REGION STUTTGART Zu gut, um in Zukunft bei den Besten dabei zu sein? STUDIE: ATTRAKTIVITÄT DER REGION STUTTGART 2030 Erstellt von

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REGION STUTTGART Zu gut, um in Zukunft bei den Besten dabei zu sein? STUDIE: ATTRAKTIVITÄT DER REGION STUTTGART 2030 Erstellt von
REGION STUTTGART

Zu gut, um in Zukunft bei den
Besten dabei zu sein?

STUDIE: ATTRAKTIVITÄT DER
REGION STUTTGART 2030

Erstellt von:
REGION STUTTGART Zu gut, um in Zukunft bei den Besten dabei zu sein? STUDIE: ATTRAKTIVITÄT DER REGION STUTTGART 2030 Erstellt von
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                       Susanne Henschel
                       Valentin Storz

              Stand Dezember 2013

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Wir danken unseren Förderkreispartnern für die Unterstützung
DIE REGION STUTTGART

   Region Stuttgart in Zahlen
   • 179 Städte und Gemeinden
   • 2,68 Millionen Einwohner aus 170 Ländern
   • 93 Mrd. Euro Bruttoinlandsprodukt (2009)
   • 34.390 Euro Bruttowertschöpfung je Einwohner (2010)
   • 4,3 Prozent Arbeitslosenquote (Mai 2013)

Quelle: Verband Region Stuttgart, Strukturbericht der Region Stuttgart 2013, Statistisches
Landesamt Baden‐Württemberg
Inhaltsverzeichnis

1. Ziel und Fragestellung ............................................................................................................ 1
   1.1 Auftrag .............................................................................................................................. 1
   1.2 Ziel .................................................................................................................................... 1
   1.3 Vorgehen .......................................................................................................................... 1
2. Zusammenfassung .................................................................................................................. 3
3. Welche Fachkräfte sucht die Region Stuttgart mit Blick auf 2030? ....................................... 6
   3.1 Der demografische Wandel als Herausforderung............................................................ 6
   3.2 Prognosen zum Fachkräftebedarf .................................................................................... 6
   3.3 Schließen der Lücke durch endogenes und exogenes Potenzial ..................................... 8
   3.4 Leitbild‐ und Strategieprozess sowie der Strukturbericht 2013 der Region Stuttgart als
   Basis ........................................................................................................................................ 9
   3.5 Fazit: Das Fachkräfte‐Suchprofil ..................................................................................... 10
4. Warum wandern Menschen und was macht eine Region attraktiv? .................................. 11
   4.1 Überblick ........................................................................................................................ 11
   4.2 Welche Kriterien Lebensqualität bestimmen ................................................................ 11
   4.3 Trends und Entwicklungen: Lebensqualität in der Zukunft ........................................... 12
   4.4 Lebensqualität aus der Perspektive von interessanten Zielgruppen ............................. 13
   4.5 Fazit: Die Zukunftskriterien einer Region ....................................................................... 15
5. Was sind die Zukunftskriterien für die Entwicklung der Region Stuttgart? ......................... 16
   5.1 Wohlstand der Region / attraktive Arbeitsplätze .......................................................... 16
   5.2 Image der Region ........................................................................................................... 17
   5.3 Lebensqualität ................................................................................................................ 18
   5.4 Lebendige Szenekultur ................................................................................................... 18
   5.5 Anerkennung und Toleranz ............................................................................................ 19
   5.6 Fazit: Die Handlungsfelder ............................................................................................. 20
6. Wie entsteht Bewegung in der Region Stuttgart? ............................................................... 21
   6.1 Notwendigkeit eines Musterwechsels ........................................................................... 21
   6.2 Wie andere Regionen Europas Bewegung auslösen ...................................................... 21
   6.3 Gemeinsame Erfolgsmuster ........................................................................................... 24
   6.4 Fazit: Was bedeutet das für die Region Stuttgart? ........................................................ 25
7. Empfehlung zum Vorgehen .................................................................................................. 26
   7.1 Imageentwicklung .......................................................................................................... 26
   7.2 Gründungsdynamik ........................................................................................................ 27
   7.3 Bewegung in der Region Stuttgart erzeugen ................................................................. 28
   7.4 Weiterführende Überlegung zum Vorgehen ................................................................. 29
Metastudie Attraktivität und Lebensqualität ............................................................................ A
Literatur ...................................................................................................................................... B
1. Ziel und Fragestellung

1.1 Auftrag
Im Juli 2013 beauftragte das Forum Region Stuttgart die Management Partner GmbH mit der
Erstellung einer Studie. In dieser Studie soll aufgezeigt werden, wie – im Kontext des demo‐
grafischen Wandels und des Wettbewerbs der Regionen bei Fachkräfteengpässen – die Re‐
gion Stuttgart noch besser positioniert und ihre Attraktivität gesteigert werden kann. Die
Leitfrage lautet:

„Wie muss sich die Region – mit Blick auf den demografischen Wandel – aufstellen, damit
umworbene Fachkräfte für die hiesige Wirtschaft gefunden und gebunden werden?"

Der Fokus dieser Studie liegt auf der Frage, wie die Attraktivität der Region Stuttgart für
Fachkräfte erhöht werden kann, die bisher nicht in der Region beheimatet sind.

1.2 Ziel
Wie wird die Region Stuttgart bis 2030 so attraktiv, dass Fachkräfte ‐ die von andern Top‐
Regionen wie zum Beispiel München, Berlin, Hamburg, Zürich oder Wien umworben werden
‐ sich entscheiden, in der Region Stuttgart zu leben? Ziel ist, relevante Handlungsfelder und
Wege aufzuzeigen.

Die Attraktivität der Region und der drohende Fachkräfteengpass werden seit Langem aus
unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und mit zahlreichen Initiativen aufgegriffen. In
dieser Studie wird auf dieses Material zurückgegriffen und darauf aufgebaut.

Die Perspektive der Studie ist deshalb, die entscheidenden Hebel herauszuarbeiten, mit de‐
nen es gelingt, die Region Stuttgart noch stärker in Bewegung zu setzen und die Attraktivität
für umworbene Fachkräfte zu erhöhen.

1.3 Vorgehen
Gewählt wurde ein mehrstufiges, vernetztes Vorgehen, in dem inhaltlich auch bewusst
„Querdenker‐Ansätze“ berücksichtigt wurden.

Abbildung 1: Übersicht über das Vorgehen der Studie

 1. Welche Fachkräfte sucht die Region Stuttgart mit Blick auf 2030?                  Reflexion
 Ausgangslage der Region Stuttgart aufnehmen, auf vorhandenen Erkenntnissen
 wie Leitbild- und Strategieprozess, Strukturbericht der Region Stuttgart aufbauen.   Verarbeitung und
                                                                                      Weiterentwicklung
                                                                                      der Erkenntnisse und
 2. Warum wandern Menschen und was macht eine Region für sie attraktiv?               Schlussfolgerungen
 Auseinandersetzung mit theoretischen wie empirischen wissenschaftlichen              in Gesprächen und
 Erkenntnissen. Aufnahme von Trends und Zukunftskonzepten.                            Expertenkreisen mit
                                                                                      Kennern der Region
                                                                                      Stuttgart aus Wirt-
 3. Wie haben sich andere Regionen erfolgreich in Bewegung gebracht?                  schaft und Institutio-
 Analyse der Wege und Handlungen ausgewählter europäischer Regionen.                  nen.

                                       Ableitung der Empfehlungen

                                                                                                               1
In den Expertenkreisen und als Gesprächspartner wirkten mit:

Rüdiger Bechstein                                Alfred Kärcher GmbH & Co. KG
Thomas Bopp                                      Verband Region Stuttgart
Armin Dellnitz                                   Regio Stuttgart Marketing‐ und Tourismus GmbH
Wolfgang Elkart                                  Forum Region Stuttgart e.V.
Johannes Ellenberg                               Start‐Up Stuttgart
Richard Elmer                                    Forum Region Stuttgart e.V.
Stefanie Fleischmann                             Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH
Bernd Kaufmann                                   Fachkräfteallianz Region Stuttgart
Attila Gálity                                    Verband Region Stuttgart
Dr. h.c. Matthias Kleinert Staatssekretär a.D.   AKKA Technologies – Mbtech Group
Oliver Kreh                                      IHK Region Stuttgart
Michael Marbler                                  Ernst & Young
Gerhard Meyer                                    Human Internet Consult AG
Johannes Milla                                   Milla & Partner GmbH
Wilfried Porth                                   Daimler AG
Prof. Dr. Bärbel Renner                          Duale Hochschule Baden‐Württemberg
Andreas Richter                                  IHK Region Stuttgart
Dr. Walter Rogg                                  Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH
Dr. Gerhard Rübling                              TRUMPF GmbH + Co. KG
Dr. Kathrin Silber                               Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH
Julian Steinbuch                                 ICTJOB Deutschland GmbH
Laura Ullmann                                    Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH
Kai Varnai                                       DEKRA SE
Christian Wachutka                               Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH
Timo Weltner                                     Netformic GmbH
Dr. Jürgen Wurmthaler                            Verband Region Stuttgart

Sowie der Vorstand des Forums der Region Stuttgart im Rahmen der Sitzungen am 23.9.2013
und 5.11.2013.

                                                                                                 2
2. Zusammenfassung

Die Region Stuttgart ist eine der wirtschaftlich stärksten Regionen in Europa mit hoher Le‐
bensqualität. Aus der Position der Stärke heraus treibt die Region Stuttgart eine Vielzahl von
Aktivitäten voran, um an der Spitze zu bleiben.
Die Frage ist, was die Region Stuttgart mehr tun muss und kann, um ihre Attraktivität für
umworbene Fachkräfte auch in der Zukunft zu sichern, weil sich grundlegende Veränderun‐
gen abzeichnen.
      Die Konsequenzen des demografischen Wandels
      Die Veränderung in der Unternehmenslandschaft und insbesondere der erwarteten
       Substitution des Verbrennungsmotors
      Der zunehmende Wettbewerb der Regionen Deutschlands und Europas um die bes‐
       ten Köpfe

Die Studie macht deutlich, dass es für die Region Stuttgart Handlungsbedarf gibt, der über
die laufenden Aktivitäten hinausgeht. Dies zeigt sich in folgenden Symptomen:
      Die Region Stuttgart ist in den Köpfen und Herzen ihrer Bürger und Unternehmen un‐
       zureichend verankert.
      Es fehlt eine – von allen gesellschaftlichen Gruppen (Bürgern, Unternehmen, Institu‐
       tionen und Politik) – gelebte Ambition für die Region, die dazu beiträgt, dass überge‐
       ordnete Ziele Priorität erhalten.
      Die Menschen der Region Stuttgart schätzen die hohe Lebensqualität. Aus der Per‐
       spektive potenzieller Zuwanderer wird die Region Stuttgart vor allem als starker
       Wirtschaftsstandort wahrgenommen. Weitere Imageelemente sind aus ihrer Per‐
       spektive jedoch eher blass ausgeprägt. Diese bestimmen allerdings die Wahl des
       Standorts maßgeblich mit.
      Zwei Zielgruppen kommt besondere Bedeutung zu: Den 18‐ bis 35‐Jährigen, die
       nachweisbar die höchste Mobilität aufweisen, und den ausländischen Fachkräften
       aus aller Welt. Beide Zielgruppen muss die Region Stuttgart stärker adressieren.
      Die Verantwortung für die Arbeitsplätze in der Region lastet auf den Schultern von
       großen Unternehmen in relativ reifen Branchen, deren Geschäftsschwerpunkte sich
       zunehmend auf andere Kontinente verlagern.
      Die seit Jahren rückläufige Gründungsdynamik in der Region Stuttgart ist schon mehr‐
       fach adressiert und angegangen worden. Eine Trendwende konnte nicht erreicht
       werden.
      Andere Regionen Europas arbeiten an Zukunftskriterien mit hoher Wirkung. Ihnen
       gelingt es, die Kräfte der Region für die zukünftige Entwicklung zu aktivieren und zu
       bündeln. Es zeigen sich deutliche Gemeinsamkeiten in den Erfolgsmustern.

                                                                                               3
   An die Entwicklung der Region Stuttgart muss ein höherer Anspruch gestellt werden,
       als er heute erlebbar ist. Die für einen höheren Anspruch erforderliche Unzufrieden‐
       heit mit dem Status quo oder eine wirklich herausfordernde Ambition ist heute nicht
       erkennbar. Es herrscht Zufriedenheit. Die Region Stuttgart gibt insgesamt das Bild ei‐
       ner saturierten Region ab.

Im Grundmuster „Weiter so“ läuft die Region Stuttgart Gefahr, hinter die Dynamik anderer
Regionen in Europa zurückzufallen. Es bedarf eines Musterwechsels, damit die Region Stutt‐
gart im Wettbewerb der Regionen auch in Zukunft die Attraktivität bietet, die für umworbe‐
ne Fachkräfte zählt.

Wir rufen die Frage auf:
Region Stuttgart – Zu gut, um in Zukunft bei den Besten dabei zu sein?

Erst wenn es gelingt, in der Region Stuttgart ein Bewusstsein zu erzeugen, dass die langfristi‐
ge Sicherung der Attraktivität der Region wesentlich höhere Anstrengungen erfordert, kann
eine Bewegung der Qualität und Wirkung in Gang kommen, die andere Regionen Europas
erfolgreich initiiert haben.
Wir empfehlen eine intensivere gemeinsame Auseinandersetzung aller gesellschaftlichen
Gruppen mit der Zukunft der Region Stuttgart. Dafür muss die Region:
      Sich den grundlegenden Veränderungen stellen
      „Wir sind gut unterwegs“ eintauschen in „Wir haben große Aufgaben vor uns“
      Eine von allen gesellschaftlichen Gruppen gelebte Ambition für die Region schaffen,
       die dazu beiträgt, dass übergeordnete Ziele Priorität erhalten
      Die Handlungsfelder „Imageentwicklung“ und „Gründungsdynamik“ mit höherer Pri‐
       orität aufgreifen
      Eine Bewegung in der Region Stuttgart erzeugen, die die gesellschaftlichen Gruppen
       einbindet, aktiviert und zu einer besseren Verzahnung der vielfältigen Aktivitäten
       führt

Diese Empfehlung bedeutet:
   1. Identifikation einer möglichen „Initiativkraft“ als Auslöser für eine kollektive Bewe‐
      gung. Diese Initiativkraft könnten Persönlichkeiten, ein Bündnis von Unternehmen
      oder eine wachrüttelnde Provokation sein, wie zum Beispiel den Namen der Region
      Stuttgart öffentlich zur Diskussion zu stellen.
   2. Schärfung der Sensibilität von Bürgern, Unternehmen, Institutionen und Politik durch
      eine öffentliche Debatte über die Herausforderungen und die Ambitionen der Region
      Stuttgart.
   3. Klärung, welche Plattform die Vernetzung der gesellschaftlichen Gruppen, Institutio‐
      nen, Politik, Unternehmen und Bürgern leisten kann. Ziel dieser Plattform ist, den
      Prozess in Gang zu bringen und zu halten, sowie dafür zu sorgen, dass eine Agenda
      „Region Stuttgart 2030“ abgestimmt wird.
   4. Für eine tragfähige Finanzierung der Plattform und der Agenda zu sorgen.
                                                                                               4
In den Expertenkreisen wurde großes Interesse geäußert, sich weiter mit der Entwicklung
der Region Stuttgart auseinanderzusetzen und sich aktiv dafür einzubringen. Zu vermuten ist,
dass sich zahlreiche Bürger der Region auch einbringen wollen.

Es empfiehlt sich, die Handlungsfelder „Imageentwicklung“ und „Gründungsdynamik“ in
zwei Initiativkreisen weiter zu verfolgen und zu konkretisieren. Dabei ist die Beteiligung von
Bürgern, Unternehmen, Institutionen und Politik erforderlich.

Damit die Initiativkreise die notwendige Anbindung haben, könnten sie zum Beispiel vom
Forum Region Stuttgart beauftragt und begleitet werden.

Das kann der erste Schritt im Aufbau einer größeren Bewegung in der Region Stuttgart sein.
Damit diese durch alle gesellschaftlichen Gruppen getragen wird, ist das Wirksamwerden
einer Initiativkraft der entscheidende Erfolgsfaktor.

                                                                                                 5
3. Welche Fachkräfte sucht die Region Stuttgart mit Blick auf 2030?

3.1 Der demografische Wandel als Herausforderung
Die Prognosen zur demografischen Entwicklung sind bereits seit den 1970er Jahren bekannt
und unbestritten: Die Bevölkerung in Deutschland sowie auch in der Region Stuttgart altert
und schrumpft. Dies kann nur durch Zuwanderung ausgeglichen werden.
Durch die Alterung der geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er Jahre ist davon auszu‐
gehen, dass sich die Altersstruktur in der Region Stuttgart in den nächsten 15‐20 Jahren
massiv verschiebt. Die untenstehende Grafik zeigt die voraussichtliche Entwicklung bis 2030.

Abbildung 2: Demografische Entwicklung in der Region Stuttgart
Auszug aus VRS Regional‐Monitor Region Stuttgart 2012 / Strukturbericht 2013 1
                                                                    Bis zum Jahr 2030 wird mit regiona‐
                                                                     len Einwohnerverlusten von rund
                                                                     100.000 Personen gerechnet. Die
                                                                     Bevölkerung in der Region wird vo‐
                                                                     raussichtlich auf 2,57 Millionen
                                                                     Menschen zurückgehen.
                                                                    Die Zahl der über 75‐Jährigen wird
                                                                     sich um 77.000 Menschen auf
                                                                     309.000 erhöhen.
                                                                    Die Nachfrage nach Altenbetreu‐
                                                                     ungs‐ und Pflegeplätzen wird eben‐
          2010                                2030                   so steigen, wie der Bedarf an quali‐
                                                                     fiziertem Personal.

Der Rückgang bei Bewohnern im „arbeitsfähigen Alter“ (bis 67 Jahre) ist besonders hoch.

3.2 Prognosen zum Fachkräftebedarf
Vor diesen Hintergrund wird in vielen Untersuchungen davon ausgegangen, dass ein Fach‐
kräfteengpass entsteht. Im aktuellen Strukturbericht der Region Stuttgart und dem IHK‐
Fachkräftemonitor wird dieser für die Region Stuttgart detailliert dargestellt und quantifi‐
ziert.2
Alle Prognosen gehen von einem Fachkräfteengpass aus. Sie unterscheiden sich jedoch in
der Quantifizierung. Die Gründe liegen in unterschiedlichen wissenschaftlichen Verfahren
und den Annahmen zum Wanderungssaldo. Dem Wanderungssaldo kommt entscheidende
Bedeutung zu. Je besser es gelingt, diesen zu erhöhen, desto stärker reduziert sich der quan‐
titative Engpass. In der folgenden Abbildung sind unterschiedliche Prognosen gegenüberge‐
stellt.

1
 VRS (2012), IMU / IAW (2013)
2
 IMU / IAW (2013), IHK Baden‐Württemberg (2013): Fachkräftemonitor im Internet unter:
http://www.fachkraeftemonitoring‐bw.de/

                                                                                                          6
Abbildung 3: Übersicht über Prognosen zum Fachkräftebedarf 3
    Quelle                                 Fachkräftebedarf                  Gebiet                  Prognose
    Strukturbericht / IHK BW Fachkräfte‐
                                           109.000 (ohne Helferberufe)       Region Stuttgart        2030
    Monitor (2013)
    WifOR (2013)                           400.000                           Baden‐Württemberg       2030
    Prognos (2009)                         500.000                           Baden‐Württemberg       2030
    McKinsey (2011)                        2 Millionen                       Deutschland             2020
    Prognos (2008a)                        5,2 Millionen                     Deutschland             2030
    Prognos (2012a)                        4 Millionen                       Deutschland             2035
    BIBB / IAB (2010)                      „Mismatch“                        Deutschland             2025
    Brachat‐Schwarz (2009)                 „Mismatch“                        Baden‐Württemberg       2030
    IW Köln (2011)                         105.000 MINT‐Absolventen p.a.     Deutschland             2013
    Prognosen Gesundheitssektor
    PWC (2012)                             Bis zu 681.000                    Deutschland             2030
    Afentakis / Maier (2010)               305.000                           Deutschland             2025
    Prognos (2012b)                        520.000                           Deutschland             2030
    Hackmann (2010)                        430.000                           Deutschland             2050
    PWC / WiFOR (2010)                     478.000                           Deutschland             2030
    Differenzierte Aussagen

                                           „…bisher keine wissenschaftlichen Verfahren bekannt, die ange‐
                                           sichts der Komplexität des Arbeitsmarktgeschehens und der Vielfalt
    DIW Berlin (2010b)                     an Aspekten, die auf der Angebots und auf der Nachfrageseite zu
                                           beachten sind, für die Quantifizierung einer gesamtwirtschaftlichen
                                           Fachkräftelücke geeignet sind.“

                                           Erst in 2035 werden Angebot und Nachfrage gleich hoch sein. Bis
    BIBB (2007)                            dahin übersteigt das Angebot die Nachfrage, also insgesamt kein
                                           Engpass, sondern sogar ein Überschuss bzw. ein „Mismatch“.

Im Jahr 2012 ist die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland nur aufgrund von Zu‐
wanderung gewachsen.4 Der in den letzten Jahren positive Wanderungssaldo bildet sich be‐
reits in manchen Prognosen ab: Beispielsweise wurde in der Prognos Einschätzung 2012 der
kommende Fachkräfteengpass für Deutschland deutlich geringer beziffert als im Jahr 2008.
Es gibt allerdings wissenschaftliche Institute, die darauf hinweisen, dass bislang keine geeig‐
neten wissenschaftlichen Verfahren zur Berechnung der Fachkräftelücke existieren. Sie be‐
nennen deshalb bewusst keine konkreten Zahlen.5
In dieser Studie wird davon ausgegangen, dass vor dem Hintergrund des demografischen
Wandels Handlungsbedarf besteht, unabhängig davon, wie groß die Lücke im Jahr 2030 ef‐
fektiv sein wird. Der demografische Wandel ist unbestritten und führt dementsprechend zu

3
  Detaillierte Prognosen zu Fachkräfteangebot und ‐nachfrage in der Region Stuttgart finden sich im IHK Fach‐
kräftemonitor siehe IHK Baden‐Württemberg (2013). Definition Mismatch nach Deutscher Bundestag (2012)
„Mismatch meint ein Ungleichgewicht zwischen Arbeitskräftenachfrage und Arbeitskräfteangebot, das unter‐
schiedliche Ursachen haben kann (qualifikationsspezifisches, regionales oder lohnbedingtes Mismatch).“
4
  Statistisches Bundesamt (2013), FAZ (2013)
5
  DIW Berlin (2010)

                                                                                                                 7
einem verstärkten Wettbewerb der Regionen um die besten Kräfte. Die Frage der Attraktivi‐
tät der Region Stuttgart ist relevant.
Hinzu kommt, dass eine rein quantitative Betrachtung nicht ausreichend ist. Selbst wenn
genügend Fachkräfte (quantitativ) in der Region vorhanden sind, zeichnet sich ein Mismatch
zwischen Angebot und Nachfrage an Fachkräften ab. Darauf weisen verschiedene Studien
hin.6
Der Anteil der Betagten an der Bevölkerung wird deutlich zunehmen. Dadurch entsteht bei
Berufen im Gesundheitswesen insbesondere bei der Altenbetreuung / ‐pflege, ein absehbar
höherer Bedarf an Fachkräften.7
Bereits kurzfristig besteht in der Region Stuttgart eine starke Nachfrage nach Erziehern und
Erzieherinnen, die durch das Angebot nicht gedeckt ist: „Es fehlen Tausende Erzieherinnen.
Die Einrichtungen werben sich gegenseitig Personal ab.“ 8

Die Schlussfolgerung: Fachkräfte werden in Zukunft deutlich stärker umworben als heute. Sie
werden es sich leisten können, „wählerisch“ zu sein und diese Chance nutzen, um in der Re‐
gion zu leben, die ihnen die höchste Attraktivität bietet.

3.3 Schließen der Lücke durch endogenes und exogenes Potenzial
Um den erwarteten Fachkräfteengpass zu decken, werden in vielen Untersuchungen zwei
grundsätzliche Felder genannt:

Abbildung 4: Potenzialfelder zur Schließung einer Fachkräftelücke9
    Endogenes Potenzial                                Exogenes Potenzial (Fokus der Studie)

    Erhöhung der Erwerbsbeteiligung bei                Erhöhung des positiven Wanderungssaldos
    potenziell Erwerbsfähigen                          durch Steigerung der Attraktivität
    o   Eltern                                          o   Qualifizierte Zuwanderer anziehen
    o   Best Agers                                      o   Wohnhafte Bevölkerung an die Region bin‐
    o   Abbrecher                                           den
    o   Nicht Ausgebildete
    o   Arbeitslose

Diese Studie fokussiert auf Handlungsfeldern, die die Attraktivität der Region Stuttgart für
Fachkräfte erhöhen und einen Sog erzeugen können, der umworbene Fachkräfte in die Regi‐
on Stuttgart zieht.
Um die relevanten Kriterien zu identifizieren, wurde untersucht, welche Fachkräfte die Regi‐
on Stuttgart mit Blick auf 2030 sucht.

6
  Deutscher Bundestag (2012), Prognos (2011), BIBB / IAB (2010), Brachat‐Schwarz (2009), BIBB (2007), Brach‐
at‐Schwarz / Dominé (2007)
7
  VRS (2012), PWC (2012) Afentakis / Maier (2010), Prognos (2012), Hackmann (2010), PWC / WiFOR (2010)
8
  STZ (2013)
9
  Die Bundesagentur für Arbeit beschreibt es wie folgt: „Das Fachkräfteangebot lässt sich nur durch einen Mix
verschiedener Hebel nachhaltig steigern.“ Zuwanderung ist ein Hebel, BA (2011). Siehe auch IMU / IAW (2013)

                                                                                                            8
3.4 Leitbild‐ und Strategieprozess sowie der Strukturbericht 2013 der Region
Stuttgart als Basis
Das Leitbild der Region Stuttgart wurde 2013 in einem umfassenden Prozess mit mehreren
hundert Akteuren erarbeitet. Es beschreibt das Zukunftsprofil der Region Stuttgart.10

Abbildung 5: Leitbild der Region Stuttgart11

     Leitbild für den Wirtschafts‐ und Wissenschaftsstandort Region Stuttgart
     In lebendigen Werten verwurzelt, gestalten wir verantwortungsbewusst und mutig
     unsere Region.
     Mit Erfahrung, Pioniergeist, Verstand und Schaffenskraft arbeiten wir in der Ideen‐
     schmiede Region Stuttgart für die Welt von morgen.
     Als Heimat von Menschen aus aller Welt ist die Region Stuttgart ein international
     vernetzter Standort und einladender Treffpunkt der kreativsten Köpfe.
     Wir arbeiten in dynamischen regionalen Netzwerken und steigern damit unsere
     Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit.
     Wir verbinden hohe Lebensqualität mit verlässlichem Wirtschaften, Forschen
     und Arbeiten.
     Wir eröffnen Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen optimale Chancen
     und Raum für die Entfaltung ihrer Lebensentwürfe und Realisierung von Ideen.
     Originaltext aus dem Leitbild‐ und Strategieprozess der Region Stuttgart 2013

Daraus lässt sich ableiten:

 Gesucht sind Menschen mit:                         Geboten wird ihnen:

 o Mut und Verantwortungsbewusstsein                 o   Eine (neue) Heimat für Menschen aus aller Welt
 o Gestaltungswillen / Pioniergeist                  o   Ein international vernetzter Standort
 o Kreativität / Verstand („kreative                 o   Hohe Lebensqualität
   Köpfe“)                                           o   Möglichkeit der Entfaltung von Lebensentwürfen
 o Erfahrung                                             für Menschen in unterschiedlichen Lebenssituati‐
                                                         onen

Darüber hinaus wurden im parallel laufenden Strategieprozess Chancen und Herausforde‐
rungen der Region Stuttgart herausgearbeitet. Zum einen wird ein wachsender Engpass bei
Fach‐ und Führungskräften (insbesondere MINT12) als eine zentrale Herausforderung be‐
schrieben. Die Aussagen des Leitbildes und die Aktivitäten zur Willkommenskultur zeigen,
dass die Region Stuttgart die gesuchten Fachkräfte auch außerhalb ihrer Grenzen finden will.
Die Region Stuttgart sucht Zuwanderer.13

10
   WRS (2013b), VRS (2013b)
11
   WRS (2013a), WRS (2013c), VRS (2013b)
12
   MINT bezeichnet die Felder: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik
13
   WRS (2013a), WRS (2013c)

                                                                                                            9
Ebenso sieht sich die Region Stuttgart durch nachlassende wirtschaftliche Dynamik sowie
rückläufige Innovations‐ und Gründungsaktivitäten herausgefordert. Um diese Situation um‐
zukehren, bedarf es Menschen mit Ideen, Mut und Kreativität, die gründen. Die Region
Stuttgart sucht Unternehmer und Gründungswillige.14

Im Strukturbericht der Region Stuttgart 2013 finden sich weitere wesentliche Informationen
zu Größe, Struktur und Zusammensetzung des erwarteten Fachkräfteengpasses. Der Struk‐
turbericht wird alle zwei Jahre als gemeinsame Veröffentlichung vom Verband Region Stutt‐
gart, der Handwerkskammer Region Stuttgart, der IG Metall Region Stuttgart und der IHK
Region Stuttgart herausgegeben. Erstellt wird die Veröffentlichung vom IMU Institut in
Stuttgart und Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Tübingen.
Auf Basis der Prognosen des IHK Fachkräftemonitors zeigt der Strukturbericht einen Fach‐
kräfteengpass von 109.000 Personen (bereinigt von Konjunkturzyklen) für die Region Stutt‐
gart im Jahr 2030. Davon sind 104.000 beruflich Qualifizierte und 5.000 Akademiker (Helfer‐
berufe nicht eingeschlossen). Durch die zunehmende Akademisierung wird von einem stei‐
genden Bedarf an beruflich Qualifizierten (duale Ausbildung) ausgegangen.
Der prognostizierte Engpass bei den beruflich Qualifizierten teilt sich in 28.000 Personen mit
technischer und 76.000 Personen mit kaufmännischer Ausbildung auf. Details zu Berufen mit
dem relativ größten Mangel finden sich im Strukturbericht 2013 und im IHK Fachkräfte‐
monitor. „Im Ranking der zehn Berufe mit dem relativ größten Mangel … handelt es sich –
mit Ausnahme der beiden Berufsgruppen ‚Bauplanungs‐, Architektur‐ und Vermessungsbe‐
rufe (mittlere Qualifikation)’ sowie ‚Metallerzeugung, ‐bearbeitung, ‐oberflächenbehandlung
(Helfer)’ – um hochqualifizierte Fachkräfte.“15
„Die Unterscheidung zwischen heutigen und zukünftigen Mangelberufen ist ebenfalls wichtig.
Aktuelle Mangelberufe können sich zukünftig anders entwickeln. Beispielsweise steht der
derzeitige Engpass an Personen mit akademischem Abschluss in den sogenannten MINT‐
Berufen in den Prognosen für das Jahr 2030 nicht im Vordergrund.“16

3.5 Fazit: Das Fachkräfte‐Suchprofil
Die unterschiedlichen Anforderungen aus Leitbild‐ und Strategieprozess, Strukturbericht und
IHK Fachkräftemonitor sowie Prognosen aus dem Gesundheitsbereich zusammengefasst,
ergeben folgendes Fachkräfte‐Suchprofil:

                Beruflich Qualifizierte („mittlere und höhere Qualifizierung“)

                Berufe im Gesundheitssektor / speziell (Alten‐)Pflege

                Fach‐ und Führungskräfte (zum Beispiel in MINT‐Berufen )

                Unternehmer / Gründungswillige

                „Kreative Köpfe“

14
   WRS (2013a), WRS (2013c), VRS (2013b)
15
   IMU / IAW (2013)
16
   IMU / IAW (2013) Basis sind die Berechnungen des IHK Fachkräftemonitors für die Region Stuttgart, siehe IHK
Baden‐Württemberg (2013): Fachkräftemonitor im Internet unter: http://www.fachkraeftemonitoring‐bw.de/

                                                                                                           10
4. Warum wandern Menschen und was macht eine Region attraktiv?

4.1 Überblick
„Was Menschen aus dem einen Ort weg‐ und dem anderen Ort zutreibt, ist der Wunsch nach
einer besseren Lebensqualität."17
Die Entscheidung für eine Region beruht im Wesentlichen auf zwei Faktoren. Auf dem Image,
das eine Region genießt, und auf dem wirtschaftlichen Wohlstand einer Region als Garant
für einen Arbeitsplatz. Beide Kriterien entscheiden darüber, ob eine Region als zukünftiger
Lebensort in Frage kommt. Anders formuliert: eine Region, die auf Zuzug setzt, muss wirt‐
schaftlichen Wohlstand und damit Arbeit sicherstellen, und sie muss ein Image haben, das
mit großen (Metropol‐)Regionen mithalten kann.
Die Entscheidung, ob jemand in einer Region langfristig bleibt, hängt wesentlich davon ab,
ob die erfahrene Lebensqualität stimmt.

4.2 Welche Kriterien Lebensqualität bestimmen
In der wissenschaftlichen Theorie und den empirischen Studien zur Standortattraktivität, die
die Perspektive des einzelnen Menschen betrachten, ist Lebensqualität das ausschlaggeben‐
de Kriterium für die Attraktivität einer Region.
Nach der WHO‐Definition ist Lebensqualität immer subjektiv und individuell: „… die subjekti‐
ve Wahrnehmung von Individuen über ihre Stellung im Leben im Kontext zu Kultur und den
Wertesystemen, in denen sie lebt und in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Standards und
Anliegen.“18 Im Rahmen dieser Studie wurden 19 unterschiedliche Quellen untersucht, um
herauszuarbeiten, welche Kriterien die Attraktivität einer Region maßgeblich bestimmen.

Abbildung 6: Metaanalyse Attraktivität und Lebensqualität19
        Häufigkeitsverteilung der Indikatoren                                                           Erläuterungen
              Gesundheit                                                         14   •   19 Veröffentlichungen wurden nach gleichartigen
              Arbeitsplatz                                                  13            Kriterien untersucht und Indikatoren zugeordnet.
     Familie und Soziales                                                   13
                  Bildung                                              11             •   Beispiel: Nennungen, die zum Indikator Gesund-
         Wirt.Wohlstand                                           10                      heit gezählt wurden: Gesundheit, Gesundheits-
               Sicherheit                                     9                           zustand, Gesundheitsinfrastruktur, Ärztedichte,
             Gesellschaft                                 8                               Krankheit, Lebenserwartung, Medizinische Ver-
              Geographie                              7                                   sorgung.
                Wohnen                                7
                   Umwelt                             7                               •   Einbezogen wurden unter anderem: Deutscher
                     Kultur                       6                                       Bundestag Enquete Kommission 2013, DIW al-
                   Freizeit                       6                                       ternative Wohlstandsmessung 2013, OECD- Bet-
                     Sport                    5                                           ter Life Index 2013, BAK Quality of Life Bench-
       Wirt. Bedingungen                  4                                               marking, Roman Herzog Institut e. V. Was be-
               Tourismus              3                                                   stimmt unsere Lebenszufriedenheit? 2013, Deut-
               Verwaltung         2
                                                                                          sche Post Glücksatlats 2012, BMFSFJ Fami-
              Infrastruktur       2
                                                                                          lienatlas 2012.
                              0               5               10                 15
                                          Anzahl Studien

17
   Reiter (2010), siehe auch Prognos (2008b): Untersuchung der Auswanderungsgründe von Fach‐ und Füh‐
rungskräften aus Deutschland: Top 1: Suche nach höher Lebensqualität, Top 2. Berufliche Unzufriedenheit
18
   Zitat übersetzt aus WHOQOL (1995): “individuals' perception of their position in life in the context of the cul‐
ture and value systems in which they live and in relation to their goals, expectations, standards and concerns.''
19
   Die Quellen sind im Anhang A (Metastudie Attraktivität und Lebensqualität) dargestellt

                                                                                                                                        11
Die Top‐Kriterien für Lebensqualität sind Gesundheit, Arbeitsplatz, Familie und Soziales, Bil‐
dung und wirtschaftlicher Wohlstand.
Die Metaanalyse zeigt, dass ein Arbeitsplatz oder die Aussicht darauf (wirtschaftlicher Wohl‐
stand einer Region) die auslösenden Anreize für eine Wanderung sind. Sind die Vorausset‐
zungen „Wirtschaftlicher Wohlstand“ und „Arbeitsplatz“ gegeben, treten andere Kriterien in
den Vordergrund.

4.3 Trends und Entwicklungen: Lebensqualität in der Zukunft
Die Attraktivität einer Region ist über Lebensqualität definiert. Werden die heutigen Krite‐
rien auch 2030 das Verständnis von Lebensqualität ausmachen?
Einen Blick in die Zukunft wagt Andreas Reiter, der die Megatrends verarbeitet und in der
Zukunft eine neue Akzentuierung des Verständnisses von Lebensqualität erwartet.

Abbildung 7: Zukunftstrends der Lebensqualität20
 Zeit‐Wohlstand                              Sozialer Wohlstand                        Ökologischer Wohlstand
 Zeit ist knapp und wertvoll und das         Die Grundpfeiler einer modernen Ge‐       Menschen suchen nach regionaler
 Luxusgut der Zukunft.                       sellschaft sind Bildung und Gesundheit.   Identität und Nachhaltigkeit.

 Attraktive Regionen                          Wettbewerb der Zukunft heißt             In der Gesellschaft findet eine Rück‐
                                               Wettbewerb der Bildung. Es gilt:          besinnung auf die regionale Identi‐
  ermöglichen den Bürgern eine                Höhere Bildung = höherer Wohl‐            tät statt. Tradition wird kreativ mit
      optimale Zeit‐Ökonomie durch             stand = mehr Lebensqualität.              Neuem gemischt. Regionale Produk‐
      eine gute Infrastruktur (24‐                                                       te werden bevorzugt.
      Stunden Ökonomie) und bieten            Gesundheit – verstanden als ganz‐
      einen hohen Wohlfühlfaktor an.           heitliches, psychosoziales Wohlbe‐       Zusätzlich nimmt die ökologische
                                               finden – steht auf der Werteskala         Nachhaltigkeit einen neuen Stel‐
 Attraktive Unternehmen                        der Menschen ganz oben.                   lenwert ein. Der neue Lifestyle‐
                                                                                         Moralismus breitet sich, ausgehend
  bieten hohe Work‐Life‐Balance              Aufgrund einer zunehmend indivi‐          von Ernährung und Mode, auf ande‐
      durch Erledigungen von Alltags‐          dualisierten und nomadischen Ge‐          re Lebensbereiche wie das Wohnen
      aufgaben am Arbeitsplatz und guter       sellschaft nimmt der Community‐           aus (Öko Chic).
      Vereinbarkeit von Beruf und Familie.     Faktor an Bedeutung zu.

Fazit: Die heutigen Top‐Kriterien werden auch in Zukunft zählen und weiter an Bedeutung
gewinnen. Hinzu kommt das Thema Infrastruktur, da Zeit‐Wohlstand das Luxusgut der Zu‐
kunft sein wird. Attraktive Regionen ermöglichen den Bürgern eine optimale Zeit‐Ökonomie,
beispielsweise durch die Möglichkeit, sich zu jeder Zeit versorgen zu können. Weiterhin
nehmen ökologische Nachhaltigkeit, regionale Identität und der Community‐Faktor einen
neuen Stellenwert ein.

Daraus lassen sich folgende Zukunftskriterien ableiten:
       1. Wirtschaftlicher Wohlstand / Arbeitsplatz
       2. Gesundheit und ökologische Nachhaltigkeit
       3. Familie und Soziales

20
     In Anlehnung an Reiter (2010)

                                                                                                                            12
4. Bildung
     5. Infrastruktur
     6. Regionale Identität / Community‐Faktor

4.4 Lebensqualität aus der Perspektive von interessanten Zielgruppen
Lebensqualität ist immer subjektiv und individuell (siehe WHO‐Definition). Eine Region, die
auf Zuwanderung setzt, wird den spezifischen Kriterien zweier Zielgruppen besondere Be‐
achtung schenken müssen.21

Abbildung 8: Wanderung in Deutschland 2011 nach Alter22
 Personen
     60.000

     50.000

     40.000

     30.000

     20.000

     10.000

         0
              0   5     10    15      20   25    30    35    40     45     50    55    60    65    70     75

                                   Zuwanderung     Fortwanderung         Binnenwanderung

Zielgruppe: 18‐bis 35‐Jährige
Es sind vor allem die 18‐ bis 35‐Jährigen, die wandern. Menschen wechseln den Ort aufgrund
einer Ausbildung, des Berufseinstiegs oder des ersten Arbeitsplatzwechsels. Danach werden
sie sesshaft, gründen eine Familie und bleiben in ihrer Region. Die Tendenz zur Binnenwan‐
derung nimmt erst ab dem Alter von 75 Jahren wieder zu.23
Wer Zuzug will, muss diese Zielgruppe in besonderer Weise berücksichtigen, d.h. ihre Präfe‐
renzen in Bezug auf Lebensqualität kennen und umsetzen. Diese unterscheiden sich signifi‐
kant von der Auffassung über Lebensqualität anderer Altersgruppen.
Vertreter dieser Zielgruppe sind heute vor allem die sogenannte Generation Y (geboren zwi‐
schen 1980 und 2000) und 2030 die sogenannte Generation Z (geboren zwischen 2000 und
2020), wobei die Zeitabschnitte verschwimmen und in der Literatur teilweise unterschiedlich

21
   Die untersuchten Studien zur Arbeitsplatzattraktivität zeigen kaum Unterschiede zwischen Ost‐ / Westdeut‐
schen sowie geringe Unterschiede bei den Geschlechtern. Männer bewerten Vergütung leicht höher, Frauen
Flexibilität und Work‐Life Balance siehe Job AG (2013a, 2013b, 2012, 2011a, 2011b), INQA (2006). Aus der Lite‐
raturstudie gab es Hinweise, dass Berufsgruppen (Wirtschaftswissenschaftler versus Pflegeberufe) und kulturel‐
ler Hintergrund die subjektiven Präferenzen bezüglich Lebensqualität beeinflussen. Herausragende Kriterien
ließen sich in den untersuchten Veröffentlichungen jedoch nicht erkennen. Siehe Buxel (2011), BGW (2011)
22
   Auswertung auf Basis Statistisches Bundesamt (2013) – Datenstand 2011
23
   Statistisches Bundesamt (2013), BBSR (2012)

                                                                                                           13
angegeben werden. Die Generationen Y und Z – die Kinder der Wohlstandsgesellschaft –
zeichnen sich durch eine abnehmende Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber aus; sie sind
hochgradig auf ihre eigenen Ziele konzentriert und streben nach Spaß.24

Abbildung 9: Werte und Präferenzen von Generation25
     Baby Boomer geb. 1943 - 1960                                               Generation Y geb. 1980 - 2000
     •   Optimismus, Antrieb und starker Wille, Egozentrik, Wachstum            •   Tritt sehr selbstbewusst auf, zeigt sich orientierungslos
                                                                                    und sprunghaft
     •   Teamgeist, pers. Entwicklung und Konsens

     •   Prozess- statt Ergebnisorientierung
                                                                                •   Strebt nach Leistung, Sinn und Spaß im Arbeitsleben

     •   Schwierigkeiten mit Konflikten und anderen Ansichten
                                                                                •   Wünscht sich Flexibilität, Suche nach Sicherheit

     •   Empfindlichkeit bei Feedback
                                                                                •   Ist geübt im Umgang mit Technologie und Netzwerken

          1900            1920            1940             1960            1980             2000              2020             2040

Veteranen geb. 1922 - 1943                 Generation X geb. 1960 - 1980                     Generation Z geb. 2000 - 2020
•    Formalität, Disziplin, Ehre, Recht    •   Vielfalt („Diversity“) und globales Denken    •   Hochgradig auf ihre eigenen Ziele konzentriert
     und Gesetz                                                                                  (kein Teamplayer)
                                           •   Balance, Ausgleich und Spaß
•    Engagement, Opferbereitschaft,
                                           •   Antiautoritäre Haltung, Ungeduld und
                                                                                             •   Verarbeitet als „Digital Native“ Informationsfluten
     Geduld und Konformismus
                                               Zynismus                                      •   Sehr geringe Loyalität zum Arbeitgeber, Karriere
•    Respekt gegenüber Autorität,
                                           •   Unabhängigkeit, Individualismus
                                                                                                 wird als „Shopping“ gesehen
     Pflichterfüllung vor Vergnügen
                                           •   Anpassungsfähigkeit und Pragmatismus
                                                                                             •   Kommunikation ist nicht ihre Stärke

                                           •   Affinität zu Technologie und Kreativität
                                                                                             •   Konsumorientiert, ungeduldig, gewöhnt alles zu
                                                                                                 personalisieren

Die 18‐ bis 35‐Jährigen zieht es dahin, wo „etwas los ist“. Nach der Theorie der „Kreativen
Klasse“ von Richard Florida, die das zukünftige Wachstum einer Region vom Zusammentref‐
fen der drei Erfolgsfaktoren Technologie, Talent und Toleranz abhängig sieht, manifestiert
sich dies nicht in großen Stadien, Opern, Balletthäusern oder Kunstmuseen. Vielmehr bedeu‐
tet es eine lebendige Musikszene, ethnische und kulturelle Vielfalt, spannende Outdoor‐
Möglichkeiten und ein pulsierendes Nachtleben. Seine These: „Cities without gays and rock
bands are losing the economic development race”.26
Eine lebendige Szenekultur beeinflusst die Lebensqualität dieser Zielgruppe.

Zielgruppe: Umworbene Fachkräfte aus aller Welt
Seit Jahrzehnten entwickelt sich Deutschland zu einer zunehmend pluralen Gesellschaft. Die
sich daraus ergebende Vielfalt ist eine Chance für die kulturelle, wirtschaftliche, demografi‐
sche und gesellschaftliche Entwicklung des Landes. Jüngste Statistiken zeigen, dass vor allem
die qualifizierte Zuwanderung nach Deutschland zunimmt, bedingt durch die wirtschaftliche
Situation in Europa und der Suche nach höherer Lebensqualität.27

24
   DGFP e.V. (2011), Scholz (2012), Kienbaum (2010), Johnson controls (2010), PWC (2008)
24
   Florida (2002)
25
   In Anlehnung an DGFP e.V. (2011), Scholz (2012), Kienbaum (2010), Johnson controls (2010), PWC (2008)
26
   Florida (2002)
27
   IAB (2012), Statistisches Bundesamt (2013), BAMF (2013), IMU / IAW (2013), Seibert / Wapler (2012)

                                                                                                                                                14
Noch nimmt rund die Hälfte der deutschen Bevölkerung Zuwanderung als Problem und nicht
als Chance wahr.28 Den Ergebnissen einer Studie der Friedrich‐Ebert‐Stiftung zufolge sind bei
einem Viertel der Bevölkerung ausländerfeindliche Einstellungen vorhanden.29
Bundesweit wurde die Initiative „Anerkennungs‐ und Willkommenskultur“ ins Leben gerufen.
Ziel dieser Kampagne ist es, einerseits Zuwanderer zielgruppengerecht auf das Leben in
Deutschland vorzubereiten und andererseits bereits länger in Deutschland lebende Men‐
schen mit Migrationshintergrund in ihren Fähigkeiten, Kompetenzen und Lebensweisen
wertzuschätzen. Hinter dieser Initiative steht die Einsicht, dass die notwendigen ausländi‐
schen Fachkräfte auf Dauer nur dann angezogen und gehalten werden können, wenn sie
eine Kultur der Toleranz und Anerkennung erleben.30
Anerkennung und Toleranz sind wesentliche Kriterien, die die Lebensqualität dieser Ziel‐
gruppe bestimmen.

4.5 Fazit: Die Zukunftskriterien einer Region
Für die zentrale Frage der Studie, wie – im Kontext des demografischen Wandels und des
Wettbewerbs der Regionen bei Fachkräfteengpässen – die Region Stuttgart noch besser po‐
sitioniert und die Attraktivität für zuwandernde Fachkräfte gesteigert werden kann, leiten
sich folgende Zukunftskriterien ab:

Der wirtschaftliche Wohlstand einer Region – verbunden mit einem Arbeitsplatz oder der
Aussicht darauf – ist in der Regel auslösendes Kriterium für eine Wanderung.

Die Entscheidung von Zuwanderern für eine Region wird maßgeblich durch das Image einer
Region geprägt. Im Kampf um die umworbenen Fachkräfte muss sich eine Region, die in der
ersten Liga sein will, mit Hamburg, München, Zürich, Wien, Barcelona oder London messen
lassen, d.h. sie muss ein ebenbürtiges Image aufbauen und sichern.

Die subjektiv erlebte Lebensqualität entscheidet darüber, ob umworbene Fachkräfte sich
dauerhaft binden. Gesundheit, ökologische Nachhaltigkeit, Familie und Soziales, Bildung,
Infrastruktur (Zeitökonomie), regionale Identität und Community‐Faktor beeinflussen maß‐
geblich die empfundene Lebensqualität.

Für die Zielgruppe der 18‐ bis 35‐Jährigen spielt darüber hinaus eine lebendige Szenekultur
für die subjektiv empfundene Lebensqualität eine zentrale Rolle.

Für die Zielgruppe umworbener Fachkräfte aus aller Welt sind zusätzlich die Zukunftskrite‐
rien Anerkennung und Toleranz wichtig.

28
   German Marshall Fund (2011), zitiert nach BAMF (2013)
29
   Friedrich Ebert Stiftung (2012), zitiert nach BAMF (2013)
30
   BAMF (2013)

                                                                                             15
5. Was sind die Zukunftskriterien für die Entwicklung der Region
Stuttgart?

In Kapitel 4 wurden fünf Zukunftskriterien abgeleitet, die für jede Region gelten. Generell
ziehen wirtschaftlicher Wohlstand und das Image einer Region, das sie über die Themen
Wohlstand und Arbeitsplätze hinaus vermittelt, Menschen an. Die erlebte Lebensqualität,
eine lebendige Szenekultur sowie Anerkennung und Toleranz halten die Menschen dort.
Wie ist der Status quo der Region Stuttgart bei diesen generellen Zukunftskriterien, und wel‐
che Handlungsfelder leiten sich daraus ab?

5.1 Wohlstand der Region / attraktive Arbeitsplätze
Der wirtschaftliche Wohlstand der Region Stuttgart ist in zahlreichen Studien untersucht
worden, zuletzt im Leitbild‐ und Strategieprozess und im Strukturbericht 2013. Im Wesentli‐
chen besteht Einigkeit über alle Studien hinweg, dass die Region Stuttgart heute sehr gut
dasteht. Sie zählt zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Regionen Europas.31
Für die zukünftige Sicherung des Wohlstands besteht jedoch Handlungsbedarf, der bereits
erkannt ist. Hinweise auf den Handlungsbedarf sind die nachlassende Dynamik, die rückläu‐
fige Gründungsaktivität, der zunehmende Verlagerungsdruck und die erhöhte Krisenanfällig‐
keit.32 Es kann zu massiven Umbrüchen und Verschiebungen in der heutigen Wirtschafts‐
struktur kommen. Grund dafür ist unter anderem die in den nächsten Jahrzehnten erwartete
Substitution des Verbrennungsmotors als zentraler Technologie.33 Die Region Stuttgart steht
dann vor einem wesentlichen Strukturwandel.
Welche Faktoren in Zukunft über den Wohlstand der Region Stuttgart entscheiden, wird
ebenfalls einheitlich beurteilt. Neben der Herausforderung „Fachkräftemangel“ sind dies vor
allem die Fähigkeiten, den sich abzeichnenden Strukturwandel zu managen und eine stärke‐
re Gründungsdynamik zu schaffen.34

Handlungsfeld: Gründungsdynamik
Der Stärkung der Gründungsdynamik wird studienübergreifend eine besondere Bedeutung
zugemessen. Unter anderem wurde das Thema im Strukturbericht 2007 breit diskutiert.35
Den Institutionen der Region Stuttgart ist der Handlungsbedarf bewusst. Sie reagieren auf
die rückläufige Gründungsintensität seit Langem mit unterschiedlichen Aktivitäten und Pro‐
grammen. Es gibt beispielsweise zahlreiche Cluster und Netzwerke sowie unterschiedliche
Angebote der IHK für Gründer und diverse Initiativen, die insbesondere von der WRS ins Le‐
ben gerufen wurden und verantwortet werden.

31
   WRS (2013a), IMU / IAW (2007, 2009, 2011, 2013), BBSR / BSR (2012), IHK Region Stuttgart (2010b, 2007)
32
   WRS (2013a), VRS (2013b), IHK Region Stuttgart (2013, 2010a), ZEW (2011), IMU / IAW (2007)
33
   ELAB (2012). IMU / IAW (2009) Strukturbericht mir dem Schwerpunkt: Umbruch in der Automobilregion
34
   WRS (2013a), VRS (2013b), IMU / IAW (2013) Strukturbericht mir dem Schwerpunkt: Fachkräfte und Er‐
werbspersonenpotenzial
35
   IMU / IAW (2007) Strukturbericht mit dem Schwerpunkt Gründungen, siehe auch IHK Region Stuttgart (2010a,
2010b), VRS (2013v), WRS (2013a)

                                                                                                       16
Dennoch ist die Gründungsdynamik weiterhin rückläufig. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.
Dies belegt auch die Auswertung aus dem Leitbild‐ und Strategieprozess.36 Bis 1996 lag
Stuttgart – nach München – noch 20% über dem Bundesdurchschnitt bei Hightech‐
Gründungen.37 Seither ist eine sinkende Gründungsintensität zu verzeichnen, und aktuell
wandern Gründer von Stuttgart nach Berlin ab.38

5.2 Image der Region
Maßstab für die Bewertung des Images der Region Stuttgart ist die Ambition, mit der die
Region in die Zukunft blickt. Will sie langfristig in der ersten Liga in Europa mitspielen, muss
sie ein ebenbürtiges Image aufbauen, insbesondere auch bei Imagefaktoren, die über die
Wirtschaftskraft hinausreichen.
Grundsätzlich verbinden die Deutschen mit der Region Stuttgart positive Attribute. Die mit
Abstand stärkste Assoziation ist die als Wirtschaftsstandort.39 Das Image als starker Wirt‐
schaftsstandort allein ist jedoch für die Gewinnung neuer Fachkräfte nicht ausreichend. Im
Leitbild‐ und Strategieprozess wird belegt, dass die Region „im Benchmark mit deutschen
Metropolen … einen erkennbaren Rückstand in der Standortattraktivität für Fachkräfte und
Unternehmen hat“.40
Die von der Regio Stuttgart Marketing und Tourismus GmbH (RSM) und der Stuttgart Marke‐
ting GmbH (SM) in Auftrag gegebene Image‐Analyse von 2010 zeigt, dass ein Drittel aller
Deutschen der Region Stuttgart „emotional indifferent“ gegenüberstehen; ihr „emotionales
Profil“ ist unscharf.41 In einem W&V‐Markenranking von 2011 belegt die Stadt Stuttgart Platz
9 von 12 Städten. Den Stuttgartern haftet das Bild der „spießigen Schwaben“ an, verbunden
mit den Attributen: „Daimler, Spätzle, Stuttgart 21“.42

Handlungsfeld: Imageentwicklung
Das Thema ist nicht neu. Seit Langem setzt die Region Stuttgart darauf, ihr Potenzial als
weltbekannter Industriestandort für den Ausbau des Images zu nutzen. Das Standortmarke‐
ting der WRS richtet sich vorwiegend an Unternehmen. Die KulturRegion Stuttgart, eine Ini‐
tiative von 37 Städten und Gemeinden, hat sich zum Ziel gesetzt, das Image als Kulturregion
zu stärken. Der Strategieplan 2013 bis 2017 der Stuttgart Marketing GmbH und Regio Stutt‐
gart Marketing und Tourismus GmbH zielt darauf ab, das Image der gesamten Region für
Touristen zu verbessern.43
Auch wenn diese Initiativen für die jeweils gesetzten Ziele Erfolg haben, die notwendige
Weiterentwicklung des Images insgesamt wurde bisher nicht erreicht.

36
   WRS (2013a)
37
   ZEW (2008)
38
   ZEW (2012), sowie ZEW (2011) mit dem Titel: High‐Tech‐Gründungen in Deutschland ‐ Von Tabellenführern,
Auf‐ und Absteigern: Regionale Entwicklung der Gründungstätigkeit
39
   WRS (2013a), RSM / SM (2012), N.I.T. (2010)
40
   WRS (2013)
41
   N.I.T. (2010), RSM / SM (2012) siehe auch WRS (2008)
42
   W&V (2011), F.A.S. / Roland Berger (2008)
43
   RSM / SM (2012): 2011 wurde die Umsetzung der einer neuen Markenstrategie vereinbart, die die Städte
und Gemeinden der Region stärker als Einheit vertritt.

                                                                                                       17
Letztlich sind die Bewohner selbst auch Botschafter ihrer Region. Ihre Identifikation mit der
Region Stuttgart ist bis heute gering ausgeprägt. Sie fühlen sich mit der Region Stuttgart we‐
niger verbunden als mit ihrer Gemeinde oder ihrem Landkreis, Baden‐Württemberg,
Deutschland oder Europa.44

5.3 Lebensqualität
In der aktuellen Bürgerumfrage von 2013 bescheinigen die Bewohner der Region Stuttgart
eine hohe Lebensqualität und das in nahezu allen Aspekten.45
Interessant ist, dass in der Region das Kriterium „berufliche Bildung“ als sehr gut eingestuft
wird, auch wenn die Bildungsbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund gering
ist.46 Ebenso ist in der Region Stuttgart die Studierendendichte – im Vergleich mit anderen
Topregionen in Deutschland – geringer, und es gibt in der Region keine Eliteuniversität. Je‐
doch scheinen diese Defizite nicht als wesentliche Beeinträchtigung der Lebensqualität
wahrgenommen zu werden.47
Lediglich in Teilfeldern wird Entwicklungsbedarf erkennbar:
A) So fehlt es akut an Erzieherinnen, um die Kinderbetreuung in der Region sicherzustellen.
B) Generell werden die Infrastruktur‐Aspekte „Wohnen“ und „Verkehr“ als verbesserungs‐
   würdig eingestuft, und
C) langfristig werden neue Herausforderungen durch die zunehmende Zahl alter Menschen
   und deren Bedürfnisse entstehen.

Handlungsfeld: Regional abgestimmtes Vorgehen
In der Region wird sehr viel für die Lebensqualität getan. Die Bürgerumfrage zeigt aber auch,
dass es den Wunsch der Bevölkerung gibt, sich in den relevanten Fragen der Lebensqualität
auf regionaler Ebene besser abzustimmen und damit zu „gemeinsamen Regelungen" für die
Region zu kommen.48 Die Verbesserung der Lebensqualität in der Region Stuttgart ist somit
weniger ein inhaltliches, sondern stärker ein strukturelles Thema.
Die politische Struktur, die Konkurrenz der Landkreise und der umliegenden Städte hemmen
die Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel.
Es wäre wünschenswert, wenn sich die Region Stuttgart in sichtbaren Aktivitäten stärker
gemeinsam entwickeln würde, zum Beispiel bei der Kinderbetreuung.

5.4 Lebendige Szenekultur
Die Stadt Stuttgart ist eine Hochburg der klassischen Kultur: Attraktive Museen, ein Ballett
an der Weltspitze, eine Oper, die in den letzten Jahren regelmäßig als „Oper des
res“ ausgezeichnet wurde. Dieses zeigen auch die Zahlen. Die Stadt Stuttgart hat den höchs‐

44
   VRS (2013a) Ergebnisse der Bürgerumfrage Region Stuttgart 2013
45
   VRS (2013a)
46
   IMU / IAW (2013)
47
   WRS (2013a), VRS (2013a), PWC / HWWI (2012)
48
   VRS (2013a)

                                                                                             18
ten Anteil sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter in der Kulturwirtschaft und belegt im
Kulturstädteranking 2012 den ersten Platz.49
Für die Gruppe der 18‐bis 35‐Jährigen, die es anzuziehen und zu halten gilt, ist jedoch eine
andere Kultur ausschlaggebend. Sie wird von einer Szenekultur angezogen. Unter Szenekul‐
tur versteht man eine frei agierende avantgardistische Kulturszene, wie beispielsweise Rock‐
bands, Poetry Slam, Longboard‐Meisterschaften oder ein pulsierendes Nachtleben.

Handlungsfeld: Entwicklung lebendiger Szenekulturen fördern
Richard Florida hat in seinem Entwicklungskreislauf belegt, dass auch die „Kreative Klasse“,
die zukünftiges wirtschaftliches Wachstum bewirkt, vergleichbare Präferenzen hat.50 In der
Region Stuttgart ist die Bedeutung einer lebendigen Szenekultur bekannt. Es gibt einige Akti‐
vitäten, die diese stärken, so zum Beispiel die MedienInitiative Region Stuttgart, die Filmaka‐
demie oder das Hiphop Open.
Die aktive Entwicklung einer lebendigen Szenekultur steht jedoch weder auf der Agenda der
Region Stuttgart noch auf der der wirtschaftlichen Kulturförderung.

5.5 Anerkennung und Toleranz
Im Rahmen der Studie „Kreative Klasse in Deutschland“ wurde 2010 bundesweit ein soge‐
nannter Toleranzindex erhoben. Der Index vergleicht den Ausländeranteil und den Wähler‐
anteil rechtsextremer Parteien bei der Europawahl 2009. Ein hoher Ausländeranteil und ein
geringer Wähleranteil rechtsextremer Parteien führen zu einer positiven Bewertung. In die‐
sem Index schneidet die Region Stuttgart überdurchschnittlich gut ab.51 In einer ähnlichen
Studie der F.A.S. und Roland Berger 2008 wurde ein anderer Toleranzindex für die Bewer‐
tung deutscher Großstädte herangezogen. Die Stadt Stuttgart belegte hier Platz 7 von 10.52
Doch reicht dies mit Blick auf die Attraktivität für umworbene Fachkräfte aus aller Welt aus?

Handlungsfeld: Breit gelebte Willkommens‐ und Anerkennungskultur aufbauen
In den Expertenkreisen wurde das Thema „Anerkennung und Toleranz“ an verschiedenen
Beispielen intensiv diskutiert und als Handlungsfeld für die Region Stuttgart klar definiert.
Ein aussagekräftigerer Toleranzindex müsste jedoch mehr Messgrößen enthalten, so zum
Beispiel die Bildungsbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund, die Anzahl aus‐
ländischer Arbeitnehmer in Führungspositionen oder die Möglichkeit, als Ausländer in der
Region ebenso unproblematisch wie Einheimische Wohnraum zu finden. Dadurch würden
sich Handlungsfelder erkennen lassen, in denen sich die Region Stuttgart weiterentwickeln
müsste.
Die Initiative der Bundesregierung „Willkommens‐ und Anerkennungskultur in Deutsch‐
land“ wird auch in der Region Stuttgart aufgegriffen. Die Fachkräfteallianz der Region Stutt‐
gart macht sich für eine Willkommenskultur stark, die auf ausländische Fachkräfte zielt.

49
   HWWI / Berenberg (2012)
50
   Florida (2002)
51
   Agiplan (2010). siehe auch Wissenschaftsdienst (2011)
52
   F.A.S. / Roland Berger (2008)

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