PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION - Jürgen Wagner
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Jürgen Wagner PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION Europäische Studien zur Außen- und Friedenspolitik herausgegeben von Özlem Alev Demirel MdEP Nr. 1 / 2019 Foto: Bundeswehr-Fotos Wir.Dienen.Deutschland. [CC BY 2.0]
Jürgen Wagner PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION Europäische Studien zur Außen- und Friedenspolitik herausgegeben von Özlem Alev Demirel MdEP Nr. 1 / 2019
Inhalt: 6 Vorwort Özlem Alev Demirel MdEP 8 Einleitung: Per PESCO zur Verteidigungsunion 10 Teil1 PESCO: Interessen – Logik – Genese 11 1.1 PESCO: Globalstrategie und Verteidigungsunion 13 1.2 PESCO: Die »Logik« der Rüstungszusammenarbeit 15 1.3 PESCO: Deutsch-französische Führungsansprüche 17 Teil2 PESCO: Aufrüstung per Zwang und Sanktion 19 2.1 PESCO-Architektur: Ausgeklügelt 21 2.2 PESCO-Kriterien: Eng geschnürtes Rüstungskorsett 24 2.3 PESCO-Projekte: Balance zwischen Intervention und Rüstung
28 Teil 3 PESCO: Potentielle Störfeuer 28 3.1 PESCO als Giftpille für die USA? 30 3.2 PESCO und die Binnenkonflikte im Führungsduo 32 3.3 PESCO und europäische Zentrifugalkräfte 34 3.4 PESCO und die Rüstungsexporte 36 Fazit: (K)eine Bewegung gegen PESCO? 37 Anhang A Die PESCO im Vertrag von Lissabon 39 Anhang B Die 20 PESCO-Kriterien Beschluss (GASP) 2017/2315 des Rates vom 11. Dezember 2017 42 Impressum
Vorwort: »PESCO“, diese Abkürzung wird womög- Leider wird in den Medien kaum berichtet, lich in wenigen Jahren ähnlich symbolhaft wie grundlegend die bisherigen Spielregeln für eine schrecklich verfehlte Politik der der EU-Militärpolitik über PESCO verändert Europäischen Union stehen wie aktuell die wurden. Während früher Einstimmigkeit und EU-Grenzschutzagentur »FRONTEX«. Fron- Freiwilligkeit die prägenden Markenzeichen tex steht derzeit für brutale Abschottungspo- der »Gemeinsamen Sicherheits- und Ver- litik. PESCO ist der Grundstein einer aktuell teidigungspolitik« (GSVP) waren, gelten nun im Aufbau befindlichen »Europäischen Ver- ganz andere Maßstäbe: Rüstungszwänge und teidigungsunion«. Sanktionsdrohungen stehen im Mittelpunkt. Doch geht es wirklich um „Verteidigung“? Eine Teilnahme an PESCO hat ihren Preis: Steckt hinter PESCO also ein notwendiger Alle 25 Länder, die sich derzeit daran beteili- Schritt für eine effizientere und internatio- gen, mussten sich bereiterklären, künftig 20 nalistischere Außen- und Militärpolitik im Rüstungskriterien (siehe 2.1 PESCO-Kriterien: Sinne progressiver „europäischer Werte“, wie Eng geschnürtes Rüstungskorsett) zu erfüllen, einige beschwören? Oder muss man nicht die von der regelmäßigen Erhöhung der Rüs- das Aussprechen, was wirklich geplant ist: tungsausgaben über die Bereitstellung von Sicherung von Wirtschafts- und Handelsin- Truppenverbänden bis hin zur Beteiligung an teressen auch durch militärische Strukturen strategischen Rüstungsgroßprojekten reichen. und Aufbau einer Großmachtstellung der EU Die Einhaltung dieser Kriterien wird regel- in der Welt. mäßig überprüft. Da auch das Konsensprin- zip an zentralen Stellen aufgeweicht wurde, PESCO ist die englische Abkürzung für die ist es bei »Fehlverhalten« nun auch möglich, »Ständige Strukturierte Zusammenarbeit«. Länder mit einer qualifizierten Mehrheit aus Dieser Mechanismus existiert seit Dezember PESCO wieder hinauszuwerfen. Das erhöht 2017. Von herrschender Seite werden damit den Druck auf Beteiligte. große Erwartungen verknüpft: Bundeskanzle- rin Angela Merkel sprach angesichts der PE- In Wahrheit dient PESCO einem deutsch- SCO-Aktivierung von einem „Riesenschritt“, französisch dominierten europäischen mit dem es gelingen werde, eine „historische Militär- und Rüstungskomplex, der voran- Lücke“ im EU-Gefüge zu schließen. getrieben werden soll. Um der gesamten Entwicklung Rückenwind zu verleihen, sollen Dabei wird das Ziel recht unverhohlen aus- PESCO-Projekte künftig auch noch bevor- gegeben, die Europäische Union als militä- zugt über einen im Aufbau befindlichen rische Großmacht zu etablieren. Die neue milliardenschweren »Europäischen Ver- EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der teidigungsfonds« (EVF) finanziert werden. Leyen brachte es vor einiger Zeit mit folgen- Dieser Verteidigungsfonds ist ein weiteres den Worten auf den Punkt: „Es geht um ein Instrument, das derzeit im Aufbau ist, aber Europa, das auch militärisch mehr Gewicht in in seinem Grundsatz den Lissabon-Verträgen die Waagschale werfen kann. Der Aufbau von (Artikel 41.2. EUV) widerspricht. Fähigkeiten und Strukturen ist das eine. Das andere ist der gemeinsame Wille, das militä- Die ersten 34 PESCO-Projekte wurden be- rische Gewicht auch tatsächlich einzusetzen, reits auf den Weg gebracht: An 14 davon ist wenn es die Umstände erfordern.“ (Rede von Deutschland beteiligt und bei sechs hat es die Ursula von der Leyen auf der Münchner Projektführung übernommen. Das wichtigste Sicherheitskonferenz 16. Februar 2018) davon stellt bislang der Bau einer bewaffneten 6 PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION
Eurodrohne dar. Auch die deutsch-franzö- Von der Leyens Vorschlag, der designierten sischen Riesenprojekte Kampfflugzeug und französischen EU-Kommissarin (die vor ihrer Kampfpanzer stehen bereits in der Warte- Berufung französische Verteidigungsminis- schlange. terien war) für den europäischen Binnen- markt auch eine Direktion Verteidigung (DG Ob sich alles so entwickeln wird, wie Berlin Defense) unterzuordnen, untermauert diese und Paris es sich vorstellen, ist zum gegen- Einschätzung. wärtigen Zeitpunkt noch nicht endgültig ausgemacht: Sowohl die USA als auch viele Wer, wenn nicht wir mitten in Europa, wis- kleine und mittlere EU-Länder stehen PE- sen, dass Zeiten der Aufrüstung und Groß- SCO skeptisch gegenüber und möchten aus machtbestreben, niemals zu mehr Sicherheit eigenen politischen Erwägungen weiterhin für die Bevölkerungen geführt haben. Diese den Fokus auf die NATO legen. Zeiten waren immer Zeiten, in denen die Un- sicherheit wuchs und Kriegsgefahren erhöht Dass die Verankerung der PESCO allerdings wurden. Entscheidend bleibt deshalb, ob es auch und gerade unter der neuen EU-Kom- - auch durch eine starke Friedensbewegung missionspräsidentin Ursula von der Leyen - gelingt, dem schrankenlosen Export länder- eine hohe Priorität haben dürfte, scheint übergreifender EU-Rüstungsprojekte einen leider relativ sicher. Denn Frau von der Leyen Riegel vorzuschieben. hatte als ehemalige deutsche Verteidigungs- ministerin diese Entwicklungen und den Diese wichtige Studie soll einen Beitrag dazu Aufbau der PESCO stark forciert. leisten, aufzuklären und Informationen zu verbreiten, die deutlich machen, warum Sie war als deutsche Verteidigungsministe- PESCO und die Europäische Verteidigungs- rin federführend beteiligt, den Ausbau des union alles andere als friedensstiftende EU-Militärapparates in nur wenigen Jahren Instrumente sind. Mein Dank gilt allen, die mit einem schwindelerregenden Tempo das Zustandekommen dieser Studie ermög- voranzutreiben. Auch bei der Aktivierung licht haben. der PESCO spielte sie eine wesentliche Rolle, wie ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Kar- renbauer zu von der Leyens Verabschiedung beim Großen Zapfenstreich am 15. August 2019 deutlich machte: „Europa, die Euro- päische Einigung – da verrate ich hier kein Geheimnis mehr – das ist Dein Herzensthema. Özlem Alev Demirel MdEP […] Du hast in einer für Europa sehr schwie- rigen Phase die europäische Einigung vorange- bracht. Du hast die Initiative zu mehr Zusam- menarbeit, mehr Miteinander im Bereich der Verteidigung ergriffen. Du hast die PESCO aus dem Dornröschenschlaf erweckt. […] Dafür steht die Rüstungskooperation allen voran mit Frankreich, um Kampfflugzeug und Kampf- panzer der Zukunft zu entwickeln. Dafür steht der Einstieg in die Europäische Verteidigungs- union.“ 7 PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION
Einleitung: Per PESCO zur Verteidigungsunion 1 PESCO: Ein Meilenstein Ein Superlativ jagte den anderen, als fast alle chanismen und Zwangselemente zur Abstra- auf dem Weg zur Ver- EU-Staaten im November 2017 ihre Bereit- fung rüstungsunwilliger Staaten eingeführt teidigungsunion, bmvg.de, 13.11.2017. schaft bekundeten, die »Ständige Strukturier- werden, die es vor allem Deutschland und te Zusammenarbeit« (SSZ) – englisch abge- Frankreich ermöglichen sollen, künftig ein- kürzt »PESCO« – ins Leben zu rufen. „Heute facher durchregieren zu können; militärisch ist ein großer Tag für Europa”, bejubelte die soll die PESCO die Einsatzfähigkeit und 2 EU-Staaten bauen an heutige EU-Kommissionspräsidentin Schlagkraft der europäischen Streitkräfte er- Verteidigungsunion, Ursula von der Leyen den Vorgang.1 Auch heblich »verbessern«; und industriepolitisch heute.de, 13.11.2017. die damalige EU-Außenbeauftragte Federica wird damit der Aufbau eines deutsch-fran- Mogherini sprach von „einem historischen zösisch dominierten europäischen rüstungs- Moment für die europäische Verteidigung.“2 industriellen Komplexes anvisiert. Kurz Komplett im Pathos versank aber von der gesagt geht es also darum, die wirtschaftliche EU-Staaten beschließen 3 ständige militärische Leyens Vorgänger als Kommissionschef, EU-Supermacht auch im militärischen Be- Zusammenarbeit, Jean-Claude Juncker, als er anmerkte: „Sie ist reich in einer Art und Weise aufzustellen, die Zeit Online, 11.12.2017. erwacht, die schlafende Schönheit des Lissa- für erforderlich gehalten wird, um in Zeiten bon-Vertrags.“3 einer sich eintrübenden geopolitischen Groß- Der Jubel war nur allzu verständlich, wetterlage auch künftig in der ersten Reihe schließlich geisterte die PESCO bereits seit der Großmächte mitspielen zu können. Jahren durch die Brüsseler Korridore, ohne All diese Vorhaben sind Teil der Kellner, Anna Maria: 4 dass es gelungen wäre, sie ultimativ auf den Ambitionen, über die PESCO die europäische Zum Erfolg verdammt? Die Gemeinsame Si- Weg zu bringen. Selbst wenige Monate vor Militärpolitik mittels einer »Europäischen cherheits- und Verteidi- der Aktivierung war es noch alles andere als Verteidigungsunion« (EVU) auf grundlegend gungspolitik der EU ein ausgemacht, dass der Coup gelingen würde neue Füße zu stellen: „Ein Meilenstein auf Jahr nach der Globalen – gerade viele kleine und mittlere EU-Staa- dem Weg zur Verteidigungsunion“, titelte Strategie, in: Zeitschrift ten hatten aufgrund berechtigter Bedenken, etwa das Verteidigungsministerium, als sich für Außen- und Sicher- hierüber vor den Karren deutsch-französi- die Aktivierung der PESCO abzuzeichnen heitspolitik, Nr. 1/2018, scher Interessen gespannt zu werden, lange begann.6 Die neue Kommissionspräsidentin S. 1-11, S. 5. große Vorbehalte. Allerdings ließ ihnen die Ursula von der Leyen hat hierfür bereits raffinierte Architektur, die Berlin und Paris einen ehrgeizigen Zeitplan vorgelegt. So im Sommer 2017 für das Vorhaben ausbal- erklärte sie anlässlich der Unterzeichnung 5 Der Bereich wurde dowert hatten, wenig Wahlmöglichkeiten: des »Aachener-Vertrages«, mit dem Frank- mehrfach umbenannt. Entweder sprangen sie widerwillig auf den reich und Deutschland im Januar 2019 recht Zuerst firmierte er unter PESCO-Zug auf, wofür sie sich aber einem nassforsch die Führungsrolle in europäischen dem Begriff »Europäi- strengen Regime aus Sanktionsmöglichkeiten Militärfragen für sich reklamiert hatten: sche Sicherheits- und und Rüstungszwängen unterwerfen mussten, „Deutschland und Frankreich gehen in der Verteidigungsidentität« oder sie liefen Gefahr, jeglichen Einfluss auf Verteidigungspolitik in Europa voran. Das ist (ESVI), dann als »Euro- päische Sicherheits- und die EU-Militärpolitik einzubüßen. Da sich großartig. Vor einem Jahr haben wir dann die Verteidigungspolitik« die PESCO aber zum neuen „Herzstück“4 der Verteidigungsunion aus der Taufe gehoben (ESVP), bis mit dem »Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidi- und arbeiten seitdem Schritt für Schritt an Vertrag von Lissabon gungspolitik« (GSVP5) entwickeln soll, ent- unserem ehrgeizigen Aufbauplan. Mein Ziel seit 1. Dezember 2009 schieden sie sich einstweilen auf den ohnehin ist, bei der nächsten deutschen EU-Ratspräsi- eine neuerliche Na- fahrenden PESCO-Zug aufzuspringen. dentschaft im Jahr 2020 Richtfest zu feiern.“7 mensänderung einge- Schon auf den ersten Blick geht es bei der Vor diesem Hintergrund ist davon führt wurde. PESCO um Vieles: Politisch soll die EU- auszugehen, dass der Takt, mit dem nicht zu- Militärpolitik »effektiver« gemacht werden, letzt über die PESCO-Strukturen in jüngster indem erstmals im großen Stil Sanktionsme- Zeit Fakten in Sachen Neuaufstellung der 8 PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION
europäischen Militärpolitik geschaffen wur- 6 PESCO: Ein Meilen- den, auch in den nächsten Jahren beibehal- stein auf dem Weg zur ten werden soll. Ob das gelingen wird, steht Verteidigungsunion, allerdings auf einem ganz anderen Blatt: Un- bmvg.de, 13.11.2017. gemacht droht potenziell von Seiten der USA, deren Begeisterung sich in Grenzen hält, tatenlos dem Aufbau eines militärisch-macht- politisch potenten Konkurrenten tatenlos zuzusehen. Wichtiger dürfte sich allerdings 7 „Deutschland und die Frage erweisen, ob es Deutschland und Frankreich sind ein Frankreich gelingen wird, die beträchtlichen Tandem“, Frankfurter innereuropäischen Widerstände gegenüber Rundschau, 21.01.2019. dem Projekt auszuräumen. Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt zumindest fraglich, denn nur weil viele Länder sich zunächst einmal zähneknirschend der PESCO angeschlossen haben, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht früher oder später dazu übergehen werden, das Projekt von innen heraus zu torpedieren. Und schließlich steht zumindest zu hoffen, dass es gelingt, die gegenwärtigen Vorgänge stärker in den Blick einer kritischen Öffentlichkeit zu rücken, denn bislang wird die verzerrte und vor allem verkürzte mediale PESCO-Berichterstattung einem Projekt mit dieser Tragweite nicht einmal ansatzweise ge- recht. 9 PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION
Teil1 PESCO: Interessen – Logik – Genese Der erste Versuch, eine Art »Europäische 2019 bis 2024 gehandelt wurde: „Die EU Verteidigungsunion« ins Leben zu rufen, befindet sich in einem historischen Moment. reicht weit zurück. Nachdem er sich aber Entweder Europa wird erwachsen, oder wir als Fehlschlag erwies, hatten sich derartige werden das europäische Lebensmodell in der Ambitionen für eine lange Zeit erledigt: „Das globalisierten Welt nicht verteidigen können. Streben nach Selbstbehauptung und Selbst- Dazu müssen wir jetzt ein starkes durch- bestimmung der (West-)Europäer unter den setzungsfähiges Europa aufbauen. […] Diese 8 Lippert, Barbara u.a.: Strategische Autono- Strukturbedingungen der Bipolarität war europäische Leitkultur müssen wir verteidi- mie Europas. Akteure, eine wichtige Triebkraft der Gemeinschafts- gen und wenn möglich, global behaupten. Handlungsfelder, Ziel- gründungen. Dafür steht nicht zuletzt das […] Die gemeinsame Verteidigung ist ein konflikte, SWP-Studie Vorhaben, eine Europäische Verteidigungs- Muss! Wir bekommen doch gerade vorge- 2, Februar 2019, S. 6. gemeinschaft (EVG) im Verbund mit einer führt, dass wir uns an der Brust der Ameri- Europäischen Politischen Gemeinschaft kaner nicht mehr so ausruhen können, wie (EPG) zu schaffen. Deren Scheitern 1954 hat- wir es in den vergangenen Jahrzehnten getan te unmittelbar zur Folge, dass haben. Deshalb muss Europa die EWG-Staaten im Wesent- sich selbst verteidigen können. lichen ihre Sicherheits-und „Diese Dies ist neben dem Euro die Verteidigungspolitik an die zweite große Weiterentwicklung „Wir müssen die 9 schon 1949 gegründete Nato europäische Europas, die jetzt konkret an- europäische Leitkultur auslagerten und damit die at- Leitkultur steht.”9 verteidigen“, Die Welt, 07.06.2017. lantische Unterordnung der müssen wir Hinter solchen Sätzen steckt EG/EU auf viele Jahrzehnte verteidigen die tief in den Hirnen europäi- festschrieben.“8 und wenn scher Spitzenpolitiker einge- Spätestens seit den möglich, brannte Überzeugung, nicht „Erst die wirtschaft- 10 frühen 1990ern versäumt es global einmal den größten EU-Staaten jedoch kaum ein hochrangi- werde es künftig noch gelingen, liche und politische behaupten.“9 Integration hat den ger Politiker mehr, die Forde- ihre nationalen Interessen im Staaten Europas im rung wieder in den Raum Alleingang auf globaler Ebene Verbund das internatio- zu stellen, die Europäische durchsetzen zu können – dies nale Gewicht verliehen, Union müsse zu einem (militärischen) »Glo- sei künftig nur im Verbund, als »Weltmacht das auch die Großen des balen Europa« möglich.10 Diese Einschätzung ver- Kontinents allein nicht Akteur« werden – die etwas »nettere« bindet sich wiederum mit der Vorstellung, mehr auf die Waag- Variante der seltener verwendeten Begriffe die Europäische Union könne sich nur dann schale bringen.“ (Neue Macht – Neue Verant- »Weltmacht«, »Großmacht« oder »Global- »erfolgreich« im Konzert der Großmächte wortung. Elemente einer macht«. Allerdings sind diese Rufe unter behaupten, wenn es ihr gelinge, in deutlich deutschen Außen- und dem Eindruck europäischer Krisensymp- umfangreicherem Ausmaß als bislang militä- Sicherheitspolitik für tome – Stichwort: Brexit – kombiniert mit rische Fähigkeiten aufzubauen. Genau hierin eine Welt im Umbruch, sich zuspitzenden Großmachtkonflikten und liegt der Zweck der PESCO als wichtigstes SWP/GMF, September dem durch die Wahl Donald Trumps deut- Element der im Aufbau befindlichen »Euro- 2013, S. 20) lich brüchiger gewordenen transatlantischen päischen Verteidigungsunion«. Hierfür setzt Bündnis seit 2016 noch einmal deutlich lauter der Mechanismus auf die Konzentration geworden. (»Konsolidierung«) der einzelstaatlichen Rüs- Exemplarisch hierfür sei Manfred tungssektoren. Im Ergebnis soll offiziell ein so Weber zitiert, der zwischenzeitlich als Chef weit als möglich europäisierter Rüstungskom- der konservativen »Europäischen Volkspar- plex entstehen, der sich bei näherer Betrach- tei« (EVP) als aussichtsreichster Kandidat auf tung aber vor allem als ein deutsch-französi- den Posten als Kommissionschef für die Jahre sches Projekt entpuppt. 10 PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION
1.1 PESCO: Globalstrategie und Verteidigungsunion Viele Jahre erwies sich Großbritannien als »Strategische Autonomie« anstreben: „Die Bremser was den Ausbau des EU-Militär- Strategie nährt den Anspruch auf strategische apparates anbelangte, indem es hiergegen Autonomie der Europäischen Union. Das ist vorhandene Widerstände organisierte und notwendig, um die gemeinsamen Interessen ggf. unerwünschte Entwicklungen mit sei- unserer Bürger sowie unsere Grundsätze und 11 Gemeinsame Vision, nem Veto blockierte. Nachdem die britische Werte zu fördern.“ (EUGS: S. 5) Das Doku- gemeinsames Handeln: Bevölkerung beim Referendum am 23. Juni ment selbst geizt noch ein wenig mit weiter- Ein stärkeres Europa. 2016 aber mehrheitlich entschieden hatte, aus gehenden Informationen, was sich exakt hin- Eine Globale Strategie der Europäischen Union auszutreten, hatte ter diesem Anspruch verbirgt. In einer Reihe für die Außen- und sich diese Rolle nahezu von heute auf morgen daraufhin erschienener Papiere wurde aber Sicherheitspolitik der Europäischen Union, erledigt. Der Weg für große »Fortschritte« deutlich, dass darunter im Kern die Fähigkeit Brüssel, 28.06.2016. war nun frei und die Grundlage hierfür lie- verstanden wird, in den wichtigsten außen- Eine offizielle deutsche ferte die nur wenige Tage später, am 28. Juni und militärpolitischen Bereichen eigen- Übersetzung existiert 2016, vom Rat gebilligte »Globale Strategie ständig ohne Abhängigkeiten von den USA nicht, es findet sich aber für die Außen- und Sicherheitspolitik der (oder gar von Russland oder China) agieren eine in den Schlussfol- EU« (EUGS), die seither die »Europäische zu können. So schrieb die Bundesregierung gerungen des Rates vom Sicherheitsstrategie« aus dem Jahr 2003 als im Januar 2019: „Der Begriff […] beschreibt 28. Juni 2016, auf die ranghöchstes EU-Dokument in diesem Be- das Ambitionsniveau der EU, ein außen- und sich auch die in diesem reich ersetzt. 11 sicherheitspolitisch eigenständiger und hand- Kapitel angegebenen Man befinde sich in einer „existen- lungsfähiger Akteur in Komplementarität zur Seitenzahlen beziehen. tiellen Krise“, das „europäische Projekt“ und NATO zu werden, um den Frieden zu fördern damit auch „Frieden, Wohlstand und Demo- und Sicherheit zu gewährleisten. Dazu gehört kratie“, würden aktuell „in Frage gestellt“, so auch die Fähigkeit, diejenigen strategischen die düstere Lageeinschätzung, mit der aber Fähigkeiten herstellen und vorhalten zu kön- vor allem dringender Handlungsbedarf ange- nen, die der EU gegenwärtig nicht oder nur meldet wurde (EUGS: S. 11). Als Interessen, in begrenztem Maß zur Verfügung stehen.“ 12 die es dabei zu schützen – sprich: militärisch durchzusetzen – gelte, benennt die Global- strategie ein „offenes und faires Wirtschafts- system“ und den „Zugang zu den natürlichen 12 Antwort der Bundes- sich nicht unwillent- die institutionellen, poli- Ressourcen“ (EUGS: S. 36). Als »Area of regierung, Drucksache lich fremden Regel- tischen und materiellen Resposibility«, der geografische Raum, in 19/692219, 09.01.2019. werken unterwerfen zu Voraussetzungen, um dem derartigen Ambitionen auch militärisch In einem Grundsatz- müssen. Das Gegenteil diese in Kooperation Nachdruck verliehen werden soll, benennt papier zur Strategischen strategischer Autono- mit Dritten oder, falls das Dokument Länder „in unserer östlichen Autonomie, an dessen mie wäre ein Status als nötig, eigenständig um- Nachbarschaft, die bis nach Zentralasien Erstellung nicht weniger Empfänger von Regeln zusetzen.“ (Lippert u.a. reicht“ und alle Staaten im Süden „bis nach als 29 MitarbeiterIn- und strategischen 2019, S. 5) nen der einflussreichen Entscheidungen, die Zentralafrika“ (EUGS: S. 20). Der »Schutz« »Stiftung Wissenschaft Dritte – die USA, China von Handelswegen sei ferner „im Indischen und Politik« (SWP) oder Russland – mit Ozean“, „im Mittelmeer“, am „Golf von beteiligt waren, heißt unmittelbarer Wirkung Guinea“ bis hin zum „Südchinesischen Meer“ es ganz ähnlich: „Ein für Europa treffen. […] und der „Straße von Malakka“ zu gewährleis- hoher Grad an strate- Strategische Autonomie ten (EUGS: S. 36). gischer Autonomie be- wird hier als die Fähig- Um dies zu erreichen, gibt die Globalstrategie fähigt dazu, Regelwerke keit definiert, eigene (und später auch die aus ihr entwickelte Ver- in der internationalen außen- und sicherheits- teidigungsunion) das übergeordnete Ziel aus, Politik aufrechtzuerhal- politische Prioritäten die EU müsse eine möglichst weitreichende ten, weiterzuentwickeln zu setzen und Entschei- oder zu schaffen und dungen zu treffen, sowie 11 PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION
Gemeinhin wird dabei davon ausgegangen, te Spektrum an land-, luft-, weltraum- und dass eine solche autonome Handlungsfähig- seeseitigen Fähigkeiten, einschließlich der keit im militärischen Bereich drei Ebenen strategischen Grundvoraussetzungen, zur umfasst: Politische Autonomie bedeutet über Verfügung stehen muss.“ (EUGS: S. 40) Und die für notwendig erachteten Entscheidungs- schließlich werden auch keine Zweifel an der strukturen für schnelle und reibungslose Bedeutung des industriellen Bereiches gelas- Beschlussfassungen zu verfügen; operative sen: „Eine tragfähige, innovative und wett- Autonomie schließt die Bereitstellung aller bewerbsfähige europäische Verteidigungs- Planungskapazitäten sowie der entsprechen- industrie ist von wesentlicher Bedeutung für den Truppen und des Materials ein, um die strategische Autonomie Europas und eine selbstständig militärisch agieren (und ge- glaubwürdige GSVP.“ (EUGS: S. 39f.) winnen) zu können; und erst die industrielle Nur über eine »Europäisierung« der Militär- Autonomie versetzt in die Lage, durch mili- und Rüstungspolitik ließe sich bei all diesen tärische Macht aus »heimischer« Produktion Zielen substanzielle Fortschritte erzielen, so wirklich unabhängig agieren zu können, was die in der Globalstrategie vertretene Auffas- allerdings die Existenz eines entsprechenden sung – und dies wiederum erfordere einen rüstungsindustriellen Komplexes erfordert.13 über die PESCO forcierten Ausbau der Ver- In diesem Licht lassen sich diese teidigungskooperation, notfalls per Druck: 13 Drent, Margriet: Elemente etwas verklausuliert bereits schon „Für den Erwerb und die Aufrechterhaltung European strategic in der Globalstrategie wiederfinden, wenn es eines Großteils dieser Fähigkeiten wird es autonomy: Going it alo- etwa mit Blick auf die politische Ebene heißt, erforderlich sein, dass die Mitgliedstaaten ne? Clingendael Policy die GSVP müsse „schneller und effizienter dazu übergehen, im Bereich der Verteidigung Brief, August 2018, S. 4. werden“: „Wir müssen die Fähigkeit zur ra- zusammenzuarbeiten, und diese Zusam- schen Reaktion auch dadurch ausbauen, dass menarbeit als den Regelfall betrachten. […] wir die verfahrensrechtlichen, finanziellen Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidi- und politischen Hindernisse beseitigen, die gungspolitik muss reaktionsfähiger werden. der Verlegung von Gefechtsverbänden und Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem Kräfteaufwuchs im Wege stehen und den Mitgliedstaaten sollte sondiert werden die Effizienz militärischer GSVP-Operatio- und könnte zu einer stärker strukturierten nen beeinträchtigen.“ (EUGS: S. 42) Was die Zusammenarbeit unter voller Ausschöpfung militärische Seite anbelangt, werden ebenfalls der Möglichkeiten des Vertrags von Lissabon ambitionierte Ziele definiert: „Die Mitglied- führen. […] Die Verteidigungszusammen- staaten [benötigen] bei den militärischen arbeit zwischen Mitgliedstaaten wird sys- Spitzenfähigkeiten alle wichtigen Ausrüs- tematisch gefördert werden. Regelmäßige tungen, um auf externe Krisen reagieren Bewertungen der EDA-Benchmarks können und die Sicherheit Europas aufrechterhalten einen positiven Gruppendruck zwischen den zu können. Dies bedeutet, dass das gesam- Mitgliedstaaten erzeugen.“ (EUGS: S. 40f.) VERTEIDIGUNGSUNION: STRATEGISCHE AUTONOMIE Politische Operative Industrielle Autonomie Autonomie Autonomie (Die Fähigkeit, Kriege (Die Fähigkeit, Kriege (Die Fähigkeit, Kriege beschließen zu können) führen zu können) mit „eigenen“ Waffen zu führen) - Europäischer Sicherheitsrat - Europäisches Hauptquatier - Jährliche Überprüfung der (ESR) (MPCC) Militärkapazitäten (CARD) - Einführung von Mehrheits- - Europäische Interventionsi- - Europäische Verteidigungs- entscheidungen (QMV) nitiative (E2I) fonds (EVF) - Ständige Strukturierte - Ständige Strukturierte - Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) Zusammenarbeit (PESCO) Zusammenarbeit (PESCO) 12 PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION
1.2 14 Kamp, Karl-Heinz: Die Europa-Armee: Pro und Kontra, BAKS- PESCO: Die »Logik« der Arbeitspapier Nr. 4/2015, S. 2. Rüstungszusammenarbeit 15 Juncker, Jean- Claude: Rede zur Lage der Europäischen Union, Brüssel, 14. September 2016. Die »Logik« einer Europäisierung der Rüs- es sich um weit mehr als die USA mit ihren tungspolitik basiert auf der Überlegung, dass 30 Großprojekten unterhalten, die augen- 16 Wiegold, Thomas: die EU-Staaten zusammengenommen je scheinlich auch als Vorbild dienen, wenn Mehr europäische nach Jahr zwar mal mehr und mal weniger etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel angibt: Verteidigung? als ein Drittel der Vereinigten Staaten in ihre „Es wird jetzt daran gearbeitet, dass aus 178 Augengeradeaus.net, Militärhaushalte pumpen, dabei allerdings europäischen Waffensystemen so viele wer- 11.06.2018. lediglich zehn Prozent der militärischen den, wie die Amerikaner haben, nämlich 30.“ 17 Vgl. Edwards, Jay: The Schlagkraft erzeugen.14 Zurückgeführt wird 16 EU Defence and Secu- dies auf den im Vergleich zu den USA stark Allerdings legen diverse Studien nahe, dass rity Procurement Di- zersplitterten – »fragmentierten« – Sektor, durchaus Zweifel angebracht sind, ob eine rective: A Step Towards der sich überspitzt gesagt auf (aktuell noch) Konsolidierung des Sektors zu den erwarte- Affordability?, Chatham 28 Staaten, mit ihren jeweiligen individuellen ten Effizienzsteigerungen führen würde, 17 House, August 2011, S. politischen Entscheidungsinstanzen, Streit- zumal in den äußerst optimistischen Di- 6, der sich beruft auf: kräften und mensionen, Stratogiannis, Ioannis zuliefernden von denen A./Zahos, Christos Industrien Der wirtschaftliche Nutzen die Kommis- K.: Defence Industry zerstreut. Dies von Kooperationen im sion ausgeht. Consolidation and Weapon System Cost würde laut EU-Kom- Bereich Verteidigung Dennoch gilt es schon lange Growth, Naval Postgra- duate School, 2008; und mission als eine Art Defence Acquisitions wiederum militärpoliti- Assessment of Selected Mehrkosten € 200 Mrd € 25 Mrd - sche Binsen- Weapons Program- verursachen, pro Jahr 100 Mrd weisheit, dass mes, US Government geben die EU Staaten könnte durch die bei einer das Ganze Accountability Office für Verteidigung aus Zusammenarbeit Konsolidie- mehr ergibt (GAO), 2009. Vgl. auch eingespart werden Hensel, Nayantara: rung des Sek- als die Sum- tors »besser« me der Teile. Can Industry Consoli- dation Lead to Greater in zusätzliche Indem Duplikationen reduziert werden Allerdings Efficiencies? Evidence Waffensyste- wurde bislang from the U.S. Defense me und damit bevorzugt auf Industry, in: Business mehr militä- nationaler Economics (2010) 45, S. rische Schlag- Jetzt in der EU Ebene ge- 187-203. kraft inves- bündelt. So tiert wären: verringerte 18 Post-Truth, Post- Quelle: EU „Die fehlende sich die Zahl West, Post-Order? Zusammen- der großen Munich Security Report arbeit in Ver- 29 16 19 einzelstaatli- 2017, S. 21. teidigungs- chen System- fragen kostet Europa alljährlich zwischen 25 hersteller in Europa über die Jahre deutlich Mrd. und 100 Mrd. EUR – je nach Bereich. von 45 (1986) auf 30 (2001) und inzwischen 19 Markowski, Stefan/ Gelder, die wir anders so viel besser einsetzen 20 (2016). 18 Von einer großartig national Wylie, Robert: The könnten.“ 15 fragmentierten Rüstungsindustrie kann also Emergence of European Defence and Defence Das Hauptproblem bestehe darin, mittlerweile kaum mehr die Rede sein: „Gro- Industry Policies, in: dass es sich die Europäische Union leiste, ße Teile der europäischen technologischen Security Challenges, aktuell 178 große Waffensysteme (davon 29 Kapazitäten […] konzentrieren sich mittler- Vol., Nr. 2, Juni 2007, S. Kampfschiffe, 16 Kampfflugzeuge und 19 weile in den Händen einer kleinen, oligopo- 31-51, S. 40. Kampfpanzer) zu unterhalten. Dabei handele listischen Gruppe ‚nationaler Champions‘.“ 19 13 PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION
Ganz anderes sieht es dagegen mit trans- sierter Beschaffungsprozess sowie eine Reihe 20 Vgl. ausführlich, europäischen Zusammenschlüssen aus, die transnational konsolidierter Systemintegrato- wenn auch unkritisch, im Rüstungssektor bis heute eher Seltenheits- ren, also rüstungsindustrieller Generalunter- zur Herausbildung wert haben.20 Augenscheinlich müssen hier nehmer.“22 des EU-Rüstungs- diverse Widerstände auf dem Weg zu einem Allerdings gibt es bei einem solchen sektors Bertges, europäischen Rüstungskomplex überwunden Prozess naturgemäß Gewinner und Ver- Florian: Der frag- werden. Dies betrifft zuallererst das vornehm lierer – er begünstigt die großen Akteure mentierte europäische Verteidigungsmarkt: als »Souveränitätsvorbehalt« bezeichnete und Unternehmen, die aus dem sich an- Sektorenanalyse und jeweilige nationale Interesse an der möglichst bahnenden fressen und gefressen werden als Handlungsoptionen, weitgehenden Kontrolle über die eigenen Sieger hervorgehen dürften. In einer anderen Frankfurt am Main Streitkräfte und der zugehörigen industriel- »CSS-Analyse zur Sicherheitspolitik« heißt es 2009. len Fähigkeiten. Ohne „positiven Gruppen- dazu: „Der rüstungspolitische – also techno- druck“, wie es die EU-Globalstrategie formu- logiebezogene – Ansatz von PESCO [kann] lierte, wird kaum ein Staat bereit sein, hier bereits konkreter beurteilt werden. Seine Zugriffsmöglichkeiten abzutreten. Grundannahme lautet, national gegliederte Biscop, Sven: PE- 21 Ist hier eine Möglichkeit gefunden, Rüstungsindustrie- und Beschaffungsstruktu- SCO: Good News for Länder unter Druck zu setzen, so müssen sie ren seien redundant, weil der technologische NATO from the EU, in Richtung einer Harmonisierung der Ein- und wirtschaftliche Leistungsausweis ihrer Egmont Commentaries, zelstreitkräfte gedrängt werden. Die bislang Produkte grundsätzlich schlechter sei als der 14.02.2018. aus den Einzelarmeen mit häufig vollkom- durch europaweite Vereinheitlichung erreich- men unterschiedlicher Ausrüstung modular bare. Folglich geht es um Konsolidierung des oder ad-hoc zusammengesetzten EU-Ein- Angebots (Industrie) und Zentralisierung heiten sollen sukzessive in immer mehr der Nachfrage (Beschaffungswesen) auf dem Teilbereichen durch stehende gemeinsame europäischen Rüstungsmarkt sowie, parallel Truppenteile mit gemeinsamen Stäben ersetzt dazu, um die Standardisierung von Militär- Dossi, Amos: 22 und mit einheitlichen in großer Stückzahl material. Diese Herangehensweise, propagiert PESCO-Rüstungskoope- europaweit angeschafften Waffensystemen insbesondere von EU-Integrationsbefürwor- ration: Potenzial und ausgerüstet werden. Mit einem europäischen tern und Vertretern marktdominierender Bruchlinien, CSS-Ana- Rüstungsmarkt, der nach der »Logik« des Rüstungskonzerne, ist durchaus begründet.“23 lysen zur Sicherheits- Binnenmarktes vorschreibt, Aufträge europa- Aus welchen Ländern diese „markt- politik, Nr. 241, März 2019, S. 2. weit auszuschreiben, soll künftig verhindert dominierenden Rüstungskonzerne“ vor- werden, dass weiter relativ kleine einzel- wiegend stammen, wer sich also mit Blick staatliche Rüstungsunternehmen von ihren auf die PESCO derzeit die Hände reibt, wird »Heimatländern« mit Aufträgen alimentiert wiederum aus einem Artikel der »Wirt- werden. Und PESCO ist die Wunderwaffe, schaftswoche« ersichtlich: „Vor allem von 23 Dossi, Amos/Keohane, die künftig zu den angestrebten europaweiten einer Initiative namens Pesco erhoffen sich Daniel: Die Ständige Beschaffungsprojekten führen soll: „Sollte die Waffenbauer mittelfristig einen neuen Strukturierte Zusam- PESCO funktionieren, werden die teilneh- Boom. […] Die Einkaufsgemeinschaft Pesco menarbeit (PESCO) als Instrument europäi- menden Staaten in Zukunft eine öffentliche [soll] viele Milliarden bündeln. […] Und scher Sicherheits- und Ausschreibung veröffentlichen und einen da die neuen Systeme gleichzeitig in hoher Integrationspolitik: Hin- Auftrag vergeben, um ein Modell zu bauen.“21 Qualität und großer Stückzahl gebaut werden tergrund, Perspektiven, Da so im »Optimalfall« die Option sollen, ‚profitieren vor allem die technisch Implikationen für die zum Schutz kleinerer Unternehmen wegfällt, führenden deutschen Unternehmen‘, sagt Schweiz, CSS-Studie, soll dies eine Welle von Fusionen und Über- Heinz Schulte, Chef des Branchen-Informa- Juli 2019, S. 10. nahmen lostreten, an deren Ende nur noch tionsdienstes griephan. […] ‚Entscheidungen eine kleine Zahl von Rüstungsgroßkonzernen dürfen nur auf Grundlage der Fähigkeiten übrig bleibt – die sogenannten »Eurocham- der Unternehmen getroffen werden‘, fordert pions«. So heißt es etwa in der »CSS-Analyse Patrice Caine, Rüstungschef beim französi- zur Sicherheitspolitik« namens »PESCO-Rüs- schen Konzern Thales. Soll heißen: Bei vielen 24 Deutsche Waffenbauer tungskooperation: Potenzial und Bruchli- Aufträgen blieben die Kleinen draußen.“24 hoffen auf Rüstungs- nien« folgendermaßen: „Das Endziel: Re- Vor diesem Hintergrund ist es auch boom, Wirtschafts- duktion von momentan etwa 180 in Europa nicht sonderlich verwunderlich, dass sich woche, 09.01.2018. gebräuchlichen Typen komplexer Waffensys- die potentiellen Hauptprofiteure auch als die teme auf 30. Am logischen Endpunkt dieses wesentlichen Triebfedern bei der Anbahnung Pfades stünde einerseits ein innerhalb der der PESCO erweisen sollten. Waffensystem-Kategorien europaweit verein- heitlichtes Arsenal, andererseits ein zentrali- 14 PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION
1.3 PESCO: Deutsch-französische Führungsansprüche Ihren Ursprung dürfte die PESCO in den ber 2009 in Kraft trat. Die Aktivierung der Schäuble, Wolf- 25 Kerneuropa-Konzeptionen haben, die von PESCO scheiterte allerdings einstweilen noch gang/Lamers, Karl: Deutschland in den frühen 1990ern erstmals am britischen Widerstand, der aber nach dem Überlegungen zur in die Debatte um die Zukunft der Union ein- Austrittsreferendum vom 23. Juni 2016 in europäischen Politik, gespeist und später auch von Frankreich auf- sich zusammenbrach, wodurch die Bühne für 01.09.1994. gegriffen wurden. Neu ist sie jedenfalls nicht, einen deutsch-französischen PESCO-Durch- die Idee, dass sich eine Art »Avantgarde« der marsch frei wurde. »Fähigen und Willigen« für bestimmte Poli- Und tatsächlich ergriffen diese bei- 26 Fischer, Joschka: tikbereiche zusammenschließt, um unabhän- den Länder umgehend die Initiative, zuerst Vom Staatenbund zur gig von den restlichen EU-Mitgliedern – aber in Form eines Papiers der damaligen Außen- Föderation – Gedanken unter dem Dach der EU und unter Nutzung minister Frank-Walter Steinmeier und Jean- über die Finalität der ihrer Ressourcen – auf eigene Rechnung zu Marc Ayrault, das lediglich vier Tage nach Europäischen Integ- agieren. Konzeptionelle Vordenker waren dem Brexit-Referendum veröffentlicht wurde: ration, Vortrag an der hier die CDU-Politiker Wolfgang Schäuble „Deutschland und Frankreich [müssen] ge- Humboldt-Universität, und Karl Lamers, die bereits 1994 vor einer meinsam dafür eintreten, die EU Schritt für 12.03.2000. „Überdehnung der Institutionen“ – ein Code- Schritt zu einem unabhängigen und globalen wort für den vermeintlich zu großen Einfluss Akteur zu entwickeln. […] Gruppen von kleiner Länder – warnten und für die „He- Mitgliedstaaten sollten so flexibel wie mög- 27 Wagner, Jürgen: Brüssel, das neue Rom? rausbildung eines Kerneuropas“ warben.25 lich eine dauerhafte strukturierte Zusammen- Ostexpansion, Nachbar- Später griff der damalige Außenminister arbeit im Verteidigungsbereich einrichten schaftspolitik und das Joschka Fischer diese Überlegung in seiner können oder mit einzelnen Operationen Empire Europa, Studien »Humboldt-Rede« im Jahr 2000 auf, als er die vorangehen.“28 zur Militarisierung Möglichkeit forderte, dass eine „Avantgarde“ Nach der Sommerpause legten die EUropas 36/2008, S. 19. in der EU ein „Gravitationszentrum“ bilden seinerzeitigen Verteidigungsminister, Ursula müsse, um in bestimmten Politikbereichen von der Leyen und Yves le Drian, am 12. Sep- schnell und flexibel Ergebnisse erzielen zu tember 2016 mit einem weiteren Papier nach. 28 Ayrault, Jean-Marc/ können.26 Um diese Zeit schwadronierte dann In ihm wurde die zentrale Rolle der PESCO Steinmeier, Frank- auch der damalige französische Ministerprä- als wichtigstes Instrument zur Umsetzung Walter: Ein starkes sident Jacques Chirac von „Pioniergruppen“ der in der Globalstrategie formulierten Ziele Europa in einer und auch sein Nachfolger Nicolas Sarkozy noch einmal ganz explizit hervorgehoben: unsicheren Welt, Stand vertrat die Idee, einzelne Staaten müssten „Hierbei sollten einige unserer Vorschläge 27.06.2016. zum „Motor des neuen Europa“ werden.27 zudem im Rahmen der Ständigen Struktu- Schon mit dem »Vertrag von Amster- rierten Zusammenarbeit (PESCO) betrachtet dam« (1997) wurde die Option eingeführt, werden, welche einen bedeutenden Einfluss 29 Le Drian, Jean Yves/ eine „enge Zusammenarbeit“ einiger Mit- auf die Erfüllung der Zielsetzungen haben Leyen, Ursula von der: gliedsstaaten für einige Politikbereiche einzu- kann, die durch die kürzlich veröffentlichte Erneuerung der GSVP, gehen. Mit dem »Vertrag von Nizza« (2001) EUGS definiert werden.“ 29 Berlin, 12.09.2016. wurden die Bereiche noch einmal erweitert, Im November 2016 erteilte der sparten aber weiterhin militärische Aspekte Rat der EU-Außenbeauftragten dann den kategorisch aus. Dies änderte sich mit dem Auftrag, „das Potenzial einer alle Seiten 30 Entwurf von Schluss- folgerungen des Rates im Juni 2004 unterzeichneten EU-Ver- einbeziehenden Ständigen Strukturierten zur Umsetzung der fassungsvertrag, in dem über die PESCO Zusammenarbeit (PESCO) auszuloten.“30 Es Globalen Strategie der erstmals die rechtliche Möglichkeit für Ex- war aber nicht die EU-Außenbeauftragte, die Europäischen Union im klusivgruppen im Militärbereich geschaffen in der Folge allem Anschein nach den Hut Bereich der Sicherheit wurde. Die diesbezüglichen Passagen fanden aufhatte – und der Prozess lief auch nicht in und der Verteidigung, schließlich Eingang in den heute gültigen einer „einbeziehenden“ Art und Weise ab. Brüssel, den 14. Novem- »Vertrag von Lissabon«, der am 1. Dezem- Denn es waren erneut Berlin und Paris, die ber 2016, S. 14. 15 PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION
Nägel mit Köpfen machten und zwar beim engen Grenzen hielt. So gelangte eine Studie deutsch-französischen Gipfeltreffen am 13. des »European Council on Foreign Relations« Juli 2017. Dort verständigten sie sich auf noch im Frühjahr 2017 zu dem Ergebnis, einen Kompromiss, der anschließend den nicht weniger als 18 Mitgliedsländer würden anderen Ländern vor die Nase gesetzt und der PESCO unentschieden oder gar ableh- schlussendlich dann auch verabschiedet nend gegenüberstehen.33 In dieser Phase fass- wurde. In der Abschlusserklärung des Gipfels te die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« am hieß es dazu lapidar: „Im Bereich der ge- 25. März 2017 die Vorbehalte mit folgenden meinsamen Sicherheit und Verteidigung Worten zusammen: „Die Kanzlerin warb mit ist der Start einer inklusiven und ambitio- Unterstützung aus Frankreich und Spanien nierten Ständigen Strukturierten Zusammen- für ein ‚Europa der verschiedenen Geschwin- arbeit (PESCO) nach Ansicht von Frankreich digkeiten‘. Viele andere Europäer waren und Deutschland von höchster Wichtigkeit davon nicht begeistert. […] Der Begriff […]. Um die Debatte über diese Verpflich- ‚Kerneuropa‘ ist auch nicht beliebter. Andere tungen unter allen interessierten EU-Mitglie- denken da nämlich schnell an ein deutsches dern zu beleben, haben sich Frankreich und Zentralgestirn, um das lauter Planeten krei- Deutschland auf eine Reihe von binden- sen.“ 34 den Verpflichtungen und Elementen für eine Dennoch erklärten sich schlussend- inclusive und ambitionierte PESCO geeinigt, lich nicht weniger als 23 EU-Staaten bereit, einschließlich eines Zeitplans und gezielter im November 2017 das besagte Notifizie- Überprüfungsmechanismen. Diese Vor- rungspapier zu unterzeichnen, mit dem schläge können die Grundlage für der Weg zur Aktivierung der PE- eine breitere Vereinbarung der SCO frei wurde.35 Nachdem sich EU-Mitgliedstaaten bilden. Sie „Deutsches am 7. Dezember auch noch würden ein hohes Ambitions- Zentralgestirn, Irland und Portugal der Ini- niveau einer künftigen PESCO um das lauter tiative angeschlossen hatten, sicherstellen. Sie könnten zum wurde die PESCO dann mit Planeten Kern einer bindenden Ver- einem Ratsbeschluss am 11. pflichtungen werden, die dann kreisen.“34 Dezember 2017 offiziell ins Le- unverzüglich zu einer Notifizie- ben gerufen – außen vor blieben rung führen.“ 31 nur noch Großbritannien, Däne- 31 Deutsch- Damit hatten Deutschland und mark und Malta. Weshalb sich am Ende fast Französischer Frankreich ziemlich genau beschrieben – alle Länder trotz der offensichtlich vorhan- Ministerrat, sprich: vorgeschrieben – wie es anschließend denen Bedenken dem Vorhaben anschlossen, 13. Juli 2017, S. 24. weitergehen sollte. Auf eine Kleine Anfrage erschließt sich erst bei einem genaueren Blick der Linksfraktion im Bundestag antworte- auf die von Deutschland und Frankreich te die Bundesregierung am 20. Juni 2018 unter machtpolitischen Gesichtspunkten rela- zum weiteren Prozedere, insbesondere zur tiv schlau ausgeheckte PESCO-Architektur. 32 Antwort der Bundes- Frage, wie denn die restlichen EU-Länder regierung, Drucksache in den PESCO-Anbahnungsprozess ein- 19/2884, 20.06.2018. gebunden worden seien: „Auf Grundlage eines deutsch-französischen Vorschlages zu Möller, Almut/Pardijs, 33 den Verpflichtungen der PESCO“ sei man an Dina: The Future Shape weitere Länder herangetreten, was dann „zu of Europe, ECFR, Flash einem gemeinsamen Brief der Verteidigungs- Scorecard, März 2017, minister von Deutschland, Frankreich, Italien S. 5. und Spanien an die Hohe Vertreterin vom 21. Juli 2017“ geführt habe. Weiter heißt es 34 Ein Kern für Europa, dann, fast so, als wolle man den Vorbehalten FAZ, 25.03.2017. vieler Länder bewusst Nahrung geben: „Mit dem Versand einer Kopie dieses Briefes an 35 Notification on alle Verteidigungsministerinnen und Vertei- Permanent Structured digungsminister der EU erfolgte die Einbin- Cooperation: www. dung aller Mitgliedstaaten.“ 32 consilium.europa.eu/ media/31511/171113- Kein Wunder also, dass sich die pesco-notification.pdf Begeisterung in den Reihen vieler vor allem kleiner und mittlerer Mitgliedsländer in 16 PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION
PESCO Pesco-Mitglieder übrige EU-Mitglieder 2017 noch untschlossen 2017 noch gegen einen Beitritt Quelle: Karte: NordNordWest, Lizenz: Creative Commons by-sa-3.0 de Teil2 PESCO: Aufrüstung per Zwang und Sanktion Obwohl Deutschland und Frankreich die stellung von Interventionstruppen zur Unter- entscheidenden Elemente der PESCO weit- stützung seiner Einsätze vor allem in Afrika gehend unter sich ausmachten, waren sie interessiert gewesen.36 sich keineswegs über die Schwerpunkte des Herausgekommen ist wie so häufig 36 Major, Claudia/ Vorhabens gänzlich einig. Schon im Vorfeld ein schlechter Mix aus beiden Ansätzen – Mölling, Christian: Die hieß es immer, Deutschland verfolge einen eine Art »inklusiv-ambitionierte« PESCO. Sie Europäische Interventi- »inklusiven« Ansatz, indem möglichst viele steht zwar auf den ersten Blick allen Mit- onsinitiative EI2, DGAP Länder eingebunden werden sollten. Frank- gliedern offen, denen allerdings auch wenig Standpunkt, Nr. 10/Juni 2018; Europeans appro- reich dagegen sei primär daran interessiert anderes übrig bleibt, als sich einzuklinken, ve defense pact in bid to gewesen, weniger Länder unter »ambitionier- wollen sie nicht substanzielle Mitsprache- reduce dependence on teren« Vorgaben unter dem Dach der PESCO rechte einbüßen. Im selben Atemzug wur- U.S., Washington Post, zu vereinen. Darüber hinaus habe Deutsch- den aber anspruchsvolle Kriterien definiert, 13.11.2017. land den Schwerpunkt auf die Fähigkeitsent- die substanzielle »Verbesserungen« in den wicklung – sprich: Rüstungsprojekte – und Bereichen Truppenbereitstellung, Kapazi- damit zusammenhängende industriepoliti- tätsentwicklung und Rüstungsfinanzierung sche Maßnahmen legen wollen, Frankreich vorschreiben. Dafür soll die PESCO mit zwei dagegen sei primär an der »besseren« Bereit- weiteren Vorhaben eng verwoben werden: 17 PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION
der »Koordinierten Jährlichen Überprü- darin bestehe, dass es mit der »Freiwilligkeit« fung der Verteidigung« (CARD) und dem eben doch nicht sonderlich weit her ist: „Der »Europäischen Verteidigungsfonds« (EVF). Unterschied zwischen der SSZ und anderen Im Ergebnis soll darüber ein in sich geschlos- Formen der Zusammenarbeit besteht in der senes System etabliert werden, das von der Rechtsverbindlichkeit der von den teilneh- Identifikation (CARD) über die Umsetzung menden Mitgliedstaaten eingegangenen Ver- (PESCO) bis hin zur Finanzierung (EVF) pflichtungen. Jeder teilnehmende Mitglied- strategisch relevanter europäischer Militär- staat legt entsprechend den Vereinbarungen projekte reicht. einen Plan für seine nationalen Beiträge und Um die Sache abzurunden, wurde ein Anstrengungen vor. Diese nationalen Um- Überprüfungsmechanismus etabliert, der es setzungspläne werden regelmäßig bewertet. ermöglicht Mitgliedsstaaten, die besagte Kri- Darin unterscheidet sich die SSZ von dem terien nicht erfüllen, mit Sanktionen zu bele- derzeitigen, auf Freiwilligkeit beruhenden gen, die sogar bis zu einem Rauswurf aus der Ansatz der Gemeinsamen Sicherheits- und PESCO und der damit einhergehenden Ver- Verteidigungspolitik der EU.“ 37 bannung an den militärpolitischen Katzen- 37 Ständige Struktu- tisch der Union reichen können. Deutschland rierte Zusammenarbeit und Frankreich haben sich hierfür die Mög- – SSZ, #EUDEFENCE, lichkeit verschafft, über ihre Stimmgewichte November 2018. und die Aufkündigung des bislang geltenden Vertrag von Vertrag von Konsensprinzips die anderen Mitgliedsstaa- PESCO- Länder Lissabon Nizza ten entweder in ein enges Rüstungskorsett zu (Stimmen in %) (Stimmen in %) zwängen oder sie bei »renitentem« Verhalten Deutschland 18,77 8,4 abstrafen zu können. Die entscheidende Neu- erung der PESCO besteht demzufolge darin, Frankreich 15,25 8,4 dass Konsens durch Zwang ersetzt wird. So Italien 13,88 8,4 betont zwar das offizielle EU-PESCO-Facts- Spanien 10,59 7,83 heet, die Mitgliedstaaten hätten sich „frei- Polen 8,62 7,83 willig für die Teilnahme entschieden“, nur um dann im selben Atemzug klarzustellen, Rumänien 4,43 4,04 dass der entscheidende »Vorteil« der PESCO Niederlande 3,93 3,77 Belgien 2,59 3,48 Griechenland 2,44 3,48 Tschechien 2,38 3,48 Portugal 2,33 3,48 Schweden 2,30 2,9 Ungarn 2,22 3,38 Österreich 2,00 2,9 Bulgarien 1,60 2,9 Finnland 1,25 2,03 Slowakei 1,23 2,03 Irland 1,10 2,03 Kroatien 0,93 n.V Litauen 0,64 2,03 Slowenien 0,47 1,16 Lettland 0,44 1,16 Estland 0,30 1,16 Zypern 0,20 1,16 Luxemburg 0,14 1,16 Quelle: EU Abstimmungsrechner 18 PESCO: DAS MILITARISTISCHE HERZ DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSUNION
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