FORSCHEN in Jülich - UMWELT UND KLIMASCHUTZ - Forschungszentrum Jülich

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FORSCHEN in Jülich - UMWELT UND KLIMASCHUTZ - Forschungszentrum Jülich
Das Magazin aus dem Forschungszentrum   01|2009

FORSCHEN
in Jülich

  UMWELT UND KLIMASCHUTZ
  :: FLIEGENDE LABORS

  :: ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE

  :: DEN HIMMEL ÜBER CHINA VERSTEHEN
FORSCHEN in Jülich - UMWELT UND KLIMASCHUTZ - Forschungszentrum Jülich
FORSCHEN
in Jülich
Das Magazin aus dem Forschungszentrum

Die Atmosphäre der Erde: Vielfältige Prozesse in der Lufthülle unseres Planeten beeinflussen die Umwelt und
das Klima. Die Aufmerksamkeit der Atmosphärenforschung richtet sich zunehmend auf den vom Menschen
verursachten Stoffeintrag.

Titelbild: Das Messflugzeug „Eco-Dimona“, ein einmotoriger Motorsegler, misst über einem Versuchsfeld die
Konzentration von Kohlendioxid und Wasser in der Atmosphäre.

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FORSCHEN in Jülich - UMWELT UND KLIMASCHUTZ - Forschungszentrum Jülich
Umweltforschung für die Sicherung
                              unserer Lebensgrundlagen

                              D
                                         er Klimawandel wird gravierende Folgen
                                         ­haben, die unsere Lebensgrundlagen gefähr-
                                          den. Dies bestätigt der vierte Klima-Report
                              des Weltklimarats (IPCC), an dem auch Wissen-
                              schaftler des Forschungszentrums Jülich mitarbeiten.
                              Der sparsame und intelligente Umgang mit Rohstof-
                              fen und eine klimaschonende Energieversorgung ge-         Prof. Dr. Achim Bachem, Vorstandsvorsitzender (r.), und
                              hören daher zu den wichtigsten Zukunftsthemen un­         Prof. Dr. Harald Bolt, Mitglied des Vorstands
                              serer Gesellschaft.
                                     Kaum jemand mag das heute noch ernsthaft
                              ­bestreiten. Doch wie können wir nun darauf reagie-            Ein anderes Beispiel: Bekannt ist, dass das Treib­
                               ren? Und wer? Entschiedenes Handeln der Politik,           hausgas Kohlendioxid (CO2) von Pflanzen und Böden
                               neue Produkte aus der Wirtschaft, verändertes Ver-       aufgenommen, gespeichert und allmählich wieder
                               halten der Verbraucher – all dies ist wichtig. Dies      freigesetzt wird. Welche Wechselwirkungen jedoch
                               wird aber nur gelingen, wenn wir noch viel genauer       zwischen diesen organischen Kohlenstoffspeichern,
                               verstehen, wie die komplexen Prozesse in unserer         den unterschiedlichen Bodennutzungen, der Boden-
                               Umwelt ablaufen, wie Atmosphäre, Pflanzenwelt und        feuchte und dem prognostizierten Klimawandel – mit
                               Boden in sich und im Austausch miteinander funk­         Temperaturanstieg und verändertem Niederschlag –
                               tionieren.                                               zu erwarten sind, das ist nach wie vor eine offene
                                     Ob der Energieträger Wasserstoff Freund oder       Frage. Jülicher Wissenschaftler arbeiten an der Auf-
                               Feind des Klimas ist oder wie sich Wolken auf das        klärung und daran, wie man Pflanzen und Pflanzen-
                               Klima auswirken … Längst ist noch nicht alles klar,      produktion an die veränderten Klimabedingungen
                               vieles nur scheinbar hinreichend verstanden. Beob-       anpassen kann.
                               achten, verstehen, handeln, und zwar in dieser                Während bei diesen beiden Beispielen das Beob-
                               ­Reihenfolge, ist daher unsere Position in der Umwelt-   achten und Verstehen im Fokus stehen, sind wir auf
                                und Energieforschung. Mit Messinstrumenten am           anderen Feldern bereits sehr nah an der Anwendung.
                                ­Boden und in der Luft sammeln Umweltforscher­          Beispiel Materialforschung für die klimaschonende
                                 innen und -forscher aus Jülich in internationalen      Energieversorgung der Zukunft. Wissenschaftler­innen
                                 Kampagnen umfangreiche Daten – regional wie glo-       und Wissenschaftler des Instituts für Energie­
                                 bal. Sie klären Wechselwirkungen auf und simulieren    forschung entwickeln spezielle Membranen, die
                                 auf dieser Basis die ablaufenden Prozesse. Damit       ­Kohlen­dioxid aus Abgasen abtrennen oder neue
                                 schaffen sie wichtige Grundlagen für zielgerichtetes    ­Materialien für Brennstoffzellen und energiesparende
                                 und nachhaltiges Handeln.                                Lampen. Auch darüber berichtet dieses Heft.
                                     So beobachteten Jülicher Atmosphärenforscher            Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.
                                 zum Beispiel in der Luft über Südchina einen be-
                                 schleunigten Schadstoffabbau in der Atmosphäre,
                                 der sich von dem bislang bekannten unterscheidet.
                                 Mithilfe von Simulationsrechnungen und mittels
                                 ­Experimenten in der Jülicher Atmosphären-Simula­      Prof. Dr. Achim Bachem             Prof. Dr. Harald Bolt
                                  tionskammer SAPHIR wird der neu beobachtete           Vorstandsvorsitzender des          Mitglied des Vorstands
                                  ­Mechanismus jetzt aufgeklärt.                        Forschungszentrums Jülich

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FORSCHEN in Jülich - UMWELT UND KLIMASCHUTZ - Forschungszentrum Jülich
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:: FLIEGENDE LABORS
Messinstrumente unternehmen luftige Ausflüge im Zeppelin, mit Flugzeugen oder
Satelliten, damit Atmosphärenforscher den Einfluss von Spurengasen und Schwebe­
teilchen auf die Atmosphäre untersuchen können.

13                                                                26
ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE                                          DEN HIMMEL ÜBER CHINA VERSTEHEN
Die Beziehungen zwischen Boden, Pflanzen und Klima sind           Jülicher Atmosphärenforscher reisten zu den Olympischen
vielfältig: Pflanzen nehmen das Treibhausgas Kohlendioxid auf     Spielen nach China. Sie erarbeiteten Empfehlungen, um die
und produzieren zugleich Stoffe, die die Wolkenbildung fördern;   Schadstoffbelastung während der Wettkämpfe zu verringern und
Wälder speichern Wasser, Böden setzen je nach Wetterlage­­        machten überraschende Entdeckungen zur Selbstreinigungs-
verschieden viel Kohlendioxid frei. In Langzeitprojekten unter­   kraft der Atmosphäre.
suchen Jülicher Forscher, wie das alles zusammenwirkt.

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FORSCHEN in Jülich - UMWELT UND KLIMASCHUTZ - Forschungszentrum Jülich
IN DIESER AUSGABE

         3     Editorial

         :: Schnappschüsse aus Jülich

         6     Forschung im Überblick
               Ein Kaleidoskop von Bildern zeigt Highlights aus der
               Jülicher Forschung – von der Suche nach dem Ursprung
               der Masse über die Entdeckung von Gehirnveränderungen
               bei Synästheten bis zum Ausloten der Nanowelt.

         :: SCHWERPUNKT                                                  :: Highlights

           9 Das Klima verstehen                                         26 Den Himmel über China verstehen
                                                                            Die Atmosphärenchemie über chinesischen Ballungs-
         10 Fliegende Labors                                                räumen funktioniert anders, als bisher gedacht.
            Messinstrumente gehen in die Luft, um Spurengase und
            Schwebeteilchen in der Atmosphäre zu analysieren.            30 Automatisierung statt Handarbeit
                                                                            Jülicher Energieforscher entwickeln automatisierte
         13 Zwischen Himmel und Erde                                        Fertigungsverfahren für Brennstoffzellen.
            Jülicher Umweltwissenschaftler untersuchen Wechsel­
            wirkungen zwischen Böden, Pflanzen und Klima.                32 Wasserstoff – Freund oder Feind?
                                                                            Jülicher Wissenschaftler geben Entwarnung.
         16 Globaler Klimawandel – regional beobachtet
            Interview mit Prof. Harry Vereecken, Direktor des            34 Gefährliche Notbremse gegen globale Erwärmung
            Instituts für Chemie und Dynamik der Geosphäre.                 Sulfatteilchen in der Atmosphäre könnten vielleicht dem
                                                                            Treibhauseffekt entgegensteuern, hätten aber starke
         18 Eiswolken im Treibhaus Erde                                     Nebenwirkungen.
            Zirruswolken aus winzigen Eiskristallen können sich sowohl
            kühlend, als auch wärmend auf das Klima auswirken.           36 Licht mit der richtigen Prise Salz
            Welcher Effekt überwiegt? Jülicher Forscher sind der            Quecksilber in Energiesparlampen wird verboten –
            ­Antwort auf der Spur ...                                       Jülicher Forscher entwickeln Alternativen.

         20 Klima – beobachten, verstehen, handeln                       38 Nachrichten aus der Umwelt- und Energieforschung
                                                                            Von Chemie-Wettervorhersagen, Weltrekord-Brennstoff­
         22 Vom Klimakiller zum Rohstofflieferanten                         zellen und Netzwerken für die Pflanzenforschung.
            Mikroalgen, die Kohlendioxid aus Kraftwerkabgasen binden,
            könnten künftig als nachwachsender Rohstoff für die
            ­Produktion von Benzin und Kunststoffen dienen.

         24 Kohlendioxid einfangen und vergraben
            Filter, die das Treibhausgas Kohlendioxid aus Abgasen ab-
            trennen, sollen Kohlekraftwerke klimafreundlicher machen.

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FORSCHEN in Jülich - UMWELT UND KLIMASCHUTZ - Forschungszentrum Jülich
HILFE BEI BANDSCHEIBENSCHÄDEN                                        URSPRUNG DER MASSE
Wenn eine abgenutzte Bandscheibe unerträgliche Schmerzen ver-        Mithilfe des Jülicher Supercomputers JUGENE gelang es erst­
ursacht und nicht-operative Behandlungsmethoden keine Lin­­de­       malig einem internationalen Forscherteam, die Masse der wich­
rung bringen, so kann es notwendig werden, die Bandscheibe           tigsten Bausteine der Materie – Protonen und Neutronen – zu
durch ein Implantat zu ersetzen. Jülicher Forscher haben geholfen,   berechnen. Die aufwändigen Simulationen der Wissenschaftler
solche Titan-Implantate zu verbessern: Mit ihrem patentierten Her-   bestätigen die Richtigkeit einer grundlegenden physika­lischen
stellungsverfahren lassen sich Größe und Anteil der Poren im Titan   Theorie, der Quantenchromodynamik. Die Redakteure des renom-
genau steuern, sodass sie optimal durch Knochenzellen besiedelt      mierten Wissenschaftsmagazins „Science“ wählten diese Forscher-
werden. Dr. Martin Bram, Dr. Hans-Peter Buchkremer und Prof. Dr.     arbeit in ihre Top-Ten-Liste der „Durchbrüche des Jahres 2008“.
Detlev Stöver erhielten dafür gemeinsam mit der Medizintechnik-
firma Synthes den mit 50 000 Euro dotierten Schrödinger-Preis.

Forschung im Überblick
Die Jülicher Umweltforschung steht im Mittelpunkt dieses Magazins.
Jülicher Wissenschaftler sind aber auch auf anderen Forschungsgebieten
aktiv und erfolgreich.

LINKTIPP
www.fz-juelich.de/portal/kurznachrichten

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FORSCHEN in Jülich - UMWELT UND KLIMASCHUTZ - Forschungszentrum Jülich
SchNAPPSCHÜSSE

         GEHIRNVERÄNDERUNGEN BEI SYNÄSTHETEN                                                       BLICK AUF QUANTENEFFEKT
         Bei Menschen mit Synästhesie kann beispielsweise das Sehen eines Buchstabens eine         Eine internationale Forschergruppe, da­
         zusätzliche Farbempfindung auslösen. Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich        runter der Jülicher Chemiker Dr. Gustav
         und der Kölner Universitätsklinik wiesen mit der Magnetresonanztomografie nach,           Bihlmayer, maß erstmals direkt den Spin
         dass bei Synästheten die graue Gehirnsubstanz im linken Scheitellappen (links) und        der Elektronen in einem Material, das
         im rechten unteren Schläfenlappen (rechts) vermehrt ist. Während die Gehirnregion im      den 2004 theoretisch vorhergesagten
         unteren Schläfenlappen auf die Farbwahrnehmung spezialisiert ist, ist der Scheitel­       Quanten-Spin-Hall-Effekt aufweist. Dieser
         lappen für die Verknüpfung von Sinneseindrücken zuständig.                                Effekt könnte es künftig ermöglichen, die
                                                                                                   Information von Speichermedien nahezu
                                                                                                   verlustfrei zu transportieren und elek­
                                                                                                   trisch zu manipulieren.

         BLUT IN BEWEGUNG                              SIMULIEREN MIT PETAFLOP/S                   NANOECHOLOT
         Physiker aus Jülich und Tokio fanden mit      Seit Mai 2009 stehen in Jülich drei neue    So wie ein Echolot Schallwellen aus­
         aufwändigen Computersimulationen her-         Supercomputer für die europäische For-      sendet, um die Tiefen der Ozeane zu er-
         aus, dass sich rote Blutkörperchen in         schung. Der leistungsstärkste unter ihnen   kunden, können Elektronen von Raster-
         ­engen Kapillaren fallschirmförmig in einer   kann eine Billiarde Rechenoperationen       tunnelmikroskopen genutzt werden, um
          Reihe ausrichten, wenn ihr Gehalt im Blut-   pro Sekunde, kurz ein Petaflop/s, ausfüh-   tief verborgene Eigenschaften des Atom-
          strom niedrig ist (oben). Bei höherer        ren und war damit bei seiner Einweihung     gitters der Metalle zu untersuchen. Auf
          Dichte verändern die Blutkörperchen ihre     der schnellste Rechner Europas und welt-    diese Weise machten Wissenschaftler
          Form und ordnen sich reißverschlussartig     weit Nr. 3. Bei einem Festakt unterstri-    aus Jülich, Göttingen und Halle die so­
          in zwei Reihen an (unten). Beim Übergang     chen Bundesforschungsministerin Annette     genannten Fermi-Flächen im Innern sicht-
          dieser beiden Zustände steigt der Strö-      Schavan und NRW-Ministerpräsident Jür-      bar, durch die beispielsweise Leitfähig-
          mungswiderstand des Blutes sprunghaft        gen Rüttgers die Bedeutung des Super-       keit, Wärmekapazität und Magnetismus
          an.                                          computing für die Rolle Deutschlands und    eines Metalls festgelegt werden.
                                                       Europas im internationalen Wettbewerb.

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Schwerpunkt

                              :: DAS KLIMA VERSTEHEN
                              Boden, Biosphäre und Atmosphäre beeinflussen das lokale und globale
                              Klima. Jülicher Wissenschaftler arbeiten daran, diese Faktoren so ­genau
                              wie möglich zu erfassen und ihre vielfältigen Wechselwir­kungen zu
                              verstehen. Was genau geschieht im Boden, in Pflanzen und in der Luft?
                              Wie wirken sich diese Prozesse auf das Klima aus, und wie reagieren
                              sie auf natürliche Veränderungen und auf die Folgen menschlicher
                              ­Aktivitäten? Das Ziel der Forscher ist es, Strategien für den Erhalt der
                               Umwelt zu erarbeiten und eine nach­haltige Nutzung der natürlichen
                               Ressourcen zu ermöglichen.

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FORSCHEN in Jülich - UMWELT UND KLIMASCHUTZ - Forschungszentrum Jülich
Fliegende Labors
Satelliten, Forschungs- und Linienflugzeuge sowie Luftschiffe transportieren
die Messinstrumente in die Luft, mit denen Jülicher Forscher den Einfluss
von Spurengasen und Schwebeteilchen auf das Klima untersuchen.

                                                 Einzelne chemische Vorgänge lassen         Prozesse den Transport von Spurengasen
                                              sich zwar im Labor am Boden unter­            über viele Hunderte Kilometer hinweg
                                              suchen. „Fraglich ist dann jedoch häufig,     beeinflussen. Sie laufen damit auf einer
                                              inwieweit der Prozess auch in der Natur       Skala ab, die sich im Labor nicht nach-
                                              wirksam ist – so kann es etwa zu Rück-        stellen lässt“, sagt Riese.
                                              kopplungen kommen, die sich unter Labor-
                                              bedingungen nicht beobachten lassen“,         Blick vom Satelliten in die Kaffeetasse
                                              erläutert Experte Dr. Franz Rohrer den             Nun mag man auf die Idee verfallen,
                                              Grund für die Jülicher Höhenflüge über        die Atmosphärenforscher könnten auf
                                              den Polargebieten, dem Bodensee oder          ­ihre abwechslungsreichen Ausflüge ver-
                                              mitten in tropische Gewitterwolken hin-        zichten und stattdessen einfach die Daten
                                              ein. Auch sind Wissenschaftler schon           auswerten, die ihnen die Messgeräte von

E
      xperten schätzen die Zahl der Sub­      häufiger bei Freiluftmessungen auf Vor-        Satelliten frei Haus liefern. Doch die
      stanzen in der Atmosphäre auf 5 000     gänge gestoßen, die man auf Grundlage          ­Wissenschaftler vom Jülicher Institut für
      bis 8 000. „Darunter sind Spuren­       von Untersuchungen im Labor gar nicht           Chemie und Dynamik der Geosphäre ver-
gase, die entscheidend für die Eigen-         vorhersagen konnte. Bekanntestes Bei-           weisen hier unter anderem auf die man-
schaften der Atmosphäre sind und              spiel dafür ist die Bildung des Ozonlochs       gelnde „räumliche Auflösung“ der Auf-
manchmal weniger als einen milliardstel       über der Antarktis. Als Verursacher wur-        nahmen. Was damit gemeint ist, erläutert
Teil der Luft ausmachen“, sagt der Jülicher   den überraschend die Fluorchlorkohlen-          Franz Rohrer, Mitarbeiter des Bereichs
Atmosphärenforscher Prof. Martin Riese.       wasserstoffe (FCKW) identifiziert, die, als     „Troposphäre“, anhand der Tasse Kaffee,
Eine ganze Reihe von Substanzen wirkt         Kühlmittel oder Treibgas eingesetzt, in die     die vor ihm steht und in die er einen Trop-
sich dabei beträchtlich auf das ­Klima aus.   obere polare Atmosphäre gelangten und           fen Milch einrührt: „Sieht man darauf mit
Methan beispielsweise beeinflusst es auf      dort durch früher unbekannte chemische          den Augen eines Satelliten, so kann man
kurze Sicht sogar ähnlich stark wie das       Reaktionen an Wolkenteilchen in ozon­           häufig nur die durchschnittliche Helligkeit
Treibhausgas CO2, das Hauptursache des        zerstörende Substanzen umgewandelt              des Kaffee-Milch-Gemischs erkennen. Ob
Klimawandels ist.                             werden. „Zudem können meteorologische           die Milch aber gleichmäßig verteilt ist

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Schwerpunkt

                                                                            Messgeräte auf Umweltsatelliten (links), im Zeppelin NT (Mitte)
                                                                            und in Forschungsflugzeugen wie HALO (rechts) liefern Jülicher
                                                                            Forschern einander ergänzende Informationen über Spurengase
                                                                            und Schwebeteilchen in der Atmosphäre.

         oder sich Schlieren gebildet haben, ist      PREMIER (PRocess Exploitation through        15 Kilometern und einer Nutzlast von
         nicht zu sehen.“ Auch liefern Erderkun-      Measurement of Infrared and milimetre-       drei Tonnen alle anderen europäischen
         dungssatelliten nicht kontinuierlich Daten   wave Emitted Radiation). Das For-            Forschungsflugzeuge. „Mit HALO kann
         von einer bestimmten Region – doch der       schungszentrum Jülich und europäische        man gezielt in interessante chemische
         Gehalt vieler Spurengase verändert sich      Partner haben es als Erderkundungsmis-       und meteorologische Situationen hinein-
         innerhalb von Stunden oder Minuten. Da-      sion vorgeschlagen, die von der „European    fliegen und die dort ablaufenden Pro­
         her können Atmosphärenforscher nicht         Space Agency“ (ESA) mit Finanz­mitteln       zesse detailliert untersuchen“, sagt der
         auf Flugzeuge und Zeppeline verzichten,      von 300 Millionen Euro ausgestattet ist      Atmosphärenchemiker Dr. Andreas Volz-
         die einfach näher am Geschehen sind.         und 2016 beginnen soll. Bisher verlief die   Thomas. Besonders haben die Jülicher
              Martin Riese und sein Team vom Be-      Bewerbung sehr er­folgreich: Aus 24 Vor-     Forscher dabei die sogenannte Tropo­
         reich „Stratosphäre“ arbeiten aber auch      schlägen wurden drei für ausführliche        pause zwischen fünf und 15 Kilometern
         daran, die Sehschärfe von Satellitenmes-     Studien des wissenschaftlichen Poten­        über der Erdoberfläche im Visier. Sie
         sungen zu verbessern. Bisher können          zials und der technischen Machbarkeit        spielt für den Klimawandel eine wichtige
         ­Satelliten bestenfalls den durchschnitt­    ausgewählt – darunter PREMIER. Erst-         Rolle, da sich hier Änderungen von Treib-
          lichen Gehalt eines Spurengases in einer    mals getestet wird ein derartiges Mess­      hausgasen, Schwebeteilchen und Wolken
          drei bis fünf Kilometer hohen und meh­      instrument für mehr als 15 Spurengase        besonders stark auf die Strahlungseigen-
          rere Hundert Kilometer breiten Luftsäule    schon 2010 auf dem Forschungsflugzeug        schaften der Atmosphäre und somit auf
          ermitteln. Gemeinsam mit Kollegen aus       HALO.                                        die Temperatur am Boden auswirken.
          dem Forschungszentrum Karlsruhe ent-
          wickeln die Jülicher Wissenschaftler ein    Neues Forschungsflugzeug                     100 Millionen Forschungskilometer
          Messinstrument, mit dem sich Spuren-            Dieser 62 Millionen Euro teure Jet im       Linienflugzeuge dagegen meiden „inte­
          gas-Mittelwerte mit einem Höhenabstand      Dienste der Klima- und Atmosphärenfor-       ressante“ meteorologische Situationen
          von weniger als einem Kilometer unter-      schung absolvierte seinen ersten Flug in     wie etwa Gewitter und können keine ton-
          scheiden lassen – bei einem horizontalen    Deutschland im Januar 2009. HALO über-       nenschweren Messgeräte mitschleppen.
          Abstand von rund 50 Kilometern. Das         trifft mit einer Reichweite von über 8 000   Trotzdem lassen sie sich sehr erfolgreich
          ­Gerät ist wesentlicher Teil des Konzepts   Kilometern, einer Flughöhe von mehr als      für die Atmosphärenforschung nutzen.

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Spezielle Lufteinlass-Systeme sind nötig, wenn Wissenschaftler mit einem Flugzeug die
                                             Atmosphäre erforschen wollen. Die Zentralabteilung Technologie im Forschungszentrum
                                             entwickelte für das HALO-Flugzeug dieses Einlass-System, mit dem hochreaktive, atmo-
                                             sphärische Spurenstoffe eingefangen und anschließend mit den Messgeräten, die sich
                                             im Inneren des Flugzeugs befinden, analysiert werden können.

Das zeigte das MOZAIC-Projekt, das vom       von Prof. Andreas Wahner, Kontakt zur        Dr. ­Andreas Hofzumahaus (zu OH-Radi­
Bereich „Troposphäre“ koordiniert wur­de.    Deutschen Zeppelin-Reederei in Friedrichs-   kalen siehe auch S. 29).
Von 1994 bis 2004 reisten Messgeräte         hafen auf, die den Zeppelin NT ­betreibt –       Spricht man ihn auf den touristischen
an Bord von fünf Airbus-Lang­strecken­       ein Luftschiff, in dem normalerweise Tou-    Wert einer solchen Forschungsmission
fliegern mit und analysierten während        risten die Aussicht auf den ­Bodensee        über dem Bodensee an, lächelt Hofzuma-
mehr als 100 Millionen Flugkilometern        genießen. Es kann in geringen Höhen          haus milde. Zeit, die schöne Aussicht zu
die Luft der Tropopause. „So viele Daten     langsam schweben, auf- und absteigen,        genießen, hat dabei nämlich keiner. Statt-
über einen langen Zeitraum sind auf          in der Luft anhalten oder mit dem Wind       dessen bedeutet so eine Mission für ein
­andere Weise nicht erhältlich. Auf          fliegen und dabei bis zu einer Tonne Aus-    vielköpfiges Wissenschaftlerteam harte
 ihnen beruhen inzwischen fast 150 wis-      rüstung mit sich führen.                     Arbeit: von der Messgeräteentwicklung
 senschaftliche Publikationen“, freut sich       „Inzwischen haben wir mit dem Zep­       über die Flugplanung bis zur Datenaus-
 Volz-Thomas. Zu den herausragenden          pelin NT zwei mehrtägige, sehr erfolg­       wertung. Bei den Messflügen selbst darf
 Erkenntnissen gehört, dass die obere        reiche Messkampagnen über Süddeutsch­        dann neben dem Piloten nur ein Forscher
 Troposphäre über Ostasien weit mehr         land durchgeführt. Dabei haben wir unter     mit an Bord sein – mehr Gewicht könnte
 Kohlenmonoxid enthält als erwartet –        anderem die Konzentration der soge-          der Zeppelin nicht tragen.
 eine Folge von Waldbränden und Brand­       nannten Hydroxyl-Radikale bestimmt –         www.fz-juelich.de/portal/forschung/
 rodung. Satelliten hatten die extrem        Verbindungen, die den Abbau der­             highlights/zeppelin
 hohen Kohlenmonoxid-Konzentrationen         meisten Schadstoffe einleiten und damit
 übersehen.                                  so etwas wie das Waschmittel der Atmo-       Frank Frick
    Aus dem zeitlich begrenzten Projekt      sphäre sind“, sagt der Jülicher Forscher
 MOZAIC geht jetzt das dauerhafte euro-
 päische Beobachtungssystem IAGOS-ERI
 hervor. „Wichtiger Bestandteil von
 IAGOS-ERI sind leichtere, einfacher zu
 wartende und leistungsfähigere Mess­
 instrumente, die auch zur Nachrüstung
 von Flugzeugen zugelassen sind“, sagt
 Volz-Thomas, der Jülicher Projektleiter
 von ­IAGOS. Ende 2009 soll eine Luft­
 hansa-Maschine erstmals mit den neuen
 ­Geräten ausgestattet werden.

Die Entdeckung der Langsamkeit
    Für die Untersuchung der untersten
Luftschicht der Atmosphäre bis 1 000
Meter Höhe fehlte lange Zeit ein fliegen-
des Labor. Die Messgeräte waren zu
schwer und zu groß für die verfügbaren
Forschungsflugzeuge, die zudem viel zu
schnell fliegen, um erdnahe Daten mit
hoher räumlicher Auflösung zu sammeln.       Die wichtigsten Flugrouten der fünf
Daher nahmen die Jülicher Wissenschaft-      Airbus-Linienflugzeuge des MOZAIC-Projekts. Die Geräte an Bord maßen
ler des Bereichs „Troposphäre“, geleitet     unter anderem den Ozon- und den Kohlenmonoxid-Gehalt in der Atmosphäre.

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Schwerpunkt

          Zwischen Himmel und Erde
             Wälder und Felder entziehen der Atmosphäre das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2)
             und speichern den Kohlenstoff als Biomasse – Wissenschaftler sprechen von
             CO2-Senken. Der überwiegende Teil des Kohlenstoffs steckt dabei im Boden: in
            ­Wurzelwerk, Laubstreu und Humus. Bodenorganismen zersetzen die toten Pflanzen­
             teile und geben das CO2 allmählich wieder an die Atmosphäre ab. Doch unter
           ­welchen Bedingungen wird wie viel CO2 geschluckt oder abgegeben? Wissen­
          schaftler des Jülicher Instituts für Chemie und Dynamik der Geosphäre sind den
          ­Zusammenhängen auf der Spur.

         Erkenntnisse aus nackter Erde                  regio32“ der Deutschen Forschungs­          zufinden, stecken die Wissenschaftler
            Ganz bodenständig arbeitet Dr. Michael      gemeinschaft. Nur zersetztes Pflanzen-      nach unten offene Kammern von etwa
         Herbst. Auf seinem Versuchsfeld bei Sel­       material von früherem Weizenanbau           20 Zentimetern Durchmesser in die Erde
         hausen wächst rein gar nichts. Mithilfe        steckt noch im Feld. Herbst will wissen:    und messen darin den Anstieg des CO2
         von umweltverträglichen Unkrautvernich­        Wie viel CO2 gibt der nackte Boden an      sowie Feuchtigkeit und Temperatur des
         tern und Bodenbearbeitung sorgt er mit        die Atmosphäre ab? Wie beeinflussen         Bodens.
         seinen Kollegen im Projekt FLOWatch seit      ­Regen oder Dürre, Schneefall, ein milder        „Den größten Einfluss hat die Tem­pe­
         drei Jahren sorgfältig dafür, dass das Feld    oder kühler Sommer den Fluss des Koh-      ratur“, berichtet Herbst. „Aber auch Trocken-
         so kahl bleibt. Das Projekt ist Teil des       lenstoffs? Was bewirkt eine gröbere oder   heit mögen die Bodenorganismen nicht.“
         Sonderforschungsbereichs (SFB) „Trans-         feinere Bodenstruktur? Um das heraus­      ­Allerdings herrschen hier Verhältnisse,

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Mit einem Spektrometer ermittelt Anke
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                                                                                             tierte Sonnenstrahlung; im Hintergrund
                                                                                             das Messflugzeug „Eco-Dimona“, das die
                                                                                             Konzentration von Wasser und Kohlen­
                                                                                             dioxid in der Atmosphäre misst.

die die Wissenschaftler „nicht-linear“         s­ einen Kollegen die Fotosyntheseaktivität   Eingesperrte Bäume
nennen: Man kann keinesfalls damit              der Pflanzen. Dafür messen die Forscher         Aus einem anderen Blickwinkel be-
rechnen, dass eine bestimmte Erhöhung           sowohl im Feld als auch von Flugzeugen       trachtet Dr. Astrid Kiendler-Scharr den
der Bodenfeuchtigkeit immer in gleichem         oder künftig sogar von Satelliten aus        Zusammenhang von Vegetation und Klima-
Maße den Abbau von Pflanzenresten               die Fluoreszenz der Grünpflanzen im Son-     wandel. Ihre Arbeiten sind Teil des EU-
im Boden steigert. Wenn es zu nass              nenlicht. Je weniger Fluoreszenz, desto      Projekts EUCAARI (European Integrated
wird, gibt der Boden sogar weniger CO2          ­größer die Fotosyntheseaktivität, desto
ab. „Die Bodenporen sind dann gleich-            eifriger entziehen die Pflanzen also der
sam verstopft, das Gas kann nicht                Atmosphäre CO2. Sogenannte Eddy-­
mehr zirkulieren“, erläutert Herbst. Nur       Kovarianz-Messgeräte registrieren das
mit vielen Messdaten vom kahlen Feld           Auf und Ab von kleinen Luftwirbeln (engl.
lassen sich die Zusammenhänge genau            Eddy) über dem Feld und messen Tempe-
klären.                                        ratur, Wasserdampf und den vertikalen
                                               CO2-Fluss – also die Summe dessen, was
Vom Boden zum Feld                             Boden und Pflanzen bewirken. „Dabei
    Normalerweise besitzen Böden in            sollte unterm Strich das herauskommen,
­unseren Breiten jedoch eine mehr oder         was Kammermessungen und Pflanzen-
 weniger dichte Pflanzendecke. Wie die         messungen addiert ergeben“, erläutert
 Vegetation den Austausch zwischen Bo-         Graf. „Tatsächlich stimmen die Ergebnisse     Mit Experimenten in Pflanzenkammern
 den und Atmosphäre beeinflusst, möch-         bisher recht gut überein.“                    untersucht Astrid Kiendler-Scharr, welche
 ten Dr. Alexander Graf und seine Kollegen           „Wir vergleichen dabei einerseits       Stoffe Pflanzen an die Luft abgeben.
 im Projekt FLUXPAT herausfinden, das          verschiedene Formen des Bewuchses“,
 ebenfalls zum SFB „Transregio32“ ge-          berichtet Rascher. „Andererseits wollen       Project on Aerosol Cloud Climate and Air
 hört. Sie senken ihre CO2-Messkammern         wir wissen, wie wechselnde Umwelt­            Quality Interactions). Sie sieht Pflanzen
 daher zwischen Getreide oder Zucker­          bedingungen, etwa Temperatur, Sonnen-         nicht nur als Verbraucher des Treibhaus-
 rübenpflanzen in den Ackerboden. „Um          einstrahlung oder Feuchtigkeit, sich auf      gases CO2, sondern auch als Produzen-
 den oberirdischen Pflanzenteil kümmern        die Fotosynthese und die Aufnahme von         ten von Emissionen, die das Klima beein-
 wir uns dabei erst einmal nicht“, erläutert   CO2 im Tagesverlauf auswirken.“ Mit den       flussen. „Jeder, der schon einmal im
 Graf. Ihn interessiert zunächst, was an       vielen Daten füttern sie schließlich ihre     Sommer in einem Kiefernwald spazieren
 der Grenze von Boden und Atmosphäre           Computer, um Modelle weiterzuent­             gegangen ist, hat wahrgenommen, dass
 auf einem von lebendigen Wurzeln durch-       wickeln. Diese sollen vorhersagen, wie        Bäume Stoffe an die Atmosphäre abge-
 zogenen Feld geschieht.                       sich die globale Erwärmung auf verschie-      ben“, sagt sie. „Der würzige Duft rührt
    Für die Vegetation selbst interessiert     dene landwirtschaftliche Kulturen und         von einer Vielzahl flüchtiger Substanzen
 sich Dr. Uwe Rascher. Er verfolgt mit         natürliche Ökosysteme auswirkt.               her.“

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Schwerpunkt

                                                       Hier wird die Fluoreszenz eines Blattes
                                                       gemessen und daraus die Fotosynthese-
                                                       aktivität der Pflanze bestimmt.

             Reagieren diese mit Ozon und anderen          Nach Kriegsende wurden am Wüste-
         Sauerstoffverbindungen, verbinden sie         bach Fichten für die Holzproduktion an-
         sich zu Partikeln, die die Wolkenbildung      gepflanzt. Jetzt soll der Forst in einen
         fördern und so der Erderwärmung ent­          standortgerechten Mischwald umgewan-
         gegenwirken. „Allerdings herrscht ­unter      delt werden. Doch bislang ist unklar, wie
         Experten große Uneinigkeit, wie stark         sich dies Vorhaben auswirken wird: Wie
         dieser Effekt ist – die Schätzungen unter-    viel Kohlendioxid und Stickstoff werden       Ausgestochene Bodenstücke in so
         scheiden sich um das 10- bis 100fache“,       vor- und nachher gespeichert oder abge-       genannten Lysimetern helfen zu verstehen,
         berichtet Astrid Kiendler-Scharr.             geben? Wie verändern sich Wasserhaus-         welche Rolle das Wasser und die Boden­
             Um Genaueres zu erfahren, steckt die      halt, Pflanzen- und Tierwelt? „Wir wollten    struktur beim Transport von Stoffen spielt,
         Wissenschaftlerin kleine Bäume in große       es fast nicht glauben, als wir feststellen   und wie Klimaveränderungen diese
         Glasgefäße der Kollegen vom Pflanzeninsti-    mussten, dass es keine Studien gibt, die     ­Prozesse beeinflussen.
         tut. So kann sie messen, was die Pflanzen     eine solche Umstrukturierung interdiszi­
         absondern, wie daraus Partikel entstehen      plinär begleitet haben“, sagt Pütz.          wird der Wasser- und Stofftransport mit
         und wie sich Stress durch Hitze, Trocken-         Mit seinen Kollegen aus Jülich sowie     Sensoren, die über Funk mit einem Rech-
         heit oder Schädlingsbefall auf die Pflanzen   von den Universitäten Trier, Bonn und        ner verbunden sind, in Echtzeit über-
         auswirkt. „Höhere Temperaturen zum Bei­       Aachen trägt er nun dazu bei, diese Wis-     wacht.
         spiel vergrößern tendenziell die Menge der    senslücke zu füllen. Seit 2007 durch­           Bis die ersten Fichten fallen, soll eine
         Emissionen aus Bäumen und damit die           ziehen die Wissenschaftler das 27 Hektar     Bestandsaufnahme fertig sein, die dann
         ­Aerosolbildung“, berichtet die Forscherin.   große Areal mit einem Netzwerk von           erlauben wird, Veränderungen zu erfas-
          Die globale Erwär­mung könnte damit zu-      Bodensensoren, um beispielsweise die         sen. „Wir nehmen an, dass der Wald­
         gleich die Kühlung durch Aerosole erhöhen.    Bodenfeuchtigkeit in unterschiedlichen       boden nach einer Rodung zunächst viel
                                                       Tiefen zu messen. In der Mitte des Be-       CO2 abgibt, und dass nach einer Wieder-
         Ein Wald unter Beobachtung                    standes stehen ein Regenradar und eine       aufforstung Jahre vergehen, bis der Wald
             Mit einzelnen Bäumen gibt sich Dr.        Wetterstation. Die CO2-Abgabe des Wald-      wieder zur CO2-Senke wird“, sagt Pütz.
         Thomas Pütz nicht zufrieden. Sein Ver-        bodens wird an vielen Messpunkten            Doch ist der genaue Verlauf umstritten
         suchsgegenstand ist ein ganzer Wald:          registriert, ebenso wie die Menge der        und wird sich abschließend erst klären
         das Wassereinzugsgebiet im oberen Ver-        Kohlenstoffverbindungen im Wasser. Die       lassen, wenn die Daten vorliegen.
         lauf des Wüstebachs im Nationalpark           Wissenschaftler zählen und bestimmen            Erst die kombinierten Ergebnisse aller
         Eifel. Es ist zugleich Teil des Rur-Obser­    Tier- und Pflanzenarten und schätzen die     Projekte können umfassend klären, wie
         vatoriums, eines 2 400 Quadratkilometer       Biomasse im Ökosystem. In sogenannten        Klima, Boden und Pflanzen einander be-
         großen Gebiets entlang der Rur, das im        Lysimetern – oben offenen Metallzylin-       einflussen.
         Langzeitprojekt TERENO beobachtet wird        dern, die ausgestochene Bodenblöcke
         (siehe auch Kasten S. 17).                    von etwa 1,5 Kubikmetern enthalten –         Wiebke Rögener

1 | 2009 Forschen in Jülich                                                                                                                15
Prof. Harry Vereecken im Gespräch

Globaler Klimawandel –
regional beobachtet
Wie wirkt sich der Klimawandel in Deutschland aus? Welche ökologischen und wirt-
schaftlichen Folgen hat er in den Regionen – vom norddeutschen Tiefland bis zu den
Alpen? Das herauszufinden, ist Ziel des Projekts TERENO (TERrestrial ENvironmental
Observatories). Prof. Dr. Harry Vereecken, Direktor des Jülicher Instituts für Chemie
und Dynamik der Geosphäre, koordiniert gemeinsam mit seinem Jülicher Kollegen
Dr. Heye Bogena das Netzwerk aus sechs Helmholtz-Zentren.

                                                                            werden derart große und vielfältige Land-
                                                                            schaftsräume langfristig und Disziplinen
                                                                            übergreifend untersucht. Das Beobach-
                                                                            tungsgebiet, für das Jülich die Federfüh-
                                                                            rung hat, das Rur-Observatorium, reicht
                                                                            von der Eifel zur Niederrheinischen Bucht
                                                                            und ist damit so groß wie Luxemburg.
                                                                            Mindestens 15 Jahre lang werden wir
                                                                            hier Daten sammeln, zum Treibhausgas
                                                                            Kohlendioxid (CO2) und zum Klima, aber
                                                                            auch zum Stickstoffhaushalt, zur Methan-
                                                                            bildung, zur Wasser- und Bodenqualität
                                                                            oder zur biologischen Vielfalt. Gleichzeitig
                                                                            erfassen wir die Landnutzung. Welche
                                                                            Folgen haben etwa Aufforstungen oder
                                                                            Tagebaue? Müssen Landwirte künftig
                                                                            mehr bewässern? Bislang gibt es dazu
                                                                            keine ausreichenden Daten.

                                                                            Frage: Welche Wissenslücken sind be­
                             Frage: Messstationen, die das Klima            sonders gravierend?
                             beobachten gibt es viele – was ist das         Vereecken: Ausnehmend wenig wissen
                             Besondere an TERENO?                           wir über Vorgänge in tieferen Boden-
                             Vereecken: Einzigartig ist, dass wir in vier   schichten. Dabei spielen sie für das Klima
                             Regionen Deutschlands alle Bestandteile        eine enorme Rolle: Hier lagert ein Groß-
                             des terrestrischen Systems – also Boden,       teil des gebundenen Kohlenstoffs, welt-
                             Grundwasser, Pflanzen und Atmosphäre –         weit geschätzte 1 600 Milliarden Tonnen.
                             intensiv beobachten. Zum ersten Mal            Es ist daher sehr wichtig herauszufinden,

16                                                                                                       Forschen in Jülich 1 | 2009
Schwerpunkt

                                                                                                                                                                         Nordostdeutsches
                                                                                                                                                                   Tiefland Observatorium

                                                                                                                                                 Uecker-Einzugsgebiet

         TERENO – die Fakten                                                                                                                   Harz/Mitteldeutsches Tiefland
                                                                                                                                               Observatorium

         Das nationale Observatorien-Netzwerk wird von sechs Zentren der Helmholtz-                                                                                         Bode-Einzugsgebiet
         Gemeinschaft betrieben: dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt,               Eifel/Niederrheinische
                                                                                              Bucht Observatorium
         dem Forschungszentrum Karlsruhe, dem Helmholtz-Zentrum München, dem
         Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, dem Helmholtz-Zentrum Potsdam                                Rur-Einzugsgebiet
         und dem Forschungszentrum Jülich, das die Koordinierung übernommen hat.
         Das Projekt ist auf zunächst 15 Jahre angelegt und wird von der Helmholtz-
         Gemeinschaft in den nächsten drei Jahren mit 12 Millionen Euro finanziert.
         Hinzu kommen Mittel für Teilprojekte, wie das Lysimeter-Netzwerk SoilCan
         (3,6 Mio Euro) und TERENO-ICOS zur Messung von Spurengasen (2,75 Mio Euro).
         2007 hat der Aufbau des Netzwerks begonnen, offizieller Programmstart war                                                              Bayrische Alpen/
                                                                                                                                         Voralpen Observatorium
         Ende 2008. www.tereno.net

         Das Projekt TERENO spannt ein deutschlandweites Netz zur Erdbeobachtung. Vom nord­                                      Ammer-Einzugsgebiet

         deutschen Tiefland bis zu den Alpen werden Umweltveränderungen in vier klimatisch
         unterschiedlichen Regionen (Observatorien) untersucht.

         wie schnell er umgesetzt und wieder als       s­ o­wohl innerhalb als auch zwischen den          ­Eu­ropas erfassen soll. Unsere Arbeit im
         CO2 an die Atmosphäre abgegeben wird,          Observatorien – etwa von Gebieten mit            Rur-Obser­vatorium ist außerdem unmit-
         und wie der Temperaturanstieg oder Ver-        viel Regen zu Gebieten mit geringerem            telbar mit dem Sonderforschungsbereich
         änderungen im Wasserhaushalt diesen            Niederschlag oder von kühleren in                „Transregio32“ (TR-32) verknüpft, in dem
         Prozess beeinflussen.                         wärmere Regionen. Wir sehen dann bei-             das Forschungszentrum Jülich mit den
                                                       spielsweise, was geschieht, wenn Gras-            Universitäten Köln, Bonn und Aachen
         Frage: Wie gewinnen Sie diese Infor­          land- oder Ackerböden des Rur-Obser­              ­zusammenarbeitet. Der TR-32 nutzt die­
         mationen?                                     vatoriums größerer Trockenheit ausgesetzt          selbe Infrastruktur, die von der Helm-
         Vereecken: Wir nutzen eine Vielfalt von       werden, wie sie im Osten Deutschlands              holtz-Gemeinschaft zur Verfügung ge­­
         Methoden, von der Fernerkundung mit-          herrscht. So simulieren wir künftige Klima-        stellt wird.
         tels Satelliten über Radarstationen bis       veränderungen.
         zu Sonden im Boden, oder sogenannten                                                            Frage: Können Sie damit auch in die
         Lysimetern. Das sind ausgestochene            Frage: Warum dauern die Messungen                 Zukunft sehen?
         ­Bo­denkerne von etwa 1,5 Kubikmetern in      so lange?                                         Vereecken: Wenn wir Satellitendaten,
          unten offenen Metallcontainern, in denen     Vereecken: Für solche Untersuchungen              ­detaillierte Messungen zu Niederschlä-
          wir den Wasser- und Stofftransport genau     sind 15 Jahre eher ein kurzer Zeitraum.            gen und Bodenfeuchtigkeit sowie Infor-
          messen können. Im Rahmen von SoilCan,        Im Boden stabil gebundener Kohlenstoff             mationen zum Grundwasserstand kom­
          einem Teilprojekt von TERENO, werden in      braucht mehrere Hundert Jahre, bis er              binieren, können wir beispielsweise
          den vier Observatorien insgesamt 120         abgebaut ist. Auch wollen wir nicht Wet-           genauer als heute vorhersehen, ob
          Lysimeter installiert. Alle Messwerte wer-   terschwankungen einiger Jahre untersu-             Hochwasser­gefahr besteht. Mit den ge-
          den per Funk übertragen und in Echtzeit      chen, sondern die Entwicklung und die              koppelten Messdaten werden wir Modelle
          überwacht.                                   Aus­wirkung langanhaltender Klimatrends.           weiterentwickeln, die bessere regionale
                                                       Deshalb ist es auch wichtig, dass ­TERENO          Voraussagen darüber erlauben, wie das
         Frage: Bodenstücke in großen Blech­           mit anderen langfristigen Forschungs­              Klima sich wandeln wird und mit welchen
         dosen also – was können Sie damit             vorhaben verknüpft ist, beispielsweise             ökologischen und wirtschaftlichen Folgen
         ­herausfinden?                                mit dem EU-Projekt NOHA (Network                   wir rechnen müssen.
          Vereecken: Unter anderem werden Lysi-        of Hydrological Observatories), das den
          meter an andere Standorte versetzt,          Wasserhaushalt in vielen Regionen                 Interview: Wiebke Rögener

1 | 2009 Forschen in Jülich                                                                                                                                               17
Eiswolken im Treibhaus Erde
Jülicher Wissenschaftler haben bei Forschungsflügen den Wassergehalt von Zirrus-
Eiswolken akribisch gemessen und so geholfen, deren Rolle im Klimageschehen
besser zu verstehen. Außerdem haben sie Überraschendes über organische
Aerosole herausgefunden, die bei der Wolkenbildung eine Rolle spielen.

                                               erstmals beschriebene Phänomen der           Wolken ein wesentlicher Unsicherheits-
                                               Übersättigung ist heute ein viel beachte-    faktor bei allen Prognosen: Werden spe­
                                               tes Thema der Atmosphären- und Klima-        ziell die Zirruswolken, die am Himmel
                                               forschung, zu dem Jülicher Wissenschaft-     meist als zart-weiße Büschel oder Bänder
                                               ler neue Erkenntnisse beigesteuert           auftreten, das „Treibhaus Erde“ noch zu-
                                               haben.                                       sätzlich anheizen, oder dämpfen sie eher
                                                   Wolken in sechs bis 20 Kilometern        den weltweiten, vom Menschen verur-

E
      in Pferd rennt über grönländisches       Höhe, die ausschließlich aus Eis- und        sachten Temperaturanstieg?
      Eis. Begleitet wird es von einer         Schneekristallen bestehen, beeinflussen
      ­Wolke, die zeitweise bis zu 50 Meter    den Wärmehaushalt der Erde. Einerseits       Bessere Klimamodelle
hoch ist. Als das der Polarforscher Alfred     reflektieren sie einfallendes Sonnenlicht        Wer diese Frage beantworten will,
Wegener bei einer Expedition in den            zurück in den Weltraum. Andererseits         muss zunächst in Erfahrung bringen,
­Jahren 1911 und 1912 beobachtete, er-         vermindern sie die Wärmeabstrahlung          unter welchen Bedingungen sich die Zir-
kannte er, dass die Luft „übersättigt“ sein    von der Erdoberfläche ins All. „Zirrus­      ruswolken bilden. Daher haben Jülicher
kann. Das heißt, sie enthält mehr Wasser-      wolken können daher sowohl kühlend als       Wissenschaftler ausgefeilte Geräte zur
dampf, als sie eigentlich dürfte. Denn das     auch wärmend wirken – wie die Gesamt-        Bestimmung des Wasserdampfgehaltes
überschüssige Wasser kristallisiert nur        bilanz aussieht, ist derzeit noch unklar“,   in Eiswolken und im klaren Himmel ent-
dann gemäß der herrschenden Tempe­             sagt Dr. Martina Krämer, Leiterin der        wickelt und sie bei über 100 Forschungs-
ratur zu Eis, wenn es in der Luft auf Parti-   Arbeitsgruppe „Wolken“ des Jülicher          flügen über den Tropen, über der Arktis
kel oder Tröpfchen trifft. Weil das Pferd      Bereichs „Stratosphäre“ (ICG-1). Für den     und in mittleren geografischen Breiten
diese Partikel mit seinem feuchten Atem        Weltklimarat (IPCC) ist die Art der „Rück-   eingesetzt. „Auf diese Weise erhielten wir
ausstößt, bildet sich augenblicklich eine      kopplung“ zwischen der globalen Klima­       eine qualitätskontrollierte Datensamm-
Wolke aus Eiskristallen. Das von Wegener       erwärmung und der Klimawirkung von           lung, die vom Umfang her einzigartig ist

18                                                                                                                      Forschen in Jülich 1 | 2009
Schwerpunkt

Polare Eiswolken in der oberen Stratosphäre,
aufgenommen von einem Umweltsatelliten.

                                                                                                  ger als gedacht organisches Material
                                                                                                  enthalten und daher verhältnismäßig
                                                                                                  schlechte Kristallisationskeime für das
                                                                                                  Eis sind“, so Krämer.
                                                                                                       Dies wirft auch ein neues Licht auf die
                                                                                                  Forschung von Wissenschaftlern des
                                                                                                  ­Bereichs „Troposphäre“ (ICG-2), die diese
                                                                                                   organischen Aerosole innerhalb des EU-
                                                                                                   Projekts EUCAARI (European Integrated
                                                                                                   Project on Aerosol Cloud Climate and Air
                                                                                                   Quality Interactions) eigentlich unter­
                                                                                                   suchen, weil sie Keime für Wasserwolken
                                                                                                   sind. „Den kühlenden Effekt dieser Wol-
                                                                                                   ken hat schon jeder von uns gespürt“,
                                                                                                   sagt Dr. Thomas Mentel, Leiter der Abtei-
                                                                                                   lung „Aerosole“. Wasserwolken in den
                                                                                                   unteren Kilometern der Atmosphäre sind
                                                                                                   wichtige Gegenspieler bei der Erwärmung
         Gefrierender Atem macht ein Phänomen sichtbar, das Atmosphären- und                       der Erdatmosphäre durch Treibhausgase.
         Klimaforscher beschäftigt: die „Übersättigung“ der Luft mit Wasserdampf.                      Die Jülicher Wissenschaftler erfor-
                                                                                                   schen, wie organische Aerosole entstehen
                                                                                                   und warum es in der Atmosphäre so viel
                                                                                                   davon gibt. Prinzipiell bekannt ist, dass
         und die selbst Zirruswolken bei sehr nied-   der Zahl der Eiskristalle in den Wolken      Bäume flüchtige Substanzen abgeben,
         rigen Temperaturen bis zu minus              passten, die von Mainzer Wissenschaft-       die Chemiker als Terpene bezeichnen. Aus
         90 Grad Celsius erfasst“, sagt Krämers       lern bei einem Teil der Flüge registriert    ihnen bilden sich mit Ozon und anderen
         Kollege Dr. Cornelius Schiller, Leiter der   wurde. Denn diese Anzahl war unerwartet      Sauerstoffverbindungen bei Sonnenlicht
         Arbeitsgruppe „Wasserdampf“. Die Mes-        nie­drig, sodass die Eiskristalle in der     Aerosole (siehe auch „Zwischen Himmel
         sungen zeigten, dass die Dichte der Wol-     Summe ­weniger Wasser aufnehmen              und Erde“, S. 13). In der Atmosphären-
         ken – entscheidend für die Strahlungs­       konnten, als bisher angenommen.              Simulationskammer „SAPHIR“ haben die
         reflexion – und ihr Wassergehalt mit                                                      Jülicher Forscher diesen Prozess nachge-
         größeren Höhen bei zugleich sinkenden        Alternde Substanzen und Aerosole             stellt. Dabei haben sie herausgefunden,
         Temperaturen sehr rasch abnimmt. Zu-               Auf der Suche nach einer Erklärung     dass man die Menge des gebildeten Aero-
         dem bestimmten die Forscher das Aus-         muss man wissen: Auch in der oberen          sols deutlich unterschätzt, wenn man nur
         maß, in dem es innerhalb und außerhalb       Troposphäre kann der Wasserdampf –           die direkte Reaktion der Terpene berück-
         der Eiswolken zur Übersättigung kommt.       wie es Alfred Wegener dicht über dem         sichtigt. Denn auch die Oxidationspro-
         „Unsere Daten sind bereits in Klima-         Boden beobachtet hat – nur zu Eis kris-      dukte, die aus den Terpenen entstehen,
         modelle eingeflossen und ermöglichen         tallisieren, weil es dort Schwebeteilchen    bilden noch Tage später Aerosole. „Das
         es, die Bildung von Zirruswolken wirklich-   gibt. Diese sogenannten Aerosole können      ist eine heiße Spur auf der Suche nach
         keitsnäher am Computer zu simulieren“,       chemisch gesehen sehr unterschiedlicher      fehlenden Quellen für organische Aero­
         freut sich Schiller. Zudem fanden die        Natur sein und etwa aus Salz, Ruß oder       sole“, ist Mentel überzeugt.
         ­Jülicher Forscher heraus, dass die ge-      mineralischem Staub bestehen. „Eine
          messenen hohen Übersättigungen gut zu       Vermutung ist, dass die Aerosole häufi-     Frank Frick

1 | 2009 Forschen in Jülich                                                                                                              19
1

                      2

 5

                     6

     Klima –
     beobachten,
     verstehen,
 7
     handeln
     Mit einer Vielzahl von Geräten und Methoden erforschen
     Jülicher Wissenschaftler verschiedene Faktoren, die das
     Klima beeinflussen. Ziel ist es, diese Prozesse im Detail
     zu verstehen und daraus Handlungsempfehlungen für den
     Klimaschutz zu entwickeln.

20                                                  Forschen in Jülich 1 | 2009
Schwerpunkt

                                                                            4

   3

   8                                                                        9

         1     Wolken können mal kühlend, mal wärmend auf das
               Klima wirken.

         2     Der Zeppelin trägt Messinstrumente bis in 1000 Meter Höhe.

         3     Umweltsatelliten liefern immer genauere Messungen von
               Spurengasen in der Atmosphäre.

         4     Das Höhenforschungsflugzeug HALO kann drei Tonnen
               Messinstrumente mitführen.

         5     Mit solchen Membranen wird Kohlendioxid aus Abgasen
               „ausgesiebt“.

         6     Brennstoffzellen liefern klimafreundlich Energie.

         7     Algen verbrauchen Kohlendioxid und liefern nach­wachsende
               ­ ohstoffe.
               R

         8     Ein Radiometer misst den Feuchtigkeitsgehalt des Bodens.

         9     Über die Fluoreszenz wird die Fotosyntheserate einer
               Pflanze ­bestimmt.
                                                                                10
         10    Lysimeter liefern Umweltinformationen aus dem Erdreich.

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Vom Treibhausgas zum
Rohstofflieferanten
Kohlendioxid (CO2) lässt sich auch intelligent nutzen: Man kann damit Algen
„füttern“, die als Quelle für Chemieprodukte dienen und in Form von Biogas oder
Biosprit Energie liefern. Jülicher Forscher bringen ihr Know-how in die weltweit
fortschrittlichste Algenzuchtanlage zur effizienten CO2-Umwandlung im RWE-Kraft-
werk Bergheim-Niederaußem ein.

                                         K
                                                ohlendioxid, wie das CO2 mit vol-           Die Flächen allerdings, auf denen die
                                                lem Namen heißt, ist ein Treibhaus-     Pflanzen wachsen – gleich ob Wälder,
                                                gas und gilt als wichtigste Ursache     Plantagen oder Ackerland – lassen sich
                                         für die globale Klimaerwärmung. „Doch          nicht beliebig ausweiten. Um die be-
                                         man sollte auch seine andere Seite             grenzt verfügbaren Kulturpflanzen kon-
                                         ­sehen“, gibt Pflanzenforscher Prof. Ulrich    kurrieren heute Kraftstoffhersteller und
                                          Schurr, Direktor des Jülicher Instituts für   chemische Industrie mit der Lebensmit-
                                          Chemie und Dynamik der Geosphäre, zu          telbranche. Einen Ausweg aus diesem
                                          bedenken. Denn CO2 ist für das Leben          ­Dilemma bietet die Produktion von Bio-
                                         auf der Erde unersetzlich. Vor allem be-        masse, die nicht für Nahrungsmittel ge-
                                         nötigen die grünen Pflanzen das Gas zur         nutzt wird. „Das Ziel ist es, möglichst viel
                                         Fotosynthese: Sie produzieren daraus            Biomasse in kurzer Zeit zu erhalten, ohne
                                         mithilfe von Sonnenlicht Zuckermoleküle,        dabei große Mengen kostbaren Wassers
                                         die ihnen als Energiespeicher und als           und hochwertige Ackerfläche zu ver­
                                         Baumaterial für Blätter, Stängel und            brauchen“, erläutert Schurr.
                                         Stämme dienen.
                                             Bereits heute gehen aus Pflanzen rund      Algen brauchen keinen Acker
                                         zehn Prozent aller Produkte der chemi-              Vielversprechende Kandidaten für die
                                         schen Industrie hervor – ein Anteil, der       Biomasseproduktion sind Mikroalgen:
                                         künftig deutlich steigen wird. Denn Erdöl,     ­Ihre Wachstumsrate ist sieben- bis zehn-
                                         das als Quelle für Benzin, Kunststoffe          mal so hoch wie die von Landpflanzen.
                                         und Medikamente dient, wird knapp. Zu-          Zudem lassen sie sich in geschlossenen
                                         dem können Produkte, die auf Pflanzen           Anlagen produzieren, sodass Standorte
                                         basieren, wesentlich klimafreundlicher          genutzt werden können, deren Böden für
Der Wissenschaftler Thorsten Brehm       sein. Sie geben am Ende ihrer „Lebens-          den Pflanzenanbau nicht geeignet sind.
untersucht die Salzwasser-Algen-         zeit“ nur so viel CO2 ab, wie die Pflanzen      Salzwasseralgen, wie sie zum Beispiel
Mischung in den Kunst­stoff­schläuchen   während ihres Wachstums aus der Luft            von Wissenschaftlern der Jacobs Univer-
der Pilotanlage in Niederaußem.          aufgenommen haben.                              sität Bremen erforscht werden, eignen

22                                                                                                                    Forschen in Jülich 1 | 2009
Schwerpunkt

         sich besonders gut: Während im Süß­         Niederaußem stammt. Das Rauchgas ge-         In Kunststoffschläuchen produzieren
         wasser leicht Gär- und Faulprozesse ein-    langt dabei zunächst in einen sogenann-      ­Mikroalgen Biomasse und verbrauchen
         setzen, fühlen sich die dafür verantwort­   ten Blasenreaktor. Darin befindet sich ein    dabei Kohlendioxid.
         lichen Mikroorganismen im Salzwasser        Gemisch aus Salzwasser und Algen, das
         nicht wohl. Gemeinsam mit den Bremer        solange CO2 aus dem Rauchgas aufnimmt,
         Kollegen und dem Unternehmen RWE            bis es gesättigt ist. Das verbleibende Gas   phyll-Fluoreszenz bestimmt werden. Je
         hat es sich das Jülicher Wissenschaftler-   enthält entsprechend weniger CO2 und         aktiver die Algen Fotosynthese betreiben
         team um Schurr zur Aufgabe gemacht,         strömt über einen Kamin nach außen.          können, desto mehr Energie setzt das
         die Produktion von Salzwasseralgen zu       Dagegen wird die CO2-reiche Algen-Salz-      ­dafür verantwortliche Chlorophyll in Form
         verbessern und die Verwertungsmöglich-      wasser-Mischung aus dem Blasenreaktor         eines messbaren Fluoreszenz-Lichtsignals
         keiten der entstehenden Biomasse zu         in ein Gewächshaus mit transparenten,         frei.
         ­erforschen.                                V-förmigen Kunststoffschläuchen geleitet.            Außerdem untersuchen die Forscher
              Energieversorger RWE hat dafür im      Darin wachsen die Algen. Geerntet wer-        um Schurr, wie sich das innovative Dach
          November 2008 eine 600 Quadratmeter        den sie letztlich, indem man sie wieder       ihrer Jülicher Kleingewächshäuser auf die
          große Pilotanlage zur Algenzucht in Be-    aus dem Salzwasser herausfiltert. Ins­        Algenproduktion auswirkt. Es besteht aus
          trieb genommen. Die Algen darin werden     gesamt produziert die Anlage pro Jahr bis     hochtransparenten und für UV-Strahlung
          direkt mit Rauchgas „gefüttert“, das aus   zu 6 000 Kilogramm Algen und verwertet        durchlässigen Gläsern, die besonders
          dem benachbarten Braunkohlekraftwerk       dabei 12 000 Kilogramm Kohlendioxid aus       viel Licht in die Anlage dringen lassen,
                                                     dem Rauchgas.                                 ­dessen spektrale Zusammensetzung
                                                                                                    nahe­zu der des natürlichen Sonnenlichts
                                                     Raffinierte Regelung                           entspricht. Die Wissenschaftler prüfen
                                                         Parallel zur laufenden Algenzucht in       auch, in­wieweit sich die Schläuche, in
                                                     Bergheim-Niederaußem arbeiten die For-         ­denen die ­Algen wachsen, noch ver­
                                                     scher um Schurr daran, die Produktion           bessern lassen.
                                                     effizienter zu machen. Ihr Ansatzpunkt:              „Unsere gesammelten Erkenntnisse
                                                     Neben Kohlendioxid ist für das Algen-           sollen dann in der Algenproduktion in
                                                     wachstum auch das Angebot an Nähr-              Niederaußem die Produktion steigern“,
                                                     stoffen und Licht sowie die Temperatur          sagt Schurr. Die dortige Anlage soll nach
                                                     wichtig. Die Wissenschaftler verfolgen          und nach entsprechend aufgerüstet wer-
                                                     daher eine raffinierte Regelungsstrategie.      den. Die Jülicher Wissenschaftler sind
                                                     Sensoren messen regelmäßig und berüh-           ­zuversichtlich, dass sich am Ende ihrer
                                                     rungslos den Zustand und das Wachstum            Forschungsarbeit zeigen wird: Algenzucht
         Photosyntheseaktivität in unterschied-      der Algen. Entsprechend den gewonne-             und die Verwertung der Biomasse, etwa
         lichen Algenproben: die Algen in einer      nen Daten wird dann das Angebot an               für Treibstoffe oder Baumaterialien, lohnt
         frischen Suspension (Mitte) nehmen          CO2 und Nährstoffen automatisch ange-            sich – für die Umwelt, aber auch für die
         gegenüber einer verdünnten (unten)          passt, sodass die Algen optimal gedeihen         Wirtschaft.
         und einer abgesetzten Mischung (oben)       können. Wie „fit“ die Algen sind, kann
         das meiste CO2 auf.                         ­dabei etwa durch Messung der Chloro-        Frank Frick

1 | 2009 Forschen in Jülich                                                                                                                23
Kohlendioxid einfangen
und vergraben
Kohlendioxid (CO2) soll der Weg in die Atmosphäre verwehrt werden. Jülicher ­Forscher
entwickeln Membranen, die das klimaschädliche Gas in Kohlekraftwerken aus
dem Abgas abtrennen, damit es dann in unterirdischen Lagerstätten ­gespeichert
­werden kann.

                                           siv dafür ein, den prognostizierten Tem-       „Dieses Kohlendioxid stammt aller-
                                           peraturanstieg auf maximal zwei Grad       dings aus der chemischen Industrie und
                                           Celsius zu begrenzen. Das wird nur durch   wird mit Lastwagen nach Ketzin ge-
                                           die Kombination vieler verschie­dener      bracht“, erläutert die Jülicher Verfahrens-
                                           Maßnahmen zu erreichen sein. Ne­ben        technikerin Dr. Petra Zapp. Warum das
                                           der verstärkten Nutzung erneuerbarer       Gas noch nicht aus Kraftwerken angelie-

D
       er Weltklimarat (IPPC) sagt bis     Energiequellen fördert die Bundesregie-    fert wird, liegt auf der Hand: Effiziente
       zum Jahr 2100 eine Zunahme der      rung deshalb unter anderem auch die        Verfahren zum Abtrennen des Kohlen­
       Durchschnittstempe­ratur auf der    Entwicklung von Kohlekraftwerken, die      dioxids aus dem Abgas von Kohlekraft-
Erde um ein bis sechs Grad Celsius         kaum noch Kohlendioxid in die Atmo-        werken gibt es bisher nicht. „Die derzeit
voraus – abhängig vom jeweils angenom-     sphäre entweichen lassen. Das Gas soll     am weitesten entwickelte Abtrenntechnik
menen Szenario. Hauptursache für den       stattdessen in unterirdischen Lagerstät-   für konventionelle Kraftwerke ist eine
Temperaturanstieg seit Mitte des 20.       ten gespeichert werden. Ein Pilotprojekt   chemische Wäsche“, sagt Dr. Wilhelm
Jahr­hunderts ist die zunehmende CO2-      dazu führt derzeit das Geoforschungs-      Meulenberg, der wie Zapp dem Institut
Konzentration in der Atmosphäre. Sie ist   zentrum Potsdam im brandenburgischen       für Energieforschung angehört. Bei dieser
von einem vorindustriellen Wert von 280    Ketzin durch, wo von 2008 bis 2010         „Wäsche“ wird das Kohlendioxid chemisch
ppm (parts per million) auf 379 ppm im     insgesamt 60 000 Tonnen Kohlendioxid       an eine Lösung gebunden und vor dem
Jahr 2005 gestiegen. Deutschland und       in eine mit Salzwasser gefüllte poröse     Transport durch eine Temperaturerhö-
die Europäische Union setzen sich mas-     Gesteinsschicht eingebracht werden.        hung wieder freigesetzt. Aber das kostet

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