TÄTIGKEITSBERICHT - Deutsches Hygiene-Museum

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TÄTIGKEITSBERICHT - Deutsches Hygiene-Museum
2018
  T Ä T IG K E IT S B E R IC HT
TÄTIGKEITSBERICHT - Deutsches Hygiene-Museum
TÄTIGKEITSBERICHT 2018
TÄTIGKEITSBERICHT - Deutsches Hygiene-Museum
*
Der Tätigkeitsbericht 2018 verwendet den sogenannten Genderstern. Wir möchten mit diesem Zeichen auf die Existenz einer
Vielzahl von Geschlechtern hinweisen. Es waren nicht zuletzt die Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung, die
uns zu diesem Schritt ermuntert haben. Mit einiger Wahrscheinlichkeit bleibt er nicht der letzte auf dem langen Weg zur
Gerechtigkeit unter den Geschlechtern.

EMPFEHLUNGEN ZUR „GESCHLECHTERGERECHTEN SCHREIBUNG“

Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist sich bewusst, dass es einen Pluralismus grundsätzlicher kultureller, wissenschaftlicher,
weltanschaulicher, sprachlicher und politischer Wahrnehmungen geschriebener Sprache als Darstellung von Lebenswirklichkei-
ten gibt. Angesichts der Verbindlichkeit des amtlichen Regelwerks der deutschen Rechtschreibung für Schulen sowie Verwaltung
und Rechtspflege will er mit seinen Empfehlungen dazu beitragen, dass die Einheitlichkeit und damit Verständlichkeit der Recht-
schreibung im deutschsprachigen Raum so weit wie möglich gesichert bleibt.

Dabei wird es wie bisher auch in Zukunft in unterschiedlichen Gruppen und Gemeinschaften unterschiedliche Schreibweisen zur
Darstellung der unterschiedlichen Geschlechter geben. Diese müssen zur Kenntnis genommen und geprüft werden, sie können
aber nicht jeweils für sich Allgemeingültigkeit und Verbindlichkeit für die geschriebene Sprache beanspruchen.                       TÄTIGKEITSBERICHT                          ANNUAL REPORT 2018

Der Rat für deutsche Rechtschreibung definiert die folgenden sechs Kriterien als Grundlage für „Geschlechtergerechte                                      AUSSTELLUNGEN         EXHIBITIONS
Schreibung“: Geschlechtergerechte Texte sollen
–   sachlich korrekt sein,                                                                                                                      BILDUNG UND VERMITTLUNG         EDUCATION AND LEARNING
–   verständlich und lesbar sein,
–   vorlesbar sein (mit Blick auf die Altersentwicklung der Bevölkerung und die Tendenz in den Medien,                                                WISSENSCHAFTLICHE         SCIENTIFIC
    Texte in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen),                                                                                 UND KULTURELLE VERANSTALTUNGEN         AND CULTURAL PROGRAMME
–   Rechtssicherheit und Eindeutigkeit gewährleisten,
–   übertragbar sein im Hinblick auf deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitensprachen,                           EVENTS UND PUBLIKUMSVERANSTALTUNGEN         POPULAR EVENTS
–   für die Lesenden bzw. Hörenden die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und
    Kerninformationen sicherstellen. Dabei ist jeweils auf die unterschiedlichen Zielgruppen und Funktionen von Texten                   SAMMELN | FORSCHEN | PUBLIZIEREN       COLLECTION | RESEARCH | PUBLISHING
    zu achten.
                                                                                                                                              DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM          DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM
Der Rat für deutsche Rechtschreibung stellt fest, dass der gesellschaftliche Diskurs über die Frage, wie neben männlich und
weiblich ein drittes Geschlecht oder weitere Geschlechter angemessen bezeichnet werden können, sehr kontrovers verläuft.
Dennoch ist das Recht der Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, auf
angemessene sprachliche Bezeichnung ein Anliegen, das sich auch in der geschriebenen Sprache abbilden soll. Die Beobach-
tung der geschriebenen Sprache zeigt dazu derzeit neben verschiedenen grammatischen (Generisches Maskulinum, Passivkon-
struktionen usw.) verschiedene orthographische Ausdrucksmittel wie Unterstrich (Gender-Gap), Asterisk (Gender-Stern) oder
den Zusatz männlich, weiblich, divers (m, w, d) nach dem generischen Maskulinum. Diese entsprechen in unterschiedlichem
Umfang den Kriterien für geschlechtergerechte Schreibung.

Diese Entwicklung steht noch am Anfang. Sie wird sich durch die Verfassungsgerichtsentscheidungen in Deutschland und Ös-
terreich vermutlich beschleunigen. Die Erprobungsphase verschiedener Bezeichnungen des dritten Geschlechts verläuft in den
Ländern des deutschen Sprachraums unterschiedlich schnell und intensiv. Sie soll nicht durch vorzeitige Empfehlungen und
Festlegungen des Rats für deutsche Rechtschreibung beeinflusst werden.

Beschluss des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 16. November 2018
www.rechtschreibrat.com                                                                                                                                      Empfangshalle, Foto: Oliver Killig
TÄTIGKEITSBERICHT - Deutsches Hygiene-Museum
I N H A LT S V E R Z E I C H N I S

                                                           6   Vorwort
                                                           8   Das Museum als Vermittler?
                                                          10   Förderer des Museums

                                                         		 AUSSTELLUNGEN
                                                         16 Dauerausstellung
                                                         18 Kinder-Museum
                                                         22 Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen
                                                         34 Shine on me. Wir und die Sonne
                                                         40 Rückblick
                                                         42 4. Sächsische Landesausstellung

                                                                  BILDUNG UND VERMITTLUNG
                                                          46   Einführung
                                                          48   Inklusion und Diversität
                                                          50   Bildungsangebote zu den Ausstellungen
                                                          56   Fortbildungen
                                                          58   Kooperationen

                                                                  WISSENSCHAFTLICHE UND KULTURELLE VERANSTALTUNGEN
                                                          62   Einführung
                                                          64   Begleitprogramme zu den Sonderausstellungen
                                                          69   Wissenschaftliche Tagungen
                                                          74   Ausstellungsunabhängige Vortragsreihen
                                                          78   Gesprächsformate
                                                          79   Einzelveranstaltungen
                                                          80   Kinder-Universität Dresden
                                                          82   Kulturelle Veranstaltungen
                                                          86   Literatur jetzt!                                        EVENTS UND PUBLIKUMSVERANSTALTUNGEN
                                                                                                              94    Internationaler Museumstag | Dresden is(s)t bunt
                                                                                                              96    Museumsnacht | Aktionstag | Familiensonntag
                                                                                                              97    Gefilte Fest

                                                                                                             		 SAMMELN | FORSCHEN | PUBLIZIEREN
                                                                                                             100 Einführung
                                                                                                             102 Neues aus der Sammlung
                                                                                                             106 Wissenschaftliche Förderprojekte und Kooperationen
                                                                                                             111 In memoriam Henry Arnhold
                                                                                                             114 Publikationen
                                                                                                             116 Bibliothek

                                                                                                             		 DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM
                                                                                                             120 Die Stiftung
                                                                                                             124 Sanierungsmaßnahmen
                                                                                                             126 360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft
                                                                                                             128 Engagement
                                                                                                             132 Tagungszentrum
                                                                                                             146 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

                                                                                                             		 ANHANG
                                                                                                             152 Ausstellungsvorschau 2019 / 20
                                                                                                             154 Statistik
                                                                                                             156 Impressum

        T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D                                                                    4.5
Deckenscheinwerfer im Großen Saal, Foto: Oliver Killig
TÄTIGKEITSBERICHT - Deutsches Hygiene-Museum
VORWORT
Opening the Museum up to the present – That has been and still is part of the brief we
have set ourselves for some time now. With the comprehensive collection of illustrations
and essays entitled Themen zeigen im Raum [Showcasing Themes] published last year
by Hatje Cantz Verlag, we looked back on some forty exhibitions that have been on show
at the Deutsches Hygiene-Museum between 1990 and 2018. This retrospective self-affir-
mation highlights the fact that, over the past few decades, entirely new scopes and access
opportunities have been opened up for showcasing our Museum’s pivotal object, i.e. the
human being. The different personalities who acted as curators in this connection took on
a crucial role as theorists of practice and practitioners of theory. Their critical field reports
illustrate the seriousness and creativity with which they have come up with suitable cura-
torial opportunities at the interface between museum tradition, scientific understanding,
and the needs of visitors.

Opening the Museum up to the present – That is also a demand that we fulfilled in almost
exemplary fashion in 2018 with the special exhibition on Racism. The Invention of Human                                   Prof. Klaus Vogel, Direktor
Races. Indeed, even if the curatorial concept was clearly cultural-historical in its approach
and an entire section was devoted to the involvement of the Deutsches Hygiene-Museum
in the racial policy of the Nazi era, the exhibition’s vanishing point, as it were, lay in the
examination of latent and evident manifestations of racism of the kind we are currently                                   Die Gegenwart ins Museum holen – das war und ist eine program-
witnessing in Saxony, in Germany, and in other countries. I am delighted not only that                                    matische Anforderung, der wir uns an diesem Haus schon seit
this project and its accompanying programme received such a huge amount of media                                          langem stellen. Mit dem umfangreichen Bild- und Essayband The-
coverage, but also that its significance was perceived by so many prominent public figures.                               men zeigen im Raum, der im vergangenen Jahr im Hatje Cantz Verlag
I see it as a huge recognition of our staff’s dedicated work that the President of Germany,                               erscheinen ist, haben wir einen Blick zurück auf rund vierzig Aus-
Frank-Walter Steinmeier, took the opportunity of the exhibition to discuss the social phe-                                stellungen geworfen, die zwischen 1990 und 2018 im Deutschen
nomenon of racism at the Deutsches Hygiene-Museum with a school group from Saxony.                                        Hygiene-Museum zu sehen waren. Diese retrospektive Selbstver-
                                                                                                                          gewisserung dokumentiert, dass der Präsentation des zentralen               Die Gegenwart ins Museum holen – diese Selbstverpflichtung hat
Opening the Museum up to the present – That commitment we willingly undertook also                                        Gegenstandes unseres Museums – dem Menschen – in den ver-                   uns auch auf anderen Gebieten beschäftigt. Eine wichtige Erfah-
kept us busy in other areas, too. An important experience we made during the phase of                                     gangenen Jahrzehnten ganz neue Spielräume und Zugangsmög-                   rung, die wir in der Konzeptionsphase und während der Laufzeit
formulating the concept for the racism exhibition and the actual exhibition run itself was                                lichkeiten eröffnet werden konnten. Den unterschiedlichen Per-              der Rassismus-Ausstellung gemacht haben, war die Zusammen-
the co-operation with experts who deal with experiences of racism either personally, scien-                               sönlichkeiten, die hier als Kurator*innen gewirkt haben, kam als            arbeit mit Expert*innen, die sich persönlich, wissenschaftlich,
tifically, as activists, or in education programmes. They provided us with insights into the                              den Theoretikern der Praxis und Praktikern der Theorie dabei eine           aktivistisch oder in Bildungsprogrammen mit rassistischen Erfah-
problem of racism which the white population in our country either has no access to or is                                 ganz zentrale Rolle zu. Ihre kritischen Erfahrungsberichte zeigen           rungen auseinandersetzen. Sie haben uns Perspektiven auf das
unaware of. The critical irritation of convictions that have simply been handed down and                                  den Ernst und die Kreativität, mit der sie an der Schnittstelle von         Problem des Rassismus eröffnet, wie sie der weißen Bevölkerung
the questioning of one’s own social positioning will in future remain constant tasks which                                musealer Tradition, wissenschaftlicher Erkenntnis und den Bedürf-           in unserem Land nicht zugänglich oder nicht bewusst sind. Die
our staff, but also the museum as institution, will have to address. In the light of the above                            nissen der Besucher*innen angemessene Möglichkeiten des Kura-               kritische Irritation tradierter Überzeugungen und die Infragestel-
it is highly gratifying that the Federal Cultural Foundation has chosen to include us in their                            tierens entwickelt haben.                                                   lung der eigenen gesellschaftlichen Positionierung bleiben künftig
programme 360° – Fund for New City Cultures. This project supports and sponsors cul-                                                                                                                  permanente Aufgaben, der sich die Mitarbeiter*innen, gleichzeitig
tural institutions that want to do justice to the diversity of our post-migrant society through                           Die Gegenwart ins Museum holen – diesem Anspruch sind wir                   aber auch das Museum als Institution stellen müssen. In diesem
extensive and comprehensive processes of change.                                                                          2018 mit der Sonderausstellung Rassismus. Die Erfindung von Men-            Zusammenhang ist es sehr erfreulich, dass die Kulturstiftung des
                                                                                                                          schenrassen geradezu exemplarisch nachgekommen. Denn auch                   Bundes uns in ihr Programm 360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadt-
Opening the Museum up to the present – That doesn’t just mean picking up on current                                       wenn das kuratorische Konzept erkennbar wissenschaftshistorisch             gesellschaft aufgenommen hat. Mit diesem Projekt werden Kultu-
topics and debates; it means first and foremost addressing people in a way that is per-                                   fundiert oder der Beteiligung des Deutschen Hygiene-Museums an              reinrichtungen unterstützt und gefördert, die durch umfassende
ceived as credible and therefore as genuinely interested in the matter at hand. 292,000                                   der Rasse-Politik der Nationalsozialisten ein ganzes Kapitel gewid-         Veränderungsprozesse der Vielfalt unserer post-migrantischen Ge-
admission tickets sold and 630,000 exhibition visits show that, clearly, we have succeeded                                met war – der Fluchtpunkt der Ausstellung lag in der Auseinander-           sellschaft gerecht werden möchten.
in doing just that, for a wide audience from near and afar. On behalf of Gisela Staupe and                                setzung mit den latenten und manifesten Erscheinungsformen des
Lars Bahners – my colleagues on the Foundation Management Board – I would like to                                         Rassismus, wie wir sie aktuell in Sachsen, in Deutschland und in            Die Gegenwart ins Museum holen – das heißt nicht nur, aktuelle
express my sincere gratitude to all those who have contributed to this success in all areas                               anderen Ländern erleben. Es freut mich sehr, dass diesem Projekt            Themen und Diskurse aufgreifen, sondern vor allem bedeutet das,
of the Museum. My thanks also of course to our sponsors, lenders and partners – and not                                   und seinem Begleitprogramm nicht nur große mediale Aufmerk-                 Menschen in einer Art und Weise anzusprechen, die als glaub-
least to our visitors themselves. And so we look forward to opening the Museum up to the                                  samkeit geschenkt wurde, sondern dass es in seiner Bedeutsam-               würdig wahrgenommen wird und darum für die Sache interessiert.
present once again in the year ahead, in your company.                                                                    keit auch von unterschiedlichen Persönlichkeiten des öffentlichen           292.000 verkaufte Eintrittskarten und 630.000 Ausstellungsbesu-
                                                                                                                          Lebens wahrgenommen worden ist. Ich verstehe es als eine große              che deuten darauf hin, dass uns das bei einem breiten Publikum
                                                                                                                          Anerkennung für die engagierte Arbeit unserer Mitarbeiterinnen              aus nah und fern ganz offenbar gelungen ist. Im Namen von Gisela
                                                                                                                          und Mitarbeiter, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier               Staupe und Lars Bahners – meiner Kollegin und meinem Kolle-
                                                                                                                          die Ausstellung zum Anlass genommen hat, im Deutschen Hygi-                 gen im Stiftungsvorstand – möchte ich mich bei allen, die in den
                                                                                                                          ene-Museum mit einer sächsischen Schulklasse über das gesell-               unterschiedlichen Bereichen des Museums zu diesem Erfolg bei-
                                                                                                                          schaftliche Phänomen „Rassismus“ zu diskutieren.                            getragen haben, ganz herzlich bedanken. Dieser Dank gilt selbst-
                                                                                                                                                                                                      verständlich auch unseren Förderern, Leihgebern und Kooperati-
                                                                                                                                                                                                      onspartnern und nicht zuletzt den Besucherinnen und Besuchern
                                                                                                                                                                                                      selbst. Wir sind gespannt darauf, gemeinsam mit Ihnen auch im
                                                                                                                                                                                                      kommenden Jahr wieder in der Gegenwart anzukommen.

                                            T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D                                                                                                          6.7
                                                                                                    Foto: Oliver Killig
TÄTIGKEITSBERICHT - Deutsches Hygiene-Museum
Die Museen haben für ihr Wirken ganz gute Karten: Es kommen viele       Aus meiner Sicht gehört dazu unter anderem die kritische Beschäf-              Viele Kulturinstitutionen sehen sich als durchaus politisch in ih-
                                                                              Menschen ins Museum, und das in der Regel freiwillig, sie bringen       tigung mit der eigenen Hausgeschichte, unserer Unternehmens-                   rer Arbeit, und sie zeigen das demonstrativ. Transparente werden
                                                                              Zeit und Aufmerksamkeit mit, oft stundenlang. Es gibt eine immen-       und Führungskultur, der Feedbackkultur, der Kommunikation im                   aufgehängt, engagierte Kolleg*innen treffen sich zum öffentlichen
                                                                              se inhaltliche Spannbreite, und: Museen sind glaubwürdig. Das ist       Inneren sowie natürlich mit Diversität, das heißt Öffnungsprozessen            Singen und zum internationalen Open-Air-Gastmahl oder stellen
                                                                              ein entscheidender Vorteil. Ein anderer ist: Museen sind im besten      beim Publikum, beim Personal und beim Programm. In der Praxis                  künstlerische Positionen in den öffentlichen Raum. Das ist gut,
                                                                              Sinne bürgerliche Institutionen, getragen durch die Gesellschaft, ar-   kann auch nicht jedes Museum jede Erwartung erfüllen. Es geht                  das ist wichtig, und wir im DHMD sind stets dabei. Über den Ertrag
                                                                              beitend für die Gesellschaft. Es gibt noch eine weitere Legitimation:   aber schlicht und einfach darum, dass wir nicht den Anschluss                  dieser Aktionen sollten wir uns allerdings keinen Illusionen hinge-
                                                                              Museen sind Bildungsinstitutionen. Sie vermitteln aber nicht bloßes     verlieren an eine Welt, die sich in dieser Hinsicht schnell bewegt.            ben, denn am Ende werden wir nicht nach Haltungsnoten beur-
                                                                              Lernwissen, das Wissen der Museen ist immer kontextgebunden. Ob         Natürlich gibt es ein institutionelles Beharrungsvermögen, natürlich           teilt. Wenn wir uns engagieren, dann eben auch und vor allem: als
                                                                              Gemälde oder Dampfmaschine: Die Verfasstheit der Gesellschaft,          wollen nicht immer alle Kolleg*innen mitziehen, aber dann ist eben             Museum. Unsere Haltung muss sich vor allem in einer reflektierten
                                                                              das, was Menschen glauben, was sie tun und wofür sie leben, wird        Überzeugungsarbeit gefragt, geduldig und beharrlich, um möglichst              und gesellschaftlich verpflichteten Museumsarbeit zeigen, in den

DAS MUSEUM ALS VERMITTLER?                                                    immer mittransportiert.                                                 viele mitzunehmen – und schließlich müssen Prozesse und Ziele
                                                                                                                                                      verbindlich festgelegt werden.
                                                                                                                                                                                                                                     Ausstellungen selbst, in der Vermittlung und in den verschieden
                                                                                                                                                                                                                                     Veranstaltungsformaten. Das ist, um es klar zu sagen, kein Plädoyer
MUSEUMSARBEIT IN EINER POLARISIERTEN ÖFFENTLICHKEIT                           Und die Museen vermitteln nicht nur Wissen, sondern auch Werte.                                                                                        dafür, lediglich die übliche Arbeit fortzusetzen, angereichert mit ein
                                                                              Werte aus anderen Kulturen, anderen Zeiten – und diese stehen in        Zum zweiten Handlungsfeld: Wie wollen wir als Museumleute in der               paar Schaufenster-Aktionen, sondern ein Plädoyer für professionel-
von Prof. Klaus Vogel                                                         Bezug zu unseren heutigen Werten, den kulturell tradierten wie den      heterogenen, polarisierten Gesellschaft weitermachen? Einfache                 le Planung, ambitionierte Zielsetzung, klare Evaluation und für ein
                                                                              erkämpften und verfassungsmäßig geschützten. Spätestens da geht         Rezepte gibt es nicht. Deswegen nur ein paar Anknüpfungspunkte                 kritisches Selbstbild.
Was wir im DHMD, wie viele Kolleg*innen in anderen Häusern auch,              es neben dem Deskriptiven um das Normative. Ist das nun politisch?      zum Weiterdenken. Zum einen müssen wir die Menschen erreichen.
seit einiger Zeit fast mit Händen greifen können, ist eine Verunsiche-        Ich denke schon. Ein weiterer, die Legitimation betreffender Aspekt,    Das klingt banal, aber noch nie seit 1945 war es so ernst, noch nie            Wir können nicht davon ausgehen, dass die Bedrohung der de-
rung über unsere Themen und Vermittlungsziele, über die Einord-               den ich erwähnen möchte, ist unsere Verfassung. Die Freiheit der        waren Ressentiments gegen die als abgehoben bezeichneten Eliten,               mokratischen, offenen Gesellschaft einen Bogen um die Museen
nung unseres Tuns in politische Schemata, und eine Verunsicherung             Kunst, die Freiheit der Wissenschaft: Diese sind sozusagen unsere       gegen Intellektuelle oder gegen vermeintliches Gutmenschentum so               macht. Antidemokratisches, auch rechtsextremes Gedankengut gab
über Form und Inhalt von Anwürfen, insbesondere in den sozialen               Lebensversicherung als Institution.                                     häufig und so rabiat. Wir müssen und können mit unserer Arbeit                 es schon vor Pegida, doch mit der parlamentarischen Verankerung
Medien. Dass in einer polarisierten Öffentlichkeit auch die großen                                                                                    komplexe Themen aufbereiten, wir können Experimente machen,                    rechtspopulistischer Kräfte ging eine operative Stärkung einher. Die
Kultureinrichtungen in den polarisierten Diskurs geraten, ist nicht zu        Dass Freiheit bedroht sein kann, zeigt sich auch in Europa, wo bei-     aber wir müssen immer auch an die Empfänger*innen denken,                      notwendige Folge scheint mir daher zu sein: Wir müssen die Muse-
übersehen. Nun ist Verunsicherung nicht per se etwas Schlechtes,              spielsweise der polnische Gründungsdirektor des Danziger Welt-          nicht nur an uns als Sender. Wir müssen es schaffen, populär zu                en sturmfest machen, und zwar in ihrer Verfasstheit. Wir brauchen
aber die Problemlage ist tiefergehend, denn es geht nicht um Klei-            kriegsmuseums, Pawel Machcewicz, aus politischen Gründen ent-           sein, nicht populistisch. Auf der Checkliste der museologischen Se-            Leitbilder, auf die wir uns auch berufen können, wenn es kritisch
nigkeiten, die man so oder auch anders machen kann: Es geht um                lassen wurde. Das gibt ist es hierzulande nicht, und es gibt auch       kundärtugenden sollte also stehen: nachvollziehbare Argumentati-               wird, wir brauchen ein Bewusstsein für die Relevanz unserer Ar-
nicht weniger als um unsere gesellschaftliche Rolle als Museen. Da-           keinen Grund für Alarmismus. Aber wir kennen Facebook-Kommen-           onen, allgemeinverständliche Sprache, keine voraussetzungsreiche               beit und wir brauchen Zielstellungen, die über das Kuratorische,
bei haben sich die Museen, bei aller institutionellen Trägheit, auch          tare und Tweets, in denen uns eifrige Schreiber*innen dazu auffor-      Bildungshuberei, Orientierung statt Besserwisserei und Erziehungs-             das Wissenschaftliche und Gestalterische hinausgehen. Wir müssen
bisher schon immer wieder verändert und das auch im Sinne einer               dern, endlich wieder richtige Ausstellungen zu machen oder den          versuchen, Lebensnähe statt Abstraktion um der Abstraktion willen,             auch vorbereitet sein auf vielfältige Angriffe, auf Infragestellungen,
gesellschaftlichen Öffnung.                                                   nächsten Landtagswahlen als Tag der Abrechnung entgegenfiebern.         ein Museum für alle, keine Interessengruppen-Agenda!                           auf Gefährdungen, auch von handelnden Personen. Das heißt: Wir
                                                                              Vielleicht beginnt der eine oder die andere Museumsverantwortli-                                                                                       brauchen einen Plan! So lautet mein Plädoyer, dass wir unsere
Die heutige Fragestellung geht jedoch weiter, denn diskutiert wer-            che zu überlegen, ob man sich, vielleicht zur Schonung der Nerven,      Besucher*innen kommen vermutlich am liebsten ins Museum,                       Maximen nicht nur in plakativen Aktionen, sondern in der Breite
den soll explizit, inwieweit Museen heute eine „politische Haltung“           ein bisschen in Zurückhaltung üben sollte. Das könnte etwa heißen:      wenn sie feststellen, dass das, was wir in den Häusern machen,                 unserer Arbeit und in unseren Strukturen verankern müssen. Und:
einnehmen können, wollen, dürfen oder müssen. Die Verwendung                  nicht ständig Podiumsdiskussionen veranstalten oder vielleicht auch     etwas mit ihrem Leben zu tun hat. Das kann man als Relevanz be-                Wir nehmen die Herausforderung an.
von gleich vier Modalverben gibt die Bandbreite von unzähligen                mal wieder eine ganz apolitische Ausstellung planen.                    zeichnen. Doch Relevanz kann man sich bekanntlich nicht selber
Besprechungen und Unterhaltungen, in unseren Büros wie in den                                                                                         geben, Relevanz bekommt Museumsarbeit von ihren Nutzer*innen.
Teeküchen, in Besprechungsrunden und Leitungsgremien bestens                  Genauer besehen ist die Lage noch etwas verzwickter: Während uns        Wir können aber etwas dafür tun, indem wir unsere Ausstellungs-
wieder. Aber gibt es für das politisch engagierte Museum überhaupt            Teile der Öffentlichkeit dazu auffordern, brav bei unseren musea-       und Forschungsthemen in der Gegenwart ansiedeln oder sie in die
eine Legitimation?                                                            len Leisten zu bleiben, ermutigen, ja fordern uns andere Teile der      Gegenwart führen. Museen können tatsächlich Orientierung geben,
                                                                              Öffentlichkeit und auch Teile unserer Gremien dazu auf, die gesell-     sie können die Urteilskraft fördern. Das ist eine Aufgabe, die oft die
Man muss kein Alt-68er sein, um die Frage mit ja zu beantworten,              schaftliche, die politische Rolle unserer Museumsarbeit eher noch zu    Kolleg*innen in der Bildungsabteilung übernehmen. Besser wäre                  Bei diesem Text handelt es sich um die gekürzte und überarbeitete Version einer
denn Museen sind keine Sacharchive: In der Institution Museum                 stärken. Natürlich ist es indiskutabel, nach ein paar Anwürfen von      es, wenn wir diese Haltung zu einer der ganzen Institution erklären,           Rede, die Prof. Klaus Vogel am 22. Oktober 2018 zur Eröffnung der Jahrestagung des
steckt die DNA der Aufklärung. Hilfreich ist auch die Museumsdefi-            rechten Populist*innen (bisher ausschließlich aus dieser Richtung)      von Anfang an und in allen Bereichen.                                          Bundesverbandes Museumspädagogik im Deutschen Hygiene-Museum gehalten hat.
nition des International Council of Museums (ICOM): „Ein Museum               das politische Moment in unserer Arbeit herunterzufahren. Doch die
ist eine gemeinnützige, auf Dauer angelegte, der Öffentlichkeit zu-           Frage, inwieweit Museen, gerade in ihrer Bildungs- und Vermittlungs-
gängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Ent-              arbeit, selbst eine politische Haltung einnehmen „können, wollen,
wicklung […]“. Was wir im Museum machen – sammeln, bewahren,                  dürfen oder müssen“, muss grundsätzlich beantwortet werden. Und
forschen, ausstellen und vermitteln – machen wir also nicht für uns,          hier sehe ich zwei Handlungsfelder, in denen wir – wie immer selbst-
sondern „im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung“. Ist              kritisch, aber auch selbstbewusst – agieren sollten: zum einen struk-
das nun politisch? Für mich ohne Zweifel, und mehr noch: Es ist               turelle Veränderungen in der eigenen Institution und zum anderen
eine Aufgabenbeschreibung – und ein Auftrag.                                  das verantwortungsvolle Agieren in einer heterogenen Gesellschaft.      Foto: Oliver Killig

                                                       T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D                                                                                                                              8.9
TÄTIGKEITSBERICHT - Deutsches Hygiene-Museum
FÖRDERER DES MUSEUMS

Das Deutsche Hygiene-Museum ist eine rechtsfähige, gemeinnüt-                  Die Kulturstiftung des Bundes ist ein wichtiger Partner des Deutschen        FÖRDERUNGEN DER LANDESHAUPTSTADT DRESDEN                                     Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung vergibt in Zusammen-
zige Stiftung bürgerlichen Rechts, deren Zweck die Förderung von               Hygiene-Museums. Eine Vielzahl von Ausstellungen, zum Beispiel               Die Landeshauptstadt Dresden förderte die Erweiterung der Barrierefrei-      arbeit mit dem Deutschen Hygiene-Museum, dem Ruhr Museum
Wissenschaft, Bildung und Kultur ist. Zur Erfüllung dieses Stiftungs-          die für 2019 geplante Ausstellung „Von Pflanzen und Menschen“,               heit in der Dauerausstellung und im Kinder-Museum. Das „Lokale               Essen und dem Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig das Museums-
zwecks erhält die Stiftung zu gleichen Teilen jährliche Kostenbeiträ-          konnten bzw. können Dank der allgemeinen Projektförderung der                Handlungsprogramm für ein vielfältiges und weltoffenes Dresden“ förderte     Stipendium „Kulturelle Vielfalt und Migration“. Das Stipen­dium bie­
ge des Freistaates Sachsen und der Landeshauptstadt Dresden, die               Kulturstiftung des Bundes realisiert werden. Seit 2018 wird das Mu-          die Entwicklung von Medieninstallationen für die Ausstellung „Ras-           tet drei Stipendiaten die Möglichkeit, für jeweils acht Monate in den
beide darüber hinaus auch 2018 Mittel für Bauunterhalt und Re-                 seum für vier Jahre im Rahmen des Programms „360° – Fonds für                sismus“.                                                                     drei genannten Häusern eine museumsspezifische Ausbildung zu
paraturmaßnahmen am Museumsgebäude zur Verfügung stellten.                     Kulturen der neuen Stadtgesellschaft“ gefördert.                                                                                                          erhalten.
                                                                                                                                                            FÖRDERUNGEN DURCH PRIVATE STIFTUNGEN
FÖRDERUNGEN AUS MITTELN DES BUNDES UND DER LÄNDER                              FÖRDERUNGEN AUS MITTELN DES FREISTAATES SACHSEN                              UND UNTERNEHMEN                                                              Der Freundeskreis Deutsches Hygiene-Museum e. V., in dem sich Persön-
Aufgrund der umfangreichen Unterstützungen durch den Bund hat                  Die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen förderte die Ausstellung „Shine   Viele Unternehmen und Stiftungen unterstützten die Neugestaltung             lichkeiten aus allen Bereichen der Gesellschaft engagieren, hat als
neben den Stiftern auch ein Vertreter der Beauftragten der Bun-                on me. Wir und die Sonne“ und bewilligte Mittel für die geplante             des Kinder-Museums „Welt der Sinne“:                                         wichtiger Partner die Publikation „Themen zeigen im Raum. Aus-
desregierung für Kultur und Medien einen Sitz im Stiftungsrat des              Ausstellung „Von Pflanzen und Menschen“.                                     Hervorzuheben sind die Klaus Tschira Stiftung gGmbH, die Ostdeutsche         stellungen des Deutschen Hygiene-Museums“ unterstützt.
Deutschen Hygiene-Museums. 2018 konnten mit Mitteln aus dem                                                                                                 Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Ostsächsischen Sparkasse Dresden
Bundesprogramm „Investitionen für nationale Kultureinrichtungen in Ost-        Die Sächsische Landesstelle für Museumswesen unterstützte die Pub-           sowie die Art Mentor Foundation Lucern. Auch der langjährige Sponsor         Die BASF Schwarzheide GmbH ist ein langjähriger Unterstützer des
deutschland“ sowohl Sanierungsarbeiten am Museumsgebäude als                   likation „Themen zeigen im Raum. Ausstellungen des Deutschen                 der Kinder- und Familienprogramme, das ursprünglich in Dresden               Gläsernen Labors im Deutschen Hygiene-Museum. Seit 2013 wird
auch Verbesserungen im Servicebereich vorgenommen und erhebli-                 Hygiene-Museums“ und ermöglichte darüber hinaus die Restau-                  gegründete Familienunternehmen Melitta Group Management GmbH &               diese Einrichtung in Trägerschaft der Sächsischen Bildungsgesell-
che Investitionen für die Neugestaltung des Kinder-Museums „Welt               rierung von Moulagen aus dem Sammlungsbestand. Außerdem                      Co. KG, hat seine Förderaktivitäten auf das Kinder-Museum konzen-            schaft für Umweltschutz und Chemieberufe Dresden mbH (SBG)
der Sinne“ getätigt werden.                                                    konnte dank der Unterstützung der Sächsischen Landesstelle für               triert. Die Li-iL GmbH Arzneimittel und Arzneibäder förderte nicht nur die   betrieben. Die Nutzung des Labors ist für die Schüler*innen immer
                                                                               Museumswesen die weltweit einmalige internationale AIDS-Plakat-              Dauerausstellung und die Kindergeburtstage im Museum, sondern                mit einem Besuch der Ausstellungen des Deutschen Hygiene-Mu-
Eine weitere Förderung erfolgte durch die Beauftragte der Bundseregie-         Sammlung des Museums durch Ankäufe erweitert werden.                         stellte darüber hinaus Mittel für das Kinder-Museum bereit. Die CUP          seums verbunden.
rung für Kultur und Medien für ergänzende Bildungsangebote im Rah-                                                                                          Laboratorien Dr. Freitag GmbH hat sich über die Förderung der Dresdner
men der Ausstellung „Rassismus. Die Erfindung von Menschenras-                 Das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz ge-      Kinder-Universität hinaus ebenfalls für das Kinder-Museum enga-              Die Henkel AG & Co. KGaA unterstützt die Restaurierung des Samm-
sen“, deren Begleitprogramm in Kooperation mit der Bundeszentrale              währte in der „Richtlinie Integrative Maßnahmen“ und in der „Richt-          giert.                                                                       lungsexponats „Haargarten“ aus dem 18. Jahrhundert.
für politische Bildung entstanden ist.                                         linie zur Förderung der selbstbestimmten Teilhabe von Menschen
                                                                               mit Behinderungen“ Mittel für die inklusive und integrative Vermitt-         Das Dresdner Traditionsunternehmen Charlotte Meentzen Kräutervital
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert in der „Richtli-       lungsarbeit am Deutschen Hygiene-Museum.                                     Kosmetik GmbH förderte die Sonderausstellung „Das Gesicht. Eine
nie zur Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur                                                                                              Spurensuche“ und die Dauerausstellung „Abenteuer Mensch“.
Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes“ das auf knapp              Das Sächsische Staatsministerium für Kultus förderte eine Handreichung
zwei Jahre angelegte Digitalisierungsprojekt „Gläserne Figuren in              für Schulen, die zur Ausstellung „Rassismus. Die Erfindung von               Das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Gläserne Figuren – Aus-
der DDR: Digitalisierung und Erschließung von Tonbändern und                   Menschenrassen“ entstanden ist.                                              stellungsikonen des 20. Jahrhunderts“ zur langfristigen Bewahrung
Fotografien“ sowie das Forschungsprojekt „Dinge und Sexualität.                                                                                             von Objekten aus Kunststoff wird in der Förderinitiative „Forschung
Produktion und Konsumtion im 20. und 21. Jahrhundert“ im Pro-                                                                                               in Museen“ der Volkswagen Stiftung bis 2021 gefördert.
gramm „Die Sprache der Objekte – Materielle Kultur im Kontext ge-
sellschaftlicher Entwicklungen“.

                                                        T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D                                                                                                                                  10 . 11
TÄTIGKEITSBERICHT - Deutsches Hygiene-Museum
FÖRDERER DES MUSEUMS

                                              STAATSMINISTERIUM
                                                FÜR SOZIALES UND
                                             VERBRAUCHERSCHUTZ

T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D                         12 . 13
TÄTIGKEITSBERICHT - Deutsches Hygiene-Museum
TÄTIGKEITSBERICHT 2018 | DHMD

                                               AUSSTELLUNGEN

T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D               14 . 15
TÄTIGKEITSBERICHT - Deutsches Hygiene-Museum
PERMANENT EXHIBITION                                                                                                                                                              DAUERAUSSTELLUNG
For more than ten years now the Museum’s perma-
nent exhibition, The Human Adventure, has been                                                                                                                          Gefördert durch die APOGEPHA Arzneimittel GmbH,
drawing crowds as a pillar of the Deutsches Hygiene-                                                                                                                    die IKEA Stiftung, die Klaus Tschira Stiftung
Museum’s programme. The exhibition combines se-                                                                                                                         und die Li-iL GmbH Arzneimittel und Arzneibäder
veral different approaches to the complex and chal-
lenging subject of human life, including perspectives
of art history, society and culture, and medical ethics.
The 2,000-square-metre presentation includes over
1,300 exhibits, mostly from the Museum’s own coll-                                          links: Gerrit van Honthorst „Die Flohjagd“, Foto: Oliver Killig
                                                                                            rechts: Vitrine „Vermessung des Körpers“, Foto: Nele König
ection. The informative and entertaining museum ex-                                                                                                                     DIE 7 THEMENRÄUME
perience also draws on loans from other institutions                                                                                                                    Der Gläserne Mensch … Bilder des Menschen in den modernen Wissenschaften
and media and interactive stations specially develo-                                                                                                                    Leben und Sterben … Von der ersten Zelle bis zum Tod des Menschen
ped for the exhibition.                                                                                                                                                 Essen und Trinken … Wie aus Natur Kultur wird
                                                                                                                                                                        Sexualität … Liebe, Sex und Lebensstile
The exhibition is divided into seven thematic sec-                                                                                                                      Erinnern – Denken – Lernen … Kosmos im Kopf: Das Gehirn
tions: The Transparent Man: Concepts of man in mo-                                                                                                                      Bewegung … Die Kunst der Koordination
dern science // Living and Dying: From the first cell to                                                                                                                Schönheit, Haut und Haar … Offene Grenze zwischen Körper und Umwelt
death // Eating and Drinking: Nutrition as a biological
function and a cultural activity // Sexuality: Love, sex
and lifestyles in the age of reproductive medicine //
Memory – Thinking – Learning: The brain: A universe
in our heads // Movement: The art of motor coordina-
tion // Beauty, Skin and Hair: The open border bet-                                                                                                   ABENTEUER MENSCH
ween the body and the environment.

In 2018 the presentation format showcased in the                                            Seit fast fünfzehn Jahren ist die Dauerausstellung Abenteuer Mensch         caravaggiohaftes Licht auf die entblößte Brust wirft. Als erster Genre-
themed room on ‘The Transparent Man’ featuring so-                                          ein Publikumsmagnet – über die Hälfte aller Besucher*innen kommt            maler seiner Zeit führte van Honthorst mit der Flohjagd ein erotisch
called ‘living masks’ of people from Africa and Aus-                                        allein wegen dieser Ausstellung ins Deutsche Hygiene-Museum. Der            konnotiertes Motiv in die Kunst ein, das sich in der Literatur bereits
tralia from the 19th century was redesigned to take                                         Rundgang durch die sieben Themenräume ist als eine Erlebnisreise            in der Antike findet. „Der Floh war in den Darstellungen seit Plinius
account of racism-critical criteria that had been ela-                                      zum eigenen Körper und zu den eigenen Gedanken und Gefühlen                 und Aristoteles Kundschafter und Konkurrent, der in Bereiche des
borated as part of the special exhibition on ‘Racism’.                                      konzipiert. Diesem vielschichtigen und anspruchsvollen Thema nä-            weiblichen Körpers vorstieß, die sonst nur der männlichen Fantasie
In the themed room on ‘Beauty, Skin and Hair’, the                                          hert sich die Ausstellung aus unterschiedlichen Perspektiven und            vorbehalten waren“, wie Dr. Bernd Ernsting, Vorstand der LETTER
painting entitled The Flea Hunt by Netherlandish                                            bietet den Besucher*innen kultur- und wissenschaftshistorische,             Stiftung, bei der Übergabe des wertvollen Gemäldes erläuterte. Zu-
painter Gerrit van Honthorst (1592 – 1656) was in-                                          aber auch soziokulturelle oder medizinethische Zugänge an. Auf rund         sammen mit den historischen Exponaten zur Körper- und Schönheits-
corporated as a permanent loan.                                                             2.000 Quadratmetern werden über 1.300 Exponate präsentiert, die             pflege der Sammlung Schwarzkopf, die in dieser Abteilung zu sehen
Sponsored by: The Free State of Saxony as part of                                           vorwiegend aus der Sammlung des Museums stammen. Daneben                    sind, vermittelt Die Flohjagd nun einen Einblick in die kunst- und kul-
the Action Plan ‘Rejoinder–Rejoinder’ [Preventing                                           sorgen Leihgaben anderer Institutionen, eigens für die Ausstellung          turgeschichtliche Atmosphäre des 17. Jahrhunderts.
Obstructing], Biro Area GmbH and the Friends of the                                         entwickelte Medieneinheiten und interaktive Stationen für ein ebenso
Deutsches Hygiene-Museum e. V.                                                              informatives wie unterhaltsames Museumserlebnis.                            Vor dem Hintergrund der intensiven Auseinandersetzung mit der
                                                                                                                                                                        Sonderausstellung Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen wur-
                                                                                            Nachdem in den vergangenen Jahren die Themenräume Essen und                 de auch die Unterabteilung „Vermessung des Körpers“ im ersten
                                                                                            Trinken und Leben und Sterben überarbeitet und neu gestaltet worden         Saal Der Gläserne Mensch kritisch diskutiert. In diesem Bereich geht
                                                                                            sind, soll in einem nächsten Schritt die Abteilung Sexualität einer         es um den Zusammenhang von anthropologischer, biologischer
                                                                                            kritischen Revision und Aktualisierung unterzogen werden. Dabei             und medizinischer Forschung am Menschen seit der Mitte des 19.
                                                                                            sollen in die inhaltliche Neukonzeption insbesondere auch die Zwi-          Jahrhunderts. In Kooperation mit Mitgliedern der Arbeitsgruppe, die
                                                                                            schenergebnisse aus dem laufenden Forschungsprojekt Dinge und               bereits das Kurator*innen-Team der Rassismus-Ausstellung beraten
                                                                                            Sexualität. Produktion und Konsumtion im 20. und 21. Jahrhundert einbezo-   hatten, wurde für die dort gezeigten Lebendmasken eine geeignete
                                                                                            gen werden. Erste Planungen für dieses Vorhaben, das ab 2019 in             Präsentationsform gefunden, mit der die Fortschreibung rassifizie-
                                                                                            die Realisierungsphase eintreten wird, haben 2018 begonnen.                 render Stereotype künftig vermieden wird. Die drei Leihgaben aus
                                                                                                                                                                        den Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen zeigen
                                                                                            Neben den routinemäßigen Wartungs- und Erneuerungsarbeiten wur-             Gesichtsabformungen, die Menschen aus Australien bzw. Afrika
                                                                                            den in der Dauerausstellung 2018 zwei wichtige Ergänzungen bzw.             abgenommen worden waren. Vom Ende des 19. bis Anfang des
                                                                                            Überarbeitungen vorgenommen. Im Themenraum Schönheit, Haut und              20. Jahrhunderts wurden solche Lebendmasken auf sogenannten
                                                                                            Haar wird seit Juni als Schlüsselobjekt ein wertvolles historisches Ge-     Völkerschauen ausgestellt. Ein gestalterisches Prinzip der Rassis-
                                                                                            mälde präsentiert. Das um 1620 geschaffene Werk Die Flohjagd von            mus-Ausstellung und ihrer Begleitpublikation aufgreifend, werden
                                                                                            Gerrit van Honthorst (1592 – 1656) ist dem Deutschen Hygiene-               die Masken nun hinter einer opaken Scheibe gezeigt, die den Blick
                                                                                            Museum von der LETTER Stiftung als Dauerleihgabe zur Verfügung              der Betrachter*innen irritiert und gleichzeitig für die Besonderheit
                                                                                            gestellt worden. Das Gemälde des Utrechter Malers zeigt eine junge          dieser Exponate sensibilisiert. Der beschreibende Objekttext wurde
                                                                                            Frau, die mit geöffnetem Hemd nach einem sie belästigenden Floh             grundlegend überarbeitet und weist nun eindeutig auf den gewalt-
                                                                                            sucht. Eine ältere Dame beleuchtet die Szene mit einer Kerze, die ein       samen kolonialen Entstehungszusammenhang hin.

                                               T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D                                                                          16 . 17
KINDER-MUSEUM
   KONZEPTION
   Projektleitung im Deutschen Hygiene-Museum,                                                                                       Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur
   Mitwirkung an Konzeption und Inhalten:                                                                                            und Medien, den Freistaat Sachsen, die Ostdeutsche Sparkassen-
   Dr. Carola Rupprecht mit Susanne Weckwerth und                                                                                    stiftung gemeinsam mit der Ostsächsischen Sparkasse Dresden,
   Gabriele Manke                                                                                                                    die Klaus Tschira Stiftung gGmbH, die Art Mentor Foundation
                                                                                                                                     Lucern und die Melitta Group Management GmbH & Co. KG
   Konzeption, Entwicklung der Inhalte und Experimente,                                                                              Mit freundlicher Unterstützung von Li-iL GmbH Arzneimittel und
   Gestaltung, Produktionsleitung:                                                                                                   Arzneibäder, Freundeskreis Deutsches Hygiene-Museum e. V. und
   m.o.l.i.t.o.r. GmbH Berlin                                                                                                        CUP Laboratorien
                                                                                                                                     In Kooperation mit dem tjg.theater junge generation Dresden und
   WISSENSCHAFTLICHE BERATUNG
                                                                                                                                     der 117. Grundschule Dresden „Ludwig Reichenbach“
   Prof. Dr. Ilona Croy
   Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät    links: Farbige Schatten, Foto: Oliver Killig
   Carl Gustav Carus, Abteilung für Psychotherapie und      rechts: Spiegelkabinett, Foto: Uwe Toelle
   psychosomatische Medizin
   Prof. Dr. Thomas Hummel
   Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät
   Carl Gustav Carus, Leiter des interdisziplinären
   Zentrums „Riechen und Schmecken“
   Prof. Dr. Eckart Klemm                                                                                       W E LT D E R S I N N E
   Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Dresden
   Dr. med. Beata Rilkene
   Fachärztin für Augenheilkunde, Dresden                   Seit 2005 konnten rund eine Million Mädchen und Jungen im „alten“        Auge, Ohr, Zunge und Haut, vor allem aber interaktive Stationen,
                                                            Kinder-Museum erste Erfahrungen mit dem Medium Ausstellung               Erklär-Filme, Hörtexte und kindgerechte Illustrationen, wie die Sinne
                                                            machen. Zwölf Jahre Betrieb und eine äußerst intensive Nutzung           funktionieren. Die eigens entwickelten Experimente vermitteln spie-
   ERÖFFNUNG                                                hatten jedoch zuletzt unübersehbare Spuren an den Exponaten,             lerisch Wissen zu optischen Illusionen, zu den verschiedenen Ge-
   22. März 2018                                            interaktiven Stationen und Einbauten hinterlassen. Aber auch aus         schmacksrichtungen oder der Geschwindigkeit des Schalls. Um den
                                                            inhaltlichen und konzeptionellen Gründen war eine grundlegende           musealen Charakter der Ausstellung zu unterstreichen, wird in jeder
   REDNERINNEN UND REDNER                                   Neuaufstellung und Aktualisierung erforderlich geworden, die unter       Abteilung immer auch ein authentisches, thematisch passendes Ex-
   Gisela Staupe                                            Federführung der Abteilung Bildung und Vermittlung 2017 in Angriff       ponat aus der Sammlung des Museums präsentiert.
   Stellvertretende Direktorin,                             genommen wurde. Nach einer rund fünfmonatigen Umbauphase
   Museums- und Ausstellungsleiterin,                       wurde das Kinder-Museum am 22. März 2018 wiedereröffnet. Kin-            Schon während der Konzeptionsphase wurden die künftigen
   Deutsches Hygiene-Museum                                 der im Alter von 5 bis 10 Jahren können in diesem ca. 500 qm             Nutzer*innen des Kinder-Museums zu Rate gezogen: Dresdner
                                                            großen Erlebnisbereich die „Welt der Sinne“ jetzt wieder ganz neu        Schüler*innen einer 3. Klasse der 117. Grundschule haben die intui-
   Annekatrin Klepsch                                       entdecken – gemeinsam mit ihren Geschwistern und Freund*innen,           tive Bedienbarkeit der neuen Experimentierstationen getestet und die
   Vorsitzende des Stiftungsrats der Stiftung Deutsches     Eltern, Großeltern oder anderen erwachsenen Begleiter*innen.             Ausstellungstexte auf ihre Verständlichkeit geprüft.
   Hygiene-Museum,
   Beigeordnete für Kultur und Tourismus                    Die Fähigkeiten der fünf Sinne stehen auch weiterhin im Mittelpunkt      Eine zentrale Anforderung an die Neukonzeption des Kinder-Muse-
   der Landeshauptstadt Dresden                             dieser interaktiven Ausstellung. Die Sinne, mit denen wir uns die Welt   ums war die Weiterentwicklung des inklusiven Ansatzes, den das
                                                            erschließen, sind eine zentrale Voraussetzung für Orientierung und       Deutsche Hygiene-Museum schon seit Jahren auf vielen Ebenen
   Dr. Eva-Maria Stange                                     Kommunikation, aber auch für die gesamte kognitive Entwicklung.          verfolgt. Eine grundlegende Entscheidung bestand darin, dass bei
   Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst   Da sich Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren in dieser Hinsicht      der Planung der Themen, Exponate und interaktiven Stationen keine
                                                            in einem intensiven Lernprozess befinden, ist das Thema „Sinne“ für      normativen Standards der körperlich-geistigen Entwicklung gesetzt,
   Joachim Hoof                                             ein Kinder-Museum ein vielfach anschlussfähiger Einstieg. Auf fünf       sondern die Aufmerksamkeit auf die individuellen sensorischen und
   Vorstandsvorsitzender der Ostsächsischen Sparkasse       Themeninseln erläutern überdimensionale Tastmodelle von Nase,            kognitiven Fähigkeiten der Kinder gerichtet werden sollte. Diese
   Dresden

                                                            The Children’s Museum reopened on 23 March 2018 after a renova-          opportunity to test out the new experimental stations and check the
                                                            tion phase of approximately five months. In this 500 m2 adventure        exhibition texts to see how easy they were to understand. A key de-
                                                            space, children aged 5 to 10 now have the opportunity to rediscover      mand for the redesign of the Children’s Museum was to continue
                                                            The World of the Senses for themselves.                                  developing the inclusive approach which the Deutsches Hygiene-
                                                                                                                                     Museum has been pursuing for many years at various levels. Barrier-
                                                            On five theme-based islands, oversized sensory models of the nose,       free access to the exhibition and involvement with its contents is gua-
                                                            eye, ear, tongue and skin help explain how the senses work, along-       ranteed thanks to the use of various visual, acoustic and haptic offers.
                                                            side interactive stations, explanatory films, audio texts, experiments
                                                            and child-oriented illustrations. Each section also features an au-      The revamp was sponsored by Klaus Tschira Stiftung gGmbH, the
                                                            thentic, thematically relevant exhibit from the Museum’s collection.     Ostdeutsche Sparkassenstiftung jointly with Ostsächsische Spar-
                                                            The target group who will subsequently be visiting the Children’s        kasse Dresden, the Art Mentor Foundation Lucerne, Melitta Group
                                                            Museum in the future was consulted early on during the phase of          Management GmbH & Co. KG, Li-iL GmbH Arzneimittel und Arznei-
                                                            conceptual formulation. Third-year Dresden schoolchildren had the        bäder, and CUP Laboratorien Dr. Freitag GmbH.

T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D                                                                                      18 . 19
AUSSTELLUNGEN | DAUERAUSSTELLUNG | KINDER-MUSEUM                                                                                                       Impressionen aus dem Kinder-Museum
                                                                                                                                                       linke Seite oben, Foto: Uwe Tölle; unten, Foto: Oliver Killig; rechte Seite oben, Foto: Uwe Tölle, Mitte und unten, Foto: Oliver Killig

Prämisse stimmt mit einem Grundprinzip der sinnlichen Wahrneh-
mung selbst überein: Die Welt bildet sich nicht in jedem Individuum
identisch ab, die Verarbeitung der unterschiedlichen Sinnesdaten ist
vielmehr abhängig vom bisher erworbenen Wissen, dem Kontext und

                                                                                      5
der augenblicklichen Aufmerksamkeit.

Das barrierefreie Erkunden der Ausstellung und die Beschäftigung mit             DIE                 THEMENINSELN DES KINDER-MUSEUMS
ihren Inhalten ist mithilfe unterschiedlicher visueller, akustischer und
haptischer Angebote gewährleistet. So können Kinder im Rollstuhl
jetzt auch das Spiegelkabinett erleben, das bereits zu den Attraktio-
nen der Vorgängerausstellung gehört hatte. Während die schriftlichen                                                                                                                                              SCHMECKEN
Erläuterungen zu den einzelnen Stationen in Deutsch, Englisch und                                                                                                                                                 Der Nah-Sinn des Schmeckens ist sehr individuell, aber auch sozial und emotional geprägt.
Tschechisch angeboten werden, können sich gehörlose Kinder Erklär-                                                                                                                                                Dank der Rezeptoren auf der Zunge können wir fünf verschiedene Geschmacksrichtungen
Videos in Deutscher Gebärdensprache anschauen. Kinder, die noch                                                                                                                                                   unterscheiden: süß, salzig, sauer, bitter und umami. Neben den angeborenen und über die
Schwierigkeiten mit dem Lesen haben, finden fantasievolle Illustratio-                                                                                                                                            Muttermilch erworbenen Vorlieben, entwickelt sich der Geschmackssinn vor allem durch die
nen zu den Experimenten oder können per Kopfhörer Erläuterungen                                                                                                                                                   Sozialisation des Menschen. Allgemeine Geschmacksmuster einer regionalen oder nationalen
in Einfacher Sprache abrufen. Für Kinder und Erwachsene mit ei-                                                                                                                                                   Küche bestimmen das spätere Essverhalten. Dass man ohne die Fähigkeiten der Nase nicht
ner Migrationsgeschichte, deren Deutschkenntnisse womöglich noch                                                                                                                                                  gut schmecken kann und die beiden Sinne Schmecken und Riechen untrennbar zusammen-
nicht so gut sind, sind diese Angebote ebenfalls ein Gewinn. Und eine                                                                                                                                             gehören, können die Kinder in einem Spiel erfahren.
ganz andere Form der Kommunikation wird im Ausstellungsbereich
zum Lorm-Alphabet vorgestellt, mit dem sich taubblinde Menschen                                                                                                                                                   Exponate und Stationen: Künstliche Zitrone aus Wachs, Experimentierstation „Mein Lieblings-
verständigen können.                                                                                                                                                                                              essen“, Spiel „Essen als multisensuelles Erlebnis“

Mit dieser inklusiven Herangehensweise möchte das Kinder-Museum
möglichst viele junge Besucher erreichen, und das unabhängig von
ihrer Herkunft und unabhängig davon, mit welchen Sinnen sie die
Welt entdecken.                                                                                                                                        RIECHEN
                                                                                                                                                       Der Geruchssinn gehört zu den ursprünglichsten und triebhaftesten
                                                                                                                                                       Sinnen der Menschen. Ähnlich wie das Schmecken ist auch das Rie-
                                                                                                                                                       chen nicht nur angeboren, sondern stark von der Sozialisation ge-
SEHEN                                                                                                                                                  prägt. Gerüchen können wir uns kaum entziehen, da sie unmittelbar
In dieser Abteilung werden verschiedene kleine Experimente angeboten, mit denen die Kinder                                                             und ungefiltert auf uns wirken. Der Geruchssinn bestimmt den ersten
ihr Sehvermögen auf die Probe stellen können. Allein auf das Sehen verwendet unser Gehirn                                                              Eindruck entscheidend mit: sei es in einer neuen Umgebung oder
die Hälfte seiner täglichen Leistung. Das Auge ist unser wichtigstes Sinnesorgan. Es ist schnel-                                                       beim Treffen einer noch unbekannten Person. Gerüche und Düfte
ler als die meisten Kameralinsen und kann in kürzester Zeit riesige Mengen an Informationen                                                            sind eng mit Erinnerungen und Erlebnissen verknüpft. Das Geruchs-
verarbeiten. Die aktivsten Muskeln unseres Körpers sind die, die unsere Augen öffnen, schlie-                                                          gedächtnis wird vor allem in den ersten Lebensjahren ausgebildet und
ßen oder zwinkern lassen.                                                                                                                              prägt den Menschen ein Leben lang.

Exponate und Stationen: Historische Lunettes, Diorama, Bunte Schatten, Optische Täu-                                                                   Exponate und Stationen: Historischer Parfüm-Flakon, Station „Mein
schungen, Spiegelkabinett, Lernstation Deutsche Gebärdensprache                                                                                        Lieblingsessen“, Geruchsarchiv, Riechstationen

                                                                               HÖREN                                                                                                                                                            FÜHLEN
                                                                               Bei einem Geräusche-Memory können die Kinder herausfinden, wie                                                                                                   Über die Haut nehmen wir unsere Umgebung wahr, noch bevor wir sie
                                                                               viele Töne sie auseinanderhalten und wie genau sie sich später an sie                                                                                            sehen oder hören können. Als unser größtes Sinnesorgan reagiert sie
                                                                               erinnern können. Schon ungeborene Babys können die Stimme ihrer                                                                                                  selbst auf kleinste Berührungen. Sie kann Wärme oder Kälte empfin-
                                                                               Mutter hören und wiedererkennen. Das Ohr ist so leistungsfähig, dass                                                                                             den und schützt so vor Gefahren. Fingerspitzen und Lippen sind be-
                                                                               es 24 Stunden am Tag bis zu 400.000 verschiedene Töne voneinan-                                                                                                  sonders empfindlich, weil dort die meisten Sinneszellen sitzen. An einer
                                                                               der unterscheiden kann. An der Lautstärke und Stimmlage kann man                                                                                                 Teststation können die Kinder ausprobieren, wie die Haut auf Wärme
                                                                               beispielsweise auch ablesen, ob jemand fröhlich, traurig, aufgeregt                                                                                              und Kälte reagiert. Und in einem dunklen Tunnel am Ende der Ausstel-
                                                                               oder wütend ist.                                                                                                                                                 lung müssen sie sich ganz auf ihren Tastsinn verlassen und können
                                                                                                                                                                                                                                                dabei geheimnisvolle Gegenstände erraten.
                                                                               Exponate und Stationen: Historisches Hörrohr, Teststation Verkehrt
                                                                               -Hören, Frequenzspektrum, Filmsequenzen, zu denen die Kinder                                                                                                     Exponate und Stationen: Homunkulus, Wie groß ist deine Haut?
                                                                               unterschiedliche Musikstücke auswählen können                                                                                                                    Streichelautomat, Tasttunnel und Tastlöcher, Lernstation Brailleschrift

                                                        T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D                                                                                                                                        20 . 21
SONDERAUSSTELLUNG
                                                                                                                                                    Gefördert durch den Freistaat Sachsen im Rahmen des Lan-
                                                                                                                                                    desprogramms Integrative Maßnahmen, das Landesprogramm
                                                                                                                                                    Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz durch die
                                                                                                                                                    Landeshauptstadt Dresden, das Bundesministerium für Fami-
                                                                                                                                                    lien, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundes-
                                                                                                                                                    programms „Demokratie leben!“ und die Bundeszentrale für
                                                                                                                                                    politische Bildung

KURATORIN / PROJEKTLEITERIN
                                                                         Fotos: David Brandt
Susanne Wernsing

WISSENSCHAFTLICH-KURATORISCHES PROJEKTTEAM
Dr. Tiphaine Cattiau, Rebekka Rinner, Volker Strähle

BERATUNG UND INTERVENTIONEN
Luna Ali, Josephine Apraku, Bo – eine Weiße Aktivis-
tin aus Dresden, Dr. Natasha A. Kelly, M.S. Mboro,                                                                                  RASSISMUS
Mitarbeiter von Hatikva e. V., Lawrence Oduro-Sarpong,                                                                   DIE ERFINDUNG VON MENSCHENRASSEN
Schlomo, Roma Antidiscrimination Network, RAN/Roma-
                                                                                                                       AUSSTELLUNG_POLITISCHE BILDUNG_VERANSTALTUNGEN
Center Goettingen e. V.
                                                                                                                            Ein Projekt des Deutschen Hygiene-Museums
FILMEKURATOR*INNEN ABTEILUNG 4                                                                                                19. MAI 2018 – 6. JANUAR 2019
Mo Asumang, John A. Kantara, Dr. Barbara Lubich

WISSENSCHAFTLICHE BERATUNG
Prof. Dr. Christian Geulen, Universität Koblenz-Landau                   Die Geschichte des Deutschen Hygiene-Museums ist eng verwoben              Praxis, durch die viele Menschen mit Diskriminierung und Gewalt
                                                                         mit den Konzepten, Obsessionen und Ideologien, die im 20. Jahr-            konfrontiert sind. Aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Aussehens, ihrer
WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT                                                hundert um den Begriff der „Rasse“ kreisten. Es waren aber nicht           Religionszugehörigkeit oder ihrer Sprache machen sie erniedrigen-
Prof. Dr. Nikita Dhawan, Politikwissenschaftlerin,                       allein diese historischen Verstrickungen des Museums, sondern              de Erfahrungen, die für andere Teile der Bevölkerung nur schwer
Justus-Liebig-Universität Giessen; Dr. Özkan Ezli,                       die beunruhigenden und empörenden aktuellen Tendenzen unse-                vorstellbar sind. Rassismus verletzt nicht nur die Einzelnen, er
Literaturwissenschaftler, Universität Konstanz;                          rer Gesellschaft, die eine Ausstellung zu den „Rasse“-Konzepten            widerspricht auch den Idealen menschlicher Gleichheit und Frei-
Prof. Dr. Naika Foroutan, Sozialwissenschaftlerin,                       und dem Rassismus nahelegten. Es geht dabei nicht allein um die            heit, die einer demokratischen Gesellschaft zugrunde liegen. Die
Humboldt-Universität zu Berlin; Cilly Kugelmann,                         zahlreichen rassistisch motivierten Straftaten in Deutschland, son-        Sonderausstellung fragte danach, welcher Zusammenhang zwi-
Historikerin, ehem. Programmdirektorin des Jüdischen                     dern um einen offen artikulierten Rassismus, der sich zunehmend            schen dieser Form des Rassismus und dem Begriff der „Rasse“
Museums Berlin; Prof. Dr. Veronika Lipphardt,                            in Alltagssituationen und nicht zuletzt in den sozialen Netzwerken         selbst besteht. Dabei sollte es weniger um die Geschichte dieses
Biologin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg;                           beobachten lässt. Im kritischen und sensiblen Teil der Öffentlichkeit      gefährlichen Wortes gehen – das in unserer Gesellschaft inzwi-
Nanette Jacomijn Snoep, Anthorpologin, Direktorin                        wächst das Bewusstsein dafür, dass es auch einen „nur“ latenten            schen weitgehend geächtet ist – als um die Struktur und Wirkung
der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen                              Rassismus gibt, der aber dennoch wirksam und für die Betroffe-             dieser langlebigen Idee. Denn mit der Kategorie „Rasse“ werden
Sachsens, Prof. Dr. Hans Vorländer, Politikwissen-                       nen schmerzhaft ist – durch unreflektierte Haltungen, Unwissen,            nur scheinbar menschliche Unterschiedlichkeiten beschrieben,
schaftler, Technische Universität Dresden                                Ignoranz oder Unbedachtheit. Denn Rassismus ist nicht nur eine             in Wahrheit dient sie dazu, politische, soziale und kulturelle Un-
                                                                         menschenfeindliche Ideologie, sondern gleichzeitig eine alltägliche        gleichheit zu begründen.
AUSSTELLUNGSGESTALTUNG
KÉRÉARCHITECTURE, Berlin
                                                                         The history of the Deutsches Hygiene-Museum is closely linked with         sues such as: the casual racism encountered on a daily basis, the
MEDIENPARTNER                                                            the concepts, obsessions and ideologies which, in the 20th cen-            debate surrounding population genetics, the restitution of looted
Deutschlandradio Kultur                                                  tury, revolved around the notion of Race. The fact that historically       cultural assets, and the challenges posed by a post-migrant society.
                                                                         the Museum had been associated with these ideas, together with             During the phase of formulating the concept, the project team con-
BEGLEITPUBLIKATIONEN                                                     the unsettling and egregious trends we are currently witnessing in         sulted closely with a working group of experts who deal with ex-
                                                                         society, ultimately prompted an exhibition on the concepts of race         periences of racism either personally, scientifically, as activists, or
Katalogband                                                              and racism.                                                                in education programmes. The contributions made by the working
RASSISMUS                                                                                                                                           group are also on show at the exhibition and have become an integ-
Die Erfindung von Menschenrassen                                         Not only was the notion of ‘race’ explored in-depth from the aspects       ral part of the exhibition catalogue.
Hrsg.: Susanne Wernsing, Christian Geulen und                            of cultural history and the history of science, but every section of
Klaus Vogel für das Deutsche Hygiene-Museum                              the exhibition also featured prominent personalities and movements         The exhibition was sponsored by the Free State of Saxony, the sta-
Wallstein Verlag, Göttingen, 2018                                        that have engaged critically and oppositionally with racist ideologies.    te capital of Dresden, the Federal Ministry of Family Affairs, Senior
                                                                         Numerous media stations, filmed interviews and video installations         Citizens, Women and Youth, and the Federal Agency for Civic Edu-
Schriften des Deutschen Hygiene-Museums                                  punctuated the historical argumentation, thereby raising topical is-       cation.
DAS PHANTOM „RASSE“
Zur Geschichte und Wirkungsmacht von Rassismus
Hrsg.: Naika Foroutan, Christian Geulen, Susanne
Illmer, Klaus Vogel, Susanne Wernsing
Böhlau Verlag, Wien/Köln, 2018
                            T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D                                                                         22 . 23
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