MARKTSTUDIE INDIEN 2018 - Der Markt für Schiffbau und Meerestechnik in Indien Mit Profilen der Marktakteure - iXPOS
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MARKTSTUDIE INDIEN 2018 Der Markt für Schiffbau und Meerestechnik in Indien Mit Profilen der Marktakteure
Impressum Herausgeber AHK Indien Tel: +91-22-66652121 E-Mail: bombay@indo-german.com Text und Redaktion Florian Wenke und Lucy Schulze Tel: +91-20-41047 141 E-Mail: lucy.schulze@indo-german.com Redaktionelle Bearbeitung AHK Indien Gestaltung und Produktion AHK Indien Stand 27. Februar 2018 Druck AHK Indien Bildnachweis © FS Sonne 03 (hero@lang-foto.de-Bild+Ku926341) Die Studie wurde im Rahmen des BMWi- Markterschließungsprogramms für KMU 2017, Ausschreibung 2. Tranche 2017, Geschäftsanbahnung, Los-Nr. 5 „Geschäftsanbahnung für deutsche Unternehmen der Schiffbauindustrie und der maritimen Technik nach Indien“ des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erstellt und aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Die Zielmarktanalyse steht der Germany Trade & Invest GmbH sowie geeigneten Dritten zur unentgeltlichen Verwertung zur Verfügung. Sämtliche Inhalte wurden mit größtmöglicher Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt. Der Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die Aktualität, Richtigkeit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Für Schäden materieller oder immaterieller Art, die durch die Das Bundesministerium für Wirtschaft und Nutzung oder Nichtnutzung der dargebotenen Energie ist mit dem audit berufundfamilie® Informationen unmittelbar oder mittelbar verursacht für seine familienfreundliche Personalpolitik werden, haftet der Herausgeber nicht, sofern ihm nicht ausgezeichnet worden. Das Zertifikat wird von nachweislich vorsätzliches oder grob der berufundfamilie gGmbH, einer Initiative fahrlässiges Verschulden zur Last gelegt werden kann. der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, verliehen.
Inhaltsverzeichnis Tabellenverzeichnis ................................................................................................................................................................... I Abbildungsverzeichnis .............................................................................................................................................................. I Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................................................................II 1. Executive Summary ......................................................................................................................................................... 1 2. Zielmarkt allgemein ........................................................................................................................................................ 2 2.1. Länderprofil ............................................................................................................................................................ 2 2.2 Wirtschaftliche Beziehungen ................................................................................................................................ 12 2.3 Die „Make in India“ Initiative ............................................................................................................................... 17 2.4 Informationen zur planerischen Gestaltung ................................................................................................................ 19 3. Schiffbau und Meerestechnik in Indien ........................................................................................................................ 21 3.1. Indiens Handelsdaten und Zollvorschriften im Bereich Schiffbau und Meerestechnik .................................. 26 3.2. Flotte, Fertigungskapazitäten sowie Reparatur- und Recyclingaktivitäten ...................................................... 29 Zivile Schifffahrt ............................................................................................................................................................. 29 Fertigungskapazitäten ..................................................................................................................................................... 31 Reparieren und Abwracken von Schiffen ...................................................................................................................... 33 Maritime Technik ........................................................................................................................................................... 34 3.3. Mögliche Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten .......................................................................................... 34 3.4. Chancen für deutsche Unternehmen .................................................................................................................. 36 4. Schlussbemerkung ........................................................................................................................................................ 38 5. Profile der Marktakteure .............................................................................................................................................. 39 5.1. Verbände ............................................................................................................................................................... 39 5.2. Ministerien und Behörden ................................................................................................................................... 40 5.3. Unternehmen ....................................................................................................................................................... 42 5.3.1. Werften (Schiffbau und Reparatur) .................................................................................................................... 42 5.3.2. Reedereien .............................................................................................................................................................47 5.3.3. Komponentenzulieferer und Austüstungslieferant ............................................................................................ 50 5.3.4. Schiffstechnik und Design .................................................................................................................................... 51 5.4. Forschungsinstitute.............................................................................................................................................. 53 5.5. Finanzinstitute ..................................................................................................................................................... 54 5.6. Beratungen ........................................................................................................................................................... 54 5.7. Anwälte ..................................................................................................................................................................55 6. Aktuelle Presselinks ....................................................................................................................................................... 57 7. Quellenverzeichnis ........................................................................................................................................................ 58
I Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Ausgewählte Handelsabkommen Indiens................................................................................................................. 15 Tabelle 2: Effektive Steuersätze ab dem 01.04.2018, alle Zahlen in INR ............................................................................... 20 Tabelle 2: Handelsdaten Indiens unter Zolltarifnummer 89 (Schiffe, Boot und Schwimmkörper) ..................................... 28 Tabelle 3: Handelsdaten zwischen Indien und Deutschland unter Zolltarifnummer 89....................................................... 29 Tabelle 4: Größte Reedereien Indiens....................................................................................................................................... 30 Tabelle 6: Größte Schiffbauunternehmen Indiens .................................................................................................................... 31 Tabelle 7: Aufträge indischer Werften nach Schiffsklassifizierung in Tausend DWT ............................................................ 32 Tabelle 8: Zum Abwracken angegebene und verkaufte Tonnage von Großschiffen sowie Land der Demolierung im Jahr 2016 (in Tausend Bruttotonnen) ............................................................................................................................................... 33 Tabelle 9: Hafenmodernisierungsprojekte aus dem Hafen Master Plan (Stand 2016).......................................................... 36 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen in Indien .................................................................................... 3 Abbildung 2: Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (15 - 64 Jahre) ........................................................................................... 4 Abbildung 3: Indiens Bundesstaaten und Unionsterritorien (Stand: 2015) ..............................................................................5 Abbildung 4: Anteile der Wirtschaftssektoren am Bruttoinlandsprodukt (BIP) Indiens bis 2016 ......................................... 8 Abbildung 5: Wirtschaftswachstum in großen Volkswirtschaften 2010 - 2018........................................................................ 9 Abbildung 6: Verteilung der monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben (2014) ......................................................................10 Abbildung 7: Wirtschaftliche Entwicklung Indiens 2014/15 bis 2016/17 ................................................................................ 11 Abbildung 8: Deutsch-indischer Handel 1990 - 2015 ............................................................................................................... 13 Abbildung 9: Indien: Platzierungen im weltweiten Doing Business Ranking zur Attraktivität von Standorten für Unternehmen 2016 bis 2018 ...................................................................................................................................................... 14 Abbildung 10: Freihandelsabkommen mit Indien – Chance oder Risiko? Entwicklung des deutschen Außenhandels mit Indien und die Top 5 Importeure und Exporteure 2016 .......................................................................................................... 16 Abbildung 11: Beabsichtigte Einstellungsrate der 30 größten deutschen Arbeitgeber in Indien bis 2019 ............................ 17 Abbildung 12: Indiens wichtigste Häfen (Stand: 2017) ........................................................................................................... 22 Abbildung 13: Güterumschlag indischer Häfen in Mio. Tonnen, 1960-2017 ......................................................................... 23 Abbildung 14: Liner shipping connectivity index 2004 und 2016 .......................................................................................... 24 Abbildung 15: Hafeninfrastruktur ausgewählter Länder 2007-2017 ...................................................................................... 25 Abbildung 16: Inländische und Gesamtanzahl der Container Shipping Services, Mai 2017 ..................................................27 Abbildung 17: Containerumschlag an indischen Häfen 2000/01 – 2017/18 ......................................................................... 28
II DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN Abkürzungsverzeichnis AHK – Auslandshandelskammer APTA – Asia Pacific Trade Agreement BIP – Bruttoinlandsprodukt BJP – Bharatiya Janata Party BRICS – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika Bspw. - Beispielsweise Bzw. – Beziehungsweise DWT – Dead Weight Tonnage Ebd. – Ebenda ESIC – Employees State Insurance Corporation EPFO – Employees Provident Fund Organization EUR – Euro FDI – Foreign Direct Investment (Ausländische Direktinvestitionen) GATT – General Agreement on Tariffs and Trade ggf. – Gegebenenfalls HS – Harmonized System INC – Indian National Congress INR – Indische Rupien MERCOSUR – Regionalorganisation “Gemeinsamer Markt Südamerikas” Mio. – Millionen Mrd. – Milliarden PTA – Preferential Trading Area (Bevorzugter Handelspartner) SWOT – Strengths Weaknesses Opportunities Threats TRIPS – Trade – Related Aspects of Intellectual Property Rights u. a. – unter anderem USD – US- Dollar v. a. – vor allem Vgl. – Vergleiche WTO – World Trade Organization z. B. – zum Beispiel
DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN 1 1. Executive Summary Gegenwärtig gibt es weltweit wenige Länder, die allein durch ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik, der flächenmäßigen Größe des Landes und ihrer Population so beeindrucken, wie es bei der Republik Indien der Fall ist. Zwei offizielle nationale, 22 Amts- und über 800 lokale Sprachen und Dialekte sind nur ein Indikator für die Vielfalt des Landes.1 Momentan überzeugt das Land mit beeindruckenden Zahlen zum Wirtschaftswachstum und wird damit wohl eine Wachstumslokomotive für die Weltwirtschaft darstellen. Beflügelt wird das Wachstum von einer Reihe lange erwarteter Reformen, darunter die Einführung einer allgemeinen Umsatzsteuer, der Goods and Services Tax. Sollte der Reformprozess unter Premierminister Modi anhalten, dann ist mit einer weiteren positiven wirtschaftlichen Entwicklung zu rechnen. In der vorliegenden Markstudie werden die wichtigsten Entwicklungen im Bereich Schiffbau und Meerestechnik umrissen. Dabei wird nicht nur eine Übersicht über die aktuelle Schiffsflotte und wichtige maritime Unternehmen gegeben, sondern es wird auch auf Fertigungskapazitäten in Indien eingegangen. Darüber hinaus wird auch Indiens Rolle im Geschäft mit dem Reparieren, Abwracken und Recyceln von Schiffen näher beleuchtet. Abschließend werden Fördermaßnamen und Chancen im Bereich Schiffbau und Meerestechnik analysiert. Wie aus der kurzen Studie deutlich wird, hat Indien die Potenziale im Bereich Schiffbau und Meerestechnik erkannt und will den Sektor trotz eines schwierigen Marktumfeldes in den kommenden Jahren stärken und ausbauen. Nicht nur sollen die Häfen Indiens ausgebaut und besser mit der restlichen Infrastruktur verbunden werden, auch Schiffbaukapazitäten sollen gesteigert werden und mehr Schiffe in Indien repariert werden. Generell soll die maritime Industrie als Wachstumstreiber dienen und auch anderen Branchen, wie etwa der Stahlbranche, zu mehr Wachstum verhelfen. Dennoch steht das Land in diesem Bereich vor nicht unerheblichen Herausforderungen. Die (Hafen-)Infrastruktur ist oft veraltet und vieler der oft staatlichen Schiffbauunternehmen arbeiten unproduktiv. Ferner gibt es viele bürokratische Hindernisse, welche die Arbeit im maritimen Sektor erschweren. Hinzu kommt, dass gut qualifizierte Fachkräfte oft schwer zu finden sind. In all diesen Bereichen gibt es jedoch aktuelle Entwicklungen und Initiativen, die sich diesen Herausforderungen anzunehmen versuchen. Legt man die ambitionierten Ziele der indischen „Maritime Agenda 2010-2020“ zugrunde, dann stellt Indien einen interessanten Markt für deutsche Unternehmen aus dem Bereich Schiffbau und Meerestechnik dar. Zwar sind bereits Strukturen in Indien vorhanden aber das Land ist auf Investitionen, Wissen und ausländische Waren von hoher Qualität angewiesen, um seine selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Gerade Deutschland und deutsche Unternehmen gelten hierbei als zuverlässige und sehr angesehene Partner. 1 Indische Botschaft, 2018
2 DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN 2. Zielmarkt allgemein Das Land Indien liegt im südasiatischen Raum und grenzt an insgesamt sechs weitere Länder an.2 Flächenmäßig ist es das siebtgrößte Land der Erde mit der zweitgrößten Population3 und mit der drittgrößten Volkswirtschaft in Asien (Stand 2017) nach China und Japan.4 Das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum bietet auch deutschen Unternehmen die Möglichkeit vom Potenzial des indischen Marktes zu profitieren. In den Monaten Januar -November 2017 stiegen die deutschen Exporte nach Indien im Vergleich zum Vorjahr bereits um 10,6 Prozent an. 2.1. Länderprofil Mit einer Gesamtfläche von 3.287.263 km² ist Indien das siebtgrößte Land der Erde und knapp neunmal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland (357.021 km²). Das Land verfügt über gemeinsame Landgrenzen mit Pakistan, China, Nepal, Bhutan, Myanmar und Bangladesch. Der äußerste Norden Indiens ist geprägt durch Hoch- und Mittelgebirge. Südlich davon schließen sich die Täler der Flüsse Indus, Yamuna und Ganges an. Der flache Küstenstreifen im Westen ist nur sehr schmal. Direkt hinter diesem Streifen verlaufen über die gesamte Westküste von Norden nach Süden die Western Ghats, ein Gebirge mit Erhebungen von bis zu 2.700 m. Zentralindien ist geprägt durch das Deccan Plateau. Der durch Gebirge von Bangladesch abgeschirmte Nordosten des Landes ist nur durch einen schmalen Korridor verbunden, der sich zwischen Nepal und Bangladesch befindet. Der Osten Indien ist ebenfalls durch die Lange Küste geprägt, die im Landesinneren durch die von Norden nach Süden verlaufenden flachen Eastern Ghats im Rücken begrenzt wird. Beide Ghats treffen an der Südspitze Indiens zusammen. Insgesamt verfügt das Land über rund 7000 km Küstenlinie. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes lebten im Jahr 2017 ca. 1,3 Milliarden (Mrd.)5 Menschen im Land und das Bevölkerungswachstum lag bei 1,15%6, was dem abnehmenden Trend der letzten Jahre folgt. Indien hatte damit 2017 rund 16-mal so viel Einwohner wie Deutschland (ca. 82,8 Mio.7). Obwohl Indien gerade einmal über 2,4 % der bewohnbaren Erdoberfläche verfügt, betrug der Anteil der indischen Bevölkerung an der Weltbevölkerung 2015 ca. 18 %.8 Dies hat entsprechende Auswirkungen auf die Bevölkerungsdichte. Durchschnittlich lebten 2016 in Indien 445 Menschen pro Quadratkilometer9, wobei es durchaus dichter besiedelte Bundesstaaten mit über 1.000 Einwohnern gab.10 Zum Vergleich hierzu: Deutschland wies für dieses gleiche Jahr einen Durchschnittswert von 237 auf, China 147 und die USA 35 Einwohner pro Quadratkilometer.11 Obwohl das Bevölkerungswachstum in Indien seit 1981 stetig zurückgeht und auch in Zukunft weiter sinken wird, steigt die Population absolut gesehen weiter an.12 Indien ist ein junges Land. Im Jahre 2015 betrug der Altersmedian13 der indischen Bevölkerung 26,5 Jahre14 und es wird davon ausgegangen, dass 2020 das durchschnittliche Alter eines Inders bei 28,2 Jahren liegen wird.15 Vergleicht man hierzu Erwartungen für China (37 Jahre), Japan (48 Jahre) und Deutschland (49 Jahre16), zeigt sich, dass Indien auch in Zukunft über viele junge Menschen und damit potentielle Arbeitskräfte verfügen wird. 2 Nach indischer Auffassung hat Indien auch eine gemeinsame Grenze mit Afghanistan. Diese Grenze liegt allerdings im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs jenseits der „Line of control“. Indien hat über diesen Teil der Grenze faktisch keine Kontrolle. Angaben zur Landfläche Indiens variieren daher erheblich. 3 Auswärtiges Amt, 1: Außenpolitik, Indien, 2016 4 Statista, 1: Größte Volkswirtschaften: Länder mit dem größten BIP im Jahr 2017 (in Milliarden US-Dollar), 2018 5 Statista, 2: Indien: Gesatbevölkerung von 2007 bis 2017 (in Millionen Einwohnern), 2018 6 Statista, 3: Indien: Bevölkerungsentwicklung von 2006 bis 2016 (gegenüber dem Vorjahr), 2018 7 Statistisches Bundesamt, 1: Pressemittelung Nr. 033 vom 27.01.2017, 2017 8 United Nations Department of Economic and Social Affairs, 1: World Population Prospects, 2015 9 Statistisches Bundesamt, 2: Indien: Bevölkerungsdichte von 2006 bis 2016 (in Einwohner pro Quadratkilometer), 2018 10 Census 2011: Bihar Population Census data 2011, 2011 11 The World Bank, 1: Population density (people per sq. km of land area), 1961 – 2016, 2017 12 Lee, Roanald: The Demographic Transition: Three Centuries of Fundamental Change, Journal of Economic Perspectives, 2003 13 50 % der Bevölkerung sind jünger und 50 % sind älter. 14 Statista, 4: Indien: Durchschnittsalter der Bevölkerung von 1950 bis 2015 (Altersmedian in Jahren), 2018 15 Kaushik Basu: India’s demographic dividend, BBC News South Asia, 2007 16 Grundig, Beate, Pohl, Carsten: Die Auswirkungen des demographischen Wandels auf den Arbeitsmarkt Sachsen – Analysen und Gegenstrategien, Docbase – Publication Database of the CESifo Group, ifo Insitut für Wirtschaftsforschung, 2004
DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN 3 Wie in Abbildung 1 erkennbar ist, wächst die erwerbsfähige Bevölkerung zwischen 2010 und 2020 um insgesamt 120 Mio. Menschen und damit um durchschnittlich etwa 12 Mio. Personen pro Jahr.17 Von 2020 bis 2030 wird die Zahl der 15-bis 65-Jährigen um weitere 103 Mio. Menschen wachsen. Aber auch Indien altert: So wächst die Zahl der über 65- Jährigen besonders stark – wenn auch von einem sehr niedrigen Niveau ausgehend. Auf der anderen Seite wird in diesem Jahrzehnt (2010 bis 2020) nach Prognosen der Vereinten Nationen die Zahl der unter 15-Jährigen erstmals sinken. Indien hat damit einen Punkt erreicht, ab dem der Anteil der abhängigen Bevölkerung (unter 15-Jährige und über 65-Jährige) kleiner ist als der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung (15- bis 65-Jährige). Somit kommen auf jede Person im erwerbstätigen Alter immer weniger Personen im abhängigen Alter. Die Wirtschaftsleistung wird in den kommenden Jahrzehnten von dieser sogenannten „demografischen Dividende“ profitieren.18 Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen in Indien 1,2 1,0 0,8 Mrd. 0,6 0,4 0,2 0,0 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 unter 15-jährige 15- bis 65-jährige über 65-jährige Quelle: United Nations Department of Economic and Social Affairs / Social Population Division; World Population Prospects Während die arbeitsfähige Bevölkerung nicht nur in Europa sondern bspw. auch in China sinkt, nimmt sie in Indien noch auf Jahrzehnte zu. Einen größeren Aufwuchs werden nur afrikanische Länder (vor allem südlich der Sahara) verzeichnen können. Diese Entwicklung wird in Abbildung 2 verdeutlicht. 17 Auswärtiges Amt Deutschland 2, 2015 18 Aufgrund statistischer Unsicherheiten bleibt allerdings offen, wie lange dieser Prozess andauern wird.
4 DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN Abbildung 2: Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (15 - 64 Jahre) 1,4 1,2 1 0,8 Mrd. 0,6 0,4 0,2 0 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 China Sub-Sahara Afrika Europa Indien Quelle: United Nations, Department of Economic and Social Affairs; Population Division: Demographic Profiles: India 2012 Die Republik Indien besteht aus einem Verbund von 29 Bundesstaaten und 7 Unionsterritorien, die unmittelbar von der Zentralregierung in Delhi verwaltet werden. Die nachfolgende Darstellung veranschaulicht die aktuelle Zusammensetzung der indischen Bundesstaaten und Unionsterritorien. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass sich Indien nicht mit allen seiner Nachbarländer über den Grenzverlauf einig ist. So bestehen besonders mit Pakistan aber auch mit China Differenzen über einiger der nördlichen Gebiete Indiens. Mit Hinblick auf Pakistan ist dies besonders die Region Kaschmir, die von beiden Seiten beansprucht wird. Mit China existieren Meinungsverschiedenheiten insbesondere über die Zugehörigkeit der Regionen Arunachal Pradhesh. Aus diesen Gründen wird oft auch nicht von „Grenzen“ zwischen Indien und diesen beiden Ländern gesprochen. Mit Bezug zu Pakistan stellt die „Line of Control“ die de facto Grenze zwischen beiden Ländern dar. Mit China hingegen bildet die „Line of Actual Control“ die de facto Grenze. Bei der Abbildung der indischen Landkarte ist besondere Vorsicht geboten: Marketing-Unterlagen für Indien sollten bei Abbildung von Indien-Karten ausschließlich die in Indien anerkannten Grenzverläufen abbilden. Andere Abbildungen können im Rahmen der Maps Policy mit Strafen geahndet werden.
DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN 5 Abbildung 3: Indiens Bundesstaaten und Unionsterritorien (Stand: 2015) Quelle: Maps of India, 2016 Indien ist die größte Demokratie der Welt mit regelmäßigen Wahlen, Parteienwettbewerb und verfassungsrechtlich verankerten Grundrechten. Vor dem Hintergrund weit verbreiteter Armut, ethnischer, religiöser und linguistischer Vielfalt sowie tiefgreifender Kasten- und Klassengegensätze ist es in Indien seit der Unabhängigkeit am 15. August 1947 gelungen, ein gefestigtes demokratisches System aufzubauen. In den ersten Wahlen im Dezember und Januar 1950/51 siegte der linksliberale Indian National Congress (INC)19 unter der Führung von Jawaharlal Nehru, der zum ersten 19EineEinordnung des INC in ein eindimensionales Links-Rechts-Spektrum wird der Komplexität von Politik in Indien nicht ganz gerecht. Regionale Parteien (Sprache und Religion sind nach wie vor starke entscheidende Faktoren in der indischen Politik) sind in Indien sehr stark. Der INC sei die einzige „wahre“ nationale Partei Indiens und die einzige Partei, die es geschafft hat, das Land über Jahrzehnte in Regierungskoalitionen zu führen, die nicht selten aus einem guten Dutzend Parteien bestanden. Dem INC unter Führung
6 DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN Premierminister gewählt wurde, deutlich. Bis Mitte der 1990er Jahre dominierte die Kongresspartei meist unter Führung der Nehru-Gandhi-Familie, mit nur zwei kurzen Unterbrechungen, die Politik des Landes. Bei den Parlamentswahlen im Mai 2014 konnte der INC allerdings gerade noch knapp 20 % der Stimmen auf sich vereinen. Die oppositionelle Bharatiya Janata Party (BJP) unter Führung von Narendra Modi, der bis zu seiner Vereidigung als Premierminister Indiens Ministerpräsident in Gujarat war, erhielt über 30 % der Stimmen. Die Lok Sabha in Indien ist eine Art Unterhaus innerhalb des politischen Systems und auch in den Funktionen und Befugnissen vergleichbar mit dem deutschen Parlament. Durch das indische Wahlsystem („First-past-the-post“ in jedem Wahlkreis) verfügt der INC nunüber weniger als 10 % der Sitze, während die BJP mit mehr als 50% der Sitze in der Lok Sabha gewonnen hat und somit über weitreichende Entscheidungsbefugnisse verfügt. Die Erwartungen an Narendra Modi sind gewaltig. Gujarats Wirtschaft ist in den zwölf Jahren BJP-Herrschaft überdurchschnittlich stark gewachsen. Viele Inder hoffen, dass Modi Ähnliches nun für ganz Indien gelingt. Kritiker befürchten hingegen, dass Modi das Land spaltet. Kurz nachdem er 2002 Ministerpräsident von Gujarat geworden war, kam es in dem Bundesstaat zu Pogromen gegen Muslime, bei denen ca. 2.000 Menschen ums Leben kamen. Bis heute ist nicht geklärt, welche Rolle Modi bei den Ausschreitungen spielte. Das Bruttoinlandsprodukt Indiens lag 2017 bei 2.439,01 Mrd. USD und hat sich damit im Vergleich zu 2007 verdoppelt.20 Während 1960 in Indien noch fast die Hälfte der Wirtschaftsleistung (rund 43 %) in der Landwirtschaft entstand, dominierte 2016 mit 53,8 % der Dienstleistungssektor. Der Anteil der Landwirtschaft am indischen BIP ist, wie auch in den Vorjahren, weiter gesunken. Lag er 1996 noch bei über 27 %, fiel er 2007 auf knapp 18 %. 2016 lag der Anteil der landwirtschaftlichen Produktion an der gesamtwirtschaftlichen Produktion bei 17,3 %.21 Dennoch ist die Landwirtschaft für rund die Hälfte der Bevölkerung noch immer die Haupteinnahmequelle (49 % für 2014/2015).22 Anders als in China hat die Industrie in Indien immer nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Ihr Anteil an der Wortschöpfung lag 2016 bei 28,5 % des indischen BIPs (zum Vergleich: In China liegt der Anteil der Industrie deutlich über 40 %).23 Unter indischen Ökonomen und Politikern setzt sich allerdings zunehmend die Einsicht durch, dass eine Verbesserung des Lebensstandards für breite Bevölkerungsschichten24 ohne Industrialisierung unmöglich ist. Die Regierung ist deshalb bestrebt, den Anteil der Industrie an der Wertschöpfung zu erhöhen. Der indische Premier Narendra Modi hat kurz nach Amtsantritt die Kampagne „Make in India“ ins Leben gerufen.25 Durch eine Vereinfachung des Unternehmens- und Steuerrechts sowie Investitionen in Infrastruktur und berufliche Bildung soll der Anteil der Industrie am BIP erhöht werden. Indien war im April 2015 Partnerland der Hannover Messe, die gemeinsam von Angela Merkel und Narendra Modi eröffnet wurde. Ziel auch dieses Auftritts war es, ausländische Unternehmen von der Attraktivität Indiens als Industriestandort zu überzeugen.26 Die Liste der wirtschaftsfreundlichen Reformen, die die Regierung umsetzen möchte, ist lang. Allerdings bestehen Zweifel, dass die meisten dieser Reformen umgesetzt werden können. Zwar verfügt die BJP über eine absolute Mehrheit in der Lok Sabha (vgl. Bundestag), allerdings hält sie lediglich 53 der 245 Sitze in der Rajya Sabha (vgl. Bundesrat).27 Narendra Modi hatte daher in der Vergangenheit viele Reformen per Erlass angestoßen. Allerdings müssen diese Erlasse früher oder später von beiden Kammern des Parlaments bestätigt werden, weshalb nur wenige Unternehmen auf Basis der Erlasse langfristige Investitionsentscheidungen treffen möchten.28 Dennoch zeigte die aktuelle Regierung zuletzt, dass sie den Reformpfad weiter begehen will und dass in der indischen Demokratie Kompromisslösungen gefunden werden können. Als bremsend für das Wirtschaftswachstum erwies sich die 2016 in Indien durchgeführte Bargeldreform, die am 9. November 2016 angekündigt, mit sofortiger Wirkung alle 500 INR und 1.000 INR Banknoten für ungültig erklärte. Damit entwertete Premierminister Modi am 8. November vollkommen überraschend 86 Prozent der sich im Umlauf befindlichen Banknoten Indiens. Neue 500 INR und 2.000 INR Banknoten ersetzen die alten entwerteten Geldscheine. Die alten Banknoten (500 & 1.000 INR Geldscheine) konnten nur bis Ende 2016 bei den Banken in limitiertem Maße getauscht und eingezahlt werden. Die Geldautomaten zahlten flächendeckend nur einen Höchstbetrag von 2.000 INR der Nehru-Gandhi-Familie gelingt es wie keiner anderen Partei, regionale und religiöse Strömungen und Partikularinteressen auf nationaler Ebene auszugleichen. 20 Statista 2018, 4 21 Statista 2018, 5 22 Auswärtiges Amt Deutschland 2, 2015 23 Statista 2018, 6 24 In der indischen IT-Industrie arbeiten bspw. nur drei Millionen Menschen. 25 Make in India 1, 2015 26 Die Zeit 1, 2015 27 Parliament of India Rajva Sabha 28 The Economist 1, 2015
DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN 7 aus, was bestimmte Wirtschaftszweige der Bargeldgesellschaft Indiens stark belastete. Ziel der Bargeldreform war die Korruptionsbekämpfung und das Beseitigen von Schwarzgeld, sowie der Steuerhinterziehung.29 Jedoch wurde nach mehr als einer Dekade wiederkehrender Diskussionen30 über die Einführung einer allgemeinen Umsatzsteuer diese im August 2016 sowohl durch die Rajya Sabha als auch durch die Lok Sabha genehmigt. Durch diese sehr wichtige Reform, soll das Steuerwirrwarr aus Bundes- und Landessteuern in Indien beendet werden und Indien damit einen wichtigen Schritt zu einem wirklich einheitlichen Binnenmarkt mit freiem Verkehr von Gütern und Dienstleistungen gehen. Unternehmen und Verbraucher erhoffen sich durch ein vereinfachtes Steuersystem nicht nur mehr Transparenz, sondern auch eine sinkende Steuerbelastung. Im Gegenzug hofft die indische Regierung auf steigende Steuereinnahmen durch eine Ausweitung der Zahlungspflichtigen. Die neue allgemeine Umsatzsteuer (Goods and Services Tax) wurde am 1. Juli 2017 eingeführt und schafft damit erstmalig ein landesweit einheitliches Steuersystem. Sie ist zudem die größte Steuerreform seit Indiens Unabhängigkeit 1947. 31 Bereits die Ankündigung dieser Reform hat das Vertrauen in Indien bei vielen Investoren wachsen lassen und die Reaktionen der indischen Wirtschaft fielen in den ersten Monaten nach ihrer Einführung mehrheitlich positiv aus. Optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass die Reform das indische Wirtschaftswachstum um bis zu 2 % steigern kann, wenngleich bei der Umsetzung der Reform Schwierigkeiten zu erwarten sind.32 Aufgrund der föderalen Struktur des Landes ist die Umsatzsteuer, die über die Lieferung von Waren bis zur Erbringung von Dienstleistungen nahezu alle Leistungen abdeckt, in drei Komponenten geteilt. Diese sind die Zentralumsatzsteuer (Central GST, CGST) – Steuer der Zentralregierung, die Steuer der Bundesstaaten (State GST, SGST), sowie die Übergreifende Steuer (Integrated GST, IGST). Diese Dreiteilung wirkt sich auf die Komplexität des Systems aus und sorgt für Schwierigkeiten beim erstmals erlaubten Vorsteuerabzug. Die Vorsteuerabzugsfähigkeit der IGST wirkt sich jedoch positiv bei der Einfuhr von Waren aus, da statt der Gesamtabgabenbelastung von 30,15 % nur der Zoll in Höhe von 10 % (plus Customs Cess) als Kostenfaktor wirkt. Für viele Maschinen und Anlagen gilt zudem ein reduzierter Basiszoll von 7,5 %. Dies ist jedoch Gegenstand fortfahrender Änderung und so soll es nun eine nachträgliche Erhöhung der Einfuhrzölle geben um die Make in India Kampagne zu unterstützen.33 Durch eine volle Vorsteuerabzugsberechtigung für Händler können ausländische Unternehmen bestehende Vertriebsstrukturen umzustellen und beispielsweise einen Handelsvertreter durch einen Eigenhändler zu ersetzen. Dadurch entfällt einerseits die mit GST belastete Vertreterprovision, und andererseits die dem Recht der Einkommensteuer entstammenden Risiken einer Vertreterbetriebsstätte.34 29 AHK Indien 30 The Economic Times 1, 2016 31 Ruppert, 2017 32 The Indian Express 1, 2016; Reuters 1, 2016 33 Livemint, 2018 34 Ruppert, 2017
8 DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN Abbildung 4: Anteile der Wirtschaftssektoren am Bruttoinlandsprodukt (BIP) Indiens bis 2016 Sektorenanteil am ind. Bruttoinlandsprodukt 120 100 80 60 40 20 0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen Quelle: Statista 2018 Im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion geriet Indien im Jahr 1991 in wirtschaftliche Turbulenzen, die in einer Zahlungsbilanzkrise und anschließend fast im Staatsbankrott mündeten. Verhindert wurde dieser nur durch Notkredite der Bank of England und der Bank of Japan. Nachdem der sofortige wirtschaftliche Zusammenbruch Indiens abgewendet war, unterstützte der Internationale Währungsfond (IMF) das Land mit langfristigen Krediten, allerdings unter der Bedingung weitreichender wirtschaftlicher Reformen. Das Jahr 1991 markierte damit den Startschuss für ein Jahrzehnt wirtschaftlicher Liberalisierung und Prosperität. Die Effekte der Reformen hielten noch bis in das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends an, verloren mittlerweile allerdings deutlich an Wirkung. Das Wachstumspotenzial Indiens ist in der Folge deutlich zurückgegangen. Die von Korruptionsskandalen geschüttelte Regierung schien zunehmend unfähig, die Wirtschaft mit einer neuen Welle wirtschaftlicher Reformen zu beleben. Der über 80-jährige Premierminister Manmohan Singh (als Finanzminister eine der Schlüsselfiguren während der Reformphase zu Beginn der 1990er Jahre) wirkte zunehmend amtsmüde und durchsetzungsschwach. Im Ergebnis war das Wirtschaftswachstum in Indien deutlich zurückgegangen. Die indische Rupie verlor an Wert. Das Haushaltsdefizit stieg ebenso wie Indiens Leistungsbilanzdefizit. Nachdem die indische Rupie im Jahr 2013 innerhalb weniger Monate deutlich über 20 % gegenüber dem US-Dollar (USD) verloren hatte und die Regierung gezwungen war, Maßnahmen zu ergreifen um nicht notwendige Importe (vor allem Gold) einzuschränken, sprachen Beobachter bereits von einer Wiederholung der Ereignisse des Jahres 1991. Die Märkte haben sich mittlerweile wieder beruhigt: Die indische Rupie stabilisiert sich gegenwärtig und auch das Leistungsbilanzdefizit hat sich leicht verbessert.35 Nach Angaben der Weltbank reduzierte sich das Defizit von 5°% des BIP im Jahre 2012 auf 2,6 % in 2013 , respektive 1,3 % in 201436 bis auf 07,% in 2016 und auf 1,4 % in 2017.37 Der Reformbedarf in Indien ist nichtsdestotrotz unübersehbar. Ein Segen für das Land ist der niedrige Ölpreis. Die Regierung war weise genug, die Preise für Benzin und Diesel nicht stark zu senken, sondern stattdessen Energiesubventionen abzubauen und den Haushalt zu konsolidieren. Da Indien einen Großteil seines Bedarfs an fossilen Energieträgern durch Importe deckt, ist durch den gesunkenen Ölpreis auch das Zahlungsbilanzdefizit zurückgegangen. Beide Entwicklungen und die neue Reformfreudigkeit der Regierung haben den wirtschaftlichen Ausblick für Indien verbessert. 35 Wallstreet online, 2014 36 World Bank 3, 2015 37 Knoema, 2018
DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN 9 Abbildung 5 verdeutlicht die relativen Wachstumsraten des indischen BIP von 2003 bis 2016, wobei der Wert für 2016 vom Center for Monitoring the Indian Economy erwartet wird. Nachdem die indische Wirtschaft 2014 um 5,8 % wuchs, konnte 2015 bereits eine Wachstumsrate von 7,6 % erreicht werden.38 Für das Jahr 2018 wird erwartet, dass die Wirtschaft um 7,4 % wachsen wird.39 Abbildung 5: Wirtschaftswachstum in großen Volkswirtschaften 2010 - 2018 Quelle: India Press Agency Newspack, 2017, basiert auf dem OECD March 2017 Interim Economic Outlook Die Inflationsrate lag im Jahr 2017 bei 3,8 %, nachdem sie im Jahr 2016 noch bei 4,5 % stand.40 Die Lebensmittelinflation ging von Januar 2014 bis Januar 2015 von knapp 10 % auf 6,13 % zurück. Im Juli 2016 erreichte sie aber wieder 8,1 %, um im September 2016 wieder auf 3,9 % zu fallen (nicht zuletzt auf aufgrund des guten Monsun, der für eine gute Ernte sorgt und sorgte).41 Im Dezember 2017 betrug sie 4,96 %.42 Die Entwicklung hat Spielräume für die Zentralbank eröffnet, die Zinsen zu senken. Am 15. Januar 2015 senkte die Reserve Bank of India den Leitzins von 8,0 % auf 7,75 % und am 4. März um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 7,5 %.43 Hierbei handelte es sich um die erste Senkung seit Beginn des Jahres 2013.44 Aufgrund sinkender Inflation ergaben sich auch im Folgezeitraum weitere Möglichkeiten zur Zinssenkung. Derzeit liegt der Leitzinssatz der Reserve Bank of India bei 6%.45 Derzeit versucht die Reserve Bank of India die, vor allem bei staatseigenen indischen Banken, massiv vorhandenen notleidenden Krediten zu bekämpfen.46 Nach dem CARE Rating Report belegt Indien weltweit die fünften Rang was notleidende Kredite betrifft.47 Für einige Unruhe an den Märkten sorgte die die Tatsache, dass der zu der Zeit aus dem Amt scheidende und charismatische Vorsitzende der Reserve Bank of India, Dr. Rajan, nach drei Jahren Tätigkeit als Vorsitzender der Bank seinen 2016 regulär auslaufenden Vertrag nicht verlängerte. Sein Nachfolger seit September 2016 ist Dr. Urjit Patel. Er gilt ebenfalls aus ausgesprochener Fachmann für den Posten und es wird erwartet, dass er die Arbeit seines Vorgängers thematisch fortsetzt, insgesamt aber leiser und weniger sichtbar agieren wird.48 38 World Bank 2, 2016 39 DataMapper, 2018 40 Statista, 2018, 7 41 Centre for Monitoring the Indian Economy 2, 2016, Centre for Monitoring the Indian Economy 3, 2016 42 Trading economics, 2018 43 The Hindu, 2015 44 Reserve Bank of India 1, 2015 45 Trading economics, 2018 46 Reserve bank of India 3, 2016 47 Scroll.in, 2018 48 The Economic Times 2, 2016
10 DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN Trotz aller Fortschritte in den vergangenen Jahren ist Indien noch immer ein verhältnismäßig armes Land. Die Zahl der Inder, die in ärmlichen Verhältnissen leben, ist durch den Aufschwung der letzten Jahre allerdings erheblich gesunken. Die statistische Erfassung von Armut hat sich in den vergangenen Jahren geändert: Nachdem bis 2014 die offizielle Armutsgrenze bei 27 INR (0,35 EUR) (Dorf) und 33 INR(0,42 EUR) (Stadt) pro Tag lag, sind nach Neuberechnungen mindestens 32 INR (0,41 EUR) (Dorf) und 47 INR (0,60 EUR) (Stadt) pro Tag zum Überleben notwendig. Hierdurch fallen 100 Mio. Menschen mehr unter die Armutsgrenze als zuvor angenommen.49 Im Finanzjahr 2014/2015 lebten noch immer etwa 30 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze und rund 70 % hatten weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung.50 Die Zahl der Inder, die nicht alle Grundbedürfnisse (Essen, Energie, Wohnen, Trinkwasser, Sanitäranlagen, Gesundheitsversorgung, Bildung, soziale Sicherheit) decken können, ist noch immer relativ hoch. Das Beratungsunternehmen McKinsey schätzt in einem Bericht aus dem Jahr 2014, dass 680 Mio. Menschen in Indien in diese Kategorie fallen. Nach Berechnungen der Unternehmensberatung liegen die minimalen monatlichen Konsumausgaben zur Deckung dieser Bedürfnisse bei 1,336 INR (ca. 17 EUR). Laut einem Bericht der Weltbank von 2016 hat Indien die meisten Menschen, die unter der internationalen Armutsgrenze von 1.90 USD pro Tag leben. Die Weltbank geht jedoch von 224 Millionen Menschen aus, die davon betroffen sind.51 Abbildung 6 zeigt, wie sich die monatlichen Pro- Kopf-Konsumausgaben 2014 verteilten.52 Abbildung 6: Verteilung der monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben (2014) 7 6 Monatliche Pro-Kopf-Konsum- ausgaben in Tausend INR 5 4 3 2 1 0 5% 15% 25% 35% 45% 55% 65% 75% 85% 95% kummulierter Anteil der Bevölkerung Land Stadt Quelle: McKinsey, 2014 Die monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben von mehr als 95 % der Inder im ländlichen Raum liegen entsprechend unter 3.000 INR (ca. 40 EUR); in den Städten sind es über 70 %, die weniger zur Verfügung haben.53 Die Einkommensteuerpflicht in Indien beginnt ab einem Jahreseinkommen von 200.000 INR (ca. 2560 EUR). Daraus ergibt sich, dass lediglich ca. 1,5 % der Bevölkerung aktuell die Einkommensteuer zahlen. Hierbei sollen die Top 0,1% der Steuerzahler für 26% der insgesamt gezahlten Steuern verantwortlich sein. Obwohl die Zahl der Einkommenssteuer 49 Die Zeit 2, 2014 50 Auswärtiges Amt Deutschland 2, 2015 51 Express News Service, 2016 52 McKinsey, 2014 53 Ministry of Statistics and Programme Implementation 1, 2014
DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN 11 zahlenden Bevölkerung von 27 Millionen in 2002/3 auf 19 Millionen in den Jahren 2014/15 zurück gegangen ist (aufgrund von Ausnahmeregelungen), stiegen die Steuereinnahmen von 36,8585 Crore54 auf 2,58,326 Crore.55 Insgesamt lassen sich die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen Indiens wie in Abbildung 7 zusammenfassen: Abbildung 7: Wirtschaftliche Entwicklung Indiens 2014/15 bis 2016/17 Wirtschaftliche Entwicklung Indiens 2014/15 bis 2016/17 10 8 6 4 2 0 BIP Einfuhr (cif) Bruttoanlage-investitionen Privater Verbrauch -2 (reale Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) -4 -6 -8 2014/15 2015/16 2016/17 Quelle: Germany Trade & Invest, 2017 Ursache für das nach wie vor geringe Einkommen ist die hohe Zahl unproduktiver Arbeitsplätze. Zum einen sind noch immer mehr als die Hälfte der Beschäftigten in der Landwirtschaft beschäftigt (sehr oft nur Subsistenzwirtschaft), zum anderen ist es keiner indischen Regierung bisher gelungen, einen leistungsfähigen Industriesektor, wie bspw. in China, aufzubauen. Insgesamt ist ein großer Teil des industriellen Sektors nach wie vor starken interventionistischen Maßnahmen und staatlicher Regulierung ausgesetzt, welche das Wachstum schwächen. Vor allem das Arbeitsrecht sehr restriktiv. Die World Bank kam in ihrem Länderbericht 2008 zu dem Schluss, dass das indische Arbeitsrecht eines der komplexesten der Welt sei. Dieses wurde seit der Unabhängigkeit kaum reformiert.56 Aktuell hat die Debatte um Reformen des Arbeitsrechtes jedoch wieder Fahrt aufgenommen und die Regierung ist bemüht, auch dieses Bereich so zu gestalten, dass mehr Investitionen getätigt werden und vor allem die dringend benötigten Arbeitsplätze zur Nutzung der demographischen Dividende geschaffen werden. Im Gespräch sind nicht nur eine Vereinheitlich der oft konkurrierenden Gesetze im Bereich des Arbeits- und Gehaltsrecht, sondern auch eine allgemeine Entbürokratisierung, gerade auch für kleinere Betriebe und Mittelständler. Ferner soll es für Unternehmen mit bis zu 300 Mitarbeiter einfacher werden Personal zu kündigen. Ob es jedoch zu einer Umsetzung der Reformen kommt, ist nicht sicher. Nach wie vor bilden die Gewerkschaften in Indien eine wichtige Interessengruppe und sie haben bereits ihren Widerstand gegen die Reformen angekündigt.57 Im Jahr 2009 wurde die obligatorische Aadhar Card von der Unique Identification Authority of India (UIDAI) eingeführt, welche das Ziel hat, jeden Bürger anhand einer 12-stelligen Aadhar Nummer identifizieren zu können. Dementsprechend 54 Crore: 10.000.000 (10 Millionen) 55 The Economic Times, 2017 56 World Bank 4, 2014; World Bank 7, 2014 57 Al Jazeera, 2016
12 DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN werden auf der Aadhar Card, die das Format eines Personalausweises hat, alle persönlichen Details einer Person festgeschrieben, was demographische wie biometrische Informationen beinhaltet. Die Kombination aus demographischen und biometrischen Daten soll die Einzigartigkeit und Fälschungssicherheit der Karte sicherstellen. Die Karte kann jedoch auch genutzt werden, um staatliche Unterstützung zu erhalten. Bis dato ist jedoch unklar, wer alles eine Aadhar Card besitzen muss. Nach letztem Stand muss jeder in Indien lebende Inder sowie Menschen, die mehr als 182 Tage innerhalb eines Jahres in Indien gelebt haben und Einkommenssteuer zahlen eine solche Karte besitzen58 und sämtliche Konten und sogar Telefonnummer, Rentenzahlungen und Steuererklärung damit verknüpfen. Datenschützer sind anhand der Daten, die auf einer Karte gebündelt vorhanden sind und von der Regierung abrufbar sind, mehr als besorgt und es gab schon erste Hackerangriffe auf die Aadhar Datenbank.59 Laut offizieller Aadhar Webseite wären auf der universellen Identitätskarte alle relevanten Informationen vorhanden, weswegen nicht mehr verschiedene Dokumente gebraucht würden. Desweiteren soll mit der Karte illegale Immigration bekämpft werden können.60 2.2 Wirtschaftliche Beziehungen Die deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen haben sich in den letzten Jahren deutlich intensiviert. Beleg dafür ist nicht zuletzt die Entwicklung der Mitgliederzahl der Deutsch-Indischen Handelskammer. Diese stieg um gut 100 % von 1990 bis 2018 auf eine Gesamtzahl an Mitgliedern von heute rund 6.000. In der Europäischen Union ist Deutschland Indiens wichtigster Handelspartner.61 Im Jahr 2006 lag das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und Indien erstmals über 10 Mrd. EUR. Bis 2011 war es auf 18,4 Mrd. EUR angewachsen. Es schien, als wären beide Länder auf einem guten Weg, die von Manmohan Singh und Angela Merkel auf der gemeinsamen Regierungskonferenz im Jahr 2010 gesetzte Zielmarke von 20 Mrd. EUR bis 2012, zu erreichen. Doch vor allem aufgrund des Nachlassens der wirtschaftlichen Dynamik in Indien sank das Handelsvolumen im Jahr 2012 auf 17,4 Mrd. EUR (von einer winzigen Delle im Jahr 2009 abgesehen der erste Rückgang seit dem Jahr 1999). Im Jahr 2013 sank das Handelsvolumen auf 16,1 Mrd. EUR, wobei vor allem die deutschen Exporte nach Indien zurückgingen, was sich in einem deutlich niedrigeren Handelsüberschuss in Höhe von 2,2 Mrd. EUR für Deutschland niederschlug (dem niedrigsten seit 2006). Nachdem auch im Jahr 2014 das deutsch-indische Handelsvolumen noch einmal leicht auf 16 Mrd. EUR zurückgegangen war und Indien damit als Handelspartner weiter an Bedeutung für Deutschland verlor, nahm 2015 das bilaterale Handelsvolumen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 8,5 % auf 17,3 Mrd. EUR zu. Deutsche Ausfuhren stiegen dabei um knapp 10 %, während Einfuhren aus Indien um ca. 6,5 % stiegen.62 Abbildung 8 gibt einen Überblick über das deutsch-indische Handelsvolumen von 1990 bis 2015. Im Jahr 2013 lag das Land sowohl bei den Ausfuhren als auch bei den Einfuhren auf Rang 25 unter Deutschlands Handelspartnern. Mit 3,0 Mrd. EUR waren Maschinen das Hauptexportgut deutscher Unternehmen nach Indien im Jahr 2015, gefolgt von chemischen Erzeugnissen mit 1,5 und Kraftwagen/-teilen mit 0,74 Mrd. EUR. Mit 1,4 Mrd. EUR waren Textilien und Bekleidung das Hauptexporterzeugnis indischer Unternehmen nach Deutschland, gefolgt von chemischen Erzeugnissen mit 0,97 Mrd. EUR und Maschinen mit 0,61 Mrd EUR sowie Lederwaren mit 0,6 Mrd EUR.63 Im Jahr 2016 lag Indien im Außenhandel auf Platz 2464 unter Deutschlands Handelspartnern. Insgesamt betrugen 2016 die Exporte aus Deutschland nach Indien den Wert von 9,8 Mrd. Euro, während die Importe auf 7,6 Mrd. Euro beziffert wurden.65 58 Motiani, 2017 59 Johnson TA, 2017 60 Eaadhar.online, 2017 61 Ministry of Commerce and Industry 1, 2016 62 Destatis 1, 2016, Auswärtiges Amt Deutschland 3, 2015 63 Destatis 3, 2016 64 Statistisches Bundesamt (Destatis), 2017 65 Spiegel Online, 2017
DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN 13 Abbildung 8: Deutsch-indischer Handel 1990 - 2015 12 10 8 6 Mrd. € 4 2 0 -2 Exporte nach Indien Importe aus Indien Saldo Quelle: Destatis 1,2, 2015 Von April 2000 bis März 2016 wurden etwa 7,7 Mrd. Euro (EUR) Direktinvestitionen aus Deutschland in den indischen Markt getätigt, wovon allein etwa 2,8 Mrd. EUR zwischen März 2013 und April 2016 investiert wurden (davon gut 875 Mio. EUR im Finanzjahr 2015-2016).66 Die Direktinvestitionen kamen überwiegend von deutschen Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, aus der Automobilindustrie und aus der chemischen Industrie. Die größte Einzelinvestition eines deutschen Unternehmens in Indien war der Bau der Volkswagenfabrik im westindischen Pune. Wenig überraschend sind deutsche Unternehmen stark in den beiden Zentren der indischen Automobilindustrie, Pune und Chennai, vertreten. Indische Unternehmen investierten im Jahr 2010 ca. 900 Mio. EUR in Deutschland. Rund 379 international tätige indische Unternehmen waren im Juli 2015 in Deutschland durch Tochtergesellschaften oder Unternehmensbeteiligungen aktiv und der Bestand an Direktinvestitionen aus Indien nach Deutschland belief sich zum selben Zeitpunkt auf rund 4 Mrd. EUR.67 Regionaler Schwerpunkt der Tätigkeit indischer Unternehmen in Deutschland ist die Region um Frankfurt. Die prominentesten Investitionen indischer Unternehmen in Deutschland war die Übernahme der Carl Dan Peddinghaus GmbH durch Bharat Forge, einem Automobilzulieferer aus Pune im Jahr 2003, sowie die Übernahme von Senvion (REpower) durch den indischen Windturbinenhersteller Suzlon, ebenfalls aus Pune in den Jahren 2007 bis 2012 (letztere Übernahme stellt mit einem Volumen von 1,8 Mrd. EUR alle anderen Übernahmen indischer Unternehmen in Deutschland weit in den Schatten). Ende April 2015 wurde Senvion mit einem erheblichen Verlust an die amerikanische Private-Equity-Firma Centerbridge verkauft, um die Liquiditätskonsolidierung und Neuorientierung des Unternehmens auf dem Markt weiter fortzuführen.68 Im ersten Quartal 2017 stiegen die deutschen Exporte nach Indien um stolze 19 % an. Die vorherige Abbildung visualisiert die Ergebnisse des „German Investments in India Survey 2015“.69 66 Ministry of Commerce and Industry 2, 2015 67 Deutsch-Indische Handelskammer, 2, 2015 68 Business Standard 1, 2015 69 Deutsch-Indische Handelskammer 1, 2015
14 DER MARKT FÜR SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK IN INDIEN Bedeutende deutsch-indische Wirtschaftsabkommen sind das Doppelbesteuerungsabkommen, das am 19. Dezember 1996 in Kraft getreten ist, das Handelsabkommen vom 31. März 1955 sowie die Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen Forschung und technologischen Entwicklung von 1971 und 1974.70 In den 1990er Jahren wurden die Regeln für ausländische Direktinvestitionen (FDI) in Indien zunehmend gelockert. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts hielt dieser Trend weitgehend an; viele Beschränkungen für FDI wurden beseitigt, die meisten Branchen delizensiert.71 Vor allem aber auch durch das „Make in India“-Programm, welches im September 2014 mit dem neuen Ministerpräsidenten Modi etabliert wurde, konnten weitere Erfolge bei der Öffnung des Landes erzielt werden. Nichtsdestotrotz sind bürokratische Hemmnisse noch immer eine der größten Wachstumsbremsen in Indien. Im „Ease of Doing Business“-Index der Weltbank erreicht Indien im Jahr 2018 erstmalig Rang 100 von 189 - zum Vergleich: Neuseeland lag im Jahr 2018 auf Rang 1, die USA auf Rang 6, Deutschland auf Rang 20 und China auf Rang 78. Ungefähr gleichauf mit Indien lagen die Dominikanische Republik (99), Fiji (101), Jordanien (103) und Nepal (105). Besonders schlecht schnitt Indien in den Feldern Durchsetzung von Verträgen (164), eine Geschäftstätigkeit aufnehmen (156), und Eigentumsregistrierung (154) ab. Verhältnismäßig gut schneidet das Land hingegen im Hinblick auf den Schutz von Minderheitsinvestoren (4), den Zugang zur Fremdkapitalbeschaffung (Kredite) (29) und beim Zugang zu Elektrizität (29) ab.72 Abbildung 9: Indien: Platzierungen im weltweiten Doing Business Ranking zur Attraktivität von Standorten für Unternehmen 2016 bis 2018 Indiens Platzierung unter 190 Volkswirtschaften 2016-2018 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Doing Business Platzierung 2016 Doing Business Platzierung 2017 Doing Business Platzierung 2018 Quelle: Statista, 5, 2018 70 Auswärtiges Amt Deutschland 4, 2014 71 In der Zeit des „License Raj“ bis Ende der 1980 konnten in kaum einer Branche ohne Lizenzen Geschäfte gemacht werden. Die Lizenzen waren oft sehr detailliert bestimmt und enthielten Vorgaben zu Preis- und Mengenpolitik für Unternehmen. 72 World Bank 5, 2018
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