Urbanisierung und Neue Mobilität - Wie passen diese Megatrends zusammen? 27.01.2020 - Die LBBW
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27.01.2020 Gerhard Wolf, Gruppenleiter Corporates Research Dr. Guido Zimmermann, Senior Economist Urbanisierung und Neue Mobilität Wie passen diese Megatrends zusammen?
Urbanisierung und Neue Mobilität: Wie passen diese Megatrends zusammen? Unsere Thesen • Die Urbanisierungswissenschaft ist nicht zuletzt aufgrund eines langfristigen Planungshorizonts und eines damit einhergehenden Wunschdenkens, stark von „Buzzwords“ geprägt. Moderne Städte sollen nicht nur ökologisch nachhaltig und „smart“ sein, sondern sogar Emotionen vermitteln oder gar einen bestimmten „Sound“ haben. Hier klaffen Anspruch und Wirklichkeit sehr schnell auseinander. Das, was sich Bürger und Städteplaner wünschen, passt zumindest kurz- bis mittelfristig nur wenig mit der Realität und dem tatsächlichen Verhalten der Bürger zusammen. • Stadtplaner müssen daher bestimmte ökonomische Trends berücksichtigen, die u. E. grundlegend sein werden: - Es ist davon auszugehen, dass der Wohnungsmangel aufgrund einer steigenden Nachfrage in den Städten noch steigen wird. - Das große Problem für große Teile der Bevölkerung wird aufgrund der immer weniger bezahlbaren Mieten sein, aus den „Speckgürteln“ der Metropolen täglich effizient zum Arbeiten in die Innenstädte zu gelangen. Der Intermodalität zwischen den einzelnen Verkehrsträgern ist damit eine stärkere Bedeutung beizumessen (z. B. der Umstieg von S-Bahn auf Fahrräder, E-Scooter, etc.). • Um neue Konzepte zur Urbanisierung zu entwickeln, bedarf es zunächst eines Verständnisses der Entwicklungen im Automobilsektor und des Trends hin zu neuen Mobilitätsarten. Diese wollen wir vorstellen. • Bevor sich auf „Cartopias“ für das Leben in den Städten mit noch nicht ausgereiften Konzepten wie dem Autonomen Fahren konzentriert wird, sollte vielleicht die altmodische „Micro-Mobility“ des Fahrradfahrens gefördert werden. • Mobilitätswandel geht nicht ohne Kulturwandel! Mindsets können geändert werden. Zum einen durch explizite Preismechanismen, zum anderen durch implizite Preismechanismen oder psychologische „Stupser“, die den Bürger in eine vom Stadtplaner gewünschte Richtung drängen. U. U. sind mobilitätspsychologisch Anreize notwendig, auch wenn die diesbezüglichen Konzepte in Bezug auf ihre Wirksamkeit nicht unumstritten sind. • Für den Bürger und damit Stadtplaner ist die funktionierende Intermodalität der Verkehrsmittel zentral. Hierfür werden grundlegend neue technologische Intermodalitätsplattformen benötigt, auf denen sensible Bewegungsdaten der Verkehrsteilnehmer ausgetauscht und gespeichert werden, um so den Verkehr besser zu steuern. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 2
Drei selbstverstärkende Komponenten der Mobilitätsrevolution erleichtert erleichtert Elektrifizierung + Autonomes Fahren + Teilen = Mobilitätsrevolution Reduktion Reduktion Reduktion CO2 der Unfälle der Anzahl der Autos • Die Hoffnungen der modernen Stadtplanung, die Innenstädte autofrei zu bekommen, ruhen auf drei Säulen: 1) dem Autonomen Fahren, von dem man sich a) weniger Autos und b) weniger Unfälle verspricht; 2) der zunehmenden Bedeutung des Sharings von Autos, was die Anzahl der Autos reduziert; und 3) der zunehmenden Bedeutung der Elektrifizierung der Autos, was zumindest auf lokaler Ebene zu einer Reduktion der CO2-Emissionen führt. • Um neue Konzepte zur Urbanisierung zu entwickeln, bedarf es zunächst eines Verständnisses der Entwicklungen im Automobilsektor und den Trends hin zu neuen Mobilitätsarten. Quelle: BCG, LBBW Research. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 3
Mobilität der Zukunft • Viele Themen zur künftigen Mobilität sind zwar noch nicht vollständig geklärt und entwickeln sich noch. Doch die regulatorischen Vorgaben für CO2-Werte und Fahrerlaubnisse in den großen Städten dieser Welt sind zu stark. Mit bestehenden Optimierungsmaßnahmen des Verbrennermotors alleine sind die Verschärfungen nicht mehr zu schaffen. Elektromobilität wird daher kommen. • Mobilität der Zukunft ist mehr als nur das Elektroauto. Alternativen wie Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe werden weiter erforscht. Dazu kommt die Digitalisierung, die neue Formen der Mobilität ermöglicht. Und neue Mobilität braucht auch neue leistungsfähige Technologien. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität Seite 5
Mobilität auf mittlere Sicht Neue Konzepte bahnen sich ihren Weg „ Das Auto wird bleiben. Aber es braucht Konkurrenz.“ -Horst Köhler, 2010 • Mobilität, die Art und Weise, wie wir uns im Verkehr fortbewegen, ist im Wandel. Wir spüren es jeden Tag, wir lesen und hören davon. Es macht uns wütend, wenn wir an den Wert unseres noch nicht so alten Diesel denken. Es macht uns ratlos, wenn wir über eine Neuanschaffung nachdenken. Es macht uns Angst, wenn wir uns vorstellen, dass jahrzehntealte Technik und Expertise morgen nicht mehr benötigt werden. • Es gilt die Treiber dieser Entwicklungen darzustellen sowie zu erklären, warum es diesen Wandel gibt und warum ein solcher Wandel nicht aufzuhalten ist. • Wir wollen neben den Risiken auch die darin verbundenen Chancen aufzeigen. Neue Technologien, eine neue Art der Mobilität und neue Mobilitätskonzepte bringen auch erhebliches Geschäftspotenzial für Branchen und für neue Unternehmen, die bislang mit Mobilität noch nicht viel zu tun hatten. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 6
Megatrends in der Automobilbranche: CASE – Connected, Autonomous, Shared, Electric Elektro-Mobilität Treiber dieser Entwicklung E-Motor • Gesetzliche Grenzwerte (CO2 und Schadgase) Neue Mobilitätskonzepte • Regulatorik (Fahrverbote, Elektro-Quote (insbesondere China)) Treiber dieser Entwicklung • Dieselthematik Zeitlicher Horizont, Auswirkungen • Auto als Statussymbol verliert an Bedeutung • 2017 bis 2020 als „Vorbereitungs“-Jahre (Entwicklung Elektro-Fahrzeuge • Hohe Unterhaltskosten mit ausreichend Reichweite zu attraktiven Preisen, Ausbau Lade- infrastruktur) ohne signifikante Marktauswirkungen • Geringe Nutzungsintensität • Ab 2021ff stark wachsende Marktdurchdringung möglich Zeitlicher Horizont, Auswirkungen • Veränderung Wertschöpfungskette mit signifikanten Auswirkungen auf Status Hersteller und Zulieferer • Megacities als potenzielle Quo Verbrenner Anwendungsregionen Mensch Computer, Maschine • Neue Anbieter (z.B. Uber) be- Besitzen stimmen Schnittstelle zum End- Autonomes, automatisiertes Fahren kunden und schöpfen Margen Treiber dieser Entwicklung ab • Hersteller können zum • Technologischer Fortschritt „Hardware“-Lieferanten • Komfortaspekte, Fahrzeug als Lebens- und Arbeitsraum verkümmern • RoboCabs als finaleAusbaustufe Zeitlicher Horizont, Auswirkungen frühestens ab 2025ff realisierbar, Mieten, • Technologien teilweise schon vorhanden, schrittweise Einführung der mit möglichen signifikanten Teilen Technologien ab 2017ff Auswirkungen auf Neuwagen- • Schaffung von Rahmenbedingungen (u.a. leistungsstarke Mobilfunk- absatz (Rückgang um bis zu netze, länderübergreifende Gesetzgebung) 40% denkbar) • Zusätzliches Zuliefervolumen durch neue Produkte (z.B. Radarsysteme) bzw. stärkere Penetration bestehender Produkte (z.B. Sensoren) • Technologie ermöglicht neuen Spielern den Einstieg in die Branche (z.B. Apple, Google) 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 7
Elektromobilität: Die CO2-Emissionen müssen runter Lokal emissionsfrei ist die Devise Treibhausgasemissionen (CO2 in Mio. t) 1990, 2018 und Ziel 2030 gemäß Klimaschutzplan der Bundesregierung Sektor 1990 2018 vs. 1990 2030 vs. 1990 vs. 2018 Energiewirtschaft 466 311 -33% 175 -62% -44% Industrie 283 196 -31% 140 -51% -29% Gebäude 210 117 -44% 70 -67% -40% Verkehr 163 162 -1% 95 -42% -41% Landwirtschaft 90 70 -22% 58 -36% -17% Sonstiges 38 10 -74% 5 -87% -50% Gesamt 1250 866 -31% 543 -57% -37% - Im Energiesektor wurde bereits eine fast vollständige Dekarbonisierung bis 2050 beschlossen. - Der Verkehr hat als einziger Sektor bislang keine Reduzierung seiner CO2-Emissionen erreicht. Es gibt Streit über den Weg und darüber, wer wieviel bezahlen soll. à - Politisch ist der langfristige Klimaschutzplan ambitioniert und die langfristige Zielerreichung fraglich. - Global betrachtet ist der Verbrenner unter Druck, die Grenzwerte müssen runter, teilweise werden Verbote ab 2030/2040 diskutiert. Quelle: Bundesregierung (2017), Umweltbundesamt, Agora, LBBW Research, *vorläufig 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 8
Künftiger Antrieb – das Angebot wird komplexer, der Elektroanteil nimmt zu, regional unterschiedlich Szenario Antriebsmix Regional aufgefächerter Antriebsmix (Autoproduktion global in Mio. Einheiten) Prognose 2030 (Autoproduktion global in Mio. Einheiten) 140 40 117 35 120 110 37% 102 12% 30 100 30% 90 11% 25 36% 80 74 33% 20 24% 60 40% 43% 15 95% 86% 45% 35% 40 10 3% 98% 55% 22% 28% 9% 2% 20 5 41% 2% 22% 33% 30% 20% 75% 57% 19% 96% 52% 58% 126% 15% 0 0 EMEA Nord- Süd- China Indien Korea Japan übriges 2010 2017 2020e 2025e 2030e Amerika Amerika Asien Verbrennungsmotor Hybrid Elektro Verbrennungsmotor Hybrid Elektro Quelle: Schaeffler (09/18), IHS, LBBW Research 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 9
Autonomes und vernetztes Fahren verändert die Wirtschaftsmodelle und öffnet neue Geschäftsfelder Netzwerkeffekte Geschäftsmodelle im Wandel: • Vom traditionellen Autobau zur Mobilitätsdienstleistung: neues Geschäftsfeld Passagier-Wirtschaft umfasst Vollautonom sämtliche Waren und Dienstleistungen im Fahrzeug Neues Wertschöpfungszentrum: • Einstieg in Mobilitätsgeschäftsfeld ohne eigene oder branchenfremde Produktion wie z.B. Mobility as a Service (MaaS) Halbleiterhersteller: • Intel erwartet Geschäftschancen und Umsatzerlöse im Wert von 7 Billionen USD Konnektivität p.a. im Jahr 2050 (davon 3,7 Bill. USD mit Verbrauchern). • Bosch investiert 300 Mill. EUR in neue Halbleiter-Fertigung, da autonomes Fahren in Stufen der E-Autos die Wertschöpfung für Automatisierung Mikroprozessoren mehr als verfünffacht • Konnektivität und Netzwerkeffekte skalieren Stand heute: Geschäftsmodell der Dienstleister und erhöhen deren Hersteller verfolgen Wertschöpfungsanteil: Kundenbasis wächst produktbasierten exponentiell über Plattform (Bsp. Uber) Ansatz zur • Reine Produzenten verlieren an Marktanteil und Assistiert Wertschöpfung profitieren nicht von Wachstum: Neues Nutzungsprofil marginalisiert bisherige Werttreiber (wie z.B. Fahrwerk, Motorisierung) • McKinsey rechnet mit 1,5 Bill. USD p.a. in Produzent Dienstleister 2030 (+30% p.a.). Der reine Autoverkauf wächst Geschäftsmodell dagegen nur um rd. 2% p.a. Quelle: Accenture, eigene Darstellung 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 10
Neue Mobilitätswelt „Mobility as a Service“ (MaaS): 4 Prinzipien bilden die Rahmenbedingungen Multimodal Vernetzt MaaS bringt neues Nutzungsverhalten hervor, MaaS erfordert eine vernetzte, nachhaltige das den Nutzer in den Mittelpunkt stellt: Infrastruktur sowohl für Energie als auch für die Datenversorgung: • Mobilitätsplattformen bieten multimodale Lösungen an, um sich • Intelligente Stromnetze (Smart Grid) möglichst effizient fortzubewegen, egal verbinden Erzeugung, Speicherung und ob mit Zug (Stadler), Auto oder mit Verbrauch in einem System und stimmen sogenannter Micromobility wie E- die Komponenten aufeinander ab. Damit Roller (NIU), Scooter (Tier) oder E-Bikes lassen sich Leistungsschwankungen (Accel). ausgleichen und die Energie effizient einsetzen. • Das Anfordern von Fahrdiensten (Ride Hailing-Dienste wie Uber) und die • Enorme Datenmengen für Autonomes gemeinschaftliche Nutzung von Fahren benötigen zudem eine Fahrzeugen (Car Sharing) integrieren flächendeckende Versorgung mit private Fahrzeuge in die Mobilitäts- schnellen Funknetzen (5G oder Wlan plattform und verbilligen den Zugang zu Netz). Dienstleistungen • Versorger im Fokus: Eon, EnBW, RWE/innogy sowie Dt. Telekom Gemeinschaftlich Nachhaltig 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 11
Neue Branchen profitieren von den Megatrends und der Mobilität von morgen Autohersteller und Zulieferer Autonomes Fahren Chip/Sensorik, Etablierte Unternehmen, die in neue Technologie, Cloud-Computing Maps Technologien/Produkte investieren, Einzeltitelbeispiele aber auch komplett neueAnbieter • Intel, Nvidia, Infineon, Dialog Einzeltitelbeispiele Semiconductor, Elmos, Micron, … • VW, Toyota, BMW, Daimler, … • Alphabet (Google bzw. Waymo), • Conti, Denso, Valeo, Autoliv, … Baidu, Alibaba, Tencent, Tomtom,... • Tesla, BYD, Nio… • Apple… Mobilität der Infrastruktur Stromerzeugung (regenerativ), E-Mobilität Zukunft Telekoms, Ausrüster Rohstoffgewinnung, Chemie, Einzeltitelbeispiele Batterie-Zellen, E-Motoren, • Eon, EnBW, RWE/innogy, … Wasserstoff-/Brennstoffzellen • ABB, Schneider Electric, … Einzeltitelbeispiele • Dt. Telekom, Vodafone, AT&T, … • BHP, RioTinto, Galaxy, … • Panasonic, LG, Chem, CATL, Sonstiges Samsung, GS Yuasa, … Car-Sharing/Ride-Hailing, Micro-Mobility, • Siemens, Nidec, Aumann, … Service-Anbieter • Linde, Air Liquide, … Einzeltitelbeispiele • BASF, Covestro, Albemarle, … • Uber, Accel (E-Bikes), Niu, Stadler (Zugausrüster), … 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 12
27.01.2020 Urbanisierung Urbanisierung
Stuttgart ist eine Smart City Gesamtergebnisse des Bitkom-Smart-City-Index, 2019, (l. S.) u. Ergebnisse für Teilindex „Mobilität“ des Bitkom-Smart-City-Index, 2019, (r. S.). • Die obigen Abbildungen zeigen, dass z. B. Stuttgart nach Hamburg und Karlsruhe auf dem 3. Platz des nach verschiedenen Kriterien erstellten Smart-City-Indexes des IKT-Branchenverbandes Bitkom und beim Teilindex „Mobilität“ sogar auf dem 1. Platz liegt. • Natürlich werden hier in erster Linie digitale Angebote für den Bürger gemessen, die die Mobilität erleichtern sollen. De facto ist es aber so, dass sicher in allen großen Städten Deutschlands der Verkehr unter permanenten und intensiver werdenden Stauproblemen leidet und sich die Bewohner nach „autofreien Quartieren“ sehnen. Als Stadt „smart“, d.h. digital vernetzt und zukunftsfähig, zu sein, heißt also nicht, nicht im Stau zu stehen. Quelle: Bitkom. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 14
Smart zu sein kann trotzdem bedeuten, durch Staus geprägt zu sein. Zeitverlust Veränderung Staukosten Rang Stadt (Stunden zum Vorjahr p.a. pro Fahrer pro Jahr) 1 Berlin 154 -5% € 1.340 2 München 140 -3% € 1.218 3 Hamburg 139 -3% € 1.212 4 Leipzig 108 -4% € 941 5 Stuttgart 108 -11% € 938 6 Nürnberg 107 -11% € 937 7 Frankfurt 107 -8% € 935 • 37 Minuten pro Tag verbringen wir im Durchschnitt im Stau 8 Bonn 104 -5% € 911 • In Deutschland gibt es jeden Tag 2.000 Staus –745.000 Staus pro Jahr 9 Düsseldorf 100 -9% € 874 • 4.200 km jeden Tag • Stautag Nr. 1: Mittwoch 10 Köln 99 -7% € 867 Quelle: Pixabay, inrix, ADAC. LBBW Research 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 15
Was sind die Rahmendaten für die Stadtentwicklung? Viele wollen in die attraktiven Städte Quelle: Andreas Peichl: Der Immobilienmarkt in Deutschland –Regionale Heterogenität und Politikinterventionen, ifo-Institut. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 16
Digitalisierung als Ursache der Urbanisierung Kapitalkoeffizienten für Wissenskapital 1997 bis 2017, marktorientierte Wirtschaft insgesamt. • Warum nimmt die Urbanisierung und die Bedeutung der Metropolen auch in Deutschland zu? Alle Industrieländer unterliegen dem Trend, dass die 0,35 Bedeutung des Produktionsfaktors Wissenskapital im Rahmen der Digitalisierung der Volkswirtschaften immer mehr zunimmt (siehe hierzu LBBW Blickpunkt: 0,3 0,29 „Eine stille Revolution: Von der Industriegesellschaft zur Wissensökonomie? – Die zunehmende Bedeutung von 0,24 0,25 0,23 0,25 Wissenskapital für die unternehmerische 0,23 Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft“, vom 0,2 26.08.2019)). Zur Generierung von Ideen benötigt es dabei 0,2 0,18 paradoxerweise des Zusammenarbeitens und des direkten 0,17 0,18 Austauschs von Wissensarbeitern. Diese „kreative Klasse“ 0,15 0,15 von Wissensarbeitern, wie sie der Urbanisierungsforscher 0,14 0,13 Richard Florida getauft hat, lebt und arbeitet damit zunehmend in den entsprechenden 0,1 Agglomerationsclustern und Metropolen, die verstärkt durch explizite und implizite Technologiefirmen geprägt sind 0,05 (im Extrem z. B. San Francisco und das benachbarte Silicon Valley). Damit steigt die Urbanisierung durch die Digitalisierung der Volkswirtschaft. 0 1997 2007 2017 • Hinzu kommen soziokulturelle Präferenzen DE FR UK USA AT,FI,NL dahingehend, dass die gehobenen Mittelschichten verstärkt in den Innenstädten wohnen, und die Tatsache, dass Anmerkungen: Aufgrund der ähnlichen Größe und wirtschaftlichen Struktur wurden Österreich, Finnland und die Niederlande vom DIW als Ländergruppe zusammengefasst und gesamtheitlich betrachtet. Die Migranten ebenfalls unter ihresgleichen zu leben suchen Marktbestimmte Wirtschaft repräsentiert hier die Sektoren Industrie, private DL, Bauwesen und und entsprechende Migrantencluster und Communities Versorgung. sich eher in den Großstädten befinden als auf dem flachen Land. Quelle: „Internationaler Vergleich des sektoralen Wissenskapitals”, Bertelsmann Stiftung, Juli 2019. Darstellung: LBBW Research. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 17
Wohnungsmangel wird sich noch weiter verschärfen! Wohnungsmangelszenarien für Deutschland des ifo Instituts • Nicht nur wegen dieser Digitalisierungstendenzen dürfte sich der Wohnungsmangel in den deutschen Großstädten noch verschärfen, sondern noch aus einer Vielzahl anderer Gründe. • Nicht nur erlebt Deutschland eine größere Binnenmigration in die großen Städte. Vielmehr führt auch der größere Wohnraumbedarf pro Kopf aufgrund der gestiegenen Anzahl an Single-Haushalten in den Großstädten zu einer höheren Wohnungsnachfrage. Wenn sich dann die alteingesessenen Bewohner der Innenstädte noch gegen eine höhere Verdichtung in der Bebauung wehren, so trägt dies ebenfalls zu steigenden Wohnungspreisen bei. • Die zunehmende Bedeutung des Tourismus‘ und der Vermietungsplattform AirBnB (auch wenn in Bezug auf ihre Effekte die empirische Evidenz geteilt ist) senkt um ein Anmerkungen: Die obige Abbildung zeigt eine Abschätzung des Wohnungsmangels in Deutschland in weiteres das verfügbare Wohnungsangebot. Tausend Wohnungen von 2018-2030. In drei von vier gerechneten Szenarien steigt tendenziell der Wohnungsmangel bis 2024, im Hauptszenario sogar bis 2030. • Die Wohnungsnachfrage dürfte zudem dadurch steigen, dass a) die Arbeits- und Fluchtmigration nach Deutschland weiter anhalten dürfte und b) Deutschland durch die aktive Anwerbung von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland entsprechend eine Nachfrage nach Wohnraum in den Großstädten induziert. • Schlussendlich führen das geringe weltweite Angebot an sicheren Aktiva und das Niedrigzinsniveau zu einer erhöhten Nachfrage nach Wohnungen in den Städten. Quelle: ifo Institut 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 18
Die Mittelschicht wird aus den Innenstädten verdrängt Modell des peripheren Frankreichs (nach C. Guilluy). • Effekt dieser Tendenzen dürfte sein, dass die Mittelschicht zunehmend aus den Innenstädten in den „Speckgürtel“ der Metropolen verdrängt wird (so z. B. eine Studie des IW Köln: IW-Kurzbericht 20/2019: „Immer mehr Menschen verlassen die Großstädte wegen Wohnungsknappheit“). Mittel- • Hier folgt Deutschland Entwicklungen in den USA und Frankreich (Großraum schicht Paris), wo zunehmend eine Segmentierung der Wohnungs- und Arbeitsmärkte beobachtet werden kann. Leben in den attraktiven Innenstädten v. a. Bürger mit hochbezahlten Experten-Jobs (im Tech-Sektor und Management), so sind im Unter- weiteren Innenstadtbereich weniger privilegierte Schichten zu finden, die zumeist Transferleistungen bekommen, wie Wohngeld oder Sozialwohnungen und schicht gleichzeitig aber (einfache) Dienstleistungsjobs inne haben. Die (untere) Mittelschicht, die derartige Sozialtransfers nicht bekommt, wohnt dagegen zunehmend außerhalb der Metropolen, ist oft durch Automatisierungstendenzen in der Industrie in ihren Tätigkeitsprofilen bedroht und muss jeden Tag in die Innenstädte zum Arbeiten pendeln. Städtisches • Das Pendeln wird daher für große Teile der Arbeitnehmerschaft wohl noch in Bürgertum seiner Bedeutung zunehmen. • Die zentrale Frage für diese Teile ist nicht “Walkability” in den Innenstädten, sondern wie sie zur Arbeit von Außen in die Innenstädte kommt. Quelle: LBBW Research, Cicero, David Autor. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 19
Die Hochqualifizierten drängen die weniger Qualifizierten in die Speckgürtel Anteil der beruflichen Beschäftigung unter Erwachsenen mit unterschiedlichen Qualifikationsniveaus im erwerbsfähigen Alter nach der Bevölkerungsdichte in der Pendlerzone von US-Großstädten, 1980- 2015 • Die Abbildung zeigt, dass zwischen 1980 und 2015 der Anteil der Geringqualifizierten an der städtischen Bevölkerung in den USA abgenommen hat (ganz links), dafür aber immer mehr Hochqualifizierte nun in den städtischen Zentren beschäftigt sind (ganz rechts). • Auch Beschäftigte mit lediglich mittleren „Skills“ werden aufgrund der höheren Mieten immer mehr aus den Städten gedrängt, zumal in den Zentren immer weniger Stellen für sie verfügbar sind. Ordinate: Anteil der jeweiligen Gruppe an der Gesamtbeschäftigung; Abszisse: Wachstumsrate der Bevölkerungsdichte. Quelle: David Autor. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 20
Kein Auto zu haben muss man sich leisten können! Anteil der „Experten-Jobs“, die unter Verwendung der schnellsten Transportmöglichkeit innerhalb von 30 Minuten im Pariser Großraum erreichbar sind, in %. • Historisch war die „perfekte“ Stadt immer derart konstruiert, dass ihr Kern in rund 30 Minuten zu Fuß zu durchlaufen war. Im Zeitablauf sind die Metropolen in den Industrieländern dann immer mehr expandiert, so dass das Auto eine immer größere Bedeutung erlangte. • Städte wie Paris und San Francisco zeigen, wie extrem die Bevölkerungsverteilung in den Wohnungsangeboten in den Tech-Metropolen der Welt zunehmend wird. So kann für Paris gezeigt werden, dass rund 60% der Bewohner der Innenstadt Paris, die „walkable“ und damit aus stadtplanerischer Sicht „perfekt“ ist, höhere Angestellte, Manager und „Experten“ sind. Oder um es salopp zu sagen: Die Wohnungspreise und Mieten sind in diesen Städten so hoch, dass sich nur derjenige es leisten kann, kein Auto zu haben, der die hohen Mieten zu zahlen vermag. Quelle: BCG. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 21
Welche sozioökonomischen Trends können Stadtplaner erwarten? • Die Urbanisierungswissenschaft ist nicht zuletzt aufgrund eines langfristigen Planungshorizonts und eines damit einhergehenden Wunschdenkens, stark von „Buzzwords“ geprägt. Moderne Städte sollen nicht nur ökologisch nachhaltig und „smart“ sein, sondern sogar Emotionen vermitteln oder gar einen bestimmten „Sound“ haben. Hier klaffen Anspruch und Wirklichkeit sehr schnell auseinander. Das, was sich Bürger und Städteplaner wünschen, passt zumindest kurz- bis mittelfristig nur wenig mit der Realität und dem tatsächlichen Verhalten der Bürger zusammen. • Stadtplaner müssen daher bestimmte ökonomische Trends berücksichtigen, die u. E. grundlegend sein werden: - Es ist davon auszugehen, dass der Wohnungsmangel aufgrund einer steigenden Nachfrage in den Städten noch steigen wird. - Das große Problem für große Teile der Bevölkerung wird aufgrund der immer weniger bezahlbaren Mieten sein, aus den „Speckgürteln“ der Metropolen täglich effizient zum Arbeiten in die Innenstädte zu gelangen. Der Intermodalität zwischen den einzelnen Verkehrsträgern ist damit eine stärkere Bedeutung beizumessen (z. B. der Umstieg von S-Bahn auf Fahrräder, E-Scooter, etc.). • Micro-Living: Die steigenden Immobilienpreise und Mieten sowie die hohe Mobilität der Beschäftigten mit Experten-Jobs implizieren einen Trend zu kleineren Wohneinheiten. • Die größere Vielzahl an Wohneinheiten impliziert u. U., dass in Zukunft ganze Nachbarschaften von Unternehmen gemanaged werden. • Fragen des Ausweises von Bauland dürften stärker werden. Gleichzeitig ist ein Wandel des „Mindsets“ der angestammten Bewohner notwendig, damit nicht eine Verdichtung der Bebauung mit dem Ziel, mehr Wohnfläche anzubieten, durch ein NIMBY-Verhalten (Not-in-my- Backyard) verhindert wird. • Die größere Ungleichheit in Bezug auf Vermögen und Einkommen zwischen den Stadtbewohnern, die höhere Anonymität und Mobilität sowie die größere (Angst vor) Kriminalität impliziert, dass die Anzahl bewachter Nachbarschaftsviertel (Gated Communities) steigen dürfte. • Öko-Häuser dürften verstärkt als Statussymbole gehobener Schichten gelten. • Entscheidende Frage für die Stadtplanung dürfte sein, wie die Mobilität in die Städte hinein und in den Städten derart organisiert wird, dass bei zukünftig höherer Mobilität der Bürger das Fortkommen effizient vonstatten geht und die Lebensqualität in den Innenstädten erhöht wird. Quelle: FT, BCG. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 22
Einige Fragezeichen hinter der erhofften Mobilitätsrevolution in den Innenstädten erleichtert erleichtert Elektrifizierung + Autonomes Fahren + Teilen = Mobilitätsrevolution • Die E-Mobilität wird allein aus politisch und • Diese Hoffnungen sind allerdings • Zumindest bislang ist regulatorisch getriebenen Gründen kommen, durchaus mit Fragezeichen zu ein starker Trend hin allerdings ist der Ausbau der Ladestationen versehen: 1) Das Autonome zum Car Sharing nicht noch sehr zu forcieren, damit die CO2- Fahren wird zwar kommen, zu sehen. Emissionen sinken. aufgrund der hohen Komplexität • Die Bundesbürger des innerstädtischen Verkehrs kaufen weiterhin Autos aber sicher nur auf Langstrecken und hier verstärkt SUVs. und ausgewiesenen Strecken wie Busspuren. • Aufgrund des hohen Energiebedarfs der impliziten KI- Anwendungen des Autonomen Fahrens bedarf es zudem einer gelungenen Energiewende, die Quelle: BCG. , LBBW Research. für eine grüne Energieversorgung des Autonomen Fahrens sorgt. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 23
Mobilitätstrend Autonomes Fahren: Deutsche zögerlicher als andere Länder Quelle: BCG. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 24
Warum die E-Mobilität trotz offener Fragen kommen wird Treiber Hinderungsgründe • Regulatorik und drohende Strafzahlungen • Aktuelle Kosten eines E-Autos vs. • Fahrverbote in den Städten Verbrenner • E-Auto-Quoten • Ladeinfrastruktur ausbaufähig • China und deren Wirtschaftspolitik • Reichweite der Batterie • Neue Anbieter, Wettbewerbsintensität • Rohstoffe (Lithium, Nickel, Kobalt), deren Vorkommen und Gewinnung • Einfachheit vs. Komplexität des Verbrenners • Unsicherheit über die weitere technologische Entwicklung – was setzt sich langfristig durch? - Große Unsicherheit in der Automobil-Branche - Unsicherheit bei Nutzern führt zu Kaufzurückhaltung à - Zeitdruck mit Blick auf die neuen CO2-Vorgaben der EU begünstigt aktuell die Batterie- Technologie - Regulatorik und weltweite Fahrverbote erhöhen den Druck auf den Verbrenner 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 25
Sharing oder die Qual der Verkehrsmittelwahl für den Pendler • Geht man davon aus, dass der pendelnde Bürger den Wunsch hat, effizient zur Arbeit zu kommen, so ist es für Stadtplaner entscheidend, die Kosten-Nutzen-Entscheidung des Pendlers zu Gunsten alternativer Verkehrsmittel im Vergleich zum Auto zu beeinflussen. • Neben persönlichen Präferenzen (will ich mit anderen Menschen zusammen in einem Vehikel stecken oder lieber allein?), gibt es eine Reihe von Verhaltensparametern, die die Verkehrsmittelwahl beeinflussen (siehe Abbildung links). • Entscheidend ist hier auch die Intermodalität der Verkehrsmittel, d. h. die Einfachheit des Wechsels vom einen in das andere auf der gesamten Wegstrecke. Quelle: Benjamin Kickhöfer. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 26
Mobilitätswandel ist in der Praxis bislang nicht zu sehen Quelle: https://blog.iao.fraunhofer.de/5-thesen-zum-erfolgreichen-wandel-unserer-mobilitaetskultur/ 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 27
“Besitzen statt Nutzen”: Der Bestand an Automobilen hat in Stuttgart zugenommen Bestand an Kraftfahrzeugen in der Landeshauptstadt Stuttgart seit 1983 nach Fahrzeugart, Personenkraftwagen und Gesamtzahl (l. S.), LKW (r. S). 360.000 18.000 • Zieht man Stuttgart als eine sehr von Staus geprägte beispielhafte Metropole 340.000 16.000 heran, so zeigt sich, dass der gesamte Kfz-Bestand in Stuttgart seit 2008 320.000 14.000 zugenommen hat. 12.000 • Der besondere Treiber war hier die 300.000 Anzahl der LKWs, was sicherlich auch 10.000 mit dem zunehmenden Anteil des Online- 280.000 8.000 Handels und den entsprechenden 260.000 Lieferservices zu tun hat. 6.000 240.000 4.000 220.000 2.000 200.000 0 1983 1987 1991 1995 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2012 2014 2016 2018 Kfz Personenkraftwagen Lastkraftwagen Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, LBBW Research. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 28
Die Wachstumsraten der Anzahl Fahrzeuge nehmen aber ab Veränderungsrate, yoy in %, an Kraftfahrzeugen in der Landeshauptstadt Stuttgart seit 1984 nach Fahrzeugart, Personenkraftwagen und LKW. • Immerhin ist aber zu konstatieren, dass 8,0 die Wachstumsraten im Kfz-Bestand 6,0 abnehmend sind. 4,0 2,0 0,0 -2,0 -4,0 -6,0 -8,0 -10,0 -12,0 -14,0 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Lastkraftwagen Personenkraftwagen Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, LBBW Research. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 29
Die Menschen kaufen immer größere Fahrzeuge und diese benötigen Stellfläche Anzahl Neuzulassungen von Personenkraftwagen von Januar bis Dezember 2019 nach ausgewählten Segmenten SUVs Kompaktklasse Kleinwagen Mittelklasse Geländewagen Minis Utilities Obere Mittelklasse Großraum-Vans Mini-Vans Wohnmobile Sportwagen Oberklasse 0 100.000 200.000 300.000 400.000 500.000 600.000 700.000 800.000 900.000 Quelle: Kraftfahrtbundesamt, LBBW Research. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 30
Die Menschen kaufen immer größere Fahrzeuge und diese benötigen Stellfläche Veränderungen der Neuzulassungen von Personenkraftwagen von Januar bis Dezember 2019 gegenüber Januar bis Dezember 2018 nach ausgewählten Segmenten in Prozent SUVs Sportwagen Geländewagen Mini-Vans Utilities Wohnmobile Mittelklasse Kleinwagen Kompaktklasse Obere Mittelklasse Minis Großraum-Vans Oberklasse -30 -20 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Quelle: Kraftfahrtbundesamt, LBBW Research. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 31
Wie können die Menschen dazu gebracht werden, auf Autos zu verzichten? • Die Stadt von morgen ist mit weniger Pkw möglich, aber der Weg dorthin ist unklar. Stadtplaner haben mit erheblichen Hürden zu kämpfen, mit denen z. B. chinesische Stadtplaner nicht zu kämpfen haben. Erstens ist das Mitspracherecht der Bewohner bei der Gestaltung in einer Demokratie ein hohes Gut. Zweitens sind historisch gewachsene Einstellungen nur schwer zu ändern. So gibt es ja nicht nur ausgewiesene „Autostädte“ wie Stuttgart in Baden-Württemberg, sondern auch „Fahrradstädte“ wie Freiburg oder Tübingen. Die Topographie (hügeliges Stuttgart vs. flaches Freiburg) spielt ebenfalls eine Rolle, wenn der Bürger vor der Verwendung des Fahrrads steht. • Bevor sich auf „Cartopias“ für das Leben in den Städten mit noch nicht ausgereiften Konzepten wie dem Autonomen Fahren konzentriert wird, sollte vielleicht die altmodische „Micro-Mobility“ des Fahrradfahrens gefördert werden. Städte wie Amsterdam, Kopenhagen und Paris zeigen, wie dies gehen kann. Die Intermodalität der Verkehrsmittel könnte dadurch gefördert werden, dass vermehrt Falträder oder mehr Stauraum in hierfür neu zu konzipierenden U- oder S-Bahnen geschaffen wird. • Mobilitätswandel geht nicht ohne Kulturwandel. Mindsets können geändert werden. Zum einen durch explizite Preismechanismen, zum anderen durch implizite Preismechanismen oder psychologische „Stupser“, die den Bürger in eine vom Stadtplaner gewünschte Richtung drängen. U. U. sind mobilitätspsychologisch solche „Urban Nudges“ notwendig. • Für den Bürger und damit Stadtplaner ist die funktionierende Intermodalität der Verkehrsmittel zentral. Hierfür benötigt es grundlegend neue technologische Intermodalitätsplattformen, auf denen sensible Bewegungsdaten der Verkehrsteilnehmer ausgetauscht und gespeichert (?) werden, um so den Verkehr besser zu steuern. Nicht nur müssen hier neue Technologien wie Blockchain bedacht werden, sondern auch der Datenschutz hat hier neue Herausforderungen zu meistern. Software-Unternehmen werden damit zu Schlüsselspieler der Mobilität, da digitale intermodale Mobilitätsplattformen zur Koordination der Mobilitätsformen notwendig sind. • Will man die Innenstädte autofrei bekommen, so kann die Walkability dadurch befördert werden, dass darauf geachtet wird, dass möglichst pro Stadtviertel alle für den Bürger notwendigen Einrichtungen für den Alltag in 15 Minuten Reichweite per Fußmarsch erreichbar sind – die ist jedenfalls das Konzept der komplett als autofrei geplanten 80.000-Einwohnerstadt „Great City“ bei Chengdu in China. Quelle: https://www.citylab.com/equity/2012/10/city-where-everything-15-minute-walk-away/3715/; FT, https://www.citylab.com/perspective/2019/10/micromobility-urban-design-car-free-infrastruture- futurama/600163/?utm_medium=social&utm_content=edit-promo&utm_campaign=citylab&utm_term=2019-10-22T20%3A46%3A59&utm_source=twitter. 27.01.2020 Urbanisierung und Neue Mobilität 32
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