THEMENSERVICE Deutsche EU-Ratspräsidentschaft - KW 51 - Konrad-Adenauer ...

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2 0. 12. 20 20

THEMENSERVICE
Deutsche EU-Ratspräsidentschaft – KW 51
Patricia Enssle und Wadim Lisovenko

Rettet Merkel ihr europäisches Vermächtnis?
                                                     „Ich möchte sagen, dass ich der deutschen Präsidentschaft und Angela
                                                     Merkel wirklich unglaublich dankbar bin für die Bemühungen seit
                                                     dem Sommer“, lobte Ursula von der Leyen die Kanzlerin auf der Pres-
                                                     sekonferenz nach dem letztwöchigen EU-Gipfel. In einer Marathon-
                                                     Sitzung wurde die Blockade des EU-Haushaltes und des Corona-
                                                     Wiederaufbaufonds durchbrochen, ein neues Klimaziel beschlossen
                                                     und neue Sanktionen gegen die Türkei auf den Weg gebracht. Doch
                                                     einige unerledigte Vorhaben drohen die Bilanz der deutschen Ratsprä-
                                                     sidentschaft leicht zu trüben. Am wichtigsten bleibt die Frage: Kommt
Angela Merkel, Ursula von der Leyen, David Sassoli
© European Union                                     es doch zu einem No-Deal Brexit?

„Merkels Meisterleistung“                                               war, strahlte Angela Merkel regelrecht vor Er-
                                                                        leichterung“, beobachtete Barbara Wesel von
                                                                                               4
EU-Haushalt und Wiederaufbaufonds: Kurz vor                             der Deutschen Welle . „Mir ist ein Stein vom
dem EU-Gipfel am 10. und 11. Dezember wurde                             Herzen gefallen", sagte Merkel gegenüber der
in der Presse immer wieder betont, wie viel an                          Presse.
diesen beiden Tagen auf dem Spiel stand, auch                               Den Grundstein für den Erfolg hatte Merkel
für die Kanzlerin. „Ungelöste Probleme, die die                         schon vor dem Gipfel gelegt. Thomas Gutsch-
Staats- und Regierungschefs der 27 Mitglieds-                           ker, Hendrik Kafsack und Gerhard Gnauck
                                                                                             5
staaten bei einem physischen Treffen ausräu-                            berichten in der FAZ ausführlich, wie der Streit
men sollten, türmten sich kurz vor Ultimo auf“,                         mit Polen und Ungarn beigelegt werden konn-
resümierte Bernd Riegert von der Deutschen                              te. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hatte
      1
Welle : „Merkel muss um ihre Europa-Bilanz                              den beiden Staaten eine letzte Frist bis zum 9.
                                        2
bangen“, schrieb Eric Bonse von der taz . Auch                          Dezember gesetzt, um Kompromissbereitschaft
Tobias Kaiser und Christoph B. Schiltz von                              zu signalisieren. Ansonsten hätte ein ranghoher
          3
der WELT mahnten: „Sie scheidet in neun Mo-                             EU-Diplomat gedroht, den Corona-Aufbaufonds
naten aus dem Amt, es geht bei diesem Gipfel                            ohne Polen und Ungarn umzusetzen. Am Mitt-
unter deutschem Vorsitz auch um ihr europäi-                            woch sei der ungarische Ministerpräsident Vik-
sches Vermächtnis.“ Mitte November hatten                               tor Orbán dann überraschend nach Warschau
Ungarn und Polen einen Eklat ausgelöst, indem
                                                                        gereist, während Warschaus Bürgermeister die
sie die Zustimmung zum EU-Haushalt und den
                                                                        städtischen Busse mit der Europafahne deko-
Corona-Hilfen verweigerten. Es drohte ein Not-
                                                                        rieren ließ. Man sei nur „Zentimeter“ von einer
haushalt im Januar 2021. Nähere Informationen
                                                                        Einigung entfernt, verkündete Orbán. Um halb
zu dem Konflikt finden Sie im Themenservice
                                                                        fünf Uhr nachmittags habe die deutsche Rats-
„Deutsche EU-Ratspräsidentschaft“ der KW 48.
Doch dann kam eine Erfolgsmeldung nach der                              präsidentschaft dann die EU-Botschafter der
anderen, auch wenn dafür mehr als 21 Stunden                            anderen 24 Staaten über den Inhalt des mit
lang durchverhandelt werden musste. „In ei-                             Polen und Ungarn erzielten Kompromisses
nem Gipfel-Marathon hat Bundeskanzlerin An-                             informiert. Laut einer Zusatzerklärung bleibe
gela Merkel zwei der großen EU-Probleme be-                             der beschlossene Rechtsstaatsmechanismus
wältigt. Polen und Ungarn gaben ihr Veto auf.                           unangetastet, allerdings müsse zunächst der
Nachdem am Freitagmittag endlich alles vorbei                           Europäische Gerichtshof (EuGH) darüber ent-
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2    Themenservice Deutsche EU-Ratspräsidentschaft – KW 51

    scheiden, ob der Mechanismus auf Polen oder                  Ein letzter Schritt fehlte noch zum endgülti-
    Ungarn angewendet werden dürfe. Beide Staa-              gen Erfolg. Am Mittwoch, den 16. Dezember,
    ten hätten bereits eine Klage angekündigt. Mit           musste das EU-Parlament zustimmen. „Auf die
    einer Entscheidung sei erst in 12 oder 18 Mona-          Unterstützung des Europäischen Parlaments
    ten zu rechnen.                                          kann die EU-Exekutive dabei vertrauen. Die
        Beim Gipfel wurde dieser Kompromiss dann             schnelle Zustimmung der EU-Volksvertretung
    „nach nur 20 Minuten abgesegnet“, berichtet              gilt als sicher“, schätzte Siebenhaar. „Denn der
                                        6
    Markus Becker für Spiegel Online . „Damit war            mühsam ausgehandelte Kompromiss zwischen
    der Weg frei für das 1,8 Billionen Euro schwere          Rat, Kommission und EU-Volksvertretung ist
    Haushalts- und Coronapaket, das viele Beteilig-          schließlich unangetastet geblieben.“ Auch
                                                                                                            10
    ten nun als historisch preisen. Noch am Freitag          Matthias Kolb von der Süddeutschen Zeitung
    leiteten die Botschafter der EU-Staaten das              pflichtete bei, dass ein „Ja“ des EU-Parlaments
    Verfahren zur Umsetzung der Beschlüsse ein.“             als sicher gelte. Kritische Stimmen gebe es
    Bereits vor der schnellen Abstimmung hatten              dennoch. So beklage die liberale EU-
    die anderen EU-Staaten Merkels Kompromiss                Abgeordnete Sophie In't Veld den "alarmieren-
    viel vertrauen geschenkt, obwohl er erst einen           den Präzedenzfall", dass die EU-Kommission
    Tag vorher an die EU-Diplomaten übergeben                erst auf ein Urteil des EuGH warten müsse, um
    worden war. Hätte ein anderes Land den Kom-              geltendes Recht anzuwenden. Weil in Ungarn
    promiss ausgehandelt, „dann hätten die ande-             im Jahr 2022 Wahlen anstehen, „befürchten
    ren 24 Regierungen sich das erst einmal sehr,            Kritiker einen schmutzigen Deal, der Orbán bis
    sehr genau angesehen“, bestätigte ein EU-                zu einer möglichen Wiederwahl schont.“ Weite-
    Diplomat gegenüber Becker. „Da der Deal aber             re Kommentare zum Rechtsstaatlichkeitsme-
    von den Deutschen gekommen sei, habe es                  chanismus von führenden EU-Abgeordneten
    einen Vertrauensvorschuss gegeben - was auch             finden Sie in diesem Pressestatement.
    an Berlins ständigem Vertreter Michael Clauß             Am Mittwochabend wurde in einer Pressemit-
    gelegen habe.“ Die Kanzlerin dankte dem Dip-             teilung dann die positive Botschaft verkündet:
    lomaten Clauß nach dem Gipfel öffentlich. Er             Der vereinbarte Entwurf über den langfristigen
    hatte in den letzten Monaten die Verhandlun-             EU-Haushalt für 2021-2027 wurde „mit 548 Ja-
    gen über das Finanzpaket geführt.                        Stimmen bei 81 Nein-Stimmen und 66 Enthal-
        In der Presse wird aber letzten Endes vor al-        tungen angenommen.“ Kurze Zeit später unter-
    lem die Rolle der Kanzlerin hervorgehoben.               zeichneten Parlamentspräsident David Sassoli,
    „Das Ende der Budget-Blockade in Brüssel kann            der deutsche Europa-Staatssekretär Michael
    die Bundeskanzlerin für sich verbuchen“, meint           Roth und EU-Haushaltskommissar Johannes
                                                7
    Christian Kerl in der Berliner Morgenpost . Die          Hahn die Vereinbarung.
    Kanzlerin habe „doch noch eine positive Bilanz
    ihrer von hohen Erwartungen begleiteten, von
    Corona belasteten Ratspräsidentschaft“ vorge-
    legt. „Unter dem Strich stehen nun […] zwei
    Erfolge, mit denen Merkel die Bilanz ihrer Rats-
    präsidentschaft, die am 31. Dezember endet,
    erst einmal gerettet hat“, pflichten Michael
    Fischer und Verena Schmitt-Roschmann die-
                                               8
    ser Einschätzung im Münchner Merkur bei.
    „Kanzlerin Angela Merkel hat gleich zum Auf-
    takt des EU-Gipfels eine Meisterleistung voll-
    bracht“, kommentiert Hans-Peter Siebenhaar               David Sassoli, Michael Roth
                            9
    auf Handelsblatt online . „Damit ist ein histori-        © European Union 2020 - Source: EP

    scher Meilenstein geschafft. Um ihr Ziel zu er-             Klimaziele: Die EU-Staats- und Regierungs-
    reichen, mussten Deutschland und die 24 an-              chefs wollten sich auf diesem Gipfel schon
    deren Mitgliedstaaten die Kröte schlucken, dass          beim Abendessen ein neues Klimaziel setzen.
    Warschau und Budapest die Einführung mit                 Markus Becker beschreibt die Szene sehr an-
    einem Gang zum Luxemburger Gerichtshof                   schaulich in seinem vorgenannten Bericht für
    womöglich um ein oder zwei Jahre verzögern               den Spiegel: „Die Klimadebatte begann beim
    können. Doch so viel Zeit ist verschmerzbar.“            Dinner am Donnerstagabend. Bei Tomaten-
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3    Themenservice Deutsche EU-Ratspräsidentschaft – KW 51

    Zucchini-Suppe, Seebarsch und Zitrusfrucht-              die bereits bestehende Sanktionsliste von türki-
    Salat mit Honigeis diskutierte man über CO2-             schen Personen und Firmen, die an den Erd-
    Einsparungen und ihre Wirkung auf die Wirt-              gasbohrungen beteiligt sind, um einige neue
    schaft. Die Debatte zog sich durch die ganze             Namen.“ Außerdem wolle man die Türkei bis
    Nacht. Frankreich etwa wollte Atomstrom als              zum nächsten regulären Gipfel im März „unter
    Übergangstechnologie eingestuft sehen, wäh-              Beobachtung“ stellen. „Noch einmal drei Mona-
    rend das stark von Kohlestrom abhängige Po-              te habe die Türkei also Zeit, die immer noch
    len mehr Geld für den Energiewandel verlang-             ausgestreckte Hand der EU zu ergreifen, so
    te.“ Ein hochrangiger EU-Diplomat beschwerte             formulieren es die Optimisten in Brüssel. Damit
    sich am nächsten Morgen. „Das Klima war ein              bleibt die Gemeinschaft ihrer außenpolitischen
    echter Albtraum", zitiert ihn Karoline Meta              Linie gegenüber Ankara treu, die vor allem von
                                         11
    Beisel in der Süddeutschen Zeitung . „Ich ha-            der deutschen Ratspräsidentschaft durchge-
    be noch nie so viele überarbeitete Versionen             setzt, von Kritikern aber als Appeasement-
    einer Gipfelerklärung gesehen." Erst um 8 Uhr            Politik bezeichnet wird.“ Griechenlands Minis-
    am Freitagmorgen sei der Durchbruch gelun-               terpräsident Kyriakos Mitsotakis hatte die De-
    gen. Am Ende wurde bis 2030 ein Reduktions-              batte am Freitag als Schritt in die richtige Rich-
    ziel von mindestens 55 Prozent der klimaschäd-           tung begrüßt. „Die Androhung von Sanktionen
    lichen Gase im Vergleich zu 1990 beschlossen,            sei das beste Mittel, um den Druck auf die Tür-
    pünktlich zum fünften Jahrestag des Pariser              kei aufrechtzuerhalten, damit diese von weite-
    Abkommens. Schwächere Länder sollen mit                  ren Provokationen im östlichen Mittelmeer
    Milliardenfonds bei der Umsetzung der Ziele              absehe […] die EU sei eben kein wendiges
    unterstützt werden, das überzeugte dann auch             Schnellboot, sondern eher ein Ozeandampfer.
    Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.             Aber dieser sei nun auf Kurs.“
    Über das Reduktionsziel müsse nun weiter mit
    dem EU-Parlament verhandelt werden. Die                  Brexit-Deal: Es verstreicht eine Frist
    Abgeordneten hatten im Oktober ein Redukti-              nach der anderen
    onsziel von 60 Prozent gefordert.
        Türkei-Sanktionen: Enttäuscht zeigte sich            Zum Jahreswechsel endet unwiderruflich die
    Merkel auf der Pressekonferenz nach dem Gip-             Brexit-Übergangsphase, während dieser Groß-
    fel darüber, dass kein positiver Dialog mit der          britannien Teil des EU-Binnenmarkts und der
    Türkei erreicht werden konnte: „Zur deutschen            Zollunion geblieben ist. Noch steht kein Han-
    Präsidentschaft gehört, dass wir uns gewünscht           delsabkommen für die Zeit danach, wobei die
    hätten, die Beziehungen zur Türkei konstrukti-           Zeit für Verhandlungen endgültig abläuft. Vor
    ver zu gestalten. […] Trotzdem reichen wir der           mehr als zwei Wochen berichtete Thomas Gut-
                                                                                13
    Türkei weiterhin die Hand und sagen: Wir wol-            schker in der FAZ noch, es hieße aus EU-
    len an einer konstruktiven Agenda arbeiten.              Kreisen, dass der britische Premierminister
    Das war aus dem Blickwinkel der deutschen                Boris Johnson neue Hürden für ein Abkommen
    Ratspräsidentschaft aber doch etwas enttäu-              errichtet hätte, womit wohl staatliche Beihilfen
    schend; wir hatten uns hier etwas mehr vorge-            gemeint seien. Johnson wolle demnach „auf der
    nommen.“ Wegen der anhaltenden Aggressio-                Zielgeraden die Verhandlungen sabotieren“.
    nen gegen die EU-Staaten Zypern und Grie-                   Am 13. Dezember, weniger als drei Wochen
                                                             vor dem Austritt Großbritanniens aus dem EU-
    chenland wurde auf dem Gipfel erneut über
                                                             Binnenmarkt, hatten London und Brüssel ihre
    Sanktionen beraten. Am Ende debattierten die
                                                             Verhandlungen über ein Handelsabkommen
    Staats- und Regierungschefs nur „gut eine hal-
                                                             erneut verlängert. Albrecht Meier titelt im
    be Stunde […] am Donnerstag beim Abendes-                             14
                                                             Tagesspiegel : „In Brüssel geht die Brexit-
    sen“ über dieses Thema, berichten Volker
                                                             Hängepartie weiter“. So hatten Johnson und die
    Pabst und Daniel Steinvorth in der NZZ 12. Es            EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der
    habe „niemand ernsthaft mit harten Sanktio-              Leyen zuletzt am 9. Dezember in Brüssel mitei-
    nen gegen den Beitrittskandidaten“ gerechnet,            nander gesprochen und dabei eine Frist bis
    kommentierte ein EU-Diplomat die Lage. Nur               zum jenem Sonntag gesetzt, die man verstrei-
    Griechenland, Zypern und Frankreich seien für            chen lassen hat. Laut Tagesspiegel erklärte die
    härtere Strafmaßnahmen gewesen. „Beim                    Kommissionpräsidentin daraufhin, dass es ver-
    Hauptgang einigte man sich auf den kleinsten             antwortungsvoll sei, wenn beide Seiten jetzt
    gemeinsamen Nenner: Erweitert werden soll                noch „eine zusätzliche Meile“ bei den Gesprä-
                                                             chen gehen würden. Einen neuen Termin für
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4     Themenservice Deutsche EU-Ratspräsidentschaft – KW 51

                                                                                              16
    das Ende der Verhandlungen legten Johnson                 schreibt dazu im Tagesspiegel , mit Verweis
    und von der Leyen nicht fest. Somit ist weiter-           auf den irischen Sender RTE, dass demnach
    hin unklar, ob es noch zu einem Deal kommen               Barnier eine vorübergehende „No-Deal“-
    wird oder nicht. Die ständigen Verschiebungen             Periode Anfang Januar selbst für den Fall nicht
    könnten aber auch Teil eines „Schwarze-Peter-             ausschließt, dass in den kommenden Tagen
    Spiels“ sein, meint Meier, denn „weder Großbri-           eine Einigung mit London erzielt werden kann.
    tannien noch die EU will sich hinterher vorwer-           Solch eine Periode würde bedeuten, dass ab
    fen lassen, den Verhandlungstisch verlassen zu            dem 1. Januar die EU und Großbritannien zu-
    haben und damit für das Scheitern der Gesprä-             mindest vorübergehend auf der Basis der Ver-
    che verantwortlich zu sein“. Die Süddeutsche              einbarungen      der   Welthandelsorganisation
            15
    Zeitung zitiert zu den am 13. Dezember be-                (WTO) Handel treiben müssten, womit Zölle
    schlossenen Gesprächs-Verlängerungen eine                 fällig würden. Meier zitiert hier den Europa-
    von Johnson und von Ursula von der Leyen                  Staatsminister Michael Roth (SPD), der äußert,
    verbreitete gemeinsame Mitteilung: „Trotz der             dass die EU „aus guten Gründen“ das Risiko
    Erschöpfung nach fast einem Jahr Verhandlun-              einer Zeitnot bei der Ratifizierung eines mögli-
    gen, trotz der Tatsache, dass Deadlines immer             chen Handelsabkommens eingehe, um die Tür
    wieder verfehlt wurden, glauben wir, dass es in           für einen Abschluss offen zu halten.
                                                                                             17
    diesem Moment die Verantwortung gebietet,                     Die Süddeutsche Zeitung zitiert darüber
    eine letzte Anstrengung zu unternehmen“. Des              hinaus einen EU-Diplomaten mit den Worten:
    Weiteren erwähnen Björn Finke und Alexand-                Es „könnte jetzt ein schmaler Pfad zu einer Ei-
    er Mühlauer, dass der britische Premier trotz             nigung sichtbar sein“, wenn die letzten Streit-
    dessen verlauten ließ, man müsse auf ein                  punkte beseitigt würden. Laut dem Diplomaten
    Scheitern vorbereitet sein und gleichzeitig ver-          gäbe es Fortschritte, aber „teilweise beträchtli-
    sicherte, Großbritannien würde gut dastehen.              che Gräben müssen noch überwunden werden
    Zudem, sagte Johnson er habe „als Zeichen,                in bedeutenden Bereichen“. Die bestehenden
    dass er bis zuletzt gewillt ist, für ein Handelsab-       Streitpunkte betreffen die Fangquoten von EU-
    kommen zu kämpfen“ sein Angebot, mit Paris,               Fischern in britischen Gewässern und die Her-
    Berlin und anderen Hauptstädten direkt in Ver-            stellung von fairen Wettbewerbsbedingungen
    handlungen zu treten, erneuert. Frankreich und            zwischen Unternehmen in der EU und in Groß-
    Deutschland lehnten dies bislang jedoch ab.               britannien, dem sogenannten Level Playing
    Einige Tage zuvor hatte die britische Regierung           Field. Es kämen aus London jetzt vorsichtig
    bereits angekündigte, von Januar an, vier Pat-            optimistische Töne. Laut dem Sprecher des
    rouillenboote der Royal Navy im Ärmelkanal                Premierministers, sei ein „No-Deal“ Szenario
    einzusetzen, um die Küstengewässer vor EU-                zwar weiterhin „ein mögliches Ergebnis“, jedoch
    Fischkuttern zu schützen, falls es zu einem Ab-           sei man „hoffnungsvoll“, dass ein Handelsver-
    bruch der Gespräche kommen sollte.                        trag erreicht werden könne. Björn Finke und
                                                              Alexander Mühlauer führen an, dass dies am
                                                              13. Dezember noch ganz anders klang, als
                                                              Johnson erklärte, dass ein „No-Deal“ Resultat
                                                              am „wahrscheinlichsten“ sei. Eine neue Frist für
                                                              eine Einigung hat auch Barnier am 14. Dezem-
                                                              ber nicht bekannt gegeben. Falls eine Einigung
                                                              kommt, müssten dieser alle 27 EU-Regierungen
                                                              sowie das Europaparlament und das britische
                                                              Unterhaus zustimmen. Wenn es in jener Woche
                                                              gelingen sollte eine Verständigung zu errei-
                                                              chen, könnten sich die Ausschüsse des EU-
                                                              Parlaments und dann das Plenum zwischen
                                                              dem 27. und 29. Dezember mit dem Handels-
    Michel Barnier
                                                              abkommen befassen. Falls sich die Verhand-
    © European Union
                                                              lungen jedoch länger hinziehen sollten, werden
       Nachdem am 13. Dezember weiter verhan-                 die Mitgliedstaaten das Abkommen dem Par-
    delt wurde, hatte der Chefverhandler der EU,              lament nicht mehr rechtzeitig weiterleiten kön-
    Michael Barnier, am folgenden Montag, die 27              nen. Somit würde der „umfangreichste Han-
    EU-Botschafter und das zuständige Gremium                 delsvertrag in der Geschichte der EU“, ohne
    des Europäischen Parlaments über den Stand                Billigung des Europaparlaments, am 1. Januar
    der Verhandlungen informiert. Albrecht Meier              provisorisch in Kraft treten. Die Volksvertreter
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5    Themenservice Deutsche EU-Ratspräsidentschaft – KW 51

    könnten das Abkommen dann nur nachträglich
    diskutieren, was bei den EU-Parlamentariern
    auf Kritik stößt.
        Am Donnerstag verkündete das EU-
    Parlament in einer außerordentlichen Sitzung
    eine neue Frist für die Verhandlungspartner.
    Bis zum nächsten Sonntag, den 20. Dezember,
    müsse ein Abkommen vorliegen. Dann wäre es
    noch möglich gewesen, das Abkommen zu rati-
    fizieren. „Trotz des engen Zeitrahmens wären
    wir bereit, unserer parlamentarischen Verant-
    wortung nachzukommen, unter der Bedingung,
    dass der fertige und unterschriftsreife Text
    unverzüglich nach Abschluss der Verhandlun-
    gen vorgelegt wird“, zitiert Hans-Peter Sieben-              Welche Auswirkungen hätte ein Austritt
    haar sagte den EU-Abgeordneten David McAl-               Großbritanniens aus dem Binnenmarkt und der
                                    18
    lister auf Handelsblatt online . Zuvor hatte             Zollunion ohne ein Handelsabkommen mit der
    Chefunterhändler Michel Barnier die Fraktions-                                      22
                                                             EU? Die Deutsche Welle beleuchtet verschie-
    chefs des EU-Parlaments über den Fortgang                dene Bereiche, die betroffen wären. So würden
    der Verhandlungen informiert. „In diplomati-             unter anderem Zollkontrollen an Häfen und
    schen EU-Kreisen“ sei man zu diesem Zeitpunkt            Grenzen eingeführt, welche mit hohen Extra-
    optimistisch gewesen, dass in den nächsten               kosten für britische Unternehmen einhergehen
    Tagen ein Abkommen möglich wäre. Die Abge-               würden. Es gäbe auch weitreichende Änderun-
    ordneten des britischen Parlaments bereiteten            gen im Reise- und Tourismusbereich. Mit den
    sich ebenfalls auf eine schnelle Ratifikation vor,       momentanen Corona-Regelungen wäre bei-
                                           19
    wie Jochen Buchsteiner für die FAZ aus Lon-              spielsweise ab dem 1. Januar 2021 überhaupt
    don berichtet. „Jacob Rees-Mogg, der als                 keine Einreise in die EU mehr möglich. Darüber
    ,Leader of the House´ in der Regierung die               hinaus werden der Verlust von Wettbewerbsfä-
    Abläufe im Unterhaus organisiert, gab Signale            higkeit der britischen Automobilindustrie, kom-
    an die Abgeordneten, dass sie sich die kom-              plizierte Genehmigungsverfahren für britische
    mende Woche mit den Weihnachtsfesttagen für              Pharmaprodukte, neue Zölle auf landwirt-
    Sitzungen freihalten sollten.“                           schaftliche Produkte sowie nötige Arbeitsvisa
        Am folgenden Freitag stimmte das EU-                 für die EU angeführt. Auch bekäme die EU ei-
    Parlament vorsorglich für Notfallpläne, falls es         nen „No-Deal“ zu spüren, insbesondere die
    doch zu einem „No-Deal“ kommen sollte. „Je-              Niederlande, Belgien und Nordfrankreich, da
    weils mit breiter Mehrheit nahmen die Abge-              dort Zulieferunternehmen für britische Firmen
    ordneten vier entsprechende Vorschläge der               sitzen und der Handel besonders ausgeprägt
                                                   20
    EU-Kommission an“, schreibt Zeit Online .                ist. In einem weiteren Beitrag thematisiert die
    Konkret geht es um Maßnahmen für Straßen-                                  23
                                                             Deutsche Welle die Auswirkungen des Brexits
    und Flugverkehr sowie für den Fischfang. Mit             auf Irland. Da sich Brüssel und London auf ein
    Übergangsregelungen sollen schwerste Konse-              Nordirland-Protokoll geeinigt haben, welches
    quenzen abgemildert werden, allerdings nur               auch in einem „No-Deal“ Szenario greifen wür-
    falls Großbritannien reziprok handelt.                   de, habe zumindest ein Wiederaufflammen des
        Am Sonntag verstrich nun auch die letzte             Nordirlandkonflikts abgewendet werden kön-
    Frist des EU-Parlaments. „Die Verhandlungen              nen. Ähnlich beschreibt Niklaus Nusplieger in
    bleiben schwierig, und es gibt weiterhin deutli-                   24
                                                             der NZZ , „was für die Briten auf dem Spiel
                                                21
    che Unterschiede“, zitiert das Handelsblatt ein          steht“. Er stellt vor allem fest, dass eine „Brexit-
    Statement aus britischen Regierungskreisen.              Erschöpfung“ in der britischen Bevölkerung
    Das Europaparlament sehe damit keine Chance              eingekehrt sei, was auch damit zusammen
    mehr für eine rechtzeitige Ratifizierung vor             hänge, „dass gar nicht so offensichtlich ist, wel-
    Jahresende, sagte David McAllister am Sonn-              che Folgen ein Deal oder ein ‚No-Deal‘ auf das
    tagabend: „Leider gibt es noch immer nicht               Alltagsleben hätte“. Viele Neuerungen würden
    Klarheit, ob sich beide Seiten auf ein Abkom-            ganz unabhängig vom Verhandlungsausgang
    men verständigen können. Daher kann es vor               Tatsache, beispielswiese in der Einwande-
    Ende des Jahres kein förmliches Zustimmungs-             rungspolitik. Da sich das geplante Abkommen
    verfahren im Europäischen Parlament geben.“              auf den Güterhandel beschränken würde, wer-
    Die Verhandlungen werden jedoch fortgesetzt.             de der Finanzplatz London seinen privilegierten
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6    Themenservice Deutsche EU-Ratspräsidentschaft – KW 51

                                                                                28
    Zugang zum EU-Markt unabhängig davon so-                 mit dem Spiegel . „Als einziges Land hat Bulga-
    wieso verlieren. Nusplieger ist jedoch der Mei-          rien der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen
    nung, dass ein „Brexit-Zerwürfnis“ die grenz-            mit Nordmazedonien bislang nicht zugestimmt.
    überschreitende Kooperation in vielen Berei-             Ich respektiere, dass es historische Entwicklun-
    chen nachhaltig belasten würde. Wie es genau             gen gibt, die für Bulgarien sensibel sind. Aber
    mit dem Finanzplatz London ab Januar weiter-             der EU-Beitrittsprozess darf nicht zur Geisel
                                                   25
    geht, erläutert Benjamin Triebe in der NZZ .             bilateraler Forderungen werden. Unser über-
    Denn ab dem neuen Jahr werden britische                  geordnetes strategisches Interesse an Frieden
    Banken und Finanzdienstleister den sogenann-
                                                             und Stabilität auf dem Westbalkan und an einer
    ten „EU-Pass“, der es ihnen erlaubt, ihre Diens-
                                                             engen Anbindung der Region sollte für uns alle
    te ohne Einschränkungen für EU-Kunden anzu-
                                                             an erster Stelle stehen.“ Roth warnt ferner vor
    bieten, verlieren. Dem hingegen sei die schnelle
                                                             den politischen Folgen der Verzögerung der
    Zulassung des Corona-Impfstoffs von Biontech
                                                             Beitrittsverhandlungen. Es schade der Glaub-
    und Pfizer in Großbritannien für den britischen
    Gesundheitsminister ein Beleg dafür, welche              würdigkeit der EU und sei „Wasser auf die Müh-
    Vorteile ein EU-Austritt bietet, berichtet Jochen        len nationalistischer Kräfte in der Region. […]
    Buchsteiner in der FAZ .
                             26                              Man kann nicht einfach Staaten in unserer un-
                                                             mittelbaren Nachbarschaft auf die Wartebank
    EU-Erweiterung: „Ein schwerer Schlag“                    setzen, obwohl sie die von uns verlangten
                                                             Hausaufgaben gemacht haben.“
    Noch immer blockiert Bulgarien die EU-
    Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien
    und Albanien, die eigentlich im Dezember be-
    ginnen sollten. "Das ist ein schwerer Schlag",
    bedauert der deutsche Europa-Staatsminister
    Michael Roth laut Bernd Riegert von der Deut-
                  27
    schen Welle . „Das münzte er sowohl auf die
    Beitrittskandidaten als auch auf die zu Ende
    gehende deutsche Ratspräsidentschaft in der
    EU. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe sich
    persönlich bei den Bulgaren für Nordmazedo-
    nien eingesetzt. Ohne Erfolg.“ Bulgarien fordere
    von dem Nachbarland, es müsse unter ande-
    rem die mazedonische Sprache als einen bulga-            Michael Roth
                                                             © European Union
    rischen Dialekt anerkennen. Auch gegen Ver-
    handlungen mit Albanien gebe es Widerstand,                  Bulgariens    Außenministerin   Eketarina
    nämlich von den Niederlanden, wie EU-                    Sachariewa verteidigt im Interview mit der
                                                                   29
    Diplomaten aus den bisherigen Konferenzen                WELT das Veto gegen die Beitrittsverhandlun-
    berichten. "Das sagen sie im Moment nicht                gen. Nordmazedonien müsse erst einmal
    öffentlich, sondern ducken sich lieber hinter            „greifbare Ergebnisse bei der Implementierung
    Bulgarien weg", zitiert Riegert einen dieser Dip-        unseres Abkommens über gute nachbarschaft-
    lomaten. Überhaupt keine Fortschritte habe es            liche Beziehungen nachweisen.“ Bei wichtigen
    bei dem Beitrittsprozess von Serbien gegeben.            Punkten wie der Historikerkommission oder
    Unter der deutschen Ratspräsidentschaft konn-            gemeinsamen Infrastrukturprojekten bleibe
    te das Land „kein einziges der insgesamt 35              Nordmazedonien tatenlos. Auch wehrt sich
    Verhandlungskapitel neu eröffnen.“ Die Ver-              Sachariewa gegen den Vorwurf, man würde
    antwortung dafür sehe Roth allerdings alleine            dem Staat Nordmazedonien das Recht auf na-
    bei Serbien: „Der Fortschritt in den Verhand-            tionale Selbstbestimmung absprechen. Viel-
    lungen liegt ja nicht an uns, sondern haupt-             mehr wolle man die Rechte von nordmazedoni-
    sächlich bei den Beitrittskandidaten“. Serbiens          schen Bürgern mit bulgarischen Wurzeln schüt-
    Fortschritte bei rechtsstaatlichen Reformen,             zen. „In den letzten zehn Jahren haben 88.450
    freien Medien und der Lösung regionaler Kon-             Nordmazedonier die bulgarische Staatsbürger-
    flikte seien nicht zufriedenstellend gewesen.            schaft erhalten aufgrund ihrer Abstammung.
        Staatsminister Michael Roth kritisiert das           […] Sie haben auch ein Recht auf Selbstbe-
    Veto Bulgariens auch in einem kurzen Interview           stimmung. Aber jeder, der sich heute in der
7    Themenservice Deutsche EU-Ratspräsidentschaft – KW 51

    Republik Nordmazedonien als Bürger mit bul-              bewerbern mit der EU und ihren Institutionen
    garischen Wurzeln definiert, wird dort weiterhin         bei der Lösung des Migrationsproblems nicht
    diskriminiert.“ Trotz der aktuellen Situation            unendlich ist, machte vor Wochen Frankreichs
    bleibe Bulgarien „einer der stärksten Befürwor-          Präsident Emmanuel Macron deutlich, als er
    ter des Erweiterungsprozesses - inklusive der            eine Schengen-Reform forderte und den man-
    Republik Nordmazedonien. Ich wünsche mir                 gelnden Schutz der Außen- und Binnengrenzen
    wirklich konstruktive und ernste Gespräche               kritisierte“, erinnert Marcel Leubecher in der
    zwischen uns.“                                           WELT 33. Andrea Lindholz, die Vorsitzende des
                                                             Innenausschusses im Bundestag, sagte der
    Weitere wichtige Themen                                  WELT: „Schengen wird scheitern, wenn die Eu-
                                                             ropäer nicht endlich ihre Außengrenzen ver-
    Asyl- und Migrationspolitik: Bundesinnenmi-              lässlich kontrollieren und abgelehnte Asylbe-
    nister Horst Seehofers zentrales Projekt wäh-            werber konsequent zurückschicken.“
    rend der deutschen Ratspräsidentschaft war es,               ASEAN-Staaten: Die EU konnte mit der Auf-
    „den gordischen Knoten in der europäischen               wertung ihrer Beziehungen zum Verband der
    Asyl- und Migrationspolitik“ zu lösen, wie Da-           südostasiatischen Staaten (ASEAN) zu einer
                                     30
    niel Steinvorth von der NZZ es ausdrückt.                „strategischen Partnerschaft“, laut dem Bun-
    Damit sei er nun sechs Monate später „kra-               desaußenminister Heiko Maas, ein zentrales
    chend gescheitert“. Die Mitgliedstaaten seien            Ziel der deutschen EU-Ratspräsidentschaft er-
    sich weiter uneinig, ob und wie Migranten zwi-           reichen. Die ASEAN nehme in der Ausrichtung
    schen den Ländern verteilt werden sollen. Am             der Europäer nach Asien „eine hervorgehobene
                                                                                          34
    Montag, den 14. Dezember, fand die letzte Vi-            Rolle“ ein, schreibt die FAZ . Vor dem Hinter-
    deokonferenz unter deutschem Vorsitz statt.              grund sich (wirtschafts-)politisch nicht zu sehr
                                       31
    Nachdem die Corona-Pandemie die Verhand-                 auf China zu fokussieren und von China abhän-
    lungen bereits in den letzten Monaten erheb-             gig zu machen, wollen die Europäer die Bezie-
    lich erschwert hatte, musste Seehofer nun die-           hungen zu anderen Partnern in der Region wie
    ser Runde sogar fernbleiben – wegen einer                Japan, Südkorea, Australien, Neuseeland und
                             32
    freiwilligen Quarantäne . Vertreten wurde er             Indien ausbauen. Konkret würden die Hoffnun-
    durch Staatssekretär Stephan Mayer. Als Er-              gen der EU dabei weniger auf „einer Allianz
    gebnis der monatelangen Verhandlungen kann               gleicher politischer Systeme“ beruhen, sondern
    die deutsche Ratspräsidentschaft nur einen               auf Gemeinsamkeiten in der Wertschätzung
    kurzen Fortschrittsbericht präsentieren. Darin           einer „regelbasierten Ordnung“, den Prinzipien
    werden die unterschiedlichen Positionen fest-            des freien Handels und der freien Seefahrt, der
    gehalten. Länder wie Polen oder Ungarn wür-              friedlichen Konfliktlösung und des Multilatera-
    den demnach sowohl die verpflichtende Auf-               lismus oder auch auf einer Zusammenarbeit
    nahme von Flüchtlingen als auch die Übernah-             beim Klimawandel und dem Kampf gegen das
    me von Rückführungen ablehnen. Die Mittel-               Coronavirus. Zudem würden die Deutschen
    meerstaaten fürchten dagegen eine zusätzliche            hoffen, dass eine gesamteuropäische Indo-
    Belastung durch ein vorgeschlagenes Grenzver-            Pazifik-Strategie bis zum Jahr 2022, wenn
    fahren, welches zwar schnellere Asylbescheide            Frankreich die EU-Ratspräsidentschaft über-
    vorsehe, aber auch die Unterbringung an der              nimmt, erarbeitet ist. Diese Strategie dürfte
    EU-Außengrenze erfordern würde. Generell                 Großteils auf den, im Herbst beschlossenen,
    fordern diese Staaten mehr Solidarität bei der           deutschen „Leitlinien zum Indo-Pazifik“ beru-
    Verteilung der Migranten. „Die Ratspräsident-            hen.
    schaft empfiehlt nun, den Solidaritätsmecha-                 EU-China Beziehungen: Neuen Informatio-
    nismus mit Beispielen durchzurechnen. Das                nen zufolge, welche Dana Heide, Hans-Peter
    wird den Widerstand aber gewiss nicht bre-               Siebenhaar und Till Hoppe vom Handels-
                                                                   35
    chen. Es liegt nun an Portugal, das am 1. Januar         blatt vorliegen, arbeiten die Europäische Uni-
    den Vorsitz übernimmt, die schwierige Debatte            on und China „unter Hochdruck“ am Abschluss
    weiterzuführen“, schreibt Steinvorth. Sollte             der Verhandlungen über ein Investitionsab-
    auch dann keine Einigung gefunden werden,                kommen. Die Gespräche würden fortgesetzt
    fürchten einige Politiker fatale Folgen bis hin zu       werden, um die letzten Streitpunkte auszuräu-
    einem Scheitern des Schengen-Raumes. „Dass               men. „Auf beiden Seiten gibt es verhaltene Zu-
    die Geduld einiger Hauptzielstaaten von Asyl-            versicht, zu einer Einigung kommen zu können.
8     Themenservice Deutsche EU-Ratspräsidentschaft – KW 51

    Womöglich gebe es noch in dieser Woche Er-                        Einzelnen solle möglich gemacht werden, dass
    gebnisse“, zitieren die Autoren einen „Insider“                   die EU von Personen oder Organisationen, die
    in Brüssel am 15. Dezember. „Sollte es tatsäch-                   schwere Menschenrechtsverletzungen begehen
    lich noch zu einer Einigung kommen, wäre das                      oder von ihnen profitieren, Vermögenswerte
    ein     Höhepunkt      der     deutschen     EU-                  einfrieren kann oder auch Einreisesperren für
    Ratspräsidentschaft. Kanzlerin Merkel hatte                       die EU unabhängig vom Ort weltweit verhängen
    sich stets für das Investitionsabkommen einge-                    kann. Jedoch müssen alle Mitgliedstaaten den
    setzt und an dem Ziel festgehalten, bis Ende                      Maßnahmen einstimmig zustimmen. Laut EU-
                                                                      Diplomaten werden wohl im ersten Quartal
    2020 zum Abschluss zu kommen.“ Ursprünglich
                                                                      2021 die ersten Entscheidungen fallen, auf wen
    sollte das Abkommen zu den EU-China-
                                                                      das neue „Menschenrechtsregime“ angewendet
    Beziehungen bereits im September „bei einem                                                     40
                                                                      wird, wie die Deutsche Welle berichtet. Der
    historischen Gipfeltreffen der 27 EU-Staats- und
                                                                      luxemburgische Außenminister, Jean Asselborn,
    - Regierungschefs mit der chinesischen Füh-
                                                                      habe bereits vorgeschlagen, Mitglieder der tür-
    rung“ verkündet werden. Die Corona-Pandemie                       kischen Justiz mit Sanktionen zu belegen, da
    durchkreuzte die Pläne, am Ende blieb nur ein                     diese willkürliche Verhaftungen von Menschen-
    kurzer Videogipfel 36. Am Freitag bestätigte ein                  rechtlern zuließen.
    Sprecher des chinesischen Außenamts, dass
    die Verhandlungen „die letzte Phase erreicht                      Weitere Informationen
    hätten, wie Lea Deuber, Björn Finke, Chris-
    toph Giesen und Matthias Kolb von der Süd-                            Schlussfolgerungen der Tagung des Euro-
                        37
    deutschen Zeitung berichten.                                           päischen Rates vom 10. bis 11. Dezember
                                                                           2020.
                                                                          Pressekonferenz von EU-Ratspräsident Mi-
                                                                           chel,    Kanzlerin      Merkel    und   EU-
                                                                           Kommissionspräsidentin von der Leyen
                                                                           nach dem Europäischen Rat und dem Euro-
                                                                           gipfel.
                                                                          Fortschrittsbericht der deutschen Präsi-
                                                                           dentschaft zu Kernelementen einer europä-
                                                                           ischen Migrations- und Asylpolitik und zum
                                                                           weiteren Vorgehen.
                                                                          Deutschlandfunk: Gespräch mit dem briti-
                                                                           sche Politologen Anthony Glees zu den
    Xi Jinping, Charles Michel, Angela Merkel, Ursula von der Leyen
    © European Union                                                       Brexit-Verhandlungen.
                                                                          Verteidigungsministerin Annegret Kramp-
       Menschenrechte: Vergangene Woche billig-
                                                                           Karrenbauer hat in einer virtuellen Ge-
    ten die EU-Außenminister den nötigen Rechts-
                                                                           sprächsrunde mit sicherheitspolitischen
    rahmen für einen neuen Sanktionsmechanis-
                                                                           Expertinnen und Experten eine erste positi-
    mus, mit dem die EU gegen Personen, die
                                                                           ve    Bilanz    für     die   Deutsche  EU-
    schwere Menschenrechtsverletzungen began-
                                                                           Ratspräsidentschaft 2020 gezogen.
    gen haben, vorgehen will. Vorbild sei der von
                                                                          eu2020.de: Die offizielle Webseite der Bun-
    den USA 2016 erlassene „Global Magnitsky Act“,
                                   38                                      desregierung zu der Ratspräsidentschaft.
    erläutert Eric Bonse in der taz . Für solch ei-
                                                                          Auf der offiziellen Themenseite der Kon-
    nen Mechanismus hatte sich zuerst das Euro-
                                                                           rad-Adenauer-Stiftung finden Sie aktuelle
    päische    Parlament     ausgesprochen      und
                                                                           Interviews sowie auch Veranstaltungen und
    Deutschland habe dies dann zu einem Schwer-
                                                                           Publikationen       zur     deutschen   EU-
    punkt seiner Ratspräsidentschaft gemacht. Laut
                                                                           Ratspräsidentschaft.
    Außenminister Maas sollen Personen, die für
    Folter oder für Menschenhandel verantwortlich
    seien, „künftig nicht mehr sorgenlos in Europa                    1
                                                                        Bernd Riegert, EU-Gipfel auf einem Berg von Problemen,
    shoppen gehen können“. Anders als die US-                         Deutsche Welle, 10.12.2020, https://www.dw.com/de/eu-
    Regelung soll der EU-Mechanismus nur bei                          gipfel-auf-einem-berg-von-problemen/a-55886868
                                                                      2
    „ernsthaften Menschenrechtsverletzungen“ wie                        Eric Bonse, Merkel muss um ihre Bilanz bangen, taz.de,
    Völkermord, Menschenhandel oder systemati-                        10.12.2020, https://taz.de/Streit-vor-EU-Gipfel/!5730579/
                                                                      3
                                                                        Tobias Kaiser/ Christoph B. Schiltz, Für Merkel geht es mit
    scher sexueller Gewalt wirksam werden, be-                        diesem Kompromiss auch um ihr europäisches Vermächt-
                                             39
    schreibt Daniel Steinvorth in der NZZ . Im                        nis, Welt Online, 10.12.2020,
9    Themenservice Deutsche EU-Ratspräsidentschaft – KW 51

                                                                   19
    https://www.welt.de/politik/ausland/article222155238/Einig        Jochen Buchsteiner, Fällt die Brexit-Entscheidung an
    ung-im-Streit-ueber-Rechtsstaat-Bruessel-laesst-Corona-        Weihnachten?, faz.net, 16.12.2020,
    Milliarden-fliessen.html                                       https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kommt-es-
    4
      Barbara Wesel, Merkel schafft Klimawandel auf EU-Gipfel,     weihnachten-zu-einem-brexit-showdown-im-unterhaus-
    Deutsche Welle, 11.12.2020,                                    17105578.html
                                                                   20
    https://www.dw.com/de/merkel-schafft-klimawandel-auf-             o.A., Europaparlament stimmt für Notfallpläne, Zeit Onli-
    eu-gipfel/a-55908420                                           ne, 18.12.2020, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-
    5
      Gerhard Gnauck/ Thomas Gutschker/ Hendrik Kafsack,           12/brexit-eu-parlament-no-deal-notfallplaene-zoll-handel-
    Wie die deutsche Regierung den Streit mit Polen und Un-        wirtschaft
                                                                   21
    garn beilegte, faz.net, 09.12.2020,                               o.A., Brexit-Verhandlungen stocken – Vertrag kann nicht
    https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wie-berlin-den-eu-      mehr ratifiziert werden, Handelsblatt online, 20.12.2020,
    streit-mit-polen-und-ungarn-beilegte-17094032.html             https://www.handelsblatt.com/politik/international/harter-
    6
      Markus Becker, Merkels Triple, Spiegel Online, 11.12.2020,   brexit-droht-brexit-verhandlungen-stocken-vertrag-kann-
    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/angela-merkel-      nicht-mehr-ratifiziert-werden/26737562.html?ticket=ST-
    nach-eu-gipfel-lob-fuer-die-kanzlerin-a-a0e468cd-f765-         15654457-wnKAnnJgUfmpv24vrrk9-ap2
                                                                   22
    4556-a03f-c56f95a3e0a7                                            Barbara Wesel, Brexit: Was bedeutet ein No-Deal?, Deut-
    7
      Christian Kerl, EU-Gipfel: Kanzlerin Angela Merkel setzt     sche Welle, 13.12.2020, https://www.dw.com/de/brexit-was-
    sich durch, morgenpost.de, 10.12.2020,                         bedeutet-ein-no-deal/a-55918092
                                                                   23
    https://www.morgenpost.de/meinung/article231116754/EU             David Ehl, Die neue Irland-Frage: Wie der Brexit alles
    -Gipfel-Kanzlerin-Angela-Merkel-setzt-sich-durch.html?bot-     verändert, Deutsche Welle, 09.12.2020,
    access=true&                                                   https://www.dw.com/de/offene-grenze-dank-nordirland-
    8
      Michael Fischer/ Verena Schmitt-Roschmann, Die Stunde        protokoll-wie-der-brexit-f%C3%BCr-irland-alles-
    der Dauerkrisenmanagerin, Münchner Merkur, 12.12.2020.         %C3%A4ndert/a-55883353
    9                                                              24
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    mentar-die-loesung-des-eu-haushaltsstreits-ist-eine-           ld.1590931?reduced=true
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    meisterleistung-merkels/26708252.html?ticket=ST-                  Benjamin Triebe, Brexit, Banken und die City: Wer für das
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    11                                                             26
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       Volker Pabst/ Daniel Steinvorth, Brüssel erhöht den         -laesst-corona-impfstoff-von-biontech-und-pfizer-zu-
    Druck auf Ankara, aber nur ein bisschen, nzz.ch,               17081347.html
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    06.12.2020,                                                       Christoph Schult, »Wasser auf die Mühlen nationalisti-
    https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/brexit-            scher Kräfte«. Interview mit Michael Roth, Der Spiegel,
    verhandlungen-neue-hindernisse-fuer-ein-abkommen-              12.12.2020.
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10    Themenservice Deutsche EU-Ratspräsidentschaft – KW 51

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     55847456
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