URTEIL - Kanton Graubünden

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VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GRAUBÜNDEN
           DRETGIRA ADMINISTRATIVA DAL CHANTUN GRISCHUN
           TRIBUNALE AMMINISTRATIVO DEL CANTONE DEI GRIGIONI

S 17 113

           2. Kammer als Versicherungsgericht

           Vorsitz            von Salis
           Richter            Meisser, Pedretti
           Aktuarin           Parolini

           URTEIL
           vom 29. Januar 2020

           in der versicherungsrechtlichen Streitsache

           A._____,
           vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. et oec. Christian Thöny,
                                                                     Beschwerdeführer
           gegen

           C._____ AG,
           vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Oskar Müller,
                                                                  Beschwerdegegnerin

           betreffend Versicherungsleistungen nach UVG
-2-

1.   B._____ sel. war als _____ und Bergführer tätig, zudem war er Gründer
     und Inhaber der D._____. Er war bei der C._____ AG obligatorisch unfall-
     versichert. A._____ ist der Sohn von B._____ sel.

2.   B._____ sel. verunfallte am 28. November 2015 beim Eisklettern tödlich.
     Er wurde am Morgen des 29. November 2015 bei E._____ leblos im Klet-
     tergurt hängend in einem Eisfall gefunden. Der herbeigerufene Notarzt der
     Rega konnte nur noch den Tod von B._____ sel. (nachfolgend Versicherter
     oder Verunfallter) feststellen. Die in der Folge vom Staatsanwalt angeord-
     nete Obduktion der Leiche ergab u.a. _____, mithin Verletzungen, die in-
     nert kurzer Zeit zum Herzversagen und zum Tod geführt haben mussten.
     Es wurden keine Zeichen einer Unterkühlung gefunden.

3.   Im Rahmen der eingeleiteten Strafuntersuchung konnte die genaue Unfall-
     ursache nicht eruiert werden. Weil jedoch ein Fremdverschulden ausge-
     schlossen werden konnte, stellte die Staatsanwaltschaft Graubünden
     (nachfolgend Staatsanwaltschaft) das Strafverfahren mit Verfügung vom 3.
     März 2016 ein.

4.   Mit Verfügung vom 6. Januar 2016 [recte: 2017] entschied die C._____ AG,
     dass beim fraglichen Unfall von einem absoluten Wagnis auszugehen sei,
     weshalb sie die Halbwaisenrente von A._____ um 50 % kürzte.

5.   Dagegen erhob A._____ am 31. Januar 2017 Einsprache mit dem Antrag,
     die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und ihm sei eine ungekürzte
     Halbwaisenrente von monatlich Fr. 997.80 auszurichten.

6.   Mit Einspracheentscheid vom 3. Juli 2017 bestätigte die C._____ AG ihre
     Auffassung. Sie führte aus, das Soloeisklettern stelle aus verschiedenen
     Gründen ein absolutes Wagnis dar. Selbst wenn dies verneint würde,
     müsse es als relatives Wagnis eingestuft werden, zumal der Versicherte
-3-

     am Unfalltag ein für das Soloeisklettern ungeeignetes Sicherungsgerät ver-
     wendet habe.

7.   Gegen diesen Einspracheentscheid erhob A._____ (nachfolgend Be-
     schwerdeführer) am 21. August 2017 Beschwerde an das Verwaltungsge-
     richt des Kantons Graubünden. Er stellte folgende Rechtsbegehren:

     "1. Der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und dem Beschwerde-
         führer sei ab 01.12.2015 eine ungekürzte Halbwaisenrente von mo-
         natlich CHF 997.80 auszurichten.

     2. Unter Entschädigungsfolge zulasten der Beschwerdegegnerin."

     Der Beschwerdeführer stellte sich auf den Standpunkt, dass das Eisklettern
     kein absolutes Wagnis darstelle und dass der Versicherte im konkreten Fall
     auch kein relatives Wagnis eingegangen sei. Ihm könne keine grobe Fahr-
     lässigkeit vorgeworfen werden, weil er zur Selbstsicherung am Fixseil das
     "Trango Cinch USA" (nachfolgend "Cinch") verwendet habe. Der Be-
     schwerdeführer beantragte in beweisrechtlicher Hinsicht die Einvernahme
     von G._____ als Zeugen und die Einholung eines gerichtlich-technischen
     Gutachtens zur Tauglichkeit des Sicherungssystems "Cinch" für das Klet-
     tern und Abseilen am Fixseil bzw. zu den Risiken des Eiskletterns.

8.   Mit Eingabe vom 3. Oktober 2017 reichte die C._____ AG (nachfolgend
     Beschwerdegegnerin) ihre Beschwerdeantwort ein. Sie beantragte die Ab-
     weisung der Beschwerde unter Bestätigung des Einspracheentscheids
     vom 3. Juli 2017. Sie hielt an ihrer Ansicht fest, dass das Eisklettern per se
     in die Kategorie der absoluten Wagnisse einzustufen sei. Mindestens aber
     stelle es im konkreten Fall ein relatives Wagnis dar, zumal schon das we-
     niger gefahrenträchtige Felsklettern zu dieser Kategorie gehöre. Jedenfalls
     sei das vom Verunfallten am Unfalltag verwendete Sicherungsgerät nicht
     für die Selbstsicherung beim Eisklettern geeignet gewesen, weshalb die
     Leistungskürzung in jedem Fall rechtens sei.
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 9.   Am 27. Oktober 2017 reichte der Beschwerdeführer seine Replik mit un-
      veränderten Rechtsbegehren ein.

10.   Am 17. November 2017 reichte die Beschwerdegegnerin ihre Duplik mit
      ebenfalls unveränderten Rechtsbegehren ein.

11.   Mit prozessleitender Verfügung vom 29. August 2018 ordnete die Instrukti-
      onsrichterin die Einholung eines Gerichtsgutachtens an. Als Experten
      schlug sie H._____, dipl. Bergführer und _____, I._____ AG, akkreditiert
      bei der Fachgruppe für Expertisen bei Bergunfällen (FEB) vor. Dieser gab
      an, er beabsichtige, als Hilfsperson und Gegenleser des Gutachtens
      K._____, dipl. Bergführer und _____, Experte und seit 2010 technischer
      Leiter Graubünden der Schweizer Bergführerausbildung beizuziehen. Die
      Instruktionsrichterin liess den Parteien den Fragenkatalog zukommen und
      räumte ihnen Frist ein, um dazu Stellung zu nehmen und Ergänzungsfra-
      gen zu stellen sowie zum Experten und dessen Hilfsperson allfällige Aus-
      stands- oder Ablehnungsgründe geltend zu machen.

12.   Der Beschwerdeführer reichte seine Stellungnahme am 12. Oktober 2018
      ein. Er erklärte sich mit dem vorgeschlagenen Vorgehen einverstanden.

      Die Beschwerdegegnerin reichte ihre Stellungnahme am 18. Oktober 2018
      ein. Sie erachtete den vorgeschlagenen Experten und dessen Hilfsperson
      als befangen und die gutachterliche Objektivität und Neutralität der beiden
      Fachpersonen als beeinträchtigt, weil das Eisklettern Teil ihrer beruflichen
      Tätigkeit sei. Für den Fall, dass dennoch H._____ als Experte nominiert
      würde, beantragte sie die Einholung einer Bestätigung zu dessen Erfahrun-
      gen als Gutachter. Darüber hinaus stellte die Beschwerdegegnerin ver-
      schiedene Ergänzungsfragen.
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      Zu diesen Ausführungen nahm der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 5.
      November 2018 Stellung. Er bestritt die Einwände der Beschwerdegegne-
      rin und erachtete die vom Gericht vorgeschlagenen Fachpersonen als nicht
      befangen.

      H._____ gab mit Schreiben vom 8. November 2018 Auskunft über die von
      ihm seit 2004 ausgeübte Tätigkeit als Gutachter, seine regelmässige Teil-
      nahme an Schulungen der Fachgruppe für Expertisen bei Bergunfällen und
      seine Ausbildungstätigkeit im Bergsport.

13.   Mit Schreiben vom 14. November 2018, auf Aufforderung der Instruktions-
      richterin hin, überliess die Staatsanwaltschaft dem Gericht aus den Akten
      der Strafuntersuchung _____ das Sicherungsgerät "Cinch" mit Karabiner
      und Einfachseil.

14.   Mit Verfügung vom 13. Dezember 2018 erteilte die Instruktionsrichterin
      H._____ als Experten den Gutachtensauftrag mit ausdrücklichem Hinweis
      auf die Straffolgen bei falscher Begutachtung und unter Zusendung der re-
      levanten Akten sowie der von der Staatsanwaltschaft herausgegebenen
      Objekte.

15.   Das Gutachten mit Beantwortung der im Fragenkatalog gestellten Fragen
      vom 25. März 2019 unter Mitunterzeichnung seitens von K._____ am 29.
      März 2019 erstattete H._____ dem Gericht am 30. März 2019.

16.   Zum Gutachten nahmen der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 17. April
      2019 und die Beschwerdegegnerin mit Eingabe vom 27. Mai 2019 Stellung.
      Der Beschwerdeführer erachtete das Gutachten als überzeugend und kam
      abstellend darauf zum Schluss, dass eine grobe Fahrlässigkeit nicht vor-
      liege, weshalb die Halbierung der Halbwaisenrente nicht gerechtfertigt sei.
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        Die Beschwerdegegnerin leitete aus dem Gutachten ab, dass sich der Ver-
        sicherte leichtsinnig verhalten habe, indem er als erfahrener Kletterer das
        "Cinch" trotz dessen Schwächen für das Soloeisklettern am Fixseil verwen-
        det habe, weshalb die Kürzung des Leistungsanspruchs rechtens sei.

        Zur Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 17. April 2019 nahm die
        Beschwerdegegnerin ihrerseits mit Eingabe vom 11. Juni 2019 Stellung.

17.     Mit Eingabe vom 24. Juni 2019 legte der Beschwerdeführer seine Honorar-
        note, welche diejenige vom 21. November 2017 ersetzte, ins Recht.

        Auf die weiteren Ausführungen der Parteien in ihren Rechtsschriften sowie
        auf die Schlussfolgerungen des Experten wird, soweit entscheidrelevant, in
        den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

                        Das Gericht zieht in Erwägung:

 1.1.   Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Einspracheentscheid
        der Beschwerdegegnerin vom 3. Juli 2017. Ein solcher Entscheid kann ge-
        mäss Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG;
        SR 832.20) i.V.m. Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 des Bundesgesetzes über den
        Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) beim
        Versicherungsgericht desjenigen Kantons angefochten werden, in dem die
        versicherte Person oder der Beschwerde führende Dritte zur Zeit der Be-
        schwerdeerhebung Wohnsitz hat (Art. 58 Abs. 1 ATSG). Befindet sich der
        Wohnsitz der versicherten Person oder des beschwerdeführenden Dritten
        im Ausland, so ist das Versicherungsgericht desjenigen Kantons zuständig,
        in dem sich ihr/sein letzter schweizerischer Wohnsitz befand oder in dem
        ihr/sein letzter schweizerischer Arbeitgeber Wohnsitz hat; lässt sich keiner
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       dieser Orte ermitteln, so ist das Versicherungsgericht desjenigen Kantons
       zuständig, in dem das Durchführungsorgan seinen Sitz hat (Art. 58 Abs. 2
       ATSG). Vorliegend hatte der Versicherte im Kanton Graubünden seinen
       letzten Wohnsitz. Der letzte schweizerische Wohnsitz des Beschwerdefüh-
       rers, der seit Z._____ im Ausland wohnt, befand sich gemäss Wohnsitzbe-
       stätigung vom 5. Oktober 2017 (Beilagen des Beschwerdeführers [Bf-act.]
       10) ebenfalls im Kanton Graubünden.

       Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts als Versicherungsge-
       richt ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 UVG i.V.m. Art. 57 ATSG und Art. 49
       Abs. 2 lit. a des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG; BR
       370.100). Damit ist sowohl die örtliche wie auch die sachliche Zuständigkeit
       des angerufenen Gerichts für die Beurteilung der vorliegenden Streitsache
       gegeben.

1.2.   Der Einspracheentscheid vom 3. Juli 2017, mit dem die Beschwerdegeg-
       nerin ihre Verfügung vom 6. Januar 2017 bestätigte und gleichzeitig die
       Einsprache des heutigen Beschwerdeführers vom 31. Januar 2017 abwies,
       stellt gemäss Art. 49 Abs. 2 lit. a VRG ein taugliches Anfechtungsobjekt für
       ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht dar. Als formeller und materieller
       Adressat des angefochtenen Einspracheentscheids ist der Beschwerde-
       führer von diesem berührt, zudem weist er ein schutzwürdiges Interesse an
       dessen gerichtlicher Überprüfung auf (Art. 1 Abs. 1 UVG i.V.m. Art. 59
       ATSG). Seine Beschwerdelegitimation ist somit zu bejahen.

1.3.   Auf die im Übrigen frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist ein-
       zutreten (Art. 1 Abs. 1 UVG i.V.m. Art. 60 und Art. 61 lit. b ATSG).

2.     Strittig und zu prüfen ist vorliegend, ob die Beschwerdegegnerin mit ihrem
       Einspracheentscheid vom 3. Juli 2017 zu Recht davon ausging, dass das
       Soloeisklettern ein absolutes Wagnis darstelle bzw. dass der Versicherte,
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       indem er am 28. November 2015 mit dem Sicherungsgerät "Cinch" allein
       am zuvor montierten Fixseil im fraglichen Eisfall in E._____ kletterte, ein
       relatives Wagnis eingegangen sei.

3.     Im Sozialversicherungsrecht gelten folgende Verfahrensgrundsätze und
       Beweisregeln:

3.1.1. Gemäss dem Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c
       ATSG, Art. 11 ff. VRG) haben Verwaltung und Gericht von Amtes wegen
       für die richtige und vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sach-
       verhalts zu sorgen. Das Gericht erhebt die notwendigen Beweise und ist in
       der Beweiswürdigung frei (Art. 61 lit. c ATSG, Art. 11 ff. VRG).

3.1.2. Im Sozialversicherungsrecht gilt grundsätzlich der Beweisgrad der über-
       wiegenden Wahrscheinlichkeit (RUMO-JUNGO/HOLZER, in: MURER/STAUF-
       FER,   Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht,
       UVG, Zürich 2012, Art. 1, S. 4, und Art. 6, S. 29 f.). Die Verwaltung als ver-
       fügende Instanz und – im Beschwerdefall – das Gericht dürfen eine Tatsa-
       che nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem Bestehen über-
       zeugt sind. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt
       den Beweisanforderungen nicht. Das Gericht hat vielmehr jener Sachver-
       haltsdarstellung zu folgen, die es von allen möglichen Geschehensabläu-
       fen als die wahrscheinlichste würdigt (zum Ganzen: BGE 144 V 427 E.3.2,
       BGE 138 V 218 E.6, je mit Hinweisen; RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 1,
       S. 4, und Art. 6, S. 29 f.).

3.1.3. Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne der Be-
       weisführungslast begriffsnotwendig aus, da es Sache des Gerichts (oder
       der verfügenden Verwaltungsstelle) ist, für die Zusammentragung des Be-
       weismaterials besorgt zu sein. Im Sozialversicherungsprozess tragen mit-
       hin die Parteien in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im Falle der
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       Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus
       dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese
       Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist,
       im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes aufgrund einer Beweiswürdi-
       gung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit
       für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (zum Ganzen: BGE 144 V 427
       E.3.2, BGE 138 V 218 E.6; RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 1, S. 4 f., und
       Art. 6, S. 29).

3.1.4. Der Verzicht auf die Abnahme beantragter Beweismittel ist in antizipierter
       Beweiswürdigung zulässig, wenn das Gericht in pflichtgemässer Beweis-
       würdigung zur Überzeugung gelangt, ein bestimmter Sachverhalt sei als
       überwiegend wahrscheinlich zu betrachten und es könnten weitere Beweis-
       massnahmen am feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern (BGE 144 II
       427 E.3.1.3, BGE 136 I 229 E.5.3; Urteil des Bundesgerichts 8C_408/2019
       vom 26. August 2019 E.4.3; RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 1, S. 4).
       Bleiben demgegenüber erhebliche Zweifel an Vollständigkeit und/oder
       Richtigkeit der bisher getroffenen Tatsachenfeststellungen bestehen, ist
       weiter zu ermitteln, soweit von zusätzlichen Abklärungsmassnahmen noch
       neue wesentliche Erkenntnisse zu erwarten sind (Urteile des Bundesge-
       richts 8C_210/2019 vom 11. Juli 2019 E.4.2.4 und 9C_262/2018 vom 22.
       August 2018 E.4.1 mit Hinweisen).

3.2.   Der Beschwerdeführer stellte verschiedene Beweisanträge:

3.2.1. In seiner Beschwerde vom 21. August 2017 beantragte er die Einholung
       eines gerichtlich-technischen Gutachtens zur Tauglichkeit des Sicherungs-
       systems "Cinch" für das Klettern und das Abseilen am Fixseil. Die Be-
       schwerdegegnerin machte geltend, ein Gutachten sei angesichts des Vor-
       liegens der Strafuntersuchungsakten nicht erforderlich.
- 10 -

3.2.2. Die Instruktionsrichterin hiess den Antrag gut, ordnete die Einholung eines
       Gerichtsgutachtens an und schlug als Experten H._____, dipl. Bergführer
       und _____, I._____ AG, akkreditiert bei der Fachgruppe für Expertisen bei
       Bergunfällen (FEB) vor. Dieser zog als Hilfsperson für die Untersuchung
       und das Gegenlesen des Gutachtens K._____, dipl. Bergführer und _____,
       Experte und seit 2010 technischer Leiter Graubünden der Schweizer Berg-
       führerausbildung bei.

       Während der Beschwerdeführer mit den Fachpersonen einverstanden war,
       erachtete die Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme vom 18. Okto-
       ber 2018 den vorgeschlagenen Experten und seine Hilfsperson als befan-
       gen und die Objektivität und Neutralität dieser Fachpersonen als einge-
       schränkt. Den Grund dafür sah die Beschwerdegegnerin im Umstand, dass
       Experte und Hilfsperson im Rahmen ihrer Berufsausübung das Eisklettern
       selber anbieten würden und somit ihre eigene berufliche Tätigkeit einer Ri-
       sikoprüfung unterziehen müssten. Für den Fall, dass das Gericht an sei-
       nem Vorschlag festhalten würde, beantragte die Beschwerdegegnerin,
       dass eine Bestätigung über die Erfahrungen von H._____ als Gutachter
       eingeholt werde. Der vorgeschlagene Gutachter teilte mit Schreiben vom
       8. November 2018 mit, dass er seit Z._____ im Durchschnitt jährlich ein
       Gutachten verfasse und regelmässig an entsprechenden Schulungen der
       Fachgruppe für Expertisen bei Bergunfällen teilnehme. Zudem habe er die
       Ausbildung im Bergsport mitgeprägt und diesbezügliche Lehrschriften ver-
       fasst.

       Mit Schreiben vom 12. November 2018 teilte die Instruktionsrichterin den
       Parteien mit, dass es keine Hinweise gebe, die an der Unvoreingenommen-
       heit der beiden Fachpersonen zweifeln lasse. Mit Verfügung vom 13. De-
       zember 2018 erteilte sie dem vorgeschlagenen Experten H._____ den Gut-
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       achtensauftrag unter ausdrücklichem Hinweis auf Art. 307 des Schweizeri-
       schen Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) (Hinweis auf die Straffolgen bei
       Abgabe eines falschen Gutachtens).

       Der Experte erstattete das Gutachten am 25. bzw. am 30. März 2019. Dazu
       nahmen die Parteien in ihren Eingaben vom 17. April 2019 (Beschwerde-
       führer) bzw. vom 17. April 2019 und 27. Mai 2019 (Beschwerdegegnerin)
       Stellung, wobei die Beschwerdegegnerin die im Vorfeld erhobenen Ein-
       wände gegen den eingesetzten Experten und seine Hilfsperson nicht mehr
       erwähnte.

3.2.3. Das Gericht erachtet sowohl den Experten wie auch die von ihm beigezo-
       gene Hilfsperson als nicht befangen, zumal die fachlichen Kenntnisse bei-
       der Fachpersonen unbestritten sind und eine gewisse berufliche Involviert-
       heit bei Fachpersonen kaum je zu vermeiden bzw. gar für die fachliche
       Fundiertheit eines Gutachtens unerlässlich ist. Daran vermögen die von der
       Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme vom 18. Oktober 2018 erho-
       benen Einwände nichts zu ändern. Das Gutachten erweist sich zudem als
       umfassend, schlüssig und überzeugend und damit als beweistauglich. Auf
       dieses kann somit zur Entscheidfindung abgestellt werden (vgl. ausführlich
       dazu Erwägung 7).

3.3.1. Der Beschwerdeführer beantragte ferner in seiner Beschwerde vom 21.
       August 2017 die Einvernahme von G._____, Instruktor für Eisklettern, als
       Zeugen. Dieser sollte sich zum Thema äussern, ob der fragliche Eisfall in
       E._____ für das Eisklettern geeignet sei, wie das Sichern am Fixseil instru-
       iert werde und was diesbezüglich üblich sei. Zu diesem Beweisantrag äus-
       serte sich die Beschwerdegegnerin nicht.

3.3.2. Nachdem ein beweistaugliches Gerichtsgutachten vorliegt, das sich mit
       den gleichen Fragen auseinandersetzt, die auch dem beantragten Zeugen
- 12 -

       zu stellen wären, erachtet das Gericht die Einvernahme von G._____ als
       für die Entscheidfindung nicht erforderlich. Der entsprechende Beweisan-
       trag wird in antizipierter Beweiswürdigung (vgl. Erwägung 3.1.4) abgelehnt.

3.4.1. Im Zusammenhang mit dem am 25. März 2019 erstatteten Gutachten und
       für den Fall, dass an den Eiskletterfähigkeiten des Versicherten gezweifelt
       würde, beantragte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 17.
       April 2019, dass weitere zwei Personen, nämlich L._____, erfahrener Berg-
       steiger und _____, sowie M._____, Extrembergsteiger, als Zeugen oder als
       Auskunftspersonen (Einholung einer schriftlichen Auskunft) befragt wür-
       den. Auch zu diesem Beweisantrag äusserte sich die Beschwerdegegnerin
       nicht.

3.4.2. Aus dem Gutachten geht hervor, dass der Versicherte als starker Felsklet-
       terer galt und in physischer Hinsicht am fraglichen Eisfall nicht überfordert
       gewesen sein dürfte (vgl. Gutachten S. 23). Dies und auch der Umstand,
       dass der Verunfallte hierorts als erfahrener Bergsportler bekannt war (vgl.
       dazu auch Bf-act. 2), reichen nach Ansicht des Gerichts aus, um in der vor-
       liegenden Sache einen sachgerechten Entscheid zu fällen. Auch dieser Be-
       weisantrag wird daher in antizipierter Beweiswürdigung (vgl. Erwägung
       3.1.4) abgelehnt.

4.1.   In Bezug auf das anwendbare Recht ist festzuhalten, dass seit dem 1. Ja-
       nuar 2017 die revidierten Bestimmungen des UVG und der Verordnung
       über die Unfallversicherung (UVV; SR 832.202) in Kraft sind (Änderung
       vom 25. September 2015). Gemäss Abs. 1 der Übergangsbestimmungen
       zur Änderung vom 25. September 2015 werden Versicherungsleistungen
       für Unfälle, die sich vor dem Inkrafttreten der Änderung vom 25. September
       2015, mithin vor dem 1. Januar 2017, ereignet haben, (…) nach bisherigem
       Recht gewährt. Vorliegend ereignete sich der fragliche Unfall im November
       2015, sodass diesbezüglich grundsätzlich die bis zum 31. Dezember 2016
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       gültigen Bestimmungen Anwendung finden. Hinsichtlich der für das vorlie-
       gende Verfahren anwendbaren Bestimmungen haben sich indessen mit In-
       krafttreten der neuen Rechtssätze keine Änderungen ergeben.

4.2.1. Gemäss Art. 6 Abs. 1 UVG werden Versicherungsleistungen des Unfallver-
       sicherers bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten
       gewährt. Stirbt der Versicherte an den Folgen eines Unfalles, so haben ge-
       mäss Art. 28 und Art. 30 Abs. 1 UVG u.a. das Kind des verstorbenen El-
       ternteils Anspruch auf eine Halbwaisenrente.

4.2.2. Gemäss Art. 39 UVG und Art. 50 UVV führen Nichtberufsunfälle, die auf
       ein Wagnis zurückgehen, zur hälftigen Kürzung der Geldleistungen und in
       besonders schweren Fällen zu deren Verweigerung. Als Wagnisse defi-
       nierte der Bundesrat Handlungen, mit denen sich der Versicherte einer be-
       sonders grossen Gefahr aussetzt, ohne die Vorkehren zu treffen oder tref-
       fen zu können, die das Risiko auf ein vernünftiges Mass beschränken
       (Art. 50 Abs. 2 UVV).

4.3.   Lehre und Rechtsprechung unterscheiden zwischen absoluten und relati-
       ven Wagnissen (BGE 141 V 216 E.2.2, BGE 141 V 37 E.2.3). Ein absolutes
       Wagnis liegt vor, wenn eine gefährliche Handlung nicht schützenswert ist
       oder wenn die Handlung mit so grossen Gefahren für Leib und Leben ver-
       bunden ist, dass sich diese auch unter günstigsten Umständen nicht auf
       ein vernünftiges Mass reduzieren lassen (BGE 141 V 216 E.2.2, BGE 141
       V 37 E.2.3, BGE 112 V 297 E.1b, BGE 97 V 72). Ein relatives Wagnis ist
       gegeben, wenn es die versicherte Person unterlassen hat, die objektiv vor-
       handenen Risiken und Gefahren auf ein vertretbares Mass herabzusetzen,
       obwohl dies möglich gewesen wäre (BGE 141 V 216 E.2.2, BGE 141 V 37
       E.2.3, BGE 112 V 297 E.1b, BGE 97 V 72; vgl. zum Ganzen auch: RUMO-
       JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 39, S. 221 ff., RUMO-JUNGO, Die Leistungskür-
       zung oder -verweigerung gemäss Art. 37-39 UVG, Diss. Uni Freiburg,
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       1993, S. 285 ff., MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Er-
       gänzungsband, Bern 1989, S. 70 ff., NEF, Das Wagnis in der sozialen Un-
       fallversicherung, in: SZS 1985, S. 103 ff.).

5.     Im angefochtenen Einspracheentscheid vom 3. Juli 2017 wies die Be-
       schwerdegegnerin die Einsprache des Beschwerdeführers ab und hielt an
       der Rechtmässigkeit der Kürzung der diesem zustehenden Halbwaisen-
       rente um 50 % fest.

5.1.   In der Begründung bezeichnete die Beschwerdegegnerin das Eisklettern
       und insbesondere das Soloeisklettern als absolutes Wagnis, weil diesen
       Tätigkeiten das Risiko, eine Verletzung davon zu tragen, wesensmässig in
       akuter Weise innewohne. Mögliche Lawinen, Eisschlag, schwankende
       Temperaturen und die Inhomogenität des Eises sowie die (waffenartige)
       Ausrüstung erhöhten die Gefahr von Verletzungen. Die Kälte und die Not-
       wendigkeit, keine zu langen Pausen zu machen, um ein Auskühlen zu ver-
       meiden, erhöhten die Gefahr einer Verletzung durch physische oder psy-
       chische Schwäche. Auch der Umstand, dass die Sicherung beim Eisklet-
       tern überwiegend selbst gelegt werde, sei eine Fehlerquelle. Beim Soloeis-
       klettern fehle zudem die Sicherheitsgarantie der Seilschaft.

       Für den Fall, dass kein absolutes Wagnis vorliegen sollte, müsse das So-
       loeisklettern, so die Beschwerdegegnerin, zumindest als relatives Wagnis
       eingestuft werden. Der Versicherte habe am Unfalltag das "Cinch" zum Si-
       chern verwendet. Dieses sei jedoch nicht für die Selbstsicherung, sondern
       für die Sicherung beim Klettern im Zweierverbund gedacht. Zudem dürfe
       es nicht mit der Felswand oder anderen Hindernissen in Kontakt kommen,
       weil dies zu einer reduzierten Bremsleistung führe. Der Einwand des Be-
       schwerdeführers, alle ihm bekannten Kletterspezialisten würden nur eine
       Sicherung verwenden, sei nicht zu hören, gehöre doch zu den minimalen
       Sicherheitsstandards ein System mit einer zweiten Sicherungsvorrichtung.
- 15 -

       Die Beschwerdegegnerin müsse nicht beweisen, dass die unzureichende
       Sicherung für den Absturz kausal war. Der Umstand, dass der Versicherte
       stürzte, bedeute, dass die Sicherung de facto ungenügend war. Indem der
       Versicherte zudem am Unfalltag allein und ohne Information an eine Dritt-
       person unterwegs war, habe er den Sicherheitsanforderungen ebenfalls
       nicht genügt.

5.2.   Dagegen bringt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vom 21. Au-
       gust 2017 und in der Replik vom 27. Oktober 2017 vor, es liege weder ein
       absolutes noch, mangels grober Fahrlässigkeit, ein relatives Wagnis vor.
       Er macht geltend, die Beweislast für ein grobfahrlässiges Verhalten liege
       bei der Beschwerdegegnerin. Diese habe keinen überwiegend wahrschein-
       lichen Unfallhergang darzulegen vermocht, bei dem eine andere als die
       vom Verunfallten verwendete Sicherungsmethode den Unfall verhindert
       hätte. Der Umstand allein, dass der Versicherte gestürzt sei, sei kein sol-
       cher Beweis, sondern ein Zirkelschluss.

       Weiter führt der Beschwerdeführer aus, gemäss bundesgerichtlicher
       Rechtsprechung falle weder der Bergsport noch der Klettersport und das
       Soloeisklettern am Fixseil unter die Kategorie der absoluten Wagnisse. Das
       Klettern an geeigneten, ohnehin an "kurzen" Eiswänden und Wasserfällen
       sei nicht per se gefährlicher als das Klettern im Fels. Der fragliche Eisfall in
       E._____ sei auch gemäss polizeilichem Rapport ein bekannter und öfters
       begangener Eiskletterhang, an dem auch Eiskletterinstruktionskurse
       durchgeführt würden. Das Eisklettern an diesem Eisfall sei, bei stabiler
       Wettersituation, für einen sehr erfahrenen, bestens ausgebildeten und vor-
       bereiteten sowie optimal ausgerüsteten Kletterer, wie es der Versicherte
       gewesen sei, weder ein absolutes noch, im konkreten Fall, ein relatives
       Wagnis. Unbestrittenermassen habe der Verunfallte die Anforderungen an
       die persönlichen Fähigkeiten, Eigenschaften und Vorkehren für die fragli-
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che Kletterpartie erfüllt. Entgegen den Behauptungen der Beschwerdegeg-
nerin sei das verwendete "Cinch" für das Abseilen am gespannten Fixseil
zumindest für geübte und erfahrene Bergsteiger wie der Versicherte geeig-
net. Der Hinweis des amerikanischen Herstellers, wonach dieses Gerät für
die Selbstsicherung beim Soloaufstieg sowie zum eigenen Abseilen nicht
geeignet sei, beziehe sich wohl nicht auf das Ablassen am Fixseil.

Der Vorwurf der Ungeeignetheit des verwendeten Sicherungsgeräts sei nur
dann beachtlich, wenn dieses für den Unfall kausal gewesen sei. Zu diesem
Zweck stellt der Beschwerdeführer zwei Hypothesen zum Unfallhergang
auf. Demnach könnte der Versicherte einerseits beim Ablassen abgestürzt
und zuunterst auf dem Felsvorsprung, auf dem er dann zu liegen kam, auf-
geprallt sein, weil er nach dem Hochklettern wegen irgendeines Umstands
erschrocken sei und deshalb den zuvor geöffneten Hebel des "Cinch" nicht
sofort geschlossen habe. Gegen diese Möglichkeit (Hypothese 1) spreche
die langjährige Erfahrung des Verunfallten und die Unwahrscheinlichkeit,
dass er den Bremshebel derart lange geöffnet gelassen hätte. Bei einem
Sturz aus grösserer Höhe hätte sich das Seil gestrafft, der Mechanismus
hätte blockiert und der Sturz nicht am tiefstmöglichen Punkt geendet.

Andererseits könnte sich der Verunfallte ein erstes Mal abgeseilt, das
Fixseil am Bohrhaken befestigt und kurz nach Beginn des Klettervorgangs
abgestürzt sein. Weil das Seil auf den ersten zwei bis zweieinhalb Metern
sehr locker war, habe der Sicherungsmechanismus beim Sturz in jenem
Bereich bis zum tiefstmöglichen Punkt nicht blockiert und diese Fallhöhe
von gut drei Metern habe ausgereicht, um die schweren, zum Tod führen-
den Verletzungen hervorzurufen. In diesem Fall habe sich das Restrisiko
verwirklicht, das bei jedem Klettern, auch in der Zweierseilschaft, bestehe,
dass nämlich der Vorkletterer nicht ins Steile, sondern ins Flache bzw. auf
einen Felsvorsprung abstürzt (Hypothese 2). In diesem Fall hätte wahr-
- 17 -

       scheinlich weder eine doppelte Sicherung den Aufprall auf dem Felsvor-
       sprung verhindert, noch hätte eine Begleitperson rechtzeitig Hilfe holen
       können.

       Bei jeder anderen Hypothese, wie etwa einem Sturz aus grösserer Höhe,
       könne davon ausgegangen werden, dass das "Cinch" höchstwahrschein-
       lich infolge des durch den Sturz gestrafften Seils relativ rasch blockiert
       hätte.

       Schliesslich legt der Beschwerdeführer dar, dass eine Kürzung der versi-
       cherten Geldleistungen wegen eines relativen Wagnisses nur dann zuläs-
       sig sei, wenn dem Verunfallten eine grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen
       werden könnte. Dies sei nur der Fall, wenn der Bergsteiger elementare al-
       pine Sorgfaltspflichten missachte. Ein Vergleich mit der Gerichtspraxis
       zeige, dass dem geübten und sehr erfahrenen Versicherten, dem der frag-
       liche Eisfall bekannt und der für ihn leicht zu klettern war, höchstens eine
       leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne, weil er auf eine doppelte
       Sicherung verzichtet und sich dem fraglichen Sicherungsgerät "Cinch" an-
       vertraut habe.

5.3.   In ihrer Beschwerdeantwort vom 3. Oktober 2017 und in der Duplik vom 17.
       November 2017 bestätigt die Beschwerdegegnerin ihre im Einspracheent-
       scheid dargelegte Auffassung. Was die Frage des absoluten Wagnisses
       betreffe, so die Beschwerdegegnerin, könne der vom Beschwerdeführer zi-
       tierte, aus dem Jahr 1971 stammende BGE 97 V 72 zum Felsklettern dem
       vorliegenden Sachverhalt nicht mehr zugrunde gelegt werden, zumal das
       Eisklettern damals noch kein Thema gewesen sei. Massgeblich sei, so
       nämlich BGE 141 V 37 (zum "Dirt-Biken"), die objektive Gefahr einer Hand-
       lung, d.h. die Streitfrage müsse unabhängig vom konkreten Sachverhalt
       beurteilt werden. Im angefochtenen Einspracheentscheid habe sie mindes-
       tens neun konkrete Gefahren und Risiken aufgezeigt, die für die Einstufung
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des (Solo-)Eiskletterns (auch wenn gesichert am montierten und vorge-
spannten Fixseil) als absolutes Wagnis sprächen. Faktoren wie die nach-
folgenden liessen das Eisklettern als wesentlich gefährlicher als das Fels-
klettern erscheinen: u.a. Lawinen, Eisschlag, Temperaturwechsel, Eisqua-
lität, schnelle Veränderbarkeit von Gefahren, grundsätzlich vorhandenes
Verletzungsrisiko, keine Möglichkeit zum Ausbouldern von Eiskletterrou-
ten, selbstgelegte Sicherungen, waffenartige Ausrüstung, Unmöglichkeit
des Einlegens grösserer Pausen, fehlende Sicherheitsgarantie im Ver-
gleich zur Seilschaft, etc.

Nur subsidiär müsse die Frage beantwortet werden, ob der Versicherte im
konkreten Fall ein relatives Wagnis eingegangen sei, wobei auch hier nicht
auf BGE 97 V 72 abgestellt werden könne. Die Behauptung, dass die kli-
matischen Verhältnisse zum Unfallzeitpunkt geeignet gewesen seien, sei
nicht erwiesen. Zudem sei das vom Verunfallten verwendete "Cinch" für
das Soloklettern (auch am montierten und vorgespannten Seil) ungeeignet.
Wenn überhaupt, dürfe es zudem (zur Sicherung im Vorstieg- und Toprope-
Klettern in der Halle und auf Sportkletterrouten) nur von einem erfahrenen
Sicherer verwendet werden, der sich sorgfältig mit der Funktionsweise ver-
traut gemacht habe. Nicht geeignet sei es für den Soloaufstieg und zum
eigenen     Abseilen    und   somit    auch    nicht   für   das    (Solo-)
Klettern im Eis. Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass sich der Hin-
weis des Herstellers nicht auf das Ablassen am Fixseil bezogen habe, er-
weise sich bei objektiver Prüfung der Herstellerunterlagen als falsch. Dass
der verunfallte Versicherte am Unfalltag sorglos ein solches Gerät verwen-
det habe, stelle eine Grobfahrlässigkeit dar. Ferner handle es sich bei den
vom Beschwerdeführer aufgestellten Hypothesen um Spekulationen, die in
der Sache nicht weiterhelfen würden.
- 19 -

6.     Gemäss Gutachtensauftrag (vgl. Erwägung 3.2.2. f.) hatte sich der einge-
       setzte Experte zu den Risiken des Eiskletterns und zur Frage der Tauglich-
       keit des Sicherungssystems "Cinch" für das Klettern und Abseilen am
       Fixseil zu äussern.

6.1.   Der Experte führte, zusammen mit seiner Hilfsperson, am 27. Dezember
       2018 einen Augenschein vor Ort durch. Zudem standen ihm die relevanten
       Akten und die von der Staatsanwaltschaft herausgegebenen Objekte zur
       Verfügung. Mit dem "Cinch" führten die Fachpersonen verschiedene Tests
       in den Kletterhallen N._____ und P._____ durch, deren Ergebnisse ins Gut-
       achten vom 25. März 2019 einflossen. Dieses wurde dem Gericht am 30.
       März 2019 zugestellt.

6.2.1. Im Zusammenhang mit der Frage, ob es sich beim (Solo-)Eisklettern im
       Eisfall E._____ um ein absolutes Wagnis handle oder nicht, äussert sich
       der Gutachter im Wesentlichen folgendermassen: Das fragliche Kletterge-
       biet sei ein bekanntes Übungsgebiet. Es gelte, abgesehen von der bekann-
       ten Eisschlaggefahr im mittleren und linken Teil, als objektiv sicher. Allfäl-
       lige Gefahren gingen hier von den Kletternden selbst aus. Die Route
       E.1._____ im rechten Teil des Eisfalls, an der sich der Unfall ereignet habe,
       weise den moderaten Schwierigkeitsgrad Z._____ auf und diene oft zu
       Übungs- und Ausbildungszwecken. Das Klettern am dortigen Eisfall sei we-
       der leichtsinnig noch verwegen oder tollkühn, das Risiko lasse sich durch
       Ausbildung, Vorbereitung, Ausrüstung und Befähigung auf ein als völlig ak-
       zeptabel geltendes Mass reduzieren. Das Soloklettern am Fixseil (mit Seil-
       klemme oder "Grigri", manchmal mit redundantem System) gelte in infor-
       mierten Bergsteigerkreisen nicht als besonders gefährlich bzw. in geeigne-
       tem Gelände als ähnlich sicher wie das Klettern in einer Zweierseilschaft.
       Auch das Soloklettern am Fixseil im Eisfall E._____ könne bei adäquater
       Technik weder als leichtsinnig, noch verwegen oder tollkühn bezeichnet
       werden, obwohl das Risiko – wegen Gefahrenquellen wie Verletzungen
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       durch Pickel oder Steigeisen, selbst ausgelösten Steinschlags oder Versa-
       gens von Seilklemme oder "Grigri" – etwas höher sei als das Soloklettern
       am Fixseil in einem Klettergarten mit gutem Fels.

6.2.2. Beim Fragethema "relatives Wagnis" äussert sich der Gutachter vorerst zu
       den möglichen Unfallursachen: Am wahrscheinlichsten erachtet er dabei
       die Variante, dass der Versicherte beim Hochklettern stürzte oder sich kon-
       trolliert ins Seil hängen wollte und dass dabei die Klemmwirkung des
       "Cinch" versagte. Weiter führt er aus, es gebe keine anerkannten Stan-
       dards zum Soloklettern am Fixseil und keine Geräte, die zur Selbstsiche-
       rung am Fixseil beim Soloklettern konzipiert seien, dies gelte gemäss Ge-
       brauchsanweisung sowohl für das "Cinch" als auch für das "Grigri", die
       dazu dienten, einen Kletterpartner zu sichern und abzulassen sowie um
       sich selbst abzuseilen. Das Verwenden eines Geräts für eine nicht explizit
       zugelassene Tätigkeit erachtet der Gutachter allerdings noch nicht a priori
       als fahrlässig oder mutig. Bei verschiedenen Tests in der Kletterhalle und
       im Eis hätten er und seine Hilfsperson festgestellt, dass das "Cinch" immer
       problemlos blockierte. Auf die Frage, ob er die Verwendung des "Cinch"
       beim Soloklettern am Fixseil als leichtsinnig, verwegen oder tollkühn be-
       zeichnen würde, bejaht dies der Gutachter nur für den Fall, dass dies ohne
       Redundanz in einer nicht ganz einfachen Kletterei und trotz Kenntnis der
       Schwächen des Geräts erfolge.

6.2.3. Die Frage, ob der Versicherte bewusst oder unbewusst leichtsinnig, verwe-
       gen oder tollkühn gehandelt habe, indem er sich beim Hochklettern nur mit-
       tels "Cinch" (ohne Redundanz) am Seil gesichert habe, beantwortet der
       Gutachter folgendermassen: (Dies) lässt sich im Nachhinein mit den uns
       vorliegenden Kenntnissen nicht eindeutig beantworten. Am Wahrschein-
       lichsten erachten wir eine Kombination der vier Hypothesen: Er war sich
       einerseits der Gefahr, die vom "Cinch" ausging – insbesondere wenn man
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       zusätzlich eine "Leash" (Anmerkung des Gerichts: "Leash" = Verbindungs-
       schlingen zwischen Klettergurt und Eispickel, vgl. Foto auf S. 9 des Gut-
       achtens) verwendet –, nicht oder nicht vollständig bewusst. Auf der ande-
       ren Seite ging er aufgrund seines Kletterkönnens und weil die Pickel mittels
       "Leash" mit dem Klettergurt verbunden waren, nicht von einem Sturz ins
       Seil aus.

6.3.   In seiner Stellungnahme vom 17. April 2019 führt der Beschwerdeführer
       aus, das Gutachten überzeuge in jeder Hinsicht und sei von überdurch-
       schnittlicher Qualität. Der Standpunkt der Beschwerdegegnerin, das Eis-
       klettern stelle ein absolutes Wagnis dar, sei aufgrund des Gutachtens nicht
       mehr haltbar. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil der Verunfallte
       ein erfahrener Bergsteiger und Eiskletterer gewesen sei. Aber auch ein re-
       latives Wagnis müsse verneint werden, zumal aus dem Gutachten nicht
       hervorgehe, dass sich der Versicherte grobfahrlässig verhalten habe. Die
       Verwendung des "Cinch" im Falle der Hypothese c (Schulterluxation beim
       Klettern) könne dem Verunfallten nicht vorgeworfen werden, weil dessen
       Verwendung diesfalls nicht kausal für den tödlichen Unfall gewesen sei.
       Auch unter Annahme der Hypothese a (Versagen der Sicherung mittels
       "Cinch") verneine der Gutachter eine Fahrlässigkeit aus drei Gründen,
       nämlich weil auch das "Kletterkönnen" redundant sein könne, weil es für
       das Soloklettern am Fixseil keine anerkannten Standards und keine offizi-
       elle Lehrmeinung gebe und weil der Unfalleishang für den Versicherten
       eine einfache Kletterei gewesen sei. Im Übrigen beurteile der Gutachter
       den Eisfall, der auch oft als Übungs- und Ausbildungsgebiet diene und stark
       frequentiert sei, bei guten Eisverhältnissen als stabil und nicht von Eis-
       schlag oder Lawinen bedroht. Alles in allem liege im Verhalten des Verun-
       fallten keine grobe Fahrlässigkeit, was für die Halbierung der Rente Vor-
       aussetzung wäre.
- 22 -

6.4.   Die Beschwerdegegnerin hebt in ihrer Stellungnahme vom 27. Mai 2019
       hervor, dass das "Cinch" seit 2010 als nicht zuverlässig gelte und dass es
       in Europa seit 2015/17 nicht mehr vertrieben werde. Der Gutachter erachte
       das Eisklettern als ähnlich risikobehaftet wie das Begehen von Hochtouren.
       Diese seien 2-3 Mal gefährlicher als Felsklettertouren, hinzu komme das
       höhere Verletzungsrisiko beim Eisklettern. Es sei nicht verständlich, dass
       der offenbar sehr erfahrene Versicherte ein zum Soloklettern nicht geeig-
       netes Gerät verwendet habe, vor dem in der Klettergemeinschaft begrün-
       deterweise gewarnt werde. Dies zeige, dass der Versicherte offensichtliche
       Gefahrenquellen nicht habe einschätzen und nicht adäquat habe reagieren
       können. Er habe keine redundante Sicherung eingesetzt, sodass die Ge-
       fahr bestanden habe, dass das "Cinch" im entscheidenden Moment nicht
       klemmte. Die am Klettergurt fixierte "Leash" habe die Gefahr noch erhöht,
       dass das Funktionieren des "Cinch" behindert werde. Unter diesen Um-
       ständen und angesichts der für den Versicherten nicht ganz einfachen Klet-
       terei, stufe der Gutachter das Handeln des Verunfallten, in Bestätigung der
       beschwerdegegnerischen Ansicht, als leichtsinnig ein. Selbst wenn kein
       absolutes Wagnis vorliege, sei unter den gegebenen Umständen ein rela-
       tives Wagnis zu bejahen, was die Leistungskürzung rechtfertige.

       In der weiteren Stellungnahme vom 11. Juni 2019 (zur Stellungnahme des
       Beschwerdeführers vom 17. April 2019) bekräftigt die Beschwerdegegnerin
       die Gefährlichkeit des Eiskletterns. In dieser Sportart, die ein um 2-3 Mal
       höheres Risiko als das Felsklettern aufweise, habe der Versicherte das
       "Cinch" zur Selbstsicherung am Fixseil ohne redundante Sicherung ver-
       wendet, womit er sich bewusst der Gefahr ausgesetzt habe, dass das Gerät
       im entscheidenden Moment nicht klemmte. Die Gefahr verstärkt habe die
       am Klettergurt fixierte "Leash". Mit der Verwendung des "Cinch" habe der
       Verunfallte leichtsinnig gehandelt. Der tödliche Unfall zeige, dass der Ver-
       sicherte – trotz seines Kletterkönnens, der Seilsicherung mittels "Cinch"
       und der Verbindung der beiden Eispickel mittels "Leash" am Seil (Trias der
- 23 -

       Redundanz) – das Kletterrisiko nicht auf ein vernünftiges Mass reduziert
       habe bzw. nicht habe reduzieren können. Die gutachterliche Feststellung,
       dass der Eisfall E._____ bei guten Eisverhältnissen stabil und nicht von
       Eisschlag und Lawinen bedroht sei, gelte nicht für das Soloeisklettern, son-
       dern nur für das Eisklettern mit Vorsteiger. Nach Ansicht der Beschwerde-
       gegnerin handelte der Versicherte grobfahrlässig, weshalb sie die Leis-
       tungskürzung als verhältnismässig erachtet.

7.     Unzweifelhaft stellt das gesicherte Soloeisklettern am Fixseil eine gefährli-
       che bzw. risikobehaftete Sportart dar, was von den Parteien grundsätzlich
       nicht bestritten wird. Damit hat das Gericht die Frage zu beantworten, ob
       diese Betätigung am fraglichen Eisfall in E._____ ein absolutes Wagnis
       darstellt und verneinendenfalls, ob der Versicherte, indem er am Unfalltag
       allein kletterte und sich dabei mit dem "Cinch" abseilte und sicherte, ein
       relatives Wagnis eingegangen ist oder nicht. Bei seiner Beurteilung stellt
       das Gericht im Wesentlichen auf das von ihm eingeholte Gutachten vom
       25./30. März 2019 ab, das es angemessen zu würdigen hat.

7.1.   Das Eidgenössische Versicherungsgericht führte in BGE 97 V 72 aus, ein
       Wagnis im Sinne des damals geltenden Art. 67 Abs. 3 des Bundesgeset-
       zes über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG) (Befugnis der
       SUVA, aussergewöhnliche Gefahren und Wagnisse von der Versicherung
       gegen Nichtbetriebsunfälle auszuschliessen), der dem heutigen Art. 39
       UVG inhaltlich entspricht (vgl. BGE 138 V 522 E.6.2.1 f., BGE 112 V 297
       E.1b; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 122/06 vom 19.
       September 2006 E.2.1), liege dann vor, wenn sich der Versicherte einer
       besonders grossen Gefahr aussetze (…) (E.2a). Eine Gefahr sei dann be-
       sonders gross, wenn sie unmittelbar drohe, mithin akut sei, und wenn eine
       ins Kühne bis ins Verwegene gehende Unternehmung oder Handlung vor-
       liege (BGE 97 V 72 E.2b), wenn ihr also ein Risiko innewohne, dessen
- 24 -

Übernahme der Gesamtheit der Versicherten nicht mehr zugemutet wer-
den könne (BGE 97 V 72 E.2d). Das Eidgenössische Versicherungsgericht
präzisierte dann die bis dahin ergangene Rechtsprechung, indem sie zwi-
schen absolutem und relativem Wagnis unterschied (BGE 97 V 72 E.2d).

Ein absolutes Wagnis liegt in zwei Konstellationen vor: Zum einen, wenn
es am schützenswerten Charakter einer Handlung mangelt, zum anderen,
wenn sich der Versicherte durch seine Handlung auf Grund objektiver Ge-
gebenheiten, mithin unabhängig von Ausbildung, Vorbereitung, Ausrüs-
tung, Fähigkeiten und Eigenschaften, einer grossen und ungewöhnlichen
Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt hat, die auch unter günstigsten Um-
ständen und mit zweckmässigen Massnahmen nicht auf ein vernünftiges
bzw. vertretbares Mass herabgesetzt werden kann (BGE 97 V 72 E.2d;
MAURER, a.a.O., S. 71, RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 39, S. 221; vgl.
auch BGE 141 V 216 E.2.2, BGE 125 V 312 E.3a, BGE 112 V 297 E.1b;
Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 122/06 vom 19. Sep-
tember 2006 E.2.1, u.a.).

Ein relatives Wagnis wird bejaht bei Betätigungen, bei deren Vornahme der
Versicherte nicht alle Erfordernisse (persönliche Fähigkeiten, Charakterei-
genschaften, Vorbereitungen) zur Gefahrenreduktion auf ein vernünftiges
Mass erfüllt (RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 39, S. 221). Dabei ist an-
hand der konkreten Umstände des Einzelfalles, worunter die persönlichen
Fähigkeiten des Verunfallten und die Art der Durchführung des Unterneh-
mens zählen, zu prüfen, ob die objektiv vorhandenen Risiken und Gefahren
auf ein vertretbares Mass herabgesetzt wurden (Urteil des Eidgenössi-
schen Versicherungsgerichts U 122/06 vom 19. September 2006 E.2.1),
mithin, ob die versicherte Person im massgeblichen Zeitpunkt alle jene An-
forderungen hinsichtlich persönlicher Fähigkeiten, Eigenschaften und Vor-
kehren (inkl. Vorbereitung und Ausrüstung) erfüllte, um das zu beurteilende
Unternehmen lege artis bewältigen und das ihm innewohnende Risiko auf
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       Grund seiner Fähigkeiten auf ein vertretbares Mass herabsetzen zu kön-
       nen (BGE 97 V 72 E.3 und E.5; vgl. zum Ganzen auch BGE 141 V 216
       E.2.2, BGE 138 V 522 E.3.1, BGE 125 V 312 E.3b, BGE 112 V 297 E.1b;
       Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 122/06 vom 19. Sep-
       tember 2006 E.2.1).

7.1.1. In einem ersten Schritt ist also zu prüfen, ob das Eisklettern bzw. das gesi-
       cherte Soloeisklettern am Fixseil eine schützenswerte ausserbetriebliche
       Betätigung, – was dem einen der beiden Kriterien für das Vorliegen eines
       absoluten Wagnisses entspricht (vgl. Erwägung 7.1) –, darstellt oder nicht
       (vgl. insbesondere Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
       U 122/06 vom 19. September 2006 E.2.1). Am schützenswerten Charakter
       einer Handlung mangelt es dann, wenn eine entsprechende Handlung un-
       sinnig oder verwerflich erscheint, wenn z.B. unsinnigerweise, sei es aus
       Jux oder aus der Wut heraus, ein Trinkglas mit einer Hand zusammenge-
       presst    wird    (vgl.   SUVA-Liste     "gefährliche   Sportarten"    unter
       www.suva.ch/de-ch/praevention/freizeit/gefaehrliche-sportarten-wagnisse,
       nachfolgend SUVA-Liste; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsge-
       richts U 122/06 vom 19. September 2006 E.2.1; RUMO-JUNGO/HOLZER,
       a.a.O., Art. 39, S. 221; RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 292). Das Bundesgericht
       bzw. das Eidgenössische Versicherungsgericht stufte das Bergsteigen und
       den Klettersport als schützenswerte ausserbetriebliche Betätigungen ein,
       womit diese grundsätzlich in der Nichtbetriebsunfallversicherung einge-
       schlossen sind (BGE 97 V 72 E.3; RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 39,
       S. 221). Dagegen bringt die Beschwerdegegnerin zu Recht nichts vor.
       Dass das gesicherte Eisklettern bzw. das Soloeisklettern am Fixseil grund-
       sätzlich als nicht schützenswerte ausserbetriebliche Betätigung und schon
       deshalb als absolutes Wagnis anzusehen und daher vom Versicherungs-
       schutz auszunehmen wäre, ist denn vor dem Hintergrund der erwähnten
       bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht ersichtlich. Folglich ist, – in Be-
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       achtung des anderen Kriteriums für das Vorliegen eines absoluten Wagnis-
       ses (vgl. Erwägung 7.1) –, in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob das gesi-
       cherte Eisklettern bzw. das gesicherte Soloeisklettern am Fixseil a priori ein
       Wagnis an sich darstellt oder nicht (vgl. BGE 125 V 312 E.2b).

7.1.2. Gefährliche Sportarten stufte das Bundesgericht bzw. das Eidgenössische
       Versicherungsgericht dann als absolute Wagnisse ein, wenn sie wett-
       kampfmässig betrieben wurden und wenn es auf die Geschwindigkeit an-
       kam (z.B. Motocross-Rennen, Auto-Bergrennen, Karting-Rennen, vgl. dazu
       BGE 125 V 312 E.2a und Urteil des Eidgenössischen Versicherungsge-
       richts U 122/06 vom 19. September 2006 E.2.2, jeweils mit Hinweisen). Im
       Weitern zählte es Boxwettkämpfe und Thaiboxen (BGE 125 V 312 E.2a
       und Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 122/06 vom 19.
       September 2006 E.2.2, jeweils mit Hinweisen) sowie das "Dirt-Biken" (BGE
       141 V 37 E.4.7) dazu. Auf der SUVA-Liste sind auch das "Downhill-Biking",
       "Speedflying" und "Base Jumping" als absolute Wagnisse aufgeführt. Nicht
       als absolutes Wagnis stuften die Gerichte folgende Tätigkeiten ein: das
       Deltasegeln, das nicht wettkampfmässige Kart-Fahren, das Canyoning,
       eine Rollbrettabfahrt, die nicht wettkampfmässig und auf Geschwindigkeit
       hin betrieben wurde, das Schneeschuhlaufen (BGE 141 V 37 E.4.1 mit den
       entsprechenden Hinweisen vgl. auch die Kasuistik bei RUMO-JUNGO,
       a.a.O., S. 293 ff., RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 39, S. 223 f.). Bei der
       Ausübung anderer Sportarten (Auto-Rallye, Deltasegeln, Höhlentauchen,
       Klettern, Pneuschlitteln) hing die Unterscheidung zwischen absolutem und
       relativem Wagnis von der Beeinflussbarkeit des Risikos und den weiteren
       gegebenen Umständen ab (BGE 125 V 312 E.2a und Urteil des Eidgenös-
       sischen Versicherungsgerichts U 122/06 vom 19. September 2006 E.2.2,
       jeweils mit Hinweisen).
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       Bei alpinistischen Unternehmungen wird dann von einem absoluten Wag-
       nis gesprochen, wenn diese um des Abenteuers willen unternommen wer-
       den und wenn deren objektive Gefahren für Leib und Leben unabhängig
       von der Ausbildung, Vorbereitung, Ausrüstung und Befähigung der Betei-
       ligten so erheblich sind, dass sie praktisch nicht auf ein vertretbares Mass
       herabsetzbar und somit der Gesamtheit der Versicherten nicht mehr zuzu-
       muten sind (BGE 97 V 72 E.3). In diesem Zusammenhang ist die konkrete
       Unternehmung – hier das gesicherte Eisklettern bzw. Soloeisklettern am
       Fixseil am Eisfall in E._____ – im Hinblick auf das Vorliegen eines Wagnis-
       ses an sich (absolutes Wagnis) zu beurteilen (BGE 125 V 312 E.2b, vgl.
       auch BGE 138 V 522 E.7.2; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsge-
       richts U 122/06 vom 19. September 2006 E.2.1).

7.1.2.1. Dem Gutachten kann entnommen werden, dass das fragliche Klettergebiet
       in E._____ ein bekanntes, von vielen Eiskletterern begangenes Übungsge-
       biet ist (Gutachten S. 12 mit Hinweis auf Gutachten Anhang 5: Ausschnitt
       aus Urs Odermatt: Eiskletterführer Hot Ice, Eisklettern in der Schweiz - Ost,
       2. Aufl., Nr. _____, E._____,) das oft auch zu Ausbildungszwecken aufge-
       sucht wird (Gutachten S. 13). Abgesehen von der Eisschlaggefahr im mitt-
       leren und linken – nicht jedoch im hier interessierenden rechten – Teil gilt
       der fragliche Eisfall gemäss dem Gutachter als objektiv sicher (Gutachten
       S. 12). Im Bereich der auch im erwähnten Eiskletterführer beschriebenen
       Kletterroute Nr. _____ (Gutachten S. 12, Gutachten Anhang 5), wo sich der
       Unfall ereignet hat, herrscht gemäss Gutachter und Eiskletterführer weder
       Eisschlag- noch Lawinengefahr (Gutachten S. 12 und S. 14, Gutachten An-
       hang 5). Dieser rechte Teil wird daher, gute Eisverhältnisse vorausgesetzt,
       als stabiler Eisfall eingeschätzt, der zudem auch keine höheren Anforde-
       rungen stellt (Gutachten S. 13). Die Schwierigkeit dieser Route ist, so der
       Gutachter, mit Z._____ moderat (von insgesamt 7 Schwierigkeitsstufen,
       vgl. Gutachten Anhang 5, S. 17 "Technische Bewertung"), das Eisklettern
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       in diesem Bereich wird vom Gutachter als weder leichtsinnig noch verwe-
       gen oder tollkühn bezeichnet (Gutachten S. 13). Allfällige besondere Ge-
       fahren bestünden nicht (Gutachten S. 13 f.) bzw. würden gemäss Gutach-
       ter im Wesentlichen von den Kletternden selbst ausgehen (z.B. Sturz des
       Vorsteigenden, von Vorsteigenden oder anderen Seilschaften losgeschla-
       gene Eisstücke, schlechte Verhältnisse, mangelnde Eisqualität) und könn-
       ten somit von diesem "problemlos" auf ein vernünftiges Mass reduziert wer-
       den (Gutachten S. 12). Werde von oben gesichert, müsse niemand vorstei-
       gen und das Gefahrenpotenzial (losgeschlagene Eisstücke) vermindere
       sich nochmals (Gutachten S. 13). Dementsprechend gelte diese Kletter-
       route, bei angemessener Ausbildung, Vorbereitung, Ausrüstung und Befä-
       higung, in Bergsteigerkreisen als völlig akzeptabel (Gutachten S. 13).

       Das Gericht erachtet diese Ausführungen als nachvollziehbar und überzeu-
       gend. Aus diesen Angaben resultieren in der Tat keine Hinweise darauf,
       dass das gesicherte Eisklettern (vgl. zum Soloklettern bzw. Soloeisklettern
       am Fixseil die nachfolgenden Erwägungen 7.1.2.2 und 7.1.2.3) an der Klet-
       terroute E.1._____ am Eisfall in E._____ eine so erhebliche objektive Ge-
       fahr für Leib und Leben bedeutete, dass sie durch den Kletternden auch
       unter den günstigsten Umständen (vgl. RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 291; Erwä-
       gung 7.1 und 7.1.2) nicht auf ein vernünftiges Mass reduziert werden
       könnte. Insbesondere trifft hier der Einwand der Beschwerdegegnerin, dem
       Eisklettern seien Lawinenniedergänge und Eisschlag als objektive Gefah-
       ren inhärent, offensichtlich nicht zu. Zu prüfen bleibt, ob dasselbe auch für
       das dortige gesicherte Soloeisklettern am Fixseil gilt oder nicht.

7.1.2.2. Gemäss den Ausführungen des Gutachters wird das gesicherte Soloklet-
       tern am Fixseil (im Fels) (vgl. für das gesicherte Soloeisklettern am Fixseil
       nachfolgende Erwägung 7.1.2.3) für das persönliche Klettertraining und
       zum Einstudieren von schwierigen Routen praktiziert, wenn kein/e Seilpart-
       ner/in zugegen ist oder man ohne eine/n solche/n flexibler und effizienter
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ist (Gutachten S. 15). Der Gutachter beschreibt die beiden Hauptsiche-
rungstechniken "Seilklemme" (z.B. mit dem Sicherungsgerät "Basic" von
Petzl, vgl. Gutachten Anhang 11: Artikel von Pit Schubert, Die Seilklemme
ersetzt den Seilpartner, in: Sicherheit und Risiko in Fels und Eis, 2. aktual.
Auflage, 1995, S. 136 ff.) und "Grigri" (Gutachten S. 15) (vgl. auch die Fo-
tos Gutachten S. 11) und erwähnt, dass manchmal zur Risikominimierung
redundante Systeme installiert werden (Gutachten S. 15 f.), z.B. ein zwei-
tes Seil (Variante Petzl, vgl. Gutachten Anhang 8: Petzl, "Grundprinzipien
des Solo-Kletterns entlang eines Fixseils", Auszug aus der Homepage
www.petzl.com), um einem (generell sehr seltenen) Seil- oder Seilmantel-
riss vorzubeugen, oder ein Knoten unterhalb des "Grigri" (Gutachten An-
hang 10, Foto 4) oder als Redundanz zur Seilklemme eine zweite Seil-
klemme (Gutachten Anhang 11).

Ferner bestätigt der Gutachter, dass das gesicherte Soloklettern am Fixseil
von vielen Kletterern regelmässig praktiziert wird, meistens in Klettergärten
zu Trainingszwecken, wobei in der Regel nur mit einem Seil und mittels
Seilklemme ohne Redundanz gesichert werde (Gutachten S. 16). Der Vor-
teil bei dieser Art Soloklettern sei, dass der Kletterer von oben gesichert
sei, wodurch keine langen Stürze riskiert würden (Gutachten S. 16). Nach-
teilig sei, dass es kein allgemein akzeptiertes Sicherungssystem gebe,
dass ein (eher unwahrscheinliches) Restrisiko bestehe, dass ein Steinchen
die Funktion der Seilklemme behindern oder aufheben könnte (Gutachten
S. 16 mit Hinweis auf die entsprechende Warnung im Artikel von Pit Schu-
bert, Gutachten Anhang 11, S. 136 f.), dass der Kletterer beim Anbringen
des Fixseils abstürzen könnte, und dass er allein sei, wenn etwas Unvor-
hergesehenes passiere (Gutachten S. 16 f.). Auf entsprechende Frage hin
erklärt der Gutachter, dass diese Art Klettern (Soloklettern am Fixseil) mit
der beschriebenen Technik in informierten Bergsteigerkreisen nicht als be-
sonders gefährlich gelte (Gutachten S. 17). Es sei bei geeignetem Gelände
und bei Fehlen grosser Quergänge ähnlich sicher wie das Klettern in einer
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