Untersuchung zur Nebenwirkungsintensität sowie medikamentenbezogenen Einstellungen in Bezug auf die Adhärenz in der medikamentösen Glaukomtherapie ...

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Untersuchung zur Nebenwirkungsintensität sowie
             medikamentenbezogenen Einstellungen
in Bezug auf die Adhärenz in der medikamentösen Glaukomtherapie
                   Der medizinischen Fakultät

               der Friedrich-Alexander-Universität
                       Erlangen-Nürnberg
                               zur
               Erlangung des Doktorgrades Dr. med.
                          vorgelegt von
                   Stefanie Sigrid Marie Weise
                       aus Frankfurt a.M.
Als Dissertation genehmigt von der
   Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität
                      Erlangen-Nürnberg

Vorsitzender des Promotionsorgans:   Prof. Dr. Dr. h.c. J. Schüttler

Gutachter:                           Prof. Dr. U. Welge-Lüßen

Gutachter:                           Prof. Dr. B. Bachmann

Tag der mündlichen Prüfung:          12. Dezember 2013
Inhaltsverzeichnis	
  

1.	
   ZUSAMMENFASSUNG	
                                                             3	
  

2.	
   EINLEITUNG	
                                                                  5	
  
2.1.	
   GLAUKOM	
                                                                  5	
  
2.1.1.	
   Definition und Epidemiologie                                             5	
  
2.1.2.	
   Diagnostik                                                               6	
  
2.1.3.	
   Therapie                                                                10	
  
2.2.	
   ADHÄRENZ	
                                                                14	
  
2.2.1.	
   Definition                                                              14	
  
2.2.2.	
   Messung                                                                 14	
  
2.2.3.	
   Adhärenz bei Glaukom                                                    15	
  
2.2.4.	
   Medikamentenbezogene Einstellungen                                      21	
  
2.3.	
   FRAGESTELLUNGEN	
                                                         22	
  

3.	
   METHODEN	
                                                                  24	
  
3.1.	
   PLANUNG	
  UND	
  DURCHFÜHRUNG	
                                          24	
  
3.2.	
   MESSINSTRUMENTE	
                                                         25	
  
3.2.1.	
   Soziodemographischer Fragebogen                                         26	
  
3.2.2.	
   BMQ                                                                     26	
  
3.2.3.	
   Behandlungsplan                                                         27	
  
3.2.4.	
   Ausgelassene Dosen und VAS-AD                                           27	
  
3.2.5.	
   ARMS                                                                    28	
  
3.2.6.	
   Beschwerden und Nebenwirkungen                                          29	
  
3.2.7.	
   Wissenstest                                                             30	
  
3.2.8.	
   Krankheitsbild                                                          30	
  
3.3.	
   VORGEHEN	
  BEI	
  DER	
  DATENANALYSE	
                                  30	
  
3.3.1.	
   Umgang mit fehlenden Werten                                             31	
  

4.	
   ERGEBNISSE	
                                                                32	
  
4.1.	
   STICHPROBE	
                                                              32	
  
4.1.1.	
   Patienten                                                               32	
  
4.1.2.	
   Klinische Charakteristika                                               33	
  
4.1.3.	
   Drop-outs                                                               35	
  
4.2.	
   DESKRIPTIVE	
  DARSTELLUNG	
  UND	
  VERLAUF	
                            38	
  
4.2.1.	
   Medikamentenbezogene Adhärenz                                           38	
  
4.2.2.	
   Nebenwirkungsintensität                                                 40	
  
4.2.3.	
   Medikamentenbezogene Einstellungen                                      41	
  
4.2.4.	
   Weitere unabhängige Variablen                                           42	
  
4.3.	
   KORRELATIONEN	
  UND	
  VORHERSAGEMODELLE	
  FÜR	
  DIE	
  ADHÄRENZ	
     44	
  
4.3.1.	
   Weitere unabhängige Variablen                                           44	
  
4.3.2.	
   Nebenwirkungsintensität                                                 45	
  
4.3.3.	
   Medikamenteneinstellungen                                               46	
  

5.	
   DISKUSSION	
                                                                49	
  

6.	
   LITERATURVERZEICHNIS	
                                                      55	
  

7.	
   ANHANG	
                                                                    60	
  

8.	
   DANKSAGUNG	
                                                                65	
  

9.	
   LEBENSLAUF	
                                                                66	
  
Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Papillenstadien nach Jonas ...................................................................... 10	
  
Abbildung 2: Flussdiagramm der Datenerhebung......................................................... 25	
  
Abbildung 3: Gesichtsfeldstadien.................................................................................. 34	
  
Abbildung 4: Papillenstadien......................................................................................... 35	
  
Abbildung 5: Gründe für das Auslassen von Tropfendosen.......................................... 40	
  
Abbildung 6: Anteile der berichteten Nebenwirkungen zu T1 und T2 ......................... 41	
  

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Adhärenzbarrieren......................................................................................... 17	
  
Tabelle 2: Messinstrumente in der Reihenfolge ihrer Darbietung ................................. 26	
  
Tabelle 3: Soziodemografische Daten der Stichprobe ................................................... 32	
  
Tabelle 4: Klinische Charakteristika der Stichprobe ..................................................... 34	
  
Tabelle 5: Deskriptive Daten der Refuser...................................................................... 36
Tabelle 6: Deskriptive Daten der Drop-outs T1+T2 ...................................................... 36	
  
Tabelle 7: Klinische Charakteristika der Refuser .......................................................... 37	
  
Tabelle 8: Klinische Charakteristika der Drop-outs T1+T2 .......................................... 37
Tabelle 9: Korrelationen der Adhärenzmaße zu T1 und T2 .......................................... 38	
  
Tabelle 10: Deskriptive Kennwerte der Adhärenzmaße zu T1 und T2.......................... 39	
  
Tabelle 11: Deskriptive Kennwerte der Nebenwirkungsintensität zu T1 und T2.......... 40	
  
Tabelle 12: Deskriptive Kennwerte der BMQ-Skalen zu T1 und T2 ............................ 42	
  
Tabelle 13: Deskriptive Kennwerte der Kontrollvariablen............................................ 43	
  
Tabelle 14: Zusammenhänge zwischen soziodemografischen und klinischen Faktoren
    und Adhärenz .......................................................................................................... 44	
  
Tabelle 15: Zusammenhänge zwischen Kontrollvariablen und Adhärenz..................... 45
Tabelle 16: Zusammenhänge zwischen Nebenwirkungsintensität und Adhärenz ......... 45	
  
Tabelle 17: Vorhersage der Adhärenz durch die Nebenwirkungsintensität................... 46	
  
Tabelle 18: Zusammenhänge zwischen BMQ-Skalen und Adhärenz............................ 47	
  
Tabelle 19: Vorhersage der Adhärenz durch die BMQ-Skalen ..................................... 48	
  
3

1.     Zusammenfassung	
  

Hintergrund und Ziele
Ein erhöhter Augeninnendruck stellt den Hauptrisikofaktor für die Entstehung und das
Fortschreiten des Glaukoms dar. Die Therapie mit Druck senkenden Augentropfen kann
eine   Krankheitsprogression         aufhalten       und     Gesichtsfeldverluste     verhindern.
Entscheidenden    Einfluss     auf     den       Erfolg     der   Glaukomtherapie       hat   das
Adhärenzverhalten    der     Patienten.      Bisher        sind   nur   wenige      beeinflussbare
Adhärenzbarrieren bekannt. Ziel dieser Studie ist es, Zusammenhänge zwischen erlebter
Nebenwirkungsintensität sowie medikamentenbezogenen Einstellungen und der
Adhärenz zu untersuchen und mögliche Prädiktoren zu identifizieren.
Methoden
123 Patienten (78 Frauen und 45 Männer) mit einem Durchschnittsalter von 67 Jahren
nahmen an der Studie teil. Es wurde eine zweizeitige Befragung im Abstand von zwei
Monaten mit standardisierten Fragebögen durchgeführt. Zu den Messinstrumenten
gehörten die Adherence to Refills and Medications Scale (ARMS), eine visuelle
Analogskala (VAS-AD), ein Nebenwirkungsfragebogen (NWI) sowie der Beliefs about
Medicines Questionnaire (BMQ). Zusätzlich wurden soziodemografische und klinische
Daten erfasst.
Ergebnisse und Beobachtungen
Alle beobachteten Variablen waren im Verlauf stabil. Die Nebenwirkungsintensität
zeigte keine signifikanten Zusammenhänge mit der Adhärenz und konnte diese nicht
voraussagen. Die spezifischen Skalen des BMQ korrelierten zu beiden Messzeitpunkten
mit den Adhärenzmaßen (p
4

1.	
     Abstract	
  

Background and purpose
Elevated intraocular pressure is a major risk factor for development and progression of
glaucoma. Local medical treatment can reduce disease progression and prevent visual
field loss. Adherance with treatment has an important influence on therapy outcome. So
far, only few influencable obstacles to adherence are known. The aim of this study is to
investigate association between experienced intensity of side effects as well as drug-
related attitudes and patient adherence and to identify possible predictors.

Method
Overall 123 patients (78 females, 45 males) with an average age of 67 participated in
this study. Survey was made twice within a time frame of 2 months by using
standardised questionnaires including the Adherence to Refills and Medications Scale
(ARMS), a visual analogue scale (VAS-AD), a side effects questionnaire (NWI) and the
Beliefs about Medicines Questionnaire (BMQ). Additional sociodemographical and
clinical data were recorded.

Results
All observed variables were stable over time. Intensity of side effects showed no
significant correlation with adherence and could not predict it. The specific scales of the
BMQ correlated with adherence at both times of assessment (p
5

2.      Einleitung	
  

2.1. Glaukom	
  

2.1.1. Definition	
  und	
  Epidemiologie	
  

Das Glaukom, welches auch als Grüner Star bezeichnet wird, stellt die zweithäufigste
Erblindungsursache in den Industriestaaten [62] dar. Weltweit liegt die Prävalenz bei
etwa 60 Mio. Menschen, in Deutschland wird die Zahl der Glaukomerkrankten auf
800.000-900.000 geschätzt [14, 60]. Doch die Dunkelziffer ist hoch: Selbst in den
Industriestaaten weiß nur jeder Zweite von seiner Krankheit [59].

Glaukom ist eigentlich ein Sammelbegriff für Krankheitsbilder verschiedenster
Ätiologie, die als gemeinsame Endstrecke eine strukturelle und funktionelle Schädigung
des Sehnervens aufweisen. Die Diagnose Glaukom wird dann gestellt, wenn eine
Optikusneuropathie       mit     typischen      Papillenbefunden   und   charakteristischen
Gesichtsfeldausfällen nachgewiesen wird [17]. Diese Gesichtsfeldausfälle entstehen
zunächst in der Peripherie und engen progredient das Gesichtsfeld ein, sodass subjektiv
meist erst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium Sehverschlechterungen bemerkt
werden.

Die häufigste aller Glaukomformen ist das sog. primäre Offenwinkelglaukom (POWG).
Weltweit wird seine Prävalenz auf 45 Mio. geschätzt, bis zum Jahre 2020 wird sie nach
derzeitigen Schätzungen auf knapp 59 Mio. ansteigen [60]. Die Europäer bilden mit
24% die größte Gruppe an POWG-Erkrankten [60]. Definiert ist das primäre
Offenwinkelglaukom als eine Optikusneuropathie bei offenem Kammerwinkel ohne
sekundäre Ursachen [17]. Seine Pathogenese ist bislang nicht geklärt. Als
Hauptrisikofaktor gilt ein erhöhter intraokularer Druck (IOD) [24, 47, 53]. Das
Glaukomrisiko steigt dabei mit jedem mmHg um 12% [53]. Es werden jedoch auch
glaukomatöse Veränderungen bei statistisch normalen Druckwerten zwischen 10 und
21mmHg beobachtet. Diese Normaldruckglaukome (NDG) manifestieren sich klinisch
häufig erst durch fortgeschrittene Gesichtsfeldausfälle. Ihre Ätiologie ist ebenfalls
ungeklärt, es wird u. a. eine genetische Determinante diskutiert [68]. Als weitere
Risikofaktoren für die Glaukomentwicklung konnten in verschiedenen Studien höheres
Alter, größere vertikale Cup/Disk-Ratio der Papille und dünnere zentrale Hornhautdicke
6

identifiziert werden [24, 47, 51]. Auch genetische Faktoren scheinen eine Rolle zu
spielen. So erhöht eine positive Familienanamnese das Glaukomrisiko [46, 76]. Zudem
ist die ethnische Zugehörigkeit von Bedeutung. In der Baltimore Eye Studie war die
POWG-Prävalenz unter Afroamerikanern 3-5 mal höher als unter Kaukasiern [71].

2.1.2. Diagnostik	
  

Der Berufsverband der Augenärzte (BVA) und die Deutsche Ophthalmologische
Gesellschaft (DOG) geben in ihrer Leitlinie Empfehlungen für die Diagnostik bei
primärem chronischen Offenwinkelglaukom, Normaldruckglaukom und okulärer
Hypertension. Zur Erstdiagnose gehört demnach neben einer allgemeinen Anamnese
auch die Erhebung spezifischer Risikofaktoren wie Alter, ethnische Zugehörigkeit und
Glaukom in der Verwandtschaft ersten Grades. Zusätzlich zur Inspektion von Augen
und Adnexen, der Sehschärfenbestimmung und Spaltlampenuntersuchung des vorderen
und mittleren Augenabschnitts, sollte der Kammerwinkel mittels Gonioskopie beurteilt,
der IOD zu verschiedenen Tageszeiten bestimmt und eventuell vorhandene
Gesichtsfelddefekte in einer den Schwellenwert bestimmenden Perimetrie erfasst
werden.    Die   ophthalmoskopische    Untersuchung     des   Augenhintergrundes    mit
Beurteilung der Papille gibt letztlich Aufschlüsse über die morphologische Schädigung
des Sehnervenkopfes.

In der Verlaufskontrolle wird die Suffizienz der verordneten Therapie über die erreichte
Senkung des IOD bestimmt, sowie über das Ausbleiben einer Progredienz der Schäden
in Gesichtsfeld und Papillenmorphologie [7, 68].

Tonometrie

Beim gesunden Erwachsenen liegt der intraokuläre Druck (IOD) zwischen 10 und
21mmHg. Ein Augendruck über 21mmHg wird als suspekt betrachtet und sollte
kontrolliert werden. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass der IOD mit dem Alter
ansteigt. Man nimmt an, dass ab dem 40. Lebensjahr 1mmHg pro Jahrzehnt hinzu
gerechnet werden muss [68]. Zudem unterliegt der Augeninnendruck physiologischen
Tagesschwankungen. Diese liegen bei etwa 3 bis 5mmHg. Ein Druckmaximum lässt
7

sich zwischen 8 und 11 Uhr morgens beobachten, ein Druckminimum zwischen 12 und
2 Uhr nachts. Tagesschwankungen um mehr als 5mmHg werden ebenfalls als suspekt
eingestuft [68].

Als „Goldstandard“ der IOD-Messung wird heutzutage die Applanationstonometrie
nach Goldmann (GAT) betrachtet [35, 68]. In verschiedenen Studien konnte gezeigt
werden, dass Hornhautcharakteristika wie Dicke, Krümmung und Hydratation die
Genauigkeit der IOD-Messung beeinflussen [5, 48, 79]. Goldmann selbst räumte ein,
dass sein Modell auf einer zentralen Hornhautdicke (CCT) von 500µm beruht [22].
Ehlers und Mitarbeiter zeigten, dass mittels GAT der wahre intraokuläre Druck am
genauesten bei einer CCT von 520µm bestimmt wird. Bei Abweichungen um 100µm
wird nach ihren Erkenntnissen der IOD um 7mmHg über- bzw. unterschätzt [16].
Unkorrigierte Druckwerte können demnach fälschlicherweise bei dünner Hornhaut als
niedrig und bei dicker Hornhaut als hoch interpretiert werden. Die Vermutung liegt
nahe, dass zahlreiche Patienten mit NDG oder OHT schlichtweg falsch klassifiziert
wurden [10]. Ein allgemein anerkannter Korrektur-Algorithmus steht jedoch bislang
nicht zur Verfügung [4].

Der erhöhte intraokuläre Druck ist in der Vergangenheit vielfach als bedeutender, wenn
nicht gar der bedeutendste prädiktive Faktor für eine Glaukomerkrankung bestätigt
worden [14, 23, 27, 33, 34, 49, 51, 70]. Bis Ende 2004 wurde die Tonometrie deshalb
als Screening eingesetzt. Zahlreiche Studien zeigten jedoch, dass hierbei mit bis zu 70%
falsch-positiven und bis zu 90% falsch-negativen Ergebnissen zu rechnen war [15, 67,
71]. Auch auf die zentrale Hornhautdicke korrigierte Werte eignen sich laut de Saint
Sardos und Kollegen nicht zum Screening bei Risikopatienten [11]. Der gemeinsame
Bundesausschuss gab folglich in seinem Beschluss vom 21.12.2004 keine weitere
Empfehlung für ein Glaucomscreening [19].

Auch wenn nicht alle Glaukomformen mit einem erhöhten Augeninnendruck
einhergehen, so ist er doch bislang der einzig bekannte therapierbare Risikofaktor [24].
Die Early Manifest Glaucoma Treatment Study zeigte, dass bei einer 25%-igen IOD-
Senkung das Fortschreiten der glaukomatösen Schäden um 50% gesenkt werden kann.
Das Progressionsrisiko nimmt dabei mit jedem mmHg um 10% ab [27]. Ähnliche
Ergebnisse lieferte die Ocular Hypertension Treatment Study: Eine IOD-Senkung um
22,5% reduzierte hier das Glaukomrisiko ebenfalls um 50%. Die Konversionsrate von
einer okulären Hypertension in ein POWG betrug nach 5 Jahren unter Therapie 4,4%,
während sie in der Kontrollgruppe bei 9,5% lag [39]. Auch die Erblindungsrate wird
8

durch eine Druck senkende Therapie positiv beeinflusst. Schreitet untherapiertes
Glaukom innerhalb weniger Jahre zur Erblindung fort, so kann das Sehvermögen unter
optimaler Therapie lebenslang erhalten bleiben [34]. Von Bedeutung scheinen neben
punktuell gemessenen hohen Druckwerten vor allem hohe IOD-Spitzen und –
Schwankungen zu sein [8, 33, 49]. Der BVA und die DOG empfehlen deshalb in ihrer
Leitlinie für das primäre Offenwinkelglaukom, das Normaldruckglaukom sowie die
okuläre Hypertension bei Erstdiagnose die Tonometrie zu verschiedenen Tageszeiten
[7]. Am besten lässt sich dies während eines stationären Tagesdruckprofils
dokumentieren.

Perimetrie

Da auch bei optimal eingestelltem Augeninnendruck eine Krankheitsprogression nicht
ausgeschlossen werden kann, sollte im Verlauf neben der Tonometrie immer eine
Perimetrie durchgeführt werden [68]. Das Gesichtsfeld wird normalerweise
seitengetrennt   für   jedes   Auge   bestimmt.   Seine   Ausdehnung     beträgt   beim
Normalsichtigen etwa 60° nach oben und nasal, 80° nach unten und 90° nach temporal.
10-20° temporal befindet sich der sogenannte „Blinde Fleck“, der der Eintrittstelle des
Sehnerven entspricht [38].

Beim Glaukom treten typischerweise umschriebene Gesichtsfelddefekte (Skotome)
zunächst parazentral nasal auf. Später verschmelzen sie zu einem bogenförmigen Defekt
und im weiteren Verlauf zu einem Ringskotom. Im Endstadium sind lediglich eine
zentrale und temporale Sehinsel erhalten, die mit Fortschreiten der Erkrankung letztlich
auch verloren gehen [38].

Für die Verlaufskontrolle beim Glaukom wird heutzutage die standardisierte
automatische Perimetrie (SAP) verwendet. Es handelt sich hierbei um eine
computergestützte Schwellenperimetrie des zentralen 30° Gesichtsfeldes mit weißen
Stimuli auf weißem Hintergrund. Durch Veränderung der Leuchtdichte ist eine
Schwellenwertbestimmung und somit eine quantitative Auswertung der Skotome
möglich [38, 68]. In der vorliegenden Studie wurde überwiegend das G2-Programm des
Octopusperimeters verwendet. Konnten aufgrund eines stark fortgeschrittenen
Glaukoms in der SAP nur nahezu schwarze Ausdrucke erzielt werden, kam die
kinetische Goldmannperimetrie zum Einsatz.
9

Als Verlaufsparameter eignet sich die mittlere Defekttiefe (MD). Sie beschreibt die
mittlere Empfindlichkeitsherabsetzung gegenüber der Altersnorm. Im Octopussystem
entspricht   ein   MD-Wert     von   0dB    einem    altersgerechten   Gesichtsfeld,   mit
fortschreitenden Defekten steigt er ins Positive. Der MD-Wert weist dabei einen
kontinuierlichen Verlauf auf und hat eine gute Test-Retestreliabilität [21].

Zur Frühdiagnostik ist die Perimetrie nur bedingt geeignet. Es konnte gezeigt werden,
dass mindestens 40-50% des neuroretinalen Randsaums verlorengegangen sind, bevor
Gesichtsfelddefekte in der SAP detektiert werden [14, 50].

Ophthalmoskopie

In der Glaukomdiagnostik dient die Ophthalmoskopie der Beurteilung der
morphologischen Veränderungen des Sehnervenkopfes. Frühe glaukomatöse Schäden
können hier bereits festgestellt werden, bevor Gesichtsfelddefekte auftreten. Man
spricht dann vom „präperimetrischen Glaukom“. Die normale Papille hat eine
hochovale Form und eine physiologische Exkavation. Der neuroretinale Randsaum ist
nicht gleichmäßig um den Papillenrand verteilt, sondern folgt der sogenannten ISNT-
Regel: Seine Breite ist im inferioren Bereich am größten und nimmt superior, nasal und
temporal zunehmend ab [37].

Das Glaukom führt in seinem Verlauf zu einer Vergrößerung der Exkavation mit
bajonettförmiger Abknickung der Gefäße und Verlust des neuroretinalen Randsaums
[14]. Das Volumen des neuroretinalen Randsaums lässt sich über die vertikale
Cup/Disc-Ratio (VCDR) abschätzen. Hierbei werden vertikaler Exkavations- und
Papillendurchmesser ins Verhältnis gesetzt. In der Normalbevölkerung liegt die VCDR
bei etwa 0,3. Beim Glaukom geht sie mit zunehmender Exkavation gegen die Zahl 1
[37]. Der neuroretinale Randsaumverlust kann jedoch bei großen Papillen überschätzt
und bei kleinen Papillen unterschätzt werden. Deshalb sollte immer zusätzlich die
absolute Papillengröße bestimmt werden [68]. Papillenrandblutungen sind ebenfalls
typische Glaukomschäden, die auf eine Krankheitsprogression hinweisen [42]. Defekte
der retinalen Nervenfaserschicht können im rotfreien Licht beobachtet werden.

Jonas und Mitarbeiter korrelierten morphometrische Daten der Papille mit
perimetrischen Daten und definierten 5 Stadien [36]:
10

•      Stadium I: konzentrisch verbreiterte Exkavation mit Aufhebung der
       ISNT-Regel
•      Stadium II: zusätzliches Auftreten von Randsaumkerben
•      Stadium III: zunehmender diffuser Randsaumverlust (v.a. temporal)
•      Stadium IV: temporal randständige Exkavation mit nasalem
       Randsaumrest
•      Stadium V: vollständiger Randsaumverlust

Abbildung 1: Papillenstadien nach Jonas (eigene Darstellung nach Jonas J.,
Biomorphometrie des Nervus opticus. Stuttgart, Enke 1989)

2.1.3. Therapie	
  

Als   Ersttherapie    bei   Patienten   mit    Offenwinkelglaukom   wird   die   lokale
11

Arzneimitteltherapie mit Druck senkenden Augentropfen empfohlen. Kann der
Krankheitsfortschritt mit mehr als 2 Antiglaukomatosa nicht kontrolliert werden, so
sollten andere Therapieoptionen, wie die Laser-Trabekuloplastik oder chirurgische
Eingriffe erwogen werden [7, 68].

Antiglaukomatosa senken den Augendruck nach zwei Wirkprinzipien:

•      Herabsetzung der Kammerwasserproduktion
•      Verbesserung des trabekulären und uveoskleralen
       Kammerwasserabflusses

Unter den Antiglaukomatosa gibt es fünf Hauptgruppen, die im Folgenden hinsichtlich
ihrer Wirkungen und Nebenwirkungen erörtert werden [45, 68].

Parasympathomimetika

Parasympathomimetika sind seit 1876 in der Glaukomtherapie in Gebrauch und bilden
somit die älteste Gruppe der Antiglaukomatosa. Sie bewirken eine Kontraktion am
parasympathisch    innervierten     Ziliarmuskel   und   setzen    so    den   trabekulären
Abflusswiderstand herab. Ihr gängigster Vertreter Pilocarpin hat einen Wirkeintritt von
ca. 30 Minuten und eine relativ kurze Halbwertszeit von 4-6 Stunden, so dass 3 bis 4
Mal täglich getropft werden muss. Schwerwiegendste und häufig auch Therapie
limitierende   Nebenwirkungen        sind   die    Miosis,   die   mit    eingeschränktem
Dämmerungssehen einhergeht, und eine Pseudomyopie. Die Ziliarmuskelkontraktion
führt zudem zu Schmerzen im Bereich der Augenbrauen. Kontraindiziert sind
Parasympathomimetika bei COPD und Asthma, da sie die Bronchialsekretion steigern,
und bei akuter Uveitis. Wegen ihres ungünstigen Nebenwirkungsprofils ist die Gruppe
der Parasympathomimetika heute kaum mehr in Gebrauch.

Sympathomimetika

Sympathomimetika senken einerseits die Kammerwasserproduktion und steigern
12

andererseits    den    uveoskleralen     und       trabekulären     Abfluss.     Nichtselektive
Sympathomimetika rufen häufig systemische Nebenwirkungen wie Tachykardie,
Arrhythmie und Hypertonie hervor und kommen deshalb als Antiglaukomatosa nicht
mehr zur Anwendung. Unter Einnahme selektiver Alpha-2-Agonisten treten nicht selten
Allergien und verzögerte Hypersensibilität nach mehreren Monaten auf. Apraclonidin
ist wegen starker lokaler Nebenwirkungen und Tachyphylaxie nur zur kurzfristigen
Drucksenkung geeignet. Brimonidin hat eine Wirkdauer von 12 Stunden, so dass nur 2
Dosen täglich nötig sind. Es kann eine IOD-Senkung von bis zu 27% erreicht werden.
Systemische Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit und Müdigkeit.

Betablocker

Betablocker stellen in Deutschland die am meisten verordneten Antiglaukomatosa dar
[25]. Ihre Wirkung liegt in einer Verminderung der Kammerwasserproduktion, wodurch
eine IOD-Senkung von 25-30% erreicht werden kann. Die Wirkung von Timolol
beispielsweise tritt nach etwa 40 Minuten ein und hält bis zu 24 Stunden an, so dass
eine Gabe pro Tag ausreicht. Eine Dosissteigerung bewirkt keine zusätzliche IOD-
Senkung. Lokale Nebenwirkungen wie herabgesetzte Hornhautempfindlichkeit und
verstärkte     Sicca-Symptomatik       sind    selten.    Systemische        Reaktionen    wie
Bronchospasmus,       Bradykardie,   Arrhythmie       und      Hypotonie     können    dagegen
schwerwiegend sein und bedingen die Kontraindikation bei COPD und Asthma,
Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen wie Bradykardie und AV-Block. Selten
treten Depressionen, Angstzustände und Libidoverlust auf, die jedoch auch meist erst
durch gezieltes Nachfragen berichtet werden. In etwa 10% der Fälle kommt es zur
Tachyphylaxie.

Carboanhydrasehemmer

Carboanhydrasehemmer gehören zu den Sulfonamiden, eine Antibiotikaallergie-
Anamnese ist deshalb unabdingbar. Wie Sympathomimetika und Betablocker senken
sie die Kammerwasserproduktion, bewirken dadurch aber nur eine mittelstarke
Drucksenkung.      Durch     eine    Verbesserung        der      okulären     Perfusion   sind
13

Carboanhydrasehemmer insbesondere bei Glaukomen mit einer vaskulären Dysfunktion
indiziert. Dorzolamid wird 3 Mal täglich verabreicht, Brinzolamid nur 2 Mal täglich.
Bei Kombination mit Betablockern wird die Einnahme auf 2 Dosen beschränkt. Häufige
Nebenwirkungen sind Augenbrennen und Geschmacksirritationen. Systemisch kann es
zu Parästhesien, gastrointestinalen Beschwerden und selten auch zu Nierensteinbildung
kommen. Wie bei allen Sulfonamiden können zudem allergische Reaktionen bis hin
zum anaphylaktischen Schock und Blutbildveränderungen auftreten.

Prostaglandinderivate

Prostaglandinderivate      verbessern      den        uveoskleralen       und     trabekulären
Kammerwasserabfluss. Sie erzielen mit 20-35% die stärkste IOD-Senkung unter den
Antiglaumatosa. Ihre lange Wirkdauer ermöglicht zudem eine Einmaldosierung pro
Tag.    Diese   Eigenschaften    zusammen           mit     einer   im    Vergleich   geringen
Nebenwirkungsrate und fehlender Tachyphylaxie machen sie zur Therapie der 1. Wahl
neben den weiterhin führenden Betablockern. Sie sind jedoch teurer als diese. Bekannte
Nebenwirkungen      sind    leichte,     vorübergehende         Hyperämie,      Brennen   und
Fremdkörpergefühl, Irisverfärbungen und verstärktes Wimpernwachstum. Systemisch
kann es zu Dyspnoe und Asthmaexazerbation kommen.

Kombinationspräparate

Prinzipiell ist die Monotherapie einer Kombinationstherapie vorzuziehen. Reicht die
Druck senkende Wirkung nicht aus, so sollte zunächst das Medikament gewechselt
werden, bevor zusätzliche Augentropfen verordnet werden. Fixe Kombinationspräparate
zeichnen sich dabei durch eine häufig bessere Verträglichkeit und geringere Belastung
mit    Konservierungsmitteln    im      Vergleich     zur     separaten   Verabreichung    der
Einzelsubstanzen aus. Zudem wird die Anzahl der zu verabreichenden Tropfen reduziert
und damit das Therapieschema für den Patienten vereinfacht. Durch eine Kombination
verschiedener Wirkstoffe wird eine additive Drucksenkung von ca. 15 - 20% erreicht.
14

2.2. Adhärenz	
  

2.2.1. Definition	
  	
  

Als Adhärenz (von engl. adherence: „Festhalten“, „Befolgen“) bezeichnet man das
Ausmaß, in dem das Verhalten eines Patienten mit den Empfehlungen des Arztes
übereinstimmt [80]. Dem Patienten wird dabei eine aktive Rolle zugeschrieben.
Therapieziele müssen von Arzt und Patient gemeinsam beschlossen werden, wobei auch
im Besonderen auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten und mögliche Probleme
eingegangen werden sollte. Die Verantwortung für Erfolg oder Versagen der Therapie
liegt folglich gleichermaßen bei Arzt und Patient.

Im deutschsprachigen Raum hat der Begriff der Adhärenz jedoch bislang kaum Einzug
gehalten. Weiter verbreitet ist dahingegen die eher negativ konnotierte Compliance.
Auch hier wird die Therapietreue seitens des Patienten gefordert, im Gegensatz zum
Konzept der Adhärenz hat dieser allerdings eine rein passiv ausführende Rolle. Eine
Zustimmung des Patienten zum Therapieplan ist nicht nötig, er ist lediglich dazu
angehalten, das zu tun, was der Arzt ihm vorschreibt. Die Verantwortung für den
Therapieerfolg liegt somit scheinbar allein beim Patienten [80].

Ein Patient ist nach Auffassung des Arztes dann compliant oder adhärent, wenn er die
vorgeschlagene oder gemeinsam beschlossene Therapie zeitlich exakt sowie in der
korrekten Applikation anwendet. Zusätzlich wird Persistenz gefordert, d. h. Rezepte
müssen        regelmäßig    eingelöst   werden,      so   dass     eine   kontinuierliche
Medikamenteneinnahme möglich ist. Doch dass dies einem Idealbild entspricht, dass in
der Realität eher selten zu finden ist, zeigen verschiedenste Studien. So schwanken die
Angaben für Adhärenz bei der Langzeittherapie chronischer Erkrankungen im
Allgemeinen zwischen 30 und 70%, 30 bis 50% der Patienten brechen die Therapie
sogar bereits in den ersten Monaten ganz ab [18].

2.2.2. Messung	
  

Um Adhärenz objektiv beurteilen zu können, ist es nötig, sie zu quantifizieren. In der
15

Vergangenheit      gab     es    hierzu   verschiedenste   Ansätze,   was   eine   starke
Schwankungsbreite der Adhärenzangaben einzelner Krankheitsbildern zur Folge hatte.
Grundsätzlich kann Adhärenz auf zwei unterschiedliche Arten bestimmt werden. Zum
einen über den Prozentsatz der Tage, an denen die Medikation korrekt eingehalten
wurde, zum anderen anhand des Anteils der korrekten Einnahmen insgesamt. Während
im ersten Fall ein Patient, der bei vorgeschriebener dreifacher Einnahme pro Tag eine
Dosis auslässt, eine Adhärenz von 0% erreicht, ist derselbe Patient im zweiten Fall zu
67% adhärent [65].

Auch bei der Adhärenzmessung gibt es bislang keine einheitliche Methode. Die
einfachste und kostengünstigste Möglichkeit bietet die Befragung im Interview oder
mittels standardisierter Fragebögen. Es zeigte sich jedoch, dass Ärzte das
Adhärenzverhalten ihrer Patienten häufig überschätzen, und dass Patienten Non-
Adhärenz nicht zuverlässig zugeben [80]. Eine objektivere aber auch wesentlich
kostspieligere Beurteilung der Adhärenz ist mittels elektronischen Monitorings
möglich. Auf einem Computerchip können beispielsweise die Abgabe von Tabletten
oder Tropfen aus einem Medikamentenbehälter gespeichert und später ausgewertet
werden. Der Vorteil liegt darin, dass auch Dosierung der Medikamente und Datum und
Uhrzeit der Applikation registriert werden können. Ob die entnommene Medikation
dann korrekt eingenommen wird, ist jedoch nicht nachprüfbar. Des Weiteren können
Medikamentenspiegel direkt in Blut oder Urin gemessen oder die therapeutische
Wirkung beurteilt werden, z. B. durch Blutdruckmessungen in der antihypertensiven
Therapie.

Ein Problem der Adhärenzmessung im Allgemeinen ist die Tatsache, dass lediglich das
aktuelle Verhalten der Patienten abgeschätzt werden kann. Es handelt sich um eine
Momentaufnahme eines komplexen Krankheitsmanagements, das multiplen Einflüssen
unterliegt.

2.2.3. Adhärenz	
  bei	
  Glaukom	
  

Non-Adhärenz in der Glaukomtherapie ist ein seit langem bekanntes Problem. Die
Angaben in der Literatur schwanken zwischen 5 und 80% [57]. Grund für diese Varianz
sind unter anderem uneinheitliche Messinstrumente und Definitionen der Adhärenz. So
zeigen Studien, die eine 100%-ige Einhaltung des Therapieplans fordern, generell
16

höhere Non-Adhärenz-Raten. Studien, in denen Medikamenten-Monitoring-Systeme
eingesetzt werden, detektieren ebenfalls häufiger non-adhärentes Verhalten [56]. Kass
und Mitarbeiter verwendeten elektronische Topfenzähler bei Patienten unter
Pilocarpintherapie. Während im Interview nahezu alle Patienten angaben, sich exakt an
den Therapieplan zu halten, ergab sich aus den gespeicherten Daten der Tropfenzähler,
dass durchschnittlich nur etwa Dreiviertel der verordneten Tropfen eingenommen
wurden [40]. Die sog. Travatan Dosing Aid Study zeigte ähnliche Ergebnisse: Die
berichtete Adhärenz lag deutlich höher als die mittels Tropfenzählern gemessene,
obwohl die Patienten wussten, dass die Medikamenteneinnahme elektronisch überwacht
wird [55]. Konstas und Mitarbeiter stellten fest, dass 44% ihrer Glaukompatienten non-
adhärent waren. Interessant ist hierbei, dass 15% der Patienten dies jedoch nicht
bewusst war. Sie nahmen ihre verschriebene Medikation zwar zum richtigen Zeitpunkt
und in der richtigen Menge ein, sie wurde aber falsch appliziert [43]. In der Arbeit von
Kholdebarin und Mitarbeitern berichteten 27,9% der Patienten, nicht adhärent zu sein.
Zudem waren gut ein Drittel der Patienten nicht in der Lage, ihre Augentropfen korrekt
zu applizieren, so dass die Non-Adhärenzrate insgesamt bei mehr als 50% lag [41].

Adhärenzbarrieren

Neben der unbewussten Non-Adhärenz durch fehlerhafte Applikation gibt es
verschiedenste   Gründe       für   mangelnde   Medikamententreue.      Einige    dieser
Adhärenzbarrieren konnten in vorangegangenen Studien identifiziert werden. Sie sind
in Tabelle 1 zusammengefasst.

Fragt man direkt nach Gründen für non-adhärentes Verhalten, so wird meist
schlichtweg „Vergesslichkeit“ genannt. Weitere Angaben sind u. a. „Augentropfen
nicht erreichbar“, „Termindruck“, „ungünstige Einnahmezeiten“ und „Fehlen von
Symptomen“ [3, 41, 43, 58].

Soziodemografische Faktoren scheinen im Allgemeinen keinen bedeutenden Einfluss
auf das Adhärenzverhalten zu haben. Lediglich zwischen männlichem Geschlecht und
Non-Adhärenz konnte ein signifikanter Zusammenhang nachgewiesen werden [1, 43].
Kholdebarin und Mitarbeiter fanden eine positive Assoziation zwischen niedrigem
Bildungsstand und non-adhärentem Verhalten [41].
17

Tabelle 1: Adhärenzbarrieren (modifiziert nach Olthoff C. et al., Ophthalmology 2005;
112:953-961)

                    Variablen                           Korrelation mit           Studien
                                                        Non-Adhärenz
Patientenbezogene Faktoren
   Männliches Geschlecht                                     positiv                 1, 2
   Niedriger Schulabschluss                                  positiv                  3
   Wissen über Glaukom                                       negativ                 4, 5
   Unzufriedenheit mit Arzt-Patient-Beziehung                positiv                  5
Krankheitsbezogene Faktoren
   Bessere Sehschärfe                                        positiv                  4
   Geringere Gesichtsfeldeinschränkung                       Positiv                  4
   Einseitige Erblindung                                     negativ                  6
   Beidseitige Erblindung                                    positiv                  6
   Komorbiditäten                                            negativ                  1
Therapiebezogene Faktoren
   > 2 Dosen täglich                                         positiv                 2, 7
   Zeit seit Arztbesuch                                      positiv                  8
   Anzahl der Arztbesuche innerhalb von                      negativ                  9
   12 Monaten
   Dauer der Therapie                                        positiv                  8
Studien:
1) Bloch S, Rosenthal AR, Friedman L, Caldarolla P. Patient compliance in glaucoma. Br J
   Ophthalmol 1977;61:531– 4.
2) Konstas AGP, Maskaleris G, Gratsonidis S, Sardelli C. Compliance and viewpoint of glaucoma
   patients in Greece. Eye 2000;14:752– 6.
3) Kholdebarin R, Campbell RJ, Jin YP, Buys YM. Multicenter study of compliance and drop
   administration in glaucoma. Can J Ophthalmol. 2008 Aug;43(4):454-61.
4) Spaeth GL. Visual loss in a glaucoma clinic. I. Sociological considerations. Invest Ophthalmol
   1970;9:73– 82.
5) Bour T, Blanchard F, Segal A. Observance the´rapeutique et ve´cu du glaucome primitif a` angle
   ouvert. A propos de 341 cas dans la Marne. J. Fr Ophtalmol 1993;16:380 –91.
6) Vincent PA. Patient’s viewpoint of glaucoma. Sight Sav Rev 1972;42:213–21.
7) Patel SC, Spaeth GL. Compliance in patients prescribed eyedrops for glaucoma. Ophthalmic Surg
   1995;26:233– 6.
8) Norell SE. Monitoring compliance with pilocarpine therapy. Am J Ophthalmol 1981;92:727–31.
9) Gurwitz JH, Yeomans SM, Glynn RJ, et al. Patient noncompliance in the managed care setting. The
   case of medical therapy for glaucoma. Med Care 1998;36:357– 69.
18

Patienten sind umso adhärenter, je besser sie über ihr Krankheitsbild informiert sind [3,
72]. Verschiedene Studien zeigen jedoch, dass viele Patienten zu wenig über ihre
Erkrankung wissen [3, 43, 72]. Konstas und Mitarbeiter stellten fest, dass nur die Hälfte
ihrer Patienten wusste, was ein Glaukom ist, und nur ein Viertel, dass Glaukom zur
Erblindung führen kann. Lediglich 22% waren mit ihrer Krankheit relativ gut vertraut,
65% fühlten sich von ihrem Arzt nur unzureichend informiert [43]. Eine allgemeine
Unzufriedenheit mit der Arzt-Patient-Beziehung beeinflusst die Adhärenz negativ [3].

Einen wichtigen Einfluss hat die Glaukomerkrankung an sich. Es handelt sich um eine
meist nur langsam fortschreitende Schädigung des Sehnervs. Die assoziierten
Gesichtsfeldausfälle engen dabei das Gesichtsfeld von peripher her ein und werden
daher erst spät wahrgenommen. Das Glaukom prädisponiert durch seinen chronischen
Verlauf, die subjektive Symptomfreiheit und die Notwendigkeit einer lebenslangen
Therapie für Non-Adhärenz. Der Nutzen der Therapie ist zudem für den Patienten nicht
unmittelbar erkennbar. Stattdessen treten häufig unangenehme Nebenwirkungen auf
[81]. Ein Zusammenhang zwischen der Schwere der Erkrankung und der Adhärenz ist
ebenfalls beschrieben. Patienten sind scheinbar eher medikamententreu, wenn sie
stärkere Gesichtsfeldausfälle haben oder auf einem Auge erblindet sind [72].
Beidseitige Erblindung hingegen schränkt die Adhärenz ein, vermutlich da die Hilfe
Dritter zur Applikation der Augentropfen nötig ist [78]. Das Vorhandensein von
Komorbiditäten hat einen positiven Einfluss auf die Adhärenz. Bloch und Mitarbeiter
erklärten   dies   damit,   dass    bei   den   betroffenen    Patienten    bereits   ein
Krankheitsbewusstsein vorliegt und die Augentropfen gut in einen schon etablierten
Therapieplan integriert werden können [1].

Letztlich lassen sich auch Barrieren in der Glaukomtherapie finden. Wichtigster
Einflussfaktor ist hier die Anzahl der verordneten Einzeldosen pro Tag. Eine
signifikante Erhöhung der Non-Adhärenz wurde bei mehr als zweimaliger
Medikamenteneinnahme festgestellt [43, 58]. Auch die Verordnung von mehr als einem
Präparat führt zu steigender Non-Adhärenz [43]. In der Studie von Stewart und
Mitarbeitern glaubten 74% der Ärzte, dass eine Einmaldosis pro Tag von den Patienten
bevorzugt würde, und 92% sahen darin eine Möglichkeit, die Adhärenz zu verbessern.
Auch eine Mehrheit von 60% der Patienten wünschten Einmaldosen, aber nur 20%
hielten eine Verbesserung der Adhärenz für wahrscheinlich. Zudem wirken sich lange
Intervalle zwischen den Arztbesuchen negativ auf das Adhärenzverhalten aus [26, 54].
Kass und Mitarbeiter konnten mit Hilfe von elektronischen Tropfenzählern zeigen, dass
19

die Adhärenz ihrer Patienten 24 Stunden vor einem Arzttermin signifikant anstieg [40].

Die Bedeutung von Medikamentennebenwirkungen in der Glaukomtherapie wurde
vielfach untersucht. Nebenwirkungen bei Antiglaukomatosa sind häufig: Etwa ein
Drittel der Patienten in den Studien von Deokule und Patel gaben an, darunter zu leiden
[12, 58]. Es konnte jedoch bisher kein signifikanter linearer Zusammenhang zwischen
dem Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen und der Adhärenz
nachgewiesen werden [12, 28, 56]. In der Studie von Bloch und Mitarbeitern gaben
allerdings 64% der non-adhärenten Patienten an, die Therapie wegen unangenehmer
Nebenwirkungen der Augentropfen abgebrochen zu haben [1].

Folgen der Non-Adhärenz

Mit Hilfe antiglaukomatöser Therapie kann die Krankheitsprogression deutlich
herabgesetzt werden. Bei mangelnder Medikamententreue bleibt dieser protektive
Effekt jedoch aus. In der Folge kommt es zum IOD-Anstieg und zu fortschreitenden
Gesichtsfelddefekten bis hin zur Erblindung [43, 73]. Etwa 10% der Sehverluste bei
Glaukom können vermutlich auf Non-Adhärenz zurückgeführt werden [43].

Im klinischen Alltag wird Non-Adhärenz häufig unterschätzt. Deutsche Ärzte halten
etwa 28% ihrer Patienten für non-adhärent, wohingegen 54% dieser Patienten zugeben,
Dosierungen auszulassen [73]. Als Grundlage für die Beurteilung der Therapietreue
dienen gemessene IOD-Werte und Gesichtsfelduntersuchungen im Verlauf. Für den
Arzt ist es hierbei häufig schwer zu unterscheiden, ob ein Krankheitsfortschritt auf eine
unzureichende Medikation oder mangelnde Adhärenz zurückzuführen ist. Der Patient
kann nämlich auch bei diskontinuierlicher Medikamenteneinnahme kurzfristig durch
gezieltes Tropfen vor einem Augenarzttermin einen gut regulierten IOD und somit eine
gute Adhärenz vortäuschen. Ein Langzeitwert, wie beispielsweise der HbA1c-Wert bei
Diabetikern, steht für das Glaukom bislang leider nicht zur Verfügung.

Non-Adhärenz bedeutet auch ein gesundheitsökonomisches Problem. Sie ist assoziiert
mit höheren Hospitalisierungsraten und gesteigerten Gesundheitskosten [69].

In Deutschland werden jährlich etwa 1000€ für die Behandlung eines Glaukompatienten
ausgegeben [25]. Etwa die Hälfte hiervon ist auf Medikamentenkosten zurückzuführen
[75, 77]. Die durch Glaukom verursachte Erblindung kostet weitere 150 Mio € pro Jahr.
20

Doch Non-Adhärenz führt bereits vor der Erblindung zu gesteigerten Kosten. Denn
unzureichend        stabilisierte      Augeninnendrücke        sowie      stark       fortschreitende
Sehnervenkopfschädigungen und späte Glaukomstadien erfordern engmaschigere
Kontrollen durch den Augenarzt bis hin zu vermehrten stationären Aufenthalten. Es
werden unter Umständen unnötig zusätzliche Druck senkende Augentropfen
verschrieben und bei insuffizienter medikamentöser Therapie Augenoperationen
durchgeführt [54, 74]. Das Glaukom hat auch Auswirkungen auf die berufliche
Situation.     Häufigere            ambulante    und        stationäre        Aufenthalte      sowie
Rehabilitationsmaßnahmen             bedeuten   vermehrte     Arbeitsausfälle.        Fortschreitende
Gesichtsfeldausfälle und Sehleistungsminderungen können die Ausübung der
beruflichen Tätigkeit erschweren und zum vorzeitigen Arbeitsaustritt führen. Dies hat
neben den Behandlungskosten und Rentenzahlungen auch Steuer- und Beitragsausfälle
für die gesetzlichen Sozialversicherungen zur Folge.

Zudem führen ausgeprägte Sehleistungsminderungen zu Einschränkungen im täglichen
Leben bis hin zur Pflegebedürftigkeit. Hilfe wird laut Thygesen und Kollegen vor allem
beim Putzen, Einkaufen und Ausgehen benötigt. In Deutschland stellt eine
Sehbehinderung allein keinen Grund zur sozialen Pflegebedürftigkeit dar. Die Kosten
für häusliche Pflege bei Glaukomerkrankten im Spätstadium liegen deshalb mit jährlich
633€ pro Person deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von etwa 4362€. In
Deutschland     reichen      die      Pflegekosten    somit    nicht     an     die    konservativen
Behandlungskosten heran, während sie diese im europäischen Ausland um das 5-fache
übersteigen [75].

Zu Bedenken gilt weiterhin, dass das Glaukom eine Erkrankung des älteren Menschen
ist. Sowohl seine Prävalenz, als auch die Erblindungsfälle nehmen mit dem Lebensalter
zu [20]. Folglich steigen auch die Behandlungskosten mit dem Alter. Während die
Kosten für Krankheiten des Auges und der Augenanhangsgebilde jährlich
durchschnittlich 80€ je Einwohner betragen, liegen sie bei den über 65-jährigen mit
140€ fast doppelt so hoch und bei den über 85-jährigen bei 270€, was wiederum etwa
einer Verdopplung entspricht [13]. In einer demografisch alternden Gesellschaft wie in
Deutschland gewinnt das Glaukom über die Jahre zusätzlich an sozioökonomischer
Bedeutung. Der demografische Wandel in Kombination mit einer steigenden
Lebenserwartung lässt somit stetig zunehmende Prävalenzen und damit verbundene
Kosten erwarten. Michelson und Mitarbeiter rechnen bis 2050 mit einer Verdopplung
der Prävalenz von Glaukom in Deutschland [50]. Es ist also ein wichtiges Ziel bei
21

bisher unzureichenden Screeningmöglichkeiten zumindest die medikamentöse Therapie
so effektiv wie möglich zu gestalten.

2.2.4. Medikamentenbezogene	
  Einstellungen	
  

Die Wirkung einer Therapie wird neben physischen auch durch psychische Faktoren
bestimmt [6, 32]. Dies ist am offensichtlichsten beim sogenannten Placebo-Effekt.
Einen wichtigen Einfluss scheinen subjektive Ansichten über die Krankheit und deren
Therapie zu haben. Viele Patienten glauben, dass nichtpflanzliche Medikamente
schädlich sind und dass Ärzte generell zu viele Medikamente verschreiben [31]. Dass
solche Grundhaltungen einen negativen Einfluss auf die Adhärenz haben, ist
wahrscheinlich. Viel wichtiger jedoch sind die speziellen Meinungen zu einem
verschriebenen Präparat. Hierzu gehören die Überzeugung von dessen Notwendigkeit
auf der einen Seite und die Sorgen über mögliche Nebenwirkungen auf der anderen
Seite [29]. Horne und Weinman stellten fest, dass die persönlichen Einstellungen
gegenüber der Therapie einen wesentlich stärkeren Prädiktor für das Adhärenzverhalten
darstellen als soziodemografische Variablen und klinische Daten, wie etwa die Anzahl
der verschriebenen Medikamente [31]. Horne geht davon aus, dass die Entscheidung
eines Patienten, seine Medikamente zu nehmen oder nicht, von einer Art Kosten-
Nutzen-Rechnung bestimmt wird. Wird die Notwendigkeit eines Medikaments höher
eingeschätzt als die Sorgen über seine Nebenwirkungen, so ist adhärentes Verhalten
wahrscheinlicher [29]. Tatsächlich konnte gezeigt werden, dass die Patienten, deren
Sorgen größer waren als der Glaube an die Notwendigkeit der Therapie, signifikant
niedrigere Adhärenz berichteten [31]. Desweiteren wurde der Einfluss von
Medikamenteneinstellungen      auf      bewusste   und   unbewusste   Adhärenz    bei
multimorbiden, älteren Patienten untersucht. Hierbei konnte ein signifikanter
Zusammenhang zwischen der Einschätzung der spezifischen Notwendigkeit und der
bewussten Adhärenz sowie zwischen der Einschätzung des generellen Übergebrauchs
und der unbewussten Adhärenz festgestellt werden [66].

Der Zusammenhang zwischen subjektiven Medikamenteneinstellungen und der
Adhärenz in der Glaukomtherapie wurde bislang kaum untersucht. Rees und Mitarbeiter
befragten 131 Patienten und unterteilten diese in Adhärente und Non-Adhärente, wobei
zur Einordnung eine 100-prozentige Adhärenz gefordert wurde. Zur Ermittlung der
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Medikamenteneinstellungen beschränkten sie sich auf die spezifischen Angaben zu
Notwendigkeit und Sorgen bezüglich der verschriebenen Augentropfen. Sie konnten
zeigen, dass non-adhärente Patienten die Notwendigkeit ihrer Augentropfen signifikant
geringer einschätzten, die spezifische Notwendigeit stellte jedoch keinen signifikanten
Prädiktor für die Adhärenz dar [61].

Im Rahmen des Projekts „Einfluss krankheits- und medikamentenbezogener Einstellung
auf die Adhärenz in der Glaukomtherapie“ konnten in einer Vorstudie zu dieser
Dissertation signifikante Zusammenhänge zwischen spezifischen und generellen
Medikamenteneinstellungen und dem Adhärenzverhalten gezeigt werden. In einer
linearen Regressionsanalyse wurden die spezifischen Medikamenteneinstellungen als
signifikante Prädiktoren für die Adhärenz identifiziert. Unter Kontrolle von
Störvariablen klärten die Medikamenteneinstellungen insgesamt bis zu 18% der Varianz
auf [64].

2.3. Fragestellungen	
  	
  

Die medikamentöse Therapie mit Druck senkenden Augentropfen ist die bedeutendste
Säule in der Therapie des Primären Offenwinkelglaukoms. Durch den Einsatz von
Antiglaukomatosa kann der Augeninnendruck effektiv gesenkt und das Risiko einer
Krankheitsprogression     minimiert     werden    [27,   39].   Doch   der    erfolgreichen
Glaukomtherapie steht vor allem eines im Wege: Die häufig mangelnde Adhärenz im
Sinne von fehlender oder fehlerhafter Applikation der Augentropfen. Diese Problematik
ist   seit   langem   bekannt,   doch    bisher   konnten   nur   wenige     beeinflussbare
Adhärenzbarrieren identifiziert werden. Diese Studie legt den Fokus auf den Kern der
Glaukomtherapie – die Medikamente. Dabei werden zwei Einflussfaktoren genauer
untersucht: Medikamentennebenwirkungen und deren wahrgenommene Intensität sowie
die Einstellungen der Patienten den Medikamenten gegenüber. Um die Vorhersagekraft
beider Faktoren zu bestimmen, wird eine prospektive Befragung zu zwei Zeitpunkten
gewählt.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen zeigten in vorangegangenen Studien keinen
signifikanten Zusammenhang mit dem Adhärenzverhalten der Patienten. Es gibt jedoch
Hinweise, dass das Auftreten von Nebenwirkungen ein häufiger Grund für
Therapieabbrüche ist [1]. In der vorliegenden Studie werden gezielt diejenigen
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Nebenwirkungen erfragt, die aus Sicht des Patienten auf die Augentropfen
zurückgeführt werden. Zudem sollen die Patienten eine Einschätzung der Intensität der
Nebenwirkungen          vornehmen.              Diese       subjektiv            wahrgenommene
Nebenwirkungsintensität      soll    im      Folgenden   hinsichtlich    ihrer     Stabilität   und
Vorhersagekraft für die Adhärenz untersucht werden.
Medikamentenbezogene Einstellungen zeigten bereits signifikante Zusammenhänge mit
der Adhärenz für verschiedene chronischen Erkrankungen [31]. Auch in der
Glaukomtherapie scheinen die spezifischen Überzeugungen bezüglich der Augentropfen
Einfluss auf das Adhärenzverhalten zu haben [61, 64]. In der Studie von Rees und
Mitarbeitern   wurden     die       Medikamtenteneinstellungen          von      adhärenten     und
nonadhärenten Patienten verglichen. Die Forderung einer hundertprozentig korrekten
Einnahme als Kriterium der Gruppenzugehörigkeit bei einer lebenslangen Therapie mit
mehreren Dosen pro Tag ist jedoch sehr streng gesetzt. Die Bestimmung einer Grenze
für Adhärenz ist immer willkürlich und verschleiert Tendenzen zu adhärentem oder
non-adhärentem Verhalten. In der vorliegenden Studie wurde deshalb nicht in Gruppen
unterschieden, um das Maß der Adhärenz abzubilden. In einer Vorstudie gab es
Hinweise, dass spezifische Medikamenteneinstellungen das Adhärenzverhalten
voraussagen können [61, 64]. Wie bei Rees und Mitarbeiter erfolgte jedoch nur in einer
einmaligen Befragung. Die vorliegende Arbeit soll nun als Folgestudie die
Zusammenhänge und Voraussagekraft der medikamentenbezogenen Einstellungen im
Längsschnitt betrachteten.

In der vorliegenden Arbeit sollen nun folgende Fragen geklärt werden:

   1. Sind Adhärenzangaben, Nebenwirkungsintensität und medikamentenbezogene
       Einstellungen im Verlauf stabil?
   2. Inwiefern       besteht          ein       Zusammenhang            zwischen          erlebter
       Nebenwirkungsintensität            und     der     Adhärenz        und        bildet     die
       Nebenwirkungsintensität ein valides Vorhersagemodell für die Adhärenz?
   3. Inwiefern besteht ein Zusammenhang zwischen Medikamenteneinstellungen und
       der Adhärenz und bilden die Medikamenteneinstellungen ein valides
       Vorhersagemodell für die Adhärenz?
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3.     Methoden	
  

3.1. Planung	
  und	
  Durchführung	
  

Die vorgelegte Studie ist Teil des Gesamtprojektes zum Thema „Einfluss krankheits-
und medikamentenbezogener Einstellungen auf die Adhärenz in der Glaukomtherapie“.
Als Untersuchungsmethode wurde eine schriftliche Befragung gewählt. In einer
Testphase von Juli bis August 2009 wurden die Fragen auf Ihre Verständlichkeit geprüft
und zum Teil umformuliert. Daraufhin erfolgte eine Querschnittserhebung im Rahmen
des Teilprojektes 1. Teilprojekt 2 wurde von April bis Oktober 2010 durchgeführt und
bildet die Grundlage dieser Dissertation. Zusätzlich zur Ersterhebung (T1) wurde nun
mit Hilfe eines zweiten postalisch zugesandten Fragebogens (T2) bei einer Stichprobe
von 244 Patienten ein Längsschnitt erhoben. Der Zeitpunkt der zweiten Befragung
wurde hierbei auf zwei Monate nach der Erstbefragung gesetzt. Auf diese Weise sollten
die Patienten mit möglichst großem Abstand zu ihrem Klinikaufenthalt und dem
nächsten Augenarztbesuch befragt werden, um den Einfluss eines zeitnahen
Arztkontaktes auf das Adhärenzverhalten so gering wie möglich zu halten.

Die Rekrutierung der Patienten erfolgte in der Augenklinik des Universitätsklinikums
Erlangen. Alle Patienten wurden während eines stationären Aufenthaltes befragt. Es
wurden nur Patienten mit einem bekannten Primären Offenwinkelglaukom in die Studie
eingeschlossen, die vor mehr als vier Wochen die Diagnose „Glaukom“ erhalten hatten,
und die seit mindestens vier Wochen Druck senkende Augentropfen einnahmen.

121 der 245 Patienten lehnten die Teilnahme ab oder füllten die Fragebögen der Erst-
oder Zweiterhebung nicht aus. Somit lagen letztlich Datensätze von 124 Patienten vor.

Das Studienprotokoll wurde von der Ethikkomission akzeptiert. Die Patienten erhielten
eine   mündliche      und   schriftliche   Instruktion   und   unterzeichneten    eine
Teilnahmeerklärung.
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Abbildung 2: Flussdiagramm der Datenerhebung

3.2. Messinstrumente	
  

Für diese Studie wurde ein 17-seitiger Fragebogen aus verschiedenen Skalen und
Einzelitems zusammengestellt (siehe Anhang 1). Die im Rahmen der Erst- und
Zweiterhebung verwendeten Instrumente sind in Tabelle 2 dargestellt. Zum Zeitpunkt
der postalischen Nachbefragung (T2) wurde eine gekürzte Version des Fragebogens
vorgelegt. Nicht mehr erhoben wurden hier die soziodemografischen Variablen, der
Illness Perception Questionnaire sowie der Wissenstest. Behandlungsplan und
Adherence to Refills and Medications Scale wurden leicht abgewandelt bzw. gekürzt.
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Tabelle 2: Messinstrumente in der Reihenfolge ihrer Darbietung

           Messinstrumente                                       T1      T2
       Soziodemografische Variablen                              X	
      	
  

       (Short-Form 8 Health Survey)                              X	
     X	
  

       (Revised Illness Perception Questionnaire)                X	
      	
  

       Beliefs about Medicines Questionnaire                     X	
     X	
  

           – allgemeiner Teil
       Behandlungsplan                                           X	
     X	
  

       Beliefs about Medicines Questionnaire                     X	
     X	
  

           – spezifischer Teil
       Ausgelassene Dosen, VAS-AD                                X	
     X	
  

       Adherence to Refills and Medications Scale                X	
     X	
  

       Beschwerden und Nebenwirkungen                            X	
     X	
  

       Wissenstest                                               X	
      	
  

In Klammern gesetzte Instrumente wurden in der Auswertung nicht berücksichtigt.

3.2.1. Soziodemographischer	
  Fragebogen	
  

Im Soziodemographischen Fragebogen wurden allgemeine Angaben zur Person (Alter,
Geschlecht), zur sozialen Situation (Familienstand, Wohnsituation), zum Bildungsstand
(Schulabschluss, Ausbildungsabschluss) sowie zum Berufsstand (Erwerbstätigkeit, Art
des Beschäftigungsverhältnisses) erhoben.

3.2.2. Medikamentenbezogene	
  Einstellungen	
  -­‐	
  BMQ	
  

Der Beliefs About Medicines Questionnaire (BMQ) wurde von Horne und Mitarbeitern
entwickelt [30]. Er untersucht die Ansichten über Medikamente im Allgemeinen sowie
die Einstellungen zu speziell verordneten Medikamenten. Spezifische und allgemeine
Medikamentenüberzeugungen werden dabei separat analysiert. Den 4 Dimensionen der
Originalversion wurden im Rahmen seiner Validierung zwei Skalen („Genereller
Nutzen“ und „Somatische Sensitivität“) sowie ein Einzelitem zu Nebenwirkungen
hinzugefügt. Der allgemeine Teil des BMQ umfasst die Skalen „Genereller
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