Wie Deutschland über Algorithmen schreibt - Eine Analyse des Mediendiskurses über Algorithmen und Künstliche Intelligenz (2005-2020) - Bertelsmann ...
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Wie Deutschland über Algorithmen schreibt Eine Analyse des Mediendiskurses über Algorithmen und Künstliche Intelligenz (2005–2020)
Wie Deutschland über Algorithmen schreibt Eine Analyse des Mediendiskurses über Algorithmen und Künstliche Intelligenz (2005–2020) Dr. Sarah Fischer und Prof. Dr. Cornelius Puschmann
Inhalt Vorwort 6 Zusammenfassung 8 Executive Summary 10 1 Ziel der Diskursanalyse 12 2 Methodik und Datenkorpus 14 3 Ergebnisse 17 3.1 Wenig vielfältig: Wirtschaftliche Themen und Akteure dominieren den Diskurs 17 3.2 Überwiegend positiv: Der Diskurs ist stark von der Chancenperspektive geprägt 24 3.3 Erstaunlich lösungsorientiert: Notwendiger Kompetenzaufbau steht im Fokus des Diskurses 27 4 Fazit und Ableitungen 29 Literatur 32 Über die Autor:innen 34 Literaturempfehlungen Algorithmenethik 35 Anhang 38 Impressum 51 5
Vorwort Vor drei Jahren gingen wir der Frage auf den wichtige Informationsgrundlage und befähigt die Grund, was Deutschland über Algorithmen weiß Bevölkerung, an einer gesellschaftlichen Debatte und denkt. Unsere Umfrage (Fischer und Peter über ein Thema teilzunehmen. Zum anderen finden sen 2018) ergab: Bei diesem Thema herrschen in den Medien unterschiedliche Akteure Gehör und Unwissen, Unentschlossenheit und Unbehagen. können so ihre Perspektive in die öffentliche Mei Die Menschen in Deutschland wissen noch sehr nungsbildung einbringen. wenig darüber, was Algorithmen sind und dass sie bereits in zentralen Gesellschaftsbereichen wie in Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie der Medizin, im Personalwesen oder bei der Poli der mediale Diskurs über Algorithmen und künst zeiarbeit zum Einsatz kommen. Sie haben noch liche Intelligenz in Deutschland genau aussieht: keine klare Meinung zum Thema, verspüren aber Kommen unterschiedliche Akteure mit verschiede ein Unbehagen, wenn Entscheidungen von algo nen Perspektiven zu Wort? Wird eher positiv und rithmischen Systemen beeinflusst sind. Neuere Stu chancenorientiert über das Thema berichtet oder dien bestätigen dieses Bild auch auf europäischer negativ und problembezogen? Welche konkreten Ebene (Grzymek und Puntschuh 2019). Eine aktu Herausforderungen und Handlungsempfehlungen elle Umfrage des Digitalverbandes Bitkom (2020) werden thematisiert? ergab, dass die Bekanntheit des Begriffs „Künstli che Intelligenz“ zuletzt gestiegen ist und inzwischen Diesen Fragen geht die vorliegende Studie nach und mehr als die Hälfte der Befragten meint, den Begriff untersucht erstmals den medialen Diskurs der letz erklären zu können. Interessant dabei: Während ten 15 Jahre zu Algorithmen und künstlicher Intelli vor drei Jahren nur knapp die Hälfte der Menschen genz in Deutschland. Sie analysiert, welche Themen, künstliche Intelligenz als Chance wahrnahm, sahen Akteure und Anwendungsbereiche die Debatte nun schon zwei Drittel positive Aspekte. dominieren, wie der Grundtenor der Berichterstat tung ist und welche Chancen und Risiken dabei im Eine Erklärung für diese Befunde findet sich bei Zentrum stehen. Niklas Luhmann (1996: 9): „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wis Die Ergebnisse bescheinigen dem medialen Dis sen, wissen wir durch die Medien“, konstatierte kurs in Deutschland vor allem einen Mangel an der Soziologe 1996. Dies gilt vor allem für kom Vielfalt. In der Berichterstattung dominieren wirt plexe und individuell schwer zugängliche Phäno schaftliche Akteure, während politische Akteure mene wie neue Technologien. Die mediale Bericht und die Zivilgesellschaft kaum Gehör finden. Dabei erstattung bestimmt also in hohem Maße, was wir bräuchte es gerade diese Stimmen für eine breite über algorithmische Systeme wissen, wie wir sie gesellschaftliche Debatte über einen verantwor wahrnehmen und letztlich auch, ob wir sie akzep tungsvollen Einsatz von Algorithmen und künst tieren. Dabei bildet der mediale Diskurs in doppel licher Intelligenz. Wirtschaftliche Interessen schei ter Hinsicht eine wichtige Grundlage für einen brei nen auch den Tenor des Diskurses zu prägen, der ten demokratischen Prozess. Zum einen ist er eine überwiegend positiv ist und in dem insbesondere 6
Vorwort ökonomische Aspekte wie wirtschaftlicher Fort mit den Chancen und Risiken der Technologie in schritt und Effizienzsteigerung dominieren. Gesell einzelnen Anwendungsfeldern beschäftigt. Ansatz schaftliche Chancen fürs Gemeinwohl und öffent punkte für Lösungen und konkrete Handlungsvor lich finanzierte Einsatzgebiete wie Medizin oder schläge diskutieren ein Papier über Fehlerquellen Bildung werden in den untersuchten Beiträgen und Verantwortlichkeiten in Prozessen algorith hingegen seltener thematisiert. Dies wäre jedoch mischer Entscheidungsfindung (Zweig 2018) oder wichtig, damit der mediale Diskurs einen Beitrag zu ein Gutachten über Potenziale und Grenzen der mehr Wissen über die tatsächliche Breite und Tiefe europäischen Datenschutz-Grundverordnung des Einsatzes von Algorithmen und zu einer ausge für algorithmische Systeme (Dreyer und Schulz wogeneren Meinungsbildung in der Bevölkerung 2018). Einen Überblick über notwendige Maßnah leisten kann. men, um algorithmische Systeme in den Dienst der Gesellschaft zu stellen, bietet das Lösungspano Die Studie ist Teil des Projekts „Ethik der Algo rama „Damit Maschinen den Menschen dienen“ rithmen“ der Bertelsmann Stiftung. Das Projekt (Krüger und Lischka 2018). Die gemeinsam mit zielt darauf ab, den Diskurs über Algorithmen und dem iRights.Lab erarbeiteten Algo.Rules (iRights. künstliche Intelligenz zu versachlichen und um Lab und Bertelsmann Stiftung 2019) können durch eine gemeinwohlorientierte Dimension zu ergän Entwickler:innen und ihre Führungskräfte genutzt zen. Dazu wurde beispielsweise in einer reprä werden, um algorithmische Systeme in der Praxis sentativen Bevölkerungsumfrage untersucht, was gemeinwohlorientiert zu gestalten. Deutschland über Algorithmen weiß und denkt (Fischer und Petersen 2018). Der jüngst veröf Um den Diskurs und die Debatte über die Ergeb fentlichte „Automating Society Report“ präsen nisse dieser neuen Studie zu erleichtern, veröf tiert über 100 Anwendungsfälle automatisierter fentlichen wir sie unter einer freien Lizenz (CC Entscheidungsfindung in 16 europäischen Ländern BY-NC-SA 2.0 DE). Wir danken Prof. Dr. Cornelius (Chiusi et al. 2020). In den Themenbereichen Pre Puschmann von der Universität Bremen und unse dictive Policing (Knobloch 2018), Personalwesen rer Kollegin Dr. Sarah Fischer für die gelungene (Knobloch und Hustedt 2019) und Gesundheits- Zusammenarbeit und freuen uns zusammen mit Apps (Klingel 2019) hat das Projekt sich gemeinsam ihnen über Resonanz und natürliche jede Form kon mit der Stiftung Neue Verantwortung vertiefend struktiver Kritik. Dr. Jörg Dräger Ralph Müller-Eiselt Mitglied des Vorstandes Direktor Programm Megatrends Bertelsmann Stiftung Bertelsmann Stiftung 7
Zusammenfassung Umfragen zeigen, dass die Menschen in Deutsch den und wichtige gemeinwohlrelevante Aspekte land noch relativ wenig über Algorithmen und und Chancen kaum erörtert werden. Die Analysen künstliche Intelligenz sowie deren Einsatzgebiete zeigen, dass wirtschaftliche Belange gerade in den wissen. Gerade bei abstrakten Themen, bei denen letzten vier Jahren deutlich an Gewicht gewonnen der Bezug zu unserem Alltag nicht direkt ersicht haben. lich ist, erlangen wir unser Wissen aus den Medien. Der mediale Diskurs beeinflusst damit, wie Men In allen untersuchten Medien (Leitmedien, Fach schen Algorithmen und künstliche Intelligenz wahr blogs und -webseiten sowie Twitter) herrscht ein nehmen und welche Einstellungen sie zu diesem überwiegend positiver Tenor zum Thema. Bei den Thema entwickeln. Welche Perspektiven im Dis in der Debatte erörterten Chancen lässt sich wie kurs vertreten sind, welche Akteure eine Stimme derum eine Dominanz der ökonomischen Perspek bekommen und welche Einsatzgebiete thematisiert tive erkennen: Im Fokus stehen, neben einzelnen werden, prägt das Wissen und die Wahrnehmung Chancen für das Individuum wie Personalisierung der Bevölkerung und damit maßgeblich die gesell und Optimierung von Fähigkeiten, vor allem ökono schaftliche Debatte. mische Vorteile wie wirtschaftlicher Fortschritt und Effizienzsteigerung durch Algorithmen und künst Doch wie sieht der mediale Diskurs über Algo liche Intelligenz. Gesamtgesellschaftliche Chancen rithmen und künstliche Intelligenz in Deutschland wie eine bessere Verteilung knapper Ressourcen genau aus? Dieser Frage geht die vorliegende Stu oder ein fairer Zugang zu staatlichen Leistungen die nach. Sie hat das Ziel, die Berichterstattung zum werden hingegen nur selten erwähnt. Ähnlich ver Thema sowie ihre Entwicklung in den letzten 15 hält es sich mit den Einsatzgebieten algorithmischer Jahren nachzuzeichnen. Dazu nutzt sie sowohl eine Systeme: Zentrale gemeinwohlrelevante Bereiche computergestützte als auch eine quantitativ-manu wie Medizin oder Bildung werden deutlich weni elle Inhaltsanalyse. Sie geht der Frage nach, welche ger häufig thematisiert als etwa digitale Alltags Themen medial prominent vertreten sind und wie technologien wie Assistenzsysteme oder Soziale sich dies in den letzten 15 Jahren verändert hat. Sie Medien, obwohl Algorithmen und künstliche Intel untersucht, welche Akteure und Anwendungsbe ligenz auch dort bereits breite Anwendung finden, reiche von Algorithmen und künstlicher Intelligenz wie eine europaweite Recherche jüngst belegte den Diskurs dominieren und ob eher positiv oder (siehe Chiusi et al. 2020). negativ über das Thema berichtet wird. Trotz des insgesamt positiven Tenors werden zen Die Ergebnisse der Studie machen deutlich: Die trale Problemfelder und Risiken unseres Umgangs Debatte mangelt an Vielfalt und hat blinde Flecken mit Algorithmen und künstlicher Intelligenz, wie mit Blick aufs Gemeinwohl. Die wirtschaftliche Per etwa fehlende Kompetenzen, Intransparenz und spektive dominiert den Diskurs mit einer positiven mangelnde Kontrolle, in der Berichterstattung Fortschrittsvision, während politische und zivilge durchaus thematisiert. Dabei verläuft der medi sellschaftliche Akteure nur selten Erwähnung fin ale Diskurs bereits erstaunlich lösungsorientiert: 8
Zusammenfassung Ein Drittel der untersuchten Texte enthält spezi Drittens dürfen im Diskurs thematisierte Lösungs fische Handlungsempfehlungen. Allerdings domi ansätze nicht beim Kompetenzaufbau stehen blei nieren dabei solche Empfehlungen, die auf den ben. In der breiten Bevölkerung, aber auch bei Kompetenzaufbau bei Anwender:innen und in der Anwender:innen darf nicht der Eindruck entstehen, Bevölkerung abzielen, während konkrete Ansätze dass die Bürde des verantwortungsvollen Einsat zur wirksamen Aufsicht, Kontrolle und Regulierung zes algorithmischer Systeme allein auf ihnen lastet. deutlich seltener zu finden sind. Wissen wirkt zwar oftmals Wunder, braucht dazu aber auch adäquate Aufsichts- und Kontrollstruk Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich turen. Eine stärkere Berücksichtigung solcher wei drei zentrale Ableitungen treffen: terer Lösungsansätze im medialen Diskurs könnte gleichsam den dafür nötigen politischen Handlungs Erstens mangelt es dem Diskurs im Hinblick auf druck befördern. vertretene Perspektiven und Akteure an Vielfalt. Für eine breite demokratische Meinungsbildung braucht es jedoch diverse Positionen. Dazu benö tigen vor allem zivilgesellschaftliche und politische Stimmen größere Resonanz in der Debatte über Algorithmen und künstliche Intelligenz. Leitmedien sollten sie einerseits häufiger in der Berichterstat tung berücksichtigen. Andererseits sollten Akteure aus Zivilgesellschaft und Politik daran arbeiten, ihre Anliegen und Kernbotschaften stärker und zielge richteter an und über die Medien zu kommunizieren. Zweitens spiegelt sich der Fokus auf die wirt schaftliche Perspektive auch in den thematisier ten Anwendungsbereichen und Chancen wider. Damit Skepsis in der Bevölkerung sich abbaut und Vertrauen in neue Technologien wachsen kann, ist es wichtig, dass auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Algorithmen in zentralen teilhabe relevanten Bereichen wie Bildung, Gesundheit oder Sicherheit sowie gesamtgesellschaftliche Chancen derartiger Systeme häufiger in der Berichterstat tung vorkommen. 9
Executive Summary Surveys show that people in Germany still know in this regard are receive little public attention. The relatively little about algorithms, artificial intelli analyses show that economic issues have gained gence and their fields of application. The media is considerable weight especially in the last four years. a key source of information and knowledge when it comes to such abstract topics affecting our eve In all of the media reviewed (mainstream media ryday life in ways not immediately apparent. Media publications, specialist blogs and websites, and discourse thus influences how people perceive algo Twitter), an overwhelmingly positive tone rithms and artificial intelligence, as well as the atti toward the subject dominates. The opportunities tudes they develop regarding both. The question of discussed in the debate again show the dominance which perspectives are represented in media dis of the economic perspective; alongside selected course, which actors are given a voice and which opportunities for individuals, such as meeting areas of application are addressed consequently personal needs more effectively or expanding shapes public knowledge and perceptions, and it human capabilities, media coverage focuses has a significant influence on public debate overall. primarily on economic advantages associated with algorithms and artificial intelligence such But what exactly does the media discourse about as economic progress and increases in efficiency. algorithms and artificial intelligence look like in By contrast, overall societal opportunities such Germany? The present study examines this as a better distribution of scarce resources or question. Its goal is to trace reporting on this topic fairer access to government services are rarely and its evolution over the last 15 years. To do mentioned. The situation is similar with regard to so, it uses both computer-supported and manual the fields of application for algorithmic systems. quantitative content analyses. It examines which Here, everyday digital technologies such as virtual- topics are prominently represented in the media, assistant systems or social media are discussed and how this has changed over the last 15 years. It significantly more often than key areas relevant to scrutinizes which actors and areas of application the public welfare such as medicine or education, for algorithms and artificial intelligence have although algorithms and artificial intelligence are dominated the discourse, and whether reporting on already widely applied there as well, as recently the topic has skewed more positively or negatively. found by a pan-European research project (see Chiusi et al. 2020). The results of the study make clear that the debate lacks diversity and has blind spots with regard Despite the overall positive tone, the reporting to the public interest. An economic perspective has certainly addressed key problems and has dominated the discourse with a generally risks in our handling of algorithms and artificial very positive framing, while political and civil intelligence, such as a general lack of digital society actors are rarely mentioned. Aspects of competency, insufficient transparency and faulty AI applications that are relevant to ensuring the oversight. In this regard, the media discourse is common good or which bear certain opportunities already surprisingly solution-oriented, with one- 10
Executive Summary third of the texts examined containing specific Third, the strategies discussed in the discourse must recommendations for action. However, the bulk of not be limited to enhancing digital literacy or skills. recommendations aim at increasing digital literacy Neither the general public nor individual users or skills among users and in the population more should be given the impression that the burden of generally, while specific approaches for effective using algorithmic systems responsibly rests solely oversight, control and regulation are mentioned with them. Knowledge often works wonders, but much less frequently. it also requires adequate oversight and control structures. Including such additional strategies Three core conclusions can be drawn from more prominently within the media discourse the results of the study: could help generate the political pressure needed to produce action. First, the discourse lacks diversity with regard to the perspectives and actors represented. However, a broad-based democratic shaping of public opinion requires that diverse positions be heard. This requires that civil society and political voices in particular take on a more substantial presence in the debate over algorithms and artificial intelligence. On the one hand, mainstream media publications should include these voices more often in their reporting. On the other hand, political and civil society actors should work to communicate their concerns and core messages more strongly and more effectively through the media. Second, the focus on the economic perspective is also reflected in the application areas and opportunities addressed by the media. In order to reduce public skepticism and build trust in new technologies, it is important that the use of artificial intelligence and algorithms in inclusion-relevant key areas such as education, health and public security, as well as the overall societal opportunities offered by such systems, be addressed more often in the reporting. 11
1 Ziel der Diskursanalyse Insbesondere bei individuell schwer greifbaren tigen Positionen geprägt ist. Ein Projekt des Lever und komplexen Phänomenen wie neuen Technolo hulme Centre for the Future of Intelligence und der gien, zu denen Algorithmen und künstliche Intel Royal Society kam nach mehreren Expertendiskus ligenz gehören, beeinflusst der mediale Diskurs in sionen zu dem Ergebnis, dass utopische und dys hohem Maße, was Menschen darüber wissen, wie topische Extreme sowie eine fehlende Diversität sie diese wahrnehmen, und letztlich auch, ob sie von Akteuren den Diskurs bestimmen (The Royal sie akzeptieren. Mediale Berichterstattung kann Society 2018). Eine Inhaltsanalyse verschiedener gegenüber neuen Technologien genauso zu überzo Medien in Großbritannien zeigte eine starke Domi genen Erwartungen und Hoffnungen führen wie zu nanz wirtschaftlicher Akteure und wirtschaftsbezo vorschneller Skepsis. Studien weisen zudem darauf gener Anlässe (z. B. neue Produkte oder Events der hin, dass in der Bevölkerung allgemein ein eher Industrie) in der Berichterstattung. Dabei wurde geringes Wissen über Algorithmen und künstliche künstliche Intelligenz (KI) überwiegend positiv kon Intelligenz, ihre Einsatzfelder sowie Auswirkungen notiert und als Lösung für vielfältige Probleme besteht (Fischer und Petersen 2018; Grzymek und dargestellt (Brennen, Howard und Nielsen 2018). Puntschuh 2019). Eine informierte Vorstellung und Auch eine Analyse der Berichterstattung der New entsprechend entwickelte Einstellung der Bevölke York Times im Zeitraum von 1986 bis 2016 ergab, rung sind jedoch eine wichtige Voraussetzung für dass die Berichterstattung, die seit 2009 explo eine inklusive gesellschaftliche Debatte über algo diert ist, mehr optimistische als pessimistische Arti rithmische Systeme. Dabei leistet der mediale Dis kel enthielt und diese Tendenz über die Zeit kons kurs einen zentralen Beitrag zu einer demokrati tant war. Die Sorge um einen Kontrollverlust und schen Meinungsbildung, wenn er verschiedenen ethische Belange nahm allerdings im Zeitverlauf zu Perspektiven und Akteuren Raum und Stimme gibt. (Fast und Horvitz 2016). Deshalb stellt sich die Frage, wie in Deutschland über Algorithmen und künstliche Intelligenz berich Auch die deutsche Debatte scheint aus einem sub tet wird. Welche Perspektiven und Akteure sind jektiven Eindruck heraus häufig von wirtschaft im Diskurs vertreten? Wird die mediale Darstel lichen Utopien einerseits und gesellschaftlichen lung des Themas eher von wirtschaftlichen Belan Dystopien anderseits geprägt. Systematische gen beeinflusst, stehen gesellschaftliche Fragen im Erkenntnisse über den medialen Diskurs zu Algo Vordergrund oder sind eher technische Aspekte rithmen und künstlicher Intelligenz in Deutschland prägend? Wird das Thema eher hoffnungsvoll oder fehlen jedoch bislang. Aus diesem Grund unter eher problembehaftet behandelt? sucht diese Studie, wie die Berichterstattung in Deutschland tatsächlich aussieht. Dabei stehen fol Studien aus Großbritannien und den USA deuten gende Fragestellungen im Vordergrund, die sich darauf hin, dass der Diskurs über Algorithmen und vor allem auf die Tonalität und die Diversität der künstliche Intelligenz oft von extremen oder einsei Berichterstattung fokussieren: 12
Ziel der Diskursanalyse Welche Perspektiven sind im Diskurs präsent? Die Studie analysiert, über welche Themen berich tet wird und wie sich der Themenfokus im Zeitver lauf der letzten 15 Jahre entwickelt hat, welche Themen im Laufe der Zeit an Relevanz gewinnen und verlieren. Außerdem untersucht die Analyse, welche unterschiedlichen Anwendungsbereiche von Algorithmen und künstlicher Intelligenz in der Berichterstattung vorkommen und welche Akteure erwähnt bzw. zitiert werden (Kapitel 3.1). Wie ist der Tenor des Diskurses? Die Analyse untersucht, ob die Berichterstattung insgesamt eher positiv und chancenorientiert oder eher negativ und problembezogen ist. Darüber hin aus werden einzelne Chancen von Algorithmen und künstlicher Intelligenz näher betrachtet (Kapi tel 3.2). Welche Problemfelder und Handlungs empfehlungen bestimmen den Diskurs? Neben den Chancen algorithmischer Systeme wer den auch die in der Berichterstattung dargestell ten Risiken und Problemfelder näher betrachtet. Zudem wird untersucht, ob auch Handlungsemp fehlungen erwähnt werden, um den Risiken und Problemen zu begegnen (Kapitel 3.3). 13
2 Methodik und Datenkorpus Auch wenn man mit einer einzelnen Analyse kaum men mit ihren jeweils charakteristischen Wörtern den gesamten Diskurs zum Thema künstliche Intel siehe Anhang, Tabelle A1). Diese Themen wurden ligenz und Algorithmen allumfassend untersuchen auf ihre Prävalenz im Diskurs und ihre Entwicklung kann, so war es doch der Anspruch, die mediale im Zeitverlauf untersucht. Debatte zum Thema soweit möglich in der Breite und in der Tiefe zu erfassen. Dieses Ziel hatte Ergänzt wurde die Methode des Topic Modeling Auswirkungen auf die gewählte Methodik und die durch eine standardisierte quantitative Inhaltsana untersuchten Medien. Für die Studie wurde eine lyse. Während das Topic Modeling es erlaubt, den Kombination aus zwei Methoden ausgewählt, mit Diskurs und seine Themen anhand eines großen denen sich unterschiedliche Schwerpunkte erhe Datensets in der Breite zu analysieren, macht es ben lassen. Mit der Methode des Topic Modeling, die quantitative Inhaltsanalyse möglich, eine klei einer Form der computergestützten Inhaltsana nere Zufallsstichprobe des Datensets (150 Texte lyse, lassen sich Themen im Diskurs identifizieren. aus Leitmedien und 150 Texte aus Fachblogs/- Sie erlaubt es, ein großes Datenset (in dieser Ana webseiten sowie 1000 Tweets; siehe Datenkorpus lyse circa 18.000 Texte) und einen langen Zeitraum unten) in der Tiefe zu betrachten. Mit der quanti zu untersuchen. In einem induktiven und unüber tativen Inhaltsanalyse können komplexere inhalt wachten Verfahren analysiert ein Algorithmus eine liche Kategorien wie Akteure, Tenor, Anwendungs vorgegebene Anzahl an Texten und identifiziert in bereiche, Handlungsempfehlungen sowie Chancen ihnen Wortverteilungsmuster. Auf der Basis von und Risiken von künstlicher Intelligenz und Algo Wahrscheinlichkeiten, mit denen bestimmte Wör rithmen untersucht werden. Diese Kategorien ter gemeinsam in Texten auftreten, bildet der Algo wurden vorab in einem Codebuch (siehe Anhang, rithmus dann Themen (sogenannte Topics). Für Tabelle A2) festgelegt und definiert. Für die Twit jedes Thema werden charakteristische Wörter und ter-Daten wurde ein gekürztes Codebuch (siehe Texte ausgegeben, mit deren Hilfe das Thema inter Anhang, Tabelle A3) verwendet, da aufgrund der pretiert und benannt werden kann. Im Rahmen Kürze der Tweets davon ausgegangen wurde, dass der Analyse wurde eine Reihe von sogenannten komplexere Kategorien wie einzelne Chancen und STM-Themenmodellen (Structural Topic Modeling, Risiken oder Handlungsempfehlungen kaum vor Roberts, Stewart und Tingley 2016) gerechnet. kommen. Auf dieser Grundlage analysierten drei menschliche Coder die Teilstichprobe des Daten Eine Variante mit 60 Topics wurde als stabilste sets. Zuvor wurde ein Pretest mit 100 Beiträgen Lösung ausgewählt. Das Modell wurde dann um von zwei Codern durchgeführt. Die Intercoderreli Topics bereinigt, die keinen inhaltlichen Bezug zum abilität war gut (Krippendorff’s α = ,824). Untersuchungsthema hatten oder es nur am Rande erwähnten, aber als Fokus ein anderes Thema In beiden Analysen wurden Texte aus den letz behandelten (z. B. nicht künstliche Intelligenz, son ten 15 Jahren betrachtet. Der Erhebungszeitraum dern Außenpolitik). Das bereinigte Modell enthält erstreckt sich von Januar 2005 bis Juni 2020. Der 18 Themen (für eine Überblickstabelle dieser The Datenkorpus für die Analyse setzt sich aus drei 14
Methodik und Datenkorpus unterschiedlichen Medientypen zusammen. Den TABELLE 2. Teilkorpus Leitmedien Fokus der Untersuchung stellen Pressetexte aus Quellen Beiträge deutschen Leitmedien dar. Der Diskurs zum Thema künstliche Intelligenz und Algorithmen ist jedoch Der Spiegel 97 nicht ausschließlich auf die Presse beschränkt. Spiegel Online 987 Gerade im Internet findet er auch in Fachmedien Der Tagesspiegel 738 und in den sozialen Medien wie Twitter statt. Aus diesem Grund wurden neben Pressetexten aus Der Tagesspiegel Online 683 überregionalen Zeitungen auch Texte aus ausge BILD Plus 110 wählten Fachblogs und -webseiten sowie Tweets bild.de + BILD print 189 einschlägiger Twitter-Profile in die Untersuchung mit einbezogen. Die einzelnen Teilkorpusse wurden Die Welt 755 wie folgt zusammengestellt: WELT online 1.531 Leitmedien: Es wurden überregionale Zeitungen Die Zeit 407 (Tageszeitungen, Wochenzeitungen sowie deren Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) 1.711 Onlineausgaben) untersucht, da man davon aus Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 399 gehen kann, dass diese eher über ein spezifisches (FAS) Fachthema wie künstliche Intelligenz und Algorith Focus 200 men berichten als regionale und lokale Zeitungen (Tabelle 2). Die Pressetexte wurden über die Daten Focus Online 1.099 bank Dow Jones Factiva mittels einer Stichwortsu Handelsblatt Online + Print 1.383 che mit den in Tabelle 1 angegebenen Suchtermen Süddeutsche Zeitung (SZ) 1.407 im Juni 2020 ermittelt. Süddeutsche Zeitung Online 347 TABELLE 1. Suchterme der Stichwortsuche 12.993 nach Pressetexten in Dow Jones Factiva Quelle: eigene Darstellung Suchterme Pressetexte „Künstliche Intelligenz“ Fachblogs und -webseiten: Für die Suche nach Fach „KI“ medien wurde der Subkorpus „IT-Blogs“ des Digita len Wörterbuchs der Deutschen Sprache (DWDS) „Algorithmus“ (https://www.dwds.de/d/korpora/it_blogs) nach Bei „Algorithmen“ trägen durchsucht, die Verweise auf künstliche Intel „Algorithmische Entscheidungen“ ligenz und Algorithmen enthalten. Es wurden diesel ben Suchterme wie für die Pressetexte verwendet „Automatisierte Entscheidungsfindung“ (siehe Tabelle 1). Um eine vergleichbare Stichprobe „ADM“ zum Teilkorpus der Leitmedien zu erhalten, wur den die Ergebnisse wiederum so gefiltert, dass eine „Maschinelles Lernen“ kleine Liste besonders sichtbarer Fachblogs und „Maschinenlernen“ -webseiten zurückblieb, die das Thema künstliche „Maschinenlernverfahren“ Intelligenz und Algorithmen nicht ausschließlich aus einer technischen Perspektive behandeln. Die Texte „Artificial intelligence“ der ausgewählten Fachblogs und -webseiten (Tabelle „Machine learning“ 3) wurden mit dem von Adrien Barbaresi entwi Quelle: eigene Darstellung ckelten Web-Scraper trafilatura (https://github.com/ adbar/trafilatura) im Juni 2020 extrahiert. 15
Methodik und Datenkorpus TABELLE 3. Teilkorpus Fachblogs und Die folgenden Ergebnisse sind vor dem Hintergrund -webseiten zu betrachten, dass sich die Analysen auf den Dis kurs der letzten 15 Jahre beziehen. Es ist zu vermu Quellen Beiträge ten, dass der mediale Diskurs sich in der jüngeren www.heise.de 162 Vergangenheit weiterentwickelt hat, da es in den netzpolitik.org 654 letzten Jahren sowohl in Deutschland als auch auf europäischer Ebene zahlreiche politische Bemü www.bigdata-insider.de 654 hungen gab, einen regulatorischen Rahmen zu set www.golem.de 303 zen sowie die ethische Gestaltung algorithmischer www.googlewatchblog.de 578 Systeme zu forcieren. Dies kann etwa Auswirkun gen auf die im Diskurs erwähnten Akteure, Themen mixed.de 693 und Handlungsempfehlungen haben. Da allerdings www.it-daily.net 998 etwas über 50 Prozent der Texte aus der Zufalls stichprobe der Inhaltsanalyse aus den letzten fünf www.zdnet.de 875 Jahren stammen, lassen sich aus den Ergebnissen 4.917 der Analysen auch Erkenntnisse ziehen, die für die Quelle: eigene Darstellung aktuelle und künftige Situation Relevanz haben. Twitter: Um einschlägige Tweets zu identifizieren, diente die von Felix Münch entwickelte Datenbank RADICES als Grundlage, die die deutsche Twitter- Sphäre abbildet. Gesucht wurde zunächst nach Nutzerprofilen, die Stichwörter verwenden, die auf ein Interesse an bzw. eine Beschäftigung mit dem Thema künstliche Intelligenz und Algorithmen schließen lassen (Stichwörter: „Künstliche Intelli genz“, „Algorithmus“, „Algorithmen“, „Artificial Intel ligence“, „KI“, „AI“). Auf diese Weise wurden 605 deutschsprachige Twitter-Nutzer:innen mit insge samt 397.081 Tweets identifiziert (für die Liste der Twitter-User siehe Anhang, Tabelle A4). 16
3 Ergebnisse Im Folgenden werden die Ergebnisse der computer Welche Perspektiven sind im Diskurs präsent? gestützten Inhaltsanalyse (Topic Modeling) sowie Resultate ausgewählter Kategorien aus der manu 3.1 Wenig vielfältig: Wirtschaftliche ellen Inhaltsanalyse dargestellt. Themen und Akteure dominieren den Diskurs Zunächst stellte sich die Frage, ob das Untersu chungsthema künstliche Intelligenz und Algorith men an sich überhaupt im öffentlichen Diskurs auf taucht und wie sich seine Relevanz in den letzten ABBILDUNG 1. Das Thema KI und Algorithmen gewinnt in den letzten zehn Jahren an Relevanz 4.000 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Fachblogs/-webseiten Leitmedien Anzahl der Beiträge im Zeitverlauf. Untersuchungszeitraum 01/2005–06/2020. Werte für 2020 für das ganze Jahr hochgerechnet. Quelle: Wie Deutschland über Algorithmen schreibt, Fischer und Puschmann, 2021 17
Ergebnisse ABBILDUNG 2. Wirtschaftliche Themen sind präsenter im Diskurs als gesellschaftspolitische Felder 12 % Wirtschaftliche Themen Technische Themen Gesellschaftspolitische Themen 42,5 % 26 % 31,5 % 10 % 8% 6% 4% 2% 0% Google Wettbewerb Finanzen Demokratie Privatsphäre Internationaler Arbeitswelt IT-Sicherheit Mobilität Gesundheit Gesellschaft Facebook Machine Learning Bildung Regulierung Cloud Computing Staatliche Strafverfolgung Start-ups Wissenschaft/ Forschung Themenanteile am Korpus Quelle: Wie Deutschland über Algorithmen schreibt, Fischer und Puschmann, 2021 15 Jahren entwickelt hat. Die Analyse zeigt hier zu technischen Anwendungsfeldern bzw. Unter ein deutliches Bild: Während das Thema zwischen bereichen von künstlicher Intelligenz (z. B. Cloud 2005 und 2010 sowohl in Leitmedien als auch auf Computing und Maschine Learning). Mithilfe der Fachblogs und -webseiten noch kaum aufgriffen Beispieltexte konnten die einzelnen Topics drei wurde, steigt die Anzahl der Artikel in den letzten Themenbereichen zugeordnet und weiter aggre zehn Jahren immer stärker an, vor allem in den Leit giert werden: Es ergibt sich ein wirtschaftlicher, ein medien (Abbildung 1). gesellschaftspolitischer und ein technischer The menbereich (Abbildung 2). Die computergestützte Inhaltsanalyse untersuchte dann die Themen innerhalb des Diskurses. Ein Algo Mit Blick auf die Anteile der Topics am Diskurs rithmus generierte die Themen induktiv aus dem zeigt sich, dass vor allem einzelne wirtschaftliche vorhandenen Material heraus. Es wurde ein berei Aspekte einen größeren Anteil am Diskurs ein nigtes Modell mit 18 Themen (Topics) genutzt, nehmen als technische oder gesellschaftspoliti die primär Algorithmen und künstliche Intelligenz sche Themen. Große Technologieunternehmen wie behandeln. Die Topics wurden mithilfe der ausgege Google und Facebook nehmen in der Debatte mit benen charakteristischen Wörter und Beispieltexte den größten Raum ein, aber auch der internationale benannt (siehe im Anhang, Tabelle A1). Die Themen Wettbewerb zwischen USA, China und Europa wird reichen von verschiedenen Einsatzgebieten künst häufig thematisiert. Bei den technischen Themen licher Intelligenz (z. B. Arbeitswelt, Bildung, Medi kommt das Thema IT-Sicherheit am häufigsten vor. zin), über einsetzende Akteure (z. B. Google, Face Es gibt eine größere Bandbreite gesellschaftspoliti book, Start-ups) und politische Handlungsfelder scher Themen im Diskurs. Einzelne gesellschaftspo (z. B. staatliche Regulierung, Privatsphäre) bis hin litische Themen nehmen jedoch weniger Anteil am 18
Ergebnisse ABBILDUNG 3A. Wirtschaftliche und technische Themen gewinnen, gesellschaftspolitische Themen verlieren im Zeitverlauf an Relevanz 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0% 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Wirtschaftliche Themen Technische Themen Gesellschaftspolitische Themen Themenanteile am Korpus im Zeitverlauf Quelle: Wie Deutschland über Algorithmen schreibt, Fischer und Puschmann, 2021 Diskurs ein als einzelne wirtschaftliche oder techni suchungszeitraums zwischen 2005 und 2008 war sche Themen. Während Themen wie Forschung und das Thema Wissenschaft/Forschung noch sehr prä Arbeitswelt noch häufiger auftauchen, haben zen sent im Diskurs. Im Vordergrund der Berichterstat trale gesellschaftspolitische Themen wie Gesund tung stand dabei der Einsatz von Algorithmen und heit, Bildung oder Demokratie nur einen geringen künstlicher Intelligenz in Forschungsprojekten aus Anteil am Diskurs rund um Algorithmen und künst z. B. der Physik oder Medizin, die mithilfe der neuen liche Intelligenz (siehe Abbildung 2). Im Vergleich Technologien zu neuen hilfreichen Anwendungen in dazu sind die Anteile der einzelnen wirtschaftli Bereichen wie etwa Klimaschutz oder Gesundheit chen Themen (mit Ausnahme des Themas Start- führten. Der Diskurs entwickelte sich dann jedoch ups) mehr als doppelt so hoch. von dieser stark wissenschaftlich geprägten hin zu einer von wirtschaftlichen Themen geprägten Im Zeitverlauf der letzten 15 Jahre zeigt sich zudem, Debatte (Abbildung 3A). Unter den wirtschaftlichen dass der Anteil der gesellschaftspolitischen The Themen gewinnt insbesondere in den vergangenen men am Diskurs über die Zeit stark zurückgegan Jahren der internationale Wettbewerb zwischen gen ist. Die wirtschaftlichen und technischen The Europa, USA und China an Relevanz (Abbildung 3B). men haben hingegen an Relevanz zugenommen und sind gerade in den vergangenen zwei bis drei Jah Neben den Themen des Topic Modeling, die ein ren stärker im Diskurs präsent als die gesellschafts Algorithmus induktiv aus dem Material generierte politischen Themen. Auf der Ebene einzelner The und unter denen sich bereits manche Einsatzge men spiegelt sich diese Entwicklung vor allem in biete von Algorithmen und künstlicher Intelligenz den Topics „Wissenschaft/Forschung“ und „interna zeigten, wurden in der manuellen Inhaltsanalyse tionaler Wettbewerb“ wider. Zu Beginn des Unter zudem wichtige Anwendungsbereiche im Codebuch 19
Ergebnisse ABBILDUNG 3B. Wirtschaftliche und technische Themen gewinnen, gesellschaftspolitische Themen verlieren im Zeitverlauf an Relevanz 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0% 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Wissenschaft/Forschung Internationaler Wettbewerb Themenanteile am Korpus im Zeitverlauf Quelle: Wie Deutschland über Algorithmen schreibt, Fischer und Puschmann, 2021 vorgegeben (siehe Codebuch im Anhang, Tabelle che wie Gesundheit oder Bildung in Verbindung A2). Hier zeigt sich, dass der Wirtschaftsfokus sich mit künstlicher Intelligenz und Algorithmen berich jedoch in den medial erwähnten Anwendungsbe tet wird. Erwähnenswert ist auch der Umstand, dass reichen sehr spezifisch widerspiegelt. Der Bereich das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz in Ver Industrie ist hier nicht, wie man auf Basis der bis bindung mit Algorithmen und künstlicher Intelli herigen Ergebnisse vielleicht erwarten könnte, am genz nur sehr selten im Diskurs auftaucht. Auch häufigsten vertreten. Vielmehr konzentriert sich Chancen und Risiken derartiger Systeme für den die mediale Auseinandersetzung auf digitale All Klimaschutz werden kaum angesprochen (siehe tagstechnologien, wie den Einsatz von künstlicher Kapitel 3.2 und 3.3). Intelligenz und Algorithmen im IT-Bereich und digi taler Infrastruktur (z. B. Schutz vor Cyberangriffen, Den Ergebnissen der Inhaltsanalyse zufolge schei Einsatz im E-Commerce) sowie Alltagsassistenz nen die Medien eher den digitalen Raum als die systeme (z. B. Sprachassistenten wie Siri oder Bil analoge Realität zu diskutieren (Abbildung 4). 20 derkennungssoftware). Daneben wird der Einsatz Prozent der in der Inhaltsanalyse untersuchten von Algorithmen und künstlicher Intelligenz bei Artikel drehen sich um digitale Infrastruktur (60 sozialen Medien (z. B. Facebook und Youtube) häu von 300 Artikeln). Alltagsassistenzsysteme wie fig thematisiert. Die Ergebnisse des Topic Mode Siri und Alexa werden in 18 Prozent der Arti ling für die Themen, die sich auf Einsatzgebiete von kel thematisiert (54 von 300 Artikeln). Immer Algorithmen und künstlicher Intelligenz beziehen, hin 9 Prozent der analysierten Artikel beschäfti werden durch die manuelle Inhaltsanalyse bestä gen sich mit KI und algorithmischen Systemen im tigt. Auch sie zeigt, dass nur vergleichsweise sel Gesundheitswesen (26 von 300 Artikeln), Auswir ten über zentrale analoge gesellschaftliche Berei kungen auf Bereiche wie Bildung oder den Klima 20
Ergebnisse ABBILDUNG 4. Digitale Alltagstechnologien im Fokus, Auswirkungen auf das analoge Leben werden kaum thematisiert 70 60 50 40 30 20 10 0 Digitale Alltags- Soziale Unter- Verkehr/ Finanzen Industrie Medizin/ Personal- Sicherheit/ Öffent- Bildung Energie/ Land- Infra- assistenz- Medien haltung Mobilität Gesund- wesen Polizei/ licher Klima- wirt- struktur systeme heit Justiz Sektor schutz schaft Anzahl der zu bestimmten Anwendungsbereichen von KI und Algorithmen zugeordneten Artikel (n = 363; Erwähnung mehrerer Anwendungsbereiche pro Artikel möglich) Quelle: Wie Deutschland über Algorithmen schreibt, Fischer und Puschmann, 2021 schutz tauchen hingegen in nur in etwa 1 Prozent abgebildet werden (Tages- und Wochenzeitun der analysierten Artikel auf (4 bzw. 2 von 300 Arti gen sowie politische Ausrichtung). Daraus ergeben keln). Doch gerade in solchen gemeinwohlrelevan sich bei den thematisierten Anwendungsbereichen ten Bereichen kann der Einsatz künstlicher Intel unterschiedliche Schwerpunkte: So berichtet das ligenz weitreichende Folgen für die Gesellschaft Handelsblatt erwartungsgemäß häufig über wirt haben. Im jüngst veröffentlichten Automating Soci schaftsnahe Themen, wie z. B. digitale Infrastruk ety Report 2020 wurde gezeigt, dass in vielen euro tur/IT sowie Algorithmen und künstliche Intelligenz päischen Ländern algorithmische Systeme bereits in der Industrie, im Finanzsektor und im Personal in zahlreichen solcher zentralen, teilhaberelevan wesen. Bei der Frankfurter Allgemeine Zeitung fal ten Bereiche genutzt werden (Chiusi et al. 2020). len die Anwendungsbereiche Soziale Medien und Diese Anwendungsbereiche sind jedoch im unter Alltagsassistenzsystem als Schwerpunkte auf. Letz suchten Diskurs in Deutschland offenkundig unter teres Thema wird ebenso wie Digitale Infrastruk repräsentiert. tur/IT auch von der BILD oft aufgegriffen. Die Süd deutsche Zeitung sowie die Zeit behandeln häufiger Ein genauerer Blick auf verschiedene Leitmedien als andere Medien den Bereich Gesundheit und zeigt, dass diese durchaus unterschiedlich über das Medizin und greifen in der Stichprobe als einzige Thema Algorithmen und künstliche Intelligenz und das Thema Algorithmen und künstliche Intelligenz ihre Anwendungsbereiche berichten (Abbildung 5). in der Bildung auf – ein Anwendungsbereich, der Für einen Vergleich einzelner Medien wurden die relativ selten im medialen Diskurs vorkommt. jenigen ausgewählt, die einen relativ großen Anteil an Texten im Korpus ausmachen. Zudem sollte ein gewisses Spektrum unterschiedlicher Medien 21
Ergebnisse ABBILDUNG 5. Verschiedene Leitmedien setzen unterschiedliche Schwerpunkte in der Berichterstattung 30 % FAZ Handelsblatt SZ Die Zeit Bild 25 % 20 % 15 % 10 % 5% 0% Soziale Medien Finanzen Industrie Alltagsassistenzsysteme Personalwesen Sicherheit/Polizei/Justiz Energie (auch Klimaschutz) Verkehr/Mobilität Medizin/Gesundheit Landwirtschaft Unterhaltung Bildung Digitale Infrastruktur/ IT Öffentlicher Sektor Anteil der Artikel zu bestimmten Anwendungsbereichen von KI und Algorithmen in ausgewählten Medien Quelle: Wie Deutschland über Algorithmen schreibt, Fischer und Puschmann, 2021 Neben den Anwendungsbereichen untersuchte die Auch die Zivilgesellschaft wird nur selten in Arti Inhaltsanalyse zudem, welche Akteure in den Arti keln erwähnt. Die Wissenschaft sowie Bürger:innen keln und Tweets zu Algorithmen und künstlicher als Nutzer:innen der Technologien werden etwas Intelligenz erwähnt und zitiert sind (Abbildung 6). öfter als die Zivilgesellschaft und politische Akteure Auch bei den in den Artikeln genannten Akteuren genannt. Bürger:innen, wie auch die Zivilgesell dominieren wirtschaftliche Akteure den Diskurs. schaft werden jedoch häufiger auf Fachblogs und Verglichen mit dem größeren Datenset des Topic -webseiten berücksichtigt als in den Leitmedien. Modeling, in dem die Themen „Google“ und „Face book“ einen verhältnismäßig großen Anteil an der Ähnlich wie bei den erwähnten Akteuren über Berichterstattung einnahmen, zeigt die Inhaltsana wiegt auch bei den Akteuren, die im Diskurs zitiert lyse ähnliche Ergebnisse. Vor allem über internatio werden, klar die Wirtschaft (Abbildung 7). Neben nale wirtschaftliche Akteure wird häufig berichtet. ihr kommt auch die Wissenschaft häufig zu Wort. Auch nationale wirtschaftliche Akteure kommen In Texten, in denen es vor allem um Produkt- und vergleichsweise oft vor. Politische Akteure auf nati Anwendungsneuheiten geht, kann man vermuten, onaler wie auch auf europäischer Ebene tauchen dass Wissenschaftler:innen zitiert werden, um der hingegen nur selten auf – obwohl beispielsweise vorgestellten Innovation mit ihrer fachlichen Exper parallel zum Anstieg der medialen Auseinander tise mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Stimmen setzung (siehe Abbildung 1) auch die Beschäfti aus der Zivilgesellschaft und vor allem aus der Poli gung des Bundestages mit dem Begriff Algorithmen tik finden hingegen kaum Gehör im Diskurs über deutlich zugenommen hat (Biermann et al. 2019). Algorithmen und künstliche Intelligenz. 22
Ergebnisse ABBILDUNG 6. Wirtschaftliche Akteure dominieren den Diskurs über KI und Algorithmen 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Wirtschaft Wirtschaft Wissenschaft Verwaltung Politik Politik Politik Zivil- Bürger:innen national international national international EU gesellschaft Anzahl der Artikel, in denen bestimmte Akteure erwähnt werden (n = 294) Quelle: Wie Deutschland über Algorithmen schreibt, Fischer und Puschmann, 2021 ABBILDUNG 7. Politik und Zivilgesellschaft haben kaum eine Stimme im Diskurs um KI und Algorithmen 70 60 50 40 30 20 10 0 Wirtschaft Wirtschaft Wissenschaft Verwaltung Politik Politik Politik Zivil- Bürger:innen national international national international EU gesellschaft Anzahl der Artikel, in denen bestimmte Akteure zitiert werden (n = 294) Quelle: Wie Deutschland über Algorithmen schreibt, Fischer und Puschmann, 2021 23
Ergebnisse Noch stärker als bei den Themen zeigt sich also bei wie sich der Tenor der medialen Berichterstattung den Akteuren, die den Diskurs über Algorithmen darstellt. Werden eher Vorteile und Chancen the und künstliche Intelligenz prägen, ein deutlicher matisiert oder überwiegen Nachteile und Risiken? Fokus auf die Wirtschaft und damit eine fehlende Ist der Diskurs tatsächlich polarisiert zwischen Diversität, die unterschiedlichen gesellschaftlichen gesellschaftlichen Dystopien einerseits und wirt Gruppen Raum und Stimme in der öffentlichen schaftlichen Utopien andererseits, wie eingangs Meinungsbildung einräumen würde. In 37 Prozent skizziert? Die Inhaltsanalyse zeigt, dass deutlich der Artikel kommen Vertreter:innen aus der Wirt häufiger Chancen und Vorteile thematisiert wer schaft zu Wort (112 von 300 Artikeln). Politische den (42 Prozent der analysierten Artikel) als Risi Akteure hingegen werden nur in 7 Prozent, Perso ken und Probleme künstlicher Intelligenz und Algo nen aus der Zivilgesellschaft sogar nur in 4 Prozent rithmen (12 Prozent der analysierten Artikel). Dies der analysierten Artikel zitiert (20 bzw. 12 von 300 gilt sowohl für die Leitmedien als auch für Fach Artikeln). blogs und -webseiten sowie Twitter (Abbildung 8). Der Diskurs über künstliche Intelligenz und Algorithmen erscheint insgesamt von einer positi Wie ist der Tenor des Diskurses? ven Vision wirtschaftlichen Fortschritts dominiert, in der künstliche Intelligenz und Algorithmen vor 3.2 Überwiegend positiv: Der allem Innovationen hervorbringen, die das alltäg Diskurs ist stark von der liche Leben des einzelnen Nutzers bzw. der einzel Chancenperspektive geprägt nen Nutzerin verbessern. Gesellschaftliche Dysto pien, wie etwa die Verdrängung oder das Ersetzen Ausgehend von der Annahme, dass der mediale Dis von Menschen und damit einhergehende Arbeits kurs die Wahrnehmung und Akzeptanz von neuen platzverluste durch künstliche Intelligenz, werden Technologien wie künstlicher Intelligenz und Algo in der Berichterstattung hingegen nur selten dar rithmen prägt, war eine zentrale Frage der Analyse, gestellt (siehe Kapitel 3.3). ABBILDUNG 8. Über KI und Algorithmen wird überwiegend positiv berichtet Leitmedien Fachblogs/-webseiten Twitter 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 positiv neutral negativ Anzahl der Beiträge mit einem bestimmten Tenor in Leitmedien, Fachblogs/-webseiten und auf Twitter (n = 1.212) Quelle: Wie Deutschland über Algorithmen schreibt, Fischer und Puschmann, 2021 24
Ergebnisse In den verschiedenen Leitmedien, die für eine Der vertiefte Blick in die positive Berichterstattung nähere Betrachtung ausgewählt wurden, deuten über Chancen von künstlicher Intelligenz und Algo sich mit Blick auf den Tenor der Berichterstattung rithmen zeigt: Hier dominieren vor allem ökonomi Unterschiede an, auch wenn diese aufgrund rela sche Potenziale wie Effizienzsteigerung und der all tiv geringer Fallzahlen in der Analyse vorsichtig zu gemeine wirtschaftliche Fortschritt durch solche interpretieren sind. So scheinen in der Tendenz die Technologien (Abbildung 11). Daneben überwiegen BILD und das Handelsblatt ganz überwiegend posi Vorteile für den einzelnen Nutzer bzw. die einzelne tiv über Algorithmen und künstliche Intelligenz zu Nutzerin wie die Personalisierung von Angeboten berichten. In der Zeit, der Süddeutschen Zeitung oder die Optimierung menschlicher Fähigkeiten sowie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung scheint durch technologische Unterstützung (z. B. Über die Berichterstattung hingegen mit Blick auf ihren setzungsdienste oder Apps zur Unterstützung Tenor ausgewogener zu sein (Abbildung 9). von Behinderten). Chancen auf eher gesamtge sellschaftlicher Ebene wie etwa durch eine bes Ein genauerer Blick auf die Anlässe der Bericht sere Verteilung knapper öffentlicher Ressourcen erstattung und die thematisierten Chancen legt (z. B. Schulplätze oder Einsatzkräfte der Feuerwehr) nahe, dass diese positive Ausrichtung des Diskur oder durch die Prävention negativer Ereignisse (z. B. ses vor allem auf die Dominanz wirtschaftlicher vorhersagende Polizeiarbeit oder Risikobewertung Belange zurückzuführen ist (Abbildung 10). Denn von Kindesmissbrauch durch Jugendämter) werden bei den Anlässen für eine Berichterstattung über seltener thematisiert. künstliche Intelligenz und Algorithmen überwie gen Produkt- und Anwendungsneuheiten deutlich gegenüber allen anderen Anlässen wie etwa der Veröffentlichung wissenschaftlicher Studien oder Events. Bemerkenswert ist, dass politische Ent scheidungen oder Ereignisse nur selten Anlass für die Berichterstattung zum Thema Algorithmen und künstliche Intelligenz sind. ABBILDUNG 9. Verschiedene Leitmedien unterscheiden sich im Tenor der Berichterstattung FAZ Handelsblatt SZ Die Zeit Bild 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % positiv neutral negativ Anteil der Artikel mit einem bestimmten Tenor in ausgewählten Leitmedien Quelle: Wie Deutschland über Algorithmen schreibt, Fischer und Puschmann, 2021 25
Ergebnisse ABBILDUNG 10. Produkt- und Anwendungsneuheiten sind der häufigste Anlass für Berichterstattung über KI und Algorithmen 120 100 80 60 40 20 0 Produktneuheit/ Veröffentlichung Events Negative Positive Regulierung/ Anwendungsneuheit wissenschaftliche Ereignisse Ereignisse Politische Studie Entscheidungen Anzahl der Artikel zu bestimmten Anlässen der Berichterstattung in Leitmedien, Fachblogs/-webseiten (n = 257) Quelle: Wie Deutschland über Algorithmen schreibt, Fischer und Puschmann, 2021 ABBILDUNG 11. Wirtschaftliche Chancen, Personalisierung und Optimierung stehen im Diskurs im Vordergrund 120 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Wirtschaftl. Effizienz- Optimierung Personali- Mehr Prävention Mehr Mehr Bessere Mehr Nachhaltigkeit/ Fortschritt/ steigerung menschl. sierung Zugang zu neg. Zeit staatl. Ressourcen- Fairness Klimaschutz Innovation Fähigkeiten Leistungen Ereignisse Kontrolle verteilung Anzahl der Artikel zu bestimmten Chancen von KI und Algorithmen (n = 487; Erwähnung mehrerer Chancen pro Artikel möglich) Quelle: Wie Deutschland über Algorithmen schreibt, Fischer und Puschmann, 2021 26
Ergebnisse Welche Problemfelder und Handlungs- Stattdessen erscheint der Diskurs erstaunlich empfehlungen bestimmen den Diskurs? lösungsorientiert dafür, dass es sich um Texte aus den letzten 15 Jahren handelt, von denen etwas 3.3 Erstaunlich lösungsorientiert: über die Hälfte aus den letzten fünf Jahren stammt. Notwendiger Kompetenzaufbau Immerhin ein Drittel der analysierten Texte aus steht im Fokus des Diskurses Leitmedien und Fachblogs bzw. -webseiten enthält konkrete Handlungsempfehlungen und Lösungsan Auch wenn der Diskurs einen klar positiven Tenor sätze. Dieser Anteil dürfte vermutlich sogar noch aufweist, werden dennoch wichtige Problemfelder höher ausfallen, wenn man sich ausschließlich auf und Risiken thematisiert (Abbildung 12). Beson Texte aus den letzten Jahren bezöge – die öffent ders häufig tauchen dabei die Herausforderungen liche Debatte hat sich zuletzt merklich von allge einer fehlenden KI-Kompetenz und eines mangeln meiner Sensibilisierung hin zu konkreteren Maß den Verständnisses von künstlicher Intelligenz und nahmen entwickelt. Zwischen Leitmedien und Algorithmen sowie Defizite bei Aufsicht und Kon Fachblogs und -webseiten zeigten sich keine Unter trolle von algorithmischen Systemen auf. Als weitere schiede hinsichtlich des Anteils der thematisierten Probleme werden häufig Intransparenz und Daten Handlungsempfehlungen. schutzrisiken erwähnt. Das Risiko, dass Technologien wie künstliche Intelligenz den Menschen ersetzen Ein genauerer Blick auf die Handlungsempfehlun und zu Arbeitsplatzverlusten führen, ist hingegen gen zeigt jedoch, dass es hier einen klaren Fokus anders als vielleicht erwartet nur selten Thema. auf den Kompetenzaufbau in der Bevölkerung und ABBILDUNG 12. Die fehlende KI-Kompetenz, eine fehlende Aufsicht über den Einsatz von KI sowie die Intransparenz der Systeme zählen zu den am häufigsten thematisierten Risiken 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Fehlende Fehlende In- Daten- Zu viel staat- Diskrimi- Fehlende/ Monopole/ Ersetzen des Effizienz- Nach- KI- Aufsicht transparenz schutz- liche/unter- nierung unklare fehlende Menschen/ falle haltigkeit/ Kompetenz über den risiken nehmerische Haftung Vielfalt Arbeitsplatz- Klimaschutz KI-Einsatz Kontrolle verluste Anzahl der Artikel zu bestimmten Risiken und Problemfeldern von KI und Algorithmen (n = 227; Erwähnung mehrerer Risiken pro Artikel möglich) Quelle: Wie Deutschland über Algorithmen schreibt, Fischer und Puschmann, 2021 27
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