UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: Eine Bewertung von Ernährungssystemen in national festgelegten Beiträgen.

Die Seite wird erstellt Linus-Maximilian Wittmann
 
WEITER LESEN
UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: Eine Bewertung von Ernährungssystemen in national festgelegten Beiträgen.
UNGENUTZTE
MÖGLICHKEITEN FÜR
KLIMASCHUTZMASSNAHMEN:
Eine Bewertung von Ernährungssystemen
in national festgelegten Beiträgen.

          LÄNDERBEWERTUNG

          EUROPÄISCHE UNION
          (FRANKREICH, DEUTSCHLAND, SPANIEN)

GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
2022
HAFTUNGSAUSSCHLUSS
Dieses Dokument wurde von Global Alliance for the Future of Food bei Climate Focus und
Solidaridad zur Nutzung durch die Mitglieder von Global Alliance und deren Partner in
Auftrag gegeben. Es soll die Diskussion über wichtige Fragen im Zusammenhang mit der
Transformation der Ernährungssysteme anregen und kollektives Handeln fördern. Global
Alliance macht dieses Dokument als Beitrag zur Diskussion über nachhaltige Reformen
von Ernährungssystemen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Dieses Dokument
besteht aus Arbeiten unabhängiger Autoren. Die hier geäußerten Ansichten geben nicht
notwendigerweise die Ansichten von Global Alliance oder deren Mitglieder wieder.

Copyright © 2022 Global Alliance for the Future of Food.
Dieses Werk ist unter einer Creative Commons Attribution-Non-Commercial 4.0
International License lizenziert.

Empfohlene Referenzierung: Global Alliance for the Future of Food. Ungenutztes
Potential: Die Rolle von Ernährungssystemen in nationalen Klimaschutzbeiträgen. n.p.:
Global Alliance for the Future of Food, 2022.

Im Auftrag der Global Alliance for the Future of Food.
INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT                                                                                       1

DIE ERNÄHRUNGSSYSTEME DER EUROPÄISCHEN UNION IM ÜBERBLICK                                     2

DER NDC DER EUROPÄISCHEN UNION                                                                4

 NDC-Gestaltungsprozess                                                                       5

    Wichtigste Ergebnisse                                                                     5

 Inhalte des NDC                                                                              7

    Wichtigste Ergebnisse                                                                     7

 Umsetzung des NDC                                                                            8

    Wichtigste Ergebnisse                                                                     8

FRANKREICHS ERNÄHRUNGSSYSTEME IM ÜBERBLICK                                                    9

FRANKREICHS BEITRAG ZUM NDC DER EU                                                            11

DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE AUS FRANKREICH                                                     12

 NECP-Gestaltungsprozess                                                                      12

      Tabelle 1: Gestaltung des französischen NECP: Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick   12

    Wichtigste Ergebnisse                                                                     12

    Bereiche mit Verbesserungspotenzial                                                       15

 Inhalte des NECP                                                                             17

      Tabelle 2: Inhalte des französischen NECP: Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick      17

    Wichtigste Ergebnisse                                                                     18

    Bereiche mit Verbesserungspotenzial                                                       10

 Umsetzung des NECP                                                                           24

      Tabelle 3: Umsetzung des NECP in Frankreich: Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick    24

    Wichtigste Ergebnisse                                                                     24

    Bereiche mit Verbesserungspotenzial                                                       26

ZUSAMMENFASSUNG DER FALLSTUDIE (FRANKREICH)                                                   27

DEUTSCHLANDS ERNÄHRUNGSSYSTEME IM ÜBERBLICK                                                   28

DEUTSCHLANDS BEITRAG ZUM NDC DER EU                                                           30

DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE AUS DEUTSCHLAND                                                    31

 NECP-Gestaltungsprozess                                                                      31

      Tabelle 4: Gestaltung des deutschen NECP: Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick       31
Wichtigste Ergebnisse                                                                      31

    Bereiche mit Verbesserungspotenzial                                                        32

  Inhalte des NECP                                                                             34

       Tabelle 5: Inhalte des deutschen NECP: Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick          34

    Wichtigste Ergebnisse                                                                      34

    Bereiche mit Verbesserungspotenzial                                                        36

  Umsetzung des NECP                                                                           38

       Tabelle 6: Umsetzung des NECP in Deutschland: Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick   38

  Bereiche mit Verbesserungspotenzial                                                          39

ZUSAMMENFASSUNG DER FALLSTUDIE (DEUTSCHLAND)                                                   41

SPANIENS ERNÄHRUNGSSYSTEME IM ÜBERBLICK                                                        42

SPANIENS BEITRAG ZUM NDC DER EU                                                                44

DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE AUS SPANIEN                                                         45

NECP-GESTALTUNGSPROZESS                                                                        45
       Tabelle 7: Gestaltung des spanischen NECP: Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick      45

    Wichtigste Ergebnisse                                                                      46

    Bereiche mit Verbesserungspotenzial                                                        48

  Inhalt des NECP                                                                              49

       Tabelle 8: Inhalt des spanischen NECP: Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick          49

    Wichtigste Ergebnisse                                                                      50

    Bereiche mit Verbesserungspotenzial                                                        52

   Umsetzung des NECP                                                                          56

       Tabelle 9: Umsetzung des NECP in Spanien: Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick       56

    Wichtigste Ergebnisse                                                                      56

    Bereiche mit Verbesserungspotenzial                                                        58

  Zusammenfassung der Fallstudie (Spanien)                                                     59

QUELLENANGABEN                                                                                 60

DANKSAGUNG                                                                                     66

ÜBER GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD                                                    67
VORWORT
Die Aufnahme der Transformation von Ernährungssystemen in die nationalen Klimaschutzbeiträge (Nationally
Determined Contributions, NDCs) – die den Kern des Übereinkommens von Paris bilden – ist ausschlaggebend,
um die miteinander verflochtenen Ziele in den Bereichen Umwelt, Artenschutz, Gesundheit, Wirtschaft,
Gesellschaft und Kultur zu erreichen. Obwohl ein auf Ernährungssysteme gestützter Ansatz die Klimaresilienz
stärken und eine Vielzahl kontextspezifischer Lösungen im Hinblick auf Produktion, Vertrieb, Nutzung und
Entsorgung von Lebensmitteln bereitstellen würde, wird Ernährungssystemen in der Klimapolitik nur selten
Priorität eingeräumt.

Diese Länderbewertung ist Teil einer Reihe von Publikationen, die das Ziel verfolgen, die
Transformation von Ernährungssystemen in den Mittelpunkt der künftigen Klimapolitik zu rücken:

    1. Ungenutzte Möglichkeiten für Klimaschutzmaßnahmen: Eine Bewertung von Ernährungssystemen
       in national festgelegten Beiträgen: Ein Kurzbericht, der eine Zusammenfassung der 14 Länderbewertungen
       enthält mit Empfehlungen und zu priorisierenden Maßnahmen für Personen mit entscheidenden und
       beratenden Funktionen im Bereich Klimapolitik
    2. Praktischer Leitfaden zur Bewertung von Ernährungssystemen in NDCs): Leitlinien und
       Rahmenvorgaben, die dazu befähigen sollen, bei der Erarbeitung künftiger NDCs und bei der Umsetzung
       klimapolitischer Maßnahmen einen auf Ernährungssysteme gestützten Ansatz anzuwenden
    3. Eine Synthese aus 14 Länderbewertungen, in denen die jüngsten NDCs von 14 Ländern weltweit
       unter die Lupe genommen und Verbesserungs- und Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden

Empfehlenswert ist zudem die Publikation Durch Transformation von Ernährungssystemen der Klimakrise
begegnen: Handlungsberichte aus 14 Ländern, die eine Sammlung von internationalen Fallstudien zur
Ergänzung des Ressourcenangebots für Personen mit entscheidenden, beratenden und unterstützenden
Funktionen in der Klimapolitik enthalten

1     UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
DIE ERNÄHRUNGSSYSTEME DER EUROPÄISCHEN UNION IM
ÜBERBLICK
Der Ernährungssektor der Europäischen Union (EU) trägt zur Wirtschaftsproduktion und Beschäftigung bei, ist
aber auch mit negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt verbunden. Der Anteil
des Agrarsektors am gemeinschaftlichen BIP der EU beläuft sich auf 1,3%,1 während die Lebensmittel- und
Getränkebranche weitere 7% zum EU-BIP beisteuert.2 Im Jahr 2018 waren in der EU fast 33% der Erwerbstätigen
insgesamt im Ernährungssektor beschäftigt.3,4

Neben seiner wirtschaftlichen Bedeutung ist das Ernährungssystem der EU aber auch für verschiedene
Gesundheits- und Umweltproblematiken verantwortlich. Im Jahr 2019 galten 53% der Erwachsenen in der EU als
übergewichtig oder adipös.5 Dieser Risikofaktor kann verschiedene nicht übertragbare Krankheiten verursachen,
die Gesundheitskosten erhöhen und die Produktivität der Gesamtbevölkerung verringern.6 Die Agrar- und
Lebensmittelproduktion ist ihrerseits ein Haupttreiber der Umweltzerstörung in der EU und vernichtet
jährlich 970 Mio. Tonnen Boden, während mehr als 11% des Hoheitsgebiets der EU von moderater bis starker
Bodenerosion betroffen ist.7 Der Anteil des Agrarsektors an den Treibhausgasemissionen (THG) in der EU
belief sich im Jahr 2018 auf mehr als 10%.8 Einem Bericht von 2021 zufolge war die EU im Jahr 2017 für 16% der
weltweiten Entwaldung – insgesamt 116 Mio. Tonnen CO2 – verantwortlich, insbesondere aufgrund des Verzehrs
von importierten Erzeugnissen, darunter vor allem Nahrungsmittel wie Soja, Palmöl und Rindfleisch.9

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) — die wichtigste langfristige EU-Politik für den Lebensmittelsektor – hat
bedeutende Auswirkungen auf die Ernährungssysteme der EU. Die GAP wurde im Jahr 1962 ins Leben gerufen,
um die Verfügbarkeit von und den Zugang zu Lebensmitteln sowie die landwirtschaftliche Produktivität
in Europa sicherzustellen. Die durch die aktuelle GAP geschaffenen Anreize dürften die Umstellung auf
gesunde und nachhaltige Ernährungssysteme jedoch mehr hemmen als fördern. Insbesondere schaffen die
Zuwendungen aus der GAP unverhältnismäßig hohe (und indirekte) Anreize für die Produktion von Rindfleisch,
Zucker und Milch (bzw. Lebensmittel, die diese enthalten), während auf den Obst- und Gemüsesektor die
wenigsten Fördermittel aus der GAP entfallen.* In den Mitgliedstaaten sind daher die Lebensmittel, die einen
hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren aufweisen, in der Regel erschwinglicher als gesündere Lebensmittel.10
Einigen Studien zufolge soll die GAP indirekt zu einem Anstieg von nicht übertragbaren Krankheiten und Herz-
Kreislauf-Erkrankungen in ganz Europa beigetragen haben.11 Fördermittel aus der GAP verursachen zudem
negative Umwelteffekte, da sie Anreize für den verschwenderischen Umgang mit natürlichen Ressourcen,
erhöhten Wasserverbrauch, übermäßige Intensivierung der Landwirtschaft und verstärkten Einsatz von
Chemikalien und Pestiziden geben.12 Die jüngsten Forderungen nach Reformen wurden in der GAP 2021-
2027 in Form von neuen Zielvorgaben berücksichtigt, die die GAP verstärkt auf die globale Agenda zur
nachhaltigen Entwicklung ausrichten sollen. Letzterer zufolge ist die Transformation der Ernährungssysteme
eine der notwendigen Veränderungen zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele.13 20% bis 25%
der GAP-Ausgaben werden nun in sogenannte „Eco-Schemes“ fließen, mit denen die Umstellung auf
nachhaltige Anbaumethoden wie ökologische Landwirtschaft, Agroforstwirtschaft und Präzisionslandwirtschaft
vorangetrieben wird.14 Nach Expertenmeinung ist jedoch fraglich, inwieweit diesbezüglich effektive Maßnahmen
gestaltet und implementiert werden können.15

Grund dafür ist, dass die Zuwendungen pro Hektar festgelegt werden.
*

2   UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
DARSTELLUNG DER ERNÄHRUNGSSYSTEME DER EUROPÄISCHEN UNION

Die EU trifft indessen Maßnahmen, um die Umstellung auf eine nachhaltige Agrarproduktion und die
Verbrauchernachfrage nach nachhaltigen Produkten zu fördern. Im Rahmen des Europäischen Grünen Deals,
der die Klimaneutralität Europas bis 2050 zum Ziel hat, wurde die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ konzipiert,
um Herausforderungen bei Produktion, Transport und Abfällen von Lebensmitteln anzugehen und die
Ernährungssysteme EU-weit fair, gesund und umweltfreundlich zu gestalten. Eines der Hauptziele der Strategie
besteht darin, die landwirtschaftliche Nutzfläche, die ökologisch bewirtschaftet wird, bis 2030 von aktuell
7,5% auf 25% zu vergrößern, wobei neue EU-Gesetze die Landwirtschaftsbetriebe bei der Umstellung von
konventionellen auf ökologische Anbaumethoden unterstützen sollen. Ein weiterer strategischer Aspekt ist die
Zielvorgabe, den Übergang auf nachhaltige Produktion und nachhaltigen Verzehr von Lebensmitteln weltweit
durch Handelspolitiken und Instrumente der internationalen Zusammenarbeit voranzutreiben.16 In diesem
Rahmen sollen auch die Verfügbarkeit und Preisgestaltung für nachhaltige Lebensmittel verbessert und EU-weit
eine gesunde Ernährung und ein nachhaltiger Lebensmittelverzehr gefördert werden.17

Im November 2021 nahm die Europäische Kommission einen Gesetzesvorschlag an, mit dem die Einfuhr
von Erzeugnissen verhindert werden soll, die Entwaldung verursachen.18 Gemäß der vorgeschlagenen
Verordnung können Soja, Rindfleisch, Palmöl, Holz, Kakao und Kaffee nur in die EU eingeführt werden, wenn
sie entwaldungsfrei sind und sich das importierende Unternehmen zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten bereit
erklärt hat. Sollte der Gesetzesvorschlag in Kraft treten, so könnte das die Beschaffung von Erzeugnissen, die
mit einem hohen Entwaldungsrisiko verbunden sind, tiefgreifend verändern. Andere wichtige Ökosysteme
wie Torfgebiete und Grassteppen, die weitgehend von der Umwidmung für die Palmöl- und Sojaproduktion
betroffen sind, fallen jedoch nicht in den Geltungsbereich der Verordnung.

Die EU bemüht sich um Politikkohärenz zwischen Klimawandel, Lebensmittelverzehr und Gesundheit. Ein
Beispiel dafür ist der zuvor angenommene „Europas Plan gegen den Krebs“,19 mit dem ein neuer EU-weiter
Ansatz zur Krebsprävention festgelegt wurde, der auch eine Kampagne zur Förderung von gesünderer
Ernährung und mehr Bewegung vorsieht.20 Die Annahme des Plans stieß außerdem interne Debatten darüber
an, wie Klimaschutzmaßnahmen im Rahmen des Grünen Deals der EU zusätzlich zur Bekämpfung von
Luftverschmutzung zur Krebsprävention beitragen können.21

3   UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
DER NDC DER EUROPÄISCHEN UNION
Der NDC der EU legt ein Emissionsreduktionsziel von 55% für die Gesamtwirtschaft fest, das sämtliche Sektoren
und Treibhausgase abdeckt. Das übergeordnete Ziel des NDC besteht darin, die EU-weiten Emissionen bis 2030
im Vergleich zum Stand von 1990 um 55% zu senken. Das NDC-Ziel ist neben anderen Branchen auch für den
Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) maßgebend. Im NDC der EU erfasst
werden Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW),
perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC), Schwefelhexafluorid (SF6) und Stickstofftrifluorid (NF3).

Gemäß dem NDC der EU müssen die Mitgliedstaaten integrierte nationale Energie- und Klimapläne (NECPs)
sowie nationale Langfriststrategien (LTSs) zur Umsetzung des NDC auf einzelstaatlicher Ebene entwickeln.22
Die Verordnung (EU) 2018/199923 im Rahmen des NDC der EU legt die meisten Governance-Regelungen
für die Klimaschutzpolitik der EU entsprechend dem Übereinkommen von Paris fest und verpflichtet die
Mitgliedstaaten zur Ausarbeitung von NECPs und LTSs. In diesen werden jeweils die kurz- und langfristigen
einzelstaatlichen Maßnahmen beschrieben, deren Umsetzung die Länder als Beitrag zu den Klimazielen
und dem NDC der EU anstreben. Die NECPs enthalten insbesondere die klima- und energiebezogenen Ziele,
Vorgaben, Politiken und Maßnahmen, die von 2021 bis 2030 umzusetzen bzw. zu erreichen sind – und die ein
bestimmtes Ambitionsniveau aufweisen müssen. Die NECPs und die LTSs sind der Europäischen Kommission
zur Überprüfung vorzulegen. Ab dem 30. Juni 2024 müssen die NECPs alle zehn Jahre aktualisiert werden24, und
im Abstand von jeweils zwei Jahren ist ein Fortschrittsbericht einzureichen.25 Identische Vorgaben gelten für die
LTSs, mit Januar 2020 als Ausgangsdatum und einer Aktualisierung im Fünfjahresrhythmus, soweit erforderlich.26

Es folgt eine allgemeine Bewertung des NDC der EU. Im Namen aller Mitgliedstaaten legten Deutschland und die
Europäische Kommission (EK) der UNFCCC die aktualisierte Fassung des ersten NDC der EU im Dezember 2020
vor. Der NDC enthält nunmehr das gemeinsame Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens
55% gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Dies ist eine deutliche Ambitionssteigerung im Vergleich zum
vorhergehenden NDC von 2015, der ein gemeinschaftliches Emissionsminderungsziel von 40% bis 2030 vorsah.

In den folgenden Abschnitten wird eine detailgenaue Bewertung der klimapolitischen Maßnahmen bereitgestellt,
die Frankreich, Deutschland und Spanien als Beitrag zur Erreichung des NDC der EU entwickelt haben. Der
Schwerpunkt liegt dabei weitgehend auf den NECPs und den LTSs, das heißt den Klimaschutzmaßnahmen,
die die Mitgliedstaaten als Beitrag zu den EU-weiten Klimazielen ausarbeiten und umsetzen. Diese werden im
Weiteren ausführlich beschrieben.

4   UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
DARSTELLUNG DER ERNÄHRUNGSSYSTEME DER EUROPÄISCHEN UNION

NDC-GESTALTUNGSPROZESS

WICHTIGSTE ERGEBNISSE
Die Europäische Kommission übernahm die Koordinierung des NDC-Gestaltungsprozesses der
Union, obwohl dies nicht im NDC der EU vorgesehen war. Die Generaldirektion Klimapolitik (GD CLIMA)
der Europäischen Kommission ist zuständig für die EU-Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und
somit für die Formulierung und Umsetzung der EU-Klimaschutzmaßnahmen, einschließlich der Bemühungen
zur Erreichung der Ziele des Übereinkommens von Paris.27,28 Im Hinblick auf den NDC der EU scheint die
Europäische Kommission — und insbesondere die GD CLIMA — bei der Festlegung von umsetzbaren
Emissionsreduktionszielen für alle Wirtschaftsbereiche federführend gewesen zu sein.29

Das aktualisierte NDC-Ziel der EU basiert auf einer umfangreichen Folgenabschätzung.30 Im Dezember
2019, nach Vorlage des ersten NDC der EU, bekräftigte der Europäische Rat das Ziel der Klimaneutralität bis
2050. Da das im ursprünglichen NDC festgelegte Emissionsreduktionsziel von 40% bis 2030 keine schrittweise
Umstellung auf Kohlenstoffneutralität bis 2050 vorsah, wären ehrgeizigere Anstrengungen erforderlich gewesen,
um die Emissionen in den zwanzig Jahren nach 2030 zu senken. Um diese Inkongruenz anzugehen, wurden im
Rahmen einer umfangreichen Folgenabschätzung politische Optionen untersucht, um der EU eine Stärkung
ihres Klimaengagements im Zeitraum zwischen 2020 und 2030 zu ermöglichen. Aus der Bewertung ergab
sich ein Emissionsreduktionsziel von 55% bis 2030, das nach Konsultation in den aktualisierten NDC der EU
aufgenommen wurde.

Eingereichte NECPs und LTSs werden von der Europäischen Kommission mit Unterstützung des
Ausschusses für Klimaänderung überprüft und zentral koordiniert, um Politikkohärenz zwischen
den Klimaschutzplänen der Mitgliedstaaten sicherzustellen. Die Kommission überprüft die von den
Mitgliedstaaten gestalteten und vorgelegten NECPs und LTSs, um zu gewährleisten, dass die Ziele und Beiträge
der Mitgliedstaaten für die gemeinsame Erreichung der Klimaschutzziele der EU ausreichend sind, und erteilt
bei Bedarf länderspezifische Empfehlungen im Hinblick auf eine Verbesserung der NECPs und LTSs. Der
Ausschuss für Klimaänderung, der sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt,
unterstützt die Europäische Kommission im Einreichungs- und Bewertungsverfahren.

 Die Gestaltung des NDC der EU sowie der NECPs und LTSs wird durch die weitreichende Beteiligung
 und Anhörung der Öffentlichkeit untermauert. Gemäß den EU-Gesetzgebungsverfahren müssen
 sämtliche Rechtsvorschriften vor ihrer Annahme einer öffentlichen Konsultation unterzogen werden. Die
 Höhe des Emissionsreduktionsziels, die letztlich in den NDC aufgenommen wurde, war daher zwischen März
 und Juni 2020 Gegenstand einer Konsultation, zu der 4.032 Antworten vorwiegend von EU-Bürgerinnen und
-Bürgern eingingen.31 Die NECPs und LTSs durchlaufen vor ihrer Annahme ebenfalls öffentliche Beteiligungs- und
 Konsultationsverfahren auf mehreren Ebenen. Der Öffentlichkeit muss beispielsweise frühzeitig und effektiv
 die Möglichkeit gegeben werden, sich am politischen Zyklus der NECPs und LTSs zu beteiligen, sie muss zu den
 Entwürfen angehört werden, bei Vorlage dieser Dokumente muss eine Zusammenfassung der Stellungsnahmen
 der Öffentlichkeit als Anlage beigefügt werden und es besteht eine allgemeine Unterrichtungspflicht, wobei
 angemessene Zeitfenster für die öffentliche Beteiligung einzuplanen sind.

5   UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
Im NDC der EU heißt es, dass dieser im Einklang mit der Verpflichtung der EU zur Gleichstellung
der Geschlechter und anderen bereichsübergreifenden Prioritäten gestaltet wurde. Dazu gehören
die Verpflichtungen, die im Rahmen des Europäischen Pakts für die Gleichstellung der Geschlechter32 und der
Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker eingegangen wurden.33 Im NDC wird
ebenfalls hervorgehoben, dass die EU in diesem Rahmen zur Maximierung der Synergien zwischen sozialen,
ökologischen und wirtschaftlichen Zusatznutzen verpflichtet ist. Zudem sind die Dimensionen Menschenrechte
und Geschlechtergleichstellung in den einzelstaatlichen Plänen der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Aus den
NECPs muss letztlich eindeutig hervorgehen, wie ihre Umsetzung zur Förderung von Menschenrechten und
Geschlechtergleichstellung beiträgt.

6   UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
DARSTELLUNG DER ERNÄHRUNGSSYSTEME DER EUROPÄISCHEN UNION

    INHALTE DES NDC

WICHTIGSTE ERGEBNISSE
Die EU hat drei wesentliche verbindliche Rechtsvorschriften erlassen, um das ursprüngliche
Emissionsreduktionsziel des NDC der EU von 40% zu erreichen. Im NDC wird darauf verwiesen, dass
weitere Rechtsvorschriften zur Umsetzung des aktualisierten Ziels von 55% erforderlich sind. Für die
Erreichung des ursprünglichen Emissionsminderungsziels von 40% wurden insbesondere die folgenden drei
Rechtsvorschriften angenommen:
     • Die EU- Emissionshandelsrichtlinie (ETS) bzw. die Richtlinie (EU) 2018/410,34 die ein
        Emissionsreduktionsziel von 43% für die Sektoren anstrebt, die nicht vom EU-ETS erfasst sind. Zu diesen
       Sektoren gehören energieintensive Branchen und die kommerzielle Luftfahrt innerhalb des Europäischen
       Wirtschaftsraums;
     •D ie Verordnung über Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF)
        bzw. die Verordnung (EU) 2018/841,35 die die Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels und
        die Anrechnungsmethode festlegt, die Mitgliedstaaten für den LULUCF-Sektor anwenden müssen
      – einschließlich der Vorgabe, dass die LULUCF-Emissionen den Abbau von Emissionen in keinem
        Mitgliedstaat übersteigen dürfen; und
     • Die Lastenteilungsverordnung bzw. die Verordnung (EU) 2018/842,36 die nationale
        Emissionsreduktionsziele für Sektoren wie Gebäude, Landwirtschaft, Abfall und Verkehr (mit Ausnahme
        des Luft- und des internationalen Seeverkehrs) festlegt, die nicht vom EU-ETS erfasst sind. Zur Erreichung
        des ursprünglichen EU-Ziels einer Emissionsminderung von 40%, wurde jedem Mitgliedstaat ein
        Emissionsreduktionsziel zugewiesen, das entsprechend der Lastenteilung von 0% für Bulgarien und 2% für
        Rumänien bis zu 40% für Luxemburg und Schweden reicht. Für die in dieser Bewertung berücksichtigten
        Mitgliedstaaten gelten folgende Emissionsreduktionsziele: 37% für Frankreich, 38% für Deutschland und
       26% für Spanien.

Zusätzlich zu den vorstehenden Rechtsvorschriften hat die EU bestehende Regelungen überarbeitet
und verstärkt, um das ursprüngliche NDC-Ziel zu erreichen. Die folgende Rechtsvorschriften sind für
Ernährungssysteme besonders relevant, da sie Verschwendung, Lagerung und Transport von Lebensmitteln
verändern können:
    • R
       ichtlinie (EU) 2018/851 regelt die Abfallwirtschaft, einschließlich Lebensmittel- und Verpackungsabfälle
      aus Haushalten, Büros, Gaststätten, Großhandel, Kantinen, Cateringgewerbe und aus dem
       Einzelhandel. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Bioabfälle
       (einschließlich Lebensmittelabfälle aus Haushalten) hinsichtlich ihrer biologischen Abbaubarkeit und
       Kompostierbarkeit getrennt entsorgt und gesammelt werden.37
    • Richtlinie (EU) 2018/852 regelt Verpackung und Verpackungsabfälle, einschließlich Verpackung für
       Lebensmittel. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu treffen, um den Anteil an
       wiederverwendbaren Verpackungen zu steigern, und Mindestzielvorgaben für die stoffliche Verwertung
       der in Verpackungen enthaltenen Materialien (darunter Kunststoffe, Aluminium, Papier) festzulegen.38
    • Die Verordnung (EU) 2019/631 legt die Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und
       für neue leichte Nutzfahrzeuge fest, jedoch ohne spezifische Bezugnahme auf Elemente der
       Ernährungssysteme.39
    • Die Verordnung (EU) 2019/1242 legt die CO2-Emissionsnormen für neue schwere Nutzfahrzeuge,
       einschließlich Sattelzugmaschinen, fest.40

7   UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
DARSTELLUNG DER ERNÄHRUNGSSYSTEME DER EUROPÄISCHEN UNION

      • D
         ie Verordnung (EU) 517/ 2014 regelt fluorierte Treibhausgase, einschließlich teilfluorierter
        Kohlenwasserstoffe (HFKW), die in Kühlanlagen und für die kühle Lagerung von Lebensmitteln
        eingesetzt werden können.41

 Der NDC der EU verweist ausdrücklich auf die Agrarwirtschaft und den LULUCF-Sektor, während Lebensmittel,
 Ernährung bzw. Nahrungsmittelverluste und Lebensmittelverschwendung nicht explizit erwähnt werden.
 Der NDC nimmt insbesondere Bezug auf die vorstehende Bioabfallgesetzgebung, die Lebensmittelabfälle,
-transport und -kühlung abdeckt. Ein ausdrücklicher Zusammenhang zwischen den Rechtsvorschriften und den
 Ernährungssystemen wird im NDC der EU nicht hergestellt. Grund dafür könnte sein, dass die EU-Gesetzgebung
 keine Aktionen und Maßnahmen vorgibt, sondern den Mitgliedstaaten Raum für die Entwicklung von Strategien
 zur Umsetzung der Ziele auf EU-Ebene einräumen will, die auf ihre einzelstaatliche Situation zugeschnitten sind.

Im NDC der EU wird die Methode dargelegt, die zur Anrechnung von Emissionsreduktion und -abbau
im LULUCF-Sektor – der die landwirtschaftliche Produktion miteinschließt – angewandt werden soll.
Ernährungssysteme werden im NDC der EU jedoch nicht ganzheitlich berücksichtigt. Im NDS wird insbesondere
auf die für den LULUCF-Sektor geltende Anrechnungsmethode eingegangen. Es fehlen jedoch Angaben zur
Anrechnung anderer Emissionen aus Ernährungssystemen, die beispielsweise durch Transport, Verarbeitung,
Verzehr und Entsorgung von Lebensmitteln verursacht werden.

    UMSETZUNG DES NDC

WICHTIGSTE ERGEBNISSE
Die Mitgliedstaaten, die eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung des NDC der EU übernehmen, müssen der
Europäischen Kommission, die ihre Fortschritte überwacht, regelmäßig Bericht erstatten. Während verbindliche
EU-Rechtsvorschriften das Ambitionsniveau für die Klimapolitik vorgeben, sind die Mitgliedstaaten dafür
verantwortlich, diese Ziele im Rahmen ihrer eigene Klimapolitik, insbesondere durch ihre NECPs, umzusetzen.
Wie zuvor erwähnt, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Europäischen Kommission alle zwei Jahre
diesbezügliche Fortschrittsberichte vorzulegen. Die hinsichtlich dem NDC der EU erzielten Fortschritte werden
von der Europäischen Kommission – mit Unterstützung des Ausschusses für die Energieunion – überwacht,
und die Kommission setzt ihrerseits den Europäischen Rat und das Europäische Parlament über den jeweiligen
Umsetzungsstand in Kenntnis. Das Europäische Parlament und der Rat behalten folglich die Kontrolle
über den Gesamtfortschritt bei der Erreichung der gemeinschaftlichen EU-Ziele. Wie auch der Ausschuss
für Klimaänderung setzt sich der Ausschuss für die Energieunion aus Vertreterinnen und Vertretern der
Mitgliedstaaten zusammen.

Gemäß dem NDC der EU müssen Klimaschutzmaßnahmen und -programme im Rahmen des Mehrjährigen
Finanzrahmens (MFR) finanziert werden. Für die MFR-Gesamtmittel im Zeitraum 2021-2027 wurde ein Klimaziel
festgelegt, dem gemäß 30 % der Ausgaben für Klimaschutzmaßnahmen einzusetzen sind. Im NDC der EU
wird ferner betont, dass sämtliche EU-Ausgaben mit den Zielen des Übereinkommens von Paris und dem
im Europäischen Grünen Deal formulierten Grundsatz der Schadensvermeidung („do-no-harm-Prinzip“) in
Einklang zu bringen sind. Zudem wird auf die Verpflichtung zur Einrichtung eines Fonds für einen gerechten
Wandel als Teil der Maßnahmen für die Klimaneutralität bis 2050 und auf die beabsichtigte Anwendung einer
effektiven Finanzüberwachungsmethode hingewiesen, in deren Rahmen die Europäische Kommission jährliche
Ausgabenberichte zur Finanzierung des Klimaschutzes vorlegen muss.
8    UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
FRANKREICHS ERNÄHRUNGSSYSTEME IM ÜBERBLICK
Der Ernährungssektor ist eine wichtige Komponente der französischen Wirtschaft. Im Jahr 2018 wurde mehr
als 50% der französischen Landflächen für die Agrarproduktion genutzt.42 Auf die Landwirtschaft entfielen im
selben Jahr 1,7% des BIP43 und 2,5% der Beschäftigung.44 Die französische Agrar- und Ernährungsindustrie, das
Handwerk und der Lebensmittelgroßhandel erwirtschafteten ihrerseits 2,2% des französischen BIP und hatten
einen Anteil von 2,8% an der Gesamtbeschäftigung.45

Frankreich deckt einen Teil seines Lebensmittelbedarfs durch Importe ab, ist ansonsten aber ein Nettoexporteur
von Lebensmitteln. Der größte Teil der Lebensmittelimporte stammt aus Spanien, gefolgt von Marokko, Belgien
und den Niederlanden. In großen Mengen importiert werden insbesondere Obst und Gemüse mit über 40%
der Tomaten, Gurken, Pfirsiche und Weintrauben. Obstsorten wie Zitrusfrüchte und Bananen werden in vollem
Umfang eingeführt. Frankreich importiert zudem große Mengen an Fisch, Fleisch und Tierfutter. Als bedeutender
Exporteur von Lebensmitteln führt Frankreich wiederum 50% des im Inland produzierten Getreides und 33%
der im Inland produzierten Milchprodukte an andere Länder aus. Als Nettoexporteur von Lebensmitteln hat
Frankreich eine positive THG-Emissionsbilanz im Lebensmittelhandel* von 9,3 MtCO2e.46

Trotz großer Bemühungen um Nachhaltigkeit hat das französische Ernährungssystem weiterhin beträchtliche
Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Gemäß dem nationalen Gesundheitsprofil
Frankreichs 2019 sind 15% der Erwachsenen und 14% der Kinder übergewichtig,47 was im Wesentlichen auf
eine ungesunde Ernährungsweise zurückzuführen ist: 40% der Erwachsenen essen nicht täglich Obst und
30% verzehren den eigenen Angaben nach an manchen Tagen kein Gemüse.48 Bis zu 13% der Todesfälle in
Frankreich könnten daher ernährungsbedingt sein, verursacht durch den hohen Verzehr von Lebensmitteln mit
gesättigten Fettsäuren und hohem Salzgehalt gegenüber einer geringen Aufnahme von Obst und Gemüse.49

Der Fleischverzehr geht geringfügig zurück, während der Verzehr von spezifischen Fleischsorten zunimmt.
Der Verzehr von rotem Fleisch geht im Wesentlichen zurück, während Nachfrage und Verzehr von Geflügel
und verarbeitetem Fleisch zunimmt, was das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich erhöht. Die
französischen Verbrauchsmuster sind aber nicht nur auf die heimische Produktion zurückzuführen, sondern
auch auf Frankreichs Fleischimporte.50

Die Landnutzung erhöht deutlich die französische CO2-Bilanz. Im Jahr 2016 erzeugte der französische
Agrarsektor Emissionen in Höhe von 75 MtCO2e, was einem Anteil von 17% an den Gesamtemissionen
Frankreichs entsprach.51 Lebensmittelverarbeitung und -transport steuerten einen Beitrag von jeweils
weiteren 9 MtCO2 und 22 MtCO2 bei.52 Der Verzehr von Fleisch und Milchprodukten ist ein wichtiger Treiber
dieser Emissionen. Während tierische Produkte nur ein Drittel der in Frankreich konsumierten Lebensmittel
ausmachen, beansprucht ihre Erzeugung mehr als 80% der landwirtschaftlichen Nutzfläche und ist für 85% der
landwirtschaftlichen TGH-Emissionen Frankreichs verantwortlich.53 Auf die Landwirtschaft entfallen zudem 48%
des französischen Wasserverbrauchs.54

*
     ie THG-Emissionsbilanz eines Landes im Lebensmittelhandel wird berechnet, indem der Kohlenstoffgehalt der
    D
    importierten Lebensmittel vom Kohlenstoffgehalt der exportierten Lebensmittel abgezogen wird. Eine positive
    THG-Emissionsbilanz im Lebensmittelhandel bedeutet folglich, dass die THG-Auswirkungen von exportierten
    Lebensmitteln größer sind als die von importierten Lebensmitteln. Die hier angegebene Metrik berücksichtigt
    keine Emissionen aus Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft.

9     UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
DARSTELLUNG DER ERNÄHRUNGSSYSTEME DER EUROPÄISCHEN UNION

In den kommenden Jahrzehnten muss sich das französische Ernährungssystem verschiedenen
Herausforderungen stellen. Die französische Regierung identifiziert in ihrer Langfriststrategie für eine
kohlenstoffarme Entwicklung wichtige Problematiken für den Landwirtschaftssektor, darunter Sicherstellung
einer ausreichenden einheimischen Produktion, Gewährleistung von nachhaltiger Flächennutzung und Erhalt
der biologischen Vielfalt, Deckung der wirtschaftlichen Nachfrage und Umgang mit dem wachsenden Druck
auf Nutzflächen.55 Darüber hinaus muss sich das Ernährungssystem Frankreichs seinen klimabedingten
Schwachstellen stellen, wie unter anderem die Zunahme extremer Wetterereignisse – Hitzewellen und Dürren –
sowie der gesunkene Wasserhaushalt im Sommer und die höheren Niederschlagsmengen im Winter.56

10   UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
FRANKREICHS BEITRAG ZUM NDC DER EU
Der Beitrag Frankreichs zum globalen Klimaschutz wird im NDC der EU erfasst. Frankreich hat im Rahmen
seiner Verpflichtungen gemäß dem NDC der EU einen integrierten nationalen Energie- und Klimaplan (NECP)
sowie eine Langfriststrategie (LTS) ausgearbeitet, die jeweils im März 2020 der Europäischen Kommission
vorgelegt wurden. Darüber hinaus hat Frankreich einen Nachtrag zum NDC der EU erstellt,57 in dem die
Emissionsreduktionsziele für mehrere seiner überseeischen Länder und Gebiete (ÜLG), die nicht unter den NDC
der EU fallen, festgelegt sind. Die folgende Bewertung stützt sich weitgehend auf den NECP Frankreichs, mit
ergänzenden Informationen aus der LTS, sowie auf den Nachtrag für die französischen ÜLG und auf Interviews
mit wichtigen Interessenträgern.

Die folgende zwischen Juni und November 2021 durchgeführte Bewertung basiert vorwiegend auf
dem französischen NECP, einschließlich des mehrjährigen Energieplans (MEP) und der Stratégie
National Bas-Carbonne (SNBC), der LTS und Interviews mit vier wichtigen Interessenträgern.

11   UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE AUS FRANKREICH

 NECP-GESTALTUNGSPROZESS

TABELLE 1: GESTALTUNG DES FRANZÖSISCHEN NECP: DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE IM ÜBERBLICK

Wichtigste Ergebnisse                                                  Bereiche mit Verbesserungspotenzialyt
• D
   er nationale Energie- und Klimaplan (NECP)                        • K
                                                                         larstellung, wie Frankreichs NECP und der Nachtrag
  Frankreichs umfasst die nationale Strategie                           gestaltet wurden, um Transparenz und Zugang zu
  zur Verbesserung der CO2-Bilanz (Statégie                             Informationen für Dritte zu verbessern.
  Nationale Bas-Carbone, SNBC) und den                                • F örderung eines integrativeren und
  mehrjährigen Energieplan (MEP).                                        partizipatorischen Gestaltungsprozesses durch
• D
   er Gestaltungsprozess des NECP stand unter                          Stärkung der ressortübergreifenden
  der Leitung des französischen Ministeriums                            Zusammenarbeit und verbesserten Zugang zu
  für den ökologischen Wandel.                                           Fachdiskussionen für Laien.
• A
   n der Gestaltung des NECP waren diverse                           • S
                                                                         tärkung des Einflusses von Bürgervereinigungen auf
  Interessenträger der Regierung und der                                die Politikgestaltung und Begrenzung der
  Öffentlichkeit beteiligt, die verschiedene                            Einflussnahme von Lobbygruppen in der
  Sektoren und Teile der Gesellschaft vertraten.                        Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie.
• D
   as Konsultationsverfahren wurde über eine                         • D
                                                                         urchführung einer ganzheitlichen Bewertung des
  Vielzahl von öffentlichen Beteiligungsplattformen                     nationalen Ernährungssystems – unter
  in Form unter anderem von sektorbezogenen                             Berücksichtigung positiver und negativer externer
  Arbeitsgruppen, Workshops, öffentlichen                               Effekte – als Wissengrundlage für die nächste
  Debatten und Online-Fragebögen durchgeführt.                          Ausgabe des NECP.
• Der NECP enthält eine Folgenabschätzung, die
   mehrere Elemente des Ernährungssystems abdeckt.
• Frankreich hat einen Nachtrag für seine
   überseeischen Länder und Gebiete erstellt, die nicht
   unter den NDC der Europäischen Union fallen.

WICHTIGSTE ERGEBNISSE
Der französische NECP umfasst die nationale Strategie zur Verbesserung der CO2-Bilanz (Statégie
Nationale Bas-Carbone, SNBC) und den mehrjährigen Energieplan (MEP). Als Frankreichs Roadmap zur
Eindämmung des Klimawandels enthält die SNBC Leitlinien für einen kurz- und mittelfristigen Übergang zu einer
kohlenstoffarmen Wirtschaft, um somit die Erreichung der Kohlenstoffneutralität bis 2050 zu vereinfachen. Der
MEP legt für den Zeitraum von 2019 bis 2028 seinerseits die Prioritäten Frankreichs im Energiebereich fest. Den
Interviews zufolge wurden die Ziele des NDC der EU bei der Gestaltung des NECP nicht eingehend berücksichtigt,
da der NDC ehrgeizigere Ziele und Maßnahmen anstrebe als im NECP gefordert.58 Im Folgenden wird die SNBC als
wichtigste Strategie in Bezug auf Ernährungssysteme eingehend untersucht.

12   UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
DARSTELLUNG DER ERNÄHRUNGSSYSTEME DER EUROPÄISCHEN UNION

Bezüglich des NECP werden keine genauen Angaben über das Gestaltungsverfahren bereitgestellt.
Aus den Interviews geht jedoch hervor, dass der Prozess unter der Leitung des französischen
Ministeriums für den ökologischen und inklusiven Übergang stand.59 Laut NECP ist die französische
Generaldirektion Energie und Klima (DGEC), die dem Ministerium für den ökologischen und inklusiven Übergang
untersteht, für die Ausarbeitung und Umsetzung der Energie- und Klimapolitik zuständig. Anstatt eine detaillierte
Darstellung der Gestaltungsprozesse bereitzustellen, beschreibt der NECP die Aktualisierung der SNBC und
des MEP. Die Zuständigkeit für die SNBC-Aktualisierung lag bei dem französischen Lenkungsausschuss, der
sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaften sowie aus
Parlamentsabgeordneten zusammensetzt. Aus dem NECP, der SNBC und den Interviews geht jedoch hervor,
dass zwar die bei der Gestaltung der SNBC und dem NECP gemachten Fortschritte zum Teil extern kommuniziert
wurden,60 dass aber andere Ministerien nicht formell in den Gestaltungsprozess einbezogen waren.

An der Gestaltung des NECP waren diverse Interessenträger der Regierung und der Öffentlichkeit
beteiligt, die verschiedene Sektoren und Teile der Gesellschaft vertraten. Sachverständigen aus der
Land- und Forstwirtschaft, Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft und der Öffentlichkeit wurde
die Möglichkeit geboten, an der Überarbeitung der SNBC im Rahmen des Gestaltungsprozesses des NECP
mitzuwirken. Um in der EU weitgehende Politikkohärenz sicherzustellen, wurden die Mitgliedstaaten 2019
konsultiert, um über die Strategieentwicklung zu informieren und einen Gedankenaustausch anzustoßen.
Der NECP-Entwurf wurde zudem verschiedenen staatlichen Stellen zur Überprüfung vorlegt, darunter der
französischen Umweltbehörde und dem Nationalen Rat für den ökologischen Wandel. Forschende, auch aus dem
Bereich Ernährungssysteme, waren am Entstehungsprozess des NECP und insbesondere an der Entwicklung
der Ausgangsszenarien beteiligt, die für die Politikgestaltung richtungsweisend waren.61 Es lässt sich jedoch nicht
eindeutig feststellen, ob auch Gesundheitsfachleute angehört wurden.62 Aus den Interviews geht zudem hervor,
dass die nachgelagerten Lebensmittelbranchen wie Lebensmittelverarbeitung und Einzelhandel nicht angemessen
im Konsultationsverfahren vertreten waren.63

Das Konsultationsverfahren wurde über eine Vielzahl von öffentlichen Beteiligungsplattformen in
Form unter anderem von sektorbezogenen Arbeitsgruppen, Workshops, öffentlichen Debatten und
Online-Fragebögen durchgeführt. Der NECP wurde im Rahmen mehrerer Workshops für Interessenträger
nach Sektoren entwickelt, denen die Lenkungsausschüsse jeweils des MEP und der SNBC beiwohnten. Nach
Abschluss der Workshops fanden gesonderte Konsultationen für den MEP und die SNBC statt. Da sich
verschiedene Gruppen von Interessenträgern über ihre Vorstellungen und Meinungen zu der Gestaltung
des NECP und den verbundenen Maßnahmen austauschen konnten, ist davon auszugehen, dass lokale
Kenntnisse berücksichtigt und in das Verfahren einbezogen wurden. Den Interviews zufolge stand das NECP-
Konsultationsverfahren externen Interessenträgern offen bzw. war ihnen zugänglich, während sich das
französische Umweltministerium dialogbereit zeigte.64 Die Interviewpartner wiesen jedoch darauf hin, dass sich
einige Interessenträger, darunter NGOs, nicht aktiv am Konsultationsverfahren beteiligen konnten, da es ihnen an
Ressourcen für die Teilnahme fehlte und sie zum Teil nicht in der Lage waren, den recht technischen Sitzungen zu
folgen. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Zugänglichkeit nicht allgemein gegeben war.65 Die Interviewpartner
erklärten jedoch, dass das französische Umweltministerium echtes Interesse an den Beiträgen von teilnehmenden
Interessenträgern zeigte und dass die Interessenträger das Gefühl hatten, dass ihre Beiträge im Schlussdokument
berücksichtigt wurden.66

13   UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
DARSTELLUNG DER ERNÄHRUNGSSYSTEME DER EUROPÄISCHEN UNION

Der NECP enthält eine Folgenabschätzung, die mehrere Elemente des Ernährungssystems
berücksichtigte. Die Folgenabschätzung umfasste die Modellierung von Prognosen unter Einbeziehung
der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen der geplanten Politiken und Maßnahmen.
Bei der Folgenabschätzung wurden zunächst die geplante Reduktion und der Abbau von Emissionen durch
die Maßnahmen im Rahmen der SNBC und des MEP abgeschätzt und einem Szenario mit unveränderten
Rahmenbedingungen gegenübergestellt. Die Schätzungen wurden nach Sektor berechnet. In den
Prognosen für den Agrarsektor wurden die Auswirkungen von optimierten Produktionspraktiken, der
Förderung von alternativen Produktionsmethoden, der Ernährungsumstellung und der Förderung von
Bioenergie berücksichtigt. In den Prognosen für die Forstwirtschaft wurden der Rolle von Wäldern als
Kohlenstoffsenken, der Ersetzung von emissionsintensiven Materialien durch biobasierte Materialien aus
Wäldern und der Nutzung von Biomasse für Holzenergie Rechnung getragen. Im Rahmen einer strategischen
Umweltbewertung wurde außerdem aufgezeigt, dass die Maßnahmen der SNBC folgende Umweltvorteile
bieten dürften: gesenkte TGH-Emissionen, größere Klimaresilienz, geringere Ressourcenverknappung,
Entwicklung der Kreislaufwirtschaft und Schutz der Boden- und Wasserqualität. Der letztere Nutzen ist
insbesondere auf Maßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft zurückzuführen. Die Umweltbewertung
zeigte jedoch auch, dass dem Erhalt der Biodiversität ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden muss,
da die land- und forstwirtschaftlichen Produktionssysteme erweitert und intensiviert werden, was mit dem
nachstehenden Biodiversitätsplan angegangen werden soll.

Frankreich hat einen Nachtrag für seine überseeischen Länder und Gebiete erstellt, die nicht
unter den NDC der Europäischen Union fallen. Der Nachtrag gilt für Neukaledonien, Französisch-
Polynesien, Saint-Barthélemy, Saint-Pierre und Miquelon sowie Wallis und Futuna*, die zusammen 1,55%
der französischen TGH-Gesamtemissionen ausmachen. In den Nachtrag flossen die Einzelbeiträge der
jeweiligen überseeischen Länder und Gebiete aggregiert ein. Zwar werden keine Angaben über das genaue
Entwicklungsverfahren gemacht, das Vorliegen des Nachtrags zeigt jedoch, dass sich Frankreich bei der
Festlegung seines nationalen Klimabeitrags für einen inklusiven Ansatz entschieden hat. Andere europäische
Mitgliedstaaten mit überseeischen Ländern und Gebieten – darunter die Niederlande und ehemals das
Vereinigte Königreich – legten solche Beiträge nicht vor.67

*
      er NDC der EU erfasst die Emissionen der EU-Regionen in äußerer Randlage, die Frankreich angehören: Guadeloupe,
     D
     Französisch-Guayana, Martinique, Mayotte, Réunion und Saint-Martin.

14     UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
DARSTELLUNG DER ERNÄHRUNGSSYSTEME DER EUROPÄISCHEN UNION

BEREICHE MIT VERBESSERUNGSPOTENZIAL
Klarstellung, wie Frankreichs NECP gestaltet wurde, um Transparenz und Zugang zu Informationen für Dritte
zu verbessern. Der NECP enthält wenig Angaben über seine Gestaltungs- und Konsultationsverfahren,
beschreibt jedoch die Prozesse, in deren Rahmen die ihm zugrunde liegenden Politiken entwickelt wurden.
Während die Interessenträger in den Interviews erklären, dass der Prozess weitgehend auf Beteiligung
und Inklusivität ausgelegt war, lässt sich nur schwer bemessen, inwieweit die Anforderungen der
EU-Gesetzgebung zum Gestaltungsprozess erfüllt waren. Bei künftigen Überarbeitungen des NECP wäre
es daher wichtig anzugeben, ob es einen Koordinierungsmechanismus gab, welche Akteure letztlich für die
NECP-Inhalte verantwortlich zeichneten und wie die NDC-Ziele und -Maßnahmen bei der Gestaltung des
NECP berücksichtigt wurden.

Klarstellung, wie der Nachtrag gestaltet wurde. Wie der NECP enthält auch der französische Nachtrag keine
Informationen über seinen Entstehungsprozess und ob dieser partizipativ und inklusiv angelegt war. Das
Vorhandensein des Nachtrags lässt zwar auf ein gewisses Maß an Inklusivität schließen, dieses könnte jedoch
verstärkt werden, wenn den lokalen Gemeinschaften in den französischen ÜLG eine aktive Rolle bei der
Entwicklung des Nachtrags eingeräumt würde.

Förderung eines integrativeren und partizipatorischen Gestaltungsprozesses durch Stärkung der
ressortübergreifenden Zusammenarbeit und verbesserten Zugang zu Fachdiskussionen für Laien. Wie bereits
erwähnt, wurde die Entwicklung der SNBC nicht umfassend von den beteiligten Ministerien unterstützt. In
einigen Interviews wird darauf hingewiesen, dass mehr Kommunikation und eine engere Zusammenarbeit
zwischen den Ministerien im Entwicklungsprozess von Vorteil gewesen wären.68 Dies sollte bei künftigen
Ausgaben der SNBC durch Bemühungen für Konsensbildung und eine breite sektorbezogene Unterstützung
berücksichtigt werden. Dazu könnte eine Arbeitsgruppe Klima und Ernährung beitragen, der zumindest
Mitglieder des Ministeriums für Landwirtschaft und Ernährung, des Gesundheitsministeriums und des
Ministeriums für den ökologischen Wandel in Frankreich angehören sollten. Außerdem sollten technische
Konsultationen so organisiert werden, dass eine sinnvolle Beteiligung aller relevanten Interessenträger und
insbesondere derjenigen gewährleistet ist, denen die Umsetzung der Politik obliegt, wie den französischen
Ministerien und Landwirtschaftsbetrieben. Die Erstellung und Verbreitung von Informationsblättern oder
anderem Medienmaterial kann sich dabei als nützlich erweisen, um ein weniger fachkundiges Publikum über
die besprochenen Themen zu informieren.

Stärkung des Einflusses von Bürgervereinigungen auf die Politikgestaltung und Begrenzung der
Einflussnahme von Lobbygruppen in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie. Die Empfehlungen,
die von der Bürgerversammlung* in den Jahren 2019 und 2020 in Frankreich erarbeitet wurden, enthalten
ehrgeizige Ziele und Maßnahmen für die Umstellung auf eine nachhaltigere Ernährung und sind ein Zeichen
für das wachsende Interesse der breiten Öffentlichkeit an einer klimafreundlicheren und gesünderen
Ernährung. Die von den Bürgerinnen und Bürgern entwickelten Empfehlungen wurden im Parlament jedoch

*
      ie französische Bürgerversammlung zum Klimaschutz wurde als Reaktion auf die Gelbwestenproteste gegründet. Die
     D
     Versammlung setzte sich aus 150 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern aus verschiedenen
     Bereichen zusammen, die mit der Festlegung der Klimaagenda Frankreichs betraut wurden. Vgl. z. B. https://www.dw.com/en/
     frances-citizen-climate-assembly-a-failed-experiment/a-56528234.

15     UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
DARSTELLUNG DER ERNÄHRUNGSSYSTEME DER EUROPÄISCHEN UNION

weitgehend entkräftet und fanden im französischen Klimaschutzgesetz (2021) kaum Berücksichtigung.69
Die weitreichende Lobbyarbeit der Agrar- und Lebensmittelkonzerne sollte zudem eingeschränkt werden,
indem ihr Einfluss auf die Politikgestaltung begrenzt wird (oder zumindest ein Ausgleich für andere, weniger
einflussreiche Interessenträger geschaffen wird).

Durchführung einer ganzheitlichen Bewertung des nationalen Ernährungssystems – unter Berücksichtigung
positiver und negativer externer Effekte – als Wissengrundlage für die nächste Ausgabe des NECP. Grundlage
des NECP ist zwar eine fundierte Folgenabschätzung, diese umfasst jedoch keine ganzheitliche und
systematische Bewertung des französischen Ernährungssystems. Dabei setzten sich Ernährungssysteme aus
vielen miteinander verknüpften Elementen zusammen. Wird an einer Stelle des Systems auf eine Senkung der
Emissionen hingewirkt, so dürfte dies zu Spillover-Effekten an anderen Stellen des Ernährungssystems führen.
Die erwarteten Auswirkungen der Maßnahmen sollten daher aus dem Blickwinkel der Ernährungssysteme
bewertet werden, um Zielkonflikte auf ein Mindestmaß zu begrenzen und Synergien zu maximieren. Die
Bewertung der Ernährungssysteme könnte die aktuellen Modellierungs- und Szenarioanalysen ergänzen, die
für den NECP verwendet wurden. Wichtig ist, dass externe Interessenträger an den verschiedenen Szenarien
beteiligt sind oder darin einbezogen werden, unter anderem auch, um die öffentliche Unterstützung von
Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und insbesondere für Ernährungssysteme zu erhöhen. Eine
solche Bewertung würde sich gut mit der im NDC der EU eingegangenen Verpflichtung zur Maximierung
des sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Zusatznutzens decken und wäre eine
willkommene Ergänzung der Folgenabschätzung für die nächste Ausgabe des NECP.

16   UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
INHALTE DES NECP

TABELLE 2: INHALTE DES FRANZÖSISCHEN NECP: DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE IM ÜBERBLICK

Wichtigste Ergebnisse                                                Bereiche mit Verbesserungspotenzial
• I m NECP wird direkt auf Maßnahmen zur Unterstützung              • F estlegung ehrgeizigerer Maßnahmen für das
   eines gesunden, nachhaltigen und zugänglichen                        Ernährungssystem in künftigen Fassungen des NECP,
   Ernährungssystems Bezug genommen.                                    um eine stärkere Angleichung an das höhere
•D
  er NECP fördert den Übergang zu einer nachhaltigen                  Ambitionsniveau der aktuellen Ziele der Europäischen
 Lebensmittelherstellung, in erster Linie durch den Agrar-              Union (EU) zu erreichen.
 Umweltplan.                                                         •A
                                                                       usweitung der Maßnahmen zur Beeinflussung der
•D
  er NECP enthält Maßnahmen, die auf eine Reduzierung                Ernährungsgewohnheiten, um auch das Bewusstsein
 der Nahrungsmittelverluste und                                       dafür zu schärfen, dass übermäßiger Fleischverzehr mit
 Lebensmittelverschwendung sowie auf die Herstellung                  Umwelt- und Gesundheitsrisiken einhergeht.
 von Biokraftstoff durch Lebensmittelabfälle abzielen.               •G
                                                                       estaltung umfassender Maßnahmen und Ziele, um
• D
   er NECP enthält Maßnahmen zur Besteuerung von HFKW                das Wachstum bei Tierhaltung und Landwirtschaft
  als Kältemittel.                                                    zurückzunehmen, entsprechend der im Rahmen des
                                                                      Paktes zur Senkung der weltweiten Methanemissionen
• D
   er NECP nimmt Bezug auf den Biodiversitätsplan, der
                                                                      und der Glasgower Erklärung der Staats- und
  seinerseits mehrere Politiken und Maßnahmen zur
                                                                      Regierungschefs über die Wald- und Landnutzung
  Verbesserung der Schutzmaßnahmen in der Forst- und
                                                                      eingegangenen Verpflichtungen.
  Landwirtschaft enthält.
                                                                     •E
                                                                       inführung umsetzbarer Maßnahmen zur
•D
  em NECP zufolge sollen die Nachfrage und der Verzehr
                                                                      Verringerung der Emissionen aus der Tierhaltung.
 von Lebensmitteln durch das Nationale
 Ernährungsprogramm beeinflusst werden.                              •E
                                                                       inführung einer Besteuerung von industriellen und
                                                                      konventionellen landwirtschaftlichen Betriebsmitteln
•D
  ie SNBC legt Zielvorgaben für die Tierhaltung zur
                                                                      über HFKW hinaus.
 Begrenzung der Treibhausgasemissionen fest.
                                                                     •E
                                                                       inführung von Maßnahmen für effizientere
•D
  er NECP erkennt die Bedeutung von importierten
                                                                      Lieferketten, um Nahrungsmittelverluste und
 Emissionen an.
                                                                      Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.
•D
  er NECP erkennt an, dass seine Maßnahmen nicht
                                                                     •B
                                                                       erücksichtigung von importierten Emissionen im
 ausreichen, um das französische Klimaziel für 2030 zu
                                                                      Ernährungssystem, insbesondere in Verbindung mit
 erreichen, das zum Zeitpunkt seiner Ausarbeitung eine
                                                                      der Abholzung von Wäldern.
 Emissionsreduktion von 37% vorsah.
                                                                     •G
                                                                       ezieltere Maßnahmen im öffentlichen
                                                                      Beschaffungswesen durch strengere
                                                                      Zertifizierungsprogramme.

17   UNGENUTZTE MÖGLICHKEITEN FÜR KLIMASCHUTZMASSNAHMEN: | GLOBAL ALLIANCE FOR THE FUTURE OF FOOD
Sie können auch lesen