"Und sie bewegt sich doch!" - Der Schwur des Galilei Galileo
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“Und sie bewegt sich doch!” - Der Schwur des Galilei Galileo "An der gleichen Stätte in Rom, im Festsaal des Klosters St. Maria sopra Minerva, an der GIORDANO BRUNO sein Todesurteil entgegennahm, stand dreiunddreißigeinhalb Jahre später der Begründer der modernen Physik: GALILEO GALILEI (1564-1642): Er wußte, wie das Schicksal Brunos auf dem Scheiterhaufen des Campo dei Fiori (Blumenmarkt) geendet hatte.”(J.Hemleben: Das haben wir nicht gewollt, Sinn und Tragik der Naturwissenschaft, Stuttgart 1978, S. 64 ff) ) Galilei vor dem Tribunal der Inquisition, Rom 12. April bis 22. Juni 1633. Fresco von Nicolo Barabino Auch für Galilei stand am Ende der Verhöre Galileis in Rom ein Urteil, in dem er vom Hl. Offizium abscheulicher Verbrechen schuldig befunden wurde. Vor den versammelten Kardinälen der Inquisition und ihrer Zeugen “in dem an die Kirche Santa Maria Sopra Minerva angrenzenden Dominikanerkloster” wurde Galilei das Urteil am Mittwoch, dem 22. Juni 1633, verlesen. “Wir sagen, verkünden, urteilen und erklären, dass du dich, oben genannter Galileo, durch die im Prozeß hergeleiteten und von dir, wie oben angegeben, gestandenen Dinge diesem Hl. Offizium der Ketzerei dringend verdächtig gemacht hast, nämlich dass du die hast, wonach die Sonne der Mittelpunkt der Welt sei und sich nicht von Osten nach Westen bewege und die Erde sich bewege und nicht der Mittelpunkt der Welt sei, und dass man eine Meinung für vertretbar halten und verfechten könne, nachdem sie als der Heiligen Schrift widersprechend erklärt und definiert wurde; und infolgedessen hast du dir alle kirchlichen Strafen und Bußen zugezogen, die von den Kirchensatzungen und anderen allgemeinen und besonderen Verordnungen dergleichen Missetätern auferlegt und gegen sie verkündet werden. Wir sind es zufrieden, dass du von ihnen freigesprochen werdest, vorausgesetzt, dass du zuvor aufrichtigen Herzens und geheuchelten Glaubens den oben genannten Irrtümern und Ketzereien und jeglichem anderen Irrtum und jeder Ketzerei wider die Katholische und Apostolische Kirche abschwörst, sie verfluchst und verabscheust in der Weise und in der Form, die wir dir auferlegen werden. Und damit dieser dein schwerer und verderblicher Irrtum und Verstoß nicht gänzlich ungestraft bleibe und du in Zukunft klüger seiest und anderen als Beispiel dienest, damit sie sich derartiger Vergehen enthalten, ordnen wir an, dass das Buch der Dialoge des Galileo Galilei durch öffentliche Verfügung verboten werde. Wir verurteilen dich zu förmlichen Kerker in diesem HL. Offizium nach unserem Ermessen; und als heilsame Buße erlegen wir dir auf, in den drei kommenden Jahren einmal in der Woche die sieben Bußpsalmen zu sprechen: und wir behalten uns vor, die oben genannten Strafen und Bußen zu mildern, zu ändern, sie gänzlich oder teilweise aufzuheben. dophy2008 Und sie bewegt sich doch - Seite 1-
Und so sagen, verkünden, urteilen, verfügen und behalten wir uns vor in dieser und jeder anderen Weise und Form, wie wir von Rechts wegen können und müssen. So verkünden wir unterzeichneten Kardinäle.” (Zitiert nach D. Sobel: Die Tochter des Galilei, S. 290f) Dieses Urteil - nur von 7 der zehn Kardinäle des HL. Offizium unterzeichnet - machte alle Hoffnungen zunichte, dass der Dialog lediglich bis zu seiner Korrektur, die Galilei angeboten hatte suspendiert würde. Vielmehr folgte die Versammlung der Kardinäle Papst Urban VIII. der am 16. Juni ihnen noch verkündet hatte, dass der Dialog in keinem Falle einer Zensur entgehen könne und damit verboten werden müsse. “Galilei hingegen müsse in den Kerker gesperrt und bestraft werden, und seine öffentliche Demütigung sei der ganzen Christenheit eine Warnung vor der törichten Tat, Befehle zu mißachten und die göttliche Offenbarung der Heiligen Schrift zu leugnen.” (Sobel. a.a.O., S. 287) Nach der Verkündigung des Urteils legte das Heilige Gericht der Inquisition “Galilei nun den vorgefertigten Text der Abschwörung vor, den er laut verlesen mußte. Doch als er ihn vorher leise las, stieß er auf zwei Formulierungen, die ihm derart widerwärtig waren, dass er sich nicht einmal unter den gegebenen Umständen bereitfand, sie zu bekennen. Die eine behauptete, er habe wider das Verhalten eines guten Katholiken gesündigt, die andere, er habe sich in betrügerischer Weise die Druckerlaubnis für sein Buch erschlichen. Nichts davon sei wahr, protestierte er, und die Richter gaben seinem Antrag statt, diese Behauptungen aus dem Text zu streichen. Um dem Scheiterhaufen zu entgehen war Galilei bereit, “wenn Inquisition und Kirche es verlangten, allem abzuschwören, was er im Laufe seines Lebens sich als Wahrheit erworben hatte, als auf die gleiche Weise wie Bruno schimpflich ermordet zu werden.” So kniete er im weißen Büßerhemd vor dem Inquisitionsgericht nieder und las den vorbereiteten Text seines Meineides vom Blatt ab. Er schwor ab, hatte damit “sein Leben für weitere achteinhalb Jahre gerettet.”(J.Hemleben: Das haben wir nicht gewollt, Sinn und Tragik der Naturwissenschaft, Stuttgart 1978, S. 64 ff) ) "Ich, Galileo, Sohn des sel. Vincenzio Galilei aus Florenz, meines Alters 70 Jahre, persönlich vor Gericht erschienen und vor Euch kniend, Erhabenste und Hochwürdigste Herren Kardinäle, Generalinquisitoren in der gesamten Christenheit wider die ketzerische Verderbnis, mit den Heiligen Evangelien vor meinen Augen, welche ich mit eigenen Händen berühre, schwöre, daß ich allzeit geglaubt habe, gegenwärtig glaube und mit der Hilfe Gottes in Zukunft alles glauben werde, was die HL. Katholische und Apostolische Kirche für gültig hält, predigt und lehrt. Weil ich aber von diesem Heiligen Offizium, nachdem ich durch Weisung von selbigem rechtskräftig aufgefordert worden war, gänzlich von der falschen Meinung abzulassen, dass die Sonne der Mittelpunkt der Welt sei und still stehe und dass die Erde nicht Mittelpunkt der Welt sei und sich bewege und dass ich besagte falsche Lehre weder aufrechterhalten, verfechten noch lehren könnte, auf welche Weise auch immer, weder in Wort noch in Schrift, und, nachdem mir kundgetan worden war, dass besagte Lehre der Heiligen Schrift widerspricht, ein Buch geschrieben und zum Druck gegeben habe, in welchem ich diese bereits verurteilte Lehre erörtere und mit großer Wirksamkeit Gründe zu ihren Gunsten nenne, ohne irgendeine Lösung beizubringen, dringend der Ketzerei verdächtig befunden worden bin, nämlich aufrechtgehalten und geglaubt zu haben, dass die Sonne Mittelpunkt der Welt sei und still stehe und dass die Erde nicht Mittelpunkt sei und sich bewege. dophy2008 Und sie bewegt sich doch -2-
Deshalb, da ich aus dem Geiste Eurer Eminenzen und eines jeglichen getreuen Christen diesen heftigen Verdacht, der rechtens auf mich fällt, tilgen will, schwöre ich aufrichtigen Herzens und geheuchelten Glaubens ab, verfluche und verabscheue die oben genanten Irrtümer und Ketzereien und überhaupt jeglichen und jedweden anderen Irrtum, jede Ketzerei oder Sektiererei wider die Hl. Kirche; und ich schwöre, dass ich künftig niemals wider, in Wort oder Schrift, Dinge sagen noch behaupten werde, für welche ähnlicher Verdacht gegen mich erschöpft werden könnte; wenn ich aber auf irgendeinen Ketzer oder einen der Ketzerei Verdächtigen treffe, werde ich ihn diesem Hl. Offizium oder auch dem Inquisitor oder dem Oberhirten des Ortes, woselbst ich mich befinde, anzeigen. Ebenso schwöre ich und gelobe, alle Bußen, die mir von diesem Hl. Offizium auferlegt worden sind oder mir auferlegt werden, auf das genaueste einzuhalten und zu befolgen; und sollte ich einem dieser meiner Gelöbnisse und Schwüre zuwiderhandeln, was Gott verhüten möge, so unterwerfe ich mich den Strafen und Züchtigungen, welche von den heiligen Kirchensatzungen und anderen allgemeinen und besonderen Satzungen gegen dergleichen Missetäter erlassen und verkündet wird. So wahr mir Gott helfe und diese seine Heiligen Evangelien, welche ich mit den Händen berühre. Ich, oben genannter Galileo Galilei, habe abgeschworen, geschworen, gelobt und mich verpflichtet wie vorstehend; und in Beurkundung der Wahrheit habe ich mit eigener Hand das vorliegende Schriftstück meiner Abschwörung unterschrieben und sie Wort für Wort gesprochen, zu Rom im Kloster der Minerva am 22. Juni 1633. Ich Galileo Galilei, habe abgeschworen und wie vorstehend, mit eigener Hand." (Zitiert nach D. Sobel: a.a.O., S. 292) Kopernikus Lehre, noch 1616 von dem Vorwurf der Schande der Häresie verschont geblieben, stand nun wie der Dialog auf dem Index der verbotenen Schriften. Ohne Konsequenzen durch die Inquisition befürchten zu müssen, konnte nun niemand mehr in Italien in wissenschaftlichen Diskussionen für das heliozentrische System eintreten. In diesem Zusammenhang wird oft behauptet, “Galilei habe beim Aufstehen vor sich hin gemurmelt: Eppur si muove - “und sie bewegt sich doch”. Oder er habe die Worte laut ausgerufen, den Blick himmelwärts gerichtet und mit dem Fuß aufstampfend. So oder so wäre es mehr als tollkühn gewesen, bei diesem durchaus nicht freundlichen Zusammentreffen derart unerschrocken seine Überzeugung kundzutun, zu schweigen davon, dass in dieser Bemerkung ein jähzorniger Trotz mitschwingt, der für Galilei zu der Zeit und an diesem Ort völlig undenkbar gewesen wäre. Wenn überhaupt, hätte er es Wochen oder Monate später gesagt, vor anderen Zeugen, aber gewiß nicht an jenem Tag. In seinen Augen war seine Verurteilung im Kloster der Minerva ein Bruch der Versprechungen, die man ihm als Gegenleistung für seine Kooperation gegeben hatte. Denn er war ja von seiner Unschuld überzeugt; ein “Verbrechen” hatte er nur zugegeben, weil sein Geständnis Teil einer Vereinbarung war.” (D. Sobel: a.a.O., S. 292f) Wie kam es zu dieser Verurteilung ? Galilei trat zu seiner Zeit für das heliozentrische Weltbild aufgrund nachprüfbarer astronomischer Belege ein. Denn vielfältige astronomische Beobachtungen konnten im geozentrischen Weltbild des dophy2008 Und sie bewegt sich doch -3-
Aristoteles nicht erklärt werden bzw. widersprachen ihm. Das heliozentrische System war für ihn also mehr als nur eine bessere mathematische Theorie. Aber welche Beobachtungen standen im Gegensatz zur griechischen Philosophie des Platons und Aristoteles und des darauf fußenden geozentrischen Weltbildes des Ptolemäus ? astronomische Beobachtungen des Die genannten Beobachtungen sind nach dem Astronomen Tycho Brahe und Galileo Galileis aristotelisch/ptolemäischen Weltbild nicht möglich weil ... Tycho Brahe beobachtet das Auftauchen eines Tycho Brahe hatte die Bewegung der Kometen Kometen, der jenseits der Mondsphäre jenseits der Mondsphäre genau verfolgt. Auf mehrere Kristallsphären durchdrang (1577 und ihrem Weg mußten sie mehrere der 1585) Kristallsphären - die Stütze der Planeten im (Sobel:a.a.O., S.104) geozentrischen Weltbild - durchdrungen und somit zerstört haben. Die Planeten hätten so Weitere Kometenbeobachtungen im Jahre ihre Stütze am Himmel verloren und vom 1618, als Galilei krank daniederlag. Himmel fallen müssen. Da die Planeten (Sobel:a.a.O., S.102) jedoch weiterhin auf ihren Sphären ihre Bahn um die Erde zogen, mußte es sich bei der Galilei entdeckt im Januar 1610 durch das Beobachtung um eine Täuschung handeln. Fernrohr die Jupitermonde (Mediceischen Auch konnten die Jupitermonde nur eine Gestirne) optische Täuschung im Fernrohr sein. Hatte (Sobel:a.a.O., S.42) sich nicht alles um die ruhende Erde zu drehen ? Und außerdem hätten die Monde die Sphäre des Jupiters zerstören müssen. Auch der Jupiter hätte damit seine Stütze verloren. Galilei entdeckt durch sein Fernrohr, dass der Widerspruch zur Vorstellung der griechischen Mond Berge und Täler aufweist. Astronomie, dass für die Form der (Sobel:a.a.O., S.41) Himmelskörper nur ideale Kugeln in Frage kommen können.. Tycho Brahe beobachtete 1572 das Irdische Bewegungen kommen zu Stillstand Aufleuchten eines neuen Sterns (Super Nova). wie jede Erfahrung auf der Erde zeigt. Anders ist es mit den Bewegungen am Himmel, die Galilei beobachtete ebenfalls im Jahre 1604 gestützt auf jahrhundertealte Beobachtungen die nächste Super Nova. (Babylonier, Sumerer) scheinbar ewig und (Sobel:a.a.O., S.63) damit unvergänglich sind. Daher glaubte Aristoteles zwischen der irdisch- Galilei beobachtet durch sein Fernrohr die vergänglichen und himmlisch-ewigen Welt Sonnenflecken und entdeckt, dass auch die unterscheiden zu müssen, wobei die Sphäre Venus (1610) wie der Mond Phasen aufweist. des Mondes die vergängliche von der ewigen Welt trennen sollte. Jenseits der Sphäre des Mondes war damit alles ewig und unvergänglich, d.h. es konnten keine zeitlich veränderlichen Ereignisse auftreten. dophy2008 Und sie bewegt sich doch -4-
Galileis Forderung, “man möge zwischen Fragen der Wissenschaft und Artikeln des Glaubens tunlichst unterscheiden, stellte Galilei in einem durchaus prekären Augenblick in der Geschichte der Kirche. Schwer erschüttert durch die protestantische Reformbewegung, die um 1517 in Deutschland ausbrach, nahm die römisch-katholische Kirche während des gesamten sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts eine Verteidigungshaltung ein, die als Gegenreformation in die Geschichte einging.” (D. Sobel: a.a.O., S. 85) Doch der Riss wurde größer und konnte später auch nicht durch das Konzil von Trient (1545 - 1563) gekittet werden. Wichtig war, dass Luthers Position, jeder habe das Recht die Bibel selbst zu lesen strikt abgelehnt wurde. 1546 erklärte man auf dem Konzil : “Niemand darf es wagen, sich auf sein eigenes Urteil zu verlassen und die Heilige Schrift nach seinen eigenen Vorstellungen verzerrt auszulegen.” (D. Sobel: a.a.O., S. 86) Dies führte zu folgendem Glaubensbekenntnis, das für die folgenden Jahrzehnte gültig sein sollte : “Ich glaube fest an die apostolischen und kirchlichen Traditionen und sonstigen Gebote und Verordnungen der Kirche. Ich nehme die heilige Schrift in dem Sinne an, in welchem sie von der Heiligen Mutter Kirche vertreten wurde und wird, der es allein zusteht, über den wahren Sinn und die Auslegung der Heiligen Schrift zu urteilen, und werde sie in keiner anderen Weise auffassen oder auslegen als gemäß der einstimmigen Billigung der Väter.” Galilei war nun der Meinung, dass die Entscheidung, dass geozentrische System stehe in Übereinstimmung mit der Bibel und sei deshalb “wahr”, voreilig getroffen worden war und vor dem Hintergrund der neuen Beobachtungen neu zu überdenken sei. Galilei erklärte in einem Brief an die Großherzogin Christine von Lothringen, dass die entscheidende Passage im Buch Josua durch das kopernikanische System besser zu erklären sei als durch Aristoteles oder Ptolemäus. “Damals, als der Herr die Amoriter den Israeliten preisgab, redete Josua mit dem Herrn; dann sagte er in Gegenwart der Israeliten: Sonne, bleib stehen über Gibeon, und du, Mond, über dem Tal von Ajalon! Und die Sonne blieb stehen, und der Mond stand still, bis das Volk an seinen Feinden Rache genommen hatte. Da steht im “Buch der Aufrechten”: Die Sonne blieb also mitten am Himmel stehen, und ihr Untergang verzögerte sich, ungefähr einen ganzen Tag lang. Weder vorher noch nachher hat es je einen solchen Tag gegeben, an dem der Herr auf die Stimme eines Menschen gehört hätte; der Herr kämpfte nämlich für Israel. (Jos 10:12-14)” (D.Sobel: a.a.O., S. 77) Denken wir hier an die Bewegung der Kristallsphären um eine ruhende Erde im ptolemäischen System, so hätte doch der Stillstand der Sphäre der Sonne auch einen Stillstand aller anderen Sphären bedeuten müssen. Denn hatte nicht der “Erste Beweger” die äußerste Sphäre in Gang gesetzt und dadurch alle anderen - in einander geschachtelten - Sphären in ewige Bewegung versetzt ? Im Kopernikanischen System war jedoch der Übergang von Tag und Nacht durch die Bewegung der Erde um die Sonne erklärt. Gleichzeitig bewies die Beobachtung der Sonnenflecken eine Rotation der Sonne. Diese Bewegung verursachte nach Ansicht von Kopernikus und Galilei die Bewegung der Erde um die Sonne. “Hätte Gott also die Rotation der Sonne angehalten, so wäre auch die Erde stehen geblieben, und der Tag hätte sich so lange hingezogen, wie Josua es brauchte.”(D. Sobel:a.a.O., S. dophy2008 77f) Und sie bewegt sich doch -5-
Außerdem, so Galilei, blieb die Sonne nach der biblischen Erzählung ja genau an der Stelle - “mitten am Himmel” - stehen, wo sie nach dem kopernikanischen System stehen sollte. (D. Sobel:a.a.O., S. 78) Und Galilei argumentiert weiter: “Ich glaube, dass die Absicht der Heiligen Schrift einzig darin besteht, die Menschen von den Wahrheiten und Aussagen zu überzeugen, die notwendig für ihr Seelenheil sind, aber alle menschliche Vernunft übersteigen und durch keine andere Wissenschaft glaubhaft gemacht werden können, es sei durch den Mund des Heiligen Geistes selbst. Ich meine nicht, es sei notwendig zu glauben, dass derselbe Gott, der uns unsere Sinne, unsere Sprache, unseren Verstand gegeben hat, wünschen könnte, dass wir keinen Gebrauch davon machen, um uns statt dessen auf anderem Weg Dinge zu lehren, die wir mit ihrer Hilfe selbst erlangen können, und namentlich in solchen Wissenschaften, von denen nur ein geringer Teil und nur sehr wenigen Schlußfolgerungen in der Heiligen Schrift enthalten sind, und vor allem in der Astronomie , deren Anteil so gering ist, dass nicht einmal die Namen der Planeten genannt werden. Falls die Evangelisten die Absicht gehabt hätten, das Volk über die Konstellationen und Bewegungen der Himmelskörper zu belehren, hätten sie das Thema nicht so kärglich behandelt.”“(D. Sobel: a.a.O., S. 78f) Doch alle Diskussionen halfen nichts. Im Februar 1616 erklärten die Kardinäle des Heiligen Offiziums die kopernikanische für “formal häretisch” insofern, “als sie der Heiligen Schrift unmittelbar wiederspreche”. Außerdem sei sie auch “philosophisch “töricht und widersinnig”“. (D. Sobel: a.a.O, S. 92) Galilei wurde anschließend ermahnt, “seine Meinung nicht mehr als Tatsache zu vertreten.” (D. Sobel: a.a.O., S. 93) Kardinal Bellarmin, der die Leistungen Galileis hoch einschätze und 1611 selbst die Jupitermonde beobachtet hatte forderte Galilei auf anzuerkennen, dass das Kopernikanische System lediglich eine mathematische Hypothese sein könne. Außerdem verbiete sich nach dem tridentischen Konzil die “Auslegung der Bibel im Widerspruch zur allgemeinen Übereinstimmung der Väter, die einvernehmlich auch mit den zeitgenössischen Kommentartoren die Bibel dahingehend erklärten, dass die Sonne sich um die Erde bewege. Ich füge noch hinzu, dass derjenige, welcher geschrieben hat: die Sonne geht auf, und sie geht unter und kehrt an ihrem Ort zurück, ect., Salomo ist, der nicht nur von Gott inspiriert sprach, sondern auch der weiseste unter allen Menschen und sehr gelehrt in allen menschlichen Wissenschaften und in der Kenntnis aller geschaffenen Dinge war und all diese Weisheit von Gott hatte, weshalb es nicht wahrscheinlich ist, dass er etwas behauptet haben sollte, was im Widerspruch stände zu etwas, was als wahr erwiesen ist oder erwiesen werden könnte. Und wenn man einwendet, Salomo spreche nach dem Anschein, weil es uns so scheine, als ob die Sonne sich bewege, während die Erde sich bewegt - gerade so wie es dem, welcher vom Ufer sich entfernt, so scheine, als ob sich das Ufer vom Schiff entfernt -, so antworte ich: wenn es dem, welcher vom Ufer sich entfernt, auch so erscheint, als entferne sich das Ufer von ihm, so erkennt er doch, dass dieses ein Irrtum ist, und er berichtigt ihn, da er deutlich sieht, dass das Schiff sich bewegt und nicht das Ufer. Was aber die Sonne und die Erde betrifft, so braucht kein Gelehrter den Irrtum zu berichtigen, da er durch augenscheinliche Erfahrung weiß, dass die Erde stillsteht und das Auge sich nicht täuscht, wenn es urteilt, dass die Sonne sich bewegt, wie es sich auch nicht täuscht, wenn es urteilt, dass die Sterne sich bewegen.” (D. Sobel: a.a.O., S. 91f) Nach diesen Vorwarnungen war für die Mehrheit der Kardinäle im HL. Offizium klar, dass Galilei hinter den Argumentationen der Personen im Dialog in Wirklichkeit nur seine wahre Ansicht, das die Erde sich um die Sonne bewegt, verbarg. Außerdem missachtete er mit der Veröffentlichung die Vorgaben der Kirchenväter. dophy2008 Und sie bewegt sich doch -6-
Nach dem Urteil Galilei verbrachte Galilei einige Zeit im erzbischöflichen Palais zu Siena. Die Last des Urteils war hier erträglich, da ihm der Bischof freundschaftlich zugewandt war und nicht jeden Kontakt unterband. Mit der Rückkehr in sein Haus in Arcetri im Dezember 1633, verschärften sich die Umstände für Galilei. Anders als im erzbischöflichen Palais stand er wieder verstärkt unter der Aufsicht des Hl. Offiziums. So wurde mit der Rückkehr die Strafe verschärft, “denn die Atmosphäre, die im erzbischöflichen Palais zu Siena herrschte, erschien ihm [Papst Urban] immer mehr wie ein exklusiver Salon. Die päpstliche Empfehlung an das Hl. Offizium sah eine erhebliche Einschränkung sämtlicher sozialer Kontakte sowie das Verbot jeglicher Lehrtätigkeit vor.” (D. Sobel: a.a.O., S. 355) Aber dennoch griff Galilei im Alter von nun 70 Jahren unvollendete Arbeiten und Ideen erneut auf, die dann in einem zweiten Buch 1638 in Leiden veröffentlicht wurden. Der Titel lautete: “Unterredungen und mathematische Demonstrationen über zwei neue Wissenszweige, betreffend die Mechanik und die lokalen Bewegungen, von Herrn Galileo Galilei Linceo, Philosoph und Erster Mathematiker des Durchlauchtigsten Großfürsten der Toskana. Mit einem Anhang über den Schwerpunkt in einigen Festkörpern. In Leiden, bei Elzevier, MGCXXXVIII “. Dieses Werk konnte aufgrund der Auflagen des Hl. Offizium nur im Ausland in Druck gehen. Denn Papst Urban hatte “begleitend zum Verbot des Dialogs eine Warnung herausgegeben, mit der er den Nachdruck irgendeines früheren Buches von Galilei für unstatthaft erklärte”, mit der Konsequenz, dass Galileis Arbeiten in Italien nach und nach verschwanden. (D. Sobel: a.a.O., S. 362) Über das Verbot der weiteren wissenschaftlichen Betätigung und des Verbotes der Veröffentlichung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse beklagte sich Galilei in einem Brief an einen Korrespondenten in Frankreich wie folgt: “... und haltet nur für sicher, dass diese, würde ich sagen, von Euch so geschätzte Besonderheit der wichtigste, wenn nicht einzige Grund meines Sturzes war und immer noch ist. Dass ich viele Fehler in den Lehren aufdeckte, die schon jahrhundertlang in den Schulen gelehrt wurden, zum Teil verbreitet und zum Teil noch zu veröffentlichen, hat in den Gemütern jener, die als einzig für wissend gehalten zu werden wünschen, derartige Verachtung geweckt, dass sie, da sie sehr schlau und sehr mächtig sind, Mittel und Wege ersannen, um die Entdeckungen und Veröffentlichungen zu unterdrücken und zu verhindern, was mir noch ans Licht zu holen blieb; nachdem es ihnen gelungen war, vom Obersten Tribunal die allerstrengste Weisung an die Patres der Inquisition zu erwirken, keinerlei Werk von mir zu erlauben: eine Weisung, die, sage ich, durchaus allgemein ist und omnia edita et edenda umfaßt. [...] Für mich ziemt es sich folglich, den Angriffen, Bissigkeiten und Beleidigungen meiner Gegner, die noch von nicht geringer Zahl sind, schweigend zu erliegen.” (D. Sobel: a.a.O., S. 363) Mit diesem Buch beginnt zunächst außerhalb Italien die Naturwissenschaft, die in Issac Newton mit seiner Klassischen Mechanik einen ersten Höhepunkt erreichen wird. So verdanken wir Galilei insbesondere die Erkenntnis, dass jede Theorie an die Beweiskraft des Experimentes gebunden ist. Und noch eines ist wichtig festzuhalten; die Wahrheit trotzt auf Dauer jeder Unterdrückung. Anmerkung: Papst Johannes Paul II. tritt 1992 öffentlich für Galileis Rehabilitation ein. Dazu einige Zeitungsberichte. dophy2008 Und sie bewegt sich doch -7-
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Die Apolloflüge und die Mondlandung; ein später Triumph für Aristarch, Kopernikus und Galilei Als zu Weihnachten 1968 die Apollo-Astronauten Bormann, Lovell und Anders als erste Menschen während ihrer Mondumkreisungen aus dem All die Erde als bläulich marmorierte, im Weltraum schwebend und langsam rotierende Kugel sahen, wurde das bislang theoretische Wissen für alle nun “erfahrbare Wirklichkeit”. Quelle: NASA - Die Erde, der blaue Planet, vom Mond aus gesehen Für jeden Menschen, der am Bildschirm die Übertragung der Bilder aus dem All verfolgte, war spätestens jetzt die “kopernikanische Wende” eingetreten. (E. Verhülsdonk: Logenplatz im Universum, S.7f) Die Menschen im Mittelalter waren durch die Vorstellung eines heliozentrischen Kosmos, in dem die Sonne im Mittelpunkt stand und nicht die, nach Aristoteles ruhende Erde, zutiefst “verletzt”. Wie konnte der Mensch, “Ebenbild Gottes” und “Krone der Schöpfung”, auf dem Gottes wohlgefälliges Auge ruhte, auf einer Erde leben, die nicht im Mittelpunkt stand? Sie waren geschockt dass die Erde zu einem Trabanten der Sonne degradiert war. Gänzlich unmöglich waren die Ausführungen Giordano Brunos, für den selbst die Sonne nicht das Zentrum darstellen sollte. Das Universum sollte vielmehr aus vielen Welteninseln bestehen. Die Erde sollte also wahrlich nur ein Staubkorn in einem unermesslich großen Kosmos sein. (Staubkorn-Komplex) (vgl. E. Verhülsdonk: Logenplatz im Universum, S.24 ) Damals unvorstellbar, heute gesichertes Wissen! Mit der Radioastronomie nach dem zweiten Weltkrieg hat sich unser Blick in den Kosmos aufs neue geweitet. Hatte sich durch die Fernrohrbeoachtungen Galilei in jener denkwürdigen Januarnacht 1610, als er zum erstenmal das Fernrohr gegen den Himmel richtete ein “neuer Himmel” aufgetan, so geschah dies erneut durch die Radioastronomie. (E. Verhülsdonk: Logenplatz im Universum, S.55 ) Sie eröffnete uns den Blick in die Zeit kurz nach dem Urknall. “Was ist zum Schluß der Mensch in der Natur ? Ein Nichts vor dem Unendlichen, ein All gegenüber dem Nichts, eine Mitte zwischen Nichts und All.” Blaise Pascal (1623-1662) zitiert aus E. Verhülsdonk: Logenplatz im Universum, S.6 dophy2008 Und sie bewegt sich doch -11-
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