Untersuchung zur Nebenwirkungsintensität sowie medikamentenbezogenen Einstellungen in Bezug auf die Adhärenz in der medikamentösen Glaukomtherapie ...
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Untersuchung zur Nebenwirkungsintensität sowie medikamentenbezogenen Einstellungen in Bezug auf die Adhärenz in der medikamentösen Glaukomtherapie Der medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Dr. med. vorgelegt von Stefanie Sigrid Marie Weise aus Frankfurt a.M.
Als Dissertation genehmigt von der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. Dr. h.c. J. Schüttler Gutachter: Prof. Dr. U. Welge-Lüßen Gutachter: Prof. Dr. B. Bachmann Tag der mündlichen Prüfung: 12. Dezember 2013
Inhaltsverzeichnis 1. ZUSAMMENFASSUNG 3 2. EINLEITUNG 5 2.1. GLAUKOM 5 2.1.1. Definition und Epidemiologie 5 2.1.2. Diagnostik 6 2.1.3. Therapie 10 2.2. ADHÄRENZ 14 2.2.1. Definition 14 2.2.2. Messung 14 2.2.3. Adhärenz bei Glaukom 15 2.2.4. Medikamentenbezogene Einstellungen 21 2.3. FRAGESTELLUNGEN 22 3. METHODEN 24 3.1. PLANUNG UND DURCHFÜHRUNG 24 3.2. MESSINSTRUMENTE 25 3.2.1. Soziodemographischer Fragebogen 26 3.2.2. BMQ 26 3.2.3. Behandlungsplan 27 3.2.4. Ausgelassene Dosen und VAS-AD 27 3.2.5. ARMS 28 3.2.6. Beschwerden und Nebenwirkungen 29 3.2.7. Wissenstest 30 3.2.8. Krankheitsbild 30 3.3. VORGEHEN BEI DER DATENANALYSE 30 3.3.1. Umgang mit fehlenden Werten 31 4. ERGEBNISSE 32 4.1. STICHPROBE 32 4.1.1. Patienten 32 4.1.2. Klinische Charakteristika 33 4.1.3. Drop-outs 35 4.2. DESKRIPTIVE DARSTELLUNG UND VERLAUF 38 4.2.1. Medikamentenbezogene Adhärenz 38 4.2.2. Nebenwirkungsintensität 40 4.2.3. Medikamentenbezogene Einstellungen 41 4.2.4. Weitere unabhängige Variablen 42 4.3. KORRELATIONEN UND VORHERSAGEMODELLE FÜR DIE ADHÄRENZ 44 4.3.1. Weitere unabhängige Variablen 44 4.3.2. Nebenwirkungsintensität 45 4.3.3. Medikamenteneinstellungen 46 5. DISKUSSION 49 6. LITERATURVERZEICHNIS 55 7. ANHANG 60 8. DANKSAGUNG 65 9. LEBENSLAUF 66
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Papillenstadien nach Jonas ...................................................................... 10 Abbildung 2: Flussdiagramm der Datenerhebung......................................................... 25 Abbildung 3: Gesichtsfeldstadien.................................................................................. 34 Abbildung 4: Papillenstadien......................................................................................... 35 Abbildung 5: Gründe für das Auslassen von Tropfendosen.......................................... 40 Abbildung 6: Anteile der berichteten Nebenwirkungen zu T1 und T2 ......................... 41 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Adhärenzbarrieren......................................................................................... 17 Tabelle 2: Messinstrumente in der Reihenfolge ihrer Darbietung ................................. 26 Tabelle 3: Soziodemografische Daten der Stichprobe ................................................... 32 Tabelle 4: Klinische Charakteristika der Stichprobe ..................................................... 34 Tabelle 5: Deskriptive Daten der Refuser...................................................................... 36 Tabelle 6: Deskriptive Daten der Drop-outs T1+T2 ...................................................... 36 Tabelle 7: Klinische Charakteristika der Refuser .......................................................... 37 Tabelle 8: Klinische Charakteristika der Drop-outs T1+T2 .......................................... 37 Tabelle 9: Korrelationen der Adhärenzmaße zu T1 und T2 .......................................... 38 Tabelle 10: Deskriptive Kennwerte der Adhärenzmaße zu T1 und T2.......................... 39 Tabelle 11: Deskriptive Kennwerte der Nebenwirkungsintensität zu T1 und T2.......... 40 Tabelle 12: Deskriptive Kennwerte der BMQ-Skalen zu T1 und T2 ............................ 42 Tabelle 13: Deskriptive Kennwerte der Kontrollvariablen............................................ 43 Tabelle 14: Zusammenhänge zwischen soziodemografischen und klinischen Faktoren und Adhärenz .......................................................................................................... 44 Tabelle 15: Zusammenhänge zwischen Kontrollvariablen und Adhärenz..................... 45 Tabelle 16: Zusammenhänge zwischen Nebenwirkungsintensität und Adhärenz ......... 45 Tabelle 17: Vorhersage der Adhärenz durch die Nebenwirkungsintensität................... 46 Tabelle 18: Zusammenhänge zwischen BMQ-Skalen und Adhärenz............................ 47 Tabelle 19: Vorhersage der Adhärenz durch die BMQ-Skalen ..................................... 48
3 1. Zusammenfassung Hintergrund und Ziele Ein erhöhter Augeninnendruck stellt den Hauptrisikofaktor für die Entstehung und das Fortschreiten des Glaukoms dar. Die Therapie mit Druck senkenden Augentropfen kann eine Krankheitsprogression aufhalten und Gesichtsfeldverluste verhindern. Entscheidenden Einfluss auf den Erfolg der Glaukomtherapie hat das Adhärenzverhalten der Patienten. Bisher sind nur wenige beeinflussbare Adhärenzbarrieren bekannt. Ziel dieser Studie ist es, Zusammenhänge zwischen erlebter Nebenwirkungsintensität sowie medikamentenbezogenen Einstellungen und der Adhärenz zu untersuchen und mögliche Prädiktoren zu identifizieren. Methoden 123 Patienten (78 Frauen und 45 Männer) mit einem Durchschnittsalter von 67 Jahren nahmen an der Studie teil. Es wurde eine zweizeitige Befragung im Abstand von zwei Monaten mit standardisierten Fragebögen durchgeführt. Zu den Messinstrumenten gehörten die Adherence to Refills and Medications Scale (ARMS), eine visuelle Analogskala (VAS-AD), ein Nebenwirkungsfragebogen (NWI) sowie der Beliefs about Medicines Questionnaire (BMQ). Zusätzlich wurden soziodemografische und klinische Daten erfasst. Ergebnisse und Beobachtungen Alle beobachteten Variablen waren im Verlauf stabil. Die Nebenwirkungsintensität zeigte keine signifikanten Zusammenhänge mit der Adhärenz und konnte diese nicht voraussagen. Die spezifischen Skalen des BMQ korrelierten zu beiden Messzeitpunkten mit den Adhärenzmaßen (p
4 1. Abstract Background and purpose Elevated intraocular pressure is a major risk factor for development and progression of glaucoma. Local medical treatment can reduce disease progression and prevent visual field loss. Adherance with treatment has an important influence on therapy outcome. So far, only few influencable obstacles to adherence are known. The aim of this study is to investigate association between experienced intensity of side effects as well as drug- related attitudes and patient adherence and to identify possible predictors. Method Overall 123 patients (78 females, 45 males) with an average age of 67 participated in this study. Survey was made twice within a time frame of 2 months by using standardised questionnaires including the Adherence to Refills and Medications Scale (ARMS), a visual analogue scale (VAS-AD), a side effects questionnaire (NWI) and the Beliefs about Medicines Questionnaire (BMQ). Additional sociodemographical and clinical data were recorded. Results All observed variables were stable over time. Intensity of side effects showed no significant correlation with adherence and could not predict it. The specific scales of the BMQ correlated with adherence at both times of assessment (p
5 2. Einleitung 2.1. Glaukom 2.1.1. Definition und Epidemiologie Das Glaukom, welches auch als Grüner Star bezeichnet wird, stellt die zweithäufigste Erblindungsursache in den Industriestaaten [62] dar. Weltweit liegt die Prävalenz bei etwa 60 Mio. Menschen, in Deutschland wird die Zahl der Glaukomerkrankten auf 800.000-900.000 geschätzt [14, 60]. Doch die Dunkelziffer ist hoch: Selbst in den Industriestaaten weiß nur jeder Zweite von seiner Krankheit [59]. Glaukom ist eigentlich ein Sammelbegriff für Krankheitsbilder verschiedenster Ätiologie, die als gemeinsame Endstrecke eine strukturelle und funktionelle Schädigung des Sehnervens aufweisen. Die Diagnose Glaukom wird dann gestellt, wenn eine Optikusneuropathie mit typischen Papillenbefunden und charakteristischen Gesichtsfeldausfällen nachgewiesen wird [17]. Diese Gesichtsfeldausfälle entstehen zunächst in der Peripherie und engen progredient das Gesichtsfeld ein, sodass subjektiv meist erst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium Sehverschlechterungen bemerkt werden. Die häufigste aller Glaukomformen ist das sog. primäre Offenwinkelglaukom (POWG). Weltweit wird seine Prävalenz auf 45 Mio. geschätzt, bis zum Jahre 2020 wird sie nach derzeitigen Schätzungen auf knapp 59 Mio. ansteigen [60]. Die Europäer bilden mit 24% die größte Gruppe an POWG-Erkrankten [60]. Definiert ist das primäre Offenwinkelglaukom als eine Optikusneuropathie bei offenem Kammerwinkel ohne sekundäre Ursachen [17]. Seine Pathogenese ist bislang nicht geklärt. Als Hauptrisikofaktor gilt ein erhöhter intraokularer Druck (IOD) [24, 47, 53]. Das Glaukomrisiko steigt dabei mit jedem mmHg um 12% [53]. Es werden jedoch auch glaukomatöse Veränderungen bei statistisch normalen Druckwerten zwischen 10 und 21mmHg beobachtet. Diese Normaldruckglaukome (NDG) manifestieren sich klinisch häufig erst durch fortgeschrittene Gesichtsfeldausfälle. Ihre Ätiologie ist ebenfalls ungeklärt, es wird u. a. eine genetische Determinante diskutiert [68]. Als weitere Risikofaktoren für die Glaukomentwicklung konnten in verschiedenen Studien höheres Alter, größere vertikale Cup/Disk-Ratio der Papille und dünnere zentrale Hornhautdicke
6 identifiziert werden [24, 47, 51]. Auch genetische Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen. So erhöht eine positive Familienanamnese das Glaukomrisiko [46, 76]. Zudem ist die ethnische Zugehörigkeit von Bedeutung. In der Baltimore Eye Studie war die POWG-Prävalenz unter Afroamerikanern 3-5 mal höher als unter Kaukasiern [71]. 2.1.2. Diagnostik Der Berufsverband der Augenärzte (BVA) und die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) geben in ihrer Leitlinie Empfehlungen für die Diagnostik bei primärem chronischen Offenwinkelglaukom, Normaldruckglaukom und okulärer Hypertension. Zur Erstdiagnose gehört demnach neben einer allgemeinen Anamnese auch die Erhebung spezifischer Risikofaktoren wie Alter, ethnische Zugehörigkeit und Glaukom in der Verwandtschaft ersten Grades. Zusätzlich zur Inspektion von Augen und Adnexen, der Sehschärfenbestimmung und Spaltlampenuntersuchung des vorderen und mittleren Augenabschnitts, sollte der Kammerwinkel mittels Gonioskopie beurteilt, der IOD zu verschiedenen Tageszeiten bestimmt und eventuell vorhandene Gesichtsfelddefekte in einer den Schwellenwert bestimmenden Perimetrie erfasst werden. Die ophthalmoskopische Untersuchung des Augenhintergrundes mit Beurteilung der Papille gibt letztlich Aufschlüsse über die morphologische Schädigung des Sehnervenkopfes. In der Verlaufskontrolle wird die Suffizienz der verordneten Therapie über die erreichte Senkung des IOD bestimmt, sowie über das Ausbleiben einer Progredienz der Schäden in Gesichtsfeld und Papillenmorphologie [7, 68]. Tonometrie Beim gesunden Erwachsenen liegt der intraokuläre Druck (IOD) zwischen 10 und 21mmHg. Ein Augendruck über 21mmHg wird als suspekt betrachtet und sollte kontrolliert werden. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass der IOD mit dem Alter ansteigt. Man nimmt an, dass ab dem 40. Lebensjahr 1mmHg pro Jahrzehnt hinzu gerechnet werden muss [68]. Zudem unterliegt der Augeninnendruck physiologischen Tagesschwankungen. Diese liegen bei etwa 3 bis 5mmHg. Ein Druckmaximum lässt
7 sich zwischen 8 und 11 Uhr morgens beobachten, ein Druckminimum zwischen 12 und 2 Uhr nachts. Tagesschwankungen um mehr als 5mmHg werden ebenfalls als suspekt eingestuft [68]. Als „Goldstandard“ der IOD-Messung wird heutzutage die Applanationstonometrie nach Goldmann (GAT) betrachtet [35, 68]. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass Hornhautcharakteristika wie Dicke, Krümmung und Hydratation die Genauigkeit der IOD-Messung beeinflussen [5, 48, 79]. Goldmann selbst räumte ein, dass sein Modell auf einer zentralen Hornhautdicke (CCT) von 500µm beruht [22]. Ehlers und Mitarbeiter zeigten, dass mittels GAT der wahre intraokuläre Druck am genauesten bei einer CCT von 520µm bestimmt wird. Bei Abweichungen um 100µm wird nach ihren Erkenntnissen der IOD um 7mmHg über- bzw. unterschätzt [16]. Unkorrigierte Druckwerte können demnach fälschlicherweise bei dünner Hornhaut als niedrig und bei dicker Hornhaut als hoch interpretiert werden. Die Vermutung liegt nahe, dass zahlreiche Patienten mit NDG oder OHT schlichtweg falsch klassifiziert wurden [10]. Ein allgemein anerkannter Korrektur-Algorithmus steht jedoch bislang nicht zur Verfügung [4]. Der erhöhte intraokuläre Druck ist in der Vergangenheit vielfach als bedeutender, wenn nicht gar der bedeutendste prädiktive Faktor für eine Glaukomerkrankung bestätigt worden [14, 23, 27, 33, 34, 49, 51, 70]. Bis Ende 2004 wurde die Tonometrie deshalb als Screening eingesetzt. Zahlreiche Studien zeigten jedoch, dass hierbei mit bis zu 70% falsch-positiven und bis zu 90% falsch-negativen Ergebnissen zu rechnen war [15, 67, 71]. Auch auf die zentrale Hornhautdicke korrigierte Werte eignen sich laut de Saint Sardos und Kollegen nicht zum Screening bei Risikopatienten [11]. Der gemeinsame Bundesausschuss gab folglich in seinem Beschluss vom 21.12.2004 keine weitere Empfehlung für ein Glaucomscreening [19]. Auch wenn nicht alle Glaukomformen mit einem erhöhten Augeninnendruck einhergehen, so ist er doch bislang der einzig bekannte therapierbare Risikofaktor [24]. Die Early Manifest Glaucoma Treatment Study zeigte, dass bei einer 25%-igen IOD- Senkung das Fortschreiten der glaukomatösen Schäden um 50% gesenkt werden kann. Das Progressionsrisiko nimmt dabei mit jedem mmHg um 10% ab [27]. Ähnliche Ergebnisse lieferte die Ocular Hypertension Treatment Study: Eine IOD-Senkung um 22,5% reduzierte hier das Glaukomrisiko ebenfalls um 50%. Die Konversionsrate von einer okulären Hypertension in ein POWG betrug nach 5 Jahren unter Therapie 4,4%, während sie in der Kontrollgruppe bei 9,5% lag [39]. Auch die Erblindungsrate wird
8 durch eine Druck senkende Therapie positiv beeinflusst. Schreitet untherapiertes Glaukom innerhalb weniger Jahre zur Erblindung fort, so kann das Sehvermögen unter optimaler Therapie lebenslang erhalten bleiben [34]. Von Bedeutung scheinen neben punktuell gemessenen hohen Druckwerten vor allem hohe IOD-Spitzen und – Schwankungen zu sein [8, 33, 49]. Der BVA und die DOG empfehlen deshalb in ihrer Leitlinie für das primäre Offenwinkelglaukom, das Normaldruckglaukom sowie die okuläre Hypertension bei Erstdiagnose die Tonometrie zu verschiedenen Tageszeiten [7]. Am besten lässt sich dies während eines stationären Tagesdruckprofils dokumentieren. Perimetrie Da auch bei optimal eingestelltem Augeninnendruck eine Krankheitsprogression nicht ausgeschlossen werden kann, sollte im Verlauf neben der Tonometrie immer eine Perimetrie durchgeführt werden [68]. Das Gesichtsfeld wird normalerweise seitengetrennt für jedes Auge bestimmt. Seine Ausdehnung beträgt beim Normalsichtigen etwa 60° nach oben und nasal, 80° nach unten und 90° nach temporal. 10-20° temporal befindet sich der sogenannte „Blinde Fleck“, der der Eintrittstelle des Sehnerven entspricht [38]. Beim Glaukom treten typischerweise umschriebene Gesichtsfelddefekte (Skotome) zunächst parazentral nasal auf. Später verschmelzen sie zu einem bogenförmigen Defekt und im weiteren Verlauf zu einem Ringskotom. Im Endstadium sind lediglich eine zentrale und temporale Sehinsel erhalten, die mit Fortschreiten der Erkrankung letztlich auch verloren gehen [38]. Für die Verlaufskontrolle beim Glaukom wird heutzutage die standardisierte automatische Perimetrie (SAP) verwendet. Es handelt sich hierbei um eine computergestützte Schwellenperimetrie des zentralen 30° Gesichtsfeldes mit weißen Stimuli auf weißem Hintergrund. Durch Veränderung der Leuchtdichte ist eine Schwellenwertbestimmung und somit eine quantitative Auswertung der Skotome möglich [38, 68]. In der vorliegenden Studie wurde überwiegend das G2-Programm des Octopusperimeters verwendet. Konnten aufgrund eines stark fortgeschrittenen Glaukoms in der SAP nur nahezu schwarze Ausdrucke erzielt werden, kam die kinetische Goldmannperimetrie zum Einsatz.
9 Als Verlaufsparameter eignet sich die mittlere Defekttiefe (MD). Sie beschreibt die mittlere Empfindlichkeitsherabsetzung gegenüber der Altersnorm. Im Octopussystem entspricht ein MD-Wert von 0dB einem altersgerechten Gesichtsfeld, mit fortschreitenden Defekten steigt er ins Positive. Der MD-Wert weist dabei einen kontinuierlichen Verlauf auf und hat eine gute Test-Retestreliabilität [21]. Zur Frühdiagnostik ist die Perimetrie nur bedingt geeignet. Es konnte gezeigt werden, dass mindestens 40-50% des neuroretinalen Randsaums verlorengegangen sind, bevor Gesichtsfelddefekte in der SAP detektiert werden [14, 50]. Ophthalmoskopie In der Glaukomdiagnostik dient die Ophthalmoskopie der Beurteilung der morphologischen Veränderungen des Sehnervenkopfes. Frühe glaukomatöse Schäden können hier bereits festgestellt werden, bevor Gesichtsfelddefekte auftreten. Man spricht dann vom „präperimetrischen Glaukom“. Die normale Papille hat eine hochovale Form und eine physiologische Exkavation. Der neuroretinale Randsaum ist nicht gleichmäßig um den Papillenrand verteilt, sondern folgt der sogenannten ISNT- Regel: Seine Breite ist im inferioren Bereich am größten und nimmt superior, nasal und temporal zunehmend ab [37]. Das Glaukom führt in seinem Verlauf zu einer Vergrößerung der Exkavation mit bajonettförmiger Abknickung der Gefäße und Verlust des neuroretinalen Randsaums [14]. Das Volumen des neuroretinalen Randsaums lässt sich über die vertikale Cup/Disc-Ratio (VCDR) abschätzen. Hierbei werden vertikaler Exkavations- und Papillendurchmesser ins Verhältnis gesetzt. In der Normalbevölkerung liegt die VCDR bei etwa 0,3. Beim Glaukom geht sie mit zunehmender Exkavation gegen die Zahl 1 [37]. Der neuroretinale Randsaumverlust kann jedoch bei großen Papillen überschätzt und bei kleinen Papillen unterschätzt werden. Deshalb sollte immer zusätzlich die absolute Papillengröße bestimmt werden [68]. Papillenrandblutungen sind ebenfalls typische Glaukomschäden, die auf eine Krankheitsprogression hinweisen [42]. Defekte der retinalen Nervenfaserschicht können im rotfreien Licht beobachtet werden. Jonas und Mitarbeiter korrelierten morphometrische Daten der Papille mit perimetrischen Daten und definierten 5 Stadien [36]:
10 • Stadium I: konzentrisch verbreiterte Exkavation mit Aufhebung der ISNT-Regel • Stadium II: zusätzliches Auftreten von Randsaumkerben • Stadium III: zunehmender diffuser Randsaumverlust (v.a. temporal) • Stadium IV: temporal randständige Exkavation mit nasalem Randsaumrest • Stadium V: vollständiger Randsaumverlust Abbildung 1: Papillenstadien nach Jonas (eigene Darstellung nach Jonas J., Biomorphometrie des Nervus opticus. Stuttgart, Enke 1989) 2.1.3. Therapie Als Ersttherapie bei Patienten mit Offenwinkelglaukom wird die lokale
11 Arzneimitteltherapie mit Druck senkenden Augentropfen empfohlen. Kann der Krankheitsfortschritt mit mehr als 2 Antiglaukomatosa nicht kontrolliert werden, so sollten andere Therapieoptionen, wie die Laser-Trabekuloplastik oder chirurgische Eingriffe erwogen werden [7, 68]. Antiglaukomatosa senken den Augendruck nach zwei Wirkprinzipien: • Herabsetzung der Kammerwasserproduktion • Verbesserung des trabekulären und uveoskleralen Kammerwasserabflusses Unter den Antiglaukomatosa gibt es fünf Hauptgruppen, die im Folgenden hinsichtlich ihrer Wirkungen und Nebenwirkungen erörtert werden [45, 68]. Parasympathomimetika Parasympathomimetika sind seit 1876 in der Glaukomtherapie in Gebrauch und bilden somit die älteste Gruppe der Antiglaukomatosa. Sie bewirken eine Kontraktion am parasympathisch innervierten Ziliarmuskel und setzen so den trabekulären Abflusswiderstand herab. Ihr gängigster Vertreter Pilocarpin hat einen Wirkeintritt von ca. 30 Minuten und eine relativ kurze Halbwertszeit von 4-6 Stunden, so dass 3 bis 4 Mal täglich getropft werden muss. Schwerwiegendste und häufig auch Therapie limitierende Nebenwirkungen sind die Miosis, die mit eingeschränktem Dämmerungssehen einhergeht, und eine Pseudomyopie. Die Ziliarmuskelkontraktion führt zudem zu Schmerzen im Bereich der Augenbrauen. Kontraindiziert sind Parasympathomimetika bei COPD und Asthma, da sie die Bronchialsekretion steigern, und bei akuter Uveitis. Wegen ihres ungünstigen Nebenwirkungsprofils ist die Gruppe der Parasympathomimetika heute kaum mehr in Gebrauch. Sympathomimetika Sympathomimetika senken einerseits die Kammerwasserproduktion und steigern
12 andererseits den uveoskleralen und trabekulären Abfluss. Nichtselektive Sympathomimetika rufen häufig systemische Nebenwirkungen wie Tachykardie, Arrhythmie und Hypertonie hervor und kommen deshalb als Antiglaukomatosa nicht mehr zur Anwendung. Unter Einnahme selektiver Alpha-2-Agonisten treten nicht selten Allergien und verzögerte Hypersensibilität nach mehreren Monaten auf. Apraclonidin ist wegen starker lokaler Nebenwirkungen und Tachyphylaxie nur zur kurzfristigen Drucksenkung geeignet. Brimonidin hat eine Wirkdauer von 12 Stunden, so dass nur 2 Dosen täglich nötig sind. Es kann eine IOD-Senkung von bis zu 27% erreicht werden. Systemische Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit und Müdigkeit. Betablocker Betablocker stellen in Deutschland die am meisten verordneten Antiglaukomatosa dar [25]. Ihre Wirkung liegt in einer Verminderung der Kammerwasserproduktion, wodurch eine IOD-Senkung von 25-30% erreicht werden kann. Die Wirkung von Timolol beispielsweise tritt nach etwa 40 Minuten ein und hält bis zu 24 Stunden an, so dass eine Gabe pro Tag ausreicht. Eine Dosissteigerung bewirkt keine zusätzliche IOD- Senkung. Lokale Nebenwirkungen wie herabgesetzte Hornhautempfindlichkeit und verstärkte Sicca-Symptomatik sind selten. Systemische Reaktionen wie Bronchospasmus, Bradykardie, Arrhythmie und Hypotonie können dagegen schwerwiegend sein und bedingen die Kontraindikation bei COPD und Asthma, Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen wie Bradykardie und AV-Block. Selten treten Depressionen, Angstzustände und Libidoverlust auf, die jedoch auch meist erst durch gezieltes Nachfragen berichtet werden. In etwa 10% der Fälle kommt es zur Tachyphylaxie. Carboanhydrasehemmer Carboanhydrasehemmer gehören zu den Sulfonamiden, eine Antibiotikaallergie- Anamnese ist deshalb unabdingbar. Wie Sympathomimetika und Betablocker senken sie die Kammerwasserproduktion, bewirken dadurch aber nur eine mittelstarke Drucksenkung. Durch eine Verbesserung der okulären Perfusion sind
13 Carboanhydrasehemmer insbesondere bei Glaukomen mit einer vaskulären Dysfunktion indiziert. Dorzolamid wird 3 Mal täglich verabreicht, Brinzolamid nur 2 Mal täglich. Bei Kombination mit Betablockern wird die Einnahme auf 2 Dosen beschränkt. Häufige Nebenwirkungen sind Augenbrennen und Geschmacksirritationen. Systemisch kann es zu Parästhesien, gastrointestinalen Beschwerden und selten auch zu Nierensteinbildung kommen. Wie bei allen Sulfonamiden können zudem allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock und Blutbildveränderungen auftreten. Prostaglandinderivate Prostaglandinderivate verbessern den uveoskleralen und trabekulären Kammerwasserabfluss. Sie erzielen mit 20-35% die stärkste IOD-Senkung unter den Antiglaumatosa. Ihre lange Wirkdauer ermöglicht zudem eine Einmaldosierung pro Tag. Diese Eigenschaften zusammen mit einer im Vergleich geringen Nebenwirkungsrate und fehlender Tachyphylaxie machen sie zur Therapie der 1. Wahl neben den weiterhin führenden Betablockern. Sie sind jedoch teurer als diese. Bekannte Nebenwirkungen sind leichte, vorübergehende Hyperämie, Brennen und Fremdkörpergefühl, Irisverfärbungen und verstärktes Wimpernwachstum. Systemisch kann es zu Dyspnoe und Asthmaexazerbation kommen. Kombinationspräparate Prinzipiell ist die Monotherapie einer Kombinationstherapie vorzuziehen. Reicht die Druck senkende Wirkung nicht aus, so sollte zunächst das Medikament gewechselt werden, bevor zusätzliche Augentropfen verordnet werden. Fixe Kombinationspräparate zeichnen sich dabei durch eine häufig bessere Verträglichkeit und geringere Belastung mit Konservierungsmitteln im Vergleich zur separaten Verabreichung der Einzelsubstanzen aus. Zudem wird die Anzahl der zu verabreichenden Tropfen reduziert und damit das Therapieschema für den Patienten vereinfacht. Durch eine Kombination verschiedener Wirkstoffe wird eine additive Drucksenkung von ca. 15 - 20% erreicht.
14 2.2. Adhärenz 2.2.1. Definition Als Adhärenz (von engl. adherence: „Festhalten“, „Befolgen“) bezeichnet man das Ausmaß, in dem das Verhalten eines Patienten mit den Empfehlungen des Arztes übereinstimmt [80]. Dem Patienten wird dabei eine aktive Rolle zugeschrieben. Therapieziele müssen von Arzt und Patient gemeinsam beschlossen werden, wobei auch im Besonderen auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten und mögliche Probleme eingegangen werden sollte. Die Verantwortung für Erfolg oder Versagen der Therapie liegt folglich gleichermaßen bei Arzt und Patient. Im deutschsprachigen Raum hat der Begriff der Adhärenz jedoch bislang kaum Einzug gehalten. Weiter verbreitet ist dahingegen die eher negativ konnotierte Compliance. Auch hier wird die Therapietreue seitens des Patienten gefordert, im Gegensatz zum Konzept der Adhärenz hat dieser allerdings eine rein passiv ausführende Rolle. Eine Zustimmung des Patienten zum Therapieplan ist nicht nötig, er ist lediglich dazu angehalten, das zu tun, was der Arzt ihm vorschreibt. Die Verantwortung für den Therapieerfolg liegt somit scheinbar allein beim Patienten [80]. Ein Patient ist nach Auffassung des Arztes dann compliant oder adhärent, wenn er die vorgeschlagene oder gemeinsam beschlossene Therapie zeitlich exakt sowie in der korrekten Applikation anwendet. Zusätzlich wird Persistenz gefordert, d. h. Rezepte müssen regelmäßig eingelöst werden, so dass eine kontinuierliche Medikamenteneinnahme möglich ist. Doch dass dies einem Idealbild entspricht, dass in der Realität eher selten zu finden ist, zeigen verschiedenste Studien. So schwanken die Angaben für Adhärenz bei der Langzeittherapie chronischer Erkrankungen im Allgemeinen zwischen 30 und 70%, 30 bis 50% der Patienten brechen die Therapie sogar bereits in den ersten Monaten ganz ab [18]. 2.2.2. Messung Um Adhärenz objektiv beurteilen zu können, ist es nötig, sie zu quantifizieren. In der
15 Vergangenheit gab es hierzu verschiedenste Ansätze, was eine starke Schwankungsbreite der Adhärenzangaben einzelner Krankheitsbildern zur Folge hatte. Grundsätzlich kann Adhärenz auf zwei unterschiedliche Arten bestimmt werden. Zum einen über den Prozentsatz der Tage, an denen die Medikation korrekt eingehalten wurde, zum anderen anhand des Anteils der korrekten Einnahmen insgesamt. Während im ersten Fall ein Patient, der bei vorgeschriebener dreifacher Einnahme pro Tag eine Dosis auslässt, eine Adhärenz von 0% erreicht, ist derselbe Patient im zweiten Fall zu 67% adhärent [65]. Auch bei der Adhärenzmessung gibt es bislang keine einheitliche Methode. Die einfachste und kostengünstigste Möglichkeit bietet die Befragung im Interview oder mittels standardisierter Fragebögen. Es zeigte sich jedoch, dass Ärzte das Adhärenzverhalten ihrer Patienten häufig überschätzen, und dass Patienten Non- Adhärenz nicht zuverlässig zugeben [80]. Eine objektivere aber auch wesentlich kostspieligere Beurteilung der Adhärenz ist mittels elektronischen Monitorings möglich. Auf einem Computerchip können beispielsweise die Abgabe von Tabletten oder Tropfen aus einem Medikamentenbehälter gespeichert und später ausgewertet werden. Der Vorteil liegt darin, dass auch Dosierung der Medikamente und Datum und Uhrzeit der Applikation registriert werden können. Ob die entnommene Medikation dann korrekt eingenommen wird, ist jedoch nicht nachprüfbar. Des Weiteren können Medikamentenspiegel direkt in Blut oder Urin gemessen oder die therapeutische Wirkung beurteilt werden, z. B. durch Blutdruckmessungen in der antihypertensiven Therapie. Ein Problem der Adhärenzmessung im Allgemeinen ist die Tatsache, dass lediglich das aktuelle Verhalten der Patienten abgeschätzt werden kann. Es handelt sich um eine Momentaufnahme eines komplexen Krankheitsmanagements, das multiplen Einflüssen unterliegt. 2.2.3. Adhärenz bei Glaukom Non-Adhärenz in der Glaukomtherapie ist ein seit langem bekanntes Problem. Die Angaben in der Literatur schwanken zwischen 5 und 80% [57]. Grund für diese Varianz sind unter anderem uneinheitliche Messinstrumente und Definitionen der Adhärenz. So zeigen Studien, die eine 100%-ige Einhaltung des Therapieplans fordern, generell
16 höhere Non-Adhärenz-Raten. Studien, in denen Medikamenten-Monitoring-Systeme eingesetzt werden, detektieren ebenfalls häufiger non-adhärentes Verhalten [56]. Kass und Mitarbeiter verwendeten elektronische Topfenzähler bei Patienten unter Pilocarpintherapie. Während im Interview nahezu alle Patienten angaben, sich exakt an den Therapieplan zu halten, ergab sich aus den gespeicherten Daten der Tropfenzähler, dass durchschnittlich nur etwa Dreiviertel der verordneten Tropfen eingenommen wurden [40]. Die sog. Travatan Dosing Aid Study zeigte ähnliche Ergebnisse: Die berichtete Adhärenz lag deutlich höher als die mittels Tropfenzählern gemessene, obwohl die Patienten wussten, dass die Medikamenteneinnahme elektronisch überwacht wird [55]. Konstas und Mitarbeiter stellten fest, dass 44% ihrer Glaukompatienten non- adhärent waren. Interessant ist hierbei, dass 15% der Patienten dies jedoch nicht bewusst war. Sie nahmen ihre verschriebene Medikation zwar zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Menge ein, sie wurde aber falsch appliziert [43]. In der Arbeit von Kholdebarin und Mitarbeitern berichteten 27,9% der Patienten, nicht adhärent zu sein. Zudem waren gut ein Drittel der Patienten nicht in der Lage, ihre Augentropfen korrekt zu applizieren, so dass die Non-Adhärenzrate insgesamt bei mehr als 50% lag [41]. Adhärenzbarrieren Neben der unbewussten Non-Adhärenz durch fehlerhafte Applikation gibt es verschiedenste Gründe für mangelnde Medikamententreue. Einige dieser Adhärenzbarrieren konnten in vorangegangenen Studien identifiziert werden. Sie sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Fragt man direkt nach Gründen für non-adhärentes Verhalten, so wird meist schlichtweg „Vergesslichkeit“ genannt. Weitere Angaben sind u. a. „Augentropfen nicht erreichbar“, „Termindruck“, „ungünstige Einnahmezeiten“ und „Fehlen von Symptomen“ [3, 41, 43, 58]. Soziodemografische Faktoren scheinen im Allgemeinen keinen bedeutenden Einfluss auf das Adhärenzverhalten zu haben. Lediglich zwischen männlichem Geschlecht und Non-Adhärenz konnte ein signifikanter Zusammenhang nachgewiesen werden [1, 43]. Kholdebarin und Mitarbeiter fanden eine positive Assoziation zwischen niedrigem Bildungsstand und non-adhärentem Verhalten [41].
17 Tabelle 1: Adhärenzbarrieren (modifiziert nach Olthoff C. et al., Ophthalmology 2005; 112:953-961) Variablen Korrelation mit Studien Non-Adhärenz Patientenbezogene Faktoren Männliches Geschlecht positiv 1, 2 Niedriger Schulabschluss positiv 3 Wissen über Glaukom negativ 4, 5 Unzufriedenheit mit Arzt-Patient-Beziehung positiv 5 Krankheitsbezogene Faktoren Bessere Sehschärfe positiv 4 Geringere Gesichtsfeldeinschränkung Positiv 4 Einseitige Erblindung negativ 6 Beidseitige Erblindung positiv 6 Komorbiditäten negativ 1 Therapiebezogene Faktoren > 2 Dosen täglich positiv 2, 7 Zeit seit Arztbesuch positiv 8 Anzahl der Arztbesuche innerhalb von negativ 9 12 Monaten Dauer der Therapie positiv 8 Studien: 1) Bloch S, Rosenthal AR, Friedman L, Caldarolla P. Patient compliance in glaucoma. Br J Ophthalmol 1977;61:531– 4. 2) Konstas AGP, Maskaleris G, Gratsonidis S, Sardelli C. Compliance and viewpoint of glaucoma patients in Greece. Eye 2000;14:752– 6. 3) Kholdebarin R, Campbell RJ, Jin YP, Buys YM. Multicenter study of compliance and drop administration in glaucoma. Can J Ophthalmol. 2008 Aug;43(4):454-61. 4) Spaeth GL. Visual loss in a glaucoma clinic. I. Sociological considerations. Invest Ophthalmol 1970;9:73– 82. 5) Bour T, Blanchard F, Segal A. Observance the´rapeutique et ve´cu du glaucome primitif a` angle ouvert. A propos de 341 cas dans la Marne. J. Fr Ophtalmol 1993;16:380 –91. 6) Vincent PA. Patient’s viewpoint of glaucoma. Sight Sav Rev 1972;42:213–21. 7) Patel SC, Spaeth GL. Compliance in patients prescribed eyedrops for glaucoma. Ophthalmic Surg 1995;26:233– 6. 8) Norell SE. Monitoring compliance with pilocarpine therapy. Am J Ophthalmol 1981;92:727–31. 9) Gurwitz JH, Yeomans SM, Glynn RJ, et al. Patient noncompliance in the managed care setting. The case of medical therapy for glaucoma. Med Care 1998;36:357– 69.
18 Patienten sind umso adhärenter, je besser sie über ihr Krankheitsbild informiert sind [3, 72]. Verschiedene Studien zeigen jedoch, dass viele Patienten zu wenig über ihre Erkrankung wissen [3, 43, 72]. Konstas und Mitarbeiter stellten fest, dass nur die Hälfte ihrer Patienten wusste, was ein Glaukom ist, und nur ein Viertel, dass Glaukom zur Erblindung führen kann. Lediglich 22% waren mit ihrer Krankheit relativ gut vertraut, 65% fühlten sich von ihrem Arzt nur unzureichend informiert [43]. Eine allgemeine Unzufriedenheit mit der Arzt-Patient-Beziehung beeinflusst die Adhärenz negativ [3]. Einen wichtigen Einfluss hat die Glaukomerkrankung an sich. Es handelt sich um eine meist nur langsam fortschreitende Schädigung des Sehnervs. Die assoziierten Gesichtsfeldausfälle engen dabei das Gesichtsfeld von peripher her ein und werden daher erst spät wahrgenommen. Das Glaukom prädisponiert durch seinen chronischen Verlauf, die subjektive Symptomfreiheit und die Notwendigkeit einer lebenslangen Therapie für Non-Adhärenz. Der Nutzen der Therapie ist zudem für den Patienten nicht unmittelbar erkennbar. Stattdessen treten häufig unangenehme Nebenwirkungen auf [81]. Ein Zusammenhang zwischen der Schwere der Erkrankung und der Adhärenz ist ebenfalls beschrieben. Patienten sind scheinbar eher medikamententreu, wenn sie stärkere Gesichtsfeldausfälle haben oder auf einem Auge erblindet sind [72]. Beidseitige Erblindung hingegen schränkt die Adhärenz ein, vermutlich da die Hilfe Dritter zur Applikation der Augentropfen nötig ist [78]. Das Vorhandensein von Komorbiditäten hat einen positiven Einfluss auf die Adhärenz. Bloch und Mitarbeiter erklärten dies damit, dass bei den betroffenen Patienten bereits ein Krankheitsbewusstsein vorliegt und die Augentropfen gut in einen schon etablierten Therapieplan integriert werden können [1]. Letztlich lassen sich auch Barrieren in der Glaukomtherapie finden. Wichtigster Einflussfaktor ist hier die Anzahl der verordneten Einzeldosen pro Tag. Eine signifikante Erhöhung der Non-Adhärenz wurde bei mehr als zweimaliger Medikamenteneinnahme festgestellt [43, 58]. Auch die Verordnung von mehr als einem Präparat führt zu steigender Non-Adhärenz [43]. In der Studie von Stewart und Mitarbeitern glaubten 74% der Ärzte, dass eine Einmaldosis pro Tag von den Patienten bevorzugt würde, und 92% sahen darin eine Möglichkeit, die Adhärenz zu verbessern. Auch eine Mehrheit von 60% der Patienten wünschten Einmaldosen, aber nur 20% hielten eine Verbesserung der Adhärenz für wahrscheinlich. Zudem wirken sich lange Intervalle zwischen den Arztbesuchen negativ auf das Adhärenzverhalten aus [26, 54]. Kass und Mitarbeiter konnten mit Hilfe von elektronischen Tropfenzählern zeigen, dass
19 die Adhärenz ihrer Patienten 24 Stunden vor einem Arzttermin signifikant anstieg [40]. Die Bedeutung von Medikamentennebenwirkungen in der Glaukomtherapie wurde vielfach untersucht. Nebenwirkungen bei Antiglaukomatosa sind häufig: Etwa ein Drittel der Patienten in den Studien von Deokule und Patel gaben an, darunter zu leiden [12, 58]. Es konnte jedoch bisher kein signifikanter linearer Zusammenhang zwischen dem Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen und der Adhärenz nachgewiesen werden [12, 28, 56]. In der Studie von Bloch und Mitarbeitern gaben allerdings 64% der non-adhärenten Patienten an, die Therapie wegen unangenehmer Nebenwirkungen der Augentropfen abgebrochen zu haben [1]. Folgen der Non-Adhärenz Mit Hilfe antiglaukomatöser Therapie kann die Krankheitsprogression deutlich herabgesetzt werden. Bei mangelnder Medikamententreue bleibt dieser protektive Effekt jedoch aus. In der Folge kommt es zum IOD-Anstieg und zu fortschreitenden Gesichtsfelddefekten bis hin zur Erblindung [43, 73]. Etwa 10% der Sehverluste bei Glaukom können vermutlich auf Non-Adhärenz zurückgeführt werden [43]. Im klinischen Alltag wird Non-Adhärenz häufig unterschätzt. Deutsche Ärzte halten etwa 28% ihrer Patienten für non-adhärent, wohingegen 54% dieser Patienten zugeben, Dosierungen auszulassen [73]. Als Grundlage für die Beurteilung der Therapietreue dienen gemessene IOD-Werte und Gesichtsfelduntersuchungen im Verlauf. Für den Arzt ist es hierbei häufig schwer zu unterscheiden, ob ein Krankheitsfortschritt auf eine unzureichende Medikation oder mangelnde Adhärenz zurückzuführen ist. Der Patient kann nämlich auch bei diskontinuierlicher Medikamenteneinnahme kurzfristig durch gezieltes Tropfen vor einem Augenarzttermin einen gut regulierten IOD und somit eine gute Adhärenz vortäuschen. Ein Langzeitwert, wie beispielsweise der HbA1c-Wert bei Diabetikern, steht für das Glaukom bislang leider nicht zur Verfügung. Non-Adhärenz bedeutet auch ein gesundheitsökonomisches Problem. Sie ist assoziiert mit höheren Hospitalisierungsraten und gesteigerten Gesundheitskosten [69]. In Deutschland werden jährlich etwa 1000€ für die Behandlung eines Glaukompatienten ausgegeben [25]. Etwa die Hälfte hiervon ist auf Medikamentenkosten zurückzuführen [75, 77]. Die durch Glaukom verursachte Erblindung kostet weitere 150 Mio € pro Jahr.
20 Doch Non-Adhärenz führt bereits vor der Erblindung zu gesteigerten Kosten. Denn unzureichend stabilisierte Augeninnendrücke sowie stark fortschreitende Sehnervenkopfschädigungen und späte Glaukomstadien erfordern engmaschigere Kontrollen durch den Augenarzt bis hin zu vermehrten stationären Aufenthalten. Es werden unter Umständen unnötig zusätzliche Druck senkende Augentropfen verschrieben und bei insuffizienter medikamentöser Therapie Augenoperationen durchgeführt [54, 74]. Das Glaukom hat auch Auswirkungen auf die berufliche Situation. Häufigere ambulante und stationäre Aufenthalte sowie Rehabilitationsmaßnahmen bedeuten vermehrte Arbeitsausfälle. Fortschreitende Gesichtsfeldausfälle und Sehleistungsminderungen können die Ausübung der beruflichen Tätigkeit erschweren und zum vorzeitigen Arbeitsaustritt führen. Dies hat neben den Behandlungskosten und Rentenzahlungen auch Steuer- und Beitragsausfälle für die gesetzlichen Sozialversicherungen zur Folge. Zudem führen ausgeprägte Sehleistungsminderungen zu Einschränkungen im täglichen Leben bis hin zur Pflegebedürftigkeit. Hilfe wird laut Thygesen und Kollegen vor allem beim Putzen, Einkaufen und Ausgehen benötigt. In Deutschland stellt eine Sehbehinderung allein keinen Grund zur sozialen Pflegebedürftigkeit dar. Die Kosten für häusliche Pflege bei Glaukomerkrankten im Spätstadium liegen deshalb mit jährlich 633€ pro Person deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von etwa 4362€. In Deutschland reichen die Pflegekosten somit nicht an die konservativen Behandlungskosten heran, während sie diese im europäischen Ausland um das 5-fache übersteigen [75]. Zu Bedenken gilt weiterhin, dass das Glaukom eine Erkrankung des älteren Menschen ist. Sowohl seine Prävalenz, als auch die Erblindungsfälle nehmen mit dem Lebensalter zu [20]. Folglich steigen auch die Behandlungskosten mit dem Alter. Während die Kosten für Krankheiten des Auges und der Augenanhangsgebilde jährlich durchschnittlich 80€ je Einwohner betragen, liegen sie bei den über 65-jährigen mit 140€ fast doppelt so hoch und bei den über 85-jährigen bei 270€, was wiederum etwa einer Verdopplung entspricht [13]. In einer demografisch alternden Gesellschaft wie in Deutschland gewinnt das Glaukom über die Jahre zusätzlich an sozioökonomischer Bedeutung. Der demografische Wandel in Kombination mit einer steigenden Lebenserwartung lässt somit stetig zunehmende Prävalenzen und damit verbundene Kosten erwarten. Michelson und Mitarbeiter rechnen bis 2050 mit einer Verdopplung der Prävalenz von Glaukom in Deutschland [50]. Es ist also ein wichtiges Ziel bei
21 bisher unzureichenden Screeningmöglichkeiten zumindest die medikamentöse Therapie so effektiv wie möglich zu gestalten. 2.2.4. Medikamentenbezogene Einstellungen Die Wirkung einer Therapie wird neben physischen auch durch psychische Faktoren bestimmt [6, 32]. Dies ist am offensichtlichsten beim sogenannten Placebo-Effekt. Einen wichtigen Einfluss scheinen subjektive Ansichten über die Krankheit und deren Therapie zu haben. Viele Patienten glauben, dass nichtpflanzliche Medikamente schädlich sind und dass Ärzte generell zu viele Medikamente verschreiben [31]. Dass solche Grundhaltungen einen negativen Einfluss auf die Adhärenz haben, ist wahrscheinlich. Viel wichtiger jedoch sind die speziellen Meinungen zu einem verschriebenen Präparat. Hierzu gehören die Überzeugung von dessen Notwendigkeit auf der einen Seite und die Sorgen über mögliche Nebenwirkungen auf der anderen Seite [29]. Horne und Weinman stellten fest, dass die persönlichen Einstellungen gegenüber der Therapie einen wesentlich stärkeren Prädiktor für das Adhärenzverhalten darstellen als soziodemografische Variablen und klinische Daten, wie etwa die Anzahl der verschriebenen Medikamente [31]. Horne geht davon aus, dass die Entscheidung eines Patienten, seine Medikamente zu nehmen oder nicht, von einer Art Kosten- Nutzen-Rechnung bestimmt wird. Wird die Notwendigkeit eines Medikaments höher eingeschätzt als die Sorgen über seine Nebenwirkungen, so ist adhärentes Verhalten wahrscheinlicher [29]. Tatsächlich konnte gezeigt werden, dass die Patienten, deren Sorgen größer waren als der Glaube an die Notwendigkeit der Therapie, signifikant niedrigere Adhärenz berichteten [31]. Desweiteren wurde der Einfluss von Medikamenteneinstellungen auf bewusste und unbewusste Adhärenz bei multimorbiden, älteren Patienten untersucht. Hierbei konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Einschätzung der spezifischen Notwendigkeit und der bewussten Adhärenz sowie zwischen der Einschätzung des generellen Übergebrauchs und der unbewussten Adhärenz festgestellt werden [66]. Der Zusammenhang zwischen subjektiven Medikamenteneinstellungen und der Adhärenz in der Glaukomtherapie wurde bislang kaum untersucht. Rees und Mitarbeiter befragten 131 Patienten und unterteilten diese in Adhärente und Non-Adhärente, wobei zur Einordnung eine 100-prozentige Adhärenz gefordert wurde. Zur Ermittlung der
22 Medikamenteneinstellungen beschränkten sie sich auf die spezifischen Angaben zu Notwendigkeit und Sorgen bezüglich der verschriebenen Augentropfen. Sie konnten zeigen, dass non-adhärente Patienten die Notwendigkeit ihrer Augentropfen signifikant geringer einschätzten, die spezifische Notwendigeit stellte jedoch keinen signifikanten Prädiktor für die Adhärenz dar [61]. Im Rahmen des Projekts „Einfluss krankheits- und medikamentenbezogener Einstellung auf die Adhärenz in der Glaukomtherapie“ konnten in einer Vorstudie zu dieser Dissertation signifikante Zusammenhänge zwischen spezifischen und generellen Medikamenteneinstellungen und dem Adhärenzverhalten gezeigt werden. In einer linearen Regressionsanalyse wurden die spezifischen Medikamenteneinstellungen als signifikante Prädiktoren für die Adhärenz identifiziert. Unter Kontrolle von Störvariablen klärten die Medikamenteneinstellungen insgesamt bis zu 18% der Varianz auf [64]. 2.3. Fragestellungen Die medikamentöse Therapie mit Druck senkenden Augentropfen ist die bedeutendste Säule in der Therapie des Primären Offenwinkelglaukoms. Durch den Einsatz von Antiglaukomatosa kann der Augeninnendruck effektiv gesenkt und das Risiko einer Krankheitsprogression minimiert werden [27, 39]. Doch der erfolgreichen Glaukomtherapie steht vor allem eines im Wege: Die häufig mangelnde Adhärenz im Sinne von fehlender oder fehlerhafter Applikation der Augentropfen. Diese Problematik ist seit langem bekannt, doch bisher konnten nur wenige beeinflussbare Adhärenzbarrieren identifiziert werden. Diese Studie legt den Fokus auf den Kern der Glaukomtherapie – die Medikamente. Dabei werden zwei Einflussfaktoren genauer untersucht: Medikamentennebenwirkungen und deren wahrgenommene Intensität sowie die Einstellungen der Patienten den Medikamenten gegenüber. Um die Vorhersagekraft beider Faktoren zu bestimmen, wird eine prospektive Befragung zu zwei Zeitpunkten gewählt. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen zeigten in vorangegangenen Studien keinen signifikanten Zusammenhang mit dem Adhärenzverhalten der Patienten. Es gibt jedoch Hinweise, dass das Auftreten von Nebenwirkungen ein häufiger Grund für Therapieabbrüche ist [1]. In der vorliegenden Studie werden gezielt diejenigen
23 Nebenwirkungen erfragt, die aus Sicht des Patienten auf die Augentropfen zurückgeführt werden. Zudem sollen die Patienten eine Einschätzung der Intensität der Nebenwirkungen vornehmen. Diese subjektiv wahrgenommene Nebenwirkungsintensität soll im Folgenden hinsichtlich ihrer Stabilität und Vorhersagekraft für die Adhärenz untersucht werden. Medikamentenbezogene Einstellungen zeigten bereits signifikante Zusammenhänge mit der Adhärenz für verschiedene chronischen Erkrankungen [31]. Auch in der Glaukomtherapie scheinen die spezifischen Überzeugungen bezüglich der Augentropfen Einfluss auf das Adhärenzverhalten zu haben [61, 64]. In der Studie von Rees und Mitarbeitern wurden die Medikamtenteneinstellungen von adhärenten und nonadhärenten Patienten verglichen. Die Forderung einer hundertprozentig korrekten Einnahme als Kriterium der Gruppenzugehörigkeit bei einer lebenslangen Therapie mit mehreren Dosen pro Tag ist jedoch sehr streng gesetzt. Die Bestimmung einer Grenze für Adhärenz ist immer willkürlich und verschleiert Tendenzen zu adhärentem oder non-adhärentem Verhalten. In der vorliegenden Studie wurde deshalb nicht in Gruppen unterschieden, um das Maß der Adhärenz abzubilden. In einer Vorstudie gab es Hinweise, dass spezifische Medikamenteneinstellungen das Adhärenzverhalten voraussagen können [61, 64]. Wie bei Rees und Mitarbeiter erfolgte jedoch nur in einer einmaligen Befragung. Die vorliegende Arbeit soll nun als Folgestudie die Zusammenhänge und Voraussagekraft der medikamentenbezogenen Einstellungen im Längsschnitt betrachteten. In der vorliegenden Arbeit sollen nun folgende Fragen geklärt werden: 1. Sind Adhärenzangaben, Nebenwirkungsintensität und medikamentenbezogene Einstellungen im Verlauf stabil? 2. Inwiefern besteht ein Zusammenhang zwischen erlebter Nebenwirkungsintensität und der Adhärenz und bildet die Nebenwirkungsintensität ein valides Vorhersagemodell für die Adhärenz? 3. Inwiefern besteht ein Zusammenhang zwischen Medikamenteneinstellungen und der Adhärenz und bilden die Medikamenteneinstellungen ein valides Vorhersagemodell für die Adhärenz?
24 3. Methoden 3.1. Planung und Durchführung Die vorgelegte Studie ist Teil des Gesamtprojektes zum Thema „Einfluss krankheits- und medikamentenbezogener Einstellungen auf die Adhärenz in der Glaukomtherapie“. Als Untersuchungsmethode wurde eine schriftliche Befragung gewählt. In einer Testphase von Juli bis August 2009 wurden die Fragen auf Ihre Verständlichkeit geprüft und zum Teil umformuliert. Daraufhin erfolgte eine Querschnittserhebung im Rahmen des Teilprojektes 1. Teilprojekt 2 wurde von April bis Oktober 2010 durchgeführt und bildet die Grundlage dieser Dissertation. Zusätzlich zur Ersterhebung (T1) wurde nun mit Hilfe eines zweiten postalisch zugesandten Fragebogens (T2) bei einer Stichprobe von 244 Patienten ein Längsschnitt erhoben. Der Zeitpunkt der zweiten Befragung wurde hierbei auf zwei Monate nach der Erstbefragung gesetzt. Auf diese Weise sollten die Patienten mit möglichst großem Abstand zu ihrem Klinikaufenthalt und dem nächsten Augenarztbesuch befragt werden, um den Einfluss eines zeitnahen Arztkontaktes auf das Adhärenzverhalten so gering wie möglich zu halten. Die Rekrutierung der Patienten erfolgte in der Augenklinik des Universitätsklinikums Erlangen. Alle Patienten wurden während eines stationären Aufenthaltes befragt. Es wurden nur Patienten mit einem bekannten Primären Offenwinkelglaukom in die Studie eingeschlossen, die vor mehr als vier Wochen die Diagnose „Glaukom“ erhalten hatten, und die seit mindestens vier Wochen Druck senkende Augentropfen einnahmen. 121 der 245 Patienten lehnten die Teilnahme ab oder füllten die Fragebögen der Erst- oder Zweiterhebung nicht aus. Somit lagen letztlich Datensätze von 124 Patienten vor. Das Studienprotokoll wurde von der Ethikkomission akzeptiert. Die Patienten erhielten eine mündliche und schriftliche Instruktion und unterzeichneten eine Teilnahmeerklärung.
25 Abbildung 2: Flussdiagramm der Datenerhebung 3.2. Messinstrumente Für diese Studie wurde ein 17-seitiger Fragebogen aus verschiedenen Skalen und Einzelitems zusammengestellt (siehe Anhang 1). Die im Rahmen der Erst- und Zweiterhebung verwendeten Instrumente sind in Tabelle 2 dargestellt. Zum Zeitpunkt der postalischen Nachbefragung (T2) wurde eine gekürzte Version des Fragebogens vorgelegt. Nicht mehr erhoben wurden hier die soziodemografischen Variablen, der Illness Perception Questionnaire sowie der Wissenstest. Behandlungsplan und Adherence to Refills and Medications Scale wurden leicht abgewandelt bzw. gekürzt.
26 Tabelle 2: Messinstrumente in der Reihenfolge ihrer Darbietung Messinstrumente T1 T2 Soziodemografische Variablen X (Short-Form 8 Health Survey) X X (Revised Illness Perception Questionnaire) X Beliefs about Medicines Questionnaire X X – allgemeiner Teil Behandlungsplan X X Beliefs about Medicines Questionnaire X X – spezifischer Teil Ausgelassene Dosen, VAS-AD X X Adherence to Refills and Medications Scale X X Beschwerden und Nebenwirkungen X X Wissenstest X In Klammern gesetzte Instrumente wurden in der Auswertung nicht berücksichtigt. 3.2.1. Soziodemographischer Fragebogen Im Soziodemographischen Fragebogen wurden allgemeine Angaben zur Person (Alter, Geschlecht), zur sozialen Situation (Familienstand, Wohnsituation), zum Bildungsstand (Schulabschluss, Ausbildungsabschluss) sowie zum Berufsstand (Erwerbstätigkeit, Art des Beschäftigungsverhältnisses) erhoben. 3.2.2. Medikamentenbezogene Einstellungen -‐ BMQ Der Beliefs About Medicines Questionnaire (BMQ) wurde von Horne und Mitarbeitern entwickelt [30]. Er untersucht die Ansichten über Medikamente im Allgemeinen sowie die Einstellungen zu speziell verordneten Medikamenten. Spezifische und allgemeine Medikamentenüberzeugungen werden dabei separat analysiert. Den 4 Dimensionen der Originalversion wurden im Rahmen seiner Validierung zwei Skalen („Genereller Nutzen“ und „Somatische Sensitivität“) sowie ein Einzelitem zu Nebenwirkungen hinzugefügt. Der allgemeine Teil des BMQ umfasst die Skalen „Genereller
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