Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit? - STUDIE

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Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit? - STUDIE
STUDIE

          Eine neue Ära in den
         Beziehungen zwischen
           der EU und China:
             umfassendere
              strategische
           Zusammenarbeit?

                Fachabteilung Aussenbeziehungen
                         Autorin: Anna SAARELA                   DE
            Generaldirektion Externe Politikbereiche der Union
Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit? - STUDIE
GENERALDIREKTION EXTERNE POLITIKBEREICHE
 FACHABTEILUNG

                                       STUDIE
Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen
      der EU und China: umfassendere
       strategische Zusammenarbeit?
                                                                   Autorin: Anna Saarela
ZUSAMMENFASSUNG
Trotz grundlegender Divergenzen, die vor allem mit staatlichen Eingriffen und den
Grundrechten zusammenhängen, ist China für die EU ein wichtiger strategischer Partner. Die
Partnerschaft erlaubt eine Zusammenarbeit zum beiderseitigen Vorteil und Dialog in
vielfältigen Bereichen: von Investitionen über Verkehrswesen und Menschenrechte bis zur
Cybersicherheit.
Auf der Grundlage von Xi Jinpings „Gedankengut für das neue Zeitalter des Sozialismus
chinesischer Prägung“ beschreitet China derzeit neue Wege. Obwohl Präsident Xi wiederholt
bekundet hat, dass dem Markt eine entscheidende Rolle zukommen werde, ist Staatseigentum
weiterhin der Eckpfeiler der chinesischen Wirtschaft, obwohl tiefgreifende Reformen
erforderlich wären, um das Problem der Überkapazitäten in diversen Industriezweigen an der
Wurzel anzugehen. Xis „Belt and Road Initiative“, die inzwischen auch in die Verfassung
aufgenommen wurde, ist ein Leuchtturmprojekt zu internationaler Vernetzung und
Infrastruktur, in dem chinesische Staatsunternehmen eine bestimmende Rolle spielen.
Insgesamt soll der wichtige, aber komplexe Wandel Chinas hin zu einem nachhaltigeren
Wachstum schließlich sowohl China als auch der ganzen Welt zugutekommen. Aufgrund der
Interdependenz der Weltwirtschaft bleiben Folgewirkungen der Neuausrichtung Chinas auf
die globale Wirtschaftsordnung nicht aus.
China nimmt in der Weltordnungspolitik und der internationalen Rechtsordnung eine
Schlüsselrolle ein, die auch mit entsprechender Verantwortung einhergeht. Peking hat damit
begonnen, nicht mehr nur nationale Ziele zu verfolgen, sondern vielmehr eine selbstbewusste
Außen- und Sicherheitspolitik und vermehrte finanzielle, wirtschaftliche und
sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit globaler Reichweite.
China steht auch vor innenpolitischen Herausforderungen: Es gilt, Millionen Menschen aus der
Armut zu befreien und stetig wachsenden Einkommensunterschieden sowie der
Verschlechterung der Lage der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der
vorherrschenden Korruption entgegenzuwirken.

DG EXPO/B/PolDep/Note/2018_04 +105                                                        DE
Juli 2018 - PE 570.493                                               © Europäische Union, 2018
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Fachabteilung, Generaldirektion Externe Politikbereiche

Diese Studie wurde vom Ausschuss für internationalen Handel des Europäischen Parlaments (INTA) und der
Delegation für die Beziehungen zur Volksrepublik China (D-CN) angefordert.
Die englischsprachige Niederschrift wurde am 12. April 2018 fertiggestellt (aktualisiert am 19. Juli 2018).
Gedruckt in Belgien.
Autorin: Anna Saarela mit Beiträgen von Levente Csaszi (Menschenrechte) und Sophie Murphy Byrne (Praktikantin).
Editionsassistenz: Jan Muyldermans und Gyorgyi Macsai
Rückmeldungen aller Art werden gerne entgegengenommen. Bitte kontaktieren Sie dazu die Autorin unter:
anna.saarela@europarl.europa.eu.
Exemplare dieser Studie erhalten Sie auf Anfrage an: poldep-expo@europarl.europa.eu
Dieser Bericht wird in der Online-Datenbank des Europäischen Parlaments veröffentlicht 'Think Tank'.
Der hier niedergeschriebene Inhalt und die hier vertretenen Auffassungen geben die Meinung der Verfasserin wieder und
entsprechen nicht unbedingt dem Standpunkt des Europäischen Parlaments. Die Studie richtet sich an die Mitglieder und
Mitarbeiter des EP für ihre parlamentarische Arbeit. Nachdruck und Übersetzung der Veröffentlichung – außer zu
kommerziellen Zwecken – mit Quellenangabe gestattet, sofern das Europäische Parlament vorab unterrichtet und ihm ein
Exemplar übermittelt wird.
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Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit?

Inhaltsverzeichnis
1      Eckpunkte und wesentliche Entwicklungen                                                   5
2 Die politischen Beziehungen zwischen der EU und
China                                                                                            6
       2.1 Überblick                                           6
       2.2 Die parlamentarische Dimension der Beziehungen EU-
       China                                                  13
3      Handels- und Investitionsbeziehungen EU-China                                           14
       3.1     Überblick                                                                        14
       3.2     Waren- und Dienstleistungshandel                                                 14
       3.3     Bilaterale Investitionsbeziehungen                                               15
       3.4     Ausländische Direktinvestitionen EU-China                                        15
       3.5     Handelsschutz- und Anti-Dumping-Maßnahmen                                        17
4      Jüngste politische Entwicklungen in China                                               19
       4.1 Überblick                                                                            19
       4.2 Parlamentarische Dimension – der 13. Nationale
       Volkskongress                                                                            22
5      Umwelt und Klimawandel                                                                  24
6      Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten                                               25
7      Wirtschaft und Handel                                                                   28
       7.1     Wirtschaftlicher Lagebericht                                                     28
       7.2     Entwicklungspläne und Wirtschaftsreformen                                        31
       7.3     Chinas globale Handelsstrategie                                                  36
       7.4     Handelspolitische Fragen                                                         39
       7.5     Handel und Investitionen                                                         41
       7.6     Digitale Wirtschaft und Cybersicherheit                                          46
       7.7     „Belt and Road Initiative“ (BRI)                                                 49
8      Außen- und sicherheitspolitische Fragen                                                 51

                                                                                                     3
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        8.1      Globale und regionale Sicherheit                   51
        8.2      Beziehungen zwischen China und den ASEAN-Staaten   54
        8.3      Koreanische Halbinsel                              55
        8.4      Beziehungen zwischen China und den USA             57
9       Multilaterale Zusammenarbeit                                58
        9.1      Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank          58
        9.2      Die BRICS-Schwellenmärkte                          58
        9.3      China und Afrika                                   59
Anhang 1: Tarifäre Maßnahmen der USA                                60
Anhang 2: China: Wesentliche Wirtschafts- und
Sozialindikatoren                                                   64
Anhang 3: China: Freihandelsabkommen                                65
Anhang 4: Chinas Sozialpunktesystem. Ein neues Instrument
für strengere Kontrollen?                               66
Anhang 5: Basisdaten                                                68

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Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit?

1              Eckpunkte und wesentliche Entwicklungen
    •      Angesichts der zunehmenden internationalen Spannungen, des sich verschärfenden
           Protektionismus und der Unberechenbarkeit der geopolitischen Entwicklung ist die Zukunft
           weiterhin ungewiss. Hier bieten sich für die EU und China Möglichkeiten, ihr gemeinsames
           Bekenntnis zur Wahrung des auf festen Regeln beruhenden multilateralen
           Handelssystems, zur Bekämpfung des Protektionismus und zu Fortschritten bei der
           Handelsfreiheit unter Beweis zu stellen – ein wichtiges Instrument für nachhaltiges
           Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Eine derartige Möglichkeit wäre ein erfolgreicher
           Abschluss     der   längst    überfälligen    Verhandlungen    über    ein    umfassendes
           Investitionsabkommen zwischen der EU und China. Die EU hegt hinsichtlich der Handels- und
           Investitionsbeziehungen mit China Bedenken, unter anderem in Bezug auf die mangelnde
           Gegenseitigkeit in den Beziehungen, den fehlenden Marktzugang und die ungleichen
           Bedingungen, die ausländische Investoren in China vorfinden. Solange die Bedingungen nicht
           verbessert werden, kann ein Freihandelsabkommen nicht in Betracht gezogen werden.
    •      Präsident Xi hat seine persönliche Macht rasch gefestigt, fördert die ideologische
           Geschlossenheit und verfolgt den Traum von einer großen „Verjüngung Chinas“. Im
           Jahr 2018 wurde Xi Jinpings „Gedankengut für das neue Zeitalter des Sozialismus chinesischer
           Prägung“ per einstimmigem Beschluss als eines der Leitbilder der Partei in der Verfassung
           festgeschrieben und verhalf dem Präsidenten damit zur gleichen gehobenen Stellung wie den
           Gründervätern der Volksrepublik, Mao Zedong und Deng Xiaoping. Auch das Ziel, mit der „Belt
           and Road Initiative“ (BRI) das Leuchtturmprojekt Xi Jinpings zu verfolgen, wurde in die
           chinesische Verfassung aufgenommen. Das Handels- und Investitionsprojekt soll von China
           geförderte Infrastruktur und dessen Vernetzung auf der ganzen Welt unterstützen.
    •      Die Menschenrechtslage in China hat sich während der Regierungszeit von Xi Jinping stetig
           verschlechtert. Die offiziellen Verlautbarungen Chinas und die sich verschlechternde
           Menschenrechtslage stehen in deutlichem Gegensatz zueinander.
    •      Als Reaktion auf die Konjunkturverlangsamung ist China bestrebt, eine „neue Normalität“
           zu erreichen, die durch wirtschaftliche und soziale Reformen gekennzeichnet ist und zu einem
           stärker dienstleistungs- und technologieorientierten Wirtschaftswachstum führen soll,
           wobei Marktkräfte eine entscheidende Rolle spielen sollen. In deutlichem Gegensatz dazu
           beinhaltet Chinas Masterplan für die Zukunft der verarbeitenden Industrie mit dem Titel
           „Made in China 2025“ Zielvorgaben für die Optimierung von Industriestrukturen, indem
           konkrete Marktanteilziele zwecks Verwirklichung einer „Selbstversorgungsgarantie“
           festgelegt werden. Der Plan enthält explizite Zielvorgaben für zehn Branchen und nennt zehn
           zentrale politische Instrumente, mit denen diese Zielvorgaben erreicht werden sollen – wie etwa
           erzwungene Technologietransfers als Gegenleistung für Marktzugang sowie Subventionen und
           staatseigene Unternehmen. Ein Ziel der Reformagenda ist die Konsolidierung staatseigener
           Unternehmen als „Nationale Champions“, um ausländischen Unternehmen und Märkten als
           Weltmarktführer verstärkt Konkurrenz zu machen.
    •      Die Reformen behalten eine „chinesische Ausprägung“ bei und müssen erst noch beweisen,
           ob sie mit einer deutlichen Abkehr von der starken Rolle des Staates in Wirtschaft und
           Gesellschaft verbunden sind. Chinas Wandel erfordert den Umstieg auf ein effizienteres und
           stärker marktorientiertes Wirtschaftsmodell, damit dem immer drängenderen Problem

                                                                                                           5
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Fachabteilung, Generaldirektion Externe Politikbereiche

         der Überkapazitäten begegnet werden kann, das sehr viel weitreichender ist und neben der
         Stahlindustrie mehrere andere Sektoren betrifft. Möglicherweise wird die Umsetzung der
         Reformen zum Abbau der Überkapazitäten das Problem in der Praxis jedoch nicht lösen, da in
         China auch in der Vergangenheit viele Zusagen nicht eingehalten wurden.
    •    Peking erkennt zunehmend an, dass die Erlangung des Status eines „bedeutenden
         Landes“ mit der Übernahme einer entsprechenden Verantwortung einhergeht, indem das
         Land eine zentrale Rolle in der Weltordnungspolitik und in der auf Regeln basierenden
         internationalen Ordnung spielt und den Verpflichtungen nachkommt, die es im Rahmen der G20
         eingegangen ist. China hat etwas Bewegung erkennen lassen, indem das Land von der
         Verfolgung eng gefasster nationaler Ziele zu einer aktiveren Außen- und Sicherheitspolitik
         übergegangen ist, in finanziellen und wirtschaftlichen Fragen weltweit stärker kooperiert sowie
         Terrorismus, Protektionismus, den Klimawandel und Migrationskrisen bekämpft und eine
         gerechte Besteuerung und Lebensmittelsicherheit fördert. Xis Bemerkungen über die
         Unantastbarkeit der Vereinten Nationen, sein Bekenntnis zu einer multipolaren Welt und seine
         Vision über den Aufbau einer Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft zeigen Chinas
         Entschlossenheit, in der internationalen Politik und Wirtschaft mehr Verantwortung zu
         übernehmen.
    •    Zu verhindern, dass der Schutz wirtschaftlicher und strategischer Interessen in
         katastrophale Konflikte umschlägt, muss das oberste Ziel aller – auch der großen –
         Volkswirtschaften sein. In Asien verfolgt China weiterhin eine energische Außenpolitik, mit
         anhaltenden Territorialkonflikten mit seinen Nachbarn. Aus Sorge um eine rasche Eskalation der
         Spannungen auf der Koreanischen Halbinsel hat China Nordkorea dazu aufgefordert, im Rahmen
         von verabschiedeten Resolutionen der Vereinten Nationen seine Nuklear- und Raketentests
         einzustellen. China hat außerdem den wirtschaftlichen Druck auf Pjöngjang kontinuierlich
         erhöht, die Ausfuhr von Öl, Stahl und anderen Metallen nach Nordkorea begrenzt und den
         Import von Kohle aus Nordkorea 2017 unterbrochen.
    •    Das unvorhergesehene Treffen zwischen Xi Jinping und dem nordkoreanischen
         Staatsführer, Kim Jong-un, hat das Engagement beider Seiten für eine Lösung zur
         Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel und für eine Normalisierung der bilateralen
         Beziehungen erneuert. Als wichtigster Handelspartner und Hauptlieferant für Nahrungsmittel
         und Energie hat China gegenüber Nordkorea einen strategischen Vorteil. Peking hat sich
         wiederholt für die Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche eingesetzt, den
         multilateralen Rahmen zur Denuklearisierung Nordkoreas. Am 8. Mai 2018 fand der
         nordkoreanische Staatsführer sich im Vorfeld des Gipfeltreffens zwischen Nordkorea und den
         USA am 12. Juni 2018 zu einem weiteren überraschenden Besuch beim chinesischen Präsidenten
         ein.

2             Die politischen Beziehungen zwischen der EU und China
2.1           Überblick
Die Beziehungen              Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und China sind im
zwischen der                 Rahmen der 2003 gegründeten strategischen Partnerschaft weit
Europäischen Union
                             fortgeschritten. Die Agenda 2020 für die Zusammenarbeit EU-China, ein im
(EU) und China sind im
                             Jahr 2013 angenommenes gemeinsames Dokument der obersten Ebene, gilt als
Rahmen der 2003
                             Leitfaden für die umfassende strategische Partnerschaft zwischen der EU und
gegründeten

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Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit?

strategischen             China. Angesichts der Veränderungen sowohl in der EU als auch in China und
Partnerschaft weit        angesichts Chinas erneuert unterstrichener Absicht, sich international
fortgeschritten.          aufzustellen, hat die EU in ihrer Gemeinsamen Mitteilung „Elemente für eine neue
                          China-Strategie der EU“, (angenommen am 22. Juni 2016) ihre eigenen Interessen
                          festgehalten.
Die EU erwartet von       In der Gemeinsamen Mitteilung schreibt die EU, dass sie von China erwartet, dass
China, Verantwortung      es der Verantwortung, die mit seinem weltpolitischen Einfluss einhergeht,
entsprechend seiner       nachkommt und die auf Regeln basierende Weltordnung unterstützt, von der es
globalen Bedeutung zur    selbst profitiert. Um eine höchstmögliche Kohäsion und Wirksamkeit in der EU
übernehmen und die
                          sicherzustellen, bedarf es bei einem solch einzigartigen strategischen Partner
auf Regeln beruhende
internationale Ordnung
                          wie China eines gesamteuropäischen Ansatzes. Die Beziehung der EU zu China
zu unterstützen.          sollte auf politischer und wirtschaftlicher Ebene zu gegenseitigen Vorteilen
                          führen. Insbesondere muss der chinesische Markt für europäische Unternehmen
                          und Investitionen geöffnet werden. Oberste Prioritäten der EU bleiben weiterhin
                          der Abschluss des Umfassenden Investitionsabkommen zwischen der EU und
                          China (siehe Kapitel 3.3. Seite 15), das für eine echte Gegenseitigkeit beim
                          Marktzugang, gleichwertige Bedingungen und ein zuverlässiges und
                          transparentes ordnungspolitisches Umfeld für Investoren und Investitionen
                          sorgen      würde.    Ein    tiefgreifendes   und     umfassendes    bilaterales
                          Freihandelsabkommen würde ehrgeizigeren Reformen unterliegen, z. B. einer
                          Liberalisierung der chinesischen Wirtschaft und einer Einschränkung der Stellung
                          der Staatsunternehmen sowie der damit einhergehenden Schaffung gleicher
Mit der neuen China-      Bedingungen für in- und ausländische Unternehmen. Die strategische
Strategie der EU wird     Zusammenarbeit der EU mit China umfasst drei Schwerpunktbereiche:
eine engere               Wohlstands- und Reformagenda, Außenpolitik und Sicherheit sowie
Zusammenarbeit mit        Weltordnungspolitik und multilateraler Kontext.
China in drei
wesentlichen Bereichen    Hinsichtlich der Wohlstands- und Reformagenda verfolgt die EU das Ziel einer
gefordert:                größeren Öffnung des chinesischen Markts sowie sicherzustellen, dass sämtliche
– Wohlstands- und         Aspekte ihrer Handels- und Investitionsbeziehung mit China von Gegenseitigkeit
Reformagenda,             und Wettbewerbsgleichheit geprägt sind. Die Strategie passt zur „Trade for All“-
– Außenpolitik und        Strategie und berücksichtigt die in der Entschließung des Europäischen
Sicherheit sowie          Parlaments über die Beziehungen zwischen der EU und China festgehaltene
– Weltordnungspolitik
                          Standpunkte. Sie verweist auf Chinas Verpflichtung gegenüber der WTO, u. a.
und multilateraler
                          Subventionen zu melden und die staatlich geleitete Wirtschaft zu
Kontext.
                          reformieren, sodass ein größerer Spielraum für Marktkräfte besteht, damit
                          Probleme wie die industriellen Überkapazitäten angegangen werden
                          können.
                          Hinsichtlich Außenpolitik und Sicherheit fordert die EU von China eine stärkere
                          Befolgung der internationalen Regeln und Normen (z. B. Einhaltung des VN-
Auch wird Chinas          Seerechtsübereinkommens und die friedliche Beilegung des Streits um die Inseln
Beitrag zu Frieden und    im Südchinesischen Meer unter Beachtung des ASEAN-Verhaltenskodex) und die
Sicherheit in östlichen   Mobilisierung von Ressourcen, um einen Beitrag zur Sicherheit als globales
und südlichen             öffentliches Gut zu leisten, z. B in Afghanistan und Syrien. China gilt auch als ein
Nachbarregionen der EU    wichtiger Akteur, um in der östlichen und südlichen Nachbarschaft der EU
geschätzt.                mit für Frieden und Sicherheit zu sorgen, und als unverzichtbarer Partner, um
                          gemeinsame Ziele in Bezug auf die Abrüstung, die Nichtverbreitung von

                                                                                                       7
Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit? - STUDIE
Fachabteilung, Generaldirektion Externe Politikbereiche

                            Waffen, die Terrorismusbekämpfung und das Internet (siehe Kapitel 7.6.
                            Seite 46) zu erreichen. Internationale Sicherheit und Denuklearisierung der
                            Koreanischen Halbinsel mit dem Ziel, in der Region und darüber hinaus für
                            Sicherheit zu sorgen, stehen sowohl für die EU als auch für China an oberster
                            Stelle.
                            Mit Blick auf die globale Ordnungspolitik setzt die EU bei ihrer Strategie für
                            China auf gemeinsame Lösungen für globale Herausforderungen (z. B.
                            Klimawandel und Umweltprobleme, Migration, humanitäre Krisen usw.), auf die
                            Förderung eines wirksamen Multilateralismus und einer auf festen Regeln
                            beruhenden Weltordnung sowie auf die Wahrung des Völkerrechts und
                            universeller Werte.
                            Zur Unterstützung der Reformen in China wird in der EU-Strategie betont, dass es
                            notwendig ist, die Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und die Zivilgesellschaft
                            zu stärken. Es wird außerdem unterstrichen, dass es die Rolle des jährlichen
                            Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und China zu stärken gilt. Auch der EU-
                            China-Rechtsdialog, der im Juni 2016 ins Leben gerufen wurde, beschäftigt sich
                            mit Fragen zur Rechtsstaatlichkeit. Zum Streit um die Inseln im Südchinesischen
                            Meer und die Menschenrechte in China sagte Kommissionspräsident Juncker im
                            Februar 2018, dass es hier keine gemeinsame Position der EU gebe.
                            Während des achten hochrangigen strategischen Dialogs zwischen der EU und
Während des achten
strategischen Dialogs       China am 1. Juni 2018 wurden zahlreiche Themen zur Vorbereitung auf den
zwischen der EU und         20. bilateralen Gipfel vom 16. bis 17. Juli 2018 behandelt. Die Führungsspitzen
China am 1. Juni 2018       der EU und Chinas gaben eine gemeinsame Gipfelerklärung ab, die auch
wurden zahlreiche           Ausführungen zu den Themen Klimawandel und umweltfreundliche Energie
Themen zur                  enthielt. Letzteres zeigt die Bedeutung des Kampfes gegen den Klimawandel und
Vorbereitung auf den        der multilateralen Zusammenarbeit bei der Umsetzung des Übereinkommens
anstehenden Gipfel vom      von Paris aus dem Jahr 2015. Die Führungsspitzen bekräftigten ihre Bereitschaft,
16. und 17. Juli 2018       die globale Dimension ihrer Partnerschaft für Frieden, Sicherheit,
behandelt.
                            Wirtschaftswachstum und nachhaltiges Wachstum, Reform und Zivilisation durch
                            Umsetzung der Strategischen Agenda für Zusammenarbeit 2020 zwischen der EU
                            und China zu vertiefen und zu stärken. Die Hauptthemen auf der Tagesordnung
Während der chinesisch-     umfassten       die      laufenden     Verhandlungen      zum      umfassenden
europäischen                Investitionsabkommen zwischen der EU und China; den gemeinsamen Einsatz für
Gipfeltreffen der Jahre     eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) als Schnittstelle des auf Regeln
2016 und 2017 wurde         basierenden multilateralen Handelssystems sowie die Schaffung von Synergien
klar, dass die Beziehung    zwischen der „Belt and Road Initiative“ Chinas im Rahmen der
sich schwierig              Vernetzungsplattform zwischen der EU und China und dem EU-Investitionsplan
gestaltete.                 (Transeuropäisches Verkehrsnetz – TEN-V). Neben den bilateralen Themen
                            Außenpolitik und mit der Sicherheitsagenda zusammenhängende Themen wie
                            das Atomabkommen mit dem Iran (JCPOA); die Situation auf der Koreanischen
                            Halbinsel; der Friedensprozess in Afghanistan; eine Zwei-Staaten-Lösung im
                            Nahen Osten; der Syrienkonflikt und die Stabilisierung Libyens sowie
                            Zusammenarbeit zu Afrika. Beide Seiten begrüßten auch die Ausrichtung des
                            Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und China im Juli 2018.
Fortschritte erzielt
                            Auf dem Gipfeltreffen im Juli 2018 einigten die EU und China sich darauf, das
wurden bei den
                            Kooperationsabkommen über und zum Schutz von geografischen Angaben zu

   8
Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit? - STUDIE
Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit?

Verhandlungen über ein          beschleunigen, um die Verhandlungen möglichst bis Oktober 2018
Kooperationsabkomme             abzuschließen. Im Juni 2017 wurden Fortschritte bei den Verhandlungen zum
n über und zum Schutz           Abkommen über geografische Angaben erzielt, in dem die EU und China sich auf
von geografischen               die Veröffentlichung von einhundert geografischen Angaben durch beide Seiten
Herkunftsangaben.
                                einigten. Dies eröffnete den Prozess zum Schutz der gelisteten Produkte mit
                                geografischen Angaben vor Nachahmung und Missbrauch. Erwartet werden
                                dadurch Handelsvorteile für beide Seiten sowie ein erhöhtes Bewusstsein der
                                Verbraucher für Qualitätsprodukte.
                                Anders als in der Vergangenheit (und wie es beim 18. Gipfeltreffen zwischen der
                                EU und China noch der Fall war) gab es auf dem 19. Gipfeltreffen zwischen der EU
                                und China, das im Juni 2017 in Brüssel stattfand, keine gemeinsame
                                Gipfelerklärung. Auf beiden Gipfeltreffen wurden voneinander abweichende
                                Haltungen seitens der EU und Chinas offensichtlich, etwa durch Chinas Versuch,
                                die EU zu überzeugen, Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen
                                der EU und China aufzunehmen und den Marktwirtschaftsstatus Chinas in der
Die EU und China                WTO anzuerkennen. Um den Auswirkungen von Chinas Überkapazitäten im
vereinbarten 2016, eine         Stahlbereich auf die EU zu begegnen, haben die EU und China sich 2016 auf die
bilaterale                      Einrichtung einer „bilateralen Stahlplattform“ geeinigt, die ähnliche Ziele verfolgt
„Stahlplattform“
                                wie das Globale Forum zu Stahlüberkapazitäten. Obwohl der Schwerpunkt der
einzurichten, um Chinas
                                Gespräche auf Chinas Stahlproduktion lag, haben zahlreiche andere
Überkapazitäten zu
bewältigen.
                                Industriezweige in der EU Bedenken hinsichtlich der Überkapazitäten Chinas.
                                Auf dem 18. EU-China-Gipfelwurde 2018 zum europäisch-chinesischen Jahr des
                                Tourismus erklärt und am 19. Januar 2018 eingeläutet. Parallel dazu fand der erste
                                Tourismusgipfel zwischen der EU und China statt. Aufbauend auf dem Erfolg des
                                „EU-China Blue Year“ 2017 zu Meeresfragen schlossen die EU und China auf dem
                                Gipfeltreffen im Juli 2018 ein Partnerschaftsabkommen über die Ozeane.
                                Der 13. Wirtschaftsgipfel zwischen der EU und China vom 16.–17. Juli 2018 gab
                                europäischen und chinesischen Politikern die Gelegenheit, sich mit Vertretern der
                                Wirtschaft über wirtschaftsrelevante Themen auszutauschen, darunter das
                                bilaterale Investitionsabkommen zwischen der EU und China, die
                                Digitalwirtschaft, den Klimawandel und Nachhaltigkeit sowie Vernetzung.

                                Handel und Investitionen zwischen der EU und China (siehe Kapitel 3, Seite 14)
Die EU und China                Die EU und China gehören nicht nur zu den größten Handelsmächten der Welt,
gehören nicht nur zu            die EU ist auch Chinas wichtigster Handelspartner und China ist zweitgrößter
den größten                     Handelspartner der EU. China ist zum Knotenpunkt globaler Lieferketten
Handelsmächten der
                                geworden und der wichtigste Handelspartner für schätzungsweise 120 Länder
Welt, die EU ist auch
                                und Regionen. Technologische Entwicklungen, wirtschaftliche Innovationen
Chinas wichtigster
Handelspartner.
                                und sinkende Handelskosten verändern globale Produktionsmuster weiterhin.
                                Zwischenerzeugnisse für Chinas Wirtschaft werden in zunehmendem Maße im
                                eigenen Land beschafft. Der Wandel in der globalen Wertschöpfungskette setzt
                                Volkswirtschaften, die eng in die „asiatische Wertschöpfungskette“ eingebunden
                                sind, unter Wettbewerbsdruck 1 . Einige EU-Länder haben in der jüngeren
                                Vergangenheit einen proaktiveren Ansatz der EU gegenüber China gefordert,

    1
        IWF-Arbeitspapier , Quantifying the Spill-overs from China Rebalancing, veröffentlicht am 15. November 2016.

                                                                                                                       9
Fachabteilung, Generaldirektion Externe Politikbereiche

                              insbesondere bei Politikinitiativen der EU wie dem laufenden Vorhaben eines EU-
                              weiten Rahmens für die Überprüfung von Investitionen.
                              Am 28. Mai 2018 hat der Ausschuss für internationalen Handel (INTA) des EP
                              einen Entwurf einer legislativen Entschließung zum Vorschlag der Kommission
Einige der wichtigsten        vom 13. September 2017 für eine Verordnung zur Schaffung eines Rahmens für
Partner der EU, darunter      die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (ADI) angenommen. Am
China, Australien,            13. Juni 2018 einigte sich der Rat der EU auf eine gemeinsame Haltung zur
Kanada, Indien, Japan         vorgeschlagenen Verordnung, sodass eine baldige Aufnahme der
und die USA, haben            Verhandlungen zwischen den beiden Institutionen erwartet wird. Mehrere der
Prüfmechanismen, um
                              wichtigsten Partner der EU, darunter China, Australien, Kanada, Indien, Japan
möglichen ADI-Risiken
                              und die USA haben Prüfmechanismen, um möglichen ADI-Risiken
entgegenzuwirken.
                              entgegenzuwirken.
                              EU-China: „Belt and Road Initiative“ (BRI)

Die EU hat keine              Es gibt keine einheitliche Haltung der EU zur „Belt and Road Initiative“ (BRI).
einheitliche Position zur     Zudem wurden Bedenken über den „Teile-und-Herrsche“-Ansatz Pekings
„Belt and Road                gegenüber der EU geäußert. Dass innerhalb der EU geteilte Haltungen herrschen,
Initiative“.                  zeigte sich im April 2018, als 27 der 28 Botschafter der EU-Mitgliedstaaten in
                              Peking einen Bericht veröffentlichten, in dem Bedenken über die ADI Chinas
                              angesprochen wurden, da diese der Agenda der EU über die Liberalisierung des
                              Handels zuwiderliefen und die Machtverhältnisse zugunsten subventionierter
                              Unternehmen aus China verschöben.
Das sogenannte 16+1-          Darüber hinaus hat das sogenannte 16+1-Bündnis Spannungen zwischen China
Bündnis hat zu                und der EU hervorgerufen. China hat Absichtserklärungen mit allen 16 mittel-
Spannungen zwischen           und osteuropäischen Ländern (MOEL) 2 unterzeichnet, darunter Bulgarien, der
China und der EU              Tschechischen Republik, Ungarn, Polen und den drei baltischen Staaten, die sich
geführt.
                              bereit erklärt haben, sich der BRI anzuschließen. Im Kommuniqué seines
                              6. jährlichen Gipfeltreffens am 27. November 2017 in Ungarn nennt das Bündnis
                              die Handels- und Investitionsförderung als eine seiner Prioritäten. Daten des
                              chinesischen Handelsministeriums zufolge erreichte das Handelsvolumen
                              zwischen China und den 16 MOE-Ländern 2017 67,98 Milliarden USD, was im
                              Vergleich zu 2016 einem Anstieg um 15,9 % entspricht. Der 7. 16+1-Gipfel soll am
Die Europäische               6. und 7. Juli 2018 in Bulgarien stattfinden. Die chinesischen Investitionen in den
Kommission prüft              16 MOE-Ländern überstiegen 2017 9 Milliarden USD; 20 Projekte wurden
derzeit ein Bauprojekt        abgeschlossen oder befinden sich in der Umsetzung, darunter eine
für eine Eisenbahnlinie       Eisenbahnlinie zwischen Ungarn und Serbien (wofür Serbien ein Darlehen in
zwischen Budapest und
                              Höhe von 297,6 Millionen USD von der chinesischen Bank Exim aufgenommen
Belgrad, das ein
                              hat). Die Europäische Kommission prüft derzeit die EU-Rechtskonformität des
wichtiges ADI-Projekt in
der Region darstellt, auf     Projekts in Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen Finanzvorschriften (wie
mögliche Verstöße             die EU-Transparenzvorschriften für öffentliche Ausschreibungen). Der Bau des
gegen                         ungarischen Abschnitts der Eisenbahnlinie soll rund 2,1 Milliarden USD kosten
Transparenzanforderun         und 2020 beginnen, wobei 85 % der Kredithöhe durch die chinesische Bank Exim
gen der EU bei                bereitgestellt werden.

    2
     Elf EU-Mitgliedstaaten (Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, die
    Slowakei, Slowenien) und fünf Balkanstaaten (Albanien, Bosnien-Herzegowina, die ehemalige jugoslawische
    Republik Mazedonien sowie Serbien und Montenegro).

  10
Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit?

öffentlichen                 Die ehrgeizige „Belt and Road Initiative“, Xi Jinpings Leuchtturmprojekt für
Ausschreibungen.             zwischenstaatlichen Handel, in dessen Rahmen von China geförderte vernetzte
                             Infrastruktur auf der ganzen Welt gebaut wird, sollte Möglichkeiten für
ADI müssen offene,
                             regionale produktivitätssteigernde Wertschöpfungsketten bieten. Der Erfolg
transparente und
                             von Projekten wie der „Belt and Road Initiative“ hängt von ihrem Mehrwert für
inklusive Projekte sein,
die internationalen und      alle Seiten ab – nicht nur für China und Europa, sondern auch für etwaige
multilateralen               beteiligte Drittländer. Dazu muss die BRI offen, transparent und inklusiv sein und
Marktregeln,                 internationalen und multilateralen Marktregeln, Anforderungen und Standards
Anforderungen und            entsprechen.
Standards entsprechen.
                             Weitreichende bilaterale Zusammenarbeit zwischen der EU und China
                             Neben den jährlichen Gipfeltreffen spiegeln über 60 hochrangige Dialoge den
                             weitreichenden Umfang der bilateralen Kooperation wider. Zu den gemeinsam
                             bestimmten Schwerpunktbereichen für die Zusammenarbeit zählen
                             Menschenrechte, Landwirtschaft und Biotechnologie, nachhaltige Urbanisierung
                             mit ihren unterschiedlichen Dimensionen wie Energie, Umwelt und Klimawandel
                             (siehe Kapitel 5, Seite 24), Verkehr, IKT, Sozial- und Geisteswissenschaften sowie
                             Luftverkehr.
                             Die europäische-chinesische „Vernetzungsplattform“

Im Rahmen der                Die „Vernetzungsplattform“ EU-China (errichtet am 29. Juni 2016) kam am Rand
sogenannten                  des EU-China-Gipfels 2018 zum dritten Mal zusammen und bewirkte ein höheres
„Connectivity Platform“      gegenseitiges Verständnis der europäischen und chinesischen Verkehrspolitik
tauschen die EU und          sowie eine Prüfung von Synergien in Hinblick auf Infrastrukturvorhaben und
China sich über              Investitionsprojekte von gemeinsamem Interesse im Verkehrswesen wie das
Verkehrspolitik aus, z. B.   transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V) in der EU (es wurde eine Liste
über den Rahmen für          europäischer Verkehrsinfrastrukturprojekte vorgestellt) und die Projekte Chinas
transeuropäische
                             in Zentralasien im Rahmen der „Belt and Road Initiative“. Die gemeinsame
Verkehrsnetze (TEN-V)
                             Vernetzungsplattform soll die Vernetzung durch kompatible See-, Land- und
und die chinesischen
ADI-Projekte.                Luftverkehrsnetze sowie Energie- und Digitalnetze auf direkte und indirekte
                             Weise fördern.
                             In diesem Zusammenhang ebenfalls zu nennen ist das Seeverkehrsabkommen
                             zwischen der Kommission, den EU-Mitgliedstaaten und China aus dem Jahr 2002.
                             Am 8. Dezember 2017 schlossen die EU und China Verhandlungen für zwei
                             Abkommen ab, das bilaterale Abkommen über die Sicherheit der Zivilluftfahrt
                             und das horizontale Luftverkehrsabkommen. Sie sollen den Marktzugang
                             erleichtern, die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Luftfahrtindustrie stärken und die
                             weitere bilaterale Zusammenarbeit in der Luftfahrt fördern. Die Umsetzung des
                             „Near-term Action Plan of the EU-China Connectivity Platform’“ (Kurzfristiger
                             Aktionsplan der Vernetzungsplattform EU-China) soll die Vernetzung im
                             Infrastrukturbereich zwischen der EU und China weiter fördern.
                             Partnerschaft EU-China: Horizont 2020
Auch im Rahmen von           Auch in Bezug auf weitere Aspekte der bilateralen Beziehungen zwischen der EU
Horizont 2020, einem         und China wurden gute Fortschritte erzielt, wie etwa bei der EU-China-
der EU-
                             Partnerschaft im Rahmen von Horizont 2020, eines der Schwerpunktprogramme
Schlüsselprogramme zu
                             der EU im Bereich Forschung, Innovation und technologische Entwicklung mit
Innovation und
                             einem Budget von 80 Milliarden EUR für ein Arbeitsprogramm im Zeitraum 2018–

                                                                                                       11
Fachabteilung, Generaldirektion Externe Politikbereiche

technischer                2020. Chinesische Forscher und Unternehmen können sich dabei als
Entwicklung, macht die     gleichwertige Partner beteiligen und mit europäischen Forschungsteams
bilaterale Partnerschaft   zusammenarbeiten. Am 26. März 2018 wurde die erste Aufforderung zur
zwischen der EU und        Einreichung von Vorschlägen/gemeinsamen Vorhaben von europäischen und
China gute Fortschritte.
                           chinesischen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen im
                           Rahmen des EU-China Co-funding Mechanism for Research and Innovation (CFM)
                           veröffentlicht.    Die     am     3. Mai   2012     ins    Leben    gerufene
                           Urbanisierungspartnerschaft ist eine strategische Forschungs- und
                           Innovationskooperation im Bereich nachhaltiger Urbanisierung zwischen der EU
                           und China, die in Gestalt mehrerer gemeinsamer Projekte im Rahmen des siebten
                           Rahmenprogramms und Horizont 2020 stattfindet.
                           EU-China: Zusammenarbeit im Energiesektor
                           Ein hochrangiger Dialog zur Zusammenarbeit im Energiesektor zwischen der EU
Die                        und China auf der Basis des Fahrplans für die Zusammenarbeit zwischen der EU und
Energiezusammenarbeit
                           China im Energiesektor (2016-2020) umfasst insbesondere die Themen
zwischen der EU und
                           erneuerbare Energie, intelligente Stromnetze und Energieeffizienz im Bausektor,
China umfasst einen
spezifischen
                           Marktmechanismen für den Umweltschutz, saubere Kohle und Atomenergie. Das
hochrangigen               Arbeitsprogramm 2017–2018 des EU-China-Fahrplans für Zusammenarbeit im
Energiedialog und deckt    Energiesektor wurde am Rand des 19. EU-China-Gipfels im Juni 2017 unterzeichnet.
insbesondere               China war bisher der größte Einzelempfänger von finanzieller und technischer Hilfe
erneuerbare Energien,      der EU in den Bereichen Energie und Klimawandel. In der gemeinsamen Erklärung
intelligente Netze und     vom 16. Juli 2018 haben die EU und China erklärt, dass sie die politische, technische,
Energieeffizienz ab.       wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet des
                           Klimaschutzes und zugunsten umweltfreundlicher Energie deutlich stärken
                           werden.
                           EU-China: Sicherheits- und Verteidigungsdimension
                           Die Sicherheits- und Verteidigungsdimension der Beziehungen zwischen der EU
Die Sicherheits- und
Verteidigungsdimension     und China wächst stetig. Die EU ist dafür, dass im Rahmen der Cyber-Taskforce
der Beziehungen            EU-China ein regelmäßiger und substanzieller Dialog der EU mit China
zwischen der EU und        eingerichtet wird, um nach mehr Gemeinsamkeiten in Bezug auf Abrüstung,
China wächst stetig.       Nichtverbreitung, Terrorismusbekämpfung, Migration und Cybersicherheit zu
                           suchen.
                           Während die Haltung der EU zum Waffenembargo gegen China unverändert
                           bleibt, macht China Fortschritte auf dem Gebiet der internationalen
                           Sicherheitszusammenarbeit mit Europa nicht mehr von der Aufhebung des
                           Embargos abhängig.
                           Die EU und China haben bei der Bekämpfung der Piraterie eine erfolgreiche
                           praktische Zusammenarbeit, etwa im Rahmen des ersten Marineeinsatzes der EU
                           und der ATALANTA-Mission der EU mit Unterstützung der Marine der
                           chinesischen Volksbefreiungsarmee. Der Aktionsplan für die Zusammenarbeit
                           der Zollbehörden Chinas und der EU im Bereich der Rechte des geistigen
                           Eigentums (2018–2020) war eine der Prioritäten des Strategischen Rahmens
                           zwischen der EU und China.
                           Auf dem Friedens- und Sicherheitsforum EU-China 2017 wurden mehr konkrete
                           Kooperationsprojekte gefordert, insbesondere auf der Koreanischen Halbinsel

  12
Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit?

                           (siehe Kapitel 8.3, Seite 55), in Afrika, im Nahost-Friedensprozess, in Syrien,
                           Afghanistan und in Bezug auf das Atomabkommen mit Iran. Ein multilaterales
                           Vorgehen gegen Sicherheitsprobleme in der Nachbarschaft der EU erfordert
                           außenpolitisches Wirken zusammen mit China, das dem VN-Sicherheitsrat als
                           ständiges Mitglied angehört.

2.2          Die parlamentarische Dimension der Beziehungen EU-China
Die EP-Delegation für      Die Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zur
die Beziehungen zur        Volksrepublik China beobachtet zusammen mit den EP-Ausschüssen,
Volksrepublik China        insbesondere den Ausschüssen für auswärtige Angelegenheiten (AFET) und für
beobachtet die             internationalen Handel (INTA), aufmerksam die Entwicklung des Verhältnisses
Entwicklung des
                           EU-China mit Blick auf Politik, Wirtschaft und Handel.
Verhältnisses zwischen
der EU und China mit       Der Nationale Volkskongress Chinas setzte den regelmäßigen Austausch in Form
Blick auf Politik,         der interparlamentarischen Treffen Mitte September 2016 aus, indem es das
Wirtschaft und Handel      geplante interparlamentarische Treffen kurzfristig absagte, da es mit dem
aufmerksam.                Besuch des Dalai Lama in Straßburg am 15. September 2016 zusammenfiel, der
                           dort vor dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten sprach und Martin
                           Schulz, den damaligen Präsidenten des europäischen Parlaments, traf.
Das                        Das 40. Interparlamentarische Treffen fand am 15. und 16. November 2017 in
40. interparlamentarisch   Straßburg statt, nachdem die Treffen von China über ein Jahr lang ausgesetzt
e Treffen fand am 15.      worden waren. Zwischen den Parlamentsmitgliedern fand ein angeregter
und 16. November 2017
                           Meinungsaustausch         zur      Koreanischen         Halbinsel,   globalen
in Straßburg statt,
                           Sicherheitsproblemen, zum Klimawandel, Handel und Investitionen sowie zu
nachdem die Treffen
von China über ein Jahr
                           Cybersicherheit und digitaler Wirtschaft statt. Die chinesischen Abgeordneten
lang ausgesetzt worden     informierten die Mitglieder der Europäischen Parlaments über die Ergebnisse
waren.                     des 19. Kongresses der Kommunistischen Partei im Oktober 2017.
                           Das 41. Interparlamentarische Treffen zwischen EP und China fand vom 7. bis
                           9. Mai 2018 in Peking und Hangzhou (China) statt.
                           Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Parlaments (AFET) in
                           Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für internationalen Handel (INTA) und dem
                           Ausschuss        für   Umweltfragen,        öffentliche    Gesundheit     und
                           Lebensmittelsicherheit (ENVI) haben im April 2018 einen Initiativbericht über
                           den Stand der Beziehungen zwischen der EU und China (2017/2274 INI)
                           erstellt. Über den Entwurf einer Entschließung des Europäischen Parlaments soll
                           auf der Plenartagung im September 2018 abgestimmt werden.

                                                                                                      13
Fachabteilung, Generaldirektion Externe Politikbereiche

3             Handels- und Investitionsbeziehungen EU-China
3.1           Überblick
Obwohl die EU und China     Obwohl die EU und China sehr enge Wirtschaftsbeziehungen pflegen, wird das
sehr enge                   Geschäftsklima in China gegenüber EU-Investitionen und dem EU-Handel als
Wirtschaftsbeziehungen      schwierig erachtet. Der Mangel an Gegenseitigkeit, ein fehlender Marktzugang
pflegen, wird das           sowie der Mangel an fairen Wettbewerbsbedingungen für ausländische
Geschäftsklima in China
                            Investoren in China sind Grund zur Besorgnis in der EU, da chinesische
gegenüber EU-
                            Investitionen gleichzeitig Freiheiten in der EU genießen und die Zuflüsse
Investitionen und dem
EU-Handel als schwierig     zunehmen. Die Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und
erachtet.                   China sollten auf der Grundlage eines gemeinsamen Verständnisses des wechsel-
                            und gegenseitigen Nutzens verstärkt werden. Chinas Wirtschaftsreformen,
                            insbesondere Reformen, die die Rolle des Marktes stärken und faire
                            Wettbewerbsbedingungen schaffen, sind die Basis für eine Vertiefung der
                            bilateralen Beziehungen.

3.2           Waren- und Dienstleistungshandel
Auch 2017 war die EU        Auch 2017 war die EU Chinas größter Handelspartner, und China ist nach den
Chinas wichtigster          USA der größte Warenhandelspartner für die EU. Der Warenhandel zwischen der
Handelspartner.             EU und China hat einen Wert von über 1,5 Mrd. EUR pro Tag. Der Handel mit
                            China weist einen Wert von insgesamt 375 Mrd. EUR im Zusammenhang mit EU-
                            Wareneinfuhren und 198 Mrd. EUR im Zusammenhang mit EU-Warenausfuhren
                            auf. Die EU verzeichnet auch weiterhin ein bedeutendes Handelsdefizit mit
                            China, das sich im Jahr 2017 auf 176 Mrd. EUR belief.
Abbildung 1:                                                  Einfuhren aus    Ausfuhren nach   Differenz
EU-Handel mit China                                               China:           China:
                             Warenhandel im Jahr 2017:
                                                                       374,6           198,2         -176,4
                                          (in Mrd. EUR)
                              % des EU-Gesamthandels                  20,2 %          10,5 %
                              Dienstleistungshandel im                  29,6            38,3           +8,8
                                              Jahr 2016:
                                           (in Mrd. EUR)
                              % des EU-Gesamthandels                   3,9 %           4,6 %
                             Quelle: Eurostat; GD Handel
Beide Seiten würden von      Die EU räumt einem Abkommen mit China über geografische Angaben für den
einem Abkommen über          Schutz von Nahrungsmittelbezeichnungen nach den höchsten internationalen
geografische Angaben         Standards große Priorität ein. Auf dem EU-China-Gipfel im Juni 2017 wurde eine
nach den höchsten
                             Einigung über die Veröffentlichung von 100 Bezeichnungen auf beiden Seiten
Standards profitieren.
                             erzielt. Das Abkommen aus dem Jahr 2012 zwischen China und der EU über den
                             Schutz von 10 landwirtschaftlichen Produkten und Nahrungsmitteln mit
                             geografischen Angaben in den Hoheitsgebieten beider Regionen hat gezeigt,
                             dass beide Parteien Nutzen aus dem Abschluss eines Abkommens über
                             geografische Angaben nach den höchsten internationalen Schutzstandards
                             ziehen können.

    14
Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit?

                              China bleibt für die EU weiterhin ein Schwerpunktland mit Blick auf den Schutz
                              und die Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte (IPR). Über 80 % der
                              gefälschten und raubkopierten Waren, die beschlagnahmt werden, kommen
                              aus China oder Hongkong.

3.3           Bilaterale Investitionsbeziehungen
Die ausländischen             Die ausländischen Direktinvestitionen (ADI) bringen der EU bedeutende
Direktinvestitionen (ADI)     Vorteile, sorgen für die Einbindung europäischer Unternehmen in globale
bringen der EU                Wertschöpfungsketten, steigern Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit und
bedeutende Vorteile wie       Ressourcenallokation, bringen darüber hinaus Kapital, Technologien,
Wachstum und
                              Kompetenz und Innovation und eröffnen der Exportwirtschaft der EU neue
Arbeitsplätze.
                              Märkte.
                              Das Investitionsabkommen zwischen der EU und China

Die im Jahr 2013              Die im Jahr 2013 eingeleiteten Verhandlungen über das erste bilaterale
eingeleiteten                 umfassende Investitionsabkommen der EU bilden mit Blick auf die Vertiefung
Verhandlungen über das        und Neuordnung der Beziehungen zu China die Hauptpriorität der EU. Ziel ist es,
erste bilaterale              denselben Grad an Offenheit auf Chinas Märkten zu erreichen, der bereits auf
umfassende                    den Märkten der EU vorhanden ist. Der Marktzugang soll erleichtert werden,
Investitionsabkommen          indem sowohl diskriminierende als auch quantitative Beschränkungen beseitigt
der EU bilden mit Blick auf   werden. Wichtige Aspekte für die EU sind der Schutz von Investitionen und
die Vertiefung und
                              Investoren sowie der gegenseitige Marktzugang. Die bilateralen
Neuordnung der
                              Investitionsabkommen der EU-Mitgliedstaaten mit China sehen keinen
Beziehungen zu China die
Hauptpriorität der EU.        Marktzugang für Investitionen vor.
                        Seitdem haben 17 Verhandlungsrunden stattgefunden, die letzte vom 22. bis
                        zum 24. Mai 2018. Zu den verhandelten Fragen zählen der Zugang zu und
Größere Ziele wie ein
                        Schutz von Investitionsmärkten, ein regulatorischer Rahmen für Investitionen,
Freihandelsabkommen
                        einschließlich Verfahren für Transparenz, Lizenzierung und Genehmigung,
können nur in Betracht
gezogen werden,
                        sowie nachhaltige Entwicklung und die Beilegung von Streitigkeiten. Am Rande
nachdem ein umfassendes des 20. EU-China-Gipfels wurden erste Angebote zum Marktzugang
Investitionsabkommen    ausgetauscht und eine neue Verhandlungsphase eingeleitet.
abgeschlossen wurde.          Ein derartiges umfassendes Abkommen sowie Reformfortschritte Chinas bei der
                              Liberalisierung   seiner   Wirtschaft  und   der    Schaffung     gleicher
                              Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen würden neue Marktchancen
                              eröffnen und es beiden Seiten ermöglichen, ehrgeizigere Ziele wie ein
                              Freihandelsabkommen ins Auge zu fassen.

3.4           Ausländische Direktinvestitionen EU-China
                              Laut chinesischem Handelsministerium         sanken    die   ADI   chinesischer
                              Unternehmen 2017 um 29 %.
                              Laut OECD nahmen die ADI-Ströme in die Länder der EU um 45 % ab (von
                              531 Mrd. USD im Vorjahr auf 290 Mrd. USD im Jahr 2017). China, im Jahr 2016
                              der zweitgrößte Investor weltweit, rangierte 2017 nicht mehr unter den fünf
                              größten Investoren, da seine Auslandsinvestitionen um rund die Hälfte von

                                                                                                       15
Fachabteilung, Generaldirektion Externe Politikbereiche

                            217 Mrd. USD auf 102 Mrd. USD fielen. Chinas ausgehende ADI entsprachen
                            2017 12,3 % seines BIP.
                            Ausländische Direktinvestitionen zwischen China und der EU
                            Die Direktinvestitionstätigkeit Chinas in der EU sank 2017 im Vergleich zum
                            Vorjahr um 17 % auf 30 Mrd. EUR. Auch die ADI-Transaktionen der EU in China
                            sanken 2017 von 8 Mrd. EUR auf 6 Mrd. EUR.
Abbildung 2:
Chinas ADI-Zuflüsse im
Vergleich zu den USA und
EU-28 (in Mio. USD)

                           Quelle: UNCTAD, Weltinvestitionsbericht 2018

                           Chinesische Investitionen in Europa
                           Die Direktinvestitionen (ADI) Chinas in Europa erreichten 2017 ein Rekordhoch
                           von 65 Milliarden Euro (79 Mrd. USD). Dies war hauptsächlich der Übernahme
                           des Agrarunternehmens Syngenta durch ChemChina in der Schweiz geschuldet,
                           die im Mai 2017 für 43 Milliarden USD erfolgte. Laut den chinesischen Behörden
                           wären die chinesischen Direktinvestitionen in Europa um 22 % auf rund
                           38 Milliarden USD gesunken, wenn die Übernahme nicht stattgefunden hätte.
                           Im Jahr 2017 sanken die ADI Chinas in den EU-Ländern drastisch, etwa in
                           Deutschland um 84 %, in Spanien um 79 % und in Frankreich um 58 %.
                           Die verstärkten Kontrollen durch die chinesischen Behörden sowie durch einige
                           EU-Mitgliedstaaten erklären die ungewöhnlich hohe Zahl der
                           zurückgenommenen Investitionen im ersten Halbjahr 2016 und zum
                           Jahresbeginn 2017.

   16
Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit?

 Abbildung 3:
 Chinas ADI-Abflüsse im
 Vergleich zu den USA
 und EU-28 (in Mio. USD)

                               Quelle: UNCTAD, Weltinvestitionsbericht 2018

                               Multilaterales Investitionsgerichtswesen

Die EU und China haben         Angesichts des Beitrags, den ADI in beiden Volkswirtschaften leisten, haben die
erkannt, wie wichtig es ist,   EU und China erkannt, wie wichtig es ist, Zugang zu einem regelbasierten
Zugang zu einem                berechenbaren System zur Beilegung von Streitigkeiten in Verbindung mit
regelbasierten                 Investitionen zu haben.
berechenbaren System
                               Ein     dauerhaftes      multilaterales  System      zur    Beilegung       von
zur Beilegung von
Streitigkeiten in
                               Investitionsstreitigkeiten könnte in diesem Bereich weltweit höhere
Verbindung mit                 Beständigkeit, Vorhersehbarkeit und Legitimität bewirken. Angesichts der
Investitionen zu haben.        aktuellen ISDS-Fälle, von denen 36,4 % zugunsten des Staates und 26,7 %
                               zugunsten des Investors entschieden wurden, gilt eine „neutrale
                               Streitbelegung“, die unabhängig vom örtlich zuständigen Gerichtswesen ist, als
                               wichtig, da in solchen Systemen der Staat unter Umständen einen inhärenten
                               Vorteil aufweist. Laut UNCTAD wurden 2017 65 Schiedsverfahren eingeleitet.
                               Insgesamt ist China in drei Fällen der beklagte Staat und in fünf Fällen Kläger
                               gemäß internationalen Investitionsabkommen. Vier dieser fünf Fälle wurden
                               zugunsten des Staates entschieden. Das Verfahren Hela Schwarz GmbH gegen
                               China (ICSID-Aktenzeichen ARB/17/19), das 2017 auf Grundlage des bilateralen
                               Investitionsabkommens zwischen China und Deutschland (2003) eingeleitet
                               wurde, ist weiterhin anhängig.
                               Einen flexibleren und langfristigeren Ausweg könnte der Vorschlag der
Ein multilaterales System
                               Kommission         vom      September 2017      über      ein     multilaterales
zur Beilegung von
                               Investitionsgerichtswesen darstellen, das derzeit in der EU diskutiert wird. Am
Investitionsstreitigkeiten,
also ein ständiger             20. März 2018 hat der Rat die Verhandlungsrichtlinien angenommen, mit denen
multilateraler                 die Kommission ermächtigt wird, im Namen der EU ein Übereinkommen zur
Investitionsgerichtshof,       Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs für die Beilegung von
wird derzeit geprüft.          Investitionsstreitigkeiten auszuhandeln.

3.5           Handelsschutz- und Anti-Dumping-Maßnahmen
Die überarbeiteten             Am 5 Dezember 2017 erzielten das Parlament und der Rat eine Einigung über
Bestimmungen zum               den Vorschlag der Kommission über handelspolitischen Schutzinstrumente der
Handelsschutz sollen           EU, also Anti-Dumping- und Anti-Subventionsmaßnahmen. Mit der Anpassung

                                                                                                        17
Fachabteilung, Generaldirektion Externe Politikbereiche

spätestens Ende Mai 2018    soll die fortwährende Wirksamkeit des EU-Handelsschutzes angesichts neuer
in Kraft treten.            globaler Herausforderungen sichergestellt werden, z. B. im Hinblick auf die
                            weltweit zahlreich vorhandenen Überkapazitäten von Produkten wie Stahl und
                            Aluminium. Nach der Annahme durch den Rat am 16. April 2018, traten die
                            neuen Vorschriften am 8. Juni 2018 in Kraft.
Die neue Vorgehensweise     Am 3. Oktober 2017 erzielten das Europäische Parlament und der Rat eine
der EU bei der              Einigung über den Vorschlag der Kommission zur neuen Berechnungsweise für
Berechnung der Anti-        Anti-Dumping- und Anti-Subventions-Margen für Einfuhren aus Ländern mit
Dumping und Anti-           erheblichen Marktverzerrungen oder in denen der Staat stark in die Wirtschaft
Subventions-Marge für
                            eingreift. Die überarbeiteten Vorschriften traten am 20. Dezember 2017 in Kraft
Einfuhren aus
                            und die neue Berechnungsweise kann auf sämtliche WTO-Mitglieder
Drittländern wurde im
Dezember 2017 wirksam.      angewendet werden.
                            Da      der     Großteil      der      Anti-Dumping-Ermittlungen       und
                            Handelsschutzmaßnahmen der EU sich gegen China richtet, veröffentlichte die
                            Kommission am 20. Dezember 2017 einen Bericht über staatlich bedingte
                            Marktverzerrungen in China. Im Jahr 2017 leitete die Europäische Kommission
                            drei neue Anti-Dumping- sowie zwei Anti-Subventions-Ermittlungsverfahren
                            gegen Produkte aus China ein.
                            WTO-Beschwerde Chinas gegen die bisherige EU-Methode

Der Abschlussbericht des    Die bisherige Methode war Anlass für eine Beschwerde bei der WTO, die China
WTO-Ausschusses zu          dort    am     12. Dezember     2016    einreichte   (WT/DS516:     EU    –
Chinas Beschwerde           Preisvergleichsmethoden). China erhebt Einspruch gegen bestimmte
gegen die EU über           Bestimmungen der EU-Verordnung zur Ermittlung von Normalpreisen für Länder
Preisvergleichsmethoden     ohne Marktwirtschaft in Anti-Dumping-Verfahren gegen Produkte aus China.
ist nicht vor Ablauf des
ersten Halbjahres 2018 zu
                            In Einklang mit dem Protokoll zum WTO-Beitritt Chinas (Unterabsatz 15
erwarten.                   Buchstabe a Ziffer ii), sei China seinem Standpunkt nach als Marktwirtschaft zu
                            behandeln. Zu den Ländern, die ihr Recht zur Drittparteien-Mitgliedschaft in dem
                            am 10. Juli 2017 geschaffenen WTO-Ausschuss angemeldet haben, zählen:
                            Australien, Bahrain, Kanada, Kolumbien, Ecuador, Indien, Indonesien, Japan,
                            Kasachstan, Südkorea, Mexiko, Norwegen, Russland, Taiwan, die Türkei, die
                            Vereinigten Arabischen Emirate und die USA.
                            In seinem Antrag weist China darauf hin, dass die Beschwerde vor allem auf die
                            Bestimmungen zur Preisvergleichsmethode abzielen sollte, aber der Antrag sich
                            auch auf etwaige Veränderungen, Ersatz oder Erweiterung der oben genannten
                            Maßnahme und etwaige eng damit zusammenhängende Folgemaßnahmen
                            beziehen sollte. Der Abschlussbericht des WTO-Ausschusses wird im zweiten
                            Halbjahr 2018 erwartet. Zwischenzeitlich wurde die EU-Gesetzgebung geändert
                            und die bisherigen Methoden werden nicht mehr angewandt; dies wiederum
                            mindert die Bedeutung der WTO-Beschwerde.

   18
Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der EU und China: umfassendere strategische Zusammenarbeit?

4              Jüngste politische Entwicklungen in China
4.1            Überblick
Auf dem                        Das oberste Entscheidungsgremium der Partei, der Ständige Ausschuss des
19. Nationalkongress der       Politbüros, wurde am            25. Oktober 2017 zum            Abschluss    des
kommunistischen Partei         19. Nationalkongresses der kommunistischen Partei vorgestellt, der vom 18. bis
im Oktober 2017 wurde          zum 24. Oktober 2017 in Peking stattfand. Fünf der bisherigen sieben Mitglieder
Präsident Xi Jinpings
                               des Ständigen Ausschusses hatten das inoffizielle Höchstalter für Amtsträger von
neues Führungsteam
                               68 Jahren erreicht, das seit 2002 ungeschrieben gilt. Die neuen Mitglieder sind
vorgestellt.
                               neben dem erneut in seinem Amt bestätigten Präsidenten Xi Jinping und
                               Premierminister Li Keqiang: Han Zheng, Wang Huning, Li Zhanshu, Wang Yang
                               und Zhao Leji. Dem 25 Mitglieder starken Politbüro gehören auch die sieben
                               Mitglieder des ständigen Ausschusses an.

Abbildung 4:
Der politische Apparat
Chinas (2018)

Präsident Xi Jinping wirbt     Präsident Xi, der auf dem 18. Zentralkomitee der kommunistischen Partei
für die „Erneuerung            2016 zur „zentralen Führungsperson“ ernannt wurde, hat für den Traum einer
Chinas“.                       großen Erneuerung Chinas rasch ein hohes Maß an Macht an sich gezogen und
                               für ideologische Einheit geworben.
Er hat sich die gleiche        Im Oktober 2017 wurden Xi Jinpings „Gedankengut für das neue Zeitalter des
herausragende Stellung         Sozialismus chinesischer Prägung“ vom 19. Parteitag der Kommunistischen
in der Verfassung              Partei Chinas per einstimmig verabschiedetem Verfassungszusatz in diese
gesichert, wie sie der
                               aufgenommen und verhalf dem Präsidenten damit zur gleichen gehobenen
Gründervater der Nation,
                               Stellung wie den Gründervätern der Volksrepublik, Mao Zedong und Deng
Mao, innehatte.
                               Xiaoping.
Die „Belt and Road             Die „Belt and Road Initiative“ (BRI), Xi Jinpings Leuchtturmprojekt im Bereich
Initiative“ ist ebenfalls in   des zwischenstaatlichen Handels, in deren Rahmen vernetzte Infrastruktur und
der Verfassung
                               andere Vernetzungsstrukturen mit Förderung Chinas auf der ganzen Welt gebaut
festgeschrieben.
                               werden, wurde auf dem 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas
                               ebenfalls in der Verfassung festgeschrieben.

                                                                                                        19
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