Urbane Freiraumaneignung - New Yorker Community Gardens

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Urbane Freiraumaneignung - New Yorker Community Gardens
Urbane Freiraumaneignung - New Yorker Community Gardens
Julia Wölcher h0207782

Einleitung
Community Gardens sind Gartenprojekte in der Stadt, am Land, in der Peripherie. Ihren
Anfang fand diese Bewegung in den 70er Jahren in New York City, als ungenutzte, leer
stehende und verschmutze Baulücken und Grundstücke (im Besitz der Stadt) von der
Bevölkerung umgestaltet und bepflanzt wurden, um das Viertel und die soziale Struktur der
BewohnerInnen zu bereichern.

Community Gardens sind ein aktiver Beitrag der Wohnenden zur Attraktivitätssteigerung
von „verwahrlosten“ Vierteln, die oftmals ohne Unterstützung von öffentlicher Seite agieren.
Die Gärten sind, neben dem Anbau von Gemüse, Plattformen der Vernetzung, des
kulturellen Austauschs und der Bewusstseinsbildung.

Abb. 1.: Tranquilidad, Community Garden der spanisch- sprechenden Nachbarschaft

Forschungsstand
Anfang der 1070er Jahre entstanden in New York die ersten Community Gardens, deren
Anzahl sich von einzelnen Projekten auf 1000 Gärten mit einer Gesamtfläche von 75ha des
Stadtgebietes ausweitete. 70 Prozent der Gärten sind kleine Flächen von etwa 100 -700m²
die von 20 bis 80 Personen aus der direkten Nachbarschaft bewirtschaftet werden (Stand
1999) (Grünsteidel 2000, 125f). Diese Entwicklung der Aneignung von Freiflächen zur
Gartennutzung der angrenzenden BewohnerInnen ist kein isoliertes Phänomen. Weltweit,
vor allem in Ballungsräumen wie zum Beispiel Berlin, Paris und auch Wien, entstehen

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Urbane Freiraumaneignung - New Yorker Community Gardens
gemeinschaftlich benutzte und bewirtschaftete Gärten, deren, in erster Linie, soziales
Potential im urbanen Raum nun auch von StädteplanerInnen erkannt wurde.

Fragestellung
Mit Hilfe des nachfolgenden Theorieansatzes sollen diese Fragestellungen in Bezug auf
einige ausgewählte Community Gärten untersucht werden:

Wer sind die InitiatorInnen und BenutzerInnen der Gärten?
Unter welchen Bedingungen entstanden diese?
Welche Beziehungen entstehen, welche Beziehungen werden gefördert?

Theorieansatz
Für diese Fragestellungen sind die vier Kernprinzipien der starken und schwachen
Beziehungen nach Mark Granovetter relevant (Granovetter 2005, 33f):

1. Normen und Dichte
In dichten Netzwerken werden gesellschaftliche Normen und Verhaltensweisen besser
aufrechterhalten.

2. Die Stärke der schwachen Beziehungen
Der Informationsfluss zwischen Gruppen erfolgt über schwache Beziehungen.

3. Structural Holes
Die so genannten strukturellen Löcher nach Burt (1992) implizieren nicht die Qualität der
schwachen Beziehungen sondern den brückenschlagenden Effekt einzelner Individuen, die
sich zwischen den Netzwerken bewegen und somit den Informations- und Ressourcenfluss
ermöglichen.

4. Verflechtung von ökonomischen und nicht-ökonomischen Tätigkeiten
Granovetter spricht von der sozialen Einbettung der Ökonomie, da nicht-ökonomische
Prozesse, Aktivitäten und Ziele die ökonomische Entwicklung bedingen.

Darstellung
Wer sind die AkteurInnen in den Gärten?
Nach Balmori und Morton lassen sich die NutzerInnengruppen der New Yorker Gärten in
„Zweckgebunden Gärten“ der MietshausbewohnerInnen, „Gärten der Obdachlosen“, „Gärten
der obdachlosen Communities“, „besetzte Gärten“ und „Community Gardens“ einteilen

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(Balmori, Morton 1993). Die Gemeinsamkeit der angeeigneten Gärten besteht darin, dass sie
sich im urbanen Raum auf ehemaligen verwahrlosten Flächen im Besitz der Stadt befinden
und ihr Inventar einen starken Bezug zum Umfeld der NutzerInnen aufweist. Eine weitere
Gemeinsamkeit ist die ökonomische Armut der involvierten Personen und des Viertels in
dem sich die Gärten befinden (6).
40 Prozent der größtenteils afro- amerikanische und hispanischen BewohnerInnen dieser
Viertel sind Wohlfahrtsabhängig, der Mindestlohn der Arbeitenden betrug 5,15$ (Stand 1997)
(Grünsteidel 2000, 129f).

Abb. 2.: Squatters Garden: Gärten der besetzten Häuser sind auch für Außenstehende offen,
ausgeschlossen sind aber Organisationen wie Green Thumb und deren Vorschriften.

Unter welchen Bedingungen entstanden diese?
Die Gärten New Yorks entstanden auf verwaisten Flächen. In den meisten Fällen handelt es
sich um Müllablagerungsplätze der Nachbarschaft, die unter großem Aufwand entrümpelt
und aufgeräumt wurden, nicht selten mit Hilfe der „Pest Control“ der Stadt, um die Ratten los
zu werden (Balmori, Morton 2000: 90).
Die Anerkennung der Gärten in der Nachbarschaft unterliegt einer hierarchischen Reihung:
von Ratten besiedelte Müllflächen bilden den untersten Rang. Die Flächen der Obdachlosen
sind beinahe gleichbedeutend wenig angesehen, jedoch ist dies abhängig von der
individuellen Einbindung der dort Lebenden in die Nachbarschaft (z.B.: Kontaktaufnahme
über Hilfsdienste wie Fahrradflicken).
Die Gärten der Obdachlosen sind durch die große Anzahl von Bränden und Räumungen
durch die Stadtverwaltung nur von temporärem Charakter.
Community Gardens, Gärten mit öffentlichem Zugang, genießen im Vergleich die größte
Akzeptanz von staatlicher- und nachbarschaftlicher Seite(11).
Operation Green Thumb ist eine der ehrenamtlichen Organisationen der Stadt New York, die
den Community Gardens in rechtlichen und praktischen Fragen zur Seite steht, sowie
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Materialien und deren technische Umsetzung bieten             (http://www. greenthumbnyc.org
/mission.html [10.11.2008]). Dennoch müssen die Community Gärten mit Unterstützung von
Organisationen   wie   Green   Thumb    oder       Green   Guerillas   sich   den    Regeln     und
Rahmenbedingungen       unterordnen    (Öffnungszeiten,      Mitgliedergröße,       Erlaubnis   für
Veränderungen im Garten,...) (Balmori, Morton 2000, 13).
Zweckgebundenen Gärten und Gärten der HausbesetzerInnen ist ihre Ablehnung von
bürokratischen und staatlich institutionalisierten Interventionen gemein. Sie          ziehen die
Aneignung und Nutzung brachliegender Flächen als Gärten dem Eigentum der Flächen und
der Unterstützung durch oben genannte Organisationen vor (30).

Welche Beziehungen entstehen, welche Beziehungen werden gefördert?
Die Aneignungen der verwahrlosten Flächen bedeuten eine Aufwertung für die gesamte
Nachbarschaft. Durch die Präsenz der BenutzerInnen entstehen, die so dringend benötigten,
sicheren Räume. Innerhalb der AkteurInnen wird Wissen für die Bewirtschaftung
ausgetauscht. Die Weitergabe von Informationen und die Möglichkeit, aktiv zu sein, bringen
verschiedene AkteurInnen zusammen, die sich gegenseitig unterstützen und austauschen.
Das gemeinsame Interesse an einer sicheren Nachbarschaft schafft neue Bindungen und
Verhältnisse innerhalb der verschiedenen Gruppen. Einzelne Personen, die einen Garten
beginnen, schaffen neue Brücken und soziale Verbindungen, die ohne die Gärten nicht
zustande kommen würden. Gleichgültig, ob es sich um Gärten von Einzelpersonen oder
Gruppen handelt, werten sie den Raum auf und geben der Nachbarschaft Selbstbewusstsein
und die Möglichkeit zu einem bestimmten Maß an Selbstversorgung und/ oder
Selbstdarstellung.

Resümee
Die meisten Gärten befinden sich durch ihren angeeigneten Status in einer legalen
Grauzone. Nicht nur die Gärten der Obdachlosen in New York sind durch Brände und
Interventionen der Stadt von kurzer Dauer. Auch alle anderen Gärten sind im ständigen
Kampf um Akzeptanz durch die Behörden. Durch den isolierten Charakter vieler Gärten, die
sich ohne Bewilligung und Unterstützung der Stadt auf Flächen bildeten, waren 1000 Gärten
1998/99 in New York von Auflösung und Räumung bedroht. Der Konflikt wurde erst durch die
Übernahme der Gärten in „Trust of Public Land“ und „New York Restoration
Project“ abgewendet und das Weiterbestehen der Gärten so gesichert (Gröning 2000, 154)

Community Gardens sind eine Bottom- up Lösung, Stadtteile nachhaltig aufzuwerten und die
Vernetzung innerhalb der dort lebenden Gruppen zu beleben. Die Aneignung von Freiflächen
in der Stadt ist ein notwendiger Schritt für die Bevölkerung zu mehr Selbstbestimmung.

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Gärten bilden qualitativen Raum für Vernetzung und Informationsaustausch. Unabhängig
von Herkunft, Alter und Geschlecht können sich über Gärten neue Netzwerke bilden, die der,
gerade in den Städten als sehr stark empfundene, Anonymisierung und Vereinsamung
entgegenwirken.
Oft beschränkt sich der, als persönlich oder privat wahrgenommener Raum, nur auf die
eigenen vier Wände. Deshalb finde ich es von großer Wichtigkeit, sich nicht mit dem zur
Verfügung gestellten Raum in Form von Parkanlagen oder Spielplätzen abzufinden, sondern
mehr Raum außerhalb der Wohnungen zu nehmen und diesen so umzugestalten, dass er
den Bedürfnissen aller NutzerInnengruppen gerecht wird und eine Basis für neue soziale
Entwicklungen bildet.

Verwendete Literatur

Balmori, Diana & Morton Margaret (1993): Transitory Gardens, Uprooted Lives, Yale Universtiy Press,
New Haven and London

Granovetter, Mark (2005): The Impact of Social Structure on Economic Outcomes in: Journal of
Economic Perspectives, Vol. 19, 1, 33-50
Gröning, Gert (2000): Kampfesmutige Laubenpieper, Kleingärten und Politik in Berlin zwischen 1985
und 1995 in: Die Wiederkehr der Gärten: Kleinwirtschaft im Zeitalter der Globalisierung, Meyer-
Renschhausen, Elisabeth & Anne Holl (Hrsg.), Studienverlag Innsbruck, 140-161

Grünsteidel, Irmtraud (2000): Community Gardens, Grüne Oasen in den Gehttos von New York in: Die
Wiederkehr der Gärten: Kleinwirtschaft im Zeitalter der Globalisierung, Meyer-Renschhausen,
Elisabeth & Anne Holl (Hrsg.), Studienverlag Innsbruck, 125-139

http://www.greenthumbnyc.org/mission.html [10.11.2008]

Abbildungen

Abb. 1.: Morton, Margaret: Tranquilidad &
Abb. 2.: Morton, Margaret: Squatters Garden, in: Balmori, Diana & Morton Margaret (1993): Transitory
Gardens, Uprooted Lives, Yale Universtiy Press, New Haven and London, 19 & 42 (ed. Wölcher)

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