Unsere Ozeane: geplündert, verschmutzt und zerstört - WWF-Bericht über die Bedrohung der Meere und Küsten - WWF ...
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Unsere Ozeane: geplündert, verschmutzt und zerstört WWF-Bericht über die Bedrohung der Meere und Küsten Aktualisierte Neuauflage
Inhalt Ölraffinerien und verrostete Schiffe vor der Küste Algeriens. © WWF-Canon / Michel Gunther Einleitung Welche Zukunft haben die Meere? 3 Überfischung Leere Ozeane bis 2050? 4 Zerstörerische Fischereimethoden Verendet am Haken 6 Fischfarmen Zu Tode gemästet 8 Klimawandel Erstes Opfer Korallenriffe 10 Verbauung der Küsten & Tourismus Betonwüsten an der Wiege der Artenvielfalt 12 Rohstoffabbau Rücksichtslose Plünderung 14 Verschmutzung und Lärm Von Todeszonen und Plastikbeuteln 16 Schifffahrt Riskante Dreckschleudern 18 Impressum Herausgeber: WWF Deutschland, Frankfurt am Main • Stand: September 2009 Autor: Ralph Kampwirth (WWF) • Redaktion: Heike Mühldorfer (WWF) Gestaltung: Wolfram Egert, Reichenau • Produktion: Natascha Schuck, WWF Druck: Medialogik GmbH, Karlsruhe • Papier: Recymago, 100 % Recyclingpapier © 2009 WWF Deutschland Jeder Nachdruck, auch auszugsweise, bedarf der Genehmigung des Herausgebers. Titelfotos: © WWF-Canon / Cat Holloway, Michel Gunther, Jürgen Freund, Domenique Halleux • Australian Fisheries Management Authority 2 WWF Deutschland
Einleitung Welche Zukunft haben die Meere? Unsere Meere sind ein empfindliches Die Armut in großen Teilen der Welt Viertel der asiatischen Mangroven- Ökosystem, das in den letzten Jahr- verschärft die Umweltprobleme mas- wälder zerstört. Die vor den Küsten zehnten immer neuen Bedrohungen siv. Für rund eine Milliarde Menschen anzutreffenden Seegraswiesen sind ausgesetzt wurde. Der WWF setzt sich ist Fisch die Haupteiweißquelle, die um ein Siebtel geschrumpft. zusammen mit Meeresforschern für schon heute durch Überfischung stark einen nachhaltigen Schutz dieses dezimiert ist. Fischerei stellt daneben Der vorliegende Bericht liefert wichtigen Bestandteils unserer Erde häufig die einzige Einkommensmög- anhand einiger Schlaglichter einen ein und konnte dabei auch schon lichkeit für die arme Küstenbevölke- Überblick über zentrale Bedrohungen Erfolge erzielen. rung dar, die jedoch von dem leben der Meere und Küsten. muss, was die internationale Fisch Doch die Erfolge im Meeresschutz industrie übrig lässt. Niemand weiß, wie lange die dürfen nicht darüber hinweg Menschheit noch umsteuern und täuschen, dass die Bedrohung der Angesichts versiegender Rohstoffquel- die Ozeane retten kann. Sicher ist Ozeane unvermindert anhält – und len an Land nimmt der Druck zur Aus- nur, dass wir keine Zeit zu ver in vielen Bereichen sogar zunimmt. beutung maritimer Ressourcen wie schenken haben. Öl, Gas oder neuerdings Mangan zu. Seit dem ersten Meeresbericht des Großflächiger Sand- und Kiesabbau WWF von 2007 hat sich die Situation zerstört den Meeresboden in Nord- Das WWF-Rettungsprogramm in einigen Bereichen drastisch ver- und Ostsee. schlechtert. er WWF engagiert sich für ein D Mit dem globalen Warenaustausch weltweites Netzwerk aus Meeres- Die Folgen des Klimawandels werden wächst die Schifffahrt rapide – 90 Pro- schutzgebieten, von der Küste voraussichtlich immens sein. Wenn die zent des weltweiten Außenhandels bis auf die Hohe See, um das globale Erwärmung nicht auf unter werden über den Seeweg abgewickelt. Überleben der wichtigsten Öko- zwei Grad Celsius begrenzt wird, Die Verschmutzung durch Abgase, systeme und Arten dauerhaft zu drohen ganze marine Ökosysteme zu Abwasser und Treibstoff ist enorm. sichern. Bislang stehen erst etwa verschwinden. Der steigende Meeres- Auch die Bedrohung durch Ölkatastro- 0,6 Prozent der Weltmeere unter spiegel gefährdet Inseln und Küsten phen bleibt trotz des seit 2008 gelten- Schutz – das ist zu wenig. regionen. Durch den erhöhten CO - 2 den Verbots von Einhüllentankern für 80 Prozent der besonders wert- Gehalt der Atmosphäre versauern die den Transport von Schwerölen groß. vollen Meereslebensräume wie Ozeane, was viele Arten akut bedroht. Korallenriffe, Mangroven- und Die Bevölkerungsdichte an den Küsten Das Ökosystem Meer leidet unter den Küstenfeuchtwälder, Flussmün- wird bis 2025 gegenüber dem Niveau vielfältigen Belastungen, das Arten- dungen, Seegraswiesen und von 1990 um 50 Prozent ansteigen. sterben ist erschreckend: Seeberge müssen vollständig Die Verbauung der Küsten vernichtet • 90 Prozent der Bestände aller gro- geschützt werden. den natürlichen Hochwasserschutz ßen Fische wie Thunfisch, Marlin, Nur die Fischereiindustrie sollte durch Korallenriffe, Flussmündungen, Schwertfisch, Hai, Kabeljau oder Subventionen erhalten, die nach- Überflutungsflächen, breite Strände Heilbutt sind bereits verschwunden. haltige Fischerei unterstützt. oder Mangroven. So steigt die Gefahr • Alle Meeresschildkröten-Arten, die Armutsminderung und fairer von Naturkatastrophen. seit Jahrmillionen die Erde bevöl- Welthandel sind wesentliche kern, sind vom Aussterben bedroht. Voraussetzungen zur Lösung der Die Fischerei ist ein Kollaps-Pro- • Bis zu 50 Prozent der erst in den globalen Umweltprobleme. Der gramm mit ungewissem Ausgang. 80 letzten Jahrzehnten entdeckten WWF arbeitet dafür in vielen Pro- Prozent der weltweiten Fischbestände Kaltwasserkorallen, wie die vor jekten vor Ort und auf der inter- sind bis an ihre Grenzen befischt oder Norwegen, sind bereits durch die nationalen politischen Bühne. überfischt. Rund 82 Millionen Tonnen Grundschleppnetzfischerei zerstört. Wo Meere vom Menschen Wildfisch holt eine entfesselte Fischin- • Mangrovenwälder schützen die genutzt werden, müssen Schutz dustrie Jahr für Jahr aus den Ozeanen. Küsten in tropischen Regionen vor und Nutzung mit den Verfahren 40 Prozent davon sind unerwünschter den Folgen von Wirbelstürmen und der „Raumplanung“ koordiniert Beifang, der zum großen Teil tot oder Tsunamis. Ihre reiche Lebensvielfalt werden. Nur so können wirksame sterbend wieder über Bord geworfen sichert der örtlichen Bevölkerung Maßnahmen zum dauerhaften wird. Bis Mitte des Jahrhunderts droht Nahrung und Einkommen. Binnen Erhalt des Lebensraums umge- bei unveränderter Praxis der Zusam- zehn Jahren wurden fast die Hälfte setzt werden. menbruch kommerzieller Fischerei. aller südamerikanischen und ein WWF Deutschland 3
Überfischung Leere Ozeane bis 2050? Fisch ist gesund, lecker, beliebt – und greifenden Maßnahmen kommt. Trotz Aus für den Kabeljau? extrem gefährdet. Durchschnittlich dem verhalten wir uns noch immer 16,5 Kilogramm Fisch verspeist jeder so, als seien die Ozeane ein Selbst Der Kabeljau in der Nordsee steht Mensch pro Jahr. Etwa 82 Millionen bedienungsladen mit unbegrenztem unter extremem Druck. Jahr für Tonnen Meeresfisch wurden 2006 Angebot. Allein im Nordatlantik Jahr ignoriert die EU die Forderung gefangen. Im selben Jahr erreichte zwischen Europa und Nordamerika von Wissenschaftlern und Umwelt- das Exportvolumen ein neues Rekord- ist die Biomasse der genutzten Fisch verbänden, den Fang einzustellen, hoch von 85,9 Milliarden Dollar, bestände in den letzten 100 Jahren bis sich die Bestände erholt haben. ein Anstieg um 55 Prozent seit dem auf ein Sechstel gesunken. Auch die wirtschaftlichen Verluste Jahr 2000. durch die Überfischung sind enorm: Bis Mitte des 21. Jahrhunderts könnte, Die Weltbank konstatiert 2008 in Angesichts der scheinbar unend so eine Studie kanadischer Wissen- einer Studie, dass durch Überfi- lichen Ressourcen unserer Ozeane schaftler, die gesamte kommerzielle schung, Beifang und schlechtes ist es kaum vorstellbar – aber die Fischerei komplett zusammenbrechen Management jährlich rund 40 Milli- Menschheit ist dabei, die Meere – falls die Menschheit so weiter macht arden Euro verloren gehen. Anfang zu plündern. wie bisher. Weitere Umweltprobleme der 1990er Jahre traf es kanadi- wie die Meeresverschmutzung oder sche Fischer besonders schlimm: 80 Prozent der wirtschaftlich genutz- der Klimawandel belasten die dezi- Nach jahrelanger Ausbeutung bra- ten Fischbestände sind bis an ihre mierten Fischbestände zusätzlich. chen die Kabeljaubestände vor der Grenzen ausgebeutet oder überfischt. kanadischen Atlantikküste zusam- Die Zahl der nur moderat genutzten Auch Verbote greifen nicht immer. men. 40.000 Menschen verloren Bestände ist seit den 1970er Jahren Trotz des Moratoriums gegen den über Nacht ihren Job. Bis heute bis heute von 40 auf 19 Prozent kommerziellen Walfang wurden seit hat sich der Bestand nicht erholt. gesunken. Unser Guthabenkonto Mitte der 1980er Jahre fast 29.000 wird immer kleiner. Wale getötet. per Gesetz nicht an Land bringen darf, Die weltweite Fischerei ist ein Die wichtigsten Gründe für gilt als unerwünschter Beifang. Welt- Kollaps-Programm. Vielen Fischerei- die Überfischung: weit gehen 40 Prozent der Fänge noch en – wie denen auf Nordsee-Kabeljau auf See ungenutzt wieder über Bord. oder auf Roten Thunfisch im Mittel- Schwimmende Fischfabriken: Die meer – könnte in absehbarer Zeit das Industrialisierung hat das Gesicht Piratenfischerei: Fast ein Drittel Aus drohen, wenn es nicht zu tief der Fischerei in den letzten 50 Jah- des globalen Fischfangs ist illegal, ren komplett verändert. Nicht klei- undokumentiert oder unkontrolliert. ne, bunte Boote haben es auf die Schätzungen zufolge erzielen die Ressourcen der Ozeane abgesehen, Verkäufe aus Piratenfischerei zwi- sondern schwimmende Fabriken schen vier und neun Milliarden US- plündern die Meere. Oft wird der Dollar jährlich. Auch die EU-Flotte Fisch schon an Bord verarbeitet und fischt häufig kriminell – und über- gekühlt. Grundschleppnetze fischen schreitet die festgelegten Fangmen- in 2.000 Metern Tiefe. gen für den Roten Thunfisch im Mittelmeer oder für den Dorsch Beifang: Wo immer es Fischerei gibt, (Ostsee-Kabeljau). Lasche Gesetze fällt Beifang an. Alles, was man und fehlende Kontrollen haben mit nicht fangen wollte, nicht vermarkten Schuld an der Misere. kann oder per Gesetz nicht an Land bringen darf, gilt als unerwünschter Raubzug gegen Devisen: Die globale Beifang. Weltweit gehen 40 Prozent Fischindustrie beutet hemmungslos der Fänge noch auf See ungenutzt die Fischressourcen der ärmsten wieder über Bord. Länder der Welt aus. Mit Fischerei abkommen sichern sich die Flotten Plündern mit Steuergeldern: Wo aus Ländern wie Japan, China und Mit gigantischen Netzen werden die immer es Fischerei gibt, fällt Beifang der EU Zugang zu den Gewässern Ozeane geplündert. an. Alles, was man nicht fangen armer Küstenstaaten in Afrika und © WWF-Canon / Quentin Bates wollte, nicht vermarkten kann oder Asien. Sie fischen dort ohne wirksame 4 WWF Deutschland
Kontrolle rücksichtslos und häufig mit illegalen Praktiken. Für die einheimi- sche Bevölkerung bleiben nur die Reste. Aber selbst vom spärlichen Fang der einheimischen Fischer wird alles exportiert, was in den reichen Indu- strieländern vermarktbar ist. Die Logi- stik des globalen Fischhandels reicht bis in den letzten Winkel der Welt. „Augen zu und durch“-Politik: Die Fischereipolitik versagt. Regel- mäßig ignorieren die verantwortlichen Gremien den Rat der Wissenschaftler, Fangquoten zu senken oder Fischerei- en zu schließen, damit sich die Bestän- de erholen können. Die 2002 refor- mierte EU-Fischereipolitik hat bislang ihre Versprechungen nicht gehalten – Europas Meere gehören zu den am stärksten überfischten der Welt. Industrielle Fischerei auf Granatbarsch – eine von zahllosen überfischten Arten. © Australian Fisheries Management Authority WWF-Lösungen Tipps für die Brieftasche Beifangtod retten oder den Kabeljau- Armutsminderung und Der handliche Einkaufsführer für beifang in der Nordsee vermeiden. fairer Welthandel Verbraucher listet die 45 wichtigs- Der WWF engagiert sich für eine ten Fischarten in Deutschland von Meeresschutzgebiete faire Aufteilung der weltweiten Fisch- „annehmbar“ bis „bedroht“ auf. Weniger als ein Prozent der Welt- ressourcen und eine Verbesserung www.wwf.de/fisch meere stehen unter Schutz. In einem der Situation armer Küstenfischer Großteil dieser Schutzgebiete ist die durch Schutzgebiete für Jungfische, MSC – das blaue Öko-Siegel Fischerei noch erlaubt. Der WWF nachhaltiges Management und alter- Der „Marine Stewardship Council“ unterstützt die Vereinbarung der native Einkommen. (MSC) garantiert eine umweltfreund- internationalen Staatengemeinschaft, www.panda.org/what_we_do/ liche Fischerei. Vier Prozent des bis 2012 mindestens zehn Prozent where_we_work/wamer/ globalen Fischfangs stammen heute der Weltmeere unter Schutz zu stellen aus MSC-Fischereien – Tendenz und fischereifreie Zonen einzurichten. Händler für steigend. In Deutschland liegt der www.wwf.de/regionen/ zukunftsfähige Fischerei Marktanteil von MSC-Fisch bei etwa nordsee-nordostatlantik Auch die fischverarbeitende Indus- zehn Prozent. Immer mehr Fischver- www.panda.org/marine trie und der Einzelhandel müssen arbeiter und Handelsketten koope- ein großes Interesse haben, sich rieren mit dem WWF und setzen auf Zukunftsfähige Fischereipolitik die Ressource Fisch zu erhalten. Sie nachhaltigen Fisch. Der WWF engagiert sich in Deutsch- können beim Thema Überfischung www.msc.org land, Europa und rund um den am entscheidenden Schalthebel Globus für eine zukunftsfähige sitzen. Inzwischen engagieren sich Schlaue Netze Fischereipolitik. Der WWF überzeugt zahlreiche bekannte Handelsun- Der WWF lobt seit 2004 in einem mit Lobbyarbeit und entfaltet durch ternehmen wie die Edeka-Gruppe, internationalen Wettbewerb Kampagnen Druck auf Politiker. Ahold, Carrefour, Coop sowie Marks (www.smartgear.org) Preise für inno- www.wwf.de/unsere-themen/ & Spencer und arbeiten mit dem vative Fangtechnik aus, die den meere-kuesten/fischerei/ WWF zusammen, um ihr Fischan Beifang verringert. Solche Lösungen gebot auf Produkte aus umwelt können Meeresschildkröten vor dem gerechten Fischereien umzustellen. WWF Deutschland 5
Zerstörerische Fischereimethoden Verendet am Haken Die Fangflotten plündern nicht nur sterben bedrohten Meeresschild Geisternetze die Fischbestände. Rücksichtslose kröten und 300.000 Seevögel ver- Fischereimethoden beschleunigen fangen sich jährlich an diesen ischer verlieren auf Hoher See F das Artensterben und zerstören wert- Haken und verenden oft qualvoll. ihre Netze oder werfen kaputte volle Lebensräume. • Beifang ist die Hauptursache für Netze über Bord – darin verhed- das Verschwinden von 89 Prozent dern sich Fische, Wale, Delfine In den Netzen und an den Haken der der Hammerhaie und 80 Prozent oder Meeresschildkröten und Fischer landen längst nicht nur jene der Weißen Haie aus dem Nordos- ertrinken qualvoll. Man geht davon Fische, die wirtschaftlich genutzt tatlantik. aus, dass etwa ein Viertel des werden. Allein in der Nordsee geht • Bis zu 80 Prozent der Schollen, Mülls auf dem Grund der Nordsee bis zu einem Drittel des Gesamtfangs die in der Nordsee gefangen werden, alte Netze sind. Das wahre Ausmaß in jedem Jahr ungenutzt wieder über werden ungenutzt zurück ins Meer dieser alltäglichen Katastrophe, die Bord. Einige erschreckende Fakten geworfen. Die Fische sind für den Zahl der Opfer in den vagabundie- des weltweiten Beifangproblems: Markt zu klein. renden oder am Boden liegenden • Über 300.000 Wale und Delfine ver- • In den illegalen Treibnetzen, mit Netzen ist unbekannt. enden Jahr für Jahr in Fischernetzen. denen vor der Küste Marokkos • Die Langleinen-Fischerei arbeitet Schwertfische für den europäischen mit bis zu 100 Kilometer langen Markt gefangen werden, sterben im Angelschnüren mit 20.000 Haken. Jahr schätzungsweise 100.000 Haie Eine viertel Million der vom Aus- und über 16.000 Delfine. Dieser Hai verendet an einem von tausenden Haken einer kilometerlangen Angelschnur. © Cat Holloway 6 WWF Deutschland
Viele Fischereipraktiken hinterlassen enorme Schäden in den sensiblen Meereslebensräumen, allen voran in Korallenriffen. Noch immer wird Dynamit eingesetzt, um Fische aus Korallen aufzuscheuchen. So kommt es in Südostasien zu massiven Zer- störungen der Riffe. Daneben spielt auch die Zyanid-Fischerei eine gefähr- liche Rolle. Dabei werden Fische in Korallenriffen betäubt, die dann später lebendig in Restaurants in Hongkong oder Singapur angeboten werden. Für jeden so gefangenen Fisch stirbt ein Quadratmeter Korallenriff ab. Massive Schäden richtet die Fischerei mit so genannten Bodenschleppnetzen an. Die Schleppnetze pflügen förm- lich den Meeresboden um und rasie- ren mit ihren tonnenschweren Ketten, Fischmüll: Diese meist zerquetschten Fische sind wertloser Beifang. Netzen und Stahlplatten fragile Sie werden zurück ins Meer geworfen. © WWF-Canon / Mike R. Jackson WWF-Lösungen Lebensräume wie Schwammbänke, Deshalb sind sie sehr anfällig für Schutz von Kaltwasserkorallen Seeberge oder Korallenriffe. Die Überfischung. Der WWF setzt sich für ein Verbot Fischerei mit Bodenschleppnetzen zerstörerischer Fischereimethoden gilt als die größte Gefahr für die An stark befischten Seebergen ein. In besonders empfindlichen Tiefsee. Viele der betroffenen Arten südlich von Australien sind 90 Pro Lebensräumen wie Korallenriffen – wie der Granatbarsch – wachsen zent der Korallen verschwunden, in muss die Fischerei zum Beispiel außerdem nur extrem langsam untersuchten Gebieten Norwegens mit Grundschleppnetzen verboten und haben wenig Nachkommen. bis zu 50 Prozent. werden. Im Nordostatlantik sind binnen zehn Jahren auf rund 900.000 Quadratkilometer Fläche Kaltwasserkorallenriffe unter Schutz gestellt worden. www.wwf.de/regionen/nordsee- nordostatlantik Erstes internationales Schutz gebiet auf Hoher See Auf Initiative des WWF wurde 2008 ein großer Abschnitt des Mittel atlantischen Rückens, zum ersten Meeresschutzgebiet in internatio- nalen Gewässern erklärt. www.wwf.de/hochseeschutzgebiet WWF-Verbrauchertipp Von Scholle, Seezunge und Scam- pi rät der WWF ab. Diese Fische werden mit Methoden gefangen, die die Meeresumwelt zerstören. www.wwf.de/fisch www.wwf.de/beifangrechner Ein durch Bodenschleppnetze zerstörtes Kaltwasser-Korallenriff. © MCBI WWF Deutschland 7
Fischfarmen Zu Tode gemästet Fischfarmen (auch: „Aquakulturen“) steigendem Maße in Fischfarmen Edel-Thunfisch gemästet werden häufig als Königsweg aus der verfüttert. Für ein Kilo Thunfisch Fischereikrise und als Antwort auf die werden bis zu 22 Kilo Wildfisch ver- Ein relativ neues Phänomen sind steigende Nachfrage nach Fisch an- füttert, für ein Kilo Lachs immerhin Anlagen, in denen wild gefangener gesichts der wachsenden Weltbevöl- bis zu vier Kilo. Typische Futter- Fisch gemästet wird. Davon ist kerung betrachtet. Fischfarmen sind fische wie Anchovis, Sardinen, zum Beispiel der extrem bedroh- ein boomendes Geschäft mit einem Hering und Wittling sind oft bis an te Rote Thunfisch im Mittelmeer Jahresumsatz von 56 Milliarden Euro ihre Bestandsgrenzen befischt oder betroffen. Die Jungtiere werden und hohen Wachstumsraten. Fast bereits überfischt. wild gefangen und in Käfigen 19 Millionen Tonnen Fisch und Mee- entlang der Küste aufgepäppelt – resfrüchte wurden 2005 in marinen Für Fischfarmen werden wertvolle allein 2004 waren es 22.500 Ton- Aquakulturen erzeugt. China hat Lebensräume zerstört. In Asien nen Roter Thun. Die Mastanlagen einen Anteil von 70 Prozent an der und Lateinamerika wurden groß dezimieren einen der am stärksten Weltproduktion von Farmfisch. flächig Mangrovenwälder für bedrohten Fischbestände der Welt. Shrimps-Farmen abgeholzt. Den Aufbau dieser tödlichen Indus- Doch die Meere und viele bedrohte trie hat die Europäische Union mit Arten leiden unter den Folgen der In Ecuador wurden 70 Prozent der 20 Millionen Euro subventioniert. weltweit wachsenden Fischfarmen: Mangroven zerstört – hauptsächlich für Aquakulturen. Roter Thun ist ein Edelfisch und Fischfarmen tragen zur Plünderung erzielt Spitzenpreise. Er wird vor der Ozeane bei, denn große Mengen Häufig verhindern die wirtschaftlichen allem in Japan, aber auch in Wildfisch werden dort verfüttert. Interessen der Aquakultur-Betreiber Europa und in den USA für exklu- die Einrichtung von Meeresschutzge- sives Sushi verwendet. Ein Drittel der weltweiten Fangmenge bieten in artenreichen Lebensräumen wird für die Produktion von Fischmehl wie Mangroven, Flussmündungen und -öl eingesetzt. Diese werden in oder Buchten. Mit Shrimps-Farmen lässt sich viel Geld verdienen. Für diese Anlage an der Küste Madagaskars wurden Mangrovenwälder abgeholzt. © WWF-Canon / WWF Madagascar 8 WWF Deutschland
zur Fütterung von Thunfisch in australischen Aquakulturen impor- tiert wurden, waren vermutlich die Ursache dafür, dass zwischen 1995 und 1998 drei Viertel der ausgewach- senen australischen Sardinen einer Virus-Epidemie zum Opfer fielen. In Fischfarmen werden häufig lebensraumfremde Arten gezüchtet. Etwa Atlantischer Lachs im Pazifik, in Chile. Entkommen sie, verdrängen sie einheimische Arten. Im deutschen Wattenmeer breitet sich so auf Kosten der Miesmuschel die Pazifische Auster aus. Futter für die Thunfisch-Mast im Mittelmeer. Für ein Kilo Roten Thun werden bis zu 22 Kilo wild gefangener Fisch verfüttert. © WWF-Canon / Jorge Sierra Über die Fischfarmen gelangen giftiger Cocktail, dessen Langzeit WWF-Lösungen Nährstoffe ins Meer, die zu Algen- folgen unbekannt sind. blüten und Sauerstoffmangel führen. Umweltgerechte Fischfarmen Immer wieder werden Chemikalien Fischfarmen führen durch die große Der WWF ist nicht grundsätzlich eingesetzt – zum Beispiel Antibiotika Anzahl von Tieren auf engstem gegen Aquakulturen. Darum ent- oder Anti-Bewuchsmittel wie Kupfer. Raum zur Ausbreitung von Krank wickelt der WWF gemeinsam mit Für Krebse und Weichtiere ist das ein heiten oder Viren. Sardinen, die Produzenten, Umweltverbänden und Wissenschaftlern Umwelt standards für Fischfarmen im Rahmen der so genannten „Aqua- kultur-Dialoge“. Ziel ist es, die negativen ökologischen Effekte von Farmen zu minimieren. Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, können sich umweltgerecht pro- duzierende Fischfarmen nach dem „Aquaculture Stewardship Council“ (ASC) zertifizieren lassen. www.worldwildlife.org/what/ globalmarkets/aquaculture/aqua culturedialogues. WWF-Verbrauchertipp Zuchtfische wie den europäischen Aal und tropische Shrimps sollten Verbraucher meiden. Auch Atlan tischen Lachs und Doraden aus Zuchten hält der WWF für bedenk- lich. Fische aus Bio-Zuchten hingegen sind eine gute Wahl. Roter Thunfisch auf dem Tsukiji-Fischmarkt in Tokyo. Japan importiert die wertvolle www.wwf.de/fisch Rohware auch aus Europa. © WWF-Canon / Michel Gunther WWF Deutschland 9
Klimawandel Erstes Opfer Korallenriffe Der vom Menschen verursachte In der Karibik führten 2005 die Sturmflut-Warnung an Klimawandel verändert die Ozeane wärmsten jemals gemessenen Was- Elbe und Weser dramatisch. Der Meeresspiegel steigt sertemperaturen zu einem noch nie immer schneller, die Meere werden gesehenen Korallensterben. In Deutschland steigt die Gefahr wärmer und versauern. Viele Arten von Sturmfluten. Der wissen- und Lebensräume sind gefährdet. Obwohl Korallenriffe nur ein Prozent schaftliche Beirat der Bundesre- Schon die 0,7 Grad Temperaturanstieg, der Ozeane ausmachen, beheimaten gierung geht von einem Meeres- die wir auf dem Globus seit Beginn sie ein Viertel aller bekannten Meeres spiegelanstieg von 0,83 bis 1,7 der industriellen Revolution verzeich- arten. Als Kinderstube und Lebens- Metern in 100 Jahren für die deut- nen, führen zu neuen Lebensbedin- raum vieler Fische und anderer Arten, sche Nordseeküste aus. Die bis- gungen. Falls die globale Erwärmung touristische Attraktion sowie Küsten- herigen Küstenschutzkonzepte nicht auf unter zwei Grad Celsius schutz-Bollwerk sind Riffe auch werden in Zukunft nicht mehr aus- begrenzt wird, drohen ganze marine von erheblicher wirtschaftlicher reichen. Durch die Trichterform Ökosysteme zu verschwinden. Bedeutung. von Elbe und Weser und die bis- herigen Vertiefungen der Fluss Besonders deutlich sichtbar werden Der Klimawandel bedroht die Arten- läufe für die Schifffahrt wächst die Folgen des Klimawandels an den vielfalt in den Meeren. Durch den die Sturmflutgefahr für die Städte tropischen Korallenriffen. erhöhten CO -Gehalt der Atmosphäre 2 Hamburg und Bremen. Der WWF lehnt auch deshalb zusätzliche Vertiefungen von Elbe und Weser ab – denn jeder Flussausbau führt zu einem Anstieg der Flut und einer größeren Wucht, mit der das Wasser in die Flüsse eindringt. dazu, dass der Kabeljau langsamer wächst und immer weniger Nach- kommen die ohnehin stark ausgebeu- teten Bestände auffrischen. Aus den erwärmten Meeren treten einige Arten wie Kabeljau oder Seehecht die Flucht in kältere Regionen an – es kommt zu einer Artenverschiebung in Richtung der Pole. Eingespielte Ökosysteme geraten aus den Fugen. Ob die Anpassung an neue Lebens- räume gelingt, ist unklar. Höhere Wassertemperaturen und die Versauerung der Meere – beides Folgen menschlicher Treibhausgas-Emissionen – lassen einstmals farbige Korallen Auch Wale und Delfine sind bedroht ausbleichen und absterben. © WWF-Canon / Cat Holloway – durch höhere Wassertemperaturen, Versauerung der Meere, den Verlust Weltweit sind mehr als zwei Drittel versauern die Ozeane. Das gefährdet kühler Lebensräume und den Rück- der Korallenriffe durch steigen alle wirbellosen Lebewesen, die auf gang von Krill, der Hauptnahrung de Wassertemperaturen und den ein Kalkskelett angewiesen sind, von vieler Großwalarten. Ein ungebrems- zunehmenden CO -Gehalt im Meer 2 mikroskopisch kleinen Kokkolithen ter Klimawandel könnte etwa für die gefährdet. und Foraminiferen im Plankton über letzten 300 Atlantischen Nordkaper Schnecken, Muscheln und Tinten das Ende bedeuten. Etwa 20 Prozent der Riffe gelten fische bis zu Kalt- und Warmwasser- bereits als unwiederbringlich zerstört. korallen. Viele Fischbestände, ohne- In der nördlichen Ostsee wird die Das australische Great Barrier Reef hin schon durch die Überfischung winterliche Eisdecke bei ungebrems- könnte bis 2050 zu über 95 Prozent enorm unter Druck, leiden unter den tem CO -Ausstoß voraussichtlich 2 geschädigt werden, falls die globale Folgen des Klimawandels. So führt um 50 bis 80 Prozent zurückgehen. Erwärmung nicht begrenzt wird. die Erwärmung des Nordostatlantiks Für die seltene Ringelrobbe, die ihre 10 WWF Deutschland
Das Kohlekraftwerk in Neurath gehört zu den klimaschädlichsten Anlagen Europas. Der hohe CO -Ausstoß bei der 2 Stromgewinnung aus Kohle ist eine Ursache für den Klimawandel. © WWF-Canon / Andrew Kerr J ungen im Winter auf dem Packeis gehalten wurden, breiten sich immer würde vermutlich das Aus für artenrei- zur Welt bringt, wäre das fatal. Dem weiter aus. So ist der Temperaturan- che Mangrovenwälder an tropischen eisarmen Winter 2007/08 fielen bereits stieg in der Nordsee ein Grund für die Küsten bedeuten. Sie verkraften nur Hunderte junger Ostsee-Ringelrobben Ausbreitung der Pazifischen Auster. einen moderaten Anstieg. Die indi- zum Opfer, da sie wegen der mangeln- schen Sunderbarns, die ausgedehntes- den Eisschicht ins eiskalte Wasser Prognosen sagen für die nächsten ten Mangrovensümpfe der Welt, mussten, bevor sie eine robuste, 100 Jahre einen Meeresspiegelanstieg könnten bei einem stark steigenden schützende Fettschicht ansetzen konn- um 56 Zentimeter voraus – mit deut- Meeresspiegel völlig verschwinden. ten, und so qualvoll erfroren. lichen regionalen Unterschieden. Dies Falls der globale CO -Ausstoß 2 WWF-Lösungen nicht drastisch sinkt, droht die Ostsee-Ringelrobbe langfristig Globale Erwärmung begrenzen Die bisherigen Konzepte zum auszusterben. Der WWF fordert, die globale Schutz von Mensch und Umwelt Erwärmung auf unter zwei Grad an der Nordsee berücksichtigen Wärmere Meere beeinflussen die Celsius gegenüber dem vorindus- die Folgen des Klimawandels nicht Biologie vieler Arten. Stoffwechsel, triellen Wert zu begrenzen. Dazu ausreichend. Der WWF fordert neue Lebenszyklus und das Verhalten muss vor allem der Ausstoß des Strategien, vergrößerte Überflu- können sich ändern. Beim Kabeljau Hauptklimakillers – Kohlendioxid tungsflächen und einen Verzicht auf führt die Meereserwärmung zu weni- – drastisch reduziert werden. Glo- weitere Vertiefungen der Flussmün- ger Nachwuchs. Erhöhte Temperatu- bal ist bis 2050 eine Reduktion dungen von Elbe, Weser und Ems. ren bringen das Verhältnis von der Treibhausgase um 50 Prozent www.wwf.de/kuestenschutz-und- Männchen und Weibchen bei Mee- erforderlich. Für die Industrieländer klimawandel resschildkröten aus dem Gleichge- bedeutet dies im gleichen Zeitraum wicht. Durch den Anstieg des Meeres- eine Verminderung um 80 Prozent. WWF-Verbrauchertipp spiegels verlieren sie zudem wichtige www.wwf.de/klimaschutz Umsteigen auf Öko-Strom, regional Brutstrände. So werden ganze Popu- und saisonal einkaufen oder Energie lationen gefährdet. Neue Konzepte für den verbrauch senken – jeder kann Küstenschutz mithelfen, das Klima und damit Durch die Schifffahrt aus tropischen Die deutsche Küste ist durch den die Ozeane zu retten. Regionen eingeschleppte Arten, die Meeresspiegelanstieg gefährdet. www.wwf.de/klimatipps bisher durch kalte Winter im Zaum WWF Deutschland 11
Verbauung der Küsten & Tourismus Betonwüsten an der Wiege der Artenvielfalt An den Küsten wird der Konflikt breite Strände oder Mangroven bieten. Der Welt verpflichtet zwischen Mensch und Natur beson- So bremsten Mangrovenwälder und ders deutlich. Die Küstenregionen Korallenriffe in einigen Regionen Im Juni 2009 hat die UNESCO das bieten Heimat für über 90 Prozent Südostasiens die Wucht des Tsunami Wattenmeer an der Nordseeküste der bekannten Meeresarten, sie sind Ende 2004. als Weltnaturerbe ausgewiesen. Wiege der Artenvielfalt unserer Damit wurde die außerordentliche Ozeane. Mangrovenwälder, Korallen- Der Bauboom an der Küste geht Bedeutung dieses Naturraumes riffe, Seegraswiesen, Flussmündungen nach wie vor zu oft auf Kosten des u.a. als weltgrößte zusammen- oder das Wattenmeer sind artenreiche Naturschutzes: Mangrovenwälder hängende Wattfläche sowie als und wertvolle Lebensräume. und Seegraswiesen werden zerstört, Rastgebiet für über zehn Millionen um offene Strände zu schaffen. Zugvögel honoriert. Der einmalige Gleichzeitig zieht es die Menschen Sportboothäfen und andere Freizeit- Naturraum steht somit auf gleicher ans Meer. Etwa die Hälfte der Welt einrichtungen werden in unmittelba- Stufe mit den Galapagos-Inseln, bevölkerung lebt an der Küste und rer Nähe von Korallenriffen gebaut. dem Grand-Canyon-Nationalpark zwölf der 16 Städte mit mehr als zehn Wassersport und Whale Watching oder dem australischen Great Millionen Einwohnern liegen am können, wenn sie nicht mit dem nöti- Barrier Reef. Deutschland und die Meer. Mit der Besiedlung und Aus- gen Respekt durchgeführt werden, Niederlande haben damit die beutung der Küsten geht ihre Zerstö- empfindliche Tiere stören. Verpflichtung gegenüber der Welt rung einher – ein bislang trotz vieler gemeinschaft übernommen, das Modelle nachhaltiger Entwicklung Gerade im Urlaub zieht es die Men- Wattenmeer in seiner heutigen und neuer Schutzgebiete ungebremster schen ans Meer: Rund 80 Prozent Qualität dauerhaft zu erhalten. Prozess. Die Verbauung der Küsten des weltweiten Tourismus spielen Dieser Herausforderung kann schwächt den natürlichen Hoch sich in Küstenregionen ab. Die Reise- angesichts zu erwartender stei- wasserschutz, den Flussmündungen, branche gehört zu den größten und gender Besucherzahlen nur dann Korallenriffe, Überflutungsflächen, am schnellsten wachsenden Wirt- entsprochen werden, falls die Tou- rismusindustrie die Aspekte des Naturschutzes respektiert und die Länder ausreichend Mittel und Personal für eine naturverträgliche Besucherlenkung zur Verfügung stellen. schaftszweigen der Welt mit einem Anteil von bis zu zehn Prozent am globalen Bruttoinlandsprodukt und jährlich mehr als 920 Millionen touristischer Ankünfte weltweit. Die Einnahmen aus diesem Milliardenge- schäft bleiben jedoch häufig nicht in den betroffenen Regionen. So gingen von 2001 bis 2004 zwei Drittel der Gelder aus dem Mittelmeer-Touris- mus an weniger als zehn Reiseveran- stalter in Nordeuropa. Das Mittelmeer ist ein Zentrum des weltweiten Tourismus. Fast 250 Mil- lionen Touristen bereisen Jahr für Jahr die Mittelmeerregion, 100 Millionen davon besuchen die Strände. Bis 2025 Die Türkei plant einen massiven Ausbau der Hotelanlagen am Meer. Etwa die Hälfte wird eine Steigerung des Urlauber- der gesamten Mittelmeerküste ist bebaut, wertvolle Naturräume sind verschwunden. stroms auf bis zu 350 Millionen © WWF-Canon / Michel Gunther Besucher an den Mittelmeerküsten 12 WWF Deutschland
Taucher verfolgen einen Walhai. Die Grenzen zwischen der Bewunderung für faszinierende Lebewesen und der Störung ihres Alltags sind oft fließend. © WWF-Canon / Erkki Siirilä erwartet. Der Massentourismus be- Zuwächsen – weiter gehen. Wenn es Unberührte Natur, abwechslungs deutet für Natur und Umwelt häufig nicht gelingt, bereits in den Planungs- reiche Landschaften und regionale negative Auswirkungen: Er trägt zum prozessen touristischer Projekte Besonderheiten werden dann ebenso notorischen Wassermangel ebenso bei nachhaltige Aspekte zu berücksich der Vergangenheit angehören wie wie zur Verschmutzung des Meeres tigen, werden unsere Meere und die Verfügbarkeit von Wasser und und zur Gefährdung der Artenvielfalt. Küsten nicht nur ihre Attraktivität Energie für Einheimische. als Urlaubsregionen verlieren. Infolge der starken Nutzung der Küsten sind die früher einmal weit WWF-Lösungen verbreiteten Seegraswiesen gefährdet, entlang der dicht bewohnten Nord- Nachhaltiger Tourismus ausgewählter Reisen auf und gibt westküste des Mittelmeers sind sie Die künftige Entwicklung des Tou- Tipps, wie jeder Einzelne seinen nahezu verschwunden. Auf der rismus ist ein Schlüssel zur Bewah- persönlichen Klimafußabdruck re- griechischen Insel Zakynthos sind rung der biologischen Vielfalt. In duzieren kann. die Niststrände der vom Aussterben vielen Regionen kann sozialverträg- gefährdeten Unechten Karettschild- liches und naturnahes Reisen die Internationale Mindeststandards kröten durch das rücksichtslose Natur schützen und die lokale Wirt- im Tourismus Verhalten von Gastronomen und schaft stärken. Der WWF entwickelt International müssen Mindeststan- Touristen bedroht. Der an der Küste mit Partnern aus der Tourismus- dards, die zu mehr Nachhaltigkeit im lebenden Mittelmeermönchsrobbe branche Modellprojekte für nach- Tourismus führen, eingehalten wer- hat der Mensch den Lebensraum und haltiges Reisen und zum Schutz den. Die Global Sustainable Tourism die Nahrungsquelle Fisch geraubt. empfindlicher Küsten. Criteria (GSTC) helfen der Touris- Sie ist mit nur noch 500 verstreut www.wwf.de/tourismus musindustrie bei der Verbesserung lebenden Exemplaren eines der sel- ihrer Reiseprodukte und schaffen für tensten Säugetiere des Planeten. Der touristische Klimafußabdruck den Verbraucher die Möglichkeit, Jede Reise verursacht CO -Emissio- 2 gut geführte Betriebe zu erkennen Trotz Wirtschaftskrise und Klima- nen. Der WWF zeigt in einer Studie und sich für diese zu entscheiden. wandel wird der Ausbau des Touris- den touristischen Klimafußabdruck www.sustainabletourismcriteria.org mus – wenn auch mit weniger starken WWF Deutschland 13
Rohstoffabbau Rücksichtslose Plünderung Im Pazifik kündigt sich ein neuer könnte. Großflächige Schutzgebiete So stammen bereits etwa 30 Prozent „Goldrausch“ mit unabsehbaren müssen die unbekannte Welt der Tief- des Rohöls von Offshore-Anlagen. ökologischen Folgen an. Zwischen see vor einem Raubbau bewahren. Und weitere empfindliche Küsten- Mexiko und Hawaii lagern vermut- und Meeresregionen sind im Visier lich zwei Milliarden Tonnen Mangan- Die Rohstoffgewinnung aus dem der Öl- und Gasindustrie. Vor den knollen. Die wertvollen Knollen ent- Meer spielt angesichts zunehmend Küsten Ost- und Westafrikas, in halten neben Mangan auch Kupfer, erschöpfter Quellen an Land der Barentsee, in der Ostsee und im Nickel und Kobalt. Mit steigenden eine wachsende Rolle für die Welt Nordostatlantik sind Eingriffe in Rohstoffpreisen kann sich die Aus- wirtschaft. empfindliche und oft noch unberührte beutung der in 4.000 bis 5.000 Meter Ökosysteme geplant, um den globalen Tiefe vorkommenden Ressourcen Energiehunger zu stillen. schon in wenigen Jahren rechnen. Viele Industrienationen sichern sich Kein Wal für Öl! derzeit ihr Abbaugebiet. 2006 erhielt auch Deutschland von der UN-Mee- Seit ergiebige Erdöl- und Gas Das Projekt „Sakhalin II“ – die resbodenbehörde auf einer Fläche vorkommen vor der russischen zweite von insgesamt fünf Ausbau- von 75.000 Quadratkilometern im Pazifikinsel Sachalin entdeckt stufen – sieht vor, etwa zehn Kilo- Pazifik die Lizenz zum Plündern. wurden, sind die letzten 100 West- meter vor der Küste eine weitere pazifischen Grauwale in Gefahr. Bohrinsel und eine Pipeline zu bau- Die Manganförderung wäre ein neues Konzerne wie Shell, Exxon, BP und en. Es ist das derzeit wohl größte Kapitel in der industriellen Ausbeu- ihre russischen Partnerunternehmen Öl- und Gasförderprojekt weltweit tung der Ozeane. Die ökologischen wie Sakhalin Energy beuten die Öl- mit einem Investitionsvolumen von Risiken sind jedoch kaum einzuschät- und Gasvorkommen aus. Bereits etwa 20 Milliarden US-Dollar. Nach zen. So können sich Wolken von auf- seit 1998 werden täglich etwa 12 zahlreichen Verstößen gegen rus- gewirbeltem Sediment über riesige Millionen Liter Öl gefördert und sisches Umweltrecht fordert der Bereiche ausbreiten und die Tiefsee- auf Tanker verladen. Jetzt stehen WWF, dass Shell seine Arbeiten welt ersticken. Niemand kann sagen, der Bau weiterer Bohrinseln und auf Sachalin unterbricht und eine ob sich die sensible, an außerordent- einer Unterwasser-Pipeline bevor. unabhängige Umweltverträglich- lich konstante Bedingungen angepass- Vor allem die Lärmbelastung sowie keitsprüfung durchführen lässt. te und größtenteils noch unerforschte potenziell auslaufendes Öl gefährden Artenvielfalt in der Tiefsee überhaupt Tiere und Pflanzen. von solch einem Eingriff erholen Endzeitstimmung: Bohrinseln und Ölverschmutzung an der Küste des Kaspischen Meeres in Aserbaidschan. © WWF-Canon / Michel Gunther 14 WWF Deutschland
2000-Schutzgebieten Sylter Außenriff und Östliche Deutsche Bucht wurde der Abbau riesiger Mengen Kies ge- nehmigt. Die Zerstörung artenreicher Lebensräume mit Meerestieren wie Seeigeln, Seescheiden, Moostierchen, Nesseltieren und Krebsen und die Beeinträchtigung von Schweinswalen werden dabei in Kauf genommen. Immer mehr Pipelines und Kabel trassen durchziehen unsere Meere. Zum Beispiel führt die Nord Stream Gaspipeline über und durch 1.200 km Ostseegrund. Allein in Deutschland werden sechs Naturschutzgebiete durchschnitten, Bodenlebensräume, Laichgebiete und Seegraswiesen wer- den auf Jahre verändert. Durch die Baggerarbeiten am Meeresgrund gelangen soviel Phosphate aus dem Ölförderung im Nationalpark Wattenmeer, der Drehscheibe des internationalen Boden ins Ostseewasser, die einem Vogelzugs. Der Konzern RWE Dea plant in den kommenden Jahren weitere Drittel der Gesamteinleitung von Probebohrungen an der deutschen Nordseeküste. © WWF / Klaus Günther Phosphat in die Ostsee pro Jahr ent- sprechen. Eine Katastrophe für das bereits stark überdüngte kleine Meer Eines der größten aktuellen Offshore- Aus Nord- und Ostsee werden große (s. Kapitel 7). Fördergebiete für Öl und Gas ist die Mengen Sand und Kies entnommen – Nordsee mit derzeit etwa 500 Förder- für Bauvorhaben, zur Sandaufschüt- plattformen. Neben der allgegenwär- tung an Stränden und zum Küsten- tigen Gefahr von Tankerunfällen schutz. Mitten in den NATURA kommt es allein im Normalbetrieb zu massiven Ölverlusten – schätzungs- WWF-Lösungen weise 14.000 Tonnen Öl verschmut- zen so jedes Jahr die Nordsee. Hinzu Keine Rohstoff-Förderung ten 100 Westpazifischen Grauwale kommen giftige Bohrschlämme und in Schutzgebieten und fordert ein Wal-Schutzgebiet. Chemikalien. Bislang sind selbst Meeresschutz- www.wwf.de/westpazifische- gebiete und besonders empfindliche grauwale Selbst auf Meeresschutzgebiete Lebensräume kein Tabu für die nehmen Energiekonzerne nur wenig Rohstoffkonzerne. Das möchte der Umschalten auf saubere Energie Rücksicht. So plant RWE Dea neue WWF ändern und wendet sich dabei Fossile Energien wie Öl tragen ent- Ölbohrungen im Nationalpark Wat- an Politik und Industrie. Gegen den scheidend zum Klimawandel bei. tenmeer – und gefährdet so eines der Abbau von Sand und Kies in den Der WWF setzt sich für ein rasches wertvollsten Ökosysteme Europas. NATURA 2000-Schutzgebieten hat Umschalten auf regenerative Ener- Durch eine umstrittene Ausnahme der WWF gemeinsam mit anderen gien ein. genehmigung wird bereits seit 1985 Umweltverbänden eine Beschwerde www.wwf.de/klimaschutz auf der Plattform Mittelplate im bei der EU eingereicht. Nationalpark Öl gefördert. http://www.panda.org/about_our_ Höchste Umweltstandards bei earth/blue_planet/problems/oil_gas/ Pipelinebauten Bis zu 15.000 Tonnen Öl gelangten www.wwf.de/wattenmeer Der WWF setzt sich bei Pipeline- ins Mittelmeer, als israelische Bom- und Kabelplanungen für höchste benangriffe im Libanon-Krieg im Juli Schutz der Westpazifischen Standards bei Umweltprüfung und 2006 Öltanks beschädigten. Sie lösten Grauwale Meeresschutz ein und fordert volle die schwerste Umweltkatastrophe des Der WWF kämpft vor Sachalin gegen Kompensation für Eingriffe ins Meer. Libanon aus. 150 Kilometer Küste den Bau neuer Förderplattformen und www.panda.org/about_wwf/where_ waren betroffen, auch Syrien geriet in Pipelines im Nahrungsgebiet der letz- we_work/europe/what_we_do/baltics Mitleidenschaft. WWF Deutschland 15
Verschmutzung und Lärm Von Todeszonen und Plastikbeuteln In 150 Meeresgebieten herrscht In vielen Gebieten der Erde sind Giftfässer am Grund zeitweise oder dauerhaft Sauerstoff- ungeklärte Abwässer noch immer ein der Ostsee mangel. Zahl und Größe dieser enormes Problem. Etwa 50 Prozent Zonen haben in den letzten 35 Jahren der ins Mittelmeer eingeleiteten Im August 2006 entdeckten deutlich zugenommen. Grund sind Abwässer haben nie eine Kläranlage schwedische Experten 3.500 hohe Nährstoffeinträge aus landwirt- durchlaufen. In Ostasien, Latein Quecksilberfässer auf dem Grund schaftlichen Düngemitteln, ungeklär- amerika oder West- und Zentralafrika der Ostsee. Insgesamt werden vor ten Abwässern sowie Schiffs- und sind es 80 bis 90 Prozent. Auch viele der schwedischen Küste 21.000 Industrieemissionen. Nährstoffe wie Schiffsbetreiber, etwa von Kreuz- Fässer mit 9.000 Tonnen des Stickstoff und Phosphor lassen Algen fahrtlinien, leiten ihre von Nährstof- hochgiftigen Schwermetalls ver- wuchern. Sie nehmen nicht nur den fen ungereinigten Abwässer direkt mutet, das in den 1950er und 60er anderen Pflanzen das Licht. Werden ins Wasser. Jahren von einer Papierfabrik legal sie zersetzt, rauben die Algen dem im Meer entsorgt wurde. Das Meer den Sauerstoff. So entstehen Trotz zahlreicher internationaler Quecksilber wandelt sich mit der „Todeszonen“, in denen viele Tiere Verbote und technischer Fortschritte Zeit durch Bakterien in das hoch- und Pflanzen verenden und Lebens- richtet die Verschmutzung der Meere giftige Methylquecksilber um und räume wie Seegraswiesen absterben. mit Plastikmüll, Chemikalien, Abwäs- kann Fische wie Hecht, Zander Am schwersten betroffen sind die sern und Nährstoffen enorme öko und Hering belasten. Über die Ostsee, das Schwarze Meer, der Golf logische Schäden an. Nahrungskette können sich die von Mexiko und das Gelbe Meer vor Gifte im Körper von Tieren und China. 2001 trat vor der chinesischen Vom Plastikbeutel bis zu Pestiziden Menschen anreichern und bereits Küste ein Teppich von 15.000 Qua- – nahezu alles, was der Mensch in geringen Konzentrationen das dratkilometern giftiger Algen auf. an Land benutzt, gelangt auch ins Nerven-, Herz-Kreislauf- und das In der Ostsee hat sich der Anteil der Meer. Rund 80 Prozent der Ozean Fortpflanzungssystem sowie das ständig sauerstofffreien toten Zonen verschmutzungen werden durch Gehirn schädigen. am Meeresgrund seit 70 Jahren um Aktivitäten an Land verursacht. das Zweieinhalbfache auf etwa 80.000 Quadratkilometer vergrößert. Die Weltmeere sind voller Altlasten. Eine ökologische Zeitbombe ist zum Beispiel die nach dem Zweiten Welt- krieg in Ost- und Nordsee versenkte Munition. In der Ostsee wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Hundert tausende Tonnen von Munition und chemischen Kampfstoffen versenkt, ebenso in der Nordsee. Verrosten diese, können gefährliche Mengen von Blei oder Quecksilber ins Meer gelangen. Im Finnischen Meerbu- sen liegen bis heute hochexplosive Minenfelder, die jederzeit detonieren können. Bis in entlegene Regionen der Erde lassen sich Industriechemikalien nachweisen, die sich über die Meere, Flüsse und die Luft ausbreiten. Umweltgifte führen beispielsweise zu massiven Gesundheitsschäden in der arktischen Tierwelt wie hormo nelle Störungen, Schwächungen des Immunsystems oder Verhaltensän- Eine Plastiktüte auf einem Korallenriff. Plastik, Chemikalien und anderer derungen. Betroffen sind Eisbären, Zivilisationsmüll verschmutzen die Ozeane. © WWF-Canon / Jürgen Freund Belugawale, Robben oder Seevögel. 16 WWF Deutschland
Das Meer als Müllhalde. © WWF-Canon / Jürgen Freund Sowohl bereits verbotene Umweltgifte auf dem Meeresboden, 15 Prozent Strandungen. Man geht davon aus, wie polychlorierte Biphenyle (PCB) werden an Land gespült und weitere dass der andauernde Unterwasser- oder Pestizide wie DDT und Lindan 15 Prozent treiben auf dem Meer. lärm auch ganze Fischschwärme als auch neuere, noch zulässige Sub- Insbesondere Menschen und Tiere vertreiben kann. stanzen wie bromierte Flammschutz- auf kleinen Inselstaaten im Indischen mittel – die beispielsweise in Elekt- Ozean und im Pazifik leiden unter WWF-Lösungen rogeräten und Teppichen vorkommen den Abfallmengen. So ist die blau- – befinden sich im Blut der Tiere. grüne Küstenlinie der Inselrepublik Verbot giftiger Chemikalien Nauru nicht vom azurblauen Meer, Der Eintrag von Meeresschad Belugawale und Robben in der sondern vom Müll gefärbt. Seevögel stoffen muss bis 2020 beendet Arktis weisen heute bis zu vier Mal oder Schildkröten halten bunte Plas- sein. Der WWF setzt sich in der höhere Quecksilber-Konzentra tikteile für Nahrung und ersticken Europäischen Union für ein Verbot tionen als vor 25 Jahren auf. an ihnen. Oder sie verfangen sich von Umweltgiften ein und begleitet im Müll und sterben qualvoll. die Umsetzung der Chemikalien- Das Kaspische Meer wird jedes Jahr Richtlinie REACH. mit etwa 17 Tonnen Quecksilber An einem schottischen Strand www.panda.org/detox und 150 Tonnen Cadmium belastet. fand man vor einigen Jahren einen Zunehmende Mengen Elektroschrott Minkwal mit 800 Kilogramm Nährstoffeinträge in vergiften die Küsten Ostasiens. Plastikmüll im Bauch. die Ostsee verringern In einem mächtigen Meeresstrudel Der WWF will die so genannte im Nordpazifik hat sich nach In den einst ruhigen Ozeanen ist es „Eutrophierung“ stoppen, die die Berechnungen von Experten ein laut geworden. Schiffslärm, Ölerkun- größte ökologische Bedrohung Plastikmüll-Teppich von der Größe dungs-Explosionen, Bohrplattformen der Ostsee darstellt. Angesetzt Zentraleuropas gebildet. Städte, oder militärische Schallexperimente wird bei der EU-Agrarpolitik, dem Industriezentren, Fischtrawler und setzen der Stille ein Ende. Insbeson- Verbot von Phosphaten in Wasch- Abfälle aus der Schifffahrt sind die dere die hörsensiblen Wale reagieren mitteln und der Einleitung von Quellen für diese alarmierende Form empfindlich. Der Lärm vertreibt sie Nährstoffen aus der Schifffahrt. der Verschmutzung. aus ihren Nahrungs- und Fortpflan- www.wwf.de/ostsee zungsgebieten, stört ihre lebensnot- www.panda.org/what_we_do/ Etwa 70 Prozent des Plastik-, Haus- wendige Kommunikation und führt where_we_work/baltic/ halts- und Industriemülls landen im Extremfall zu Gehörschäden und WWF Deutschland 17
Schifffahrt Riskante Dreckschleudern Mit der Globalisierung nimmt die für alle Tankerklassen Pflicht. Noch nen Treibstoff an Bord. Dennoch Bedeutung der Schifffahrt rasant zu. immer gefährden unzureichende starben 16.000 Seevögel. Anfang 90 Prozent des globalen Außenhan- Regeln für den Schiffsverkehr auf 2007 verunglückten die Frachter dels werden auf dem Seeweg abge viel befahrenen Schifffahrtswegen MSC Napoli im Ärmelkanal und wickelt. Bis 2011 sollen weltweit empfindliche Meeresregionen. Server vor der norwegischen Küste. 138 Millionen Standardcontainer Vermutlich 20.000 Seevögel starben. umgeschlagen werden – 40 Prozent Immer wieder kommt es zu Ölka- mehr als 2006. tastrophen. 2002 sank der Schrott- Spektakuläre Ölunfälle machen Tanker Prestige vor der spanischen nur einen geringen Teil der Ölver Die Umwelt- und Sicherheitsbestim- Küste und verlor 64.000 Tonnen schmutzung an Meeren und mungen für den globalen Güter- und giftiges und zähes Schweröl. Die Küsten aus. Personenverkehr halten mit dieser Ölpest tötete 300.000 Seevögel und Entwicklung nicht mit. Viele Schiffe verschmutzte 3.000 Kilometer Küste. Viele Reeder kaufen billige und sind aus kommerziellen Gründen in 30.000 Fischer waren betroffen. Die hochgiftige Treibstoffe ein, die an Billigflaggenstaaten wie Panama, Folgekosten belaufen sich auf acht Bord zur Verbrennung aufbereitet Liberia oder den Bahamas registriert. Milliarden Euro. werden müssen. Diese Praxis ist für etwa 80 Prozent der Ölschäden Etwa zwei Milliarden Tonnen Öl Nicht nur von Öltankern, sondern auf der Nord- und Ostsee verant- werden pro Jahr über die Ozeane auch von ganz normalen Fracht wortlich. So sterben rund 30 Prozent transportiert. Die Öleinträge durch schiffen gehen erhebliche Gefahren der tot aufgefundenen Seevögel in Tankerunglücke liegen heute dank aus. Die Treibstoffmengen an Bord der Deutschen Bucht an Öl, obwohl verschärfter Sicherheitsstandards und eines Containerschiffs erreichen mit die Entsorgung der Ölabfälle auf neuer Schiffe um 75 Prozent niedriger mehreren Tausend Tonnen die Men- See hier verboten ist. Vor der kana- als noch Mitte der 80er Jahre. Trotz- gen eines kleinen Tankers. Bereits dischen Küste fallen der illegalen dem gibt es keinen Grund zur Ent- vergleichsweise geringe Mengen Entsorgung von Ölresten im Schiffs- warnung. Noch immer fahren ver- Schweröl, wie der giftige und zähe abwasser jährlich 300.000 Seevögel altete Tanker über die Weltmeere. Treibstoff genannt wird, können zum Opfer. Seit 2008 ist der Transport von in empfindlichen Regionen große Schwerölen in Einhüllentankern ver- Naturzerstörungen verursachen. Die Schiffsemissionen nehmen zu. boten. 2010 ist die neue Generation Der 1998 in der Nordsee havarierte In europäischen Küstenregionen ist der sichereren Doppelhüllenrümpfe Frachter Pallas hatte „nur“ 100 Ton- die Schifffahrt für 90 Prozent der 1993 löste die Havarie des Tankers Braer vor den Shetlandinseln eine Ölpest aus. © WWF-Canon / Jürgen Freund 18 WWF Deutschland
(TBT) zu verbieten, die den Bewuchs Ostsee: Am Rande der Ölpest auf Schiffsrümpfen verhindern sollen. Die Ostsee ist flach und hat nur Aber erst 2008 trat dieses weltweite einen geringen Wasseraustausch – Abkommen in Kraft. Die Alternativen darum ist sie besonders empfind- setzen sich seitdem schrittweise durch lich gegenüber Verschmutzungen. und immer mehr Schifffahrtsnationen Gleichzeitig ist sie ein Nadelöhr treten dem Abkommen bei. des globalen Seeverkehrs. Allein 8.000 Tanker passieren pro Jahr Das Gift TBT ist eine schwere Erb- die deutsche Ostseeküste, 2.000 last. Es lagert dauerhaft im Mee Schiffe fahren ständig auf der Ost- resboden und ist über die Nah see. Der Öltransport hat sich von rungskette bei Mensch und Tieren 1995 bis 2006 auf 130 Millionen angekommen. Tonnen versechsfacht – und nimmt weiter rasant zu. Zugleich steigt Bei Meeresschnecken führt TBT zu die Zahl der Schiffsunfälle. Im Jahr Missbildungen und Unfruchtbarkeit. 2005 kam es zu 151 Zwischenfäl- In den 1970er Jahren verursachte die len – eine Steigerung um 150 Pro- TBT-Vergiftung den Kollaps der Aus- zent gegenüber den Vorjahren. ternkulturen vor der französischen und britischen Küste. Im täglichen Bisher ist die Ostsee glimpflich Schiffsbetrieb fallen weitere Chemi- davongekommen. Der schwerste kalien an, die noch zu oft im Meer Unfall ereignete sich 2001. Nörd- entsorgt werden. lich der deutschen Küste verlor der Tanker Baltic Carrier nach Überraschenderweise wird das Dieser Pinguin wurde zum Opfer einer einer Kollision „nur“ 1.900 Tonnen Meerwasser selbst zu einem Problem. Ölpest vor der Küste Südafrikas. der geladenen 33.000 Tonnen Öl. Denn gering beladene Frachter neh- © WWF-Canon / Jürgen Freund 20.000 Vögel verendeten. men Ballastwasser auf, um die nötige Stabilität zu erreichen. Dieses Wasser WWF-Lösungen Seit 2005 ist die Ostsee als wird dann bei der nächsten Beladung „Besonders empfindliches Mee- abgelassen. Auf diese Weise werden Empfindliche resgebiet“ (PSSA) mit strengeren jährlich 10 Milliarden Tonnen Ballast- Meeresgebiete schonen Regeln für den Schiffsverkehr wasser um den Globus transportiert – Der WWF setzt sich für die Aus ausgestattet. Doch um die Gefahr mitsamt Plankton, Krebsen, Muscheln, weisung „Besonders empfindlicher einer Ölpest zu bannen, müssen Algen, Fischen oder Quallen. Meeresgebiete“ (PSSA) ein, in weitere Maßnahmen wie eine Lot- denen die Schifffahrt zum Beispiel senpflicht beschlossen werden. 1982 kam auf diese Weise die aggres- durch Verkehrstrennung, Tabu- sive Rippenqualle Mnemiopsis leidyi zonen und Lotsen sicherer wird. aus dem Atlantik ins Schwarze Meer Das Wattenmeer, die Ostsee und Belastungen mit Schwefeldioxid und und verdrängte einheimische Arten. die atlantischen Gewässer von Stickoxid sowie für 20 bis 30 Prozent Die Fischerei brach nahezu zusam- Schottland bis Portugal sind der Feinstaub-Konzentration verant- men, die Fischer verloren eine Milliar- solche Zonen. wortlich. Die Senkung der Schwefel- de US-Dollar. Die Delfinbestände www.wwf.de/schifffahrt/ anteile in den so genannten „Schwe- gingen dramatisch zurück. Ende 2006 felemissions-Sondergebieten“ Ost- entdeckte man die gleiche Rippen- Saubere Schifffahrt und Nordsee führt in den nächsten qualle in der Kieler Förde und sie Der WWF arbeitet an der Umset- Jahren zu einer drastischen Reduzie- breitete sich bis 2008 rasant bis nach zung internationaler Verträge zum rung der Stickstoffeinträge – das ist Finnland aus. Es bleibt abzuwarten, Verbot giftiger Schiffsanstriche, dringend notwendig: Ein Viertel der ob sie in der Ostsee ebenso verhee- zum Management von Ballast Belastung der überdüngten Ostsee rend wirkt wie anderswo. 2004 wurde wasser, zum Verbot von Einhüllen- stammt aus der Schifffahrt. ein weltweites Abkommen unter- tankern, zum Verbot von Öl- und zeichnet, das z. B. den Austausch Chemikalienentsorgung auf See Die Schifffahrt trägt eine erhebliche von Ballastwasser in Küstennähe und sowie für Transparenz in der Verantwortung für die schleichende flachen Schelfmeeren untersagt, es globalen Schifffahrtsindustrie. Vergiftung der Ozeane. Zwar wurde ist jedoch bis heute nicht in Kraft www.panda.org/about_our_earth/ 2001 beschlossen, Schiffsanstriche getreten, auch die EU-Staaten haben blue_planet/problems/shipping/ mit dem hochgiftigen Tributylzinn es bisher nicht ratifiziert. WWF Deutschland 19
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