URTEIL - Kanton Graubünden
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VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GRAUBÜNDEN DRETGIRA ADMINISTRATIVA DAL CHANTUN GRISCHUN TRIBUNALE AMMINISTRATIVO DEL CANTONE DEI GRIGIONI S 17 113 2. Kammer als Versicherungsgericht Vorsitz von Salis Richter Meisser, Pedretti Aktuarin Parolini URTEIL vom 29. Januar 2020 in der versicherungsrechtlichen Streitsache A._____, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. et oec. Christian Thöny, Beschwerdeführer gegen C._____ AG, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Oskar Müller, Beschwerdegegnerin betreffend Versicherungsleistungen nach UVG
-2- 1. B._____ sel. war als _____ und Bergführer tätig, zudem war er Gründer und Inhaber der D._____. Er war bei der C._____ AG obligatorisch unfall- versichert. A._____ ist der Sohn von B._____ sel. 2. B._____ sel. verunfallte am 28. November 2015 beim Eisklettern tödlich. Er wurde am Morgen des 29. November 2015 bei E._____ leblos im Klet- tergurt hängend in einem Eisfall gefunden. Der herbeigerufene Notarzt der Rega konnte nur noch den Tod von B._____ sel. (nachfolgend Versicherter oder Verunfallter) feststellen. Die in der Folge vom Staatsanwalt angeord- nete Obduktion der Leiche ergab u.a. _____, mithin Verletzungen, die in- nert kurzer Zeit zum Herzversagen und zum Tod geführt haben mussten. Es wurden keine Zeichen einer Unterkühlung gefunden. 3. Im Rahmen der eingeleiteten Strafuntersuchung konnte die genaue Unfall- ursache nicht eruiert werden. Weil jedoch ein Fremdverschulden ausge- schlossen werden konnte, stellte die Staatsanwaltschaft Graubünden (nachfolgend Staatsanwaltschaft) das Strafverfahren mit Verfügung vom 3. März 2016 ein. 4. Mit Verfügung vom 6. Januar 2016 [recte: 2017] entschied die C._____ AG, dass beim fraglichen Unfall von einem absoluten Wagnis auszugehen sei, weshalb sie die Halbwaisenrente von A._____ um 50 % kürzte. 5. Dagegen erhob A._____ am 31. Januar 2017 Einsprache mit dem Antrag, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und ihm sei eine ungekürzte Halbwaisenrente von monatlich Fr. 997.80 auszurichten. 6. Mit Einspracheentscheid vom 3. Juli 2017 bestätigte die C._____ AG ihre Auffassung. Sie führte aus, das Soloeisklettern stelle aus verschiedenen Gründen ein absolutes Wagnis dar. Selbst wenn dies verneint würde, müsse es als relatives Wagnis eingestuft werden, zumal der Versicherte
-3- am Unfalltag ein für das Soloeisklettern ungeeignetes Sicherungsgerät ver- wendet habe. 7. Gegen diesen Einspracheentscheid erhob A._____ (nachfolgend Be- schwerdeführer) am 21. August 2017 Beschwerde an das Verwaltungsge- richt des Kantons Graubünden. Er stellte folgende Rechtsbegehren: "1. Der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und dem Beschwerde- führer sei ab 01.12.2015 eine ungekürzte Halbwaisenrente von mo- natlich CHF 997.80 auszurichten. 2. Unter Entschädigungsfolge zulasten der Beschwerdegegnerin." Der Beschwerdeführer stellte sich auf den Standpunkt, dass das Eisklettern kein absolutes Wagnis darstelle und dass der Versicherte im konkreten Fall auch kein relatives Wagnis eingegangen sei. Ihm könne keine grobe Fahr- lässigkeit vorgeworfen werden, weil er zur Selbstsicherung am Fixseil das "Trango Cinch USA" (nachfolgend "Cinch") verwendet habe. Der Be- schwerdeführer beantragte in beweisrechtlicher Hinsicht die Einvernahme von G._____ als Zeugen und die Einholung eines gerichtlich-technischen Gutachtens zur Tauglichkeit des Sicherungssystems "Cinch" für das Klet- tern und Abseilen am Fixseil bzw. zu den Risiken des Eiskletterns. 8. Mit Eingabe vom 3. Oktober 2017 reichte die C._____ AG (nachfolgend Beschwerdegegnerin) ihre Beschwerdeantwort ein. Sie beantragte die Ab- weisung der Beschwerde unter Bestätigung des Einspracheentscheids vom 3. Juli 2017. Sie hielt an ihrer Ansicht fest, dass das Eisklettern per se in die Kategorie der absoluten Wagnisse einzustufen sei. Mindestens aber stelle es im konkreten Fall ein relatives Wagnis dar, zumal schon das we- niger gefahrenträchtige Felsklettern zu dieser Kategorie gehöre. Jedenfalls sei das vom Verunfallten am Unfalltag verwendete Sicherungsgerät nicht für die Selbstsicherung beim Eisklettern geeignet gewesen, weshalb die Leistungskürzung in jedem Fall rechtens sei.
-4- 9. Am 27. Oktober 2017 reichte der Beschwerdeführer seine Replik mit un- veränderten Rechtsbegehren ein. 10. Am 17. November 2017 reichte die Beschwerdegegnerin ihre Duplik mit ebenfalls unveränderten Rechtsbegehren ein. 11. Mit prozessleitender Verfügung vom 29. August 2018 ordnete die Instrukti- onsrichterin die Einholung eines Gerichtsgutachtens an. Als Experten schlug sie H._____, dipl. Bergführer und _____, I._____ AG, akkreditiert bei der Fachgruppe für Expertisen bei Bergunfällen (FEB) vor. Dieser gab an, er beabsichtige, als Hilfsperson und Gegenleser des Gutachtens K._____, dipl. Bergführer und _____, Experte und seit 2010 technischer Leiter Graubünden der Schweizer Bergführerausbildung beizuziehen. Die Instruktionsrichterin liess den Parteien den Fragenkatalog zukommen und räumte ihnen Frist ein, um dazu Stellung zu nehmen und Ergänzungsfra- gen zu stellen sowie zum Experten und dessen Hilfsperson allfällige Aus- stands- oder Ablehnungsgründe geltend zu machen. 12. Der Beschwerdeführer reichte seine Stellungnahme am 12. Oktober 2018 ein. Er erklärte sich mit dem vorgeschlagenen Vorgehen einverstanden. Die Beschwerdegegnerin reichte ihre Stellungnahme am 18. Oktober 2018 ein. Sie erachtete den vorgeschlagenen Experten und dessen Hilfsperson als befangen und die gutachterliche Objektivität und Neutralität der beiden Fachpersonen als beeinträchtigt, weil das Eisklettern Teil ihrer beruflichen Tätigkeit sei. Für den Fall, dass dennoch H._____ als Experte nominiert würde, beantragte sie die Einholung einer Bestätigung zu dessen Erfahrun- gen als Gutachter. Darüber hinaus stellte die Beschwerdegegnerin ver- schiedene Ergänzungsfragen.
-5- Zu diesen Ausführungen nahm der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 5. November 2018 Stellung. Er bestritt die Einwände der Beschwerdegegne- rin und erachtete die vom Gericht vorgeschlagenen Fachpersonen als nicht befangen. H._____ gab mit Schreiben vom 8. November 2018 Auskunft über die von ihm seit 2004 ausgeübte Tätigkeit als Gutachter, seine regelmässige Teil- nahme an Schulungen der Fachgruppe für Expertisen bei Bergunfällen und seine Ausbildungstätigkeit im Bergsport. 13. Mit Schreiben vom 14. November 2018, auf Aufforderung der Instruktions- richterin hin, überliess die Staatsanwaltschaft dem Gericht aus den Akten der Strafuntersuchung _____ das Sicherungsgerät "Cinch" mit Karabiner und Einfachseil. 14. Mit Verfügung vom 13. Dezember 2018 erteilte die Instruktionsrichterin H._____ als Experten den Gutachtensauftrag mit ausdrücklichem Hinweis auf die Straffolgen bei falscher Begutachtung und unter Zusendung der re- levanten Akten sowie der von der Staatsanwaltschaft herausgegebenen Objekte. 15. Das Gutachten mit Beantwortung der im Fragenkatalog gestellten Fragen vom 25. März 2019 unter Mitunterzeichnung seitens von K._____ am 29. März 2019 erstattete H._____ dem Gericht am 30. März 2019. 16. Zum Gutachten nahmen der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 17. April 2019 und die Beschwerdegegnerin mit Eingabe vom 27. Mai 2019 Stellung. Der Beschwerdeführer erachtete das Gutachten als überzeugend und kam abstellend darauf zum Schluss, dass eine grobe Fahrlässigkeit nicht vor- liege, weshalb die Halbierung der Halbwaisenrente nicht gerechtfertigt sei.
-6- Die Beschwerdegegnerin leitete aus dem Gutachten ab, dass sich der Ver- sicherte leichtsinnig verhalten habe, indem er als erfahrener Kletterer das "Cinch" trotz dessen Schwächen für das Soloeisklettern am Fixseil verwen- det habe, weshalb die Kürzung des Leistungsanspruchs rechtens sei. Zur Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 17. April 2019 nahm die Beschwerdegegnerin ihrerseits mit Eingabe vom 11. Juni 2019 Stellung. 17. Mit Eingabe vom 24. Juni 2019 legte der Beschwerdeführer seine Honorar- note, welche diejenige vom 21. November 2017 ersetzte, ins Recht. Auf die weiteren Ausführungen der Parteien in ihren Rechtsschriften sowie auf die Schlussfolgerungen des Experten wird, soweit entscheidrelevant, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen. Das Gericht zieht in Erwägung: 1.1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 3. Juli 2017. Ein solcher Entscheid kann ge- mäss Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20) i.V.m. Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) beim Versicherungsgericht desjenigen Kantons angefochten werden, in dem die versicherte Person oder der Beschwerde führende Dritte zur Zeit der Be- schwerdeerhebung Wohnsitz hat (Art. 58 Abs. 1 ATSG). Befindet sich der Wohnsitz der versicherten Person oder des beschwerdeführenden Dritten im Ausland, so ist das Versicherungsgericht desjenigen Kantons zuständig, in dem sich ihr/sein letzter schweizerischer Wohnsitz befand oder in dem ihr/sein letzter schweizerischer Arbeitgeber Wohnsitz hat; lässt sich keiner
-7- dieser Orte ermitteln, so ist das Versicherungsgericht desjenigen Kantons zuständig, in dem das Durchführungsorgan seinen Sitz hat (Art. 58 Abs. 2 ATSG). Vorliegend hatte der Versicherte im Kanton Graubünden seinen letzten Wohnsitz. Der letzte schweizerische Wohnsitz des Beschwerdefüh- rers, der seit Z._____ im Ausland wohnt, befand sich gemäss Wohnsitzbe- stätigung vom 5. Oktober 2017 (Beilagen des Beschwerdeführers [Bf-act.] 10) ebenfalls im Kanton Graubünden. Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts als Versicherungsge- richt ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 UVG i.V.m. Art. 57 ATSG und Art. 49 Abs. 2 lit. a des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG; BR 370.100). Damit ist sowohl die örtliche wie auch die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für die Beurteilung der vorliegenden Streitsache gegeben. 1.2. Der Einspracheentscheid vom 3. Juli 2017, mit dem die Beschwerdegeg- nerin ihre Verfügung vom 6. Januar 2017 bestätigte und gleichzeitig die Einsprache des heutigen Beschwerdeführers vom 31. Januar 2017 abwies, stellt gemäss Art. 49 Abs. 2 lit. a VRG ein taugliches Anfechtungsobjekt für ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht dar. Als formeller und materieller Adressat des angefochtenen Einspracheentscheids ist der Beschwerde- führer von diesem berührt, zudem weist er ein schutzwürdiges Interesse an dessen gerichtlicher Überprüfung auf (Art. 1 Abs. 1 UVG i.V.m. Art. 59 ATSG). Seine Beschwerdelegitimation ist somit zu bejahen. 1.3. Auf die im Übrigen frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist ein- zutreten (Art. 1 Abs. 1 UVG i.V.m. Art. 60 und Art. 61 lit. b ATSG). 2. Strittig und zu prüfen ist vorliegend, ob die Beschwerdegegnerin mit ihrem Einspracheentscheid vom 3. Juli 2017 zu Recht davon ausging, dass das Soloeisklettern ein absolutes Wagnis darstelle bzw. dass der Versicherte,
-8- indem er am 28. November 2015 mit dem Sicherungsgerät "Cinch" allein am zuvor montierten Fixseil im fraglichen Eisfall in E._____ kletterte, ein relatives Wagnis eingegangen sei. 3. Im Sozialversicherungsrecht gelten folgende Verfahrensgrundsätze und Beweisregeln: 3.1.1. Gemäss dem Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG, Art. 11 ff. VRG) haben Verwaltung und Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sach- verhalts zu sorgen. Das Gericht erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei (Art. 61 lit. c ATSG, Art. 11 ff. VRG). 3.1.2. Im Sozialversicherungsrecht gilt grundsätzlich der Beweisgrad der über- wiegenden Wahrscheinlichkeit (RUMO-JUNGO/HOLZER, in: MURER/STAUF- FER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, UVG, Zürich 2012, Art. 1, S. 4, und Art. 6, S. 29 f.). Die Verwaltung als ver- fügende Instanz und – im Beschwerdefall – das Gericht dürfen eine Tatsa- che nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem Bestehen über- zeugt sind. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht. Das Gericht hat vielmehr jener Sachver- haltsdarstellung zu folgen, die es von allen möglichen Geschehensabläu- fen als die wahrscheinlichste würdigt (zum Ganzen: BGE 144 V 427 E.3.2, BGE 138 V 218 E.6, je mit Hinweisen; RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 1, S. 4, und Art. 6, S. 29 f.). 3.1.3. Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne der Be- weisführungslast begriffsnotwendig aus, da es Sache des Gerichts (oder der verfügenden Verwaltungsstelle) ist, für die Zusammentragung des Be- weismaterials besorgt zu sein. Im Sozialversicherungsprozess tragen mit- hin die Parteien in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im Falle der
-9- Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes aufgrund einer Beweiswürdi- gung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (zum Ganzen: BGE 144 V 427 E.3.2, BGE 138 V 218 E.6; RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 1, S. 4 f., und Art. 6, S. 29). 3.1.4. Der Verzicht auf die Abnahme beantragter Beweismittel ist in antizipierter Beweiswürdigung zulässig, wenn das Gericht in pflichtgemässer Beweis- würdigung zur Überzeugung gelangt, ein bestimmter Sachverhalt sei als überwiegend wahrscheinlich zu betrachten und es könnten weitere Beweis- massnahmen am feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern (BGE 144 II 427 E.3.1.3, BGE 136 I 229 E.5.3; Urteil des Bundesgerichts 8C_408/2019 vom 26. August 2019 E.4.3; RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 1, S. 4). Bleiben demgegenüber erhebliche Zweifel an Vollständigkeit und/oder Richtigkeit der bisher getroffenen Tatsachenfeststellungen bestehen, ist weiter zu ermitteln, soweit von zusätzlichen Abklärungsmassnahmen noch neue wesentliche Erkenntnisse zu erwarten sind (Urteile des Bundesge- richts 8C_210/2019 vom 11. Juli 2019 E.4.2.4 und 9C_262/2018 vom 22. August 2018 E.4.1 mit Hinweisen). 3.2. Der Beschwerdeführer stellte verschiedene Beweisanträge: 3.2.1. In seiner Beschwerde vom 21. August 2017 beantragte er die Einholung eines gerichtlich-technischen Gutachtens zur Tauglichkeit des Sicherungs- systems "Cinch" für das Klettern und das Abseilen am Fixseil. Die Be- schwerdegegnerin machte geltend, ein Gutachten sei angesichts des Vor- liegens der Strafuntersuchungsakten nicht erforderlich.
- 10 - 3.2.2. Die Instruktionsrichterin hiess den Antrag gut, ordnete die Einholung eines Gerichtsgutachtens an und schlug als Experten H._____, dipl. Bergführer und _____, I._____ AG, akkreditiert bei der Fachgruppe für Expertisen bei Bergunfällen (FEB) vor. Dieser zog als Hilfsperson für die Untersuchung und das Gegenlesen des Gutachtens K._____, dipl. Bergführer und _____, Experte und seit 2010 technischer Leiter Graubünden der Schweizer Berg- führerausbildung bei. Während der Beschwerdeführer mit den Fachpersonen einverstanden war, erachtete die Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme vom 18. Okto- ber 2018 den vorgeschlagenen Experten und seine Hilfsperson als befan- gen und die Objektivität und Neutralität dieser Fachpersonen als einge- schränkt. Den Grund dafür sah die Beschwerdegegnerin im Umstand, dass Experte und Hilfsperson im Rahmen ihrer Berufsausübung das Eisklettern selber anbieten würden und somit ihre eigene berufliche Tätigkeit einer Ri- sikoprüfung unterziehen müssten. Für den Fall, dass das Gericht an sei- nem Vorschlag festhalten würde, beantragte die Beschwerdegegnerin, dass eine Bestätigung über die Erfahrungen von H._____ als Gutachter eingeholt werde. Der vorgeschlagene Gutachter teilte mit Schreiben vom 8. November 2018 mit, dass er seit Z._____ im Durchschnitt jährlich ein Gutachten verfasse und regelmässig an entsprechenden Schulungen der Fachgruppe für Expertisen bei Bergunfällen teilnehme. Zudem habe er die Ausbildung im Bergsport mitgeprägt und diesbezügliche Lehrschriften ver- fasst. Mit Schreiben vom 12. November 2018 teilte die Instruktionsrichterin den Parteien mit, dass es keine Hinweise gebe, die an der Unvoreingenommen- heit der beiden Fachpersonen zweifeln lasse. Mit Verfügung vom 13. De- zember 2018 erteilte sie dem vorgeschlagenen Experten H._____ den Gut-
- 11 - achtensauftrag unter ausdrücklichem Hinweis auf Art. 307 des Schweizeri- schen Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) (Hinweis auf die Straffolgen bei Abgabe eines falschen Gutachtens). Der Experte erstattete das Gutachten am 25. bzw. am 30. März 2019. Dazu nahmen die Parteien in ihren Eingaben vom 17. April 2019 (Beschwerde- führer) bzw. vom 17. April 2019 und 27. Mai 2019 (Beschwerdegegnerin) Stellung, wobei die Beschwerdegegnerin die im Vorfeld erhobenen Ein- wände gegen den eingesetzten Experten und seine Hilfsperson nicht mehr erwähnte. 3.2.3. Das Gericht erachtet sowohl den Experten wie auch die von ihm beigezo- gene Hilfsperson als nicht befangen, zumal die fachlichen Kenntnisse bei- der Fachpersonen unbestritten sind und eine gewisse berufliche Involviert- heit bei Fachpersonen kaum je zu vermeiden bzw. gar für die fachliche Fundiertheit eines Gutachtens unerlässlich ist. Daran vermögen die von der Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme vom 18. Oktober 2018 erho- benen Einwände nichts zu ändern. Das Gutachten erweist sich zudem als umfassend, schlüssig und überzeugend und damit als beweistauglich. Auf dieses kann somit zur Entscheidfindung abgestellt werden (vgl. ausführlich dazu Erwägung 7). 3.3.1. Der Beschwerdeführer beantragte ferner in seiner Beschwerde vom 21. August 2017 die Einvernahme von G._____, Instruktor für Eisklettern, als Zeugen. Dieser sollte sich zum Thema äussern, ob der fragliche Eisfall in E._____ für das Eisklettern geeignet sei, wie das Sichern am Fixseil instru- iert werde und was diesbezüglich üblich sei. Zu diesem Beweisantrag äus- serte sich die Beschwerdegegnerin nicht. 3.3.2. Nachdem ein beweistaugliches Gerichtsgutachten vorliegt, das sich mit den gleichen Fragen auseinandersetzt, die auch dem beantragten Zeugen
- 12 - zu stellen wären, erachtet das Gericht die Einvernahme von G._____ als für die Entscheidfindung nicht erforderlich. Der entsprechende Beweisan- trag wird in antizipierter Beweiswürdigung (vgl. Erwägung 3.1.4) abgelehnt. 3.4.1. Im Zusammenhang mit dem am 25. März 2019 erstatteten Gutachten und für den Fall, dass an den Eiskletterfähigkeiten des Versicherten gezweifelt würde, beantragte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 17. April 2019, dass weitere zwei Personen, nämlich L._____, erfahrener Berg- steiger und _____, sowie M._____, Extrembergsteiger, als Zeugen oder als Auskunftspersonen (Einholung einer schriftlichen Auskunft) befragt wür- den. Auch zu diesem Beweisantrag äusserte sich die Beschwerdegegnerin nicht. 3.4.2. Aus dem Gutachten geht hervor, dass der Versicherte als starker Felsklet- terer galt und in physischer Hinsicht am fraglichen Eisfall nicht überfordert gewesen sein dürfte (vgl. Gutachten S. 23). Dies und auch der Umstand, dass der Verunfallte hierorts als erfahrener Bergsportler bekannt war (vgl. dazu auch Bf-act. 2), reichen nach Ansicht des Gerichts aus, um in der vor- liegenden Sache einen sachgerechten Entscheid zu fällen. Auch dieser Be- weisantrag wird daher in antizipierter Beweiswürdigung (vgl. Erwägung 3.1.4) abgelehnt. 4.1. In Bezug auf das anwendbare Recht ist festzuhalten, dass seit dem 1. Ja- nuar 2017 die revidierten Bestimmungen des UVG und der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV; SR 832.202) in Kraft sind (Änderung vom 25. September 2015). Gemäss Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 25. September 2015 werden Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor dem Inkrafttreten der Änderung vom 25. September 2015, mithin vor dem 1. Januar 2017, ereignet haben, (…) nach bisherigem Recht gewährt. Vorliegend ereignete sich der fragliche Unfall im November 2015, sodass diesbezüglich grundsätzlich die bis zum 31. Dezember 2016
- 13 - gültigen Bestimmungen Anwendung finden. Hinsichtlich der für das vorlie- gende Verfahren anwendbaren Bestimmungen haben sich indessen mit In- krafttreten der neuen Rechtssätze keine Änderungen ergeben. 4.2.1. Gemäss Art. 6 Abs. 1 UVG werden Versicherungsleistungen des Unfallver- sicherers bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt. Stirbt der Versicherte an den Folgen eines Unfalles, so haben ge- mäss Art. 28 und Art. 30 Abs. 1 UVG u.a. das Kind des verstorbenen El- ternteils Anspruch auf eine Halbwaisenrente. 4.2.2. Gemäss Art. 39 UVG und Art. 50 UVV führen Nichtberufsunfälle, die auf ein Wagnis zurückgehen, zur hälftigen Kürzung der Geldleistungen und in besonders schweren Fällen zu deren Verweigerung. Als Wagnisse defi- nierte der Bundesrat Handlungen, mit denen sich der Versicherte einer be- sonders grossen Gefahr aussetzt, ohne die Vorkehren zu treffen oder tref- fen zu können, die das Risiko auf ein vernünftiges Mass beschränken (Art. 50 Abs. 2 UVV). 4.3. Lehre und Rechtsprechung unterscheiden zwischen absoluten und relati- ven Wagnissen (BGE 141 V 216 E.2.2, BGE 141 V 37 E.2.3). Ein absolutes Wagnis liegt vor, wenn eine gefährliche Handlung nicht schützenswert ist oder wenn die Handlung mit so grossen Gefahren für Leib und Leben ver- bunden ist, dass sich diese auch unter günstigsten Umständen nicht auf ein vernünftiges Mass reduzieren lassen (BGE 141 V 216 E.2.2, BGE 141 V 37 E.2.3, BGE 112 V 297 E.1b, BGE 97 V 72). Ein relatives Wagnis ist gegeben, wenn es die versicherte Person unterlassen hat, die objektiv vor- handenen Risiken und Gefahren auf ein vertretbares Mass herabzusetzen, obwohl dies möglich gewesen wäre (BGE 141 V 216 E.2.2, BGE 141 V 37 E.2.3, BGE 112 V 297 E.1b, BGE 97 V 72; vgl. zum Ganzen auch: RUMO- JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 39, S. 221 ff., RUMO-JUNGO, Die Leistungskür- zung oder -verweigerung gemäss Art. 37-39 UVG, Diss. Uni Freiburg,
- 14 - 1993, S. 285 ff., MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Er- gänzungsband, Bern 1989, S. 70 ff., NEF, Das Wagnis in der sozialen Un- fallversicherung, in: SZS 1985, S. 103 ff.). 5. Im angefochtenen Einspracheentscheid vom 3. Juli 2017 wies die Be- schwerdegegnerin die Einsprache des Beschwerdeführers ab und hielt an der Rechtmässigkeit der Kürzung der diesem zustehenden Halbwaisen- rente um 50 % fest. 5.1. In der Begründung bezeichnete die Beschwerdegegnerin das Eisklettern und insbesondere das Soloeisklettern als absolutes Wagnis, weil diesen Tätigkeiten das Risiko, eine Verletzung davon zu tragen, wesensmässig in akuter Weise innewohne. Mögliche Lawinen, Eisschlag, schwankende Temperaturen und die Inhomogenität des Eises sowie die (waffenartige) Ausrüstung erhöhten die Gefahr von Verletzungen. Die Kälte und die Not- wendigkeit, keine zu langen Pausen zu machen, um ein Auskühlen zu ver- meiden, erhöhten die Gefahr einer Verletzung durch physische oder psy- chische Schwäche. Auch der Umstand, dass die Sicherung beim Eisklet- tern überwiegend selbst gelegt werde, sei eine Fehlerquelle. Beim Soloeis- klettern fehle zudem die Sicherheitsgarantie der Seilschaft. Für den Fall, dass kein absolutes Wagnis vorliegen sollte, müsse das So- loeisklettern, so die Beschwerdegegnerin, zumindest als relatives Wagnis eingestuft werden. Der Versicherte habe am Unfalltag das "Cinch" zum Si- chern verwendet. Dieses sei jedoch nicht für die Selbstsicherung, sondern für die Sicherung beim Klettern im Zweierverbund gedacht. Zudem dürfe es nicht mit der Felswand oder anderen Hindernissen in Kontakt kommen, weil dies zu einer reduzierten Bremsleistung führe. Der Einwand des Be- schwerdeführers, alle ihm bekannten Kletterspezialisten würden nur eine Sicherung verwenden, sei nicht zu hören, gehöre doch zu den minimalen Sicherheitsstandards ein System mit einer zweiten Sicherungsvorrichtung.
- 15 - Die Beschwerdegegnerin müsse nicht beweisen, dass die unzureichende Sicherung für den Absturz kausal war. Der Umstand, dass der Versicherte stürzte, bedeute, dass die Sicherung de facto ungenügend war. Indem der Versicherte zudem am Unfalltag allein und ohne Information an eine Dritt- person unterwegs war, habe er den Sicherheitsanforderungen ebenfalls nicht genügt. 5.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vom 21. Au- gust 2017 und in der Replik vom 27. Oktober 2017 vor, es liege weder ein absolutes noch, mangels grober Fahrlässigkeit, ein relatives Wagnis vor. Er macht geltend, die Beweislast für ein grobfahrlässiges Verhalten liege bei der Beschwerdegegnerin. Diese habe keinen überwiegend wahrschein- lichen Unfallhergang darzulegen vermocht, bei dem eine andere als die vom Verunfallten verwendete Sicherungsmethode den Unfall verhindert hätte. Der Umstand allein, dass der Versicherte gestürzt sei, sei kein sol- cher Beweis, sondern ein Zirkelschluss. Weiter führt der Beschwerdeführer aus, gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung falle weder der Bergsport noch der Klettersport und das Soloeisklettern am Fixseil unter die Kategorie der absoluten Wagnisse. Das Klettern an geeigneten, ohnehin an "kurzen" Eiswänden und Wasserfällen sei nicht per se gefährlicher als das Klettern im Fels. Der fragliche Eisfall in E._____ sei auch gemäss polizeilichem Rapport ein bekannter und öfters begangener Eiskletterhang, an dem auch Eiskletterinstruktionskurse durchgeführt würden. Das Eisklettern an diesem Eisfall sei, bei stabiler Wettersituation, für einen sehr erfahrenen, bestens ausgebildeten und vor- bereiteten sowie optimal ausgerüsteten Kletterer, wie es der Versicherte gewesen sei, weder ein absolutes noch, im konkreten Fall, ein relatives Wagnis. Unbestrittenermassen habe der Verunfallte die Anforderungen an die persönlichen Fähigkeiten, Eigenschaften und Vorkehren für die fragli-
- 16 - che Kletterpartie erfüllt. Entgegen den Behauptungen der Beschwerdegeg- nerin sei das verwendete "Cinch" für das Abseilen am gespannten Fixseil zumindest für geübte und erfahrene Bergsteiger wie der Versicherte geeig- net. Der Hinweis des amerikanischen Herstellers, wonach dieses Gerät für die Selbstsicherung beim Soloaufstieg sowie zum eigenen Abseilen nicht geeignet sei, beziehe sich wohl nicht auf das Ablassen am Fixseil. Der Vorwurf der Ungeeignetheit des verwendeten Sicherungsgeräts sei nur dann beachtlich, wenn dieses für den Unfall kausal gewesen sei. Zu diesem Zweck stellt der Beschwerdeführer zwei Hypothesen zum Unfallhergang auf. Demnach könnte der Versicherte einerseits beim Ablassen abgestürzt und zuunterst auf dem Felsvorsprung, auf dem er dann zu liegen kam, auf- geprallt sein, weil er nach dem Hochklettern wegen irgendeines Umstands erschrocken sei und deshalb den zuvor geöffneten Hebel des "Cinch" nicht sofort geschlossen habe. Gegen diese Möglichkeit (Hypothese 1) spreche die langjährige Erfahrung des Verunfallten und die Unwahrscheinlichkeit, dass er den Bremshebel derart lange geöffnet gelassen hätte. Bei einem Sturz aus grösserer Höhe hätte sich das Seil gestrafft, der Mechanismus hätte blockiert und der Sturz nicht am tiefstmöglichen Punkt geendet. Andererseits könnte sich der Verunfallte ein erstes Mal abgeseilt, das Fixseil am Bohrhaken befestigt und kurz nach Beginn des Klettervorgangs abgestürzt sein. Weil das Seil auf den ersten zwei bis zweieinhalb Metern sehr locker war, habe der Sicherungsmechanismus beim Sturz in jenem Bereich bis zum tiefstmöglichen Punkt nicht blockiert und diese Fallhöhe von gut drei Metern habe ausgereicht, um die schweren, zum Tod führen- den Verletzungen hervorzurufen. In diesem Fall habe sich das Restrisiko verwirklicht, das bei jedem Klettern, auch in der Zweierseilschaft, bestehe, dass nämlich der Vorkletterer nicht ins Steile, sondern ins Flache bzw. auf einen Felsvorsprung abstürzt (Hypothese 2). In diesem Fall hätte wahr-
- 17 - scheinlich weder eine doppelte Sicherung den Aufprall auf dem Felsvor- sprung verhindert, noch hätte eine Begleitperson rechtzeitig Hilfe holen können. Bei jeder anderen Hypothese, wie etwa einem Sturz aus grösserer Höhe, könne davon ausgegangen werden, dass das "Cinch" höchstwahrschein- lich infolge des durch den Sturz gestrafften Seils relativ rasch blockiert hätte. Schliesslich legt der Beschwerdeführer dar, dass eine Kürzung der versi- cherten Geldleistungen wegen eines relativen Wagnisses nur dann zuläs- sig sei, wenn dem Verunfallten eine grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden könnte. Dies sei nur der Fall, wenn der Bergsteiger elementare al- pine Sorgfaltspflichten missachte. Ein Vergleich mit der Gerichtspraxis zeige, dass dem geübten und sehr erfahrenen Versicherten, dem der frag- liche Eisfall bekannt und der für ihn leicht zu klettern war, höchstens eine leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne, weil er auf eine doppelte Sicherung verzichtet und sich dem fraglichen Sicherungsgerät "Cinch" an- vertraut habe. 5.3. In ihrer Beschwerdeantwort vom 3. Oktober 2017 und in der Duplik vom 17. November 2017 bestätigt die Beschwerdegegnerin ihre im Einspracheent- scheid dargelegte Auffassung. Was die Frage des absoluten Wagnisses betreffe, so die Beschwerdegegnerin, könne der vom Beschwerdeführer zi- tierte, aus dem Jahr 1971 stammende BGE 97 V 72 zum Felsklettern dem vorliegenden Sachverhalt nicht mehr zugrunde gelegt werden, zumal das Eisklettern damals noch kein Thema gewesen sei. Massgeblich sei, so nämlich BGE 141 V 37 (zum "Dirt-Biken"), die objektive Gefahr einer Hand- lung, d.h. die Streitfrage müsse unabhängig vom konkreten Sachverhalt beurteilt werden. Im angefochtenen Einspracheentscheid habe sie mindes- tens neun konkrete Gefahren und Risiken aufgezeigt, die für die Einstufung
- 18 - des (Solo-)Eiskletterns (auch wenn gesichert am montierten und vorge- spannten Fixseil) als absolutes Wagnis sprächen. Faktoren wie die nach- folgenden liessen das Eisklettern als wesentlich gefährlicher als das Fels- klettern erscheinen: u.a. Lawinen, Eisschlag, Temperaturwechsel, Eisqua- lität, schnelle Veränderbarkeit von Gefahren, grundsätzlich vorhandenes Verletzungsrisiko, keine Möglichkeit zum Ausbouldern von Eiskletterrou- ten, selbstgelegte Sicherungen, waffenartige Ausrüstung, Unmöglichkeit des Einlegens grösserer Pausen, fehlende Sicherheitsgarantie im Ver- gleich zur Seilschaft, etc. Nur subsidiär müsse die Frage beantwortet werden, ob der Versicherte im konkreten Fall ein relatives Wagnis eingegangen sei, wobei auch hier nicht auf BGE 97 V 72 abgestellt werden könne. Die Behauptung, dass die kli- matischen Verhältnisse zum Unfallzeitpunkt geeignet gewesen seien, sei nicht erwiesen. Zudem sei das vom Verunfallten verwendete "Cinch" für das Soloklettern (auch am montierten und vorgespannten Seil) ungeeignet. Wenn überhaupt, dürfe es zudem (zur Sicherung im Vorstieg- und Toprope- Klettern in der Halle und auf Sportkletterrouten) nur von einem erfahrenen Sicherer verwendet werden, der sich sorgfältig mit der Funktionsweise ver- traut gemacht habe. Nicht geeignet sei es für den Soloaufstieg und zum eigenen Abseilen und somit auch nicht für das (Solo-) Klettern im Eis. Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass sich der Hin- weis des Herstellers nicht auf das Ablassen am Fixseil bezogen habe, er- weise sich bei objektiver Prüfung der Herstellerunterlagen als falsch. Dass der verunfallte Versicherte am Unfalltag sorglos ein solches Gerät verwen- det habe, stelle eine Grobfahrlässigkeit dar. Ferner handle es sich bei den vom Beschwerdeführer aufgestellten Hypothesen um Spekulationen, die in der Sache nicht weiterhelfen würden.
- 19 - 6. Gemäss Gutachtensauftrag (vgl. Erwägung 3.2.2. f.) hatte sich der einge- setzte Experte zu den Risiken des Eiskletterns und zur Frage der Tauglich- keit des Sicherungssystems "Cinch" für das Klettern und Abseilen am Fixseil zu äussern. 6.1. Der Experte führte, zusammen mit seiner Hilfsperson, am 27. Dezember 2018 einen Augenschein vor Ort durch. Zudem standen ihm die relevanten Akten und die von der Staatsanwaltschaft herausgegebenen Objekte zur Verfügung. Mit dem "Cinch" führten die Fachpersonen verschiedene Tests in den Kletterhallen N._____ und P._____ durch, deren Ergebnisse ins Gut- achten vom 25. März 2019 einflossen. Dieses wurde dem Gericht am 30. März 2019 zugestellt. 6.2.1. Im Zusammenhang mit der Frage, ob es sich beim (Solo-)Eisklettern im Eisfall E._____ um ein absolutes Wagnis handle oder nicht, äussert sich der Gutachter im Wesentlichen folgendermassen: Das fragliche Kletterge- biet sei ein bekanntes Übungsgebiet. Es gelte, abgesehen von der bekann- ten Eisschlaggefahr im mittleren und linken Teil, als objektiv sicher. Allfäl- lige Gefahren gingen hier von den Kletternden selbst aus. Die Route E.1._____ im rechten Teil des Eisfalls, an der sich der Unfall ereignet habe, weise den moderaten Schwierigkeitsgrad Z._____ auf und diene oft zu Übungs- und Ausbildungszwecken. Das Klettern am dortigen Eisfall sei we- der leichtsinnig noch verwegen oder tollkühn, das Risiko lasse sich durch Ausbildung, Vorbereitung, Ausrüstung und Befähigung auf ein als völlig ak- zeptabel geltendes Mass reduzieren. Das Soloklettern am Fixseil (mit Seil- klemme oder "Grigri", manchmal mit redundantem System) gelte in infor- mierten Bergsteigerkreisen nicht als besonders gefährlich bzw. in geeigne- tem Gelände als ähnlich sicher wie das Klettern in einer Zweierseilschaft. Auch das Soloklettern am Fixseil im Eisfall E._____ könne bei adäquater Technik weder als leichtsinnig, noch verwegen oder tollkühn bezeichnet werden, obwohl das Risiko – wegen Gefahrenquellen wie Verletzungen
- 20 - durch Pickel oder Steigeisen, selbst ausgelösten Steinschlags oder Versa- gens von Seilklemme oder "Grigri" – etwas höher sei als das Soloklettern am Fixseil in einem Klettergarten mit gutem Fels. 6.2.2. Beim Fragethema "relatives Wagnis" äussert sich der Gutachter vorerst zu den möglichen Unfallursachen: Am wahrscheinlichsten erachtet er dabei die Variante, dass der Versicherte beim Hochklettern stürzte oder sich kon- trolliert ins Seil hängen wollte und dass dabei die Klemmwirkung des "Cinch" versagte. Weiter führt er aus, es gebe keine anerkannten Stan- dards zum Soloklettern am Fixseil und keine Geräte, die zur Selbstsiche- rung am Fixseil beim Soloklettern konzipiert seien, dies gelte gemäss Ge- brauchsanweisung sowohl für das "Cinch" als auch für das "Grigri", die dazu dienten, einen Kletterpartner zu sichern und abzulassen sowie um sich selbst abzuseilen. Das Verwenden eines Geräts für eine nicht explizit zugelassene Tätigkeit erachtet der Gutachter allerdings noch nicht a priori als fahrlässig oder mutig. Bei verschiedenen Tests in der Kletterhalle und im Eis hätten er und seine Hilfsperson festgestellt, dass das "Cinch" immer problemlos blockierte. Auf die Frage, ob er die Verwendung des "Cinch" beim Soloklettern am Fixseil als leichtsinnig, verwegen oder tollkühn be- zeichnen würde, bejaht dies der Gutachter nur für den Fall, dass dies ohne Redundanz in einer nicht ganz einfachen Kletterei und trotz Kenntnis der Schwächen des Geräts erfolge. 6.2.3. Die Frage, ob der Versicherte bewusst oder unbewusst leichtsinnig, verwe- gen oder tollkühn gehandelt habe, indem er sich beim Hochklettern nur mit- tels "Cinch" (ohne Redundanz) am Seil gesichert habe, beantwortet der Gutachter folgendermassen: (Dies) lässt sich im Nachhinein mit den uns vorliegenden Kenntnissen nicht eindeutig beantworten. Am Wahrschein- lichsten erachten wir eine Kombination der vier Hypothesen: Er war sich einerseits der Gefahr, die vom "Cinch" ausging – insbesondere wenn man
- 21 - zusätzlich eine "Leash" (Anmerkung des Gerichts: "Leash" = Verbindungs- schlingen zwischen Klettergurt und Eispickel, vgl. Foto auf S. 9 des Gut- achtens) verwendet –, nicht oder nicht vollständig bewusst. Auf der ande- ren Seite ging er aufgrund seines Kletterkönnens und weil die Pickel mittels "Leash" mit dem Klettergurt verbunden waren, nicht von einem Sturz ins Seil aus. 6.3. In seiner Stellungnahme vom 17. April 2019 führt der Beschwerdeführer aus, das Gutachten überzeuge in jeder Hinsicht und sei von überdurch- schnittlicher Qualität. Der Standpunkt der Beschwerdegegnerin, das Eis- klettern stelle ein absolutes Wagnis dar, sei aufgrund des Gutachtens nicht mehr haltbar. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil der Verunfallte ein erfahrener Bergsteiger und Eiskletterer gewesen sei. Aber auch ein re- latives Wagnis müsse verneint werden, zumal aus dem Gutachten nicht hervorgehe, dass sich der Versicherte grobfahrlässig verhalten habe. Die Verwendung des "Cinch" im Falle der Hypothese c (Schulterluxation beim Klettern) könne dem Verunfallten nicht vorgeworfen werden, weil dessen Verwendung diesfalls nicht kausal für den tödlichen Unfall gewesen sei. Auch unter Annahme der Hypothese a (Versagen der Sicherung mittels "Cinch") verneine der Gutachter eine Fahrlässigkeit aus drei Gründen, nämlich weil auch das "Kletterkönnen" redundant sein könne, weil es für das Soloklettern am Fixseil keine anerkannten Standards und keine offizi- elle Lehrmeinung gebe und weil der Unfalleishang für den Versicherten eine einfache Kletterei gewesen sei. Im Übrigen beurteile der Gutachter den Eisfall, der auch oft als Übungs- und Ausbildungsgebiet diene und stark frequentiert sei, bei guten Eisverhältnissen als stabil und nicht von Eis- schlag oder Lawinen bedroht. Alles in allem liege im Verhalten des Verun- fallten keine grobe Fahrlässigkeit, was für die Halbierung der Rente Vor- aussetzung wäre.
- 22 - 6.4. Die Beschwerdegegnerin hebt in ihrer Stellungnahme vom 27. Mai 2019 hervor, dass das "Cinch" seit 2010 als nicht zuverlässig gelte und dass es in Europa seit 2015/17 nicht mehr vertrieben werde. Der Gutachter erachte das Eisklettern als ähnlich risikobehaftet wie das Begehen von Hochtouren. Diese seien 2-3 Mal gefährlicher als Felsklettertouren, hinzu komme das höhere Verletzungsrisiko beim Eisklettern. Es sei nicht verständlich, dass der offenbar sehr erfahrene Versicherte ein zum Soloklettern nicht geeig- netes Gerät verwendet habe, vor dem in der Klettergemeinschaft begrün- deterweise gewarnt werde. Dies zeige, dass der Versicherte offensichtliche Gefahrenquellen nicht habe einschätzen und nicht adäquat habe reagieren können. Er habe keine redundante Sicherung eingesetzt, sodass die Ge- fahr bestanden habe, dass das "Cinch" im entscheidenden Moment nicht klemmte. Die am Klettergurt fixierte "Leash" habe die Gefahr noch erhöht, dass das Funktionieren des "Cinch" behindert werde. Unter diesen Um- ständen und angesichts der für den Versicherten nicht ganz einfachen Klet- terei, stufe der Gutachter das Handeln des Verunfallten, in Bestätigung der beschwerdegegnerischen Ansicht, als leichtsinnig ein. Selbst wenn kein absolutes Wagnis vorliege, sei unter den gegebenen Umständen ein rela- tives Wagnis zu bejahen, was die Leistungskürzung rechtfertige. In der weiteren Stellungnahme vom 11. Juni 2019 (zur Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 17. April 2019) bekräftigt die Beschwerdegegnerin die Gefährlichkeit des Eiskletterns. In dieser Sportart, die ein um 2-3 Mal höheres Risiko als das Felsklettern aufweise, habe der Versicherte das "Cinch" zur Selbstsicherung am Fixseil ohne redundante Sicherung ver- wendet, womit er sich bewusst der Gefahr ausgesetzt habe, dass das Gerät im entscheidenden Moment nicht klemmte. Die Gefahr verstärkt habe die am Klettergurt fixierte "Leash". Mit der Verwendung des "Cinch" habe der Verunfallte leichtsinnig gehandelt. Der tödliche Unfall zeige, dass der Ver- sicherte – trotz seines Kletterkönnens, der Seilsicherung mittels "Cinch" und der Verbindung der beiden Eispickel mittels "Leash" am Seil (Trias der
- 23 - Redundanz) – das Kletterrisiko nicht auf ein vernünftiges Mass reduziert habe bzw. nicht habe reduzieren können. Die gutachterliche Feststellung, dass der Eisfall E._____ bei guten Eisverhältnissen stabil und nicht von Eisschlag und Lawinen bedroht sei, gelte nicht für das Soloeisklettern, son- dern nur für das Eisklettern mit Vorsteiger. Nach Ansicht der Beschwerde- gegnerin handelte der Versicherte grobfahrlässig, weshalb sie die Leis- tungskürzung als verhältnismässig erachtet. 7. Unzweifelhaft stellt das gesicherte Soloeisklettern am Fixseil eine gefährli- che bzw. risikobehaftete Sportart dar, was von den Parteien grundsätzlich nicht bestritten wird. Damit hat das Gericht die Frage zu beantworten, ob diese Betätigung am fraglichen Eisfall in E._____ ein absolutes Wagnis darstellt und verneinendenfalls, ob der Versicherte, indem er am Unfalltag allein kletterte und sich dabei mit dem "Cinch" abseilte und sicherte, ein relatives Wagnis eingegangen ist oder nicht. Bei seiner Beurteilung stellt das Gericht im Wesentlichen auf das von ihm eingeholte Gutachten vom 25./30. März 2019 ab, das es angemessen zu würdigen hat. 7.1. Das Eidgenössische Versicherungsgericht führte in BGE 97 V 72 aus, ein Wagnis im Sinne des damals geltenden Art. 67 Abs. 3 des Bundesgeset- zes über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG) (Befugnis der SUVA, aussergewöhnliche Gefahren und Wagnisse von der Versicherung gegen Nichtbetriebsunfälle auszuschliessen), der dem heutigen Art. 39 UVG inhaltlich entspricht (vgl. BGE 138 V 522 E.6.2.1 f., BGE 112 V 297 E.1b; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 122/06 vom 19. September 2006 E.2.1), liege dann vor, wenn sich der Versicherte einer besonders grossen Gefahr aussetze (…) (E.2a). Eine Gefahr sei dann be- sonders gross, wenn sie unmittelbar drohe, mithin akut sei, und wenn eine ins Kühne bis ins Verwegene gehende Unternehmung oder Handlung vor- liege (BGE 97 V 72 E.2b), wenn ihr also ein Risiko innewohne, dessen
- 24 - Übernahme der Gesamtheit der Versicherten nicht mehr zugemutet wer- den könne (BGE 97 V 72 E.2d). Das Eidgenössische Versicherungsgericht präzisierte dann die bis dahin ergangene Rechtsprechung, indem sie zwi- schen absolutem und relativem Wagnis unterschied (BGE 97 V 72 E.2d). Ein absolutes Wagnis liegt in zwei Konstellationen vor: Zum einen, wenn es am schützenswerten Charakter einer Handlung mangelt, zum anderen, wenn sich der Versicherte durch seine Handlung auf Grund objektiver Ge- gebenheiten, mithin unabhängig von Ausbildung, Vorbereitung, Ausrüs- tung, Fähigkeiten und Eigenschaften, einer grossen und ungewöhnlichen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt hat, die auch unter günstigsten Um- ständen und mit zweckmässigen Massnahmen nicht auf ein vernünftiges bzw. vertretbares Mass herabgesetzt werden kann (BGE 97 V 72 E.2d; MAURER, a.a.O., S. 71, RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 39, S. 221; vgl. auch BGE 141 V 216 E.2.2, BGE 125 V 312 E.3a, BGE 112 V 297 E.1b; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 122/06 vom 19. Sep- tember 2006 E.2.1, u.a.). Ein relatives Wagnis wird bejaht bei Betätigungen, bei deren Vornahme der Versicherte nicht alle Erfordernisse (persönliche Fähigkeiten, Charakterei- genschaften, Vorbereitungen) zur Gefahrenreduktion auf ein vernünftiges Mass erfüllt (RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 39, S. 221). Dabei ist an- hand der konkreten Umstände des Einzelfalles, worunter die persönlichen Fähigkeiten des Verunfallten und die Art der Durchführung des Unterneh- mens zählen, zu prüfen, ob die objektiv vorhandenen Risiken und Gefahren auf ein vertretbares Mass herabgesetzt wurden (Urteil des Eidgenössi- schen Versicherungsgerichts U 122/06 vom 19. September 2006 E.2.1), mithin, ob die versicherte Person im massgeblichen Zeitpunkt alle jene An- forderungen hinsichtlich persönlicher Fähigkeiten, Eigenschaften und Vor- kehren (inkl. Vorbereitung und Ausrüstung) erfüllte, um das zu beurteilende Unternehmen lege artis bewältigen und das ihm innewohnende Risiko auf
- 25 - Grund seiner Fähigkeiten auf ein vertretbares Mass herabsetzen zu kön- nen (BGE 97 V 72 E.3 und E.5; vgl. zum Ganzen auch BGE 141 V 216 E.2.2, BGE 138 V 522 E.3.1, BGE 125 V 312 E.3b, BGE 112 V 297 E.1b; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 122/06 vom 19. Sep- tember 2006 E.2.1). 7.1.1. In einem ersten Schritt ist also zu prüfen, ob das Eisklettern bzw. das gesi- cherte Soloeisklettern am Fixseil eine schützenswerte ausserbetriebliche Betätigung, – was dem einen der beiden Kriterien für das Vorliegen eines absoluten Wagnisses entspricht (vgl. Erwägung 7.1) –, darstellt oder nicht (vgl. insbesondere Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 122/06 vom 19. September 2006 E.2.1). Am schützenswerten Charakter einer Handlung mangelt es dann, wenn eine entsprechende Handlung un- sinnig oder verwerflich erscheint, wenn z.B. unsinnigerweise, sei es aus Jux oder aus der Wut heraus, ein Trinkglas mit einer Hand zusammenge- presst wird (vgl. SUVA-Liste "gefährliche Sportarten" unter www.suva.ch/de-ch/praevention/freizeit/gefaehrliche-sportarten-wagnisse, nachfolgend SUVA-Liste; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsge- richts U 122/06 vom 19. September 2006 E.2.1; RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 39, S. 221; RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 292). Das Bundesgericht bzw. das Eidgenössische Versicherungsgericht stufte das Bergsteigen und den Klettersport als schützenswerte ausserbetriebliche Betätigungen ein, womit diese grundsätzlich in der Nichtbetriebsunfallversicherung einge- schlossen sind (BGE 97 V 72 E.3; RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 39, S. 221). Dagegen bringt die Beschwerdegegnerin zu Recht nichts vor. Dass das gesicherte Eisklettern bzw. das Soloeisklettern am Fixseil grund- sätzlich als nicht schützenswerte ausserbetriebliche Betätigung und schon deshalb als absolutes Wagnis anzusehen und daher vom Versicherungs- schutz auszunehmen wäre, ist denn vor dem Hintergrund der erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht ersichtlich. Folglich ist, – in Be-
- 26 - achtung des anderen Kriteriums für das Vorliegen eines absoluten Wagnis- ses (vgl. Erwägung 7.1) –, in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob das gesi- cherte Eisklettern bzw. das gesicherte Soloeisklettern am Fixseil a priori ein Wagnis an sich darstellt oder nicht (vgl. BGE 125 V 312 E.2b). 7.1.2. Gefährliche Sportarten stufte das Bundesgericht bzw. das Eidgenössische Versicherungsgericht dann als absolute Wagnisse ein, wenn sie wett- kampfmässig betrieben wurden und wenn es auf die Geschwindigkeit an- kam (z.B. Motocross-Rennen, Auto-Bergrennen, Karting-Rennen, vgl. dazu BGE 125 V 312 E.2a und Urteil des Eidgenössischen Versicherungsge- richts U 122/06 vom 19. September 2006 E.2.2, jeweils mit Hinweisen). Im Weitern zählte es Boxwettkämpfe und Thaiboxen (BGE 125 V 312 E.2a und Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 122/06 vom 19. September 2006 E.2.2, jeweils mit Hinweisen) sowie das "Dirt-Biken" (BGE 141 V 37 E.4.7) dazu. Auf der SUVA-Liste sind auch das "Downhill-Biking", "Speedflying" und "Base Jumping" als absolute Wagnisse aufgeführt. Nicht als absolutes Wagnis stuften die Gerichte folgende Tätigkeiten ein: das Deltasegeln, das nicht wettkampfmässige Kart-Fahren, das Canyoning, eine Rollbrettabfahrt, die nicht wettkampfmässig und auf Geschwindigkeit hin betrieben wurde, das Schneeschuhlaufen (BGE 141 V 37 E.4.1 mit den entsprechenden Hinweisen vgl. auch die Kasuistik bei RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 293 ff., RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., Art. 39, S. 223 f.). Bei der Ausübung anderer Sportarten (Auto-Rallye, Deltasegeln, Höhlentauchen, Klettern, Pneuschlitteln) hing die Unterscheidung zwischen absolutem und relativem Wagnis von der Beeinflussbarkeit des Risikos und den weiteren gegebenen Umständen ab (BGE 125 V 312 E.2a und Urteil des Eidgenös- sischen Versicherungsgerichts U 122/06 vom 19. September 2006 E.2.2, jeweils mit Hinweisen).
- 27 - Bei alpinistischen Unternehmungen wird dann von einem absoluten Wag- nis gesprochen, wenn diese um des Abenteuers willen unternommen wer- den und wenn deren objektive Gefahren für Leib und Leben unabhängig von der Ausbildung, Vorbereitung, Ausrüstung und Befähigung der Betei- ligten so erheblich sind, dass sie praktisch nicht auf ein vertretbares Mass herabsetzbar und somit der Gesamtheit der Versicherten nicht mehr zuzu- muten sind (BGE 97 V 72 E.3). In diesem Zusammenhang ist die konkrete Unternehmung – hier das gesicherte Eisklettern bzw. Soloeisklettern am Fixseil am Eisfall in E._____ – im Hinblick auf das Vorliegen eines Wagnis- ses an sich (absolutes Wagnis) zu beurteilen (BGE 125 V 312 E.2b, vgl. auch BGE 138 V 522 E.7.2; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsge- richts U 122/06 vom 19. September 2006 E.2.1). 7.1.2.1. Dem Gutachten kann entnommen werden, dass das fragliche Klettergebiet in E._____ ein bekanntes, von vielen Eiskletterern begangenes Übungsge- biet ist (Gutachten S. 12 mit Hinweis auf Gutachten Anhang 5: Ausschnitt aus Urs Odermatt: Eiskletterführer Hot Ice, Eisklettern in der Schweiz - Ost, 2. Aufl., Nr. _____, E._____,) das oft auch zu Ausbildungszwecken aufge- sucht wird (Gutachten S. 13). Abgesehen von der Eisschlaggefahr im mitt- leren und linken – nicht jedoch im hier interessierenden rechten – Teil gilt der fragliche Eisfall gemäss dem Gutachter als objektiv sicher (Gutachten S. 12). Im Bereich der auch im erwähnten Eiskletterführer beschriebenen Kletterroute Nr. _____ (Gutachten S. 12, Gutachten Anhang 5), wo sich der Unfall ereignet hat, herrscht gemäss Gutachter und Eiskletterführer weder Eisschlag- noch Lawinengefahr (Gutachten S. 12 und S. 14, Gutachten An- hang 5). Dieser rechte Teil wird daher, gute Eisverhältnisse vorausgesetzt, als stabiler Eisfall eingeschätzt, der zudem auch keine höheren Anforde- rungen stellt (Gutachten S. 13). Die Schwierigkeit dieser Route ist, so der Gutachter, mit Z._____ moderat (von insgesamt 7 Schwierigkeitsstufen, vgl. Gutachten Anhang 5, S. 17 "Technische Bewertung"), das Eisklettern
- 28 - in diesem Bereich wird vom Gutachter als weder leichtsinnig noch verwe- gen oder tollkühn bezeichnet (Gutachten S. 13). Allfällige besondere Ge- fahren bestünden nicht (Gutachten S. 13 f.) bzw. würden gemäss Gutach- ter im Wesentlichen von den Kletternden selbst ausgehen (z.B. Sturz des Vorsteigenden, von Vorsteigenden oder anderen Seilschaften losgeschla- gene Eisstücke, schlechte Verhältnisse, mangelnde Eisqualität) und könn- ten somit von diesem "problemlos" auf ein vernünftiges Mass reduziert wer- den (Gutachten S. 12). Werde von oben gesichert, müsse niemand vorstei- gen und das Gefahrenpotenzial (losgeschlagene Eisstücke) vermindere sich nochmals (Gutachten S. 13). Dementsprechend gelte diese Kletter- route, bei angemessener Ausbildung, Vorbereitung, Ausrüstung und Befä- higung, in Bergsteigerkreisen als völlig akzeptabel (Gutachten S. 13). Das Gericht erachtet diese Ausführungen als nachvollziehbar und überzeu- gend. Aus diesen Angaben resultieren in der Tat keine Hinweise darauf, dass das gesicherte Eisklettern (vgl. zum Soloklettern bzw. Soloeisklettern am Fixseil die nachfolgenden Erwägungen 7.1.2.2 und 7.1.2.3) an der Klet- terroute E.1._____ am Eisfall in E._____ eine so erhebliche objektive Ge- fahr für Leib und Leben bedeutete, dass sie durch den Kletternden auch unter den günstigsten Umständen (vgl. RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 291; Erwä- gung 7.1 und 7.1.2) nicht auf ein vernünftiges Mass reduziert werden könnte. Insbesondere trifft hier der Einwand der Beschwerdegegnerin, dem Eisklettern seien Lawinenniedergänge und Eisschlag als objektive Gefah- ren inhärent, offensichtlich nicht zu. Zu prüfen bleibt, ob dasselbe auch für das dortige gesicherte Soloeisklettern am Fixseil gilt oder nicht. 7.1.2.2. Gemäss den Ausführungen des Gutachters wird das gesicherte Soloklet- tern am Fixseil (im Fels) (vgl. für das gesicherte Soloeisklettern am Fixseil nachfolgende Erwägung 7.1.2.3) für das persönliche Klettertraining und zum Einstudieren von schwierigen Routen praktiziert, wenn kein/e Seilpart- ner/in zugegen ist oder man ohne eine/n solche/n flexibler und effizienter
- 29 - ist (Gutachten S. 15). Der Gutachter beschreibt die beiden Hauptsiche- rungstechniken "Seilklemme" (z.B. mit dem Sicherungsgerät "Basic" von Petzl, vgl. Gutachten Anhang 11: Artikel von Pit Schubert, Die Seilklemme ersetzt den Seilpartner, in: Sicherheit und Risiko in Fels und Eis, 2. aktual. Auflage, 1995, S. 136 ff.) und "Grigri" (Gutachten S. 15) (vgl. auch die Fo- tos Gutachten S. 11) und erwähnt, dass manchmal zur Risikominimierung redundante Systeme installiert werden (Gutachten S. 15 f.), z.B. ein zwei- tes Seil (Variante Petzl, vgl. Gutachten Anhang 8: Petzl, "Grundprinzipien des Solo-Kletterns entlang eines Fixseils", Auszug aus der Homepage www.petzl.com), um einem (generell sehr seltenen) Seil- oder Seilmantel- riss vorzubeugen, oder ein Knoten unterhalb des "Grigri" (Gutachten An- hang 10, Foto 4) oder als Redundanz zur Seilklemme eine zweite Seil- klemme (Gutachten Anhang 11). Ferner bestätigt der Gutachter, dass das gesicherte Soloklettern am Fixseil von vielen Kletterern regelmässig praktiziert wird, meistens in Klettergärten zu Trainingszwecken, wobei in der Regel nur mit einem Seil und mittels Seilklemme ohne Redundanz gesichert werde (Gutachten S. 16). Der Vor- teil bei dieser Art Soloklettern sei, dass der Kletterer von oben gesichert sei, wodurch keine langen Stürze riskiert würden (Gutachten S. 16). Nach- teilig sei, dass es kein allgemein akzeptiertes Sicherungssystem gebe, dass ein (eher unwahrscheinliches) Restrisiko bestehe, dass ein Steinchen die Funktion der Seilklemme behindern oder aufheben könnte (Gutachten S. 16 mit Hinweis auf die entsprechende Warnung im Artikel von Pit Schu- bert, Gutachten Anhang 11, S. 136 f.), dass der Kletterer beim Anbringen des Fixseils abstürzen könnte, und dass er allein sei, wenn etwas Unvor- hergesehenes passiere (Gutachten S. 16 f.). Auf entsprechende Frage hin erklärt der Gutachter, dass diese Art Klettern (Soloklettern am Fixseil) mit der beschriebenen Technik in informierten Bergsteigerkreisen nicht als be- sonders gefährlich gelte (Gutachten S. 17). Es sei bei geeignetem Gelände und bei Fehlen grosser Quergänge ähnlich sicher wie das Klettern in einer
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