TÄTIGKEITSBERICHT - Deutsches Hygiene-Museum
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* Der Tätigkeitsbericht 2018 verwendet den sogenannten Genderstern. Wir möchten mit diesem Zeichen auf die Existenz einer Vielzahl von Geschlechtern hinweisen. Es waren nicht zuletzt die Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung, die uns zu diesem Schritt ermuntert haben. Mit einiger Wahrscheinlichkeit bleibt er nicht der letzte auf dem langen Weg zur Gerechtigkeit unter den Geschlechtern. EMPFEHLUNGEN ZUR „GESCHLECHTERGERECHTEN SCHREIBUNG“ Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist sich bewusst, dass es einen Pluralismus grundsätzlicher kultureller, wissenschaftlicher, weltanschaulicher, sprachlicher und politischer Wahrnehmungen geschriebener Sprache als Darstellung von Lebenswirklichkei- ten gibt. Angesichts der Verbindlichkeit des amtlichen Regelwerks der deutschen Rechtschreibung für Schulen sowie Verwaltung und Rechtspflege will er mit seinen Empfehlungen dazu beitragen, dass die Einheitlichkeit und damit Verständlichkeit der Recht- schreibung im deutschsprachigen Raum so weit wie möglich gesichert bleibt. Dabei wird es wie bisher auch in Zukunft in unterschiedlichen Gruppen und Gemeinschaften unterschiedliche Schreibweisen zur Darstellung der unterschiedlichen Geschlechter geben. Diese müssen zur Kenntnis genommen und geprüft werden, sie können aber nicht jeweils für sich Allgemeingültigkeit und Verbindlichkeit für die geschriebene Sprache beanspruchen. TÄTIGKEITSBERICHT ANNUAL REPORT 2018 Der Rat für deutsche Rechtschreibung definiert die folgenden sechs Kriterien als Grundlage für „Geschlechtergerechte AUSSTELLUNGEN EXHIBITIONS Schreibung“: Geschlechtergerechte Texte sollen – sachlich korrekt sein, BILDUNG UND VERMITTLUNG EDUCATION AND LEARNING – verständlich und lesbar sein, – vorlesbar sein (mit Blick auf die Altersentwicklung der Bevölkerung und die Tendenz in den Medien, WISSENSCHAFTLICHE SCIENTIFIC Texte in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen), UND KULTURELLE VERANSTALTUNGEN AND CULTURAL PROGRAMME – Rechtssicherheit und Eindeutigkeit gewährleisten, – übertragbar sein im Hinblick auf deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitensprachen, EVENTS UND PUBLIKUMSVERANSTALTUNGEN POPULAR EVENTS – für die Lesenden bzw. Hörenden die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen. Dabei ist jeweils auf die unterschiedlichen Zielgruppen und Funktionen von Texten SAMMELN | FORSCHEN | PUBLIZIEREN COLLECTION | RESEARCH | PUBLISHING zu achten. DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Der Rat für deutsche Rechtschreibung stellt fest, dass der gesellschaftliche Diskurs über die Frage, wie neben männlich und weiblich ein drittes Geschlecht oder weitere Geschlechter angemessen bezeichnet werden können, sehr kontrovers verläuft. Dennoch ist das Recht der Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, auf angemessene sprachliche Bezeichnung ein Anliegen, das sich auch in der geschriebenen Sprache abbilden soll. Die Beobach- tung der geschriebenen Sprache zeigt dazu derzeit neben verschiedenen grammatischen (Generisches Maskulinum, Passivkon- struktionen usw.) verschiedene orthographische Ausdrucksmittel wie Unterstrich (Gender-Gap), Asterisk (Gender-Stern) oder den Zusatz männlich, weiblich, divers (m, w, d) nach dem generischen Maskulinum. Diese entsprechen in unterschiedlichem Umfang den Kriterien für geschlechtergerechte Schreibung. Diese Entwicklung steht noch am Anfang. Sie wird sich durch die Verfassungsgerichtsentscheidungen in Deutschland und Ös- terreich vermutlich beschleunigen. Die Erprobungsphase verschiedener Bezeichnungen des dritten Geschlechts verläuft in den Ländern des deutschen Sprachraums unterschiedlich schnell und intensiv. Sie soll nicht durch vorzeitige Empfehlungen und Festlegungen des Rats für deutsche Rechtschreibung beeinflusst werden. Beschluss des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 16. November 2018 www.rechtschreibrat.com Empfangshalle, Foto: Oliver Killig
I N H A LT S V E R Z E I C H N I S 6 Vorwort 8 Das Museum als Vermittler? 10 Förderer des Museums AUSSTELLUNGEN 16 Dauerausstellung 18 Kinder-Museum 22 Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen 34 Shine on me. Wir und die Sonne 40 Rückblick 42 4. Sächsische Landesausstellung BILDUNG UND VERMITTLUNG 46 Einführung 48 Inklusion und Diversität 50 Bildungsangebote zu den Ausstellungen 56 Fortbildungen 58 Kooperationen WISSENSCHAFTLICHE UND KULTURELLE VERANSTALTUNGEN 62 Einführung 64 Begleitprogramme zu den Sonderausstellungen 69 Wissenschaftliche Tagungen 74 Ausstellungsunabhängige Vortragsreihen 78 Gesprächsformate 79 Einzelveranstaltungen 80 Kinder-Universität Dresden 82 Kulturelle Veranstaltungen 86 Literatur jetzt! EVENTS UND PUBLIKUMSVERANSTALTUNGEN 94 Internationaler Museumstag | Dresden is(s)t bunt 96 Museumsnacht | Aktionstag | Familiensonntag 97 Gefilte Fest SAMMELN | FORSCHEN | PUBLIZIEREN 100 Einführung 102 Neues aus der Sammlung 106 Wissenschaftliche Förderprojekte und Kooperationen 111 In memoriam Henry Arnhold 114 Publikationen 116 Bibliothek DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM 120 Die Stiftung 124 Sanierungsmaßnahmen 126 360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft 128 Engagement 132 Tagungszentrum 146 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ANHANG 152 Ausstellungsvorschau 2019 / 20 154 Statistik 156 Impressum T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D 4.5 Deckenscheinwerfer im Großen Saal, Foto: Oliver Killig
VORWORT Opening the Museum up to the present – That has been and still is part of the brief we have set ourselves for some time now. With the comprehensive collection of illustrations and essays entitled Themen zeigen im Raum [Showcasing Themes] published last year by Hatje Cantz Verlag, we looked back on some forty exhibitions that have been on show at the Deutsches Hygiene-Museum between 1990 and 2018. This retrospective self-affir- mation highlights the fact that, over the past few decades, entirely new scopes and access opportunities have been opened up for showcasing our Museum’s pivotal object, i.e. the human being. The different personalities who acted as curators in this connection took on a crucial role as theorists of practice and practitioners of theory. Their critical field reports illustrate the seriousness and creativity with which they have come up with suitable cura- torial opportunities at the interface between museum tradition, scientific understanding, and the needs of visitors. Opening the Museum up to the present – That is also a demand that we fulfilled in almost exemplary fashion in 2018 with the special exhibition on Racism. The Invention of Human Prof. Klaus Vogel, Direktor Races. Indeed, even if the curatorial concept was clearly cultural-historical in its approach and an entire section was devoted to the involvement of the Deutsches Hygiene-Museum in the racial policy of the Nazi era, the exhibition’s vanishing point, as it were, lay in the examination of latent and evident manifestations of racism of the kind we are currently Die Gegenwart ins Museum holen – das war und ist eine program- witnessing in Saxony, in Germany, and in other countries. I am delighted not only that matische Anforderung, der wir uns an diesem Haus schon seit this project and its accompanying programme received such a huge amount of media langem stellen. Mit dem umfangreichen Bild- und Essayband The- coverage, but also that its significance was perceived by so many prominent public figures. men zeigen im Raum, der im vergangenen Jahr im Hatje Cantz Verlag I see it as a huge recognition of our staff’s dedicated work that the President of Germany, erscheinen ist, haben wir einen Blick zurück auf rund vierzig Aus- Frank-Walter Steinmeier, took the opportunity of the exhibition to discuss the social phe- stellungen geworfen, die zwischen 1990 und 2018 im Deutschen nomenon of racism at the Deutsches Hygiene-Museum with a school group from Saxony. Hygiene-Museum zu sehen waren. Diese retrospektive Selbstver- gewisserung dokumentiert, dass der Präsentation des zentralen Die Gegenwart ins Museum holen – diese Selbstverpflichtung hat Opening the Museum up to the present – That commitment we willingly undertook also Gegenstandes unseres Museums – dem Menschen – in den ver- uns auch auf anderen Gebieten beschäftigt. Eine wichtige Erfah- kept us busy in other areas, too. An important experience we made during the phase of gangenen Jahrzehnten ganz neue Spielräume und Zugangsmög- rung, die wir in der Konzeptionsphase und während der Laufzeit formulating the concept for the racism exhibition and the actual exhibition run itself was lichkeiten eröffnet werden konnten. Den unterschiedlichen Per- der Rassismus-Ausstellung gemacht haben, war die Zusammen- the co-operation with experts who deal with experiences of racism either personally, scien- sönlichkeiten, die hier als Kurator*innen gewirkt haben, kam als arbeit mit Expert*innen, die sich persönlich, wissenschaftlich, tifically, as activists, or in education programmes. They provided us with insights into the den Theoretikern der Praxis und Praktikern der Theorie dabei eine aktivistisch oder in Bildungsprogrammen mit rassistischen Erfah- problem of racism which the white population in our country either has no access to or is ganz zentrale Rolle zu. Ihre kritischen Erfahrungsberichte zeigen rungen auseinandersetzen. Sie haben uns Perspektiven auf das unaware of. The critical irritation of convictions that have simply been handed down and den Ernst und die Kreativität, mit der sie an der Schnittstelle von Problem des Rassismus eröffnet, wie sie der weißen Bevölkerung the questioning of one’s own social positioning will in future remain constant tasks which musealer Tradition, wissenschaftlicher Erkenntnis und den Bedürf- in unserem Land nicht zugänglich oder nicht bewusst sind. Die our staff, but also the museum as institution, will have to address. In the light of the above nissen der Besucher*innen angemessene Möglichkeiten des Kura- kritische Irritation tradierter Überzeugungen und die Infragestel- it is highly gratifying that the Federal Cultural Foundation has chosen to include us in their tierens entwickelt haben. lung der eigenen gesellschaftlichen Positionierung bleiben künftig programme 360° – Fund for New City Cultures. This project supports and sponsors cul- permanente Aufgaben, der sich die Mitarbeiter*innen, gleichzeitig tural institutions that want to do justice to the diversity of our post-migrant society through Die Gegenwart ins Museum holen – diesem Anspruch sind wir aber auch das Museum als Institution stellen müssen. In diesem extensive and comprehensive processes of change. 2018 mit der Sonderausstellung Rassismus. Die Erfindung von Men- Zusammenhang ist es sehr erfreulich, dass die Kulturstiftung des schenrassen geradezu exemplarisch nachgekommen. Denn auch Bundes uns in ihr Programm 360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadt- Opening the Museum up to the present – That doesn’t just mean picking up on current wenn das kuratorische Konzept erkennbar wissenschaftshistorisch gesellschaft aufgenommen hat. Mit diesem Projekt werden Kultu- topics and debates; it means first and foremost addressing people in a way that is per- fundiert oder der Beteiligung des Deutschen Hygiene-Museums an reinrichtungen unterstützt und gefördert, die durch umfassende ceived as credible and therefore as genuinely interested in the matter at hand. 292,000 der Rasse-Politik der Nationalsozialisten ein ganzes Kapitel gewid- Veränderungsprozesse der Vielfalt unserer post-migrantischen Ge- admission tickets sold and 630,000 exhibition visits show that, clearly, we have succeeded met war – der Fluchtpunkt der Ausstellung lag in der Auseinander- sellschaft gerecht werden möchten. in doing just that, for a wide audience from near and afar. On behalf of Gisela Staupe and setzung mit den latenten und manifesten Erscheinungsformen des Lars Bahners – my colleagues on the Foundation Management Board – I would like to Rassismus, wie wir sie aktuell in Sachsen, in Deutschland und in Die Gegenwart ins Museum holen – das heißt nicht nur, aktuelle express my sincere gratitude to all those who have contributed to this success in all areas anderen Ländern erleben. Es freut mich sehr, dass diesem Projekt Themen und Diskurse aufgreifen, sondern vor allem bedeutet das, of the Museum. My thanks also of course to our sponsors, lenders and partners – and not und seinem Begleitprogramm nicht nur große mediale Aufmerk- Menschen in einer Art und Weise anzusprechen, die als glaub- least to our visitors themselves. And so we look forward to opening the Museum up to the samkeit geschenkt wurde, sondern dass es in seiner Bedeutsam- würdig wahrgenommen wird und darum für die Sache interessiert. present once again in the year ahead, in your company. keit auch von unterschiedlichen Persönlichkeiten des öffentlichen 292.000 verkaufte Eintrittskarten und 630.000 Ausstellungsbesu- Lebens wahrgenommen worden ist. Ich verstehe es als eine große che deuten darauf hin, dass uns das bei einem breiten Publikum Anerkennung für die engagierte Arbeit unserer Mitarbeiterinnen aus nah und fern ganz offenbar gelungen ist. Im Namen von Gisela und Mitarbeiter, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Staupe und Lars Bahners – meiner Kollegin und meinem Kolle- die Ausstellung zum Anlass genommen hat, im Deutschen Hygi- gen im Stiftungsvorstand – möchte ich mich bei allen, die in den ene-Museum mit einer sächsischen Schulklasse über das gesell- unterschiedlichen Bereichen des Museums zu diesem Erfolg bei- schaftliche Phänomen „Rassismus“ zu diskutieren. getragen haben, ganz herzlich bedanken. Dieser Dank gilt selbst- verständlich auch unseren Förderern, Leihgebern und Kooperati- onspartnern und nicht zuletzt den Besucherinnen und Besuchern selbst. Wir sind gespannt darauf, gemeinsam mit Ihnen auch im kommenden Jahr wieder in der Gegenwart anzukommen. T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D 6.7 Foto: Oliver Killig
Die Museen haben für ihr Wirken ganz gute Karten: Es kommen viele Aus meiner Sicht gehört dazu unter anderem die kritische Beschäf- Viele Kulturinstitutionen sehen sich als durchaus politisch in ih- Menschen ins Museum, und das in der Regel freiwillig, sie bringen tigung mit der eigenen Hausgeschichte, unserer Unternehmens- rer Arbeit, und sie zeigen das demonstrativ. Transparente werden Zeit und Aufmerksamkeit mit, oft stundenlang. Es gibt eine immen- und Führungskultur, der Feedbackkultur, der Kommunikation im aufgehängt, engagierte Kolleg*innen treffen sich zum öffentlichen se inhaltliche Spannbreite, und: Museen sind glaubwürdig. Das ist Inneren sowie natürlich mit Diversität, das heißt Öffnungsprozessen Singen und zum internationalen Open-Air-Gastmahl oder stellen ein entscheidender Vorteil. Ein anderer ist: Museen sind im besten beim Publikum, beim Personal und beim Programm. In der Praxis künstlerische Positionen in den öffentlichen Raum. Das ist gut, Sinne bürgerliche Institutionen, getragen durch die Gesellschaft, ar- kann auch nicht jedes Museum jede Erwartung erfüllen. Es geht das ist wichtig, und wir im DHMD sind stets dabei. Über den Ertrag beitend für die Gesellschaft. Es gibt noch eine weitere Legitimation: aber schlicht und einfach darum, dass wir nicht den Anschluss dieser Aktionen sollten wir uns allerdings keinen Illusionen hinge- Museen sind Bildungsinstitutionen. Sie vermitteln aber nicht bloßes verlieren an eine Welt, die sich in dieser Hinsicht schnell bewegt. ben, denn am Ende werden wir nicht nach Haltungsnoten beur- Lernwissen, das Wissen der Museen ist immer kontextgebunden. Ob Natürlich gibt es ein institutionelles Beharrungsvermögen, natürlich teilt. Wenn wir uns engagieren, dann eben auch und vor allem: als Gemälde oder Dampfmaschine: Die Verfasstheit der Gesellschaft, wollen nicht immer alle Kolleg*innen mitziehen, aber dann ist eben Museum. Unsere Haltung muss sich vor allem in einer reflektierten das, was Menschen glauben, was sie tun und wofür sie leben, wird Überzeugungsarbeit gefragt, geduldig und beharrlich, um möglichst und gesellschaftlich verpflichteten Museumsarbeit zeigen, in den DAS MUSEUM ALS VERMITTLER? immer mittransportiert. viele mitzunehmen – und schließlich müssen Prozesse und Ziele verbindlich festgelegt werden. Ausstellungen selbst, in der Vermittlung und in den verschieden Veranstaltungsformaten. Das ist, um es klar zu sagen, kein Plädoyer MUSEUMSARBEIT IN EINER POLARISIERTEN ÖFFENTLICHKEIT Und die Museen vermitteln nicht nur Wissen, sondern auch Werte. dafür, lediglich die übliche Arbeit fortzusetzen, angereichert mit ein Werte aus anderen Kulturen, anderen Zeiten – und diese stehen in Zum zweiten Handlungsfeld: Wie wollen wir als Museumleute in der paar Schaufenster-Aktionen, sondern ein Plädoyer für professionel- von Prof. Klaus Vogel Bezug zu unseren heutigen Werten, den kulturell tradierten wie den heterogenen, polarisierten Gesellschaft weitermachen? Einfache le Planung, ambitionierte Zielsetzung, klare Evaluation und für ein erkämpften und verfassungsmäßig geschützten. Spätestens da geht Rezepte gibt es nicht. Deswegen nur ein paar Anknüpfungspunkte kritisches Selbstbild. Was wir im DHMD, wie viele Kolleg*innen in anderen Häusern auch, es neben dem Deskriptiven um das Normative. Ist das nun politisch? zum Weiterdenken. Zum einen müssen wir die Menschen erreichen. seit einiger Zeit fast mit Händen greifen können, ist eine Verunsiche- Ich denke schon. Ein weiterer, die Legitimation betreffender Aspekt, Das klingt banal, aber noch nie seit 1945 war es so ernst, noch nie Wir können nicht davon ausgehen, dass die Bedrohung der de- rung über unsere Themen und Vermittlungsziele, über die Einord- den ich erwähnen möchte, ist unsere Verfassung. Die Freiheit der waren Ressentiments gegen die als abgehoben bezeichneten Eliten, mokratischen, offenen Gesellschaft einen Bogen um die Museen nung unseres Tuns in politische Schemata, und eine Verunsicherung Kunst, die Freiheit der Wissenschaft: Diese sind sozusagen unsere gegen Intellektuelle oder gegen vermeintliches Gutmenschentum so macht. Antidemokratisches, auch rechtsextremes Gedankengut gab über Form und Inhalt von Anwürfen, insbesondere in den sozialen Lebensversicherung als Institution. häufig und so rabiat. Wir müssen und können mit unserer Arbeit es schon vor Pegida, doch mit der parlamentarischen Verankerung Medien. Dass in einer polarisierten Öffentlichkeit auch die großen komplexe Themen aufbereiten, wir können Experimente machen, rechtspopulistischer Kräfte ging eine operative Stärkung einher. Die Kultureinrichtungen in den polarisierten Diskurs geraten, ist nicht zu Dass Freiheit bedroht sein kann, zeigt sich auch in Europa, wo bei- aber wir müssen immer auch an die Empfänger*innen denken, notwendige Folge scheint mir daher zu sein: Wir müssen die Muse- übersehen. Nun ist Verunsicherung nicht per se etwas Schlechtes, spielsweise der polnische Gründungsdirektor des Danziger Welt- nicht nur an uns als Sender. Wir müssen es schaffen, populär zu en sturmfest machen, und zwar in ihrer Verfasstheit. Wir brauchen aber die Problemlage ist tiefergehend, denn es geht nicht um Klei- kriegsmuseums, Pawel Machcewicz, aus politischen Gründen ent- sein, nicht populistisch. Auf der Checkliste der museologischen Se- Leitbilder, auf die wir uns auch berufen können, wenn es kritisch nigkeiten, die man so oder auch anders machen kann: Es geht um lassen wurde. Das gibt ist es hierzulande nicht, und es gibt auch kundärtugenden sollte also stehen: nachvollziehbare Argumentati- wird, wir brauchen ein Bewusstsein für die Relevanz unserer Ar- nicht weniger als um unsere gesellschaftliche Rolle als Museen. Da- keinen Grund für Alarmismus. Aber wir kennen Facebook-Kommen- onen, allgemeinverständliche Sprache, keine voraussetzungsreiche beit und wir brauchen Zielstellungen, die über das Kuratorische, bei haben sich die Museen, bei aller institutionellen Trägheit, auch tare und Tweets, in denen uns eifrige Schreiber*innen dazu auffor- Bildungshuberei, Orientierung statt Besserwisserei und Erziehungs- das Wissenschaftliche und Gestalterische hinausgehen. Wir müssen bisher schon immer wieder verändert und das auch im Sinne einer dern, endlich wieder richtige Ausstellungen zu machen oder den versuchen, Lebensnähe statt Abstraktion um der Abstraktion willen, auch vorbereitet sein auf vielfältige Angriffe, auf Infragestellungen, gesellschaftlichen Öffnung. nächsten Landtagswahlen als Tag der Abrechnung entgegenfiebern. ein Museum für alle, keine Interessengruppen-Agenda! auf Gefährdungen, auch von handelnden Personen. Das heißt: Wir Vielleicht beginnt der eine oder die andere Museumsverantwortli- brauchen einen Plan! So lautet mein Plädoyer, dass wir unsere Die heutige Fragestellung geht jedoch weiter, denn diskutiert wer- che zu überlegen, ob man sich, vielleicht zur Schonung der Nerven, Besucher*innen kommen vermutlich am liebsten ins Museum, Maximen nicht nur in plakativen Aktionen, sondern in der Breite den soll explizit, inwieweit Museen heute eine „politische Haltung“ ein bisschen in Zurückhaltung üben sollte. Das könnte etwa heißen: wenn sie feststellen, dass das, was wir in den Häusern machen, unserer Arbeit und in unseren Strukturen verankern müssen. Und: einnehmen können, wollen, dürfen oder müssen. Die Verwendung nicht ständig Podiumsdiskussionen veranstalten oder vielleicht auch etwas mit ihrem Leben zu tun hat. Das kann man als Relevanz be- Wir nehmen die Herausforderung an. von gleich vier Modalverben gibt die Bandbreite von unzähligen mal wieder eine ganz apolitische Ausstellung planen. zeichnen. Doch Relevanz kann man sich bekanntlich nicht selber Besprechungen und Unterhaltungen, in unseren Büros wie in den geben, Relevanz bekommt Museumsarbeit von ihren Nutzer*innen. Teeküchen, in Besprechungsrunden und Leitungsgremien bestens Genauer besehen ist die Lage noch etwas verzwickter: Während uns Wir können aber etwas dafür tun, indem wir unsere Ausstellungs- wieder. Aber gibt es für das politisch engagierte Museum überhaupt Teile der Öffentlichkeit dazu auffordern, brav bei unseren musea- und Forschungsthemen in der Gegenwart ansiedeln oder sie in die eine Legitimation? len Leisten zu bleiben, ermutigen, ja fordern uns andere Teile der Gegenwart führen. Museen können tatsächlich Orientierung geben, Öffentlichkeit und auch Teile unserer Gremien dazu auf, die gesell- sie können die Urteilskraft fördern. Das ist eine Aufgabe, die oft die Man muss kein Alt-68er sein, um die Frage mit ja zu beantworten, schaftliche, die politische Rolle unserer Museumsarbeit eher noch zu Kolleg*innen in der Bildungsabteilung übernehmen. Besser wäre Bei diesem Text handelt es sich um die gekürzte und überarbeitete Version einer denn Museen sind keine Sacharchive: In der Institution Museum stärken. Natürlich ist es indiskutabel, nach ein paar Anwürfen von es, wenn wir diese Haltung zu einer der ganzen Institution erklären, Rede, die Prof. Klaus Vogel am 22. Oktober 2018 zur Eröffnung der Jahrestagung des steckt die DNA der Aufklärung. Hilfreich ist auch die Museumsdefi- rechten Populist*innen (bisher ausschließlich aus dieser Richtung) von Anfang an und in allen Bereichen. Bundesverbandes Museumspädagogik im Deutschen Hygiene-Museum gehalten hat. nition des International Council of Museums (ICOM): „Ein Museum das politische Moment in unserer Arbeit herunterzufahren. Doch die ist eine gemeinnützige, auf Dauer angelegte, der Öffentlichkeit zu- Frage, inwieweit Museen, gerade in ihrer Bildungs- und Vermittlungs- gängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Ent- arbeit, selbst eine politische Haltung einnehmen „können, wollen, wicklung […]“. Was wir im Museum machen – sammeln, bewahren, dürfen oder müssen“, muss grundsätzlich beantwortet werden. Und forschen, ausstellen und vermitteln – machen wir also nicht für uns, hier sehe ich zwei Handlungsfelder, in denen wir – wie immer selbst- sondern „im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung“. Ist kritisch, aber auch selbstbewusst – agieren sollten: zum einen struk- das nun politisch? Für mich ohne Zweifel, und mehr noch: Es ist turelle Veränderungen in der eigenen Institution und zum anderen eine Aufgabenbeschreibung – und ein Auftrag. das verantwortungsvolle Agieren in einer heterogenen Gesellschaft. Foto: Oliver Killig T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D 8.9
FÖRDERER DES MUSEUMS Das Deutsche Hygiene-Museum ist eine rechtsfähige, gemeinnüt- Die Kulturstiftung des Bundes ist ein wichtiger Partner des Deutschen FÖRDERUNGEN DER LANDESHAUPTSTADT DRESDEN Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung vergibt in Zusammen- zige Stiftung bürgerlichen Rechts, deren Zweck die Förderung von Hygiene-Museums. Eine Vielzahl von Ausstellungen, zum Beispiel Die Landeshauptstadt Dresden förderte die Erweiterung der Barrierefrei- arbeit mit dem Deutschen Hygiene-Museum, dem Ruhr Museum Wissenschaft, Bildung und Kultur ist. Zur Erfüllung dieses Stiftungs- die für 2019 geplante Ausstellung „Von Pflanzen und Menschen“, heit in der Dauerausstellung und im Kinder-Museum. Das „Lokale Essen und dem Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig das Museums- zwecks erhält die Stiftung zu gleichen Teilen jährliche Kostenbeiträ- konnten bzw. können Dank der allgemeinen Projektförderung der Handlungsprogramm für ein vielfältiges und weltoffenes Dresden“ förderte Stipendium „Kulturelle Vielfalt und Migration“. Das Stipendium bie ge des Freistaates Sachsen und der Landeshauptstadt Dresden, die Kulturstiftung des Bundes realisiert werden. Seit 2018 wird das Mu- die Entwicklung von Medieninstallationen für die Ausstellung „Ras- tet drei Stipendiaten die Möglichkeit, für jeweils acht Monate in den beide darüber hinaus auch 2018 Mittel für Bauunterhalt und Re- seum für vier Jahre im Rahmen des Programms „360° – Fonds für sismus“. drei genannten Häusern eine museumsspezifische Ausbildung zu paraturmaßnahmen am Museumsgebäude zur Verfügung stellten. Kulturen der neuen Stadtgesellschaft“ gefördert. erhalten. FÖRDERUNGEN DURCH PRIVATE STIFTUNGEN FÖRDERUNGEN AUS MITTELN DES BUNDES UND DER LÄNDER FÖRDERUNGEN AUS MITTELN DES FREISTAATES SACHSEN UND UNTERNEHMEN Der Freundeskreis Deutsches Hygiene-Museum e. V., in dem sich Persön- Aufgrund der umfangreichen Unterstützungen durch den Bund hat Die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen förderte die Ausstellung „Shine Viele Unternehmen und Stiftungen unterstützten die Neugestaltung lichkeiten aus allen Bereichen der Gesellschaft engagieren, hat als neben den Stiftern auch ein Vertreter der Beauftragten der Bun- on me. Wir und die Sonne“ und bewilligte Mittel für die geplante des Kinder-Museums „Welt der Sinne“: wichtiger Partner die Publikation „Themen zeigen im Raum. Aus- desregierung für Kultur und Medien einen Sitz im Stiftungsrat des Ausstellung „Von Pflanzen und Menschen“. Hervorzuheben sind die Klaus Tschira Stiftung gGmbH, die Ostdeutsche stellungen des Deutschen Hygiene-Museums“ unterstützt. Deutschen Hygiene-Museums. 2018 konnten mit Mitteln aus dem Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Ostsächsischen Sparkasse Dresden Bundesprogramm „Investitionen für nationale Kultureinrichtungen in Ost- Die Sächsische Landesstelle für Museumswesen unterstützte die Pub- sowie die Art Mentor Foundation Lucern. Auch der langjährige Sponsor Die BASF Schwarzheide GmbH ist ein langjähriger Unterstützer des deutschland“ sowohl Sanierungsarbeiten am Museumsgebäude als likation „Themen zeigen im Raum. Ausstellungen des Deutschen der Kinder- und Familienprogramme, das ursprünglich in Dresden Gläsernen Labors im Deutschen Hygiene-Museum. Seit 2013 wird auch Verbesserungen im Servicebereich vorgenommen und erhebli- Hygiene-Museums“ und ermöglichte darüber hinaus die Restau- gegründete Familienunternehmen Melitta Group Management GmbH & diese Einrichtung in Trägerschaft der Sächsischen Bildungsgesell- che Investitionen für die Neugestaltung des Kinder-Museums „Welt rierung von Moulagen aus dem Sammlungsbestand. Außerdem Co. KG, hat seine Förderaktivitäten auf das Kinder-Museum konzen- schaft für Umweltschutz und Chemieberufe Dresden mbH (SBG) der Sinne“ getätigt werden. konnte dank der Unterstützung der Sächsischen Landesstelle für triert. Die Li-iL GmbH Arzneimittel und Arzneibäder förderte nicht nur die betrieben. Die Nutzung des Labors ist für die Schüler*innen immer Museumswesen die weltweit einmalige internationale AIDS-Plakat- Dauerausstellung und die Kindergeburtstage im Museum, sondern mit einem Besuch der Ausstellungen des Deutschen Hygiene-Mu- Eine weitere Förderung erfolgte durch die Beauftragte der Bundseregie- Sammlung des Museums durch Ankäufe erweitert werden. stellte darüber hinaus Mittel für das Kinder-Museum bereit. Die CUP seums verbunden. rung für Kultur und Medien für ergänzende Bildungsangebote im Rah- Laboratorien Dr. Freitag GmbH hat sich über die Förderung der Dresdner men der Ausstellung „Rassismus. Die Erfindung von Menschenras- Das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz ge- Kinder-Universität hinaus ebenfalls für das Kinder-Museum enga- Die Henkel AG & Co. KGaA unterstützt die Restaurierung des Samm- sen“, deren Begleitprogramm in Kooperation mit der Bundeszentrale währte in der „Richtlinie Integrative Maßnahmen“ und in der „Richt- giert. lungsexponats „Haargarten“ aus dem 18. Jahrhundert. für politische Bildung entstanden ist. linie zur Förderung der selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ Mittel für die inklusive und integrative Vermitt- Das Dresdner Traditionsunternehmen Charlotte Meentzen Kräutervital Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert in der „Richtli- lungsarbeit am Deutschen Hygiene-Museum. Kosmetik GmbH förderte die Sonderausstellung „Das Gesicht. Eine nie zur Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Spurensuche“ und die Dauerausstellung „Abenteuer Mensch“. Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes“ das auf knapp Das Sächsische Staatsministerium für Kultus förderte eine Handreichung zwei Jahre angelegte Digitalisierungsprojekt „Gläserne Figuren in für Schulen, die zur Ausstellung „Rassismus. Die Erfindung von Das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Gläserne Figuren – Aus- der DDR: Digitalisierung und Erschließung von Tonbändern und Menschenrassen“ entstanden ist. stellungsikonen des 20. Jahrhunderts“ zur langfristigen Bewahrung Fotografien“ sowie das Forschungsprojekt „Dinge und Sexualität. von Objekten aus Kunststoff wird in der Förderinitiative „Forschung Produktion und Konsumtion im 20. und 21. Jahrhundert“ im Pro- in Museen“ der Volkswagen Stiftung bis 2021 gefördert. gramm „Die Sprache der Objekte – Materielle Kultur im Kontext ge- sellschaftlicher Entwicklungen“. T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D 10 . 11
FÖRDERER DES MUSEUMS STAATSMINISTERIUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D 12 . 13
PERMANENT EXHIBITION DAUERAUSSTELLUNG For more than ten years now the Museum’s perma- nent exhibition, The Human Adventure, has been Gefördert durch die APOGEPHA Arzneimittel GmbH, drawing crowds as a pillar of the Deutsches Hygiene- die IKEA Stiftung, die Klaus Tschira Stiftung Museum’s programme. The exhibition combines se- und die Li-iL GmbH Arzneimittel und Arzneibäder veral different approaches to the complex and chal- lenging subject of human life, including perspectives of art history, society and culture, and medical ethics. The 2,000-square-metre presentation includes over 1,300 exhibits, mostly from the Museum’s own coll- links: Gerrit van Honthorst „Die Flohjagd“, Foto: Oliver Killig rechts: Vitrine „Vermessung des Körpers“, Foto: Nele König ection. The informative and entertaining museum ex- DIE 7 THEMENRÄUME perience also draws on loans from other institutions Der Gläserne Mensch … Bilder des Menschen in den modernen Wissenschaften and media and interactive stations specially develo- Leben und Sterben … Von der ersten Zelle bis zum Tod des Menschen ped for the exhibition. Essen und Trinken … Wie aus Natur Kultur wird Sexualität … Liebe, Sex und Lebensstile The exhibition is divided into seven thematic sec- Erinnern – Denken – Lernen … Kosmos im Kopf: Das Gehirn tions: The Transparent Man: Concepts of man in mo- Bewegung … Die Kunst der Koordination dern science // Living and Dying: From the first cell to Schönheit, Haut und Haar … Offene Grenze zwischen Körper und Umwelt death // Eating and Drinking: Nutrition as a biological function and a cultural activity // Sexuality: Love, sex and lifestyles in the age of reproductive medicine // Memory – Thinking – Learning: The brain: A universe in our heads // Movement: The art of motor coordina- tion // Beauty, Skin and Hair: The open border bet- ABENTEUER MENSCH ween the body and the environment. In 2018 the presentation format showcased in the Seit fast fünfzehn Jahren ist die Dauerausstellung Abenteuer Mensch caravaggiohaftes Licht auf die entblößte Brust wirft. Als erster Genre- themed room on ‘The Transparent Man’ featuring so- ein Publikumsmagnet – über die Hälfte aller Besucher*innen kommt maler seiner Zeit führte van Honthorst mit der Flohjagd ein erotisch called ‘living masks’ of people from Africa and Aus- allein wegen dieser Ausstellung ins Deutsche Hygiene-Museum. Der konnotiertes Motiv in die Kunst ein, das sich in der Literatur bereits tralia from the 19th century was redesigned to take Rundgang durch die sieben Themenräume ist als eine Erlebnisreise in der Antike findet. „Der Floh war in den Darstellungen seit Plinius account of racism-critical criteria that had been ela- zum eigenen Körper und zu den eigenen Gedanken und Gefühlen und Aristoteles Kundschafter und Konkurrent, der in Bereiche des borated as part of the special exhibition on ‘Racism’. konzipiert. Diesem vielschichtigen und anspruchsvollen Thema nä- weiblichen Körpers vorstieß, die sonst nur der männlichen Fantasie In the themed room on ‘Beauty, Skin and Hair’, the hert sich die Ausstellung aus unterschiedlichen Perspektiven und vorbehalten waren“, wie Dr. Bernd Ernsting, Vorstand der LETTER painting entitled The Flea Hunt by Netherlandish bietet den Besucher*innen kultur- und wissenschaftshistorische, Stiftung, bei der Übergabe des wertvollen Gemäldes erläuterte. Zu- painter Gerrit van Honthorst (1592 – 1656) was in- aber auch soziokulturelle oder medizinethische Zugänge an. Auf rund sammen mit den historischen Exponaten zur Körper- und Schönheits- corporated as a permanent loan. 2.000 Quadratmetern werden über 1.300 Exponate präsentiert, die pflege der Sammlung Schwarzkopf, die in dieser Abteilung zu sehen Sponsored by: The Free State of Saxony as part of vorwiegend aus der Sammlung des Museums stammen. Daneben sind, vermittelt Die Flohjagd nun einen Einblick in die kunst- und kul- the Action Plan ‘Rejoinder–Rejoinder’ [Preventing sorgen Leihgaben anderer Institutionen, eigens für die Ausstellung turgeschichtliche Atmosphäre des 17. Jahrhunderts. Obstructing], Biro Area GmbH and the Friends of the entwickelte Medieneinheiten und interaktive Stationen für ein ebenso Deutsches Hygiene-Museum e. V. informatives wie unterhaltsames Museumserlebnis. Vor dem Hintergrund der intensiven Auseinandersetzung mit der Sonderausstellung Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen wur- Nachdem in den vergangenen Jahren die Themenräume Essen und de auch die Unterabteilung „Vermessung des Körpers“ im ersten Trinken und Leben und Sterben überarbeitet und neu gestaltet worden Saal Der Gläserne Mensch kritisch diskutiert. In diesem Bereich geht sind, soll in einem nächsten Schritt die Abteilung Sexualität einer es um den Zusammenhang von anthropologischer, biologischer kritischen Revision und Aktualisierung unterzogen werden. Dabei und medizinischer Forschung am Menschen seit der Mitte des 19. sollen in die inhaltliche Neukonzeption insbesondere auch die Zwi- Jahrhunderts. In Kooperation mit Mitgliedern der Arbeitsgruppe, die schenergebnisse aus dem laufenden Forschungsprojekt Dinge und bereits das Kurator*innen-Team der Rassismus-Ausstellung beraten Sexualität. Produktion und Konsumtion im 20. und 21. Jahrhundert einbezo- hatten, wurde für die dort gezeigten Lebendmasken eine geeignete gen werden. Erste Planungen für dieses Vorhaben, das ab 2019 in Präsentationsform gefunden, mit der die Fortschreibung rassifizie- die Realisierungsphase eintreten wird, haben 2018 begonnen. render Stereotype künftig vermieden wird. Die drei Leihgaben aus den Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen zeigen Neben den routinemäßigen Wartungs- und Erneuerungsarbeiten wur- Gesichtsabformungen, die Menschen aus Australien bzw. Afrika den in der Dauerausstellung 2018 zwei wichtige Ergänzungen bzw. abgenommen worden waren. Vom Ende des 19. bis Anfang des Überarbeitungen vorgenommen. Im Themenraum Schönheit, Haut und 20. Jahrhunderts wurden solche Lebendmasken auf sogenannten Haar wird seit Juni als Schlüsselobjekt ein wertvolles historisches Ge- Völkerschauen ausgestellt. Ein gestalterisches Prinzip der Rassis- mälde präsentiert. Das um 1620 geschaffene Werk Die Flohjagd von mus-Ausstellung und ihrer Begleitpublikation aufgreifend, werden Gerrit van Honthorst (1592 – 1656) ist dem Deutschen Hygiene- die Masken nun hinter einer opaken Scheibe gezeigt, die den Blick Museum von der LETTER Stiftung als Dauerleihgabe zur Verfügung der Betrachter*innen irritiert und gleichzeitig für die Besonderheit gestellt worden. Das Gemälde des Utrechter Malers zeigt eine junge dieser Exponate sensibilisiert. Der beschreibende Objekttext wurde Frau, die mit geöffnetem Hemd nach einem sie belästigenden Floh grundlegend überarbeitet und weist nun eindeutig auf den gewalt- sucht. Eine ältere Dame beleuchtet die Szene mit einer Kerze, die ein samen kolonialen Entstehungszusammenhang hin. T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D 16 . 17
KINDER-MUSEUM KONZEPTION Projektleitung im Deutschen Hygiene-Museum, Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur Mitwirkung an Konzeption und Inhalten: und Medien, den Freistaat Sachsen, die Ostdeutsche Sparkassen- Dr. Carola Rupprecht mit Susanne Weckwerth und stiftung gemeinsam mit der Ostsächsischen Sparkasse Dresden, Gabriele Manke die Klaus Tschira Stiftung gGmbH, die Art Mentor Foundation Lucern und die Melitta Group Management GmbH & Co. KG Konzeption, Entwicklung der Inhalte und Experimente, Mit freundlicher Unterstützung von Li-iL GmbH Arzneimittel und Gestaltung, Produktionsleitung: Arzneibäder, Freundeskreis Deutsches Hygiene-Museum e. V. und m.o.l.i.t.o.r. GmbH Berlin CUP Laboratorien In Kooperation mit dem tjg.theater junge generation Dresden und WISSENSCHAFTLICHE BERATUNG der 117. Grundschule Dresden „Ludwig Reichenbach“ Prof. Dr. Ilona Croy Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät links: Farbige Schatten, Foto: Oliver Killig Carl Gustav Carus, Abteilung für Psychotherapie und rechts: Spiegelkabinett, Foto: Uwe Toelle psychosomatische Medizin Prof. Dr. Thomas Hummel Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Leiter des interdisziplinären Zentrums „Riechen und Schmecken“ Prof. Dr. Eckart Klemm W E LT D E R S I N N E Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Dresden Dr. med. Beata Rilkene Fachärztin für Augenheilkunde, Dresden Seit 2005 konnten rund eine Million Mädchen und Jungen im „alten“ Auge, Ohr, Zunge und Haut, vor allem aber interaktive Stationen, Kinder-Museum erste Erfahrungen mit dem Medium Ausstellung Erklär-Filme, Hörtexte und kindgerechte Illustrationen, wie die Sinne machen. Zwölf Jahre Betrieb und eine äußerst intensive Nutzung funktionieren. Die eigens entwickelten Experimente vermitteln spie- ERÖFFNUNG hatten jedoch zuletzt unübersehbare Spuren an den Exponaten, lerisch Wissen zu optischen Illusionen, zu den verschiedenen Ge- 22. März 2018 interaktiven Stationen und Einbauten hinterlassen. Aber auch aus schmacksrichtungen oder der Geschwindigkeit des Schalls. Um den inhaltlichen und konzeptionellen Gründen war eine grundlegende musealen Charakter der Ausstellung zu unterstreichen, wird in jeder REDNERINNEN UND REDNER Neuaufstellung und Aktualisierung erforderlich geworden, die unter Abteilung immer auch ein authentisches, thematisch passendes Ex- Gisela Staupe Federführung der Abteilung Bildung und Vermittlung 2017 in Angriff ponat aus der Sammlung des Museums präsentiert. Stellvertretende Direktorin, genommen wurde. Nach einer rund fünfmonatigen Umbauphase Museums- und Ausstellungsleiterin, wurde das Kinder-Museum am 22. März 2018 wiedereröffnet. Kin- Schon während der Konzeptionsphase wurden die künftigen Deutsches Hygiene-Museum der im Alter von 5 bis 10 Jahren können in diesem ca. 500 qm Nutzer*innen des Kinder-Museums zu Rate gezogen: Dresdner großen Erlebnisbereich die „Welt der Sinne“ jetzt wieder ganz neu Schüler*innen einer 3. Klasse der 117. Grundschule haben die intui- Annekatrin Klepsch entdecken – gemeinsam mit ihren Geschwistern und Freund*innen, tive Bedienbarkeit der neuen Experimentierstationen getestet und die Vorsitzende des Stiftungsrats der Stiftung Deutsches Eltern, Großeltern oder anderen erwachsenen Begleiter*innen. Ausstellungstexte auf ihre Verständlichkeit geprüft. Hygiene-Museum, Beigeordnete für Kultur und Tourismus Die Fähigkeiten der fünf Sinne stehen auch weiterhin im Mittelpunkt Eine zentrale Anforderung an die Neukonzeption des Kinder-Muse- der Landeshauptstadt Dresden dieser interaktiven Ausstellung. Die Sinne, mit denen wir uns die Welt ums war die Weiterentwicklung des inklusiven Ansatzes, den das erschließen, sind eine zentrale Voraussetzung für Orientierung und Deutsche Hygiene-Museum schon seit Jahren auf vielen Ebenen Dr. Eva-Maria Stange Kommunikation, aber auch für die gesamte kognitive Entwicklung. verfolgt. Eine grundlegende Entscheidung bestand darin, dass bei Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst Da sich Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren in dieser Hinsicht der Planung der Themen, Exponate und interaktiven Stationen keine in einem intensiven Lernprozess befinden, ist das Thema „Sinne“ für normativen Standards der körperlich-geistigen Entwicklung gesetzt, Joachim Hoof ein Kinder-Museum ein vielfach anschlussfähiger Einstieg. Auf fünf sondern die Aufmerksamkeit auf die individuellen sensorischen und Vorstandsvorsitzender der Ostsächsischen Sparkasse Themeninseln erläutern überdimensionale Tastmodelle von Nase, kognitiven Fähigkeiten der Kinder gerichtet werden sollte. Diese Dresden The Children’s Museum reopened on 23 March 2018 after a renova- opportunity to test out the new experimental stations and check the tion phase of approximately five months. In this 500 m2 adventure exhibition texts to see how easy they were to understand. A key de- space, children aged 5 to 10 now have the opportunity to rediscover mand for the redesign of the Children’s Museum was to continue The World of the Senses for themselves. developing the inclusive approach which the Deutsches Hygiene- Museum has been pursuing for many years at various levels. Barrier- On five theme-based islands, oversized sensory models of the nose, free access to the exhibition and involvement with its contents is gua- eye, ear, tongue and skin help explain how the senses work, along- ranteed thanks to the use of various visual, acoustic and haptic offers. side interactive stations, explanatory films, audio texts, experiments and child-oriented illustrations. Each section also features an au- The revamp was sponsored by Klaus Tschira Stiftung gGmbH, the thentic, thematically relevant exhibit from the Museum’s collection. Ostdeutsche Sparkassenstiftung jointly with Ostsächsische Spar- The target group who will subsequently be visiting the Children’s kasse Dresden, the Art Mentor Foundation Lucerne, Melitta Group Museum in the future was consulted early on during the phase of Management GmbH & Co. KG, Li-iL GmbH Arzneimittel und Arznei- conceptual formulation. Third-year Dresden schoolchildren had the bäder, and CUP Laboratorien Dr. Freitag GmbH. 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AUSSTELLUNGEN | DAUERAUSSTELLUNG | KINDER-MUSEUM Impressionen aus dem Kinder-Museum linke Seite oben, Foto: Uwe Tölle; unten, Foto: Oliver Killig; rechte Seite oben, Foto: Uwe Tölle, Mitte und unten, Foto: Oliver Killig Prämisse stimmt mit einem Grundprinzip der sinnlichen Wahrneh- mung selbst überein: Die Welt bildet sich nicht in jedem Individuum identisch ab, die Verarbeitung der unterschiedlichen Sinnesdaten ist vielmehr abhängig vom bisher erworbenen Wissen, dem Kontext und 5 der augenblicklichen Aufmerksamkeit. Das barrierefreie Erkunden der Ausstellung und die Beschäftigung mit DIE THEMENINSELN DES KINDER-MUSEUMS ihren Inhalten ist mithilfe unterschiedlicher visueller, akustischer und haptischer Angebote gewährleistet. So können Kinder im Rollstuhl jetzt auch das Spiegelkabinett erleben, das bereits zu den Attraktio- nen der Vorgängerausstellung gehört hatte. Während die schriftlichen SCHMECKEN Erläuterungen zu den einzelnen Stationen in Deutsch, Englisch und Der Nah-Sinn des Schmeckens ist sehr individuell, aber auch sozial und emotional geprägt. Tschechisch angeboten werden, können sich gehörlose Kinder Erklär- Dank der Rezeptoren auf der Zunge können wir fünf verschiedene Geschmacksrichtungen Videos in Deutscher Gebärdensprache anschauen. Kinder, die noch unterscheiden: süß, salzig, sauer, bitter und umami. Neben den angeborenen und über die Schwierigkeiten mit dem Lesen haben, finden fantasievolle Illustratio- Muttermilch erworbenen Vorlieben, entwickelt sich der Geschmackssinn vor allem durch die nen zu den Experimenten oder können per Kopfhörer Erläuterungen Sozialisation des Menschen. Allgemeine Geschmacksmuster einer regionalen oder nationalen in Einfacher Sprache abrufen. Für Kinder und Erwachsene mit ei- Küche bestimmen das spätere Essverhalten. Dass man ohne die Fähigkeiten der Nase nicht ner Migrationsgeschichte, deren Deutschkenntnisse womöglich noch gut schmecken kann und die beiden Sinne Schmecken und Riechen untrennbar zusammen- nicht so gut sind, sind diese Angebote ebenfalls ein Gewinn. Und eine gehören, können die Kinder in einem Spiel erfahren. ganz andere Form der Kommunikation wird im Ausstellungsbereich zum Lorm-Alphabet vorgestellt, mit dem sich taubblinde Menschen Exponate und Stationen: Künstliche Zitrone aus Wachs, Experimentierstation „Mein Lieblings- verständigen können. essen“, Spiel „Essen als multisensuelles Erlebnis“ Mit dieser inklusiven Herangehensweise möchte das Kinder-Museum möglichst viele junge Besucher erreichen, und das unabhängig von ihrer Herkunft und unabhängig davon, mit welchen Sinnen sie die Welt entdecken. RIECHEN Der Geruchssinn gehört zu den ursprünglichsten und triebhaftesten Sinnen der Menschen. Ähnlich wie das Schmecken ist auch das Rie- chen nicht nur angeboren, sondern stark von der Sozialisation ge- SEHEN prägt. Gerüchen können wir uns kaum entziehen, da sie unmittelbar In dieser Abteilung werden verschiedene kleine Experimente angeboten, mit denen die Kinder und ungefiltert auf uns wirken. Der Geruchssinn bestimmt den ersten ihr Sehvermögen auf die Probe stellen können. Allein auf das Sehen verwendet unser Gehirn Eindruck entscheidend mit: sei es in einer neuen Umgebung oder die Hälfte seiner täglichen Leistung. Das Auge ist unser wichtigstes Sinnesorgan. Es ist schnel- beim Treffen einer noch unbekannten Person. Gerüche und Düfte ler als die meisten Kameralinsen und kann in kürzester Zeit riesige Mengen an Informationen sind eng mit Erinnerungen und Erlebnissen verknüpft. Das Geruchs- verarbeiten. Die aktivsten Muskeln unseres Körpers sind die, die unsere Augen öffnen, schlie- gedächtnis wird vor allem in den ersten Lebensjahren ausgebildet und ßen oder zwinkern lassen. prägt den Menschen ein Leben lang. Exponate und Stationen: Historische Lunettes, Diorama, Bunte Schatten, Optische Täu- Exponate und Stationen: Historischer Parfüm-Flakon, Station „Mein schungen, Spiegelkabinett, Lernstation Deutsche Gebärdensprache Lieblingsessen“, Geruchsarchiv, Riechstationen HÖREN FÜHLEN Bei einem Geräusche-Memory können die Kinder herausfinden, wie Über die Haut nehmen wir unsere Umgebung wahr, noch bevor wir sie viele Töne sie auseinanderhalten und wie genau sie sich später an sie sehen oder hören können. Als unser größtes Sinnesorgan reagiert sie erinnern können. Schon ungeborene Babys können die Stimme ihrer selbst auf kleinste Berührungen. Sie kann Wärme oder Kälte empfin- Mutter hören und wiedererkennen. Das Ohr ist so leistungsfähig, dass den und schützt so vor Gefahren. Fingerspitzen und Lippen sind be- es 24 Stunden am Tag bis zu 400.000 verschiedene Töne voneinan- sonders empfindlich, weil dort die meisten Sinneszellen sitzen. An einer der unterscheiden kann. An der Lautstärke und Stimmlage kann man Teststation können die Kinder ausprobieren, wie die Haut auf Wärme beispielsweise auch ablesen, ob jemand fröhlich, traurig, aufgeregt und Kälte reagiert. Und in einem dunklen Tunnel am Ende der Ausstel- oder wütend ist. lung müssen sie sich ganz auf ihren Tastsinn verlassen und können dabei geheimnisvolle Gegenstände erraten. Exponate und Stationen: Historisches Hörrohr, Teststation Verkehrt -Hören, Frequenzspektrum, Filmsequenzen, zu denen die Kinder Exponate und Stationen: Homunkulus, Wie groß ist deine Haut? unterschiedliche Musikstücke auswählen können Streichelautomat, Tasttunnel und Tastlöcher, Lernstation Brailleschrift T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D 20 . 21
SONDERAUSSTELLUNG Gefördert durch den Freistaat Sachsen im Rahmen des Lan- desprogramms Integrative Maßnahmen, das Landesprogramm Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz durch die Landeshauptstadt Dresden, das Bundesministerium für Fami- lien, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundes- programms „Demokratie leben!“ und die Bundeszentrale für politische Bildung KURATORIN / PROJEKTLEITERIN Fotos: David Brandt Susanne Wernsing WISSENSCHAFTLICH-KURATORISCHES PROJEKTTEAM Dr. Tiphaine Cattiau, Rebekka Rinner, Volker Strähle BERATUNG UND INTERVENTIONEN Luna Ali, Josephine Apraku, Bo – eine Weiße Aktivis- tin aus Dresden, Dr. Natasha A. Kelly, M.S. Mboro, RASSISMUS Mitarbeiter von Hatikva e. V., Lawrence Oduro-Sarpong, DIE ERFINDUNG VON MENSCHENRASSEN Schlomo, Roma Antidiscrimination Network, RAN/Roma- AUSSTELLUNG_POLITISCHE BILDUNG_VERANSTALTUNGEN Center Goettingen e. V. Ein Projekt des Deutschen Hygiene-Museums FILMEKURATOR*INNEN ABTEILUNG 4 19. MAI 2018 – 6. JANUAR 2019 Mo Asumang, John A. Kantara, Dr. Barbara Lubich WISSENSCHAFTLICHE BERATUNG Prof. Dr. Christian Geulen, Universität Koblenz-Landau Die Geschichte des Deutschen Hygiene-Museums ist eng verwoben Praxis, durch die viele Menschen mit Diskriminierung und Gewalt mit den Konzepten, Obsessionen und Ideologien, die im 20. Jahr- konfrontiert sind. Aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Aussehens, ihrer WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT hundert um den Begriff der „Rasse“ kreisten. Es waren aber nicht Religionszugehörigkeit oder ihrer Sprache machen sie erniedrigen- Prof. Dr. Nikita Dhawan, Politikwissenschaftlerin, allein diese historischen Verstrickungen des Museums, sondern de Erfahrungen, die für andere Teile der Bevölkerung nur schwer Justus-Liebig-Universität Giessen; Dr. Özkan Ezli, die beunruhigenden und empörenden aktuellen Tendenzen unse- vorstellbar sind. Rassismus verletzt nicht nur die Einzelnen, er Literaturwissenschaftler, Universität Konstanz; rer Gesellschaft, die eine Ausstellung zu den „Rasse“-Konzepten widerspricht auch den Idealen menschlicher Gleichheit und Frei- Prof. Dr. Naika Foroutan, Sozialwissenschaftlerin, und dem Rassismus nahelegten. Es geht dabei nicht allein um die heit, die einer demokratischen Gesellschaft zugrunde liegen. Die Humboldt-Universität zu Berlin; Cilly Kugelmann, zahlreichen rassistisch motivierten Straftaten in Deutschland, son- Sonderausstellung fragte danach, welcher Zusammenhang zwi- Historikerin, ehem. Programmdirektorin des Jüdischen dern um einen offen artikulierten Rassismus, der sich zunehmend schen dieser Form des Rassismus und dem Begriff der „Rasse“ Museums Berlin; Prof. Dr. Veronika Lipphardt, in Alltagssituationen und nicht zuletzt in den sozialen Netzwerken selbst besteht. Dabei sollte es weniger um die Geschichte dieses Biologin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; beobachten lässt. Im kritischen und sensiblen Teil der Öffentlichkeit gefährlichen Wortes gehen – das in unserer Gesellschaft inzwi- Nanette Jacomijn Snoep, Anthorpologin, Direktorin wächst das Bewusstsein dafür, dass es auch einen „nur“ latenten schen weitgehend geächtet ist – als um die Struktur und Wirkung der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Rassismus gibt, der aber dennoch wirksam und für die Betroffe- dieser langlebigen Idee. Denn mit der Kategorie „Rasse“ werden Sachsens, Prof. Dr. Hans Vorländer, Politikwissen- nen schmerzhaft ist – durch unreflektierte Haltungen, Unwissen, nur scheinbar menschliche Unterschiedlichkeiten beschrieben, schaftler, Technische Universität Dresden Ignoranz oder Unbedachtheit. Denn Rassismus ist nicht nur eine in Wahrheit dient sie dazu, politische, soziale und kulturelle Un- menschenfeindliche Ideologie, sondern gleichzeitig eine alltägliche gleichheit zu begründen. AUSSTELLUNGSGESTALTUNG KÉRÉARCHITECTURE, Berlin The history of the Deutsches Hygiene-Museum is closely linked with sues such as: the casual racism encountered on a daily basis, the MEDIENPARTNER the concepts, obsessions and ideologies which, in the 20th cen- debate surrounding population genetics, the restitution of looted Deutschlandradio Kultur tury, revolved around the notion of Race. The fact that historically cultural assets, and the challenges posed by a post-migrant society. the Museum had been associated with these ideas, together with During the phase of formulating the concept, the project team con- BEGLEITPUBLIKATIONEN the unsettling and egregious trends we are currently witnessing in sulted closely with a working group of experts who deal with ex- society, ultimately prompted an exhibition on the concepts of race periences of racism either personally, scientifically, as activists, or Katalogband and racism. in education programmes. The contributions made by the working RASSISMUS group are also on show at the exhibition and have become an integ- Die Erfindung von Menschenrassen Not only was the notion of ‘race’ explored in-depth from the aspects ral part of the exhibition catalogue. Hrsg.: Susanne Wernsing, Christian Geulen und of cultural history and the history of science, but every section of Klaus Vogel für das Deutsche Hygiene-Museum the exhibition also featured prominent personalities and movements The exhibition was sponsored by the Free State of Saxony, the sta- Wallstein Verlag, Göttingen, 2018 that have engaged critically and oppositionally with racist ideologies. te capital of Dresden, the Federal Ministry of Family Affairs, Senior Numerous media stations, filmed interviews and video installations Citizens, Women and Youth, and the Federal Agency for Civic Edu- Schriften des Deutschen Hygiene-Museums punctuated the historical argumentation, thereby raising topical is- cation. DAS PHANTOM „RASSE“ Zur Geschichte und Wirkungsmacht von Rassismus Hrsg.: Naika Foroutan, Christian Geulen, Susanne Illmer, Klaus Vogel, Susanne Wernsing Böhlau Verlag, Wien/Köln, 2018 T Ä T IG KEI TSB ER I C H T 2018 | D H M D 22 . 23
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