Unterwegs - Arche Deutschland-Österreich

 
WEITER LESEN
Unterwegs - Arche Deutschland-Österreich
unterwegs
                                                                Rundbrief der Arche Deutschland und Österreich
                                                                                                  Ausgabe 20      Sommer 2020

                                                                                         Corona-
                                                                                         Geschichten
                                                                                         Die Covid-19-Pandemie hat
                                                                                         über Monate das soziale Leben
                                                                                         beeinträchtigt. Auch in den Archen
                                                                                         hat sich durch die Einschränkungen
                                                                                         vieles verändert. Wie haben sie die
                                                                                         „Corona-Zeit“ erlebt? Wir haben
                                                                                         Erfahrungsberichte aus den
                                                                                         Gemeinschaften in Deutschland
                                                                                         und Österreich, in Schottland und
                                                                                         Uganda gesammelt.

                                                                                                      > Siehe dazu die Seiten 2-3

Liebe Freundinnen und Freunde der Arche,                                                                Arche Tirol:
                                                                                                        Die neue Leiterin
                                                                                                        Sidonie Tomaschitz
                     Diesen Frühling und Som-       und Beeinträchtigungen auch
                     mer werden wir wohl alle       manche positive Erfahrung mit                       Seite 6
                     noch lange im Gedächtnis       sich. Einiges davon haben wir in
                     behalten: Ein Virus hat die    diesem Heft zusammengetragen.                       Arche Uganda:
                     ganze Welt verändert. Wo-                                                          Erfahrungen einer
                     chen von Kontaktverboten,      In ärmeren Ländern waren die Ein-                   Freiwilligen
                     die Absage nahezu aller        schnitte für die Arche-Gemein-                      Seite 8
                     öffentlicher Veranstaltun-     schaften zum Teil noch drastischer
    Thomas Bastar gen einschließlich der            als bei uns. Wegen Ausgangssper-                    „Superhelden“:
ist verantwortlich Gottesdienste, dann die          ren blieben etwa Lebensmittel-                      Stellungnahme zum
für die Öffentlich- Maskenpflicht. Zum Glück        spenden aus. Arche-Mitglieder, die                  Pränatal-Test
        keitsarbeit mussten wir über keine          in ihren Familien leben, durften
                                                                                                        Seite 10
                     Erkrankungen berichten.        nicht mehr die Werkstätten und
              Doch für die Arche-Häuser galten      Tageseinrichtungen besuchen. Für
                                                                                                        Eine von 10.000:
              besondere Hygiene-Maßnahmen           die von Corona betroffenen Archen
                                                                                                        Manca Kastelic
              und ein striktes Besuchsverbot.       in ärmeren Ländern, aber auch für
                                                                                                        aus Slowenien
                                                    alle anderen Aufgaben der Archen
             Die stille „Corona-Zeit“ brachte al-   weltweit bitten wir daher um Ihre                   Seite 12
             lerdings neben allen Einschnitten      Spende. Bleiben Sie gesund!
Unterwegs - Arche Deutschland-Österreich
2   Miteinander unterwegs                20/2020

Corona-Geschichten
Die weltweite Pandemie hat auch das Leben der Arche stark betroffen. Wir erfuhren schmerzhafte
Einschränkungen, manche erlebten aber auch beglückenden Momente und machten schöne Erfahrungen

Frühlingsgefühle                                Urlaub ohne Koffer                              gehen und Elisabeth legte einen „Well-
                                                                                                ness-Beauty-Tag“ beim Frisör ein. Kulina-
Es war im März 2020: Die Geschäfte, die         Auch wenn wir für diesen Urlaub keine           risch zog es uns Richtung Asien mit ver-
Straßen und die Kirchen waren leer. Nie-        Koffer packen mussten, hätte eine Weltrei-      schiedenen Currys und gebratenen Nudeln.
mand kam aus den Häusern heraus. Viele          se nicht spannender sein können als unser       Tag drei wurde zum Urlaubs-Highlight:
hatten Angst und waren traurig, aber der        Urlaub in Tecklenburg. Gleich am ersten         Wir gingen in den Zoo! Vor allem Dieter
Frühling wusste das nicht. Der Schnee ist       Tag stand ein Abenteuer an: der Baumwip-        war von den Pinguinen gar nicht mehr weg-
geschmolzen, die Sonne strahlte. Die Men-       felpfad in Bad Iburg. Mutig begaben wir         zubekommen. Und was wäre ein Urlaub
schen haben Masken getragen und sie durf-       uns in luftige Höhen und wanderten über         ohne eine gute Party? Wie praktisch, dass
ten ihre Lieben nicht besuchen und umar-        den Baumwipfeln. Dabei lernten wir eini-        Jörg Geburtstag hatte. So feierten wir mit
men; aber der Frühling wusste das nicht.        ges über den Wald und seine Bewohner.           Kaffee und Kuchen und einem „Tanztee“.
Die Bäume haben Knospen getragen, die           Zurück am Boden hatten wir uns den Ca-
Vögel haben noch lebendiger gesungen.           fébesuch redlich verdient. Am Abend nahm        Den letzten Urlaubstag verbrachten wir

            unterwegs
                                                uns Anna mit nach Italien und zeigte uns,       entspannt am Torfmoorsee und am Abend
Es war im Frühling, als viele Menschen wie-     wie wir Gnocchi nicht nur richtig ausspre-      in einem Restaurant mit leckerem Essen,
derentdeckten, wie schön es ist, in der Fami-   chen, sondern auch zubereiten. Molto bene!      viel Lachen und guter Laune. Man muss al-
lie gemeinsam zu essen und zu spielen. Wir                                                      so manchmal gar nicht weit weg fahren, um
sind kreativer geworden. Wir haben wieder       Am zweiten Tag machten einige eine Wan-         etwas zu erleben.
Briefe geschrieben und „online“ Kaffee ge-      derung, andere ließen es sich zu Hause gut          Sarah Niggemann, Arche Tecklenburg
trunken mit unseren Lieben. Wir haben uns
über kleine Dinge gefreut.

Es war Frühling, als das Leben langsamer
und ruhiger wurde. Wir haben Zeit als Ge-
schenk bekommen: auf uns und aufeinan-
der zu schauen, miteinander und füreinan-
der zu beten, das Leben zu schätzen. Dann
kam der Sommer. Es war ein wunderschö-
ner Tag, als die Menschen wieder aus den
Häusern herauskamen, hinter den Masken
ein Lächeln trugen und wussten, wie wert-
voll das Leben, die Zeit und der Glaube
sind.            Laura Szabo, Arche Tirol
                                                Herzlicher Spaß: drei „maskierte“ Assistentinnen aus der Arche Tirol

Entspannte Zeiten                               etwa bei Spaziergängen, beim Erdbeerpflü-       die Assistent/-innen aufmerksam reagiert
                                                cken und bei Gymnastikübungen im Haus.          und auch einige Bewohner/-innen sind be-
„Die Entschleunigung während des Shut-          Bewohner/-innen, die nicht sehr verkehrssi-     müht gewesen, alle im Haus wieder zusam-
downs hat uns nicht nur Schwierigkeiten         cher sind, wurden öfter beim Fahrradfah-        men zu bringen, berichtet Bianca Berger.
bereitet, sondern auch sehr gutgetan“, be-      ren begleitet. Der positive Nebeneffekt: Alle
richtet Bianca Berger, Gemeinschaftsleite-      haben an Gewicht abgenommen.                    Nicht zuletzt hat das spirituelle Leben der
rin der Arche Landsberg. Viele im Haus                                                          Gemeinschaft profitiert. Beim Morgengebet
seien trotz der starken Einschränkungen         „Ich habe gestaunt, wie gut unsere Bewoh-       – sonst nur mit den Assistent/-innen im
deutlich entspannter gewesen. Der Garten        nerinnen und Bewohner mit den Ein-              Haus – war nun die ganze Gemeinschaft
war selten so gepflegt. Es wurde gemein-        schränkungen umgegangen sind“, sagt die         beisammen. Auch die Gottesdienste musste
sam musiziert und Kulinarisches auspro-         Gemeinschaftsleiterin. Denn fast alles, was     die Arche ohne externe Geistliche eigen-
biert. Verzierte Steine schmücken jetzt         sie sonst gern tun, war ja nicht möglich.       ständig kreativ gestalten. Bianca Berger:
Haus und Garten – und manche Wege in            Kontakte haben sie per Briefpost oder digi-     „Wir konnten um Hilfe und Beistand bitten
der Stadt. „Die gemeinsamen Aktionen ha-        tal gepflegt. Auch Konflikte waren relativ      und auch unsere Dankbarkeit zum Aus-
ben uns alle stärker zusammengeschweißt“,       selten, obwohl doch alle von morgens bis        druck bringen – über unsere Gemeinschaft,
so Bianca Berger. Auch die Bewegung kam         abends beisammen sein mussten. Als nach         den schönen Garten – und dass alle gesund
während der Corona-Zeit nicht zu kurz:          einiger Zeit Cliquenbildung drohte, haben       geblieben sind.“            Thomas Bastar
Unterwegs - Arche Deutschland-Österreich
Miteinander unterwegs 20/2020   3

                                                                                                    Der Feiertag

                                                                                                    Anny wohnt im Arche-Haus in St.
                                                                                                    Jodok/Tirol. Der Wochenrythmus
                                                                                                    mit wiederkehrenden Aktivitäten
                                                                                                    und der Jahreskreis mit den Jahres-
                                                                                                    zeiten und Feiertagen geben ihr viel
                                                                                                    Orientierung. Wenn zum Beispiel
                                                                                                    das Schwimmen am Freitag entfällt,
                                                                                                    geschieht dies aufgrund eines beson-
                                                                                                    deren Anlasses oder eines Feiertages.
                                                                                                    An ihrem Geburtstag im Mai rief ich
                                                                                                    sie an. Anny fragte mich: „Wann ge-
     Glücksmomente: Erdbeeren                                                                       hen wir wieder schwimmen?” Ich
   pflücken in Landsberg, Besuch                                                                    sagte ihr, dass das zur Zeit nicht geht,
         des Zoos mit der Arche                                                                     weil die Schwimmbäder geschlossen
  Tecklenburg, das erste Eis nach                                                                   haben. Darauf erwiderte Anny: „Co-
   Wiedereröffnung der Eiscafés                                                                     rona heißt der Feiertag.”
                   in Ravensburg                                                                      Gottfried Lamprecht, Arche Tirol

Schwere Verluste                               Überstürzte Abreise                           Zwar hatte ich die Entwicklung der Co-
                                                                                             vid-19-Pandemie schon zuvor in den Nach-
Die Arche in Schottland und in ganz Groß-      Für einen Freiwilligendienst in der Arche     richten mitverfolgt. Doch für mich schien
britannien profitiert sehr von Assistentin-    Uganda hatte ich mich im August 2019 auf      dieses Geschehen zunächst noch ganz weit
nen und Assistenten aus Deutschland. Eini-     den Weg gemacht, um ein Jahr lang dort zu     weg zu sein. Uganda hatte bis zu meiner
ge kommen für ein Jahr, oft über eine          leben und mitzuarbeiten. Doch knapp in        Abreise keinen einzigen bestätigten Coro-
Freiwilligenorganisation. Andere kommen        der Hälfte meiner Dienstzeit hat Corona       na-Fall. Die Schulen waren noch geöffnet,
und bleiben länger. Dafür sind wir sehr        mir einen Strich durch die Rechnung ge-       eine Ausgangssperre war nicht in Sicht.
dankbar. Als Mitte März in Großbritannien      macht. Nach sieben wundervollen Monaten
die Zahl der Covid-Infektionen zu steigen      in der Arche hat meine Entsendeorganisati-    Die Situation begann sich zu verändern, als
begann, entstand für viele Freiwillige ein     on Eirene – auf Empfehlung des Bundesent-     plötzlich einige der Nachbarländer Ugandas
schmerzhafter Loyalitätskonflikt. In der Ar-   wicklungsministeriums – entschieden,          die ersten Corona-Infektionen bestätigten.
che Edinburgh zum Beispiel mit insgesamt       mich und meine Mitfreiwilligen nach           Die Regierung Ugandas reagierte sehr
44 Assistent/-innen arbeiteten sechs junge     Deutschland zurückzuholen.                    schnell und, ehe man sich versah, waren die
Leute aus Deutschland. Die deutsche Regie-                                                   Grenzen geschlossen und andere Maßnah-
rung verlangte von ihnen zurückzukehren                                                      men beschlossen, um die Menschen vor der
– und ihre Familien wünschten verständli-                                                    Pandemie zu schützen. Auch in der Arche
cherweise dasselbe. Alle sechs und vier wei-                                                 wurden Vorsichtsmaßnahmen getroffen:
tere Freiwillige aus anderen Ländern verlie-                                                 Gründliches Händewaschen und andere
ßen die Gemeinschaft. Es war der größte                                                      Hygieneregeln gehörten nun fest zu unse-
Verlust innerhalb einer Woche seit Grün-                                                     rem Alltag. Zudem mussten die Assis-
dung der Arche Edinburgh vor 30 Jahren.                                                      tent/-innen, die außerhalb leben, zu Hause
Für die Archen war das ein Schock. Die Ge-                                                   bleiben.
meinschaftsleiter/-innen baten daraufhin
Menschen, die bereits in irgendeiner Weise                                                   In den Monaten, in denen ich in der Arche
mit der Arche zu tun hatten, um Mithilfe.                                                    lebte, sind mir viele der Assistent/-innen
                                                                                             und Bewohner/-innen sehr ans Herz ge-
Fünf der sechs deutschen Assistent/-innen                                                    wachsen. Es fiel mir schwer, sie nun so über-
wären gern im Sommer für einige Wochen                                                       stürzt verlassen zu müssen. Während einer
nach Edinburgh zurückgekehrt, konnten es                                                     kleinen Abschiedsfeier habe ich es genos-
aber nicht wegen der Quarantäne-Vor-                                                         sen, ein letztes Mal in der großen Runde
schriften. Immerhin hat die Arche drei                                                       zusammen zu sitzen. Meine Abreise erfolg-
neue Freiwillige aus Deutschland gefunden,                                                   te gerade rechtzeitig. Denn ein Tag später
die im September beginnen. Alle britischen                                                   wurde auch der Flughafen geschlossen.
Archen suchen weiterhin Assistent/-innen                                                                  		                  Jule Welling
und ich ermutige jede/n, sich zu bewerben.
   Anthony Kramers, Regional-Leiter der        So geht der Corona-Gruß: Jule Welling und     Mehr über die Erfahrungen von Jule Welling
   Arche für Schottland und Nordengland        eine Bewohnerin der Arche Uganda              in der Arche Uganda ist auf Seite 8 zu lesen.
Unterwegs - Arche Deutschland-Österreich
4   Miteinander unterwegs           20/2020

Auf dem Weg zu einem Schutzkonzept für
alle Menschen, die in der Arche leben
Die Enthüllungen über den
geistlichen und sexuellen
Missbrauch durch den
Arche-Gründer Jean Vanier
haben alle in der Arche
schockiert. Die Verarbeitung
dieser erschreckenden Taten
wird noch Zeit brauchen.
Wir haben aber sogleich
unsere Konzepte zur
Prävention von Missbrauch
einer Überarbeitung
unterzogen. Das Ziel ist es,

          unterwegs
für alle in der Arche eine
bestmögliche Sicherheit
zu gewährleisten
                                  Ablaufplan für ein Schutzkozept, entworfen von der Internationalen Arche

         Am Anfang standen Erschütterung und Trauer. Wohl          Menschen mit Behinderung waren hiervon nicht be-
         alle Mitglieder der Arche weltweit waren schockiert zu    troffen.
         erfahren, dass der Arche-Gründer Jean Vanier in geist-
         lichen und sexuellen Missbrauch verstrickt gewesen ist.   Wir haben die Ergebnisse der Untersuchung in
         Nachdem die Missbrauchstaten seines geistlichen Men-      Deutschland und Österreich durch eine Presseerklä-
         tor P. Thomas Philippe 2015 bekannt geworden waren,       rung, einen Newsletter und einen Beitrag auf unserer
         gab es Hinweise von Frauen, die auch Jean Vanier be-      Website bekannt gemacht. Im deutschsprachigen
         schuldigten. Die Internationale Arche hat dies durch      Raum gab es dazu rund 30 Veröffentlichungen, über-
         eine externe Organisation untersuchen lassen. Die Er-     wiegend in regionalen und kirchlichen Medien, die
         gebnisse wurden im Februar 2020 veröffentlicht. Sie       weitgehend sachlich und ausgewogen über die Er-
         belegen, dass der Arche-Gründer Jean Vanier nicht nur     kenntnisse berichteten. Negative und teilweise auch
         früh von den Missbrauchstaten seines geistlichen Men-     polemische Berichte, wie sie in anderen Ländern wie
         tors gegenüber erwachsenen Frauen wusste, sondern         den USA und Kanada vor allem in den Sozialen Medien
         dass er auch selbst im Rahmen geistlicher Begleitung      kursierten, tauchten in Deutschland und Österreich
         gegenüber Frauen sexuelle Übergriffe begangen hat.        nicht auf.

                                                                                                                     Schutz
                                                                                                                     für alle:
                                                                                                                     Gruppenbild
                                                                                                                     während der
                                                                                                                     Begegnungs-
                                                                                                                     tage 2019
Unterwegs - Arche Deutschland-Österreich
Miteinander unterwegs 20/2020   5

Die erste Konsequenz aus diesen erschreckenden Er-
kenntnissen über Jean Vanier war zu beraten, wie wir
die Missbrauchstaten auf unserer Website angemessen
darstellen können. Wir haben entschieden, dafür dau-
erhaft eine eigene Unterseite einzurichten und dort
zugleich die Präventionsmaßnahmen zu skizzieren, die                                        Corina Demmeler,
Missbrauch künftig verhindern sollen. So können wir
transparent mit den Geschehnissen umgehen.
                                                                                            Bewohnerin der
                                                                                            Arche Landsberg
Auf der Ebene der Internationalen Arche wurde ein
Komitee aus Mitgliedern des internationalen Leitungs-
teams und des internationalen Aufsichtsrats eingerich-      Corina Demmeler ist Gründungsmitglied der Arche Landsberg und
tet, das die Nachbereitung der Untersuchung koordi-         wohnt seit sechs Jahren im „Ambulant Betreuten Wohnen“ der Ge-
niert. Dazu wurden Arbeitsgruppen eingerichtet zu           meinschaft. Ein Ausdruck ihres Glaubens ist es, dass sie regelmäßig in
folgenden Themen: Prävention und Fortbildung, Ge-
                                                            den katholischen Kirchen in Landsberg und Erpfting als Ministrantin
schichte der Arche, Präventions-Praxis sowie ein Unter-
stützungsteam für die Opfer sexuellen Missbrauchs.          tätig ist. Sie singt im „Rabenchor“, der mehrmals im Jahr den Gottes-
Zudem soll zukünftig in regelmäßigen Abständen eine         dienst mitgestaltet, und hilft ehrenamtlich beim Senioren-Café.
externe Evaluation der Präventions-Praxis der Arche
                                                            Corina, woran glaubst Du?
durchgeführt werden.
                                                            Corina: An Gott.
In der Arche Deutschland und Österreich haben wir
                                                            Wenn ich mich über etwas freue,
unsere Präventionspraxis neu bedacht. Dazu haben wir
begonnen, den von der Internationale Arche im vergan-       zum Beispiel wenn wir in Urlaub fahren.
genen Jahr verabschiedeten Verhaltenskodex an unsere        Gott hat für mich etwas mit Freude zu tun.
Gegebenheiten anzupassen. In einem ersten Schritt           Ich gehe ministrieren, weil ich an Gott glaube; weil mich das freut.
haben sich die Vorstände der vier Arche-Gemeinschaf-
ten sowie der Arche Deutschland und Österreich mit          Warum glaubst Du an Gott?
dem Verhaltenskodex befasst und Änderungswünsche
                                                            Corina: Ich brauche Gott, wenn jemand gestorben ist,
formuliert. Dabei ging es um unklare Formulierungen
in der Übersetzung, um den Wunsch, neben Miss-              dass man dann beten kann dafür.
brauch auch andere Übergriffe wie Gewalt, Diebstahl
                                                            Was liegt Dir am Herzen?
oder Mobbing im Kodex zu berücksichtigen und um
die Frage, in welchen Situationen externe Ansprech-         Corina: Dass ich bald wieder meinen Bruder besuchen kann und
partner einzubeziehen sind. Auch ob Bewohner/-innen         die Hunde Lara und Nero wiedersehe.
den Kodex unterzeichnen sollten und deshalb eine
                                                            Und auch die Arche-Gemeinschaft hier in Landsberg, aber auch
Übersetzung in Leichte Sprache nötig sei, soll bedacht
werden. Diese umfangreichen Rückmeldungen werden            die anderen Arche-Gemeinschaften.
in den kommenden Monaten von einer Arbeitsgruppe,
                                                            Was trägt Dich, worauf kannst Du Dich verlassen?
bestehend aus Vertreter/-innen der verschiedenen Ge-
meinschaften, bearbeitet. Das Ziel ist es, den Verhal-      Corina: Dass die Assistentinnen und Assitenten mir alles
tenskodex Ende des Jahres fertigzustellen und in den        mitteilen, was mich betrifft.
Gemeinschaften zu implementieren.
                                                            Und dass Gott da ist, wenn ich an jemanden denke.
Der nächste Schritt wird dann sein, ein übergreifendes      Worauf hoffst Du?
institutionelles Schutzkonzept zu entwickeln, um die
Prävention in der Arche gut zu verankern. Dieses            Corina: Dass nächstes Jahr die Begegnungstage stattfinden!
Schutzkonzept beinhaltet neben dem Verhaltenskodex          Dass Gott für mich da ist, wenn etwas traurig ist.
eine Risikoanalyse, die offenlegt, wo die „verletzlichen“
                                                            Zum Beispiel als ich geweint habe, als mein Arm gebrochen war.
Stellen unserer Institution liegen. Zudem soll dazu ge-
hören: Personalauswahl, Fortbildungen, Führungs-            Was macht Gott?
zeugnis, das Melde- und Beschwerdeverfahren und ein
Aktionsplan, wie bei Verdacht sexuellen Missbrauchs         Corina: Beten und Singen.
genau zu verfahren ist. Auch wenn derzeit noch man-         		                                Die Fragen stellte Bianca Berger
ches unklar und offen ist, so hat sich die Arche Deutsch-
land und Österreich auf den Weg gemacht, aus den er-
schreckenden Enthüllungen zu lernen und für einen
guten Schutz aller ihrer Mitglieder zu sorgen.
		                      Claus Michel, Leiter der Arche
		                        Deutschland und Österreich
Unterwegs - Arche Deutschland-Österreich
6   Miteinander unterwegs                 20/2020

„Ich bin mit
der Arche
mitgewachsen“
Sidonie Tomaschitz (46) gehört seit 26 Jahren
zur Arche Tirol. Seit März 2020 ist sie die neue
Leiterin der Gemeinschaft

Liebe Sidonie, herzlichen Glückwunsch zu
deiner Ernennung als Leiterin der Arche
Tirol! Wie bist du zur Arche gekommen?
Sidonie Tomaschitz: Ich komme ursprüng-
lich aus Kärnten. Nach meiner Matura (Abi-
tur) habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr
in der Arche Tirol in Gries gemacht. Das war
im Jahr 1994. Eigentlich wollte ich nur die-                   Sidonie

             unterwegs
ses eine Jahr dort verbringen. Doch dann ist                Tomaschitz
es weitergegangen – und ich bin in der Ar-
che geblieben. Ich habe berufsbegleitend in
Innsbruck eine Ausbildung zur Fachsozial-         im Dienstplan klare Arbeitszeiten festle-        Was wünscht du dir für deine neue Aufgabe?
betreuerin gemacht und dann Pädagogik             gen. Trotzdem können wir gut Gemein-             Sidonie: Gegenseitiges Vertrauen wünsche
studiert. Während dieser ganzen Zeit habe         schaft leben, auch wenn wir nicht zehn           ich mir vor allem. Das ist mir ja entgegenge-
ich in der Arche mitgearbeitet, ab 2002 im        Stunden lang im Haus sind.                       bracht worden, als ich für diese Stelle vor-
damals neu gegründeten Haus in St. Jodok,                                                          geschlagen worden bin. Wichtig sind auch
später in der Arche-Werkstatt. 2007 habe          Was hat dich an der Arche begeistert, dass       ein gutes Miteinander, eine gute Gesprächs-
ich das Studium abgeschlossen und danach          du vor 25 Jahren einfach in der Arche geblie-    kultur und gute Beziehungen zu den Be-
die Hausleitung in St. Jodok übernommen.          ben bist und heute noch dazu gehörst?            wohnerinnen und Bewohnern.
In den vergangenen zwei Jahren habe ich           Sidonie: Ganz am Anfang war es wie ein
noch eine Spezialausbildung zum Thema             Funke, der übergesprungen ist. Diese Idee        Was waren Herausforderungen in den ersten
Autismus gemacht.                                 vom Zusammenleben mit Menschen mit               Monaten für dich?
                                                  geistiger Behinderung hat mich begeistert.       Sidonie: Eine echte Herausforderung in
Du bist jetzt seit 26 Jahren in der Arche.        Das war natürlich ein Idealbild, das wir da-     den ersten Monaten als Leiterin der Arche
Dann bist du wohl mittlerweile die dienstäl-      mals hatten. Heute sehe ich manches realis-      Tirol war es für mich, die Fülle der verschie-
teste Mitarbeiterin der Arche Tirol?              tischer. Das war eine Entwicklung, eine Ba-      denen Themen zu bearbeiten: von den viel-
Sidonie: Genau, ich bin nicht die Älteste,        lance zu finden zwischen dem Idealismus          fältigen Aufgaben in unserer Gemeinschaft
aber die Dienstälteste (lacht). In all den Jah-   und der manchmal nicht so idealen Reali-         über die Öffentlichkeitsarbeit bis zur Ebene
ren habe ich mich mit der Arche zusammen          tät. Für ein gutes Zusammenleben zum             der Arche Deutschland und Österreich. Zu-
verändert und bin mit der Arche mitge-            Beispiel braucht man nicht zehn Stunden          dem war es während der Corona-Zeit eine
wachsen.                                          zusammen zu sein. Wichtig ist die Auf-           besondere Herausforderung, die geeigne-
                                                  merksamkeit füreinander im Alltag. Ge-           ten Maßnahmen umzusetzen, damit alle
Wie hat sich die Arche denn verändert in die-     meinschaft leben heißt die Feste zu feiern,      gesund bleiben.
sen 26 Jahren?                                    wie sie fallen – von den kirchlichen Feierta-
Sidonie: Am Anfang war es diese ganz klei-        gen bis zu den Geburtstagen –, und ebenso,       Als Letztes: was bedeutet es dir, dass die Ar-
ne Gemeinschaft in Gries mit vier Bewoh-          dass man sich nach der Arbeit zusammen-          che ein internationales Netzwerk ist?
ner/-innen. Da hat sich alles rund um die         setzt und gemeinsam einen Kaffee trinkt.         Sidonie: Die Internationalität der Arche
Hausgemeinschaft herum abgespielt. Wir                                                             war für mich immer inspirierend. Ich durf-
haben damals sehr viel Zeit miteinander           Die Arche ist ja auch eine spirituelle Gemein-   te bei zwei Föderationstreffen dabei sein, in
verbracht. Wir haben nicht die Arbeitszei-        schaft. Was ist dein spiritueller Hintergrund?   Atlanta und in Belfast. Es war beeindru-
ten eingeteilt, sondern nur unsere Pausen.        Sidonie: Ich bin in der katholischen Tradi-      ckend zu erleben, dass wir zu einer so gro-
Dann ist die Arche größer geworden, und           tion aufgewachsen. Was ich in der Arche          ßen weltweiten Gemeinschaft gehören. Es
auch die rechtlichen Rahmenbedingungen            gelernt habe, ist ein weiter Blick, dass die     ist aber auch eine Herausforderung, die
haben sich verändert, so dass es einfach          Grenzen zwischen den Konfessionen flie-          Balance zu halten: den Blick auf den Alltag
nicht mehr geht, dass wir so viel Stunden         ßend sind. Wir versuchen das auch in unse-       in Tirol zu richten und sich zugleich den
wie früher arbeiten. Heute ist alles geregel-     ren Gottesdiensten zu leben, die ja oft sehr     Blick in die weltweite Arche zu erhalten.
ter und auch abgegrenzter. Jetzt müssen wir       kreativ und unkonventionell sind.                         Die Fragen stellte Thomas Bastar
Unterwegs - Arche Deutschland-Österreich
Miteinander unterwegs 20/2020   7

     Dafür brauchen wir Ihre/Eure Spende!
                             Ein neues Dach für die                       Corona-Hilfe für die
                             Arche Ravensburg                             Arche Chennai

                               In der Arche Ravensburg leben seit         Die Arche in Chennai/Indien
                               mehr als 20 Jahren Menschen mit            ist die Partnergemeinschaft
                               und ohne Behinderung unter einem           der Arche Ravensburg. Auch
                               Dach. Nach Fertigstellung des Neu-         in Indien, das stark von der
                               baus nimmt die Gemeinschaft nun            Pandemie betroffen ist, gilt
                      die dringend erforderliche Sanierung des            ein Besuchsverbot für Ein-
                      Altbaus in Angriff. Vor allem ein dichtes           richtungen mit Menschen
                      Dach ist nötig. Dafür gibt es nur begrenzt          mit Behinderung. Daher be-
                      öffentliche Fördermittel. Wir rechnen mit           kommt die Arche derzeit
                      einer Bausumme von rund 700.000 Euro.               deutlich weniger Lebensmittelspenden. Wir
                      Spenden helfen, das aufzunehmende Darle-            wollen die Gemeinschaft in dieser schwieri-
                      hen so niedrig wie möglich zu halten. Spen-         gen Situation finanziell unterstützen. Spen-
                      den-Stichwort: Ravensburg Dach.                     den-Stichwort: Corona-Hilfe Chennai.

                                Ideen für Unterstützerinnen und Unterstützer

    •  Geburtstagsfeier, Jubiläum, Hoch-         •   Auf der Spendenplattform www.            •  Auch wer im Internet einkauft,
    zeit, Trauerfall: Es gibt viele Anlässe,     betterplace.org kann jede/r eine eige-       Reisen bucht oder Handyverträge ab-
    Geschenke für ein Arche-Projekt              ne Online-Spendenaktion starten.             schließt, kann dabei die Arche unter-
    zu erbitten. Entweder die Geschenk-          Dabei kann entweder die Spendenseite         stützen. Dazu muss man über das Web-
    spenden werden während der Feier             der Arche Solidarität (für Simbabwe)         portal www.wecanhelp.de auf die
    gesammelt und dann überwiesen oder           als Spendenzweck angegeben oder ein          Seite des Anbieters gehen. Also einfach
    die Gäste werden gebeten, einzeln auf        eigenes Arche-Spendenprojekt ins Le-         einloggen, die Arche als Spenden-
    unser Konto einzuzahlen. In jedem Fall       ben gerufen werden (dazu bitte Rück-         empfänger angeben, dann einkaufen.
    versenden wir gern Spendenbescheini-         sprache mit unserem Fundraiser Tho-          Die Spenden, welche die Firmen aus-
    gungen.                                      mas Bastar: Kontaktdaten siehe Seite 12).    schütten, kommen so der Arche zugute.

Mit einem Dauerauftrag, z.B. 20 Euro im Monat, unterstützen Sie unsere Arbeit am besten.

Bitte ausschneiden oder kopieren und im Geldinstitut abgeben. Spendenkonto: Arche Deutschland und Österreich e.V.
bei der Kreissparkasse Steinfurt. IBAN: DE61 4035 1060 0031 1130 61, BIC: WELADED1STF

Auftraggeber/-in                                                    Geldinstitut

IBAN                                                                BIC

Ich / Wir spende/n monatlich / zweimonatlich / vierteljährlich / halbjährlich* ab      2020      Euro.
Verwendungszweck: Solidarität / Deutschland-Österreich / Ravensburg Dach / Corona-Hilfe Chennai / anderes Projekt:

Ort, Datum, Unterschrift                                                                                    * Nichtzutreffendes bitte streichen
Unterwegs - Arche Deutschland-Österreich
8   Miteinander unterwegs               20/2020

Die kleinen Momente,
die Freude machen
Jule Welling war als Freiwillige in der Arche Uganda, bis die
Corona-Pandemie sie zwang, vorzeitig zurückzukehren. Hier schildert
sie ihre Erlebnisse in der ostafrikanischen Gemeinschaft

Die Vorbereitung auf meinen Freiwilligen-      grund seiner Hautfarbe nicht in der Men-
dienst durch die Entsendeorganisation          schenmenge verstecken kann. Es brauchte
Eirene war intensiv: Nach Infoseminar, Be-     seine Zeit, bis ich mich an die häufigen Ru-
werberseminar und einem Vorbereitungs-         fe „Muzungu“ gewöhnte. Das heißt Frem-
wochenende folgte der zweiwöchige Aus-         der oder Verirrter und wird allen Menschen
reisekurs, bei dem wir uns mit Themen wie      hinterhergerufen, die eine etwas hellere
Selbstwahrnehmung, Erwartungen an uns          Hautfarbe haben als die meisten Ugander.
selbst, Ängste und Abschied von Freunden
und Familie beschäftigten. Zusätzlich hat-     Danach suchte ich für eine erste Orientie-
ten wir zur länderspezifischen Vorberei-       rungswoche meinen Einsatzort auf, die Ar-

            unterwegs
tung die Möglichkeit, mit zwei ehemaligen      che, die in einem Vorort von Kampala liegt.
Uganda-Freiwilligen zu sprechen.               Dort wurde ich herzlich und mit ganz vie-
                                               len Umarmungen empfangen – vor allem
Dann ging es los: Nach einem rund zwölf-       von George, der, wie ich schnell gemerkt
stündigen Flug kamen wir gegen sieben          habe, Umarmungen über alles liebt. Leider
Uhr am Morgen in Uganda an. Meinen ers-        erwischte mich gleich am zweiten Abend
ten Eindruck, als ich aus dem Flugzeug         Malaria – trotz Prophylaxe, langer Kleidung
stieg, werde ich so schnell nicht vergessen:   und Mückenspray. Bis zum Ende der Wo-
kleine grüne Hügel, rötlich gefärbter Boden    che lag ich flach. Danach lernte ich in einem
und die Sonne, deren einzelne Strahlen in      Vier-Wochen-Kurs die Landessprache Lu-
der Morgendämmerung bereits hinter den         ganda und stieg dann voll in die Arbeit in
Wolken hervorschienen. Einfach unbe-           der Arche ein.
schreiblich! Die ersten Tage verbrachten
wir noch als Freiwilligengruppe gemein-        Ich wohnte zusammen mit sieben Bewoh-            Stoffen und machen Kerzen, die sie an um-
sam in der Hauptstadt Kampala und erkun-       ner/-innen und vier Assistent/-innen im          liegende Kirchen verkaufen. Auf der „Farm“
deten das Stadtzentrum. Diese Masse an         kleineren Lamulah-Haus. Die Arbeitsberei-        werden Mais, Kartoffeln, Gemüse und
Menschen in der Stadt fand ich etwas über-     che befinden sich alle beim größeren Tho-        Früchte wie Papaya angebaut. Zudem wol-
fordernd, vor allem wenn man sich auf-         mas-Haus. Im „Craft-Sektor“ stellen Bewoh-       len auch zwei Schweine, zwei Ziegen und
                                               ner/-innen zusammen mit zwei Assistenten         die Hühner versorgt werden. Ich war er-
                                               Schmuck wie Ketten, Armbänder und Ohr-           staunt, wie viel Spaß mir die Arbeit auf der
                                               ringe her. Außerdem nähen sie wunder-            Farm gemacht hat – trotz totaler Erschöp-
                                               schöne Schürzen aus bunt gemusterten             fung am Ende jeden Tages. Besonders hat
                                                                                                mir gefallen, bei den Frühstückspausen mit
                                                                                                einer Tasse Tee in der einen und einer Tasse
                                                         Die Arche Uganda
                                                  Info

                                                                                                Popcorn in der anderen Hand mit meinen
                                                         Seit knapp 30 Jahren gibt es die Ar-   Mitfarmer/-innen bei strahlender Sonne
                                                         che in Ugandas Hauptstadt Kampa-       unter den Bananenbäumen zu sitzen.
                                                         la. Aufgeteilt auf zwei Häuser, das
                                                         größere Thomas-Haus und das klei-      Im „Day care-Sektor“ verbringen 20 Men-
                                                         nere Lamulah-Haus, ist sie das Zu-     schen mit und ohne Behinderung zusam-
                                                         hause von 19 Bewohner/-innen im        men ihren Tag. Mal haben wir auf einer
                                                         Alter zwischen sechs und 60 Jahren     Wiese Sport getrieben, mal getanzt, wir
                                                         und 11 Assistent/-innen. 14 weitere    sind Schwimmen gegangen und haben ein-
                                                         Arche-Mitglieder kommen von au-        ander Geschichten erzählt, gebastelt oder
                                                         ßerhalb tagsüber in die Arche, um in   Lesen und Rechnen geübt. Langweilig wur-
                                                         einem der verschiedenen „Sekto-        de es mir dort nie. Es waren kleine Momen-
                                                         ren“ (Kunsthandwerk, Farm, Ta-         te, die mich überrascht und gefreut haben:
                                                         gespflege) mitzuarbeiten und den       zum Beispiel mit wie viel Gelassenheit und
Teepause bei der Farmarbeit                              Tag zu verbringen.                     Präzision Kilonde kleine Teile in ein Holz-
Unterwegs - Arche Deutschland-Österreich
Miteinander unterwegs 20/2020   9

                                                     Therapiezentrum in Simbabwe: guter Start,
                                                     plötzlicher Stillstand, langsamer Neubeginn
                                                     Bevor die Corona-Pandemie auch Simbabwe erreichte, war der
                                                     Betrieb des neuen Therapiezentrums der Arche Simbabwe gut
                                                     angelaufen. Nach der Einweihung im vergangenen Jahr hatte das
                                                     Arche-Team die Zahl der Therapien hochgefahren. Die beiden
                                                     Therapeuten konnten regelmäßig 23 Arche-Bewohner/-innen und
                                                     mehr als 30 Menschen mit Behinderungen von außerhalb behan-
Oben: die Gemeinschaft der Arche Uganda,             deln. Zugleich war das „Outreach-Programm“ mit Besuchen bei
links oben: Jule Welling mit einem Arche-Bewohner,   betroffenen Familien im Umfeld der Arche und Angeboten in Kir-
darunter: Tanzen beim Sport- und Talenttag“          chengemeinden sehr erfolgreich gestartet. Doch dann verhängte
                                                     die Regierung wegen der Pandemie für fünf Wochen eine Aus-
                                                     gangssperre: Extern lebende Assistent/-innen und die Therapeu-
puzzle legte oder als mich Kakooza mit ei-
nem strahlenden Lächeln ansah und mir                ten durften nicht mehr in die Arche-Häuser kommen. Immerhin
dankte, dass ich mit ihm gearbeitet habe.            konnten die Therapeuten per WhatsApp kleine Videos mit
                                                     Gymnastik- und Fitnessübungen in die Gemeinschaften senden.
Jedes Jahr veranstaltet die Arche ihren              Mittlerweile ist der Betrieb, wenn auch noch reduziert, wieder
„Sport- und Talenttag“. Viele Eltern und
                                                     angelaufen. Einige Menschen mit Behinderungen, die sonst in die
Freund/-innen der Arche kamen, um an die-
                                                     Tagesförderung oder die Arche-Werkstatt kommen, werden in
sem Tag die Talente jeder/s Einzelnen von
uns zu feiern. Einige stellten in einer Mo-          ihren Familien besucht. Dass die Arche Simbabwe während des
denschau ihre meist selbstgemachten Klei-            „Lockdown“ nicht vergessen wurde, freut den Gemeinschaftslei-
der zur Schau und posierten vor begeister-           ter Time Baluwa: „Wir haben Botschaften der Sorge und Liebe
tem Publikum. Auch ein traditioneller                von Partner-Gemeinschaften auf der ganzen Welt erhalten.“
ugandischer Tanz wurde im Vorhinein mit
einer Choreografin einstudiert, um ihn den
Gästen vorzuführen. Spiele für Groß und
Klein rundeten den Tag ab, sodass jeder mit          Australien: Orden für Arche-Bewohnerin
einem großen Lächeln im Gesicht nach
Hause ging. Was ich an diesem Tag wirklich           Anne Walsh, ein langjähriges Mitglied der Arche Canberra in
genossen habe, war vor allem das Gefühl              Australien, hat kürzlich eine der höchsten Auszeichnungen des
der Gemeinschaft. Alle wurden auf ihre ei-           Landes erhalten: die Medaille des Ordens von Australien. Sie er-
gene Art und Weise integriert, egal ob sie           hielt dieses Ehrenzeichen für ihre herausragende Arbeit mit Men-
im Rollstuhl sitzen, eine psychische Beein-          schen mit geistiger Behinderung. Anne Walsh, die selbst eine ge-
trächtigung haben oder einfach nur etwas
                                                     sitige Behinderung hat, hatte zuvor schon eine Medaille bei den
schüchtern sind.
                                                     Paralympics gewonnen und 2017 den vom Premierminister der
Gerne erinnere ich mich an die vielen schö-          australischen Hauptstadtregion verliehenden Inklusionspreis.
nen Momente in der Arche zurück: wie wir             „Anne ist eine ruhige, aber selbstbewusste Anwältin für andere,
miteinander singen, bei jedem sich erge-             die mit der Erfahrung geistiger Behinderung leben“, sagte der
bendem Anlass wild durcheinander tanzen              Leiter der Arche Canberra, Brendan Price. Sie sei sehr offen und
oder in Stille beieinandersitzen und beten.
                                                     mutig in Bezug auf ihre eigene Behinderung: „Sie hat ihre Ängste
Oft waren es solche Momente, die meine
Zeit in der Arche trotz aller kleinen Schwie-        während ihres ganzen Lebens kontinuierlich überwunden und an-
rigkeiten zu etwas ganz Besonderem für               dere ermutigt, es ihr gleich zu tun.“
mich gemacht haben.               Jule Welling
Unterwegs - Arche Deutschland-Österreich
10   Miteinander unterwegs                  20/2020

Plädoyer für
Superhelden
Vorgeburtliche Tests auf das Down-Syndrom sind
umstritten: Sollen sie eine Regelleistung der
Geburtsvorsorge werden oder gefährden sie das
Lebensrecht von Menschen mit Behinderungen?
Wir haben als Stellungnahme zu dieser Debatte
Arche-Mitglieder mit Down-Syndrom öffentlich
zu Wort kommen lassen

Sollten Pränatal-Tests auf das Down-Syndrom zum Standard in der
Geburtsvorsorge werden? Bereits seit mehreren Jahren dreht sich
um diese Frage eine gesellschaftliche Kontroverse. Im Frühjahr
2019 wurde das Thema in einer vielbeachteten Parlamentsdebatte
auch im Deutschen Bundestag behandelt. Eine politische Entschei-

              unterwegs
dung steht allerdings bis heute aus. Bei vielen unmittelbar Betrof-
fenen, ihren Familien, in Behinderteneinrichtungen und nicht zu-          Zwei „Superhelden“ aus Landsberg, die in der Stellungnahme der
letzt auch in den Arche-Gemeinschaften führen die anhaltenden             Arche zu Wort kommen, im Bild mit dem Assistenten Marius Geiger
Diskussionen zu einiger Verunsicherung und Besorgnis.
                                                                          vorzuschalten, die nicht ausschließlich therapeutische Ziele ver-
Im Kern geht es in der Kontroverse um Bluttests in der frühen             folgt, sondern automatisch mit der Frage verknüpft sei, ob ein Ab-
Schwangerschaft, mit denen sich feststellen lässt, ob Babys das           bruch vorgenommen werden solle. Auf diese Weise würde sich in
Down-Syndrom (Trisomie 21) haben oder nicht. Befürworter/-in-             der Bevölkerung die Einstellung zum Lebensrecht von Menschen
nen solcher Pränatal-Tests – wie etwa die Evangelische Kirche in          mit Behinderungen verschieben. Es dürfe nicht dazu kommen,
Deutschland (EKD) – betonen die Bedeutung des Selbstbestim-               dass sich Eltern rechtfertigen müssen, die diese Diagnostik bewusst
mungsrechts werdender Mütter. Die EKD plädiert dafür, vorgeburt-          nicht in Anspruch nehmen. In einer neuen Veröffentlichung der
liche Untersuchungen allen Schwangeren als Kassenleistung anzu-           DBK (siehe links) wird kritisiert, das Geborenwerden mit einer Be-
bieten. Finanziell schlechter gestellten Frauen dürfe kein größeres       hinderung gelte immer mehr als vermeidbar. Nicht nur (werdende)
Risiko einer Fehlgeburt zugemutet werden, heißt es zur Begrün-            Eltern, sondern auch Ärztinnen und Ärzte gerieten zunehmend
dung. Zugleich müsse aber unbedingt eine umfassende ethische              unter den Druck, ein Leben mit Behinderung zu verhindern.
und psychosoziale Beratung aller Schwangeren gewährleistet sein.
                                                                          Aller Unterschiede zum Trotz sind sich beide Kirchen in dem Be-
Die Forderung eines umfassenden Beratungsangebots für werden-             streben einig, vermehrte Schwangerschaftsabbrüche verhindern
de Eltern teilt auch die katholische Kirche. Zugleich lehnt sie aber      zu wollen – auch und gerade, wenn sie mit dem Vorliegen des
flächendeckende Pränatal-Tests strikt ab und verweist dabei auf das       Down-Syndroms begründet werden. Genau dieser traurigen Wirk-
Gebot des Schutzes ungeborenen Lebens. Die Deutsche Bischofs-             lichkeit stehen wir jedoch heute schon gegenüber: In Deutschland
konferenz (DBK) warnt vor einem „Abtreibungsmechanismus“. Sie             wie in anderen europäischen Ländern kommen immer weniger
hält es für problematisch, jeder Schwangerschaft eine Art Prüfung         Kinder mit Down-Syndrom zur Welt. Laut Expertenschätzung ent-
                                                                          scheiden sich bis zu neun von zehn Schwangeren bei einer Triso-
                                                                          mie für einen Abbruch. Ein Trend, der auch den Arche-Gemein-
       Hilfreiche Handreichung
Info

                                                                          schaften in Deutschland und Österreich Sorge bereitet und dem
       Die Deutsche Bischofskonferenz                                     wir gezielt entgegenwirken wollen.
       hat eine Arbeitshilfe zur Teilhabe
       von Menschen mit Behinderungen                                     Wenn in der öffentlichen Diskussion um Pränatal-Tests suggeriert
       veröffentlicht. Unter dem Titel „Le-                               wird, dass ein Leben mit Down-Syndrom weniger lebenswert und
       ben und Glauben gemeinsam gestal-                                  zudem belastend für die Allgemeinheit sei, dann wollen wir das
       ten“ sind Anregungen für das Zu-                                   seitens der Arche so nicht stehen lassen. Denn unsere Erfahrung
       sammenleben von Menschen mit                                       ist eine grundlegend andere. Es ist uns wichtig, Arche-Mitglieder
       und ohne Behinderungen zusam-                                      mit Down-Syndrom selbst zu Wort kommen zu lassen. Wir haben
       mengestellt (mit Zusammenfassun-                                   daher eine Zusammenstellung ihrer Statements veröffentlicht, die
       gen auch in leichter Sprache). Auch                                deutlich macht: Sie sind wahre Superhelden, Herzensmenschen
       die Kontroverse um Pränatal-Tests                                  und Lebenskünstler – bereichernd für unserer Gemeinschaften,
       wird thematisiert. Zu erhalten bei:                                wie auch für unser aller Zusammenleben. Nachzulesen unter:
       www.dbk-shop.de.                     Titelseite der Arbeitshilfe   www.arche-deutschland.de/statements.          Jan-Thilo Klimisch
Miteinander unterwegs 20/2020   11

Geschichten
aus der Arche
                                                                                                             Die Kunst, sich die
Der harte Schwab gibt seinen Lebenslauf ab                                                                   Schuhe zu binden
Beitrag für einen Gedicht-Wettbewerb
Am Tag bin ich harter Schwab immer auf meinem über
alles geliebten Fahrrad.
Bei Nacht träume ich von meinem nächsten Kaffee, der                        „Also, eines sag ich Dir gleich. Diese Arbeit erfordert eine ganze
mir am Tag hundertprozentig reinläuft.                                      Menge Ordnung und Disziplin.“ Dieses Zitat beschreibt die
Da hab i so eine furchtbar nette Begleitung, mit der kann                   Atmosphäre im „Paradis“, der Werkstatt für Menschen mit
ich über alles quatschen. Die sitzt gerade neben mir.
                                                                            Behinderung in einer kleinen schwedischen Provinzstadt wohl
Bei Tag ist es immer schön hell, dass alle Pflanzen treiben
können.                                                                     am besten. Täglich wiederholt sich die Routine, bei der ganz oben
Bei Nacht träume ich immer von meinem nächsten Kaffee,                      auf dem Programm steht zu lernen, wie man sich die Schuhe
der mir bei Tag hundert Pro reinläuft.                                      bindet. Und das seit Jahren jeden Tag.
Bei Tag ist es schön hell, bei Nacht ist es immer dunkel,
dass alle schlafen können.                                                  Die Werkstattmitarbeiter/-innen werden jäh aus ihrem Trott
		 Susanne Kappel, Arche Ravensburg                                         gerissen, als der arbeitslose Schauspieler Alex dort den Job als
                                                                            Betreuer übernimmt. Denn „Ordnung und Disziplin“ sind so gar
Szenen aus der Arche Landsberg                                              nicht seine Stärken. Stattdessen entdeckt er das Talent seiner
                                                                            Gruppe für Musik, welches er fortan vor allem fördern möchte.
Beim Spülen nach dem Essen sagt die Assistentin Patricia
                                                                            Für die Schuhe gibt es ja schließlich auch Klettverschlüsse. Mit
zu Fernando: „Hier, trockne mal ab!” und gibt ihm ein
Handtuch. Fernandos Antwort: „Warum stehe ich immer                         seinen neuen Ideen sorgt er für jede Menge Wirbel. Denn als die
so ungünstig?”                                                              Gruppe am Talentwettbewerb „Schweden sucht den Superstar“
                                                                            teilnehmen möchte, sind nicht nur die Eltern der Bewohner/-in-
Christian reicht „Batman“, einem Arche-Bewohner, der                        nen alles andere als begeistert. Auch konservative Sozialarbei-
gern in das Kostüm des Superhelden schlüpft, Essen mit
                                                                            ter/-innen und bornierte Behörden versuchen, den Auftritt mit
einem kleinem Löffel, als ob er nicht allein essen könnte.
                                                                            allen Mitteln zu verhindern.
Regina fragt ihn: „Was bist Du, Batman, ein Baby?” Der
Angesprochene antwortet prompt: „Ja, bei Gott bin ich ge-                   Der Film „Die Kunst, sich die Schuhe zu binden“ beruht auf der
borgen. . . ”. (Da „Batman“ tatsächlich ein sehr spiritueller
                                                                            wahren Geschichte des „Glada Hudik-Theaters“, ein Theaterpro-
Mensch ist, war die Antwort zwar witzig gemeint, hatte
aber auch einen ernsten Hintergrund.)                                       jekt, das 1996 im Tageszentrum für Menschen mit geistiger Behin-
		                          Bianca Berger, Arche Landsberg                  derung einer nordschwedischen Kleinstadt gegründet wurde und
                                                                            mittlerweile in ganz Schweden bekannt und beliebt ist. Der von
Ohne mich?                                                                  diesem Projekt inspirierte Film der schwedischen Regisseurin Le-
                                                                            na Koppel bringt einen zum Lachen und Weinen – und vor allem
Auf die Frage, ob er bei einer Geburtstagsfeier auch dabei
                                                                            zum Nachdenken.           Sarah Niggemann, Arche Tecklenburg
sei, antwortet Marcus: „Klar doch! Ohne mich geht bei mir
gar nichts.“      Birgit Lotthammer, Arche Ravensburg

          Bitte beachten: Wegen der Corona-Kri-          10.9.2020 Wort-Gottes-Feier der Ar-            und viele andere Produkte aus der Ar-
Termine

          se sind alle Termine (außer dem On-            che Tirol: 10.30 Uhr im Arche-Haus Stei-       che-Werkstatt sind zu erwerben (bis 23.12.)
          line-Auftritt am 27.8.) mit Vorbehalt.         nach, Bahnhofstr. 163; weiter immer am 2.      27.-29.11.2020 Treffen ehemaliger Ar-
          Bitte in den Gemeinschaften erfragen,          Donnerstag im Monat                            che-Assistent/-innen in Ravensburg: An-
          ob die Veranstaltungen stattfinden.            3.10.2020 Die Arche Landsberg nimmt            meldung: claus.michel@arche-deutschland.de
                                                         am Landsberger Stadtlauf teil: ab 12 Uhr       29.11.2020 Dankgottesdienst der Ar-
          27.8.2020 Online-Auftritt der Arche            8.11.2020 Die Arche Landsberg betei-           che Tirol: 10 Uhr in der Pfarrkirche Gries
          Ravensburg „As I am – so wie ich bin“,         ligt sich am Stadtlauf in München              5./6.12.2020 Die Arche Tecklenburg
          Thema Clownerie: 17 Uhr live im Internet       20.11.2020 Eröffnung der Verkaufsaus-          beteiligt sich am Nikolausmarkt: ab 11
          unter https://diestreamerei.de/formate/arche   stellung der Arche Tirol: 17 Uhr im Haus       Uhr in der Altstadt von Tecklenburg
          (Dort sind auch die früheren Auftritte noch    Marillac, Sennstraße 3 in Innsbruck; Kerzen,   6.12.2020 Die Arche Landsberg betei-
          abrufbar.)                                     Duftsäckchen, Töpferarbeiten, Perlenketten     ligt sich am Landsberger Nikolauslauf
12   Miteinander unterwegs                  20/2020

      Wie Claus Michel die Welt sieht

„Vermutlich kennen Sie alle Situationen, in denen Sie –                                                          Menschen
vielleicht auch erst im Rückblick – realisiert haben, dass                                                       in der Arche:
etwas Einschneidendes in Ihrem Leben passiert ist. Ich                                                           Manca Kastelic
habe solch eine Situation bei einem Ausflug im März
                                                                                                                 aus Slowenien
erlebt. Das schöne Frühlingswetter hatte uns animiert, in
einem Restaurant inmitten der Weinberge essen zu gehen.
Beim Verlassen des Restaurants hörte ich jemand sagen:
„Wir müssen diese Möglichkeit nutzen, solange wir es
                                                                         Ich wurde 1961 im damals kommunistischen Jugoslawien geboren
noch können.“ Ich dachte bei mir: Wer sollte uns diese
Möglichkeit nehmen? – In den darauffolgenden Tagen                       und wuchs in Slowenien auf. Mit 17 Jahren hatte ich das Glück,
wurde durch die Covid-19-bedingten Einschränkungen das                   nach Taizé reisen zu dürfen. Die bescheidene Art der Brüder, die
gesellschaftliche Leben in Deutschland, Österreich und in                durch ihre Lebens- und Gebetsweise suchenden Menschen er-
vielen anderen Ländern mehr oder weniger lahm gelegt.                    möglichen, die Liebe Gottes inmitten unserer zerrissenen Welt
Mein Nicht-Wahrnehmen einer sich abzeichnenden funda-

             unterwegs
                                                                         zu entdecken, ist seitdem eine wichtige Lebensquelle für mich.
mentalen Veränderung hat mich in den vergangenen
                                                                         Nach dem Uni-Abschluss in Literaturwissenschaft und Englisch
Wochen stark beschäftigt.
                                                                         1985 verbrachte ich zwei Jahre als Freiwillige in Taize und arbei-
                    Ähnlich erging es mir, als ich erstmals              tete dann als Bibliothekarin an der Universität in Ljubljana. Kurz
                    von den damals noch vorläufigen Er-                  vor dem Ende des Kommunismus lernte ich als Übersetzerin Jean
                    kenntnissen über den geistlichen und                 Vanier kennen. Seine charismatische Präsenz und die Kraft seines
                    sexuellen Missbrauch des Arche-                      Wortes berührten mich tief. Ich war für die Gründung der Arche
                    Gründers Jean Vanier erfahren habe.
                                                                         Slowenien verantwortlich, die 1997 ihr erstes Haus eröffnete.
                    Ich kann mich noch genau an das
                    Nicht-wahrhaben-Wollen und die Ge-                   1999 heiratete ich Klemen, den ich in der Arche kennengelernt
                    fühle der Enttäuschung, der Wut und                  hatte. Unsere beiden Kinder sind heute 19 und 16 Jahre alt. Seit
Claus Michel ist    der fundamentalen Erschütterung
Leiter der Arche                                                         2002 arbeite ich für die Internationale Arche, seit Februar 2020
                    erinnern. Vielen in und außerhalb der
in Deutschland      Arche ging es sicher ähnlich, als im                 zusammen mit meiner Kollegin Laurence Rahmaoui aus Lyon als
und Österreich      Februar die Missbrauchstaten von Jean                stellvertretende Internationale Delegierte für die Gemeinschaf-
                    Vanier öffentlich gemacht wurden.                    ten Europas und des Nahen Ostens (außer Frankreich und Groß-
                                                                         britannien). Daher werde ich in den kommenden Jahren auch viel
Nach dem Tod von Jean Vanier im vergangenen Jahr                         mit der Arche in Deutschland und Österreich unterwegs sein.
bedeutete die Konfrontation mit dem Missbrauch ein
zweites Abschiednehmen von ihm. Der Abschied von den                     In all den Jahren in der Arche habe ich viele Höhen und Tiefen
Vorstellungen, die ich mir von ihm gemacht hatte, war                    durchlebt. Wie wohl viele habe ich noch nicht völlig die schmerz-
und ist schmerzhafter für mich als sein Tod. Es wird Zeit,
                                                                         lichen Enthüllungen über Jean bearbeitet. Trotz allem und immer
Aufmerksamkeit und Mut brauchen, sich den unangeneh-
men Wahrheiten zu stellen, die mit dem Missbrauch                        wieder bleibe ich in der Arche, weil ich das besondere Charisma,
durch Jean Vanier verbunden sind. Was mich hoffen lässt,                 das Gott uns anvertraut zu haben scheint, sehe und daran glaube:
ist, dass die Arche den Mut hatte, den Missbrauch wahrzu-                die verwandelnde Kraft der gegenseitigen Beziehungen, die sich
nehmen, ihn öffentlich zu benennen und erste Schritte                    uns vor allem durch unsere Geschwister offenbart, die mit einer
der Aufarbeitung zu gehen. Ich sehe hierin einen Auftrag                 geistigen Behinderung leben, wenn wir es wagen, gemeinsam of-
an uns, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um
                                                                         fen, verletzlich und ehrlich zu sein.        Manca Šinko Kastelic
Missbrauch in unseren Gemeinschaften zu verhindern.

IMPRESSUM Herausgeber: Arche Deutschland und Österreich e.V., Bodelschwinghweg 6, 49545 Tecklenburg                     •   Gemeinschaften in
Deutschland: Tecklenburg, Ravensburg, Landsberg/Lech      •Gemeinschaft in Österreich: Tirol (mit Häusern in Steinach und St. Jodok)
Vorstandsvorsitzender: Steffen Müller   •
                                        Leiter der Arche in Deutschland und Österreich: Claus Michel; Telefon: 0049-(0)6341-511 74; E-Mail:
claus.michel@arche-deutschland.de  •Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising: Thomas Bastar (V.i.S.d.P.)   •  Kontakt: Telefon: 0049-(0)40-712 02 95
E-Mail: kommunikation@arche-deutschland.de    •
                                              Internet: www.arche-deutschland.de     • Konzept/Grafikdesign: Judith Meyer-Fuß     •   Druck: Ge-
meindebriefDruckerei.de •  Hinweis: Nachdruck und anderweitige Verbreitung, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung des Herausgebers zulässig.
Sie können auch lesen