Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen - Arbeitspapier 45 Überprüfung und Aktualisierung der wissenschaftlichen Grundlagen
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November 2018 Arbeitspapier 45 Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen Überprüfung und Aktualisierung der wissenschaftlichen Grundlagen
Gesundheitsförderung Schweiz ist eine Stiftung, die von Kantonen und Versicherern getragen wird. Mit gesetzlichem Auftrag initiiert, koordiniert und evaluiert sie Massnahmen zur Förderung der Gesundheit (Krankenversicherungsgesetz, Art. 19). Die Stiftung unterliegt der Kontrolle des Bundes. Oberstes Entscheidungsorgan ist der Stiftungsrat. Die Geschäftsstelle besteht aus Büros in Bern und Lausanne. Jede Person in der Schweiz leistet einen jährlichen Beitrag von CHF 4.80 zugunsten von Gesundheitsförderung Schweiz, der von den Krankenversicherern eingezogen wird. Weitere Informationen: www.gesundheitsfoerderung.ch In der Reihe «Gesundheitsförderung Schweiz Arbeitspapier» erscheinen von Gesundheitsförderung Schweiz erstellte oder in Auftrag gegebene Grundlagen, welche Fachleuten in der Umsetzung in Gesundheitsförderung und Prävention dienen. Der Inhalt der Arbeitspapiere unterliegt der redaktio- nellen Verantwortung der Autorinnen und Autoren. Gesundheitsförderung Schweiz Arbeitspapiere liegen in der Regel in elektronischer Form (PDF) vor. Impressum Herausgeberin Gesundheitsförderung Schweiz Autor Dominik Steiger, evalueSCIENCE AG Verantwortlichkeit und Koordination Gesundheitsförderung Schweiz Chiara Testera Borrelli, Leiterin Kantonale Aktionsprogramme Katharina Ackermann, Projektleiterin Kantonale Aktionsprogramme Eliane Rupp, Projektleiterin Kantonale Aktionsprogramme Reihe und Nummer Gesundheitsförderung Schweiz, Arbeitspapier 45 Zitierweise Steiger, D. (2018). Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen. Überprüfung und Aktualisierung der wissenschaftlichen Grundlagen. Arbeitspapier 45. Bern und Lausanne: Gesundheitsförderung Schweiz. Fotonachweis Titelbild shutterstock Auskünfte/Informationen Gesundheitsförderung Schweiz, Wankdorfallee 5, CH-3014 Bern, Tel. +41 31 350 04 04, office.bern@promotionsante.ch, www.gesundheitsfoerderung.ch Originaltext Deutsch Bestellnummer 02.0255.DE 11.2018 Diese Publikation ist auch in französischer Sprache verfügbar (Bestellnummer 02.0255.FR 11.2018). Download PDF www.gesundheitsfoerderung.ch/publikationen © Gesundheitsförderung Schweiz, November 2018
Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen 3 Editorial Gemäss der Weltgesundheitsorganisation waren im durch kantonale und lokale Akteure entsteht so Jahr 2016 39 % aller Erwachsenen übergewichtig Wirkung vor Ort. In Zusammenhang mit der neuen (inklusive Adipositas), als adipös galten knapp 13 %. langfristigen Strategie bis 2024 möchte Gesund- In der Schweiz stagniert laut Gesundheitsbefragung heitsförderung Schweiz die Zusammenarbeit mit 2017 die Verbreitung von Übergewicht und Adipo- den Kantonen im Rahmen der erfolgreichen kanto- sitas nach einer längeren Wachstumsphase auf ho- nalen Aktionsprogramme und der damit aufgebau- hem Niveau. 2017 lag der Anteil der Personen mit ten Strukturen verstärken. Die Programme sind Übergewicht (BMI 25 bis
4 Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen Inhaltsverzeichnis Management Summary 5 1 Einleitung 7 1.1 Ausgangslage 7 1.2 Zielsetzung und Vorgehen 7 1.2.1 Befragte Expertinnen und Experten 7 2 Prävalenz von Übergewicht und Adipositas 8 2.1 Status der Prävalenzen international 8 2.2 Status der Prävalenzen in der Schweiz 9 3 Ursachen und Folgen von Übergewicht und Adipositas 12 3.1 Einflussfaktoren 12 3.1.1 Genetische Prädisposition 12 3.1.2 Ernährung 13 3.1.3 Bewegung 13 3.1.4 Sozioökonomische und soziokulturelle Faktoren 14 3.2 Folgen von Übergewicht und Adipositas 14 3.2.1 Gesundheitliche Folgen 14 3.2.2 Sozioökonomische Konsequenzen 14 4 Prävention und Gesundheitsförderung 15 4.1 Lebensverlaufsmodell 15 4.2 Präventive Interventionen 16 4.2.1 Pränatal und Kleinkinder 16 4.2.2 Kinder 18 4.2.3 Jugendliche 19 4.2.4 Präventionsansätze 20 4.2.4.1 Verhaltens- und Verhältnisprävention 20 4.2.4.2 Community-basierte Ansätze 21 5 Haupterkenntnisse und Schlussfolgerungen 22 6 Referenzen 24
Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen 5 Management Summary Fortsetzung der bewährten kantonalen gen ergeben haben, die relevant für die Fortsetzung Aktionsprogramme der kantonalen Aktionsprogramme Ernährung und Bewegung bei Kindern und Jugendlichen sind. Die Anzahl der Kantone mit einem kantonalen Ak Die aktuelle Entwicklung der Prävalenzen, global tionsprogramm (KAP) «Ernährung und Bewegung und in der Schweiz, sowie Ursachen und Folgen für Kinder und Jugendliche» ist in den Jahren stabil von Übergewicht und Adipositas werden analysiert. hoch geblieben. Heute realisieren 22 von 26 Kan Danach wird die Frage adäquater Präventions tonen solche Programme. Die bestehenden kanto- strategien vertieft. Welche Evidenzen existieren für nalen Aktionsprogramme bleiben nach wie vor ein verschiedene Arten der Intervention? Wie sind ver- Erfolgsmodell für andere Gesundheitsförderungs- schiedene Zielgruppen (Eltern, Kleinkinder, Kinder, programme und erreichen die gesetzten Ziele gut. Jugendliche) zu berücksichtigen? Wie werden ver- So setzt sich beispielsweise die sehr gute Entwick- schiedene Ansätze (verhaltensorientiert, Setting/ lung beim Ziel bezüglich einer Reduzierung des An- Verhältnis/Umwelt-orientiert, Community-orientiert) teils übergewichtiger Kinder weiter fort. Der Anteil bewertet? übergewichtiger Kinder sinkt nun nicht mehr aus- Der Bericht fusst auf ausführlichen Interviews mit schliesslich im Kindergarten wie in der letzten Expertinnen und Experten zu Prävalenzen in der Evaluationsrunde, sondern auch in der Primar Schweiz, Situation der Zielgruppen, Ansätzen und schule. Es gibt klare Hinweise, dass die bisherigen Interventionen. Relevante aktuelle internationale Aktivitäten zur Förderung der ausgewogenen Er- Entwicklungen, Empfehlungen, Guidelines und Mass nährung und ausreichenden Bewegung bei Kinder nahmenpläne werden im Bericht ebenfalls zusam- und Jugendlichen wirksam sind. mengefasst. Aufgrund bestehender wissenschaftlicher Grund lagen zeigt sich klar, dass der Ansatz der KAP nach wie vor der richtige ist. Für langfristige positive Ver- Schwerpunkte für die Weiterführung der änderungen spielt ein multidimensionaler Ansatz, kantonalen Aktionsprogramme Ernährung bei dem die Kinder und Jugendlichen in verschiede- und Bewegung nen Settings über unterschiedliche Multiplikatoren auf der Ebene Verhalten und Verhältnis angespro- Aufgrund der bekannten NCD-Risikofaktoren der chen werden, eine grosse Rolle. modernen Konsumgesellschaft (u. a. lebensstilbe- Aufgrund der hohen Prävalenzen vor allem ab Pri- zogene Faktoren wie unausgewogene Ernährung, marschule ist jedoch Handlungsbedarf nach wie vor mangelnde Bewegung usw.) sollen die Kantone die gegeben. Im Frühkindbereich gilt es die erreichten Bestrebungen zur Förderung einer ausgewogenen Erfolge zu stabilisieren im Hinblick auf die nächsten Ernährung und ausreichenden Bewegung bei den Generationen. Fokusgruppen fortsetzen. Ein wichtiges Thema in den Ernährungsprojekten bleibt unter anderem «Wasser trinken». Als prioritäre Zielgruppen gelten Aktualisierung der wissenschaftlichen nach wie vor Kinder und Jugendliche. Der Ansatz, Grundlagen in dieser Lebensphase zu intervenieren, entspricht auch weiterhin der gängigen Praxis im internatio Das vorliegende Arbeitspapier stellt den Stand der nalen Kontext und beruht auf wissenschaftlicher wissenschaftlichen Evidenz im Bereich Förderung Evidenz. eines gesunden Körpergewichts bei Kindern und Schwerpunkt auf der Ebene Interventionen soll eine Jugendlichen dar und klärt ab, ob sich im Vergleich weitere Fokussierung auf die wirksamsten Inter- zum Arbeitspapier aus dem Jahr 2014 Veränderun- ventionen sowie deren Einbettung in bestehende
6 Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen Strukturen sein. Diese Interventionen müssen lang- Vor der Familiengründung beginnen und fristig und mit einer gewissen Intensität ausgerich- im Setting Schule bleiben tet werden. Zudem sollen Bestrebungen für die nachhaltige Beeinflussung der materiellen und so- Bereits für junge Erwachsene, die sich mit Familien zialen Umwelt fortgesetzt und intensiviert werden. planung beschäftigen, sind Angebote wichtig, die Sogenannte «Community-based-Ansätze» bilden ihnen ihre zukünftige Aufgabe als Eltern erleich- generell eine sinnvolle Strategie, um nachhaltige tern. Gleichzeitig ist es wichtig, Interventionen in Veränderungen anzustreben. Die Frage der Chan- Schulen fortzuführen. Das Schulsystem bleibt wei- cengerechtigkeit sollte bei jeder Massnahme mit terhin der Ort mit der besten Erreichbarkeit der berücksichtigt werden. Hierbei soll speziell der Kinder aller sozioökonomischen Schichten. Aktivitä- sozioökonomische Status bei Kindern und Jugend ten in Schulen wirken aber besser, wenn auch die lichen in Konzepten und Programmen besondere politische Gemeinde und das Elternhaus die Prinzi- Aufmerksamkeit erhalten. pien von ausgewogener Ernährung und regelmässi- ger Bewegung kennen, mittragen und nach Mög- lichkeit umsetzen. Fokus weiterhin auf die Neugeborenen sowie Kleinkinder und ihre Einflussgruppen setzen Jugendliche nach Möglichkeit einbeziehen Kinder sollen von Geburt an in einem Umfeld leben, in dem sie gesund aufwachsen können. Dieses Um- Auch die Jugendlichen sollen, wo möglich, vermehrt feld entsprechend zu gestalten, ist eine gesamtge- in die kantonalen Aktionsprogramme einbezogen sellschaftliche Aufgabe. Die Einflussgruppen rund werden. Hier sind Partizipation (Peer-Ansatz) sowie um Neugeborene und Kleinkinder sind und bleiben genderspezifische Ansätze zentral. zentrale Partner der Präventionsbestrebungen. Die kantonalen Aktionsprogramme konnten bis heute bereits gute Resultate in diesen Altersgruppen er- reichen. Es gilt nun diese Erfolge zu stabilisieren im Hinblick auf die neuen Generationen.
Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen 7 1 Einleitung 1.1 Ausgangslage 1.2 Zielsetzung und Vorgehen Gesundheitsförderung Schweiz setzt sich seit Jah- Das vorliegende Arbeitspapier soll einen Überblick ren für ein gesundes Körpergewicht bei Kindern und bieten über den Stand der Erkenntnisse bezüglich Jugendlichen ein mit dem Ziel, den Anteil der Bevöl- der Prävention von Übergewicht und Adipositas bei kerung mit einem gesunden Körpergewicht zu er Kindern und Jugendlichen. Dies beinhaltet erstens höhen und dadurch Folgeerkrankungen zu verhüten Betrachtungen zur aktuellen Entwicklung der Prä- [1, 2]. Als zentrale Massnahme wurden hierzu zu- valenzen, global und in der Schweiz, sowie zu Ur sammen mit den Kantonen kantonale Aktions sachen und Folgen von Übergewicht und Adipositas. programme (KAP) für die Förderung einer ausge- Zweitens geht es um die Frage adäquater Präven wogenen Ernährung und ausreichender Bewegung tionsstrategien. Welche Evidenzen existieren für konzipiert und umgesetzt. Die meisten dieser KAP verschiedene Arten der Intervention? Wie sind ver- stehen mittlerweile in der dritten Phase. schiedene Zielgruppen (Eltern, Kleinkinder, Kinder, Im Rahmen der Massnahmen der NCD-Strategie [3] Jugendliche) zu berücksichtigen? Wie werden ver- und der Erhöhung des Prämienbeitrags für die all- schiedene Ansätze (verhaltensorientiert, Setting/ gemeine Krankheitsverhütung werden die KAP seit Verhältnis/Umwelt-orientiert, Community-orientiert) Anfang 2017 in erweiterter Form angeboten: Zu- bewertet? sätzlich zum Thema «Ernährung und Bewegung» Der Bericht basiert auf Literaturrecherchen und gibt es neu das Thema «psychische Gesundheit», E xperten-Interviews zu den oben beschriebenen und neben die Zielgruppe «Kinder und Jugendliche» Themen. Die Literaturrecherchen beinhalteten die tritt neu die Zielgruppe «ältere Menschen». Themen wissenschaftliche Literatur wie auch nationale und und Zielgruppen sind in vier Modulen organisiert, internationale Massnahmenpläne, Policy-Dokumen- die von den Kantonen bei der Zusammenstellung te und Berichte. Parallel zu den Recherchen erfolg- eines KAP frei kombiniert werden können [4]. Die ten Interviews mit Expertinnen und Experten zu bestehenden, detailliert ausgearbeiteten KAP zu Prävalenzen in der Schweiz, Situation der Zielgrup- gesundem Körpergewicht bei Kindern und Jugendli- pen, Ansätzen und Interventionen. chen werden nun als «Modul A» geführt. Im Jahr 2020 werden voraussichtlich zehn Modul-A- 1.2.1 Befragte Expertinnen und Experten Programme verlängert. Anlässlich des Starts der ••Dr. Hanspeter Stamm, Geschäftsleiter, dritten Phase wurden 2014 die wissenschaftlichen L amprecht und Stamm AG, Zürich Grundlagen überprüft und aktualisiert [5], auf ••Dr. Josef Laimbacher, Chefarzt Jugendmedizin, bauend auf früheren Grundlagenberichten [6, 7]. Im Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen Hinblick auf die Fortsetzung der Modul-A-Program- ••Dr. Robert Sempach, Leiter Gesundheitsförde- me wurde EvalueScience beauftragt, den aktuellen rung, Migros-Genossenschafts-Bund, Zürich Stand darzustellen und zu überprüfen, ob sich Ver- ••Dre Françoise Narring, médecin responsable änderungen ergeben haben, die relevant sind für die unité santé jeunes, Hôpitaux Universitaires Strategie bezüglich der Module A der KAP. de Genève
8 Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen 2 Prävalenz von Übergewicht und Adipositas 2.1 Status der Prävalenzen international haben. Die Daten zeigen auch, dass sich in vielen entwickelten Ländern der mittlere BMI von Kindern Gemäss Angaben der WHO [8] waren im Jahr 2016 und Jugendlichen – nicht jedoch derjenige der Er- mehr als 1,9 Milliarden Erwachsene übergewichtig, wachsenen – seit der Jahrtausendwende auf hohem und von diesen wiesen 650 Millionen ein krankhaf- Niveau stabilisiert hat, während sich der Anstieg in tes Übergewicht (Adipositas) auf. Dies entspricht Ost-, Süd- und Südostasien in der gleichen Zeit- für Übergewicht (inklusive Adipositas) 39 % aller Er- spanne beschleunigt. Die Autorinnen und Autoren wachsenen und für Adipositas alleine 13 %. Knapp extrapolieren, dass es im Jahr 2022 bei gleichblei- ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen (5–19 Jah- benden Trends erstmals mehr Kinder mit Adipositas re) waren weltweit übergewichtig oder adipös. Die geben wird als Kinder, die an schwerer Unterernäh- hohen Prävalenzen sind schon seit Jahren nicht rung leiden. mehr ein reines Phänomen der entwickelten Wirt- Die Studie bestätigt damit bereits seit einigen Jah- schaften: Länder mit tiefem Einkommen und Schwel- ren gemachte Beobachtungen, dass der Anstieg der lenländer zeigen starke Anstiege. Übergewichts- und Adipositasprävalenzen in den entwickelten Ländern abflacht und sie sich teilweise Definition Übergewicht und Adipositas der WHO auf hohem Niveau stabilisieren, während gleich Übergewicht bei Erwachsenen (>18 Jahre) ist hier zeitig in Entwicklungs- und Schwellenländern eine durch die WHO definiert als Vorliegen eines BMI rapide Transition zu Übergewicht und Adipositas er- von ≥25 kg/m2, Adipositas als Vorliegen eines folgt. Sie kommt damit zu ähnlichen Schlüssen wie BMI von ≥30 kg/m2. Bei Kindern zwischen 5 und die systematische Analyse von Ng et al. (2014) im 19 Jahren wird Übergewicht definiert als alters- Rahmen der Global Burden of Disease Study [11]. gemässer BMI grösser als eine Standardabwei- Die internationale Lage stellt sich damit ähnlich dar chung über Median der WHO Growth Reference, wie bereits im Arbeitspapier 28 [5] beschrieben, und Adipositas als altersgemässer BMI grösser als es wird weiterhin diskutiert, ob die gemessenen zwei Standardabweichungen. Bei Kindern unter Abflachungen oder Stabilisierungen Anfänge einer 5 Jahren: Übergewicht bei Verhältnis Gewicht/ nachhaltigen Trendumkehr darstellen und wo die Grösse grösser als zwei Standardabweichungen Ursachen zu suchen sind. Gewisse Autoren und über Median der WHO Child Growth Standards, Autorinnen mahnen aus methodischen Gründen vor Adipositas bei Verhältnis Gewicht/Grösse grösser vorschnellen Schlüssen [12]. Auch erscheinen Stu- als drei Standardabweichungen. dien in Ländern mit besonders hohen Prävalenzen, die weiterhin Zunahmen sehen, so für Kinder in den Vereinigten Staaten [13] und für Jugendliche in Eine kürzlich im Lancet erschienene, grossangeleg- Neuseeland [14]. Gleichwohl teilen die befragten te Analyse [9] der globalen Entwicklung des Körper- Expertinnen und Experten den Eindruck, dass mit gewichts in den letzten 40 Jahren beschreibt ein- Perspektive auf die entwickelten Wirtschaften viele drücklich die Entwicklung und den Status einer nach Daten auf eine Stabilisierung auf hohem Niveau hin- wie vor gravierenden weltweiten «Epidemie» von deuten. Über die Ursachen für diesen Umstand lie- Übergewicht und Adipositas. Die Studie der NCD Risk gen keine gesicherten wissenschaftlichen Erkennt- Factor Collaboration [10] aggregierte Daten aus über nisse vor. Es kann aber gesagt werden, dass die 2000 Einzelstudien aus den letzten 40 Jahren und beobachteten Abflachungen oder Stabilisierungen umfasste damit eine Population von ca. 130 Millio- mit einem zunehmenden gesellschaftlichen Be- nen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Sie wusstsein über die Wichtigkeit einer gesunden Le- zeigt, dass sich die Adipositasprävalenzen von Kin- bensführung korrelieren. Ein solches Bewusstsein dern in den letzten 40 Jahren weltweit verzehnfacht schlägt sich auch zumindest teilweise in gesund-
Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen 9 heitsförderlichem Verhalten (etwa sportlicher Betä- on food environments and behaviours or on policies tigung) nieder. Siehe hierzu etwa die Studie «Sport that affect them. The plateauing of children’s and Schweiz 2014» [15]. Derartige gesellschaftliche Me- adolescents’ BMI in high-income countries as adult gatrends korrelieren wiederum mit den erhöhten BMI continues to increase might be due to specific Präventionsanstrengungen. Wenn es auch nicht initiatives by governments, community groups, kausal nachgewiesen werden kann, ist es plausibel, schools, and notable individuals that have in- dass die spezifischen Präventionsanstrengungen creased public awareness about overweight and hier ihren Beitrag leisten. Die Autorinnen und Auto- obesity in children, leading to changes in nutrition ren der NCD Risk Factor Collaboration kommentie- and activity that are sufficient to curb the rise in ren dies folgendermassen: mean BMI. [9] The effectiveness of interventions for overweight and obesity in children and adolescents has been 2.2 Status der Prävalenzen in der Schweiz reviewed in several systematic reviews and model- ling studies, but how they are selected for imple- In der Analyse der NCD Risk Factor Collaboration [9] mentation and their post-implementation effects (siehe oben) folgt die Schweiz dem Trend in vielen at the population level are rarely investigated. entwickelten Nationen: Wie Abbildung 1 zeigt, wird For this reason, there is no systematic information für Kinder und Jugendliche (5- bis 19-jährig) ein Ab- on the determinants of the divergent trends in BMI flachen des Anstiegs der Prävalenzen festgestellt, in children and adolescents and in adults, be it ausgeprägter in der Kategorie Übergewicht. ABBILDUNG 1 Übergewichts- und Adipositasprävalenzen von 5- bis 19-jährigen Kindern und Jugendlichen in der Schweiz 65 % 45 % Overweight prevalence Obesity prevalence 45 % 30 % 25 % 15 % 5% 0% 0% 1980 1990 2000 2010 2017 1980 1990 2000 2010 2017 Knaben Mädchen Farblich schattierte Bereiche zeigen 95 %-Konfidenzintervalle an. nach NCD Risk Factor Collaboration (2017) [10]
10 Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen Dieser Befund spiegelt sich in den Messungen der Altersspannen (5–19 Jahre) bzw. es wird ein End- mittleren BMI der Schweizer Stellungspflichtigen punkt (Alter 18–21 Jahre) gemessen. Das verglei- wider: Nach starken Anstiegen seit den 80er-Jahren chende BMI-Monitoring von Kindern und Jugendli- sind diese seit 2009 und bis zur letzten publizier- chen aus elf Kantonen und Städten erlaubt hingegen ten Messung im Jahr 2015 stabil (Abb. 2) [16, 17]. eine nach Altersstufen differenzierte Betrachtung Die aufgeführten Daten sind gemittelt über ganze (Abb. 3). ABBILDUNG 2 ABBILDUNG 3 BMI-Mittelwert nach Altersgruppen und Rekrutierungs- Anteil der übergewichtigen und adipösen Kinder und jahr 1952–2015 (A) und Prävalenzen von Übergewicht Jugendlichen auf verschiedenen Schulstufen, alle Kantone und A dipositas bei 19–20 Jahre alten Stellungspflichtigen und Städte mit verfügbaren Daten, 2010, 2013 und 2017 seit 2004 (B) Adipositas Übergewicht (inkl. Adipositas) A) Mittelwert BMI 1952–2015 Grundstufe Studie 2010 4,1 15,8 Alter (18–19) Alter (19–20) Alter (20–21) 3,0 12,6 Studie 2013 24 Studie 2017 2,7 11,1 Mittelwert BMI (kg/m2) Studie 2010 3,2 19,1 Mittelstufe 23 Studie 2013 3,9 18,2 Studie 2017 3,0 16,5 22 Studie 2010 4,7 20,5 Oberstufe Studie 2013 4,9 20,5 21 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Studie 2017 4,8 21,5 Rekrutierungsjahr Studie 2010 4,0 18,5 Alle Stufen B) Prävalenz Übergewicht/Adipositas 2004–2015 Studie 2013 3,9 17,1 Übergewicht (25,0–29,9 kg/m2) Adipositas (≥30,0 kg/m2) Studie 2017 3,5 16,4 2004 14,6 3,8 0% 5% 10 % 15 % 20 % 25 % 2005 16,2 4,4 Grundstufe: Kindergarten, 1. Klasse (Harmos 1–3) 2006 16,2 4,7 Mittelstufe: 3.–5. Klasse (Harmos 5–7) 2007 16,7 4,9 Oberstufe: 8.–9. Klasse (Harmos 10–11) 18,3 5,3 Rekrutierungsjahr 2008 aus Stamm et al. (2017) [18] 2009 18,3 5,7 2010 19,9 5,8 2011 19,2 5,9 2012 19,6 5,9 2013 18,8 5,8 2014 18,7 5,9 2015 18,9 6,2 0% 5% 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % Prävalenz (%) nach Floris et al. (2016) [16]
Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen 11 In der vergleichenden Analyse der letzten drei Moni- der Kinder von Eltern mit Hochschulabschluss. toringstudien von 2010, 2013 und 2017 [18] zeigt sich Selbstverständlich sind die beiden Variablen nicht für die Grundstufe (Kindergarten und erste Klasse) unabhängig. Die Autoren kommen im Rahmen von ein deutlicher und signifikanter Rückgang der Prä- Zusammenhanganalysen zu folgendem Schluss: valenzen. Für die Mittelstufe ist ein weniger ausge- prägter Rückgang ersichtlich. Für die Oberstufe Mit Blick auf die Resultate ist darauf hinzuweisen, (und dementsprechend die Zielgruppe der Jugendli- dass die soziale Herkunft teilweise ähnliche Zu chen) ist eine Stagnation zu beobachten. Die Analyse sammenhänge misst wie die Staatsangehörigkeit bestätigt damit frühere Beobachtungen aus den […]. Werden beide Merkmale miteinander kom Städten Basel, Bern und Zürich, die einen Rückgang biniert, so ergibt sich […], dass sich die […] konsta- der Prävalenzen in der Grund- und Mittelstufe ge- tierten Unterschiede nach Staatsangehörigkeit zeigt haben. deutlich vermindern, wenn zusätzlich der Bildungs- Der in der Analyse demonstrierte deutliche Rück- stand der Eltern berücksichtigt wird. Dies betrifft gang der Prävalenzen in der Grundstufe stellt per se insbesondere die Kinder von Eltern mit einem einen sehr erfreulichen Befund dar. Er ist zudem im höheren Bildungsabschluss: Hier ist der Anteil über- Kontext der KAP von hoher Bedeutung, weil sich die gewichtiger ausländischer Kinder auf allen Schul- Massnahmen auf diese Altersstufe (und teilweise stufen deutlich geringer als der entsprechende jüngere Kinder) fokussiert haben. Zwar muss auch Anteil von Schweizer Kindern von Eltern mit oder hier gesagt werden, dass die Daten keine kausalen ohne Lehrabschluss. [18] Schlüsse erlauben, sondern vielmehr Korrelationen etablieren. Angesichts des hohen Durchdringungs- Wenn es um Interventionsstrategien geht, die im grads der KAP und der Projektförderung auf natio- Sinne einer gesundheitlichen Chancengleichheit ein naler Ebene dürfen sie aber als starke Hinweise ge- besonderes Augenmerk auf vulnerable Gruppen nommen werden, dass die Programme eine positive richten, wäre also die Frage der sozialen Herkunft, Wirkung entfalten. Gemäss der kürzlich erschie unabhängig von der Frage der Staatsangehörigkeit, nenen Evaluation der langfristigen Strategie von mit zu berücksichtigen. Gesundheitsförderung Schweiz 2007–2018 erreich- ten die KAP zusammen mit der Projektförderung bis zu 67 % aller schulpflichtigen Kinder und Jugendli- chen [19]. Gleichzeitig zeigen die Daten aber auch, dass e rstens mit zunehmendem Alter die Prävalenzen zunehmen und zweitens bei den Jugendlichen im Z eitvergleich keine Verbesserung festzustellen ist. Es stellt sich also die Frage, wie die Nachhaltigkeit der positiven Resultate in der Grundstufe zu sichern ist. Die Monitoringdaten erlauben auch eine Betrach- tung kultureller und soziodemografischer Faktoren. Es zeigt sich, dass die Prävalenzen korrelieren mit der Staatsangehörigkeit und der sozialen Herkunft (gemessen am Bildungsgrad der Eltern). So sind 24 % der Kinder mit ausländischer Staatsangehörig- keit übergewichtig oder adipös, versus 14 % der Kin- der mit schweizerischer Staatsangehörigkeit. Dies erklärt auch mindestens teilweise die leicht höhe- ren Prävalenzen in den Städten. 30 % der Kinder und Jugendlichen mit Eltern ohne nachobligatorische Schulbildung sind übergewichtig, hingegen nur 10 %
12 Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen 3 Ursachen und Folgen von Übergewicht und Adipositas Die Entstehung von Übergewicht und Adipositas ist 9000 kcal pro kg) – es braucht eine erhebliche Men- ein komplexes, multifaktorielles Geschehen [20]. ge an Aktivität, um Gewicht zu reduzieren. Als komplexes Merkmal (complex trait) bestehen für das Körpergewicht eines Menschen genetische Prädispositionen, deren Ausprägung durch die Um- 3.1 Einflussfaktoren welt und das Verhalten beeinflusst wird. «Umwelt» meint hier die Gesamtheit der Einflüsse, denen eine 3.1.1 Genetische Prädisposition Person ausgesetzt ist – bereits als Fötus, in ihrer Das Körpergewicht einer Person hängt von ihrer ge- kindlichen Entwicklung in Interaktion mit den Be- netischen Prädisposition ab. Es wird geschätzt, dass zugspersonen, in der gesellschaftlichen Umwelt. die Heritabilität (Vererblichkeit) des Körpergewichts Auch persönliches Verhalten entwickelt sich in In- ca. 40 %–70 % beträgt [21, 22]. Dies bedeutet, dass teraktion mit der Umwelt. ca. 40 %–70 % der in einer Population beobachteten Die direkte physiologische Ursache für die Entste- Varianz des Körpergewichts auf genetische Unter- hung liegt dabei in einer überschüssigen Energie schiede der Individuen zurückgeführt werden kann. bilanz: Wird mehr Energie über die Nahrung Die zugrundeliegende Genetik bleibt weiterhin nur aufgenommen als verbraucht wird, so werden Über- zu Bruchteilen bekannt: So findet eine kürzlich schüsse effizient gespeichert. Beeinflusst werden publizierte Metaanalyse, die Daten aus genomwei- können dabei die Energiezufuhr (Menge und Art der ten Assoziationsstudien über eine Population von Ernährung) und Teile des Verbrauchs, durch die In- 700 000 Europäern zusammenfasst, dass mit den tensität alltäglicher und sportlicher Aktivität (siehe gefundenen genetischen Varianten nur ca. 5 % der Abb. 4). Gespeichertes Fett ist energiereich (ca. BMI-Varianz erklärt werden kann [23]. ABBILDUNG 4 Energiebilanz-Diagramm Zufuhr Nahrungsenergie Verbrauch Speicher* (= Thermogenese, (= Triglyzeride) Arbeit) Grundumsatz Nahrungsinduzierte NEAT (abhängig vom Thermogenese Sportliche Aktivität (non-exercise activity Körpergewicht) (braunes Fett) thermogenesis) ≈1500 kcal/d ≈300 kcal/d 0–200 kcal/d 500–2000 kcal/d nicht beeinflussbar beeinflussbar * Differenz aus Energiezufuhr und Energieverbrauch nach Bischoff (2018) [20]
Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen 13 Die genetische Konstitution eines Menschen ist ge- 3.1.3 Bewegung geben. Die Ausprägung der Anlagen wird durch die Parallel zu den Veränderungen der Ernährungs Umwelt und das wiederum mit der Umwelt in Bezie- gewohnheiten haben mit der Entwicklung hin zu hung stehende Verhalten beeinflusst. Hier liegen die modernen Dienstleistungsgesellschaften sitzende Ansatzpunkte von Präventionsstrategien. Nachfol- Tätigkeiten zugenommen. Gleichzeitig gibt es einen gend sollen Faktoren beschrieben werden, welche im historischen Vergleich höheren Grad an Mecha- die Entstehung von Übergewicht und Adipositas er- nisierung und Automatisierung auch für die Mobili- klären. Die Gesamtheit der Übergewicht und Adipo- tät und zu Hause. Diese Trends stehen im Verdacht, sitas begünstigenden Umweltfaktoren wird dabei einen Beitrag zur Entwicklung der Übergewichts- oft als «obesogenic environment» bezeichnet – eine und Adipositasprävalenzen zu leisten. Es ist dabei Umwelt, die im historischen Vergleich die Entste- unklar, wie gross der Beitrag fehlender körperlicher hung von Übergewicht und Adipositas heute stärker Aktivität zum Anstieg der Prävalenzen ist, siehe begünstigt. dazu die Review von Wiklund (2016) [36]. Zwar gibt es Studien, die einen Zusammenhang mit körperlicher 3.1.2 Ernährung Aktivität nachweisen [37, 38], die Implikationen auf Es gibt eine Reihe von Veränderungen in den Ernäh- Bevölkerungsebene sind jedoch umstritten [39, 40]. rungsgewohnheiten, die einen Einfluss auf die ge- Wichtig ist gemäss den Expertinnen und Experten stiegenen Übergewichts- und Adipositasprävalenzen eine integrierende Betrachtungsweise mit Blick auf haben. So nehmen die Menschen in den modernen die Energiebilanz. Wiklund folgert hierzu: Konsumgesellschaften weniger Getreideprodukte und Ballaststoffe, aber mehr Fett, Protein und Zu- Currently, we do not understand why people con- cker zu sich. Nahrungsmittel sind günstiger und sume more energy than they expend. It may be that leichter verfügbar geworden. Der Verarbeitungs- physical activity has the ability to regulate food grad hat zugenommen, oft einhergehend mit einer intake, but in the contemporary environment that höheren Energiedichte. Die relativen Beiträge die- is conducive for sedentary behavior, this regulatory ser verschiedenen Aspekte zur Übergewichts- und mechanism has gone astray. Increasing physical Adipositasepidemie werden weiterhin kontrovers activity most certainly can create energy deficit diskutiert. So greift beispielsweise eine Erklärung through increased energy expenditure. For this via «Energiedichte» zu kurz: Süssgetränke haben reason physical activity and exercise hold potential eine vergleichsweise niedrige Energiedichte, gel- as part of the solution for the ongoing obesity epi- ten aber als wichtige Treiber, da ihr Konsum einen demic. [36] geringen Sättigungseffekt hat und zusätzlich zu gleichbleibendem Konsum anderer Nahrungsmittel Unabhängig von der umstrittenen und für die Kon- erfolgt. zeption mehrschichtiger Präventionsstrategien we- Es besteht Evidenz für die schädliche Rolle des nig zielführenden Frage, ob Energiezufuhr oder hohen Konsums freien Zuckers [24, 25], auf der die Energieverbrauch für die Erhaltung eines gesunden Empfehlung der WHO beruht, die Gesamtzucker Körpergewichts wichtiger seien, gibt es wachsende zufuhr solle 10 % der Gesamtenergiezufuhr nicht Evidenz, dass körperliche Inaktivität mit erhöhten übersteigen [26]. Diese Empfehlung wird teilweise Krankheitsrisiken verbunden ist [41]. Bereits mode- kritisch betrachtet [27]. rat gesteigerte körperliche Aktivität ist gleichzeitig Bezüglich der Schädlichkeit des hohen Konsums protektiv gegenüber verschiedenen nicht übertrag- von Süssgetränken bestehen deutliche Evidenzen baren Krankheiten, teils unabhängig vom Körper [28–30], die sich in vielen Guidelines und Empfeh- gewicht [42]. Eine Förderung gesunden Bewegungs- lungen niederschlagen [31–33], so auch in denjeni- verhaltens ist damit auch im generellen Sinne einer gen von Gesundheitsförderung Schweiz [34, 35]. NCD-Prävention von Bedeutung. Während unklar ist, wie viel einzelne Faktoren zur Für die Schweiz liefert die Studie «Sport Schweiz Entstehung der Übergewichts- und Adipositasepi- 2014» [15] den erfreulichen Befund, dass der Anteil demie beigetragen haben, gilt als gesichert, dass von Personen, die regelmässig Sport treiben, im die Summe der Veränderungen der Ernährungsge- Vergleich zu früher höher ist. Schweizerinnen und wohnheiten eine wesentliche Rolle gespielt hat. Schweizer schneiden damit auch im internationalen
14 Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen Vergleich gut ab. Gleichzeitig geben gemäss der 3.2 Folgen von Übergewicht und Adipositas Studie aber ein Viertel der Befragten an, keinen Sport zu treiben. Diese Gruppe blieb im historischen 3.2.1 Gesundheitliche Folgen Vergleich stabil – der festgestellte Anstieg der Sport Übergewicht und insbesondere Adipositas stellen aktivität ergibt sich dadurch, dass Gelegenheits- ein multisystemisches Gesundheitsproblem dar. Sie sportler und -sportlerinnen selten wurden. Man sind verbunden mit vielfältigen Risiken und asso treibt also entweder regelmässig oder gar keinen ziiert mit der Entstehung von nicht übertragbaren Sport. Die Berücksichtigung dieser Befunde er- Krankheiten (NCD): erhöhte Risiken für psychische scheint wichtig für die Ausgestaltung von Präven Störungen, gastrointestinale Komplikationen, Herz- tionsstrategien. Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes [44]. Die Kon stellation der sich mit Übergewicht und Adipositas 3.1.4 Sozioökonomische und soziokulturelle einstellenden Komorbiditäten eines hohen Blut- Faktoren drucks, einer Insulinresistenz und einer Dislipid Sozioökonomische und soziokulturelle Faktoren be- ämie wird als «metabolisches Syndrom» bezeichnet. einflussen in mannigfaltiger Weise die Entstehung Dieses spielt eine wichtige Rolle in der Entstehung von Übergewicht und Adipositas. Ströbele-Benschop der genannten NCD Herz-Kreislauf-Erkrankungen (2018) weist auf eine Reihe von Zusammenhängen und Diabetes. Ein solches metabolisches Syndrom hin [43]: wird zunehmend bereits bei Kindern festgestellt, ••Übergewicht und Adipositas sind sozial inhomogen und es gibt Evidenz, dass Übergewicht und Adipo- verteilt, mit höheren Prävalenzen bei Personen sitas bei Kindern zu diesen NCD beiträgt [45, 46]. Es mit niedrigem Sozialstatus (gemessen an Einkom- ist einerseits so, dass das Vorliegen von Überge- men, Bildung, Berufsgruppen). Kinder aus Fami wicht und Adipositas in der Kindheit die Wahrschein- lien mit Migrationshintergrund bilden diesbezüg- lichkeit fortdauernden Übergewichts und Adipositas lich eine vulnerable Gruppe. im Erwachsenenalter erhöht [47], mit entsprechen- ••Die ursächlichen Zusammenhänge zwischen den erhöhten Risiken für die Entstehung der NCD Sozialstatus und Prävalenzen sind komplex. So und NCD-verbundener Folgekomplikationen. Ande- gibt es eine Korrelation zwischen Sozialstatus rerseits gibt es aber auch Hinweise, dass selbst bei und Übergewicht fördernden Lebensstilfaktoren Wiedererreichen eines gesunden Körpergewichts und Verhaltensmustern wie ungesunder Ernäh- im Erwachsenenalter gewisse Risiken erhöht blei- rung und körperlicher Inaktivität. Diese mögen ben [46]. Es ist also in mehrfacher Hinsicht ange- teilweise direkt eine Folge fehlender finanzieller zeigt, früh präventiv einzugreifen. Möglichkeiten sein: Ungesunde, energiereiche Lebensmittel sind billiger; gesellschaftliche und 3.2.2 Sozioökonomische Konsequenzen sportliche Aktivität kostet. Darüber hinaus Das mit Übergewicht und Adipositas und den Krank- vermutet man erhöhte Risiken in der Persönlich- heitsfolgen verbundene Leid geht mit hohen ge keitsentwicklung: Eine vulnerable Situation sellschaftlichen Belastungen einher: Basierend auf in der Kindheit erschwert die Entwicklung von Daten aus der Global-Burden-of-Disease-Daten- Lebenskompetenzen sowie Selbstwirksamkeit, bank [48] schätzt das McKinsey Global Institute die mit negativen Folgen für das Gesundheitsver jährlichen Kosten global auf 2,0 Billionen Dollar, halten. entsprechend 2,8 % des globalen BIP [49]. Diese ••Die Prägung durch das soziale und kulturelle Schätzung beinhaltet verlorene Arbeitsproduktivität Umfeld spielt eine bedeutende Rolle. Dies ist durch den Verlust produktiver Lebensjahre, welche besonders wichtig in der kindlichen Entwicklung. etwa 70 % der Kosten ausmacht. Übergewicht und Die Eltern nehmen eine Vorbildrolle ein und Adipositas rangieren in dieser Schätzung unter den beeinflussen mit ihrem Lebensstil die Vorlieben drei wichtigsten «global social burdens», zusam- ihrer Kinder. Mit zunehmendem Alter tritt ein men mit Rauchen und bewaffneten Konflikten (beide wachsender Einfluss der Gleichaltrigen und des je 2,1 Billionen Dollar). ausserfamiliären Umfelds dazu. Der familiäre Für die Schweiz schätzen Schneider & Venetz (2014) Einfluss wird dadurch nicht irrelevant und prägt die direkten und indirekten Kosten von überge- weiterhin das Gesundheitsverhalten bis ins wichts- und adipositasbedingten Erkrankungen im Erwachsenenalter. Jahr 2012 auf rund 8 Milliarden Franken [50].
Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen 15 4 Prävention und Gesundheitsförderung 4.1 Lebensverlaufsmodell vom Lebenspfad abhängen: Sie kumulieren sich, aber die Risikokurve ist beinflussbar (durch Verhal- Im 2016 erschienen Bericht «Consideration of the ten und Lebensstil, durch die Verhältnisse, in denen evidence on childhood obesity for the Commission eine Person lebt). Und es zeigt den generationen- on Ending Childhood Obesity» [51], der als wissen- übergreifenden Effekt: Die Eltern haben einen mo- schaftliches Grundlagendokument für die Strate- dulierenden Einfluss (bereits pränatal via die Situa- giearbeit der gleichnamigen Kommission erstellt tion der Mütter). wurde, bildet das in Abbildung 5 dargestellte Le- Anhand des Modells lassen sich Interventionsstra- bensverlaufsmodell (life-course model) eine kon- tegien motivieren: Im Verlauf der Entwicklung und zeptuelle Basis. Das Modell zeigt Kurven des Risi- Reifung nimmt die Plastizität (also die Beinflussbar- kos für die Entstehung von Krankheiten über den keit der Ausprägung von Merkmalen) tendenziell ab. Lebensverlauf hinweg. Es reflektiert ein gestiege- Hohe Plastizität bedeutet, dass eine hohe Anpas- nes Wissen darüber, dass in der frühen Lebens sungsfähigkeit und Formbarkeit der Reaktion auf phase prägende Prozesse stattfinden, welche die Umweltbedingungen besteht – im positiven wie im Reaktion einer Person auf eine obesogene Umwelt negativen Sinne. Während die Plastizität tendenziell beeinflussen. Es zeigt auch, dass Krankheitsrisiken mit fortschreitendem Alter abnimmt, akkumulieren ABBILDUNG 5 Lebensverlaufsmodell Affected adult: interventions have Risk limited effect Adult: Human lifecycle screening may not reduce risk Child/adolescent: Mother and infant: effective point Biological capital biomarkers of risk to intervene sets level of health at conception Life course Plasticity Detrimental effects of Lifestyle challenges nach Hanson (2013) [52]
16 Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen sich parallel dazu die schädlichen Folgen einer ge- tionieren. Ein wissenschaftlicher Nachweis, aggre- sundheitsschädigenden Umwelt und eines gesund- gierend aus einer Vielzahl von Ansätzen in einer heitsschädigenden Lebensstils. Aus dieser Logik komplexen Umwelt, bleibt schwierig. erklärt sich die Wichtigkeit einer Förderung des ge- Die Studie «Overcoming obesity: An initial economic sunden Körpergewichts im Kindes- und Jugendalter. analysis» des McKinsey Global Institute (MGI) [49] Die im Modell suggerierte lineare Abnahme der kommt dennoch zu positiven Schlüssen. In der Plastizität ist eine Vereinfachung – es gibt im Verlauf Studie wurden in einer Metaanalyse 74 verschiedene der Entwicklung Phasen hoher Beeinflussbarkeit Arten von Interventionen im Sinne von Pilotprojek- bzw. hoher Sensitivität. Das frühe Kindesalter ten oder Diskussionsansätzen aus 18 Regionen (inklusive Pränatalphase) stellt eine solche Phase weltweit untersucht, wobei sich die Interventionen dar. Auch die Pubertät ist eine kritische und sensi nicht auf Kinder und Jugendliche beschränkten. Die tive Reifungsphase. Autorinnen und Autoren schreiben: Bezüglich der pränatalen und frühkindlichen Phase wurde in den letzten Jahren das Grundlagenwis- Almost all of the interventions we analyzed are sen erweitert. Es stellt sich heraus, dass bereits highly cost-effective from the viewpoint of society. im Mutterleib und in der Säuglingsphase metaboli- “Cost-effective from the viewpoint of society” sche Prägungen stattfinden, die einen Einfluss auf means that the health-care costs and productivity spätere Übergewichts- und Adipositasentwicklung savings that accrue from reducing obesity outweigh ausüben. Siehe hierzu den Übersichtsartikel von the direct investment required to deliver the inter- Koletzko (2018) [53] und die Websites des Projekts vention when assessed over the full lifetime of the EarlyNutrition [54] und des Forschungsprogramms target population. Our analysis does not demon- EARNEST [55]. Interventionen in der frühkindlichen strate the financial cost-benefit profile of the inter- Phase kommen vor diesem Hintergrund seit einigen ventions to a specific entity such as a school, an Jahren ein hohes Interesse zu, und sie werden auch employer, a retailer, or a food manufacturer. None- im Rahmen der KAP gefördert. Wie weiter unten ge- theless, in terms of the financial “bang for buck” schildert, bestehen im Vergleich zu den etablierten, that comes from delivering a positive impact on oft schulbasierten Interventionen für ältere Kinder health, all interventions are attractive. [49] noch weniger Erfahrungen und Evidenz für Wirk- samkeit. Sie plädieren für einen holistischen Ansatz ver- Im Folgenden sollen Erkenntnisse zu Präventions- schiedener Interventionen auf vielen Ebenen: strategien und Wirkung von Interventionen für die spezifischen Zielgruppen und mit Bezug auf Settings No single solution creates sufficient impact to und Präventionsansätze beschrieben werden. reverse obesity: only a comprehensive, systemic program of multiple interventions is likely to be effective. Our analysis suggests that any single in- 4.2 Präventive Interventionen tervention is likely to have only a small impact at the aggregate level. Our research suggests that an In den früheren Grundlagenberichten und im Ar- ambitious, comprehensive, and sustained portfolio beitsbericht aus dem Jahr 2014 wurde angeführt, of initiatives by national and local governments, dass im Rahmen von wissenschaftlichen Metaanaly- retailers, consumer-goods companies, restaurants, sen über Interventionsansätze zwar oft belegt wer- employers, media organizations, educators, health- den kann, dass Interventionen eine gewisse Wirkung care providers, and individuals is likely to be neces- zeitigen. Die gefundene Evidenz wird aber oft als sary to support broad behavioral change. These limitiert angegeben. Als Gründe dafür werden die levers must address different population segments stark unterschiedliche Qualität der Studien, die sehr and deploy different mechanisms for impact. [49] heterogenen Studienansätze, die kurze Interven tionsdauer und fehlendes Follow-up angegeben. 4.2.1 Pränatal und Kleinkinder An diesem Bild hat sich in der Zwischenzeit wenig Es gibt gemäss Kumanyika et al. (2016) substanzielle verändert – man sollte jedoch nicht interpretieren, Evidenz, dass bei Beginn der Schwangerschaft be- dass dies bedeutet, dass Interventionen nicht funk stehendes mütterliches Übergewicht und Adipositas
Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen 17 sowie übermässige Gewichtszunahme während der Was spezifische präventive Interventionen in der Schwangerschaft und Gestationsdiabetes Risiko- frühen Lebensphase angeht, bestand gemäss der faktoren bilden für späteres kindliches Übergewicht Cochrane-Review von Waters et al. (2011) noch sehr und Adipositas [56]. Aber: Es gibt noch wenig Daten wenig gefestigte Evidenz [62]. Es sind hierzu For- bezüglich Interventionen und bezüglich des Effekts schungsanstrengungen im Gange. Besonders her- dieser Interventionen auf das spezifische Outcome vorzuheben ist das Projekt Early Prevention of «späteres kindliches Übergewicht oder Adipositas» Obesity in Children (EPOCH) [63] und die darin ein- [51]. So waren klinische Versuche mit Interventionen geschlossenen Studien. In EPOCH werden die Out- mit dem Ziel, die Gewichtszunahme während der comes mehrerer Studien aus Australien und Neu- Schwangerschaft zu reduzieren und damit Gesta seeland (Healthy Beginnings [64], Nourish [65], tionsdiabetes zu verhindern, nur limitiert erfolg- InFANT [66] und POI NZ [67]) untersucht. Das Pro reich [57]. Besser ist die Evidenz für den Risikofak- tokoll für diese prospektive Metaanalyse wurde tor Rauchen während der Schwangerschaft: Dies 2010 publiziert [68]. Die Forschungsfrage lautet: ist mit reduziertem kindlichem Geburtsgewicht und «Do interventions implemented in the first year of höherem Risiko für Frühgeburt verbunden, erhöht life prevent obesity, and influence weight status and aber auch das Risiko für kindliches Übergewicht um a range of lifestyle-relevant behavioural outcomes 50 % [58–60]. at 18–24 months of age?» Die Analyse wurde noch Der 2015 erschienene State-of-the-Art-Bericht nicht publiziert, aber gemäss einem in Kumanyika et «Ernährung in den ersten 1000 Lebenstagen – von al. (2016) zitierten Abstract konnten eine signifikan- pränatal bis zum 3. Geburtstag» [61] der Eidgenös te Reduktion des mittleren BMI, eine längere Dauer sischen Ernährungskommission gibt eine gute Zu- des Stillens und ein reduzierter TV-Konsum belegt sammenfassung der Evidenz zu Ernährung in der werden [56]. Für Übergewichts- und Adipositasprä- Schwangerschaft und bei Kleinkindern, und er leitet valenzen, Schlafmuster und physische Aktivität ge- Empfehlungen ab, so auch zum protektiven Effekt lang dieser Nachweis allerdings nicht [56]. des Stillens: Die in der Metaanalyse mituntersuchte Healthy- Beginnings-Studie illustriert dabei auch das Pro Die Empfehlungen [WHO, SGP, ESPGHAN] lauten, blem einer fehlenden Nachhaltigkeit isolierter Inter- dass weltweit alle Säuglinge 6 Monate ausschliess- ventionen: Im Rahmen der Studie wurden erstmalige lich gestillt werden sollten und anschliessend auch Mütter mit sozial benachteiligtem Hintergrund mit- nach Einführung der Beikost bis zum Alter von tels insgesamt acht Hausbesuchen betreut mit dem 2 Jahren und länger gestillt werden können. Aller- Ziel, Stillen und gesunde Ernährung, gesundes und dings wird in diesen Positionspapieren auch er- aktives Familienleben zu fördern. Diese Intervention wähnt, dass es Mütter gibt, die diesen Empfehlun- zeitigte signifikante Resultate, gemessen beim Kin- gen nicht folgen können oder wollen. Trotzdem desalter von 2 Jahren [69]. 3 Jahre später, mit 5 Jah- sollen auch diese Mütter unterstützt werden, um ren, konnte keiner der erreichten positiven Effekte die Ernährung ihrer Säuglinge optimal gestalten mehr nachgewiesen werden [70]. zu können. ESPGHAN und SGP formulieren ihre Die InFANT-Studie wird nach positiven Ergebnissen Empfehlungen bewusst offen und flexibel. Sie brin- in einer erweiterten Form wiederholt (InFANT Ex- gen damit zum Ausdruck, dass die Evidenz für tend), mit Blick auf Skalierbarkeit, Nachhaltigkeit und präzisere Empfehlungen nicht vorhanden ist. [61] einem Endpunkt beim Kindsalter von 3 Jahren [71]. Den Expertinnen und Experten erscheint es mit Mit Blick auf Muttermilchersatzprodukte empfiehlt Blick auf Interventionen in der frühen Phase wichtig, er: bei werdenden Eltern als wichtige Zielgruppe eine für das Kind gesundheitsförderliche Situation vor- Kleinkindmilchen oder Folgenahrung für Kinder zuspuren. Dazu gehört die Vermittlung von Ernäh- im Alter von 1–3 Jahren sind nicht erforderlich, es rungswissen und Stillförderung und generell eine handelt sich um «Convenience-Produkte». Der Sensibilisierung der Eltern. Die Fachleute im Klein- Nährstoffbedarf von Kleinkindern kann durch eine kindbereich können dabei eine wichtige Rolle als ausgewogene Mischkost vollständig abgedeckt Multiplikatoren spielen. Die Förderung eines sol- werden. [61] chen gesundheitsförderlichen Betreuungsumfelds
18 Gesundes Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen im Kleinkindbereich ist Gegenstand des Ende 2013 relation to measures of equity, longer term out- lancierten Projekts Miapas von Gesundheitsförde- comes, potential harms and costs. rung Schweiz [72]. Childhood obesity prevention research must now move towards identifying how effective interven- 4.2.2 Kinder tion components can be embedded within health, Die bereits im letzten Arbeitsbericht zitierte Coch education and care systems and achieve long rane-Review von Waters et al. (2011) stellt immer term sustainable impacts. [62] noch eine der umfassendsten Untersuchungen zur Wirksamkeit präventiver Interventionen dar [62]. Bezüglich kombinierter verhaltensorientierter the- Sie findet starke Evidenz für positive Effekte rapeutischer Lebensstil-Interventionen wurden be- von Präventionsprogrammen für die Altersgruppe reits in der Cochrane-Review von Oude Luttikhuis et 6–12 Jahre und insbesondere für das Schulsetting. al. (2009) signifikante Effekte gefunden [74]. Diese Die Metaanalyse von Wang et al. (2015) sieht eben- Studie wurde via ein Set von Metaanalysen für ver- falls moderat starke Evidenz für schulbasierte In- schiedene Aspekte vertieft: terventionen [73]. Damit spiegeln die Studien die ••Colquitt et al. (2016) studierten Multikomponen- Aussagen der Expertinnen und Experten, die im ten-Interventionen und Diät-Interventionen für Schulsetting (inklusive Kindergarten) und auch im Vorschulkinder (bis 6 Jahre). Sie fanden Hinweise Setting der Kinderbetreuungsstätten wichtige Orte für ein Funktionieren der Multikomponenten- der Prävention sehen. Es besteht erstens ein ver- Interventionen, bei geringer Qualität der vor gleichsweise guter institutioneller Zugang, und es handenen Evidenz. Für reine Diät-Interventionen können zweitens viele Kinder erreicht werden. Fol- war im Vergleich die Datenlage noch weniger gende Ansätze wurden in Waters et al. (2011) als aussagekräftig. [75] «vielversprechend» eingestuft [62]: ••Mead et al. (2017) fanden für verhaltensorientier- te Multikomponenten-Interventionen (Ernährung, ••School curriculum that includes healthy eating, Bewegung, Verhaltensänderung) in der Alters- physical activity and body image gruppe 6–11 Jahre Evidenz für kleine, zumindest ••Increased sessions for physical activity and the kurzfristig anhaltende positive Effekte bezüglich development of fundamental movement skills BMI und Körpergewicht. Sie sehen aber eine throughout the school week grosse Heterogenität, was einzelne Studienout ••Improvements in nutritional quality of the food comes angeht, die sie nicht erklären können, supply in schools und betonen die Notwendigkeit für ein länger ••Environments and cultural practices that support fristiges Follow-up, weil die Nachhaltigkeit nicht children eating healthier foods and being active belegt ist. [76] throughout each day ••Loveman et al. (2015) untersuchten Interventio- ••Support for teachers and other staff to implement nen, die sich spezifisch an die Eltern richten, health promotion strategies and activities (e.g. pro- und fanden ähnlich gute Effekte wie für Interven- fessional development, capacity building activities) tionen, die Eltern und Kind gleichzeitig anspre- ••Parent support and home activities that encourage chen. Die vorgefundene Evidenz wurde als noch children to be more active, eat more nutritious limitiert beschrieben wegen methodischer Schwä- foods and spend less time in screen based activi- chen der eingeschlossenen Studien, fehlendem ties [62] Follow-up und fehlender Information zu wichtigen Outcomes. Zehn der eingeschlossenen Studien Angesichts der gefundenen Heterogenität der Stu laufen weiter und werden mehr Information lie- dien und Unklarheiten bezüglich der Einbettung und fern. Die Autorinnen und Autoren regen auch ein Nachhaltigkeit geben die Autorinnen und Autoren Studium der Kosteneffizienz der Ansätze im aber auch Folgendes zu bedenken: Vergleich zu Eltern-Kind-Interventionen an. [77] However, study and evaluation designs need to be Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich strengthened, and reporting extended to capture in der wissenschaftlichen Literatur eine Vielzahl von process and implementation factors, outcomes in Hinweisen für ein Funktionieren von Interventionen
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