US-Investoren: Löhne senken in Europa! - Post-Konzern: Die Bundesregierung will Deutschland und die EU "wettbewerbsfähiger" machen - Welt der Arbeit
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US-Investoren: Löhne senken in Europa! Post-Konzern: Die Bundesregierung will Deutschland und die EU „wettbewerbsfähiger“ machen. Werner Rügemer Bis zu 20.000 Beschäftigte will die Deutsche Post jetzt in die niedrigeren Tarife der Logistikbranche abschieben. 2015 hat der Vorstand dafür 49 Tochterfirmen unter dem Dach der Delivery GmbH gegründet. In diversen Hotels werden den meist befristet Beschäftigten die neuen Arbeitsverträge vorgelegt: Unterschreib oder dein bisheriges Arbeitsverhältnis läuft aus! Unterzeichner durften die Verträge nicht nachhause mitnehmen, wurde berichtet.1 Das ist rechtswidrig. Die Fremdvergabe innerhalb des Konzerns verletzt auch eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft verdi, so Andrea Koscis, die für die Gewerkschaft im Aufsichtsrat sitzt.2 Schon bisher hat die Post 10.800 Subunternehmen beauftragt, die mit ihren prekären Billigar- beitsplätzen den Konzerngewinn steigern, und dort fühlt sich der Post- Konzern nicht für die Einhaltung wenigstens des Mindestlohn-Gesetzes verantwortlich. Und die Bundesregierung billigt das. Die Privatisierung der Bundespost Die Bundespost, die nie Verluste machte, sondern zu den verläßlichen Ein- nahmequellen der Bundesrepublik zählte, sollte trotzdem privatisiert wer- den. Die Deutsche Post DHL AG gehörte nach ihrer Privatisierung 1995 unter CDU-CSU-FDP und Bundeskanzler Helmut Kohl noch ganz dem Staat.3 Unter der Regierung von SPD und Grünen unter Bundeskanzler Gerhard Schröder begann die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Jahre 2000, die Aktien zu verkaufen. Beim ersten Börsengang gingen 29 Prozent der Aktien vor allem an angelsächsische Investoren. Das gehörte zur Programmatik der „rot-grünen“ Bundesregierung. Das Stichwort hieß „Entflechtung der Deutschland AG“: Die jahrzehntelange enge Verbindung zwischen den drei deutschen Großbanken Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank und des Versicherungskonzerns Alli- anz mit den großen deutschen Unternehmen sollte aufgelöst werden. Die Banken waren sowohl Hauptkreditgeber von Siemens, Holzmann, Bayer, RWE, Thyssen usw. wie auch gleichzeitig deren Großaktionäre. Deutsche Bank und Allianz hielten gegenseitige Aktienpakete. Für die Investoren aus den USA und England galt Deutschland deshalb als „kranker Mann Europas“. Sie forderten Deregulierung, um wieder Wachs- tum zu ermöglichen – wie gesagt: Die Bundespost war kerngesund. Schrö- der als Transatlantiker übernahm die interessegeleiteten Horrormärchen: Der Standort Deutschland muss wettbewerbsfähig werden! Dazu gehörte nicht nur die Senkung der Löhne und der Abbau des Sozialstaats, sondern auch die Öffnung für neue Investoren. Die deutschen Banken und die Alli- anz wurden angereizt, ihre Aktien deutscher Unternehmen zu verkaufen: Die Schröder-Regierung stellte die Verkaufserlöse steuerfrei. Schrittweise kauften und kaufen sich vor allem angloamerikanische Inves- toren seitdem als Eigentümer in wichtige Unternehmen am Standort 1 Post soll dubiose Verträge angeboten haben, Die Welt 2.2.2015 2 Der gelbe Riese auf Tarifflucht, verdi publik 1/2015 3 DHL ist das US-Logistikunternehmen, das vom Postkonzern aufgekauft wurde und seit 2009 Namensbestandteil ist. 1
Deutschland ein. Das betrifft nicht nur die börsennotierten Unternehmen, darunter alle 30 DAX-Konzerne, sondern auch den lukrativen Mittelstand.4 Wem gehört die Deutsche Post? Beim Post-Konzern ist der Staat mit 21 Prozent noch größter Einzelaktio- när. Das Unternehmen mit dem Namen Deutsche Post ist aber weder deutsch noch ein Postunternehmen: Es ist nach eigenem Anspruch der größte Logistik-Dienstleister der Welt, zu Luft, zu Wasser, zu Erde, auf al- len Kontinenten. Und er gehört mehrheitlich Eigentümern außerhalb des Territoriums Deutschland. Inzwischen ist der größte Kapital-Management-Konzern der Welt, der ehe- malige US-Hedgefonds Blackrock, nach dem deutschen Staat der zweit- größte Post-Eigentümer. Privat- und Kleinanleger halten 11,2 Prozent. Die Mehrheit von 67 Prozent gehört Investoren aus den USA und Großbritan- nien – wobei London oft nur der juristische Standort für US-Investoren ist. Nach Blackrock rangiert Capital Group, dann folgen u.a. die Norwegische Nationalbank, Lyxor International, Vanguard Group, Henderson Global In- vestors, Artisan Partners. Nun meinen manche Leute, auch solche marxistischen Anspruchs und vie- le Gewerkschafter: Die Anteile dieser Investoren seien doch so gering und flüchtig, dass sie auf das „operative Geschäft“ – also zum Beispiel auf die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse – gar keinen Einfluss nehmen, auch gar nicht nehmen wollen. Das könnte dem ersten Anschein nach so sein. Blackrock hält 5,48 Prozent, Capital Group 3 Prozent, die norwegische Na- tionalbank 1,85 Prozent, Lyxor 1,35 Prozent und so weiter. Außerdem än- dern sich diese Anteile teilweise sehr schnell. Zum Beispiel war Blackrock im Jahre 2012 mit 3,18 Prozent am Postkonzern beteiligt, Ende 2014 mit 5,99 Prozent, Anfang 2015 mit 5,48 Prozent. Die Sache wird noch einmal dadurch verkompliziert, dass diese Investoren ihre Anteile weiter aufspalten. So verteilen sich die 5,48 Prozent von Blackrock auf acht Blackrock-Fonds, die zudem ihren rechtlichen Standort in einer Finanzoase haben: Blackrock Holdco2, Blackrock Financial Mana- gement, Blackrock Advisors Holding, Blackrock International Holdings, Blackrock Jersey International Holdings, Blackrock Group Limited, Blackrock Investment Management (UK) und Blackrock Management Deutschland AG (Stand Ende 2014). Wie üben Blackrock & Konsorten ihren Einfluss aus? Natürlich haben solche Investoren nicht die Zeit, in jeden Zukauf eines an- deren Postunternehmens in einem anderen Staat oder in die Gründung einer Post-Tochtergesellschaft einzugreifen wie jetzt bei den 49 Delivery- Subunternehmen in Deutschland. Aber die Investoren bestimmen erstens die allgemeine Richtung. So setzte Larry Fink, der Blackrock-Chef, die Wahl von Anshu Jain gegen Josef A- ckermann als neuen Chef der Deutsche Bank durch, obwohl Blackrock hier auch nur gut 5 Prozent der Aktien besitzt. Zweitens treiben diese Investoren die weitere Finanzialisierung der Unter- nehmen voran. Das heißt: Diese Investoren, die Kapital von Konzernen, reichen Unternehmer-Clans, Zentralbanken und von Staats- und Konzern- Pensionsfonds mehren, sind an möglichst hohen Dividenden- Ausschüttungen interessiert; zudem müssen die Vorstände der Unterneh- men wie der Deutschen Post so agieren, dass die Aktien für Spekulationen 4 Werner Rügemer: Deutsches Kapital? Gibt es das (noch)?, Zeitschrift Z 95/2013 2
der verschiedensten Art geeignet sind, sowohl für Ansteigen wie Absteigen des Kurswertes. Lohnsenkungen dienen dem Ansteigen des Kurswertes – vorher kann Blackrock als Insider eigene und andere Aktien verkaufen, um sie später mit gesteigertem Wert wieder zu kaufen. Drittens ist Blackrock nicht nur Miteigentümer, sondern bietet auch die ver- schiedensten Beratungsdienste an. Viertens sind diese Investoren untereinander vernetzt. So ist auch der Fonds Deutsche Asset & Wealth Management Miteigentümer des Post- Konzerns; der Fonds gehört der Deutschen Bank, in der wiederum Blackrock der größte Eigentümer ist. Und der Post-Miteigentümer Norwegi- sche Nationalbank ist wiederum Miteigentümer von Blackrock. Fünftens ist Blackrock wichtiger Berater der US-Regierung und beispiels- weise der Europäischen Zentralbank (EZB) und ist – zusammen mit seinen Eigentümerschaften an Tausenden von Unternehmen auf allen Kontinenten – auch auf der politischen Ebene einer der wichtigsten Insider und Mitge- stalter der globalen Finanz- und Wirtschaftsverhältnisse. Durch diese Vernetzung – zugestanden: sie ist verwirrend - können diese Investoren einen viel größeren Einfluss ausüben als es auf den ersten Blick erscheint. Der Blackrock-Filz im Aufsichtsrat Der deutsche Staat, vertreten durch das Bundesfinanzministerium, ist zwar mit seinen 21 Prozent immer noch der Hauptaktionär des Post-Konzerns. Er verzichtet aber auf ihm zustehende Posten im Aufsichtsrat. Er stellt dort mit zwei Vertretern nur eine kleine Mitläufer-Minderheit: Der verbeamtete Staatssekretär Werner Gatzer (SPD) vom Finanzministerium sitzt hier seine Zeit ab, wenn er nicht ebenso ahnungslos namens des deutschen Staates im Aufsichtsrat des Flughafens Berlin-Brandenburg GmbH (BER) seine Zeit zum Schaden der Steuerzahler totschlägt.5 Der zweite Staatsvertreter ist Ulrich Schröder, Chef der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die die staatlichen Post-Aktien verwaltet. Die weiteren Mitglieder des Aufsichtsrates sind ebenso nicht den Post- Beschäftigten und den Bürger-Endkunden verbunden. Henning Kagermann ist Vorstandsmitglied von SAP; Simone Menne ist Vorstandsmitglied der Deutschen Lufthansa; Stefan Schulte ist Vorstandsvorsitzender des Flug- hafenunternehmens Fraport: An diesen drei Unternehmen ist Blackrock ebenfalls Miteigentümer. Aufsichtsratsmitglied Elmar Toime betreibt die Finanzberatungsfirma E Toime Consulting mit Sitz in London; er selbst ist an der Postea Group in den USA, an Blackbay in Großbritannien und an den Postal Services des Scheichtums Katar beteiligt. Postea und Blackbay sind darauf spezialisiert, Post- und Logistikdienste zu optimieren und kostengünstige Subunterneh- men zu gründen, Niedriglöhnerei eingeschlossen. Davon kann auch der Post-Konzern profitieren. Zu den weiteren Mitgliedern des Aufsichtsrats zählt Thomas Kunze des Nahrungsmittelkonzerns Danone, Roland Oetker mit der Investmentfirma ROI und Katja Windt, Professorin für Global Production Logistics an der privaten Jacobs University in Bremen. Auch er soll nicht vergessen werden: Vorsitzender des Aufsichtsrates ist Zumwinkels McKinsey-Kumpel Wulf von Schimmelmann. Er tut nebenbei noch was im Aufsichtsrat u.a. der US-Unternehmensberatung Accenture, 5 Daniel Delhaes u.a.: Rat der Ahnungslosen, Handelsblatt 10.1.2013 3
wenn er nicht seinem Segel-Hobby an seinem Wohnsitz auf den Bahamas nachgeht.6 Die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat sind an strategischen Entschei- dungen nicht beteiligt. Sie sind seit Beginn der Privatisierung in der Defen- sive und versuchen, die brutale Umstrukturierung der Arbeitsverhältnisse möglichst abzubremsen, wenigstens in Deutschland. EU-Arbeitskosten müssen sinken! Schon SPD-Kanzler Schröder hatte mit der Wall Street die Agenda 2010 abgestimmt, die durch Niedriglöhne und Deregulierung Deutschland „wett- bewerbsfähiger“ machte. Seit der „Finanz“krise betet Finanzminister Wolf- gang Schäuble wieder nach derselben Gebetsmühle: „Die EU muss wett- bewerbsfähiger werden“, „Deutschland muss wettbewerbsfähiger werden“, „Griechenland muss wettbewerbsfähiger werden.“ Schäuble, der Fetischist der „Schwarzen Staats-Null“, wurde gegenüber den „Märkten“ in New York deutlicher: Er will weitere Staats-Aktien verkaufen, nicht nur der Post, son- dern auch des Telekom- und des Bahn-Konzerns.7 Der Zeitpunkt dafür ist noch nicht festgelegt. Denn die Braut muß noch schön hergerichtet werden. Daher gehört die Abschiebung der 20.000 Be- schäftigten in die Niedriglöhnerei am Standort Deutschland zur „Strategie 2020“. Post-Vorstandschef Frank Appel forciert damit vor allem die Expan- sion in den großen Niedriglohngebieten der Erde wie Indien, Südamerika und der Türkei, die Gewinne sollen um jährlich acht Prozent auf dann fünf Milliarden steigen.8 Schäuble und Appel sind das öffentliche Gesicht der öffentlich weithin un- bekannten Investoren. Deren mächtigere Handlanger sprechen (manchmal) konkreter. „Arbeitskraft ist in der EU im Schnitt etwa zweimal so teuer wie in den Vereinigten Staaten“, stellt Ray Dalio fest. Der Milliardär, Chef des weltgrößten Hedgefonds Bridgewater, „sorgt sich um die Zukunft Europas“. Er möchte für seine Kunden - Konzerne, Banken, Zentralbanken, Vermö- gens- und Pensionsfonds – mehr in der EU investieren. „Deshalb muss Europa dringend wettbewerbsfähiger und weniger bürokratisch werden.“ Dafür sieht Dalio schon bessere Chancen in den Krisenstaaten Italien, Spanien und Frankreich. Dort seien „die politischen Führer schon mutiger und aufgeschlossener“ für Reformen.9 Da wissen IWF-Chefin Christine La- garde, Schäuble und EU-Kommissions-Präsident Jean-Paul Juncker, wo es langgeht. In der Öffentlichkeit wird das Theater „Verhandlungen zum Freihandelsab- kommen TTIP“ und zum Dienstleistungsabkommen TISA aufgeführt. Ar- beitsrechte und Arbeitsbedingungen sind ausgeklammert – während an- derswo die Entscheidungen fallen. Mit TTIP würden allerdings die niedrige- ren Arbeitsrechtsstandards und Gewerkschaftsrechte in den USA noch stärker auf Europa durchschlagen – schon jetzt profitieren der Post- Konzern wie etwa die Autokonzerne VW, Daimler und BMW in ihren US- Niederlassungen davon. Zumwinkels unfreies Forschungs-Institut Als die Bundesregierung 1995 die Deutsche Post in eine Aktiengesellschaft umwandelte, berief sie Klaus Zumwinkel zum Vorstandsvorsitzenden. Er 6 Mehr Zeit für die Bahamas, Süddeutsche Zeitung 19.5.2010 7 German Governments mulls Changes to Privatization Plan, Reuters 12.11.2014 8 Strategie 2020: Deutsche Post setzt auf Schwellenländer, Wirtschaftswoche 2.4.2014 9 Europa bleibt nur noch wenig Zeit, Handelsblatt 16.2.2015 4
gehörte zuvor zur Unternehmensberatung McKinsey, zuletzt als Miteigen- tümer und Mitglied der Weltgeschäftsführung. Er wurde unter Bundeskanz- ler Kohl zum Top-Privatisierer der großen Bundesunternehmen, deshalb agierte er auch in den Aufsichtsräten von Lufthansa, Deutsche Telekom und Deutsche Postbank. 1998 gründete Zumwinkel das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) und be- rief Klaus Zimmermann zu dessen Direktor. Das IZA tritt seitdem für die typischen Unternehmerforderungen ein wie Ausweitung des Niedriglohn- sektors, größere „Flexibilität“ der Beschäftigten, Anhebung des Renten- Eintrittsalters und workfare (Zwangsarbeit für Arbeitslose). Zumwinkel wurde wegen jahrelanger persönlicher Steuerhinterziehung zu zwei Jahren Gefängnis mit Bewährung verurteilt. Die im Verhältnis zur Schwere seiner kriminellen Handlungen nur geringe Strafe beruhte auf ei- ner Gefälligkeit der Justiz. Ein Bedauern oder Schuldbekenntnis war von ihm nicht zu vernehmen. Man darf die Arbeitshypothese aufstellen, dass er das, was er für sich selbst mit professioneller Umsicht organisierte (Stiftung in Liechtenstein, Kontoauszüge nur an seinen italienischen Wohnsitz auf Burg Tenno am Gardasee), zur Gewinnsteigerung auch für den Konzern einsetzte. Solche „Steuergestaltungen“ gehören zu den honorierten Aufträgen der großen Wirtschaftsprüfer-Gesellschaften. Natürlich hat der Postkonzern den größ- ten kriminellen Wirtschaftsprüfer unter Vertrag, Price Waterhouse Coopers (PWC). Aus der Finanzoase Luxemburg hilft der mit 2000 Beratern, US- und europäischen Konzernen Steuern zu hinterziehen.10 Zumwinkel musste wegen seiner persönlichen Steuerhinterziehung von seinen Funktionen in den genannten Unternehmen, aus dem Verwaltungs- rat von Morgan Stanley und aus den Präsidien der BDA und des BDI aus- scheiden. Aber er blieb Präsident sowohl des IZA wie auch der Deutsche Post-Stiftung, die das IZA finanziert. Das ist auch heute noch so. Das Hamburger Landgericht urteilt, dass über das IZA gesagt werden darf, es bezeichne sich „faktenwidrig“ als unabhängig, und von freier Wissenschaft könne „beim besten Willen nicht gesprochen werden“.11 Trotzdem oder eben deshalb unterstützte das IZA und überwacht weiter die Hartz-Gesetze, liefert seit Kanzler Schröder Gutachten für die deutschen Bundesregierungen, für die Europäische Kommission und für die Weltbank. Das IZA bewegt sich mit seinem Direktor Zimmermann im Milieu der Ar- beitgeberverbände und wird zusätzlich von Unternehmens-Stiftungen wie von Bertelsmann, Thyssen und VW finanziert. Post-Großaktionär Blackrock mischt auch hier mit: Sein Mitarbeiter Patrick Liedtke ist Mitglied des IZA- Gremiums „Policy Fellows“.12 IZA tritt dafür ein, dass nach der vorbildlichen Agenda 2010 in Deutschland für die ganze EU die Agenda 2020 folgt. Das Institut führt zwar keine Auf- träge des Post-Konzerns aus, die Parallelen zu den Arbeitsverhältnissen im Konzern sind aber nicht zu verkennen. Bundesregierung deckt weltweite Arbeitsrechts-Verletzungen Mit der Privatisierung und schon vor dem Börsengang begann die asoziale Aufspaltung der Belegschaft. Ex-McKinsey-Manager Zumwinkel beauftrag- te dafür seine früheren Kollegen als Berater. Die Gehälter und Boni der 10 Luxemburg Leaks: Klicken Sie sich durch die Geheimdokumente, Süddeutsche Zeitung 5.11.2014 11 Thomas Barth: Neoliberaler Think Tank unter Druck, Telepolis 17.2.2015; Norbert Hae- ring: Zumwinkels forsche Forscher. Der einstige Postchef leitet eine höchst intransparente Stiftung, die Ökonomen mit einer klaren Agenda finanziert, Handelsblatt 19.1.2015 12 www.iza.org/policyfellow, abgerufen 3.3.2015 5
Manager stiegen, besonders hoch stiegen sie bei den Mitgliedern des Vor- stands, während die Einkommen der unteren Beschäftigtengruppen ständig weiter abgesenkt werden: Leiharbeit, Teilzeitarbeit, befristete Arbeit, Mini- jobs, ständige Herabstufung der Einstiegsgehälter, Ausweitung von nicht- bezahlten Überstunden, Kettenverträge, Ausgliederung in Tochtergesell- schaften und in Subunternehmen. Etwa 9.000 Beschäftigte sind „Abrufkräfte“: Sie müssen wie Tagelöhner arbeiten. Für sie gilt weder ein Urlaubsanspruch noch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die Ausweitung solcher prekären Arbeitsplätze wider- spricht zwar einer Betriebsvereinbarung mit der Gewerkschaft verdi, aber das ist für den Konzernvorstand kein Hindernis. Auch Rechtsbrüche gehö- ren zur Postpraxis, etwa wenn Überstunden gegen Krankheitstage ver- rechnet werden. Nirgendwo sonst ist der Krankenstand mit 9 Prozent so hoch wie bei Briefzustellern.13 2014 betrug die Zahl der vom Konzern beauftragten Subunternehmer allein in Deutschland 10.800: Sie übernehmen diverse Aufgaben, z.B. leeren sie Briefkästen, transportieren Ladungen zwischen Briefzentren.14 Natürlich kann dabei der Konzern nicht darauf achten, dass die Subunternehmer oder die Subunternehmer der Subunternehmer jetzt den Mindestlohn zah- len, denn die gegeneinander erpressten Subunternehmer sind ja rechtlich- marktwirtschaftlich „selbständige Unternehmen“, in die von oben nicht rein- regiert werden dürfe.15 So wird ganz nebenbei, mit Absicht und schrittweise die Möglichkeit der Beschäftigten untergraben, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Massiver noch geht der Konzern mit denen um, die noch schwächer und ärmer sind. In Delhi und Kalkutta wurden Gewerkschaftsmitglieder diskriminiert, nur weil sie sich für Rechte eingesetzt haben, die in Indien gesetzlich geschützt sind. Ein Gewerkschaftsaktivist wurde 150 Kilometer weit von seiner Fami- lie versetzt, „aus operativen Gründen“. Zur Rechtfertigung hieß es: „Alle Mitarbeiter haben Versetzungs- und Transferklauseln im Arbeitsvertrag.“ Kuriere verdienen dort 150 Euro im Monat.16 Sobald sich jemand um die Arbeitsverhältnisse in ausländischen Niederlas- sungen des Post-Konzerns kümmert, werden Verletzungen der ILO- Arbeitsrechtsstandards, des UN Global Compact, der OECD-Leitsätze und nationaler Gesetze bekannt. In Kolumbien unterhält der Konzern 26 Filia- len, zwei Drittel der Beschäftigten sind Leiharbeiter. 60 Stunden-Wochen ohne Bezahlung von Überstunden sind nicht selten. Lügendetektoren bei Mitarbeitern wurden durch Ex-Militärs eingesetzt. Die Post DHL verhält sich auch in der Türkei „hochgradig gewerkschaftsfeindlich“.17 Auf die Anfrage der Linkspartei zu den Arbeitsverhältnissen bei der Post antwortete die Regierung: Aus der Stellung als Hauptaktionär „ergeben sich keine Rechte und Pflichten zur Erforschung der erfragten Sachverhalte.“18 Erstveröffentlichung des Beitrages im April in Heft 2/2015 der Zeitschrift „Hinter- grund“. www.hintergrund.de 13 Wehr.di, Zeitung der Betriebsgruppe Brief Freiburg 3/2014, S. 2 – 4; vgl. die website der Beschäftigten bei Post-Subunternehmen: http://dhl.betriebsgruppe.blogsport.eu/werwirsind/ 14 Deutsche Post-Konzerne lagern immer mehr Arbeit aus, Focus.de/finanzen/news 14.4.2014, abgerufen 2.3.2015 15 Arne Lorenz: Immer Ärger mit der Post, ZDF 11.2.2015 16 Arne Lorenz ebenda 17 Knut Henkel: Die Gewerkschaft als Feind, Magazin Mitbestimmung 3/2013; Internatio- nal Transport Workers Federation: DHL-Verhalten in der Türkei „Katalog der Schande“, 2.11.2012 18 Kenntnis der Bundesregierung über die Arbeitsbedingungen bei der Deutschen Post AG, Bundestagsdrucksache 18/3796, 21.1.2015 6
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