Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis - TRENDS, CHANCEN, HÜRDEN
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Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 2 1. DIE ZUKUNFT DER ARBEIT BRAUCHT EIN NEUES LERNEN Der digitale Wandel wirkt sich auf die gesamte Arbeitswelt Beschäftigte erwarten moderne Lernformate, die zu ihrer neuen Arbeits- und Ausbildungswelt und in ihre Lebens- aus und steigert den Bedarf an Weiterbildung. Heute genügt wirklichkeit passen. YouTube, Netflix & Co haben unseren es nicht mehr, sich einmalig Wissen, Fähigkeiten und Fertig- Medienkonsum verändert. Vieles läuft „on demand“. Dieser keiten anzueignen. Die Anforderungen im Beruf ändern sich Trend überträgt sich auch auf die Vermittlung und den Um- gang von und mit Wissen. permanent und immer schneller und machen daher lebens- langes Lernen notwendig. Viele Unternehmen und Beschäftig- Während sich in der Vergangenheit der Inhalt von Weiter- bildung ständig veränderte, blieben die Formate der Wis- te haben das bereits erkannt. sensvermittlung fast gleich. Das ändert sich in der digitalen Transformation. Die Weiterbildungserhebung des IW Köln zeigt, dass digitale Lernformate von Unternehmen im Spätestens in der Corona-Krise hat sich gezeigt: Laptops, Jahr 2019 bereits häufiger genutzt wurden als im Jahr 2016 Videoanwendungen und Tools für kollaboratives Arbeiten (IW Köln 2021). In Zukunft werden digitale Bildungsangebote sind von einem scheinbaren „Nice-to-have“ zu einem realen noch deutlich wichtiger werden (Wuppertaler Kreis Trend- „Must-have“ geworden. Auch das digitale Lernen hat durch studie 2020). die Corona-Krise einen Boost erfahren, der als Startpunkt für die Zukunft verstanden werden sollte und nicht als vor- übergehende Notlösung. Das bedeutet nicht, dass persön- liches Miteinander und bewährte Präsenzformate überholt sind. Doch in Zeiten von New Work braucht auch das Lernen ein Update. Neue Unternehmenskulturen und neue Arbeits- konzepte sind auf neue Lern- und Weiterbildungskonzepte angewiesen.
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 3 1. DIE ZUKUNFT DER ARBEIT BRAUCHT EIN NEUES LERNEN Neue Formen des Lernens eröffnen Bildungsträgern, Unternehmen und Beschäftigten neue Möglichkeiten für Qualifizierung im beruflichen Umfeld. Beim Lerndesign können sich Unternehmen also nicht nur fragen: „Was soll gelernt werden?“, sondern auch: „Wie soll gelernt werden?“ Bei dem „Wie“ sind das digitale Lernen, Mobile Learning und Microlearning wichtige Stichworte. Für die meisten Beschäftigten sind Smartphone, Tablet und Laptop ohne- hin ständige Wegbegleiter und damit Teil ihres Lebens. Mit innovativen Bildungstools kann schnell, sofort und überall gelernt werden. Doch trotz der vielen Vorteile sind digitale Bildungstools noch lange nicht flächendeckend in Unterneh- men in Deutschland verbreitet. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind häufig beim Einsatz digitaler Bildungs- tools etwas zögerlich. Unternehmen, die digitales Lernen kaum oder noch nicht nutzen, soll diese Broschüre einen Überblick verschaffen und einen möglichen Einstieg erleichtern. Welche digitalen Lernformate gibt es? Für welche Inhalte ergeben welche Formate Sinn? Worauf muss geachtet werden? Was können Nachteile oder Stolpersteine sein?
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 4 2. E-LEARNING – WELCHE FORMATE GIBT ES? Die Lernenden können bei vielen digitalen Tools die Lern- geschwindigkeit sowie den Lernzeitpunkt selbst bestimmen, E-Learning oder auch elektronisches Lernen ist der Über- die Reihenfolge einzelner Module auswählen und die Inhalte nach Bedarf beliebig oft wiederholen. Viele Tools bieten begriff für das Lernen mit digitalen Medien. Das beinhaltet Tests an, sodass der Lernfortschritt für die Beschäftigten Lernformate, die offline am eigenen PC oder Tablet genutzt und auch für die Vorgesetzten ersichtlich ist und dokumen- werden, genauso wie Online-Lernangebote im Internet. tiert werden kann. Die Einsatzmöglichkeiten von E-Learning erstrecken sich über alle Hierarchieebenen und Funktionsbereiche. 2.1 Vorteile von E-Learning Auch eine Kombination mit eher „traditionellen“ Präsenz-Weiterbildungsformaten E-Learning ermöglicht zeit- und ortsunabhängiges sowie ist denkbar und in vielen Fällen selbstgesteuertes Lernen. Durch den Wegfall der Reise zu sinnvoll. Bei diesem Blended einer Präsenzfortbildung und ggf. Übernachtungen werden Learning – also „gemischten Zeit und Kosten eingespart. Da sich Beschäftigte von überall Lernen“ – werden digitale aus zuschalten können, ist es auch möglich, an sehr spezi- Medien systematisch mit fischen Fortbildungen teilzunehmen, die unter Umständen Präsenzseminaren ver- nur im Ausland angeboten werden. Während beim Präsenz- knüpft, um unterricht immer nur eine begrenzte Anzahl von Beschäf- beispielsweise tigten erreicht werden kann, sind E-Learning-Angebote in erweiterte vielen Fällen nicht an Teilnehmerzahlen gebunden, sind Möglichkeiten leicht skalierbar und erreichen deshalb schnell und kosten- zur Vor- und günstig viele Beschäftigte. Nachberei- tung der ein- Da die Bedürfnisse der Beschäftigten beim modernen E- zelnen Ver- Learning immer mehr ins Zentrum gerückt werden und viele anstaltungen neue Lernangebote multimedial und interaktiv ansprechend zu schaffen. gestaltet sind, macht das Lernen mehr Spaß und motiviert.
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 5 2. E-LEARNING – WELCHE FORMATE GIBT ES? 2.2 MOOCs, Gamification & Co für Fachvorträge an, z. B. zu rechtlichen Regelungen im Homeoffice. Virtuelle Klassenzimmer sind den Die Vielfalt an digitalen Bildungstools, Begriffen und Abkür- klassischen Präsenzseminaren am ähnlichsten. zungen kann verwirren. Diese sind häufig auf Englisch und Geeignete Themen sind u. a. Kommunika- keineswegs selbsterklärend. Daher ein Überblick: tionstraining oder Resilienz. Während bei Webinaren und in Lernvideos, Podcasts, Webinare und virtuellen Klassenzimmern virtuelle Klassenzimmer Raum für Fragen, sozialen Austausch und Interaktivi- Lernvideos und Podcasts werden schon länger genutzt, um tät besteht, haben Lern- Wissen zu vermitteln. Mittlerweile haben sich auch Webinare videos und Podcasts den und virtuelle Klassenzimmer zur Vermittlung von Weiter- Vorteil, dass sie zu jeder bildungsinhalten etabliert. Im Webinar und im virtuellen Zeit konsumiert werden Klassenzimmer findet sozusagen „live“ E-Learning statt, können. Hier unterschei- d. h., alle Anwesenden befinden sich in einem gemeinsamen det sich der Zeitaufwand digitalen Raum, in dem sie alle das Gleiche hören, sehen stark. Während Podcasts oft und erleben – wie im realen Raum. Im Vergleich zu einem sehr lang sind, dauern Lernvideos Webinar, bei dem die Teilnehmer vorrangig zuhören (aber selten länger als 15 Minuten. Per se besitzt auch Fragen stellen können), erlaubt ein virtuelles Klassen- ein Lernvideo online und offline natürlich nicht zimmer eine aktive Teilnahme am Training. Austausch und mehr Informationsgehalt als ein guter Text. Wichtig sind der gemeinsames Lernen stehen im Vordergrund. Dieses wird adäquate Inhalt, die Machart und – wenn es sich anbietet – häufig unterstützt durch ein interaktives Whiteboard und die Einbettung in einen größeren Lernkontext. Wird in einem Breakout Rooms für das Lernen und Arbeiten in kleinen Unternehmen eine neue Maschine eingeführt, kann die Arbeitsgruppen. Damit der Austausch im virtuellen Klas- Bedienungsanleitung z. B. durch ein Tutorial – eine verfilmte senzimmer gut gelingt, sind die Kurse auf eine bestimmte Gebrauchsanweisung – erklärt werden. Ein Podcast ist u. a. Klassenstärke begrenzt. Webinare können dagegen einen von der Geschäftsführung vorstellbar, z. B. wenn eine neue sehr großen Teilnehmerkreis erreichen. Sie bieten sich u. a. Marktausrichtung des Unternehmens geplant ist.
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 6 IMPULS AUS DER PRAXIS Warum haben Sie sich für ein Learning Management System (LMS) ANGELIQUE entschieden? RENKHOFF-MÜCKE Zwar ist ein LMS in der Anschaffung relativ teuer, aber für uns rechnet sich das. Gerade weil wir die Fortbildung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Vorstandsvorsitzende, ter und die Produktschulungen für unsere Kunden aus einem System heraus WAREMA Renkhoff SE anbieten können. Der Markt für LMS ist aber unübersichtlich, daher haben wir einen externen Berater engagiert, der uns bei der Auswahl unterstützt hat. Sind Sie beim Entwicklungs- und Implementierungsprozess des LMS über Fallstricke gestolpert? Wenn ja, über welche? Wie weit ist WAREMA bei digitalen Lernangeboten in der Weiterbildung? Bisher ist eigentlich alles rundgelaufen. Einige Schwierigkeiten gab es Wir setzen schon länger auf digitale Bildungstools. Jetzt gehen wir aber anfangs dabei, die neue Struktur in die bestehende Kundenplattform zu einen Schritt weiter. Im Sommer 2021 werden wir eine eigene digitale Bil- integrieren. Das hat aber jetzt geklappt. Außerdem werden unsere gewerb- dungsplattform starten, auf der sich unsere Beschäftigten digital weiterbil- lichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einigen Pilotbereichen jetzt den können. Unsere B2B-Kunden können sich zudem über diese Plattform auch E-Mail-Adressen erhalten, damit sie das neue Weiterbildungsportal mit unseren Produkten vertraut machen. An der Umsetzung der WAREMA vollumfänglich nutzen können. Mit dem Betriebsrat haben wir außerdem Online Academy sitzen wir seit über einem Jahr. Jetzt sind wir in den letzten Vereinbarungen u. a. zur Aufzeichnung von Videoclips geschlossen, das war Zügen. unproblematisch. Was war der Impuls, mehr in digitale Tools zu investieren? Sollen in Zukunft alle Lernangebote bei WAREMA digital stattfinden? Die Arbeitswelt hat sich verändert – und damit auch die Anforderungen an Wo sehen Sie Grenzen des Digitalen? Weiterbildung. Es wird weiterhin Präsenzschulungen geben. Aber kleine- Nein, es wird nicht alles digital stattfinden. Zwar bieten digitale Weiterbil- re Einheiten, die kompakt und zeitlich flexibel eingesetzt werden können, dungstools viele Vorteile, aber der persönliche Austausch kommt zu kurz. sind digital einfacher umzusetzen. Auch unsere Beschäftigten und Kunden Das sehe ich vor allem in den Bereichen Führungskräftetraining, Kommuni- erwarten diese neuen Formate von uns. Digitale Angebote waren schon im- kationstraining und Teamentwicklung. mer wichtig, aber Corona hat die Sache deutlich beschleunigt. Das war ein Katalysator für unser Projekt.
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 7 2. E-LEARNING – WELCHE FORMATE GIBT ES? MOOCs und Nanodegrees Digitale Trainings Ein anderes Format, das bereits seit rund zehn Jahren eta- In der Weiterbildung haben sich auch digitale Trainings bliert ist, sind sogenannte MOOCs (Massive Open Online etabliert, bei denen die Beschäftigten selbstgesteuert – Courses). MOOCs sind Online-Kurse, vor allem von Hoch- am Bedarf des Unternehmens ausgerichtet – lernen können. schulen, die sich an sehr viele Teilnehmende richten und Diese Trainings sind meist multimedial mit Videos, Bildern für jeden offen sind, unabhängig z. B. vom Qualifizierungs- und Audioelementen gestaltet. Beschäftigte bearbeiten niveau. Es gibt MOOCs, die jederzeit begonnen werden Aufgaben und können u. a. zur Bestätigung des Wissens- können, und solche mit festem Startdatum. Die Kurse erwerbs Quizze lösen. Man unterscheidet Computer- erstrecken sich meist über mehrere Wochen (i. d. R. drei bis Based Learnings, die „offline“ stattfinden, und Web-based etwa 18 Monate), in denen die Teilnehmenden Lernvideos Learnings, die über das Internet oder Intranet veröffentlicht ansehen, Aufgaben bearbeiten und Prüfungen ablegen. Sie werden. Diese Trainings sind für alle Beschäftigten geeig- eignen sich für Mitarbeitende, die sich intensiver mit einem net, die ein klares Lernziel haben und gerne mit interaktiven Thema beschäftigen möchten und viel Zeit dafür investie- Formaten arbeiten. Auf Unternehmensebene bieten sich ren können. Solche Webqualifizierungen gibt es in vie- solche Trainings z. B. auch für Pflichtunterweisungen für alle len Fachgebieten, von Naturwissenschaften über Kunst Beschäftigten an. Vorteile solcher Trainings sind Interaktivi- bis Finanzen. Viele Unternehmen fragen Themen rund tät, zeitliche Flexibilität, geringer zeitlicher Aufwand bei der um die Digitalisierung wie z. B. Data Science, künstliche Bearbeitung und dass sie für große Beschäftigtengruppen Intelligenz oder Digital Marketing nach. Diese Formate nutzbar sind. Allerdings gibt es i. d. R. wenig Raum für Fragen haben den Vorteil, dass ein akuter Fachkräftemangel – und persönlichen Austausch. Nichtindividuelle Trainings sind im Vergleich zu einem klassischen Studiengang – rela- relativ kostengünstig im Internet zu finden. Sollte ein Unter- tiv schnell behoben werden kann. Klassische MOOCs nehmen aber ein individuell auf das Unternehmen zuge- sind kostenlos, für die Ausstellung eines Zertifikats schnittenes digitales Training anbieten wollen (selbst kon- wird oft ein geringer Betrag verlangt. Je nach Anbieter zipiert oder von einem externen Anbieter konzipiert), geht werden die Abschlüsse von MOOCs oder das je nach Aufwand mit einigen zeitlichen und finanziellen anderen digitalen Weiterbildungen im Klein- Ressourcen einher. format auch Nanodegrees oder Microdegrees genannt.
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 8 2. E-LEARNING – WELCHE FORMATE GIBT ES? Mobile Learning In den vergangenen Jahren haben sich bereits einige Trends Kurze Videos sind ideal zum Lernen „on- entwickelt, durch die Lernangebote noch besser an den the-go“ – nämlich dann, wenn mobiles Bedürfnissen von Lernenden ausgerichtet werden können. Lernen am häufigsten stattfindet. Smartphones und Tablets sind heutzutage selbstverständ- Beim Mobile Learning muss liche Wegbegleiter geworden. Neue Lerntools gehen immer jedoch Folgendes beachtet wer- stärker auf die Bedürfnisse der Lernenden ein. Sie passen den: Der Speicherplatz auf dem besser zu YouTube, Google, Wikipedia & Co, die längst gängi- mobilen Endgerät ist begrenzt, ge Wege der Informationsbeschaffung sind. Lerninhalte sind das Internet steht nicht immer interaktiver und ansprechender gestaltet, werden oft in klei- in voller Bandbreite zur Verfü- nen Lernsnacks (Learning Nuggets) präsentiert und können gung, das Lernumfeld ist beim als App genutzt werden. Die kleinformatigen Lernsequenzen mobilen Lernen i. d. R. nicht (Micromedia) eignen sich besonders gut zum Einsatz in mobi- störungsfrei, die Aufmerk- len Endgeräten (Mobile Learning). samkeitsspanne ist eher kurz und die darstellbare Größe Mobile Learning ist hervorragend auf die Zielgruppe der der Inhalte ist beschränkt. Um Millennials und der Generation Z zugeschnitten, die mit auf die Vorteile des mobilen Smartphones, Twitter und Co. groß geworden ist. Mobile Lernens nicht zu verzichten, Lösungen ermöglichen es, dass Informationen immer dann gibt es immer mehr Mischfor- verfügbar sind, wenn sie gebraucht werden – jederzeit und men, bei denen z. B. Quiz-Apps überall. Beim Mobile Learning gilt: Kurz und knackig soll in andere Online-Formate es sein – Stichwort „Microlearning“. Schließlich sollen die integriert werden. Inhalte auch unterwegs, etwa in der Straßenbahn, als kurze Lerneinheiten dienen. Zu viele oder zu komplizierte Inhalte sind kontraproduktiv. Manchmal genügen kleine Bildungs- häppchen, z. B. um Beschäftigten die neue Funktion einer Maschine zu erklären oder eine neue Verkaufsroutine zu implementieren.
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 9 IMPULS AUS DER PRAXIS Wichtig sind die Voraussetzungen hierfür, die immer weiter verbessert wer- THOMAS LEUBNER den. Ein einfacher Zugang zum Lernen, digitale Endgeräte, passende Inhalte und im Hintergrund eine künstliche Intelligenz, die passende Lernangebote Globaler Leiter Siemens und Lernpfade generiert. Dazu gehört auch die Möglichkeit, die eigenen Fä- Professional Education, higkeiten zu überprüfen, um dann maßgeschneiderte Angebote erhalten zu Siemens AG können, sowie ansprechende Lernzielkontrollen, um eigene Lernfortschritte reflektieren zu können. Gab es dabei Schwierigkeiten? Das Austarieren von Lernen mit anderen Unternehmenszielen wie Produkti- Wie ist die digitale Weiterbildung bei Siemens organisiert? vität, Kapazität usw. bleibt eine anspruchsvolle Managementaufgabe. Diese Bei Siemens hat auch die digitale Weiterbildung eine strategische Priorität. muss auf allen Ebenen gelebt werden: durch Haltung, durch Vorbildfunktion Unser Anspruch: Mitarbeiter dabei unterstützen, über das gesamte Berufs- und durch Coaching. leben hinweg in einer Umwelt, die sich schnell verändert, relevant und Transparente Ziele und Reportingmöglichkeiten sind wichtig, um das Thema resilient zu bleiben. Deshalb haben wir mit MyLearningWorld eine weltweite „Digitales Lernen“ ganzheitlich zu gestalten. Hier haben wir nachgebessert. digitale Lernplattform, die über 60.000 digitale Lerneinheiten anbietet. Diese digitalen Lerneinheiten kommen zum Teil von Siemens internen Experten, z. B. Welche Tipps haben Sie für Unternehmen, die beim digitalen Lernen aus den Geschäften, unserer Forschung und Entwicklung, unseren Produkt- noch nicht so weit sind? schulen, aber auch von anerkannten externen Lernanbietern wie z. B. LinkedIn Das A und O für eine erfolgreiche Lernstrategie sind das Mindset und die Learning. entsprechende Unternehmenskultur. Dieses Mindset muss bei Führung und Mitarbeitern verankert sein. Welche Rahmenbedingungen mussten geschaffen werden, Mein Tipp an Unternehmen: Nicht alles muss selbst erarbeitet werden. Lern- um digitales Lernen zu etablieren? angebote können auch im Ökosystem entwickelt und genutzt werden. Es Wir haben die interne Kampagne „MyGrowth“ aufgesetzt, um unseren Füh- gibt, gerade für KMU, durch die Bildungswerke und viele private und öffent- rungskräften und deren Mitarbeitern die essenzielle Bedeutung des lebens- liche Anbieter, mit denen wir übrigens auch zusammenarbeiten, sehr viele langen Lernens noch bewusster zu machen. In diesem Zusammenhang ist gute Angebote. In den letzten Jahren haben auch die Hochschulen sukzes- es wichtig, dass einerseits Lernzeit geschaffen wird. Andererseits muss auch sive den Lernbedarf für Unternehmen erkannt und bieten ebenfalls praxis- die Bereitschaft zum selbstgesteuerten Lernen gesteigert werden. Die Bot- nahe flexible Angebote. schaft ist, dass Lernen weitestgehend auf dem Freiwilligkeitsprinzip beruht und in erster Linie immer dem Lernenden nutzt.
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 10 2. E-LEARNING – WELCHE FORMATE GIBT ES? Quizze, Game-Based Learning und Beantwortet man eine Frage richtig, gibt es Punkte und man Gamification steigt in der Bestenliste auf. Treten verschiedene Gruppen gegeneinander an, kann dies ein positives Wirgefühl vermit- Quiz-Apps verbinden die Vorteile von Mobile Learning und teln und motivieren. Game-Based Learning. Das Game-Based Learning hat das Ziel, den Spaßfaktor des Spielens beim Lernen zu nutzen. Andere Formate des Game-Based Learning sind Serious Die Lernaufgaben sind beim Game-Based Learning in Games. Das sind Spiele, die nicht nur zur Unterhaltung die- die Spielewelt aufwendig integriert. Quizzen macht Spaß, nen, sondern noch einen anderen, „ernsten“ Zweck verfol- aktiviert das Belohnungszentrum im Gehirn und hilft, Infor- gen – nämlich, dass etwas gelernt werden soll. mationen nachhaltig im Langzeitgedächtnis zu verankern. Zudem gibt die richtige oder falsche Antwort auf eine Frage direktes Feedback darüber, ob ein Lernender die Lerninhal- te verstanden hat. Quizze eignen sich für Unternehmen in der Weiterbildung immer dann, wenn Wissen abgefragt oder gefestigt werden soll. Aber auch zu Beginn eines Trainings kann damit der Wissensstand abgefragt und Wissenslücken aufgedeckt werden. Im Idealfall werden die Lerninhalte den Ergebnissen entsprechend zugeschnitten. Auch als An- schluss an Präsenztrainings oder E-Learnings können Quiz- ze, die z. B. über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen laufen, wesentlich zur Wissensfestigung beitragen. Beim Quizzen oder auch anderen Formaten können ver- schiedene Spielelemente zum Einsatz kommen (Gamifica- tion), wie z. B. Avatare, die als Identifikationsfigur dienen und durch die man auch in verschiedene Rollen schlüpfen kann. Auch der Wettbewerb mit anderen Lernenden kann spie- lerisch sinnvoll sein, da dadurch der Ehrgeiz geweckt wird.
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 11 2. E-LEARNING – WELCHE FORMATE GIBT ES? Planspiele und Computersimulationen Virtual/Augmented Reality Vom Game-Based Learning zu unterscheiden sind Plan- Virtual Reality kann dabei helfen, Gefahrensimulationen spiele und Computersimulationen. Das sind interaktive noch realistischer zu machen, und ist auch für andere Gebie- Computer-Softwareprogramme, mit denen Lernende vir- te geeignet wie z. B. für die Vorbereitung von Beschäftigten tuelle Experimente in einer kontrollierten Umgebung aus- für Außeneinsätze auf Baustellen, Bohrplattformen etc. Das führen. Dazu gibt der Lernende sinnvolle Parameter in das Lernen in der virtuellen Realität am digitalen Zwilling einer E-Learning-Programm ein. Das Programm visualisiert die Maschine kann sinnvoll sein, wenn z. B. teure oder empfindli- Reaktion des Systems während des virtuellen Experiments. che Maschinen geschont werden sollen oder Schutzausrüs- Ziel dieses virtuellen Fertigkeitstrainings ist es, das System tung nicht für das Lernen verbraucht werden soll. Außerdem besser kennenzulernen und dessen Ursache- und Wirkungs- entstehen dann weniger Leerzeiten in den Produktionsan- zusammenhänge zu verstehen. Der Einsatz ist sinnvoll, lagen. Auch für Arbeitsschutzunterweisungen macht Virtual wenn ein „echtes“ Experiment zu gefährlich, zu teuer oder Reality Sinn, z. B. in Form von Virtual-Reality-Brillen. Viele aus ethischen Gründen nicht durchführbar ist. In einem Flug- Unternehmen scheuen jedoch noch die hohen Kosten. simulator können z. B. angehende Piloten in Simulations- Im Unterschied zur Virtual Reality beschreibt die Augmented programmen die komplexe Bedienung eines Flugzeugs Reality keine komplett virtuelle Welt, sondern die computer- üben. Sie trainieren beispielsweise Starts und Landun- gestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Diese gen bei schwierigsten Wetterbedingungen und üben kann z. B. dafür eingesetzt werden, Lernenden beim Be- systematisch technische Notfälle. dienen von Maschinen Maschinendaten oder Bedienungs- anleitungen in Echtzeit anzuzeigen oder sie durch einzelne Arbeitsschritte zu leiten.
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 12 IMPULS AUS DER PRAXIS Sie haben einen guten Überblick über die Bildungslandschaft und sind ANNA sehr nah an der unternehmerischen Praxis dran. Wie haben sich die ENGEL-KÖHLER Bedarfe nach Weiterbildung in den letzten Jahren verändert? Corona ist der oft zitierte Game Changer: Zwar waren Digitalisierung und Vorsitzende des Vorstands der Virtualisierung des Lehrens und Lernens schon zuvor oft bemühte Schlag- Arbeitsgemeinschaft der Bildungs worte. Für ihren flächendeckenden Durchbruch sorgten jedoch erst Social werke der Deutschen Wirtschaft Distancing, mobiles Arbeiten und Homeoffice in Pandemiezeiten. ADBW e. V. Klar ist: Die Anzahl an Online-Schulungen hat im vergangenen Jahr enorm zugenommen. Das Gleiche gilt für hybride Lernformate – also die Kombina- tion aus virtuellem und Präsenzunterricht. Bildungswerke der deutschen Wirtschaft sind im internationalen Auch werden jederzeit abrufbare Online-Lernprogramme immer stärker in Vergleich etwas Besonderes. Welche Rolle spielen sie im Trans- betriebliche Qualifizierungen eingebunden. Die diesbezüglichen Hemm- formationsprozess unserer Wirtschaft? schwellen bei Firmen und Mitarbeitenden sind gefallen: Schließlich ist für Die große Stärke der in der ADBW zusammengeschlossenen Bildungswerke viele Beschäftigte im Homeoffice ein rein virtueller Arbeitstag mittlerweile ist ihre – oftmals seit Jahrzehnten währende – Praxisnähe. Durch ihre enge Standard. Anbindung an die regionale Wirtschaft und die Arbeitgeberverbände ken- nen sie deren bildungspolitische Handlungsbedarfe und Qualifizierungsan- Sie sind auch Geschäftsführerin des Bildungswerks der forderungen genau. So können die Bildungswerke frühzeitig reagieren und Bayerischen Wirtschaft. Hat Ihre Unternehmensgruppe digitale ihr Angebot passgenau an Unternehmen, deren Beschäftigten, aber auch Angebote im Programm? sonstigen gesellschaftspolitischen Verantwortungsträgern ausrichten. Ein Seit 2017 haben wir die Virtualisierung von Lehr- und Lernformaten in einer Beispiel sind die bundesweiten Arbeitskreise SCHULEWIRTSCHAFT. eigenen „Bereichsleitung Digitalisierung“ gebündelt. Viele Konzepte stan- Die Firmen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beim digitalen den daher schon vor Corona digital zur Verfügung. Inzwischen haben wir Transformationsprozess zu unterstützen ist eine unserer zentralen Aufga- rund 400.000 E-Learning-Kurse im Angebot. Wir können parallel 50.000 ben. Dabei ist das deutschlandweite ADBW-Partnernetzwerk ein großer Vor- virtuelle Klassenzimmer anbieten und so gleichzeitig 120.000 Teilnehmende teil: Hier profitieren wir stark von den unterschiedlichen Kompetenzen und auf unseren Online-Plattformen schulen. erarbeiten gemeinsame Konzepte. Ein Beispiel dafür ist unsere „TQ digital- Das digitale Spektrum reicht von Arbeitswelt 4.0, „Learning Nuggets“ mit Linie“, mit der wir durch Online-Teilqualifizierung dem Fachkräftemangel tertiären Bildungsinhalten und Anwenderzertifizierungen bis hin zu Teilquali- bundesweit entgegenwirken wollen. fizierungen, Prüfungsvorbereitungen und Umschulungen.
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 13 2. E-LEARNING – WELCHE FORMATE GIBT ES? Was schätzen Sie: Werden die folgenden Anwendungen in den kommenden drei Jahren eine zentrale Bedeutung oder eine geringe Bedeutung als Lernformen für das betriebliche Lernen in Unternehmen haben? Das mmb Institut befragt jährlich E-Learning-Ex- Blended Learning 100 pertinnen und -Experten zu den Entwicklungen des digitalen Lernens in den nächsten Jahren. Virtuelle Klassenräume/Webinare 97 Die Befragten glauben, dass in den nächsten drei Jahren vor allem Blended Learning, virtu- Videos/Erklärfilme 90 elle Klassenräume und Webinare eine zentrale Microlearning/Learning Nuggets 87 Bedeutung als Lernformen für das betriebliche Lernen bekommen werden (mmb Trendbaro- Online-Coaching/-Tutoring 85 meter 2020/2021). Zukunft haben offensicht- lich vor allem Lernwerkzeuge, die auf Distanz Mobile Anwendungen/Apps 85 soziale Kontakte bieten – und zwar synchron mit einer direkten Reaktionsmöglichkeit. Dies Online-Prüfungen 74 dürfte die Erfahrungen aus dem Homeoffice in Web-Based Trainings (WBTs) 55 der Corona-Krise widerspiegeln, die bei vielen Beschäftigten vom Mangel an Kontakten ge- Adaptive Learning 54 prägt sind. Hoch im Kurs sind aber z. B. auch Learning-on-Demand-Angebote wie Videos/ Social Networks/ Communities 45 Erklärfilme oder mobile Anwendungen. Simulationen 45 Augmented Reality/Mixed Reality 43 Chatbots/ L ernassistenten 39 Lernumgebungen in virtuellen 3-D-Welten 38 Messaging-Dienste, z. B. WhatsApp 32 Alle Antworten „zentrale Bedeutung als Lernform“, Angaben in % Quelle: © mmb Institut GmbH, 2021
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 14 2. E-LEARNING – WELCHE FORMATE GIBT ES? Wie wichtig werden die folgenden Themen bzw. Inhalte für das digitale Lernen in den kommenden drei Jahren sein? Bitte geben Sie Ihre Einschätzungen auf einer 6er-Skala nach dem Schulnotenprinzip an: Eine 1 bedeutet hier „sehr wichtig“, eine 6 bedeutet „überhaupt nicht wichtig“. Nach Themen und Inhalten befragt, die in den Anwenderschulungen, Kundenschulungen 1,8 nächsten drei Jahren für das digitale Lernen Compliance (z. B. Regeln, Regeltreue) 1,9 in Betrieben wichtig sein werden, stehen für die befragten Expertinnen und Experten die Datenschutzrichtlinien (z. B. DSGVO) 2,0 „Pflichtthemen“ ganz oben, die in jedem Unter- nehmen viele Beschäftigte betreffen. Aber 21st-Century Skills 2,0 auch Soft Skills („21st-Century Skills“, also die „vier C: Critical Thinking, Creativity, Collabora- Arbeitssicherheit, Arbeitsschutz 2,0 tion, Communication“) und IT-Anwendungen IT-Fachkompetenzen (z. B. für KI, Industrie 4.0) 2,0 werden als relevante Inhalte des digitalen Ler- nens eingeschätzt. Produktschulungen 2,1 IT-Anwendungen, IT-Geschäftsprozesse 2,2 Künstliche Intelligenz 2,4 Gewerblich-technische Fachkompetenzen 2,4 Management, Führung 2,5 Sprachen, Fremdsprachen 2,6 Kaufmännische Themen, Betriebswirtschaft 2,9 Angaben in Mittelwerten Quelle: © mmb Institut GmbH, 2021
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 15 2. E-LEARNING – WELCHE FORMATE GIBT ES? Lernplattformen und Learning-Experience- der. Die Unterschiede zwischen den beiden Lernplattform-Ar- Plattformen ten werden daher immer geringer. Auf Lernplattformen für E-Learning, sogenannten Learning LMS, aber vor allem auch LXPs sind mit relativ hohen Kosten Management Systems (LMS), können E-Learnings wie z. B. verbunden. In den 2000er und 2010er Jahren galten LMS Online-Trainings oder Lernvideos abgelegt und für die Nutzer als Rückgrat der Lernorganisation, LXPs sind erst seit rund zugänglich gemacht werden. Das Ziel eines LMS ist es, die zwei Jahren auf dem Markt und in Deutschland Administration hinter Weiterbildungsmaßnahmen zu erleich- noch nicht weitverbreitet. Um die Anschaf- tern und den Lernprozess für die Lernenden möglichst ein- fung und Pflege eines LMS oder LXP zu fach zu gestalten. Auch eine Überprüfung des Lernfortschritts umgehen, können Unternehmen auch die der einzelnen Nutzerinnen und Nutzer kann durch ein LMS Möglichkeit nutzen, die Lernmateria- vorgenommen werden. Im Gegensatz zu LMS, die haupt- lien auf Websites oder anderen sächlich der Organisation und Administration des Lernstoffs Plattformen bereitzustellen. dienen, rücken bei Learning-Experience Plattformen (LXP) die Großes Potenzial sehen Fach- Lernenden selbst noch stärker in den Mittelpunkt. Sie sollen leute z. B. in Plattformen für ihre Lernumgebung mitgestalten können. Lernende können Teams-Kommunikation. Der dabei auf firmeninterne Lernressourcen zugreifen, aber auch Vorteil ist hier die Integration externe Lernmaterialien zu ihrem Lernbereich hinzufügen verschiedener Funktionen oder selbst Lernmaterialien erstellen. Das System lernt dabei durch Teams, Slack und Co. die Lernvorlieben der Nutzenden kennen. Hierdurch wird es Eine Plattform zum Kommu- möglich, dass die Lernplattform den Lernenden weitere pas- nizieren, Kollaborieren und sende Lerneinheiten vorschlägt. Auch das Lernen durch den Ablegen von Wissen erfüllt Austausch und Kontakt mit anderen Lernenden wird bei LXPs vieles, was auch LMS bie- unterstützt, da beispielsweise Lerninhalte mit Kolleginnen und ten – und sogar noch mehr: Kollegen geteilt oder digitale Lerngruppen gegründet werden Man kann sie im Gegensatz können. Viele „klassische“ LMS bieten mittlerweile Funktio- zu LMS für das Lernen und nalitäten an, die klassischerweise zu LXPs gehören, wie z. B. Arbeiten nutzen. einen Chat für die Kommunikation der Lernenden untereinan-
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 16 IMPULS AUS DER PRAXIS Sie konzentrieren sich vor allem auf Kurse rund ums Programmieren oder auf sehr spezielle Zukunftsthemen HOLGER KOBLER wie z. B. künstliche Intelligenz. Wie sieht Ihr klassischer Firmenkunde in Deutschland aus? Regional Vice President DACH, Unser Kursangebot wird fortlaufend erweitert. Alleine in die- Udacity sem Jahr machen wir nach der gerade gestarteten „School of Cybersecurity“ über 25 neue Programme zugänglich. Unsere Learner setzen die neu erworbenen Fähigkeiten in einem breiten Umfeld praxisnah ein; Tutoren nutzen ihre Praxiserfah- rung und sorgen so für einen zielgerichteten Wissenstransfer. Unsere Kunden sind ein Querschnitt der deutschen Volks- Udacity fing als Start-up an. In welche Bildungs- wirtschaft und des öffentlichen Sektors. Wir arbeiten eng mit lücke sind Sie damals gestoßen? Was unterscheidet Sie dem global agierenden deutschen Mittelstand, mit Großunter- von anderen Bildungsanbietern? nehmen im Automobilbereich und dem Finanzsektor zusam- Unser Schwerpunkt liegt auf der Kompetenzentwicklung. men, aber zunehmend auch mit dem öffentlichen Sektor eng Udacity Nanodegree-Programme bestehen aus einer Kom- entlang deren Lernzielen. bination von Online-Unterricht und praktischen Projekten, die von erfahrenen Technologiepraktikern für konkrete Sie bieten Ihre Kurse rein digital an. Ergeben sich Anwendungsfälle in der Praxis entwickelt wurden. Unsere daraus Probleme, z. B. beim Thema Datenschutz? Programme konzentrieren sich ausschließlich auf die gefrag- Datenschutz, HR-Normen und die Beachtung aller gelten- testen Technologien wie Data Science, künstliche Intelligenz den EU-Regularien haben für uns allerhöchste Priorität. Wir und Automation und bereiten die Lernenden darauf vor, ihre kombinieren Lerninhalte und IT-Integration hochindividuell. neu erworbenen Fähigkeiten direkt einzusetzen. Um ein Beispiel zu geben: Mit einigen unserer internatio- nalen Kunden arbeiten wir mit vollständig anonymisierten Personendaten, die den Standort der Firma niemals verlas- sen. Hierbei sind wir oft Vorreiter, da die tägliche Nutzung digitaler Lerninhalte in dieser Größenordnung für viele Unternehmen und Institutionen neu ist.
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 17 3. N ACHTEILE, STOLPERSTEINE UND HERAUSFORDERUNGEN VON E-LEARNING sowie Dozenten real zu treffen. Viele Beschäftigte schät- Auch wenn E-Learning viele Vorteile hat, erreichen Unter- zen es, andere im Training persönlich kennenzulernen, auf direktem Weg zu kommunizieren und sich gegenseitig beim nehmen und ihre Beschäftigten die gewünschten Lernprozes- Lernen zu unterstützen. se und -ergebnisse nicht „automatisch“. Selbstverständlich muss die digitale Infrastruktur im Unternehmen – und falls Vom sozialen Miteinander einmal abgesehen gibt es weite- re Aspekte, die gegen (reines) E-Learning sprechen kön- zu Hause gelernt wird, auch im Homeoffice vorhanden sein. nen. Bevor ein Betrieb E-Learning einführt, sollten Außerdem ist es wichtig, die E-Learning-Angebote an die die Eigenschaften der Zielgruppe im Betrieb genau geprüft werden. Notwendige digi- Rahmenbedingungen des Betriebs anzupassen und die Be- tale Kompetenzen sind nicht bei allen schäftigten frühzeitig einzubinden. Beschäftigten vorhanden. Im Vergleich zu klassischen Präsenzformaten ist die individuelle Teilnehmerbetreuung Die Vielfalt der E-Learning-Angebote auf dem Markt – an beim E-Learning eingeschränkt – oder sich ein Vorteil – kann es Unternehmen erschweren, sich je nach Format gar nicht vorhanden. zwischen den verschiedenen Angeboten zu entscheiden. Um Deshalb kommt es besonders darauf genau beurteilen zu können, welches E-Learning-Programm an, dass Beschäftigte beim E-Lear- tatsächlich zum Betrieb passt, sollte eine Pilotierungsphase ning die nötige Selbstlernkompetenz, vorgeschaltet werden, in der eine Demoversion getestet wer- Lernmotivation und Selbstdisziplin den kann. Gute Checklisten zur Einführung von E-Learning mitbringen. Bei internationalen E-Lear- stellt das IW Köln unter www.kofa.de zur Verfügung. ning-Anbietern sind die Kurse i. d. R. auf Englisch. Sollten diese inhaltlich 3.1 Nachteile infrage kommen, muss mit den jeweili- gen Beschäftigten geklärt werden, ob E-Learning ist nicht immer, nicht für jeden und nicht für jedes Englischkenntnisse in ausreichendem Weiterbildungsziel die beste Wahl – gerade wenn es nach Maße vorhanden sind. der Corona-Pandemie wieder möglich ist, andere Lernende
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 18 3. N ACHTEILE, STOLPERSTEINE UND HERAUSFORDERUNGEN VON E-LEARNING Lernen die Beschäftigten am Arbeitsplatz, so könnten sie 3.2 Stolpersteine und Herausforderungen durch Telefon, eingehende E-Mails oder Arbeitskolleginnen und -kollegen beim Lernen gestört oder abgelenkt werden. Datenschutz und Mitbestimmung Andererseits bringt dies den Vorteil, dass sie in wichtigen Angelegenheiten erreichbar wären und das E-Learning ggf. Durch die Nutzung von E-Learning kann es zur Erhebung unterbrechen könnten. von personenbezogenen Daten kommen. Das kann z. B. den Namen des Nutzers betreffen sowie weitere Informa- Die E-Learning-Angebote können zumeist nicht durch die tionen über das Lernverhalten: Wann und von wo hat sich Bundesagentur für Arbeit gefördert werden, da die Ange- jemand angemeldet? Welche Videos hat sich die Person bote i. d. R. nicht nach der AZAV zugelassen sind und auch angeschaut? Hat sie diese bis zum Ende gesehen oder kürzer dauern als die für eine Förderung notwendigen mehr zwischendurch abgeschaltet? Welche Teile der Kurse hat als 120 Stunden. Gleichwohl haben sie wiederholt? Wie hat sie bei Tests abgeschnitten? Welche viele Bildungsträger – nicht zuletzt Fragen hat sie gestellt? Mit wem hat sie sich ausgetauscht? auch im Zuge der Corona-Pande- Und worüber? mie – ihre förderfähigen Weiterbil- dungsangebote auf virtuelle oder Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bun- hybride Formate umge- desdatenschutzgesetz (BDSG) stellen einen hohen Schutz stellt. von Beschäftigtendaten sicher. Datenschutz ist grundsätz- lich aber kein K.-o.-Kriterium für die Nutzung von E-Learning. Einzelheiten der Nutzung von E-Learning können durch Betriebsvereinbarungen geregelt werden. Zum Beispiel ist vorstellbar, dass nur die direkte Vorgesetzte und/oder HR Informationen erhalten und die Learning Reports minimal gehalten werden, z. B. im Sinne von „bestanden“ oder „nicht bestanden“. Beschäftigte sollten darüber informiert werden, welche Daten über sie verarbeitet werden, wenn sie sich das erste Mal in das E-Learning-Tool einloggen. Darüber hinaus können in der Betriebsvereinbarung Regelungen
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 19 IMPULS AUS DER PRAXIS Netzwerk für digitales Lernen im Handel. Das ist eine effizi- ente Möglichkeit, um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter MARC-ANDREAS für die Kassenarbeitsplätze oder für Themen wie „Umtausch DEMSKI und Reklamation“ zu schulen. Diplom-Kaufmann, Gab es Berührungsängste seitens Ihrer Mitarbeiterinnen Inhaber Reformhaus DEMSKI und Mitarbeiter oder Umsetzungsprobleme im Hinblick auf digitale Lernangebote? Nein, unsere Beschäftigten sind digitalen Tools gegenüber sehr aufgeschlossen gewesen und sehen die Vorteile. Sie können damit flexibel lernen – auch von zu Hause aus. Dazu Wo haben Sie Weiterbildungsbedarf? beigetragen hat sicherlich, dass unsere Tools technisch ein- Unsere Kunden erwarten von uns, dass wir sie beim Einkau- wandfrei funktionieren und die Inhalte didaktisch gut auf- fen gut beraten. Daher ist es uns wichtig, unseren Mitarbei- bereitet sind. terinnen und Mitarbeitern regelmäßig Schulungen zu neuen Produkten anzubieten. Nur so können wir das nötige Fach- Wird künftig alles digital stattfinden? wissen auch zu sehr speziellen Produkten sicherstellen. Definitiv nicht. Digitale Tools bieten zwar viele Vorteile, aber die persönliche Dimension fehlt – die Begegnung von Wie setzen Sie digitale Tools bei der Weiterbildung Ihrer Mensch zu Mensch. Ich kann mir vorstellen, dass nach Coro- Beschäftigten ein? War Corona ein Game Changer? na ca. 80 % digital und 20 % der Weiterbildungen in Präsenz Die regelmäßigen Produktschulungen fanden vor Corona stattfinden werden. in Präsenz statt. Jetzt machen wir das über Zoom. Dabei können wir die bisherigen Präsenzschulungen nicht 1:1 über- setzen, sondern arbeiten mit verschiedenen didaktischen und technischen Tools, um Schulungen ansprechender und wirksamer zu gestalten. Darüber hinaus nutzen wir – auch schon vor Corona – das Angebot von myFlexnet –, dem
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 20 3. N ACHTEILE, STOLPERSTEINE UND HERAUSFORDERUNGEN VON E-LEARNING getroffen werden, ob das Lernen mit digitalen Medien in der Kraft gesetzt werden. Unternehmen sollten auch darauf Freizeit oder in der Arbeitszeit oder jeweils anteilig – und zu achten auszuschließen, dass der Verkauf von Daten ihrer welchen Anteilen – erfolgen soll und ob private oder dienst- Beschäftigten zu Recruiting-Zwecken genutzt wird. liche Endgeräte genutzt werden. Auch die Frage, wie z. B. Lernen per Lern-App übers Smartphone im Bus behandelt Inklusion besonderer Zielgruppen wird, kann hier adressiert werden. Festgelegt werden könn- te außerdem, wie lange sich Beschäftigte mit bestimmten Der Einsatz digitaler Medien ist für viele Zielgruppen im Be- Lerninhalten beschäftigen sollten. trieb gut geeignet. Dazu zählen wegen der großen zeitlichen und räumlichen Flexibilität von digitalen Weiterbildungsan- Die Einführung der E-Learning-Tools im Unternehmen ist geboten z. B. auch Teilzeitbeschäftigte oder Beschäftigte, mitbestimmungspflichtig. In der Regel steht der Betriebsrat die nach längerer Abwesenheit (z. B. Krankheit, Elternzeit, aber neuen Formen der Weiterbildung offen gegen- Sabbatical etc.) einen Wiedereinstieg in den Beruf pla- über, gerade wenn der Datenschutz gewähr- nen. Bei Beschäftigten mit Migrationshintergrund und leistet ist. Um mit der schnellen Dynamik/ schlechten Deutschkenntnissen sowie bei Beschäftig- Entwicklung neuer Lernangebote mitzu- ten mit Behinderungen hängt die Effektivität von E- halten, ist es sinnvoll, den Betriebsrat Learning-Angeboten u. a. davon ab, wie stark diese frühzeitig einzubeziehen. an die spezifischen Bedürfnisse dieser Beschäf- tigtengruppen angepasst werden können (visuell, Es gibt viele internationale Anbieter von auditiv, haptisch und sprachlich). E-Learnings, deren Server außerhalb der EU liegen, z. B. in den USA. Dann Digitale Lernangebote externer Anbieter sind werden die Daten nicht innerhalb der i. d. R. nicht barrierefrei nach Web Content EU verarbeitet. Daher sollten die Verträ- Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 (digita- ge mit internationalen Anbietern dieses le Barrierefreiheit). Einige Beschäftigte mit Problem adressieren, um ungewollte Zu- Behinderungen, z. B. Seh- oder Hörbehin- griffe auf Daten zu vermeiden und sicher- derung, können diese Angebote eventuell zustellen, dass die DSGVO und betriebliche nicht vollumfänglich nutzen. Hier bietet es Bestimmungen zum Datenschutz nicht außer sich an, zusammen mit dem Betriebsrat und
Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis – Trends, Chancen, Hürden 21 3. N ACHTEILE, STOLPERSTEINE UND HERAUSFORDERUNGEN VON E-LEARNING ntsprechend einer ggf. vorliegenden Inklusionsvereinba- e z. B. in der Chemiebranche muss allerdings darauf geachtet rung Möglichkeiten zu entwickeln, damit alle Beschäftigten werden, dass die Nutzung elektronischer Geräte untersagt die digitalen Weiterbildungsangebote nutzen können. Es ist bzw. nur spezielle Geräte mit Explosionsschutzzulassung wäre z. B. auch möglich, diesen Personen eine persön- eingesetzt werden dürfen, die deutlich teurer als normale liche Betreuung zur Seite zu stellen, sodass – ähnlich wie IT-Geräte sind. In solchen Werkstätten gibt es dann aber oft in Präsenzseminaren – stärker auf die individuellen Be- schon Meisterbüros, die für E-Learning auch von anderen dürfnisse eingegangen werden kann. Denkbar wären auch Beschäftigten genutzt werden könnten. geeignete Patenschaften oder Tandems im Betrieb. Dies ist nicht nur für Beschäftigte mit Behinderungen oder schlech- Viele E-Learning-Angebote erfordern eine Anmeldung/ ten Deutschkenntnissen sinnvoll, sondern unter Umständen Authentifizierung per E-Mail-Adresse. Dies wirft für auch für ältere Beschäftigte, die EDV-technisch nicht ver- Beschäftigte in der Produktion, die häufig keine siert sind. Auch Lernbeeinträchtigte und Geringqualifizierte, Unternehmens-E-Mail-Adresse besitzen, die Fra- denen das selbstbestimmte Lernen nicht immer leichtfällt, ge auf, ob das Unternehmen ihnen aufgrund des könnten so unterstützt werden. E-Learnings eine Unternehmens-E-Mail-Adresse einrichten sollte, eine ggf. vorliegende private E- Beschäftigte im gewerblichen Bereich Mail-Adresse genutzt werden könnte oder ob der Zugang zum E-Learning auch auf anderem Wege E-Learning kann auch für Beschäftigte in der Produktion sichergestellt werden könnte. sinnvoll eingesetzt werden. Es muss jedoch eine passende Infrastruktur geschaffen werden, denn i. d. R. haben „blue Wird die Produktivität von Beschäftigten in der Pro- collar workers“ keinen eigenen PC-Arbeitsplatz. Vorstell- duktion übers Jahr z. B. anhand von fertiggestellten bar wäre z. B. ein Arbeitsplatz mit Computer im Werk, der Stückzahlen gemessen, sollte zusammen mit dem abwechselnd von verschiedenen Beschäftigten genutzt Betriebsrat eine Regelung gefunden werden, wie werden kann, oder die vorübergehende Ausgabe von Tab- die „nicht produktive Arbeitszeit des E-Learnings“ lets, die sogar von manchen Bildungsanbietern übernom- gezählt wird. Adäquate Lösungen müssen auch men wird. Denkbar wären auch Vereinbarungen darüber, für die Organisation des Lernens gefunden werden, private mobile Endgeräte wie Smartphones für E-Learning wenn Beschäftigte im Schichtmodell arbeiten. im Betrieb zu nutzen. In explosionsgeschützten Bereichen
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