THEMA: KOPIE FÄLSCHUNG VERFÄLSCHUNG - JULI 2017 13No. & - Kunst und Kontext
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& 13 No. JULI 2017 THEMA: KOPIE FÄLSCHUNG VERFÄLSCHUNG Zeitschrift Vereinigung der Freunde afrikanischer Kultur e.V. F a k e - Co d e
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KUNST&KONTEXT 1/2017 INHALT 3 VORAB! Erstmals haben wir zu einem Thema etwa dreißig potenzielle Leider konnten wir nicht alle vorliegenden Artikel in dieser Autoren in Museen, an Universitäten, Sammler und Händler, Nummer unterbringen und werden daher im nächsten Heft das etwa ein halbes Jahr vor dem Erscheinen informiert und um Thema fortsetzen. Das für Herbst 2017 geplante Themenheft Beiträge gebeten. Schnell war klar, dass der Fokus beim Thema zum Humboldt-Forum und den Sammlungen des Ethnologischen „Fälschung-Verfälschung“ nicht in Afrika, Amerika oder Asien Museums Berlin ist damit auf das Frühjahr 2018 verschoben. liegen würde, sondern in Europa. Ganz besonders freut uns, dass wir wieder einen Artikel in Die Rekonstruktion der regionalen Herkunft oder der Sammlungs- französischer und deutscher Version vorlegen können: Die geschichte, das Aufspüren einer Verfälschung oder Fälschung, französische Kunsthistorikerin Valentine Plisnier schreibt über aber auch der Nachweis der Authentizität sind eine Art Indizi- Gaston-Luis Roux, einen bislang zu wenig beachteten Akteur enprozess. Mancher Beitrag in diesem Heft mag dadurch etwas der Expedition Dakar-Djibouti. schwer lesbar sein, aber wer den Nachweis führen will, dass afrikanische Kurzwaffen „made in Austria“ oder Feder-Capes Berlin, den 6. Juli 2017 der Tupinambá des 16. Jahrhunderts in Paris bzw. Brüssel eu- Andreas Schlothauer ropäische Kombinationen sind, zwei Thron-Hocker aus dem Königreich Benin um 1938 in Berlin kopiert sowie Masken und Figuren aus Afrika in Europa stark verändert wurden, Perlen- schurze aus Kamerun Kreationen der 1990er-Jahren sind und sich in Mannheim eine bisher nicht erkannte „Türkenbeute“ des RUDI SCHWARZ VERSTORBEN 17. Jahrhunderts befindet, der muss sorgfältig argumentieren. Am 11. März 2017 ist Rudi Schwarz, der von 1998 bis 2006 Vorsitzender der Vereinigung der Freunde Afrika- Eine gute Fälschung ist mehr als ein Imitat oder eine Kopie. Hier nischer Kultur e. V. war, nach langer, schwerer Krankheit sei auf eine Bemerkung von Michæl Oehrl verwiesen, die wohl im Alter von 86 Jahren verstorben. Rudi war nicht nur ein nicht nur für die Perlenschurze der Kirdi Gültigkeit haben dürf- fachkundiger Sammler afrikanischer Kunst mit einer deut- te: „Die Kreativität mancher Fälscher und ihr geschicktes Ein- lichen Spezialisierung auf afrikanische Waffen, der mehr- gehen auf die Wünsche des westlichen Kunstmarktes haben mals in verschiedenen afrikanischen Ländern reiste, son- andererseits hervorragende Produkte hervorgebracht, bei de- dern darüber hinaus, auch wie es Walter Egeter nen zu bedauern ist, dass es sich nicht um Originale handelt. formulierte, „ein begeisternder Freund Afrikas, seiner Diese Werke werden von einigen Händlern und Sammlern we- Menschen und Kultur.“ gen ihrer Qualität hartnäckig für authentisch gehalten, während Text: Vorstand und Redaktion, Foto: Walter Egeter sie die (rezenten) authentischen als falsch ansehen.“ Unerwartete Auswirkungen haben einige Artikel in diesem Heft auf die aktuellen Diskussionen zur Restitution. Fälschungen zu- rückzugeben macht wenig Sinn. Damit steht die Beurteilung zur Qualität eines Stückes, echt oder falsch bzw. authentisch, an erster Stelle. Und was, wenn ein Objekt in Europa sehr stark verändert wurde? Welcher Zustand ist bei einer Rückgabe her- zustellen? Ist es akzeptabel, derart verfälschte Stücke zu resti- tuieren? Diese Fragen enthalten den Gedanken, dass ein Objekt sowohl Teil des Lebens der Hersteller als auch der Bewahrer Rudi Schwarz bei einer seiner Reisen in Afrika mit Frauen der Fulani war und dadurch eine Art Kultur-Hybrid geworden ist.
4 INHALT KUNST&KONTEXT 1/2017 13 No. Vorwort 3 23 Impressum 4 IMPRESSUM FÄLSCHUNG - KOPIE - Kunst&Kontext 7. Jahrgang 2017 VERFÄLSCHUNG - ALTERUNG Herausgeber Vereinigung der Freunde afrikanischer Kultur Einleitung zum Thema 5 e.V. (gemeinnützig) Westerende 7a - 25876 Schwabstedt www.freunde-afrikanischer-kultur.de Made in Österreich 8 Chefredaktion Andreas Schlothauer (V.i.S.d.P.) Kunst&Kontext - Raumerstrasse 8 - 10437 Verfälschung einer Yaure-Maske 12 Berlin schlothauer@kunst-und-kontext.de 46 Redaktionelle Mitarbeit Originalzustand? 15 Ingo Barlovic, Bruno Illius, Audrey Peraldi, Petra Schütz, Martin Schultz Anzeigen/Abonnement Rückgabeforderung des Oba Akenzua II 23 info@kunst-und-kontext.de Grafik, Gestaltung Great or Fake? 34 André Orlick andreo89@me.com Titelbild Original oder Fälschung – Perlenschurze 36 Janine Heers www.janineheers.ch Druck Mannheimer Türkenbeute 41 EOS Klosterdruckerei, St. Ottilien Auflage: 1.000 Erscheint zweimal jährlich Europäische Kombinationen 46 ISSN 2192-4481 Kopfschmuck der Aikanã 58 Konto der Vereinigung der Freunde afrikanischer Kultur e. V.: Nord-Ostsee Sparkasse IBAN: DE82 2175 0000 0121 2479 69 Cover Motive 83 BIC: NOLADE21NOS 66 Abonnements sind auch ohne Vereinsmit- gliedschaft möglich: 6,50 € pro Heft plus Versand Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die persönliche Auffassung des Verfassers Gaston-Louis Roux: wieder und nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers. de la mission Dakar-Djibouti À Minotaure 66 Verantwortlich für die Richtigkeit der Textinhalte sind die jeweiligen Auto- ren. Für unverlangt eingesandte Tex- te übernehmen Redaktion und Heraus- geber keine Haftung. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge sind urheber- rechtlich geschützt.Die Redaktion hat sich um die Wahrung sämtlicher Bildrechte bemüht; sollten gleichwohl nachweisbare Rechte nicht berücksichtigt worden sein, wenden Sie sich bitte an die Redaktion. www. kunst-und-kontext.de
KUNST&KONTEXT 1/2017 FÄLSCHUNG - KOPIE - VERFÄLSCHUNG - ALTERUNG 5 Thema: Fälschung - Kopie - Verfälschung - Alterung Das Objekt im Fokus Mit dem „material turn“ in den Geistes- und Kultur- wissenschaften wird auch eine Wiederentdeckung der materiellen Kultur durch die universitäre Ethnologie be- hauptet, wodurch auch die Völkerkundemuseen wieder mehr in deren Fokus rücken. Verschiedene private Stiftungen und das Bundesminis- terium für Forschung und Wissenschaft1 fördern samm- lungsbezogene Projekte und Tagungen. In Publikationen der letzten Jahre wird das Museum zur „Methode“2 er- nannt, und Begriffe wie „materielle Kultur“3, „ethnologi- sche Sammlungen“4 oder „ethnografische Sammlungen“5 finden häufiger Verwendung. Die Stücke selbst werden in Tagungsbeiträgen und Ausstellungen bezeichnet als „sensible Objekte“6, „koloniale Objekte“7, „heikles Erbe“8, „schwieriges Erbe“7 oder gar „vergiftetes Erbe“9. Das Objekt als Fremdkörper – die universitäre Ethnologie in der Sackgasse Auffällig ist, dass die gewählten Adjektive allesamt negativ konnotiert sind, sich aber keineswegs auf direkt mit den Objekten verbundene Eigenschaften beziehen. Es werden Abb. 1: Masques Galoa denn auch fast nie einzelne Stücke beschrieben, und die Fotos in diesen Publikationen zeigen meist nur Ansamm- Ende gelten Behauptungen bzw. Thesen als akzeptierte lungen von Objekten oder Blicke in Ausstellungen. Nur Wahrheiten, und die Verwendung sowie die Nichtverwen- selten werden einzelne Objekte als „heikel“, „schwierig“ dung von Begriffen, letztere mit Gänsefüßchen versehen, oder „vergiftet“ eingestuft; meist wird nur ein diffuses erscheinen wesentlicher als das Objekt und dessen Her- und unterschwelliges Schuldbewusstsein evoziert. Inter- steller. essant ist ferner die Art des Zitierens. Während üblicher- Diese Ferne vom Objekt könnte eine Ursache für die weise die relevanten Sätze und Absätze unter Angabe der sich nicht öffnen wollende Sackgasse der Ethnologie ein, konkreten Buchseite wiedergegeben werden, verzichten der gleichzeitig immer öfter euphemistisch die Fähigkeit, Ethnologen hier gerne auf die Benennung der exakten „sich ständig neu zu erfinden“, attestiert wird. Inzwi- Fundstelle und verweisen stattdessen auf eine gesamte schen sind die ehemaligen Völkerkundemuseen zwar für Publikation – mit einer eigenen Zusammenfassung. Dies alle „Weltkulturen“ und die Globalisierung zuständig, aber setzt einerseits voraus, dass der Leser die Abhandlung verglichen mit dem zwanzigsten Jahrhundert verfügt das ebenfalls vollständig aufgenommen hat, um mitreden und einundzwanzigste über eine noch geringere Anzahl von -denken zu können, und behindert andererseits die Prü- Ethnologen mit „handfesten“ objektbezogenen Kompe- fung der Argumentation. tenzen. In der heutigen Debatte unter universitären Ethnologen wird das einzelne Objekt eher in den Hintergrund ge- Das Objekt als Fundament der Ethnologie schoben. Der Austausch beschränkt sich auf kleine Zirkel von Akademikern, die vor allem füreinander schreiben Nur wenige Ethnologen, die dann auch eher im Muse- und sich jeweils gegenseitig als Referenten für Tagun- um arbeiten, versagen nicht vor einem konkreten Stück, gen vorschlagen. Hierdurch werden etablierte Ansichten wenn dessen Inventarnummer nicht auffindbar oder perpetuiert und konträre Diskussionen verhindert. Am falsch ist und hierdurch der Zugriff auf die Sammlungs-
6 FÄLSCHUNG - KOPIE - VERFÄLSCHUNG - ALTERUNG KUNST&KONTEXT 1/2017 informationen verhindert wird. Untersuchung eines Objektes beachtet werden könnten. Nur die regelmäßige Arbeit mit Objekten ermöglicht die Dadurch entsteht ein (erweiterbares) Netz, das einerseits Entwicklung einer systematischen Herangehensweise. konkreter, andererseits offener ist und hierdurch für die Die nach naturwissenschaftlichen Grundsätzen zu er- Vielfalt weiterer Möglichkeiten und deren Entdeckung folgende Beschreibung und Analyse des Materials gibt sensibilisiert. Aufschluss über die Lebenswelt der Urheber, und die Herstellungstechniken vermitteln unterscheidbare hand- Tatort: Europa werkliche Besonderheiten. Aus der Erfassung möglichst aller erhaltenen Stücke eines Typus resultieren nicht nur Das Thema Fälschung wird derzeit eher mit Akteuren vergleichende Betrachtungen, sondern auch statistische in Afrika verknüpft. Und dann stolpert man z. B. über Aussagen über die Häufigkeit bzw. Seltenheit sowie über diesen Satz unter einer Zeichnung im Tagebuch des die zeitliche Zuordnung des Museumseinganges. Hier- französischen Missionars Fernand Grébert, die um 1914/15 durch können zudem in der erforderlichen Breite die entstanden ist (Abb. 1): „Les boches avaient commencé meist verstreuten und kaum der Forschung erschlosse- à copier des masques, pour les revendre aux Noirs.“ nen Sammlungsdokumentationen in den verschiedensten (Die Deutschen haben damit begonnen, Masken zu ko- Archiven berücksichtigt werden. Weiterhin lassen Ab- pieren, um sie dann an die Schwarzen zu verkaufen.)10 nutzungen am Objekt (Gebrauchsspuren) Rückschlüsse Wir wollen daher den Fokus auf die Täter in Europa auf die Verwendung vor Ort zu, wobei etwaige spätere und die hiesige Präsenz der Objekte richten, denn die Schäden, Restaurierungen und Manipulationen sowie die meisten Stücke lagern inzwischen länger in öffentlichen Alterung des Materials zu berücksichtigen sind. oder privaten Sammlungen, als sie von ihren Urhebern Da der Ausgangspunkt immer das einzelne Objekt ist und verwendet wurden. Zu berücksichtigen sind die Alterung das Ziel verifizierbare oder falsifizierbare Aussagen sind, des Materials, die Schäden und deren Restaurierung, aber ist dieser Ansatz eine Weiterentwicklung des „material auch Verfälschungen, wenn zum Beispiel fehlende Arme, turn“ hin zum „single object turn“. Beine oder Nasen ersetzt und „störende“ Bestandteile entfernt oder die Oberfläche (Patina) manipuliert wur- Echt oder falsch – de. So ist überaus auffällig, dass eine glänzende bzw. authentisch oder nicht authentisch? klebrig-ölige Patina besonders häufig sehr prominenten und hochpreisigen Figuren und Masken anhaftet, die aus Fast jede Diskussion über ein Objekt dreht sich auch sehr verschieden Regionen Afrikas stammen. Gerade die um eine nicht notwendigerweise unmittelbar erkennbare, alten Objekte mit einer Aufenthaltsdauer von 100 bis 500 besondere Qualität: Es geht um die Frage, ob ein Stück Jahren in europäischen Kontexten tragen Spuren, die sie „falsch“ oder „echt“ ist. Dabei wird „echt“ im allgemeinen derart verändert haben, dass ihre Hersteller sie nicht Sprachgebrauch zumeist synonym mit „authentisch“ be- wiedererkennen und wohl auch eine Rückgabe höflich ab- nutzt. Per definitionem sind „authentische“ Gegenstände lehnen würden. Warum sollten afrikanische Handwerker solche, die von Indigenen für Indigene hergestellt und ein altes kaputtes Ding auf heben, wenn sie doch ein neu- ‒ wenigstens eine Zeit lang ‒ von diesen nach ihrer ur- es, schöneres Stück bei Bedarf selbst herstellen könnten? sprünglichen Zweckbestimmung verwendet wurden10. Im Text: Bruno Illius, Andreas Schlothauer, Petra Schütz allgemeinen Sprachgebrauch wird dann z. B. im Bereich ANMERKUNGEN „alte Kunst aus Afrika“ gern noch die zeitliche Komponen- 1 Richtlinien zur Förderung „Die Sprache der Objekte – Materielle Kultur im Kontext te eines werterhöhenden Vor-Kontaktstadiums impliziert gesellschaftlicher Entwicklungen“, Bundesanzeiger vom 26.05.2017 2 Vgl. Vortragstitel von Thomas Laely bei der Tagung „Ethnologie und Weltkulturenmu- – als vermeintlicher Beleg für die „kulturelle Reinheit“ seen. Szenen einer kritischen Beziehung“ am 1. März 2016 im Ethnologischen Museum Berlin: „Das Museum als ethnologische Methode? Zeitgemäße Betrachtungen.“ Siehe der damaligen Hersteller. Das führt dann dazu, dass ein auch seinen Beitrag in dem Buch von Hahn (Fußnote 5). 3 Samida, Stephanie, Eggert, Manfred, K. H., Hahn, Hans Peter: Handbuch Materielle Objekt mit lediglich vermuteter Authentizität echter (und Kultur, Stuttgart-Weimar 2014 wertvoller) erscheinen kann als eines, dessen Herstellung 4 Kraus, Michael, Noack, Karoline: Quo vadis, Völkerkundemuseum? Aktuelle Debatten zu ethnologischen Sammlungen in Museen und Universitäten, Bielefeld 2015 und Verwendung in den letzten Jahren dokumentiert 5 Hahn, Hans Peter, Ivanov, Paola, Groschwitz, Helmut: Ethnologie und Weltkulturenmu- seum: Positionen für eine offene Weltsicht, Berlin 2017 wurde. Weitere Nachteile der Definition sind, dass diese 6 Vortragstitel von Sarah Fründt (Universität Freiburg im Breisgau) bei der Tagung „Missi- sich am einzelnen Stück oftmals nicht verifizieren lässt onsgeschichtliche Sammlungen heute. Herausforderungen, Chancen, Visionen“ am 23. und 24. März 2017 in Sankt Augustin: „Ein Gegenstand wie jeder andere?“– Sensible und andere interessante Aspekte wie z. B. Neuentwick- Objekte in Museen und wissenschaftlichen Sammlungen.“ 7 Vortragstitel von Gabriele Alex und Thomas Thiemeyer (Universität Tübingen) bei der lungen, Auftragsarbeiten, handwerklich hervorragende Tagung „Ethnologie und Weltkulturenmuseen. Szenen einer kritischen Beziehung“ am 2. März 2016 im Ethnologischen Museum Berlin: „Schwieriges Erbe: Zum Umgang mit Handelsware ausgeblendet werden. Denn der Austausch kolonialzeitlichen Objekten in ethnologischen Museen.“ Ferner: Titel einer Tagung im Linden-Museum Stuttgart am 24. April 2017: „Schwieriges Erbe: Koloniale Objekte – mit Nachbarn bis hin zur Globalisierung hat die Welt nicht Postkoloniales Wissen.“ einfacher, einheitlicher und langweiliger, sondern kompli- 8 von Poser, Alexis, Baumann, Bianca: Heikles Erbe. Koloniale Spuren bis in die Gegen- wart, Dresden 2016 zierter, vielfältiger und spannender gemacht. 9 Zusammenfassender Beitrag während der o. g. Tagung „Ethnologie und Weltkulturen- museen. Szenen einer kritischen Beziehung.“ Da sich dieses Adjektiv in keiner Publika- Wir möchten daher in diesem Heft zunächst nicht mit tion von Hahn finden lässt, war dies wohl ein sehr persönliches Statement. 10 Kamer, Henri: De l‘Authenticité des Sculptures Africaines. In: Arts d‘Afrique Noire, 12, weiteren Definitionen arbeiten, sondern, ausgehend von 1974, S. 17-40 Beispielen, unterschiedliche Aspekte zeigen, die bei der 11 Grébert, Fernand: Le Gabon 1913-1932, Genf 2003, fo 132
KUNST&KONTEXT 1/2017 FÄLSCHUNG - KOPIE - VERFÄLSCHUNG - ALTERUNG 7 ZU DEN EINZELNEN ARTIKELN Beschädigungen als Ergebnis afrikani- rend zwei andere Exemplare in Europa scher Rituale beschrieben sind. verblieben. Geschmiedete afrikanische Kurzwaf- fen made in Österreich? Original oder Fälschung. Perlenschur- Die „Mannheimer Türkenbeute“ Schon seit Langem wird unter Samm- ze der Kirdi – bis zum Ende der deut- – ein Indizienprozess lern und Händlern die Existenz von in schen Kolonialzeit eine Seltenheit Hat ein Objekt seine Inventarnummer Europa hergestellten Auftragsfälschun- Einige Objekt-Typen aus Afrika waren verloren, die es mit der Sammlungsdo- gen diskutiert. Was bisher den Rang lange Jahre bedeutungslos für den kumentation verbindet, so verschwin- von Gerüchten hatte, verdichtet sich in Handel. Wer auch immer die Nach- det damit ein Teil seiner Identität. Dass dem Beitrag von Ingo Barlovic zu kon- frage in Europa und Nordamerika sti- trotzdem eine Rekonstruktion möglich kreten Hinweisen. Seit den 1970er-Jah- muliert haben mag, z. B. ein solventer ist, zeigt der Beitrag von Martin Schultz ren wurden geschmiedete afrikanische Sammler oder ein Händler auf der Su- für einige Objekte, die in den Mannhei- Waffen in Europa kopiert und teilweise che nach einem Nischenprodukt: Er in- mer Reiss-Engelhorn-Museen bislang sogar neu erfunden. Nicht nur Objek- spirierte die Produktion. Michael Oehrl ohne Herkunftsangaben zum Teil als te, auch Buchseiten und alte Fotogra- liefert in seinem Artikel ein Beispiel „japanisch“ eingeordnet wurden und fien, welche die Provenienz bestätigen dafür, dass eine regionale und zeitliche die wohl schon im 18. Jahrhundert Teil sollten, wurden gefälscht, und deren Differenzierung von Perlenschurzen aus des Naturalienkabinetts von Kurfürst Reproduktion in Büchern verlieh den einer Region in Nord-Kamerun möglich Carl Theodor gewesen waren. Nicht Stücken die nötige „Authentizität“, um ist. So lässt sich auch eine große Anzahl nur die Provenienz, sondern auch der diese erfolgreich zu vermarkten. dieser Schurze, die in einem bis dahin regionale Bezug und teilweise auch der unbekannten Stil in den 1990er-Jahren Typus (Pfeilköcher statt Bogenfutteral) Die Wanderung und Veränderung auf dem Kunstmarkt auftauchten, iden- waren bislang falsch. einer Yaure-Maske – aus einem tifizieren. Museum in Abidjan nach München Ein Kopf-Reif der Aikanã Der Artikel von Heiner Siemers behan- Great or Fake? Eine Facebook-Grup- Unzutreffende oder ungenaue regio- delt den häufigen Fall, dass an einem pe auf der Suche nach Authentizität nale Zuschreibungen und eine zusam- Stück außerhalb Afrikas so wesentli- von Tribal Art menhangslose oder falsche Präsenta- che Veränderungen vorgenommen Da europäische Weltkulturenmuseen tion in Ausstellungen sind zwei sehr wurden, dass dieses mindestens als nur noch selten ankaufen und Kura- häufige Arten von Verfälschungen. Die Verfälschung bezeichnet werden kann. toren auf das Entdecken in den Mu- Korrektur erfordert oft die Arbeit in Eine Maske der Yaure (Elfenbeinküs- seumsdepots eher verzichten, ist die mehreren Museumssammlungen und te), die in einem 1969 erschienenen Authentizität von Objekten heute vor Archiven, auf welche die Bestände und Buch abgebildet war, damals wohl im allem bei Sammlern und Händlern ein Dokumente heute verteilt sind. Mate- Bestand des heutigen Musée des Ci- Thema. Es erstaunt daher nicht, dass rial und Technik sowie die Zusammen- vilisations de Côte d’Ivoire in Abidjan, auch im Internet Diskussionsgruppen arbeit mit den Nachbarwissenschaften, tauchte 1979 bei einem deutschen entstanden, die mittels digitaler Fotos in diesem Fall der Linguistik, können Auktionshaus auf – allerdings deutlich die Qualität von Objekten zu ergrün- entscheidende Hinweise auf die Her- verändert: Der Vogel auf der Stirn war den suchen. Eine dieser Gruppen stellt steller liefern, selbst wenn in keinem entfernt und die Patina europäischem Ingo Barlovic in seinem Artikel vor: Archiv die richtigen Herkunftsangaben Geschmack angepasst worden. ‚Great‘ (authentisch) oder ‚Fake‘ (Fäl- vorhanden sind. schung) bei Objekten aus Afrika. Über den „Originalzustand“ Europäische Kombinationen von bei afrikanischen Objekten Die Rückgabeforderung des Oba Federschmuck des Amazonas-Gebietes Fast alle ausgewählten Beispiele in Akenzua II Die wenigen erhaltenen Feder-Capes dem Beitrag von Dirk Junker befin- Mit der englischen Strafexpedition der Tupinambá Brasiliens sind mehre- den sich in prominenten Museen und gegen das Königreich Benin (Nige- re hundert Jahre alt und der besonde- Privatsammlungen und sind – in ihrem ria) im Jahr 1897 gelangten Hunder- re Stolz beispielsweise des Musée du heutigen Zustand – bestens bekannt. te von Bronzearbeiten nach Europa, quai Branly (Paris) und der Musées ro- Die Gegenüberstellung von Fotos des- darunter auch zwei jahrhundertealte yaux d‘art et d’histoire (Brüssel). Nicht selben Objektes zu unterschiedlichen Thron-Hocker. Audrey Peraldi ist bei erkannt wurde bisher, dass es sich um Zeitpunkten zeigt, dass diese Verände- ihren Recherchen in den National Ar- Kreationen handelt, die wohl schon um rungen außerhalb Afrikas entstanden. chives in London auf einen der ältesten 1600 in Europa entstanden. Das Pariser So reduzierte sich bei ursprünglich wei- dokumentierten Fälle einer Restituti- Cape besteht aus vier Bestandteilen, ßen Masken der Kaolin-Auftrag erheb- onsforderung gestoßen. Im Jahr 1935 wovon nur zwei von den Tupinambá lich. Bei anderen Stücken verschwand äußerte der damalige Herrscher von stammen, und der Brüsseler Umhang die ursprünglich mehrschichtige Patina, Benin, Oba Akenzua II, gegenüber ei- aus zwei Capes und einer Stirn-Binde. und an deren Stelle trat eine glänzen- ner britischen Delegation den dringen- Auch bei Objekten, die um 1900 im de oder klebrig-ölige Oberfläche. In den Wunsch, die Hocker zurückzuer- ehemaligen Musée d’Artillerie (Paris) wieder anderen Fällen wurden Teile halten. Es folgten eine zwölfmonatige ausgestellt waren, lassen sich derartige entfernt oder hinzugefügt oder leicht Suche nach ihnen und anschließende europäische Kombinationen nachwei- vergängliche Materialien von Insek- Verhandlungen mit einem ungewöhnli- sen. ten zerstört. Absurd wird es, wenn in chen Ergebnis: Im Januar 1939 erreich- Text: Andreas Schlothauer Publikationen derartige europäische ten zwei Thron-Hocker Nigeria, wäh-
8 FÄLSCHUNG - KOPIE - VERFÄLSCHUNG - ALTERUNG KUNST&KONTEXT 1/2017 Geschmiedete afrikanische Kurzwaffen made in Österreich? Es ist eine schier unglaubliche Story, brachte afrikanische Originale kopiert die Wolf-Dieter Miersch und Armin oder Schmiedearbeiten anhand von Wirsching gemeinsam recherchiert ha- Zeichnungen oder Fotos, die Zirngibl ben. Ihnen zufolge haz der österreichi- ihm gegeben habe, angefertigt. sche Schmied Tilman Hebeisen u. a. im Das Grundmaterial, afrikanisches Eisen, Auftrag von Manfred Zirngibl, dem be- habe ebenfalls Zirngibl zur Verfügung kanntesten deutschen und mittlerweile gestellt – beispielsweise afrikanisches verstorbenen Experten für traditionelle Primitivgeld mit dem Aussehen von Waffen aus Afrika, Objekte geschmiedet, großen Schaufeln, das zumindest da- die dieser dann als original afrikanische mals noch günstig zu bekommen gewe- Kurzwaffen verkauft haben soll. sen sei. Nicht aus Afrika hätten dagegen Aufmerksam wurden Miersch und Wir- Kupferrohlinge von Zirngibl gestammt, sching auf Hebeisen, als dieser 2014 die Hebeisen zu Kupfermessern verar- eine Rezension zu dem im Jahre 2008 beitet habe. (Abb. 1) erschienenen Buch panga na visu von Bei der Anfertigung ‚alter‘ afrikanischer Abb. 1: Kupferrohling zur Herstellung eines Manfred A. Zirngibl und Alexander Ku- Vogelkopfmessers Waffen sei ihm seine Erfahrung als ein betz auf www.afropapa.de wie folgt Schmied zugutegekommen, der schon in kommentierte: „Aber Hallo, ein schö- den 1960er-Jahren häufig europäische nes Buch???? Ja??? Alles echt??? Ja?? Objekte „auf alt herrichtete“. Von daher Ich biege mich vor lachen „Schmiede- sei es kein Problem gewesen, seinen kunst“!!“ 1 Schmiedearbeiten eine alt aussehende Darauf hin traten Miersch und Wir- Patina zu verleihen. Dabei sehe er sich sching in Kontakt mit dem Schmied, auch als Forscher, der beispielsweise vertieften ihre Recherchen, kamen dann die Arbeitstechniken der afrikanischen aber in Detailfragen zu so unterschied- Schmiede anhand der ihm vorgelegten lichen Einschätzungen, dass sie ihre Objekte studiert habe, um dann seine gemeinsame Arbeit, deren Ergebnisse eigene Arbeit so original wie möglich Wolf Dieter Miersch im Jahre 2016 zum aussehen zu lassen. Zitat: „Man darf bei Teil auf Facebook veröffentlichte, be- den Sachen nirgends eine Schleifspur endeten. Dabei ging es vor allem um sehen, der Afrikaner hat nur ein grünes divergierende Bewertungen hinsichtlich Blatt mit Sand gehabt und hat dann der Herkunft kupferner Vogelkopfmes- geschliffen. Und die Klinge war dann so Abb. 2: Kupfernes Vogelkopfmesser ser. scharf wie eine Sense.“ Aufgrund der Recherchen von Miersch und Wirsching be- Dabei habe er Waffen nicht nur erstellt, sondern auch suchte ich am 31. August 2016 Tilman Hebeisen in Wern- alte Originale restauriert, bei denen z. B. eine Spitze stein am Inn, gelegen an der deutschen Grenze. Hebeisen abgebrochen war. stammt aus einer Künstlerfamilie, ist ein meisterhafter Die Arbeit für Zirngibl endete ca. 1992. Schon kurze Zeit Kunstschmied, arbeitet aber seit einigen Jahren aus ge- später sei der Sammler Peter Hasenkopf vorstellig ge- sundheitlichen Gründen nicht mehr. Für mich am ein- worden und habe ebenfalls Objekte im Stile afrikanischer drucksvollsten waren seine geschmiedeten Kreuze. Waffen bei ihm fertigen lassen, z. B. Prunkmesser der Yakoma/Zande. Das Gespräch mit Tilman Hebeisen Von Hebeisen stammen seiner eigenen Aussage zufolge einige Griffe aus Elfenbein, die z. B. für die Zande-Mes- In unserem Gespräch gab Tilman Hebeisen an, er habe ser verwendet wurden. Andere habe ein befreundeter Manfred Zirngibl Mitte der 1970er-Jahre kennengelernt. Schnitzer für Zirngibl angefertigt. Der Kontakt sei über einen befreundeten Schnitzer ent- standen, der damals für Zirngibl gearbeitet habe. Gibt es Belege? Zirngibl habe ihn dann fast 20 Jahre lang immer wieder beauftragt, Waffen im afrikanischen Stil zu schmieden. Zu den auffallendsten Objekten, die Hebeisen nach eige- Er, Hebeisen, habe dafür entweder von Zirngibl mitge- ner Aussage bereits Mitte/Ende der 1970er-Jahre zum er-
KUNST&KONTEXT 1/2017 FÄLSCHUNG - KOPIE - VERFÄLSCHUNG - ALTERUNG 9 sten Mal für Zirngibl erstellt habe, gehörten kupferne Vo- sei ihm nach jahrelanger „Jagd“ gelungen, sämtliche fünf gelkopfmesser der Fang. Mit kupfernem Griff und Klinge Exemplare zu erwerben. aus Eisen sind diese schon lange bekannt und in Museen Um die Echtheit dieser Doppelseite zu überprüfen, über- gut dokumentiert. Vogelkopfmesser, die vollständig aus sandte ich per E-Mail eine Datei an einen Spezialisten Kupfer gearbeitet wurden, sind aber erstmals in Manfred für Drucktechnik. Seine Antwort war: „Die Vorlage ist Zirngibls 1983 veröffentlichtem Buch Seltene Afrikanische nicht gut genug, um die Schrift eindeutig zu identifizieren. Kurzwaffen2 publiziert. Hebeisen sagt dazu, dieser Typ Sie hat Mediäval-Charakter und entspricht dem Typus, sei reine Fantasie, und er habe sieben solche Messer der Anfang des 20. Jahrhunderts in angelsächsischen hergestellt, das erste nach einer Zeichnung von Zirngibl. Ländern häufig anzutreffen war. Auch der Seitenauf bau Eines der von ihm gefertigten Messer zeigt Abbildung 2. (Seitenzahl) zeigt nichts Ungewöhnliches. Nichts deutet Solche Objekte wurden seit Ende der 1980er-, Anfang darauf hin, dass das Buch zu einem späteren Zeitpunkt der 1990er-Jahre vereinzelt im Handel angeboten. Ob sie entstanden ist.“ Auf ein paar auffällige Details hat mich alle von Hebeisen geschmiedet wurden, steht dahin. Ein Bruno Illius hingewiesen: es fehlen die Seitenzahlen, die kupfernes Vogelkopfmesser befindet sich im Schwarz- Kopf- und/oder Fußzeilen sowie ein Bilduntertitel. Auch Afrika-Museum Schweiklberg, einem Museum, das von der Abschluss des Fotos mit dem Satzspiegel ist etwas Zirngibl unterstützt wurde. Tilman Hebeisen gibt an, es zu genau. (Mail vom 28. Juni 2017).“ nicht angefertigt zu haben, es sei „eine stümperhafte Ko- Bei meiner weiteren Recherche wurde ich schließlich pie, aus zwei Teilen (Klinge und Griff) zusammengelötete fündig. Bei der Doppelseite handelt es sich trotz der Kopie.“ Einschätzung des Spezialisten wohl um keine originäre Bei den ersten bekannten Messern handelte es sich laut Veröffentlichung, sondern sie setzt sich zusammen aus Zirngibl3 um fünf Objekte, die ein gewisser Sir George Teilen einer Original-Quelle, ergänzt um die Fullham- Fullham zu Beginn der 1900er-Jahre in dem Dorf Kerymi Passage. Diese Original-Quelle ist ein deutsches (!) Buch, von dem Häuptling Njong erworben habe. Als Beleg für Quer durch Uganda, von Rudolf Kmunke 1913 in Berlin die Echtheit der Provenienz führte Zirngibl damals vor veröffentlicht, basierend auf dessen Reise 1911/12.4 allem zwei Dokumente an: zunächst ein Foto, angeblich aufgenommen bei der Witwe von Sir George Fullham, das Aus diesem Buch hat der Erschaffer der Fullham-Doppel- Abb. 4: Kmunke – Quer durch Uganda, Tafel 59, S. 136 Abb. 3: Reisebeschreibung von Smith mehrere an einer Wand befestigte Vogelkopfmesser zeigt. seite ein Foto (Abb. 4) sowie wesentliche Textbestandteile Dieses Foto liegt mir zwar als Kopie vor, der derzeitige übernommen und ins Englische übersetzt. Besitzer hat mir aber untersagt, es zu veröffentlichen. Was im deutschen Original fehlt: Hinweise auf Sir George Und zweitens die Kopie einer Doppelseite einer eng- Fullham, die Vogelkopfmesser und das Dorf Kerymi, in lischsprachigen Reisebeschreibung (Abb. 3), auf der hand- dem sich Fullham angeblich befunden, und woher er die schriftlich wohl der Autor L. A. Smith (oder C. A. Smith, Messer hatte. Und es gibt darin auch keinen Häuptling der erste Buchstabe ist nicht eindeutig zu identifizieren) Njong. Kmunke war in anderen Gegenden unterwegs. und die Jahreszahl 1914 vermerkt sind. Diese Doppelseite Kurz: Bei dieser Doppelseite muss man davon ausgehen, erwähnt Zirngibl in seinem Buch. Weiter schreibt er, es dass es sich um eine sehr gut gemachte Fälschung han-
10 FÄLSCHUNG - KOPIE - VERFÄLSCHUNG - ALTERUNG KUNST&KONTEXT 1/2017 Text L. A. Smith Text R. Kmunke, Quer durch Uganda S. 58: Sie trugen fast gar keine Kleidung, nur der eine oder andere They had hardly any clothes on, only one or two wore a small piece von ihnen deckte mit einem kleinen Stück Fell seine Blösse und trug of skin and had a thin iron chain slung round their bodies eine dünne Eisenkette um den Leib geschlungen. S. 58: Man behauptet, dass bei diesem Stamme am rechten Ober- It is said that among this tribe each tattooed ring on the right upper arm jeder Tätowierungsring das Zeichen für die Ermordung eines arm signifies the murder of a man, on the left upper arm that of a Mannes, auf dem linken Oberarm für die eines Weibes und am lin- woman, and on the left lower arm, a murdered child. ken Unterarm für ein getötetes Kind sei. S. 72: Der Weg von Kumi nach dem Norden zieht sich durch flache The path to the North runs through flat prairies and bushy steppes Gras- und Buschsteppen, in denen das Vorkommen der Flötenaka- on which the flute acacias become more and more abundant, and, zien immer häufiger wird, und führt nach vier Stunden nach Kumi- after four hours, leads to the territory of the Fan. nyanza am südlichen Ufer des Kumi- oder Salisbury-Sees. When viewing the huts we noticed that they were very primitively S. 67: Die innere Einrichtung der Hütten ist natürlich eine sehr pri- furnished. Dried skins spread on the ground or on a somewhat el- mitive. Als Lager dienen getrocknete Tierhäute, die entweder auf evated wooden frame serve as places for lying down, and a few dem Boden oder einer etwas überhöhten Holzbrücke liegen, einige earthen jugs and bottle-shaped gourds are used as drinking-vessels. Tonkrüge und flaschenartige Kürbisschalen sind die Trinkgefässe. delt. Hierzu passt Hebeisens Anekdote, wie Zirngibl den Namen des Autors erfunden habe: Smith wie Schmied und L. A. wie Leck mich… Natürlich ist dies kein endgültiger Beweis dafür, dass es überhaupt keine kupfernen Vogelkopfmesser mit der Provenienz George Fullham gegeben hat. So fehlen bei- spielsweise Fotos, die Hebeisen beim Anfertigen dieser fünf Messer zeigen. Die Provenienz Fullham steht gleich- wohl auf sehr tönernen Füßen. Eine andere Möglichkeit der Beweisführung wäre eine Materialanalyse. So bot mir Boaz Paz von den Paz La- boratorien für Archäometrie in Bad Kreuznach an, solch eine zerstörungsfreie Analyse durchzuführen. Damit wäre es unter Umständen möglich, herauszufinden, ob es sich bei einem angeblichen Fullham-Messer um altes in Afrika verwendetes Kupfer oder um einen neueren Kupferblock handelt. Hebeisen hat noch solch einen Kupferblock zu Hause. Leider war der einzige mir bekannte Besitzer eines dieser kupfernen Vogelkopfmesser nicht bereit, es testen zu lassen. Abb. 5: Yakoma Messer, Hebeisen Ein anderer Messertyp, den der österreichische Schmied nach seinen Aussagen mehrfach hergestellt hat, ist das Prunkmesser der Yakoma/Zande. Tilmann Hebeisen be- schleifen bleibe die Säure in den feinen Poren, und dies richtete, es existiere seines Wissens nach nur ein Original, führe zu der roten Farbe. Lauge verhindere dagegen das weitere habe er zuerst im Auftrag von Zirngibl, später nachträgliche Rosten. Zusätzlich fehlen bei dem Hebeisen- für Peter Hasenkopf geschmiedet. Hierzu präsentierte er Original noch einige Ziselierungen, die er eigener Aussa- Fotos von solchen Messern, die er zu Hause aufgenommen ge zufolge im Auftrag von Peter Hasenkopf nachträglich hatte. Tatsächlich scheinen seine Messer mit Objekten ergänzt hat. übereinzustimmen, die später im Kunsthandel oder in Im Auktionshaus Oger-Blanchet wurde am 8. Dezember Büchern aufgetaucht sind. So ist wohl ein Objekt (Abb. 2008 ein ähnliches Messer versteigert7, zu dem Hebeisen 5, links) mit einem 2013 bei Sotheby’s für 17.500 $ (ein- ebenfalls ein Foto vorweisen kann, das augenscheinlich schließlich Premium) verkauften identisch. Leider konnte genau dieses Messer zeigt und das er bei sich zu Hau- Sotheby’s von dem Stück keine Bilddatei zur Verfügung se aufgenommen hat. (Abb. 6) Dieses Messer habe er stellen, da man nicht mehr über die Bildrechte verfüge. 5,6 ebenfalls im Auftrag von Peter Hasenkopf angefertigt. Als Das Sotheby’s-Stück unterscheidet sich von dem auf dem Provenienz wird im Katalog des Auktionshauses „Bert Hebeisen-Foto dadurch, dass es Rost trägt. Laut Hebeisen Garrebeek“ angegeben. kam dies dadurch zustande, dass er die ersten Messer Ein weiteres Messer der Yakoma, von dem Hebeisen bei mit Salzsäure gebeizt habe. Auch nach mehrmaligem Ab- sich zu Hause Fotos gemacht habe (Abb. 7) und das seiner
KUNST&KONTEXT 1/2017 FÄLSCHUNG - KOPIE - VERFÄLSCHUNG - ALTERUNG 11 Abb. 6: Yakoma Messer, Hebeisen Abb. 7: Yakoma Messer, Hebeisen Abb. 8: Rohling mit Zeichnung Aussage nach von ihm selbst stammt, ches panga na visu von Zirngibl und Ein Fazit scheint identisch mit dem Objekt 281 Kubetz. (Yakoma, Nsakara) auf S. 128 des Bu- Zu anderen Messern dieses Typus Die Aussagen von Tilman Hebeisen, hat Tilmann Hebeisen einen von ihm unterstützt durch eigene sowie die erschaffenen Rohling fotograf iert. Recherchen von Wolf-Dieter Miersch (Abb. 8) und Armin Wirsching, deuten dar- Neben diesen beiden Waffentypen auf hin, dass seit den 1970er-Jahren habe Hebeisen, wie er versicherte, geschmiedete afrikanische Waffen in weitere im Auftrag von Zirngibl und Europa erfunden oder zumindest ko- Hasenkopf hergestellt; von diesen piert wurden. Diesen könnte sodann übergab er mir original Objektfotos mithilfe gefälschter Provenienzen und auf CD. Abbildungen in von Sammlerkreisen Bei sich zu Hause habe er nur noch anerkannten Büchern genügend „Au- eine afrikanische Kurzwaffe made in thentizität“ verliehen worden sein, Austria: einen Dolch der Adio aus um sie für den Verkauf attraktiv zu dem Süd-Sudan, bei dem sich die machen. Drahtumwicklung schon leicht gelöst Tilman Hebeisen hat sich bereit er- hat. (Abb. 9) klärt, aufgrund von Objektfotos seine jeweilige Urheberschaft zu überprü- Eine Stellungnahme von fen. Peter Hasenkopf Text: Ingo Barlovic (i.barlovic@gmail.com) FOTOS: I. Barlovic (Abb. 9); Tilman Hebeisen (Abb. 1, 2, 5-8); Rudolf Peter Hasenkopf hat auf meine Fra- Kmunke (Abb. 4) gen zu seiner Beziehung zu Tilman ANMERKUNGEN 1 http://www.afropapa.de/afrika/afrikanische-waffen- Hebeisen am 5. Februar 2017 mit die- kunst ser Stellungnahme reagiert: 2 Manfred Zirngibl: Seltene afrikanische Wurfmesser, Morsak Verlag, Grafenau 1983 „An einem Intrigenkomplott den ei- 3 a. a. O., S. 137 nige Leute anzetteln wollen, möchte 4 Rudolf Kmunke: Quer durch Uganda. Eine Forschungs- reise in Zentralafrika 1911/1912, Verlag Dietrich Reimer, ich mich aus Pietätsgründen nicht Berlin 1913 5 E-Mail von Selei Serafin, Direktor, Leitung Presse & Mar- beteiligen.“ keting Sotheby’s Deutschland, vom 12.1.2017 6 Die Seite von Sotheby’s mit dem Yakoma-Messer findet sich im Internet unter der Adresse http://www.sothebys. com/en/auctions/ecatalogue/lot.137.html/2013/africa- noceanic-n08994 7 Die Seite des Auktionshauses Oger-Blanchet mit dem Yakoma-Messer findet sich unter http://www.ogerblan- chet.fr/html/fiche.jsp?id=653667&np=12&lng=fr&npp Abb. 9: Messer der Adio, Hebeisen =20&ordre=1&aff=1&r=
12 FÄLSCHUNG - VERFÄLSCHUNG - KOPIE - ALTERUNG KUNST&KONTEXT 1/2017 Die Wanderung und Veränderung einer Yaure-Maske – aus einem Museum in Abidjan nach München denen das ganze religiöse Leben gen zahlreiche Bücher und hinterließ der feldbauenden Yaure geprägt umfangreiche Film- und Tonaufnah- ist.“3 (Übersetzung durch den Autor) men8 zur Ethnologie westafrikani- scher Völker, insbesondere der in Der tschechische Ethnologe Côte d’Ivoire lebenden. Obwohl er Bohumil Théophile Holas, unglaublich produktiv war und mit eingebürgerter Franzose, akademischen und gesellschaftlichen in Abidjan Ehrungen überhäuft wurde, machen seine Publikationen einen wenig Bohumil Théophile Holas wurde wissenschaftlichen Eindruck. Das 1909 in Prag geboren und verstarb jeweilige Erscheinungsjahr ist selten im Jahr 1979. Mit einem Abschluss genannt, Quellenangaben fehlen und als Diplomingenieur und einem das reiche Bildmaterial ist oft mit un- Doktor der Philologie war er am präzisen Zeit- und Ortsangaben ver- Institut Français d’Afrique Noire in sehen. Die Fotos stammen nach ei- Abidjan, der Hauptstadt der Elfen- ner allgemeinen Angabe in einem der Abb. 1 Die Yaure-Maske in Abidjan beinküste, tätig. Außerdem war er Bücher von einer Bildagentur oder Beim Durchblättern meiner alten 35 Jahre lang, bis zu seinem Tod, vom Autor selbst, es gibt aber kei- Kataloge des ehemaligen Auktions- „Direktor“ des heutigen Musée des ne genaue Zuschreibung. Abgesehen hauses Ketterer (München)1 stieß ich Civilisations de Côte d’Ivoire.4 Ein an- von technischen Unzulänglichkeiten auf eine Maske der Yaure, die mir derer Autor, Bruno Clæssens, nennt (fast ausschließlich Schwarz-Weiß- bekannt vorkam.2 Eine solche Maske ihn „Kurator“.5 Auf der Webseite der Fotos von unbefriedigender Qualität, (Abb. 1) hatte ich vorzeiten in einem Académie des Sciences d’Outre-Mer größtenteils laienhaft aufgenommen), der Bücher von Bohumil Holas ge- heißt es knapp: „Il est par ailleurs wird nur die Ethnie konkret genannt. sehen, das im Jahr 1969 erschienen chargé du Musée“ (Er ist außerdem Angaben über die genaue Herkunft ist: „Masques Ivoiriens“ (Seite 41). mit dem Museum betraut.)6 Die pas- der einzelnen Objekte, ihre Größe, Holas schrieb zu dieser Maske: „Ver- sendste Bezeichnung für seine Stel- das Datum und die Umstände des wendet von Tänzern, die zur sozio- lung ist wohl „le premier responsab- Erwerbs und den aktuellen Stand- religiösen Gesellschaft dié gehören, le“ (der „Hauptverantwortliche“), wie ort fehlen. Vermutlich gehörten die veranschaulicht dieses runde Ge- Holas auf einer offiziellen Webseite Objekte dem Museum, aber es ist sicht einen der archaischen Stile der genannt wird.7 Die Quellen sind also möglich, dass einige von ihnen Pri- Yaure-Masken, die bei den europä- widersprüchlich. Für eine Tätigkeit vateigentum des Autors waren. Auch ischen Sammlern besonders beliebt als „Direktor“ spricht, dass aufgrund hierzu gibt Holas keine Informatio- sind. Man sieht auf diesem Exemplar der Fotos im Holas-Archiv des Mu- nen. Die Fotos von Masken oder Fi- die Stammesfrisur mit drei charak- sée du quai Branly in Paris der Ein- guren „im Einsatz“ sind zwar inter- teristischen Bögen, ein kompliziertes druck entsteht, er sei der Chef. Holas essant, aber auch bei diesen sucht System von Ziernarben sowie Tape- empfing die hochrangigen Besucher man vergebens nach Angaben, wann, ziernägel europäischer Herkunft, die (zum Beispiel Staatspräsident Seng- wo und von wem sie aufgenommen einst häufig verwendet wurden. Das hor) und führte sie herum, ohne dass wurden. Stück selbst könnte mehr als sech- eine „wichtigere“ Person auftrat, und zig Jahre alt sein. Das Figürchen des Holas eröffnete Ausstellungen seiner Musée des Civilisations Vogels zwischen den zugespitzten eigenen „Gemälde“. de Côte d’Ivoire Büffelhörnern lässt vermuten, dass Holas betrieb Feldforschung in Form diese Maske mit dem einen oder an- von zahllosen Reisen und ethnologi- Das Abidjaner Museum wurde 1943 deren Fruchtbarkeits- und Wachs- schen Untersuchungen. Ab 1949 pub- von den französischen Kolonialher- tumskult in Verbindung steht, von lizierte er bei verschiedenen Verla- ren gegründet und ständig erweitert.
KUNST&KONTEXT 1/2017 FÄLSCHUNG - VERFÄLSCHUNG - KOPIE - ALTERUNG 13 Seit der Unabhängigkeit der Elfen- Die Yaure-Maske in München Schläfe hin, versetzt. beinküste 1960 war es als staatli- 2. Die unterschiedlichen Abstände ches Museum dem Ministerium für Im Jahr 1979 war die Maske nicht zwischen den beiden obersten Nationale Erziehung zugeordnet. 1972 mehr in Abidjan, denn im Mai des Zacken rechts und links stimmen wurde es in „Centre des Sciences Jahres, übrigens Holas‘ Todesjahr, bei beiden Masken überein. Humaines“ umbenannt und dem wurde sie in München im Auktions- 3. Der oberste Zacken an der rechten Department für Kultur unterstellt. haus Ketterer angeboten: Seite ist wesentlich kleiner als die Seitdem war es offiziell das Natio- Ob, und wenn ja, zu welchem Preis anderen. Auch das gilt für beide nalmuseum. Den Namen „Museum die Maske damals verkauft wurde, Masken. für Landeskunde der Elfenbeinküste“ war nicht feststellbar. (Der Autor hat 4. Bei der Maske auf Abbildung 1 sind trägt es seit 1994. diese Auktion nicht besucht, da er die Spitzen der Hörner, die wohl 2011, während des Bürgerkriegs, fiel bis zum Herbst 1980 in Abidjan war.) einmal abgebrochen waren, so an- es einem bewaffneten Raubüberfall geklebt worden, dass dies auf dem zum Opfer, bei dem etwa einhundert Foto sichtbar ist. Auf Abbildung 2 der besten Stücke im Schätzwert von fehlen der Maske diese Spitzen ge- rund 4,5 Millionen Euro gestohlen nau an den Bruchstellen der Ab- wurden. Die Museumsleitung hat die bildung 1. verschwundenen Objekte weltweit Mithilfe dieser Indizien kann die Ver- als gestohlen gemeldet.9 Für die vor- mutung, dass auf beiden Abbildungen liegende Untersuchung scheint zu- ein und dieselbe Maske zu sehen ist, nächst der folgende Text Bruno Cla- als bestätigt gelten. essens‘ vom April 2014 zum Abidjaner Museum aufschlussreich: „Leider Die Veränderung der Maske verschwanden im Laufe der Jahre zahlreiche Objekte aus der Samm- Die Maske wurde zwischen ihrem lung des Museums – glücklicherweise Aufenthalt in Abidjan und ihrem verwahrt das Musée du quai Branly Auftritt in München verändert. Der in Paris den fotografischen Nachlass größte, sofort ins Auge fallende Un- von Bohumil Holas […] mit zahlrei- terschied besteht darin, dass die chen Fotos der Museumseinrichtung, Maske bei Holas einen Vogel zwi- die einen guten Eindruck von den schen den Hörnern trägt, der auf damaligen Beständen […] vermitteln. dem Foto im Ketterer-Katalog fehlt. Ein Vergleich dieser Fotos mit dem Ist der Vogel zufällig abgebrochen? neuen Katalog wird zeigen, welche Zwei Argumente sprechen dagegen: Objekte sich nicht mehr im Museum Der Vogel war durch die beiden befinden.”10 Das Archiv des Musée Hörner zu den Seiten hin geschützt, du quai Branly, auf das Clæssens und selbst bei einem entsprechenden so freudig hinweist, enthält zwar Bruch wäre eine Restaurierung durch rund 750 Schwarz-Weiß-Aufnahmen ein Museum oder einen Sammler an- Abb. 2: Yaure-Maske (Lot 66) im Katalog von Ketterer verschiedenster Motive, jedoch von 31. Auktion, Mai 197911 zunehmen. Aber es kommt eine wei- mehreren Fotografen, ohne erkenn- tere Erklärung in Frage: Der Vogel bare Ordnung, und viele davon sind Ist es wirklich dieselbe Maske? wurde absichtlich entfernt, um die Duplikate. Die Bildbeschreibungen Maske dem ursprünglichen Zustand sind mehr als dürftig, und die Qua- Handelt es sich bei den abgebildeten unähnlicher zu machen und somit bei lität der Fotos ist durchweg erbärm- Masken (Holas bzw. Ketterer) um das einem Verkauf die Gefahr der Entde- lich. Als Aufnahmedaten sind meist gleiche Objekt? Oder ist die zweite ckung zu verringern. die Jahre 1930 bis 1950, 1909 bis 1979 eine Kopie der ersten? Und auch ihre Patina wurde rück- (Holas‘ Lebensdaten) oder 1945 bis Trotz der ungenügenden Qualität der sichtslos europäischem Geschmack 1979 (Holas‘ Dienstjahre) angegeben. Fotos sind mehrere Gemeinsamkeiten angepasst. Trotz der schlechten Qua- Die Maske der Abbildung 1 war auf feststellbar. lität beider Fotos ist zu erkennen, keinem der Fotos des Nachlasses zu Am markantesten sind folgende dass die Maske in Abidjan eine un- entdecken. Es bleibt also offen, ob Merkmale: gleichmäßige, nicht glänzende Ober- sie dem Museum oder Holas privat 1. Die drei senkrechten Nagelköpfe fläche hatte, während sie in Europa gehörte, als dieser sie in sein Buch auf der Stirn liegen nicht auf ei- mit der bei gewissen Sammlern be- aufnahm. ner Achse, denn der obere ist ein liebten Glanzpatina versehen ist. wenig nach links, d. h. zur rechten Die Maske der Abbildung 1 zeigt ne-
14 FÄLSCHUNG - VERFÄLSCHUNG - KOPIE - ALTERUNG KUNST&KONTEXT 1/2017 ben dem rechten Auge einen Nagel- haus Ursula Nusser in München. Sie sie erheblich an Wert verloren hat. kopf. Dieser fehlt, was leider nicht war in brauchbarer Qualität neu Insbesondere der Verlust des Vogels klar zu erkennen ist, wohl schon auf fotografiert, aber seitenverkehrt ab- und die Zerstörung der Originalpa- Abbildung 2, sicher aber auf Abbil- gebildet worden, was unter anderem tina haben sie zu einem Objekt ge- dung 3 und ganz klar auf Abbildung an den drei senkrechten Nagelköpfen macht, das der Autor nicht in seine 4, auf der sogar noch das Nagelloch zu erkennen ist (Abb. 4). Als Schätz- Sammlung aufnehmen würde. zu erkennen ist. preis war DM 1.200,- angegeben. Ob Text: Heinrich Siemers (siemers@oldafroart.de) Dies sind drei erhebliche Eingriffe, die Maske verkauft wurde, war nicht die mindestens als Ver-Fälschungen feststellbar. Der Autor (Jahrgang 1941) studierte Germanistik, Geschich- te, Philosophie und Pädagogik und unterrichtete insgesamt bezeichnet werden können und für sechs Jahre Deutsch an Universitäten in Kamerun und der Elfenbeinküste. die mit großer Wahrscheinlichkeit Zum Wert der Maske europäische Verursacher verant- wortlich sind. Wäre sie unverändert in Abidjan ge- ANMERKUNGEN blieben, würde die Maske heute als 1 31. Auktion, Mai 1979, Lot Nr. 66. Zum Wert der Maske ein wertvolles Beispiel der Kunst 2 Als Yaure werden etwa 20.000 Personen bezeichnet, die im Zentrum der Elfenbeinküste zwischen den Guro und auf Münchener Auktionen der Yaure angesehen. Leider ist ihre den Baule wohnen, mit denen sie verwandt sind. Alle drei Ethnien haben sich gegenseitig künstlerisch beein- früheste Geschichte unbekannt, und flusst. Von den Yaure gibt es nur wenige Statuen. Ihre Masken sind wegen ihrer Ästhetik bei Sammlern sehr beliebt. 3 „Utilisé par les danseurs faisant partie de la collectivité socio-religieuse des dié, ce visage arrondi illustre l’un des styles archaïques du masque yaouré, particulière- ment prisé par les collecteurs européens. On remarque, sur ce spécimen, la coiffure tribale composée des trois lobes charactéristiques, tout un système compliqué de cicatrices ornementales ainsi que l’emploi, jadis cou- rant, de clous de tapissier d’origine européenne. La pièce elle-même peut avoir plus de soixante ans d’âge. La figurine d’oiseau entre les cornes effilées du buffle font [fait, der Übersetzer] penser que ce masque se trouve lié à l’un ou l’autre culte de fécondité et de fer- tilité qui imprégnent toute la vie religieuse du cultiva- teur yaouré.“ (Holas 1969: 40) 4 http://data.bnf.fr/11907648/bohumil_theophile_holas/, 10. April 2017 5 http://brunoclaessens.com/2016/04/abidjans-musee- des-civilisations-needs-your-support/#.WOKSvbgfi62, 10. April 2017 6 http://www.academieoutremer.fr/academiciens/fiche. php?aId=650), 10. April 2017 7 http://civ.abidjan.net/index.php/visiter/musees/81- musee-des-civilisations-de-cote-d-ivoire, 10. April 2017 8 Katalog SUDOC.ABES: www.sudoc.abes.fr, Suchbegriff: Bohumil Holas, 10. April 2017. Ein Beispiel für einen Buchtitel von Holas: Les masques Kono - leur rôle dans la vie religieuse et politique, 1952. (Die Kono-Masken: ihre Rolle im religiösen und politi- schen Leben.) Ein Beispiel für einen kleinen Bildband: Sculptures Ivoiriennes, 1969. (Ivorische Skulpturen). 68 Objekte mit Begleittext und einer 43-seitigen Einfüh- rung. Weitere, sehr übersichtliche Quelle, qualitativ hervorragend, zum „Stöbern“ einladend: http://www. quaibranly.fr/fr/newsrecherche/, 10. April 2017 9 http://www.france24.com/en/20110817-africa-ivory- coast-museum-civilisation-mourns-stolen-artefacts- abidjan-unrest-kassi, 10. April 2017 10 „Unfortunately a lot of objects disappeared from the museum’s collection through the years – luckily the Mu- sée du quai Branly in Paris holds the the photographic archives of Bohumil Holas (the museum’s curator in the 1960s and 1970s); they include a lot of installation shots […], which give a good idea of the museum’s holdings Abb. 3: Yaure-Maske (Lot 42) im Katalog von Ketterer, Abb. 4: Yaure-Maske (Pos. 165) im Katalog von Nusser, at the time. Cross-referencing these files with the new 41. Auktion, November 198012 November 199413 catalogue will give a good idea of which objects are no longer in the museum.“ (Übersetzung durch den Autor) http://brunoclaessens.com/2016/04/abidjans-musee- Die Maske wurde bei der Ketterer- da sie zu den „zahlreichen Objekten“ des-civilisations-needs-your-support/#.WNOSWbh- dy62, 10. April 2017 Auktion im Jahr 1979 (Abb. 2) mit gehört, die „im Laufe der Jahre“ aus 11 Begleittext auf Seite 30: „Maske mit zwei Hörnern aus schwarz gefärbtem Holz; auf der Stirn drei Messingnä- einem Schätzpreis von DM 3.000,- der Sammlung des Museums „ver- gel, Wangen- und Schläfentatau, zackenförmige Ge- eingestellt. Offensichtlich fand sich schwanden“ (siehe oben Clæssens), sichtsumrahmung, mattglänzende Patina; 40 cm.“ 12 Begleittext auf Seite 34: „Maske mit zwei Hörnern aus kein Käufer, denn schon im Novem- weiß man nicht einmal, wann sie schwarz gefärbtem Holz; auf der Stirn drei Messingnä- gel, Wangen- und Schläfentatau, zackenförmige Ge- ber 1980 war sie mit dem gleichen nach Europa gekommen ist. (Sie ist sichtsumrahmung, mattglänzende Patina; 40 cm.“ Schätzpreis wieder bei Ketterer im bekanntlich nicht die erste, die aus 13 Begleittext auf Seite 22: „Maske mit geschwungenem Hörnerpaar und umlaufendem Zackenbart. Genagelte Angebot (Abb. 3). Dieses Mal wurde einem Museum in Afrika gestohlen Stirn- und geschnitzte Wangentatauierungen. Reste brauner Bemalung. Dunkel glänzende Patinierung. H. sie mit DM 2.050,- zugeschlagen. oder von Mitarbeitern an gewissen- 40 cm. Kleine Reparatur an den Augenlidern.“ Im November 1994 tauchte die Maske lose Europäer verkauft wurde.) Dann erneut auf, diesmal beim Auktions- wurde sie arg misshandelt, wodurch
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