar in folgender das Schwimmen von Grund auf und gründ- das Schwimmen Verteilung: 36 % sagen: in der Familie; 25 %: lich beizubringen. beizubringen in einem Kurs und nur 14%: in der Schule. Das Es besteht Handlungsbedarf und es ist ist eine der fachpolitisch bedeutsamsten Über- zu begrüßen, dass sich die DLRG hier enga- raschungen, die unsere Untersuchung bietet. gieren will. Auf diesem Weg viel Erfolg! 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l 11
Vo r t r a g E Prof. Dr. Hans-Jürgen Gerner Universitätsklinik Heidelberg Querschnittlähmungen – ein Aspekt der Vorbeugung in der Schwimmausbildung Den Kontakt zur DLRG habe ich von mir und Geschlechter, die an diesen Unfällen be- aus gesucht, um über ein gravierendes teiligt waren, so fällt auf, dass die Alters- Thema zu berichten, dass durch Präven- gruppen (AG) 16 –20 Jahren mit 25, die AG tion zu 100 % vermieden werden könnte. 21–25 Jahren mit 38 (!) und die AG 26 –30 Die persönliche Tragik und Beeinträchti- Jahren mit 19 Unfällen vor allem bei den gung des Einzelnen ist unermesslich, vor Männern dominieren. 82 männlichen Unfall- allem dann, wenn man bedenkt, dass es teilnehmern dieser 3 Altersgruppen stehen um junge Menschen geht, die ihr Leben lediglich 5 weibliche gegenüber. Im Inland noch vor sich haben. Sie haben lebens- ist die Zahl der Unfälle mit 54 höher als die lang eine extrem schwere Behinderung Zahl der ausländischen Unfälle mit 49. Wenn P r o f . D r. H a n s - J ü r g e n und das Rad zu dessen Bekämpfung ist wir uns die Verteilung der Unfälle über das Gerner ist u.a. Leiter leider nicht zurückzudrehen. Insofern wäre Jahr betrachten, war nicht anders zu erwar- einer Orthopädie- es mein Ziel, dass ausgehend von Ihrem ten, dass die Monate Mai bis August, die Zeit abteilung an der Symposium eine Aufklärungskampagne in der Badesaison, die Unfallhäufigkeit dominie- Universitätsklinik II Deutschland gestartet wird, die unermess- ren. Geringe Unfallzahlen in den übrigen Mo- Heidelberg. liches Leid vermeiden hilft. In anderen naten (meist 1– 3) werden von dramatisch Im Sommer 2007 Ländern gibt es bereits derartige Kam- hohen Zahlen (Mai 12, Juni 23, Juli 28 und startete der pagnen, die uns in Deutschland als posi- August 38) durchbrochen. Orthopädie-Professor tives Beispiel dienen können. zusammen mit der DLRG eine Kampagne, in der Was ist Querschnittlähmung? Sie ist ein aus er vor „dem sinnlosen einer Schädigung des Rückenmarkquerschnit- Sprung in den tes resultierendes Lähmungsbild mit Ausfall Rollstuhl“ warnt motorischer, sensibler und vegetativer Funk- tionen. Pro Jahr treten etwa 1.800 neue Fälle in Deutschland auf. Die Ursachen sind sehr vielfältig und etwa 3 % der Neuerkrankungen sind auf Unfälle beim Baden oder Schwim- men zurückzuführen. Das entspricht etwa neu- en 60 Erkrankungsfällen pro Jahr. In Deutsch- land gibt es 21 Klinikzentren mit zusammen 1.200 Betten, die in der Lage sind, auch schwerstverletzte Personen ihr Leben lang medizinisch zu versorgen. In den letzten Jahren 2000 –2005 gab In Deutschland gibt es es 126 Badeunfälle mit Lähmungsfolgen, wie in jedem Jahr ca. 60 die Übersicht zeigt. Natürlich sehen wir bei der neue Erkrankungsfälle Zahl der Badeunfälle einen direkten Zusam- mit Querschnittlähmung menhang mit dem Wetter, das Jahr 2003 war beim Baden und das Jahr mit einem extrem heißen Sommer. Schwimmen Betrachtet man die beteiligten Altersgruppen 12 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l
Badeunfälle 2000 bis 2005 Badeunfälle gesamt und Tauchunfälle mit Lähmungsfolgen im Jahresvergleich 126 Badeunfälle mit Lähmungsfolgen gab es von 2000 bis 2005 Badeunfälle gesamt Tauchunfälle 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Hauptunfallursache ist der Kopfsprung, vor allem ins Die Hauptunfallursache ist vor allem der f l a c h e Wa s s e r Kopfsprung und mit besonders hohem Risi- ko versehen ist der Kopfsprung ins flache Wasser. Diese Verletzten haben nicht einmal Hautabschürfungen oder andere äußere Ver- „Sprung in den Rollstuhl“ letzungen, aber schwerste Quetschungen der Wirbelsäule und Rückenmark betreffende Verletzungstypen Wirbelsäule mit irreparablen Schäden. 77 Mal ist der Kopfsprung als Unfallur- sache und nur 11 Mal das Ausrutschen zu verzeichnen. Dominierend bei den Unfallor- ten sind klar die Binnengewässer. 52 Unfäl- len dort stehen 16 Unfällen am Meer, 12 im Pool und 9 im Schwimmbad gegenüber. Bei nahezu allen Unfällen (104) war die Wirbelsäule beteiligt. Schwerpunkt der Frak- turlokalisten war die Halswirbelsäule. Weil der Körper ab der Quetschung des Rückenmarks nach unten gelähmt wird, ist klar, dass hier schwerste Lähmungsfolgen entstehen. Beim Ausmaß der Lähmung standen 58 komplet- ten Lähmungen 39 inkompletten gegenüber. Erfreulicherweise nimmt der Anteil der in- kompletten Lähmungen aufgrund der verbes- serten Unfallversorgung dieser Patienten zu. Hinter diesen nüchternen Zahlen verber- gen sich dramatische Einzelschicksale. Lassen Sie mich daher einen Aufruf zur verstärkten Prävention in allen Bereichen starten. In an- deren Staaten, z.B. Kanada gibt es staatliche Programme, die gar nicht so teuer sind. Aus- tralien zeigt, dass mit einfachen Schildern wirkungsvolle Prävention betrieben werden kann. Mein Traum wäre es, z.B. mit Ihrer Or- ganisation und den nötigen Sponsoren einen Fernsehspot zu drehen, der am Anfang der Saison gezeigt wird. Wenn wir die Unfallzah- len um die Hälfte reduzieren könnten, dann hätten wir viel erreicht. Erstes Ziel der Kampagne: durch Prävention die Unfallzahlen um die Hälfte reduzieren 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l 13
Vo r t r a g F Dr. Peter Pietsch Bundesarzt des Präsidiums der DLRG Schwimmen – eine universelle Sportart Schwimmen ist gesund. die Schüler in der Europäischen Gemeinschaft Schwimmen hält gesund. untersucht hat und den deutschen Schüle- Schwimmen macht gesund. rinnen und Schülern im Europavergleich ein schlechtes Zeugnis ausstellt. Die Kriterien Er- Warum ist das so? nährung, Übergewicht, Bewegung, Motorik Das Schwimmen ist eine universelle Sportart und Erkrankungen (Diabetes mit Spätfolgen und für jedes Alter geeignet, für Kinder wie bei Schülern, Herzinfarkte etc.) zeigen deut- für Senioren. Zunächst sind es die physikali- liche Probleme bei deutschen Kindern. Die schen Eigenschaften des Wassers, die dem Folgen des Bewegungsmangels treten immer Menschen entgegenkommen. Seine hohe deutlicher zutage. Der damit auch einherge- D r. P e t e r P i e t s c h i s t Dichte senkt unser Gewicht im Wasser auf hende volkswirtschaftliche Schaden ist groß. seit 50 Jahren DLRG- ein Siebtel. Durch den Wärmeverlust sowie Eine Studie aus den USA zeigt, dass eine Mitglied und seit durch die Bewegung gegen den Wasserwider- Bewegungsaktivierung der inaktiven Teile der 1995 Bundesarzt des stand entsteht ein höherer Energieumsatz Bevölkerung um 10 –15 % zu einer Reduktion Präsidiums. Der Arzt als bei der Bewegung an Land. Der Auftrieb der Todesfälle um 1,5 –2 % führt. und Marinesanitäts- des Wassers schont die Gelenke: ein Vorteil Das Schwimmen zeitigt bei Menschen offizier a.D. war 2006 vor allem für Übergewichtige, für den präven- mit Übergewicht positive Effekte, ein As- t u r n u s m ä ß i g e r Vo r- tiven Gesundheitssport und für Rehabilitations- pekt der heute leider bereits bei Kindern re- sitzender der Bundes- maßnahmen unter anderem nach Operationen. levant ist. Es senkt die Hemmschwelle, sich arbeitsgemeinschaft wieder zu bewegen und es senkt die adi- Erste Hilfe (BAGEH) Kindliche Entwicklung positasbedingten Einschränkungen. Die beim Welche Effekte hat das Schwimmen auf die Schwimmen entstehenden Belastungen lie- kindliche Entwicklung? Die Bewegung im gen im oberen Drittel aller Sportarten. Insbe- Wasser beeinflusst die motorische Entwick- sondere die hohe dynamische Belastung lung von Kindern intensiver als die Bewe- führt zu einer Volumenbelastung des Herz- gung auf dem Trockenen. Dieser Vorteil wird muskels mit ihrer positiven Auswirkung auf therapeutisch genutzt. Entscheidend ist die das Herz-/ Kreislaufsystem (Trainingseffekt), Dreidimensionalität mit der damit verbunde- demgegenüber ist die statische Belastung nen Bewegungsfreiheit. Eine Studie der Sport- mit seiner eher negativen Auswirkung auf hochschule Köln stellte eine Verbesserung den Stütz-und Bewegungsapparat gering. der Wahrnehmungsfähigkeit der Kinder bei der Bewegung im Wasser fest. Was kann Schwimmen bei der Behandlung Der Bewegungsreiz ist ein wesentlicher von Erkrankungen leisten? exogener Faktor für die Entwicklungs- und Schwimmen ist die ideale Sportart für Pati- Wachstumsreize. Erst bei Inanspruchnahme enten mit Verschleißerscheinungen und in (Belastung) werden die Organe zur vollen der Arthrosetherapie bzw. in der Rehabilita- Leistungsfähigkeit ausgebildet. Das Schwim- tion. Auch für Patienten mit erhöhtem Augen- men beeinflusst die Gesamtentwicklung güns- innendruck geht von der Ausdauersportart Ein Mangel an tig und wirkt sich positiv auf die ganzheitliche Schwimmen ein positiver Effekt aus. Und Bewegungsanregung psychosoziale Entwicklung der Kinder aus. macht es wegen seiner positiven Wirkung auf und Bewegungsraum Im Umkehrschluss führt ein Mangel an die Augendurchblutung für Glaukomkranke führt zu einer Bewegungsanregung und -raum zu einer ge- besonders geeignet. Unter dynamischer ae- generellen Entwick- nerellen Entwicklungsverzögerung im moto- rober Belastung kann der Augeninnendruck lungsverzögerung im rischen und sozialen Bereich (Deprivations- bis zu 8 mm Hg sinken. Für Behinderte, be- motorischen und syndrom). Die Folgen des Bewegungsmangels sonders Zerebralparetiker und Menschen mit sozialen Bereich zeigen sich in einer neuen Studie der WHO, Koordinations- und Wahrnehmungsstörungen 14 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l
Gesundheitsfördernd Physikalische Eigenschaften des Wassers 1000 kg/m3 Dichte 4185 J/(kg+K) spez. Wärmekapazität bei 20°C 0,60 W/mK Wärmeleitfähigkeit 0° C bei 1013,25 hPa 100° C bei 1031,25 hPa Schmelzpunkt Siedepunkt ist Schwimmen besonders gut geeignet. Zu- dem spielt das Schwimmen in der Rehabilita- Folgen der physikalische Eigenschaften des Wassers tion nach Verletzungen eine bedeutende Rolle. Für Kinder mit Krampfleiden ist schwimmen grundsätzlich nicht geeignet, zum mindesten ist eine 1 zu 1 Aufsicht zu gewährleisten. In Abhängigkeit von einer stabilen medikamen- tösen Einstellung und einer entsprechend lan- gen anfallsfreien Zeit können in Abstimmung mit den behandelnden Ärzten Ausnahmereg- lungen im Einzelfall möglich sein. Keine posi- tiven Effekte hat das Schwimmen bei der Be- höherer Energieumsatz handlung der Osteoporose. (Literatur beim Verfasser) Wärmeverlust und Bewegung gegen größeren Widerstand Wann sollen Kinder mit dem Schwim- men beginnen? Grundsätzlich gilt aus medi- zinischer Sicht: je früher, desto besser. Die Wasserauftrieb schont die Gelenke qualifizierte Schwimmausbildung hat heute für unser Gewicht sinkt auf ein Siebtel jede Altersstufe geeignete Kursangebote pa- Dichte Wasser = ca. 1000 x Dichte Luft rat, angefangen von Babyschwimmen, über die Lehrgänge für Schwimmanfänger, die Jugend- schwimmabzeichen, die Rettungsschwimm- ausbildung, die Schwimmausbildung für Er- wachsene bis zu speziellen Breitensport- Projekte angeboten für ältere Menschen. M a r k t d e r M ö g l i c hPkreoijteeknt e Innovative Ideen rund um die Schwimmausbildung Bunter Blumenstrauß Zwölf Projekte der Schwimmausbildung von Bremen bis Bayern und von Brandenburg bis Rheinland-Pfalz bildeten den dritten Pro- grammpunkt des 2. Symposiums Schwim- men. Sie zeigten die Vielfalt der Möglichkei- ten, wie sie sich der Leiter Ausbildung im Präsidium der DLRG, Helmut Stöhr, als ei- nen bunten Blumenstrauß der Farben ge- wünscht hatte, in beeindruckender Art und Weise. Im Bild der Werbestand des DLRG/NIVEA- Am Ausstellungsstand (v.l.): Dr. Harald Rehn, Dr. Klaus Wilkens, Maiken Kindergartenprojektes im Foyer der Wandel- Stolze und Stephan Mohr halle. 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l 15
Arbeitskreise AK 01 Das lässt sie verstärkt miterleben, dass sie Dr. Lilli Ahrendt und Monika Schimmel etwas wissen (Erfolgserlebnis); z.B. paar- weise Tauchen, Verhalten im Strömungs- kreis, Hereinfallen/-rollen von einer Matte vom Beckenrand und sofort festen Halt Schwimmbad türlich auch an anderen Orten auf, ent- suchen, Springen mit Absprungkontrolle (Kreidemarkierung um den Fuß) und ziehen sich jedoch dann öffentlicher mit Kinderaugen Einflussnahme und sichernder Kon- Abstandhalten (freier Sprungbereich?), Balance verlieren und wieder erlangen auf trolle. Der Ball liegt häufig im erziehe- der Wackelmatte, auf den Fliesen gehen Problem: rischen Feld der Eltern. (kleine Schritte), nicht laufen. Sicherheit und Unfälle im Schwimmbad Die ergänzende Fragestellung, ∆ Baderegeln dinglich anschaulich anwen- Schwimmbäder sind Bewegungsstät- ab wann von Schwimmen zu spre- den, z.B. die Kinder mit einem Besenstil/ Stab selbst Wassertiefe und eigene Körper- ten für Sport, Unterricht, Training und chen ist, wurde ebenfalls diskutiert. größe abmessen lassen. Erholung für jedermann, um sich in- Ist es ausreichend, die Abzeichen (See- ∆ Verantwortungsbewusstein durch das dividuell oder gemeinsam in der Frei- pferdchen, Bronze etc.) abzunehmen, Einsetzen von Schwimmpaten schulen zeit zu bewegen. Insbesondere Kin- ohne den geistigen, emotionalen (älteres Gold-Kind mit jüngerem Anfänger- der finden hier einen idealen und an und körperlichen Entwicklungsstand schwimmkind für eine Schwimmstunde paaren). sich behüteten Ort, an dem sie le- eines Kindes einzubeziehen? ∆ Kinder unter Kontrolle alles ausprobie- bensnotwendige Erfahrungen für ihre gesamte Entwicklung sammeln kön- Kernaussagen: ren lassen und ihre Rückmeldung einholen, was gefährlich erscheint. ∆ An der Selbstrettungsfähigkeit von nen, nämlich den Umgang mit dem Kindern ist noch gezielter zu arbeiten. ∆ Eine Schwimmbadsprache (Geheimspra- Element Wasser und das Schwim- che) bei Kindern einführen. Intensive Gestik ∆ Spätestens mit der Schwimmausbildung und bildhafte Sprache verbessert die Ver- menlernen selbst. Aus Erkenntnissen selbst muss das Thema Sicherheit praxis- ständigung mit Kindern. Die Ausbilderkrea- verschiedener Untersuchungen zur Si- nah umgesetzt und gefördert werden, das tivität und Talent sind gefordert, die Auf- cherheitserziehung von Kindern möch- bedeutet Gefahrenbewusstsein wecken und merksamkeit im offenen Unterricht nach Risiko einschätzen lernen. Dies gelingt in einer Übungsphase zurückzuerobern. te der Arbeitskreis einen Vorschlag der Praxis methodisch mit einem offenen, zum kindgerechten Orientieren im schüler- und handlungsorientierten Unter- ∆ Lieder und Reime erhöhen die Merkfä- richt. D.h. Kinder sind im Unterricht nicht higkeit bei Kindern. Ein Beispiel, um das Schwimmbad unterbreiten. Laufen auf den Fliesen zu unterbinden: Objekte sondern aktive Subjekte, sollen Das Unfallgeschehen und die „Wer flitzt, der sitzt“ oder „Wenn du mitdenken, mithelfen, sichern, organisieren Unfallursachen mit Kindern im Be- und z.B. Signale rufen. An den selbst erar- rennst, dann flennst“ oder „Eins, zwei, wegungsraum „Schwimmbad“ for- beiteten Baderegeln lernen sie Zusammen- drei, kommt herbei!“ dern die Badbetreiber und uns als hänge zu verstehen und erfahren somit ∆ Schwimmunterricht verlangt vom Aus- selbst die Gefahren. Kinder müssen ernst bilder die Kommunikation auf Augenhöhe Ausbilder und Funktionsträger in den genommen und dort abgeholt werden, wo der Kinder, das bedeutet ein Verkleinern verschiedenen Organisationen zum sie mit ihren Bedürfnissen und auch Vorer- der eigenen Körpergröße durch Hocken Nachdenken über unsere eigenen fahrungen stehen. oder Knien mit bewusstem Blickkontakt zu Vorgehensweisen in der Schwimm- ∆ Gute Ausbilder und Lehrkräfte sollen ih- den Kindern. ausbildung und zu verstärkt bezugs- nen graduell kleine Aufgaben, auch in Ver- ∆ Zusammenhänge zu verstehen und zu bindung mit einem Partner übertragen, um begreifen lernen Kinder, indem sie Fragen orientiertem Handeln auf (statt Ver- sie zu bestärken, sie selbstsicher und kom- stellen oder in verschiedenen Kontexten bote vorzulesen). petent zu machen und ihr Verantwortungs- Fragen beantworten. Nach dem Motto: Schwimmen ist eine begehrte bewusstsein und -gefühl zu schulen. Denn „Wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt, Schwimmabzeichen allein sind noch keine bleibt dumm“, können im Schwimmbad Freizeitaktivität. Auch Becken mit Garantie für Schwimmenkönnen. (inklusive des Technik-, Erste-Hilfe- und 1,25 m bis ca. 1,35 m Wassertiefe Schwimmmeisterraums) diese sicherheits- gelten noch als Nichtschwimmer bzw. Konsequenzen: fördernden Zusammenhänge noch bewuss- Lehrschwimmbecken. Vorschriften für (infrastrukturell und didaktisch/methodisch) ter gemacht werden. den Bäderbau und Ordnungen (u.a. ∆ In der ersten Stunde des Kinderschwim- ∆ Durch Lernen im Spiel und Spürerfah- mens sollten Eltern ihre Kinder ins rungen sollten Konzentration und Aufmerk- Haus- und Badeordnung) regeln die- Schwimmbad begleiten dürfen. Dabei samkeit geschult werden, z.B. „Ich sehe sen Bereich stringent. Dies ist jedoch sollte auch das Elternverhalten bewusster was, was ihr nicht seht“! kein Maß, welches den tatsächlichen und gezielter beobachtet werden. Um das ∆ Der Sinn und Unsinn von Auftriebshilfen kindgerechten Anforderungen ent- Können der Kinder im Schwimmkursver- sollte durch Ausprobieren von den Kindern lauf den Eltern zeigen zu können, kann zum selbst erlebt werden. „Schwimmflügel ge- spricht. Kinder können sich darüber Kursende hin ein Tag der offenen Tür oder hören an die Arme“! Die Baderegeln sollten hinaus noch nicht zu diesen für sie Ähnliches angeboten werden. als Gebot vermittelt und abgefragt werden, nicht zutreffenden ergonomischen ∆ Im Schwimmbad selbst sollte eine Aus- z.B. „Ich darf springen, wenn das Wasser Festlegungen äußern. schilderung / Markierung durch Symbole und frei und tief genug ist!“ Verbote sollten Leuchtfarben in kindgerechter Augenhöhe Kindern stets erklärt und begründet werden. Der kritische Bereich in den Sta- erfolgen, der Schwimmbeckenrand mit Mar- tistiken zu Ertrinkungsfällen betrifft kierungshütchen in Ampelfarben für den Schlussfolgerung: die Jungen, besonders häufig die Al- Schwimmunterricht gekennzeichnet werden. Gefahrenbewusstsein, Selbstrettungsfähig- tersgruppe der 5 – 6-Jährigen und der ∆ Kindgerechte Sanitäranlagen (Toilette, keit und Risikokompetenz sind durch 10 - 11-Jährigen. Das entspricht den Dusche) ermöglichen Eigenständigkeit. Selbsterfahrung zu vermitteln. Für das Um- Übergangsphasen vom Kindergarten ∆ Rutschfeste Fliesen und gummierte Böden setzen sind Kreativität und Engagement ge- oder Gummifüßlinge verhelfen dem Anfänger fordert. In die Ausbildung der Übungsleiter zur Schule bzw. von der Grundschule im Flachwasserbereich zu sicherem Stand. und Lehrer ist das Thema Entwicklungspsy- zur weiterführenden Schule. Unfälle ∆ Kinder im Rollenspiel wie kleine Ausbil- chologie des Kindes (sein Können, seine in Verbindung mit Wasser treten na- der mit in den Unterricht einbeziehen. Grenzen) stärker einzubringen. 16 2 . S y m p o s i u m S c h w i m m e n · L e b e n s r e t t e r- S p e z i a l
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