Usability von Browsererweiterungen zum Schutz vor Tracking
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Information. Wissenschaft & Praxis 2020; 71(2–3): 95–106 Nutzerforschung Marvin Hubert, Joachim Griesbaum* und Christa Womser-Hacker Usability von Browsererweiterungen zum Schutz vor Tracking https://doi.org/10.1515/iwp-2020-2075 L’utilisation de l’extension du logiciel de navigation pour Eingereicht am 7. November 2019; Angenommen am 5. Februar 2020 la protection contre le pistage Résumé: Les extensions de navigateur qui protègent les Zusammenfassung: Browsererweiterungen zum Schutz utilisateurs et utilisatrices contre le pistage constituent vor Tracking stellen beliebte Werkzeuge zum Schutz der des outils appréciés pour la protection de la sphère privée. Privatsphäre von Nutzerinnen und Nutzern dar. Ihre tat- Leur effectivité réelle dépend énormément de leur facilité sächliche Effektivität ist in hohem Maße von ihrer Usabili- d’utilisation pratique car celle-ci régit dans quelle mesure ty abhängig, da diese bestimmt, in welchem Ausmaß die- ces outils peuvent être utilisés de manière effective, effi- se Werkzeuge effektiv, effizient und zufriedenstellend ciente et satisfaisante. La présente étude examine la fiabi- genutzt werden können. Die vorliegende Untersuchung lité de quatre de ces extensions de navigateur à l’aide de prüft die Gebrauchstauglichkeit vier solcher Browser- tests auprès des utilisateurs. Les résultats montrent que erweiterungen mit Hilfe von Benutzertests. Die Ergebnisse les Add-ons (les ajouts) présentent, aujourd’hui encore, de zeigen, dass die Add-ons auch heutzutage noch eine Viel- nombreux défauts liés à leur utilisabilité. Les problèmes zahl an Usability-Mängeln aufweisen. Kernprobleme stel- principaux sont le manque d’intelligibilité, les indications len insbesondere die mangelnde Verständlichkeit und die guidant les utilisateurs déficientes et l’absence de fonc- fehlende Führung und Unterstützung der Nutzenden dar. tion d’aide. Deskriptoren: Webtracking, Nutzer, Benutzerverhalten, Descripteurs: Pistage, Utilisateur, Comportement de l’uti- Benutzerfreundlichkeit, Tracking-Blocker lisateur, Utilisabilité, Bloqueur de pistage Usability of tracker-blocking browser add-ons Abstract: Browser extensions that block online tracking Einleitung are popular tools users´ rely on to protect their privacy. As usability determines the effectiveness, efficiency, and sa- Für die Kontrolle und den Schutz der Privatsphäre im In- tisfaction of software usage, the effectiveness of such ternet und insbesondere vor Webtracking existiert eine browser extensions is largely dependent on their usability. Vielzahl sogenannter Privacy Tools. Für deren Effektivität Based on user tests, the present study investigates the us- ist neben der Funktionalität insbesondere auch ihre Be- ability of four such browser extensions. Results indicate, nutzbarkeit bedeutsam. Unter anderem die European Uni- that such add-ons still suffer from a number of usability on Agency for Network and Information Security (ENISA flaws today. Especially, the lack of comprehensibility and 2016) und Karat et al. (2005) stufen die Benutzerfreund- the lack of user guidance is problematic. lichkeit solcher Werkzeuge als sicherheitskritisch ein. Das ist problematisch, da Fehler bei der Benutzung zu einer Descriptors: Webtracking, User, User Behavior, Usability, erhöhten Gefährdung der Privatsphäre und der Entste- Tracking blocker hung weiterer damit verbundener Risiken führen können. *Kontaktperson: Prof. Dr. Joachim Griesbaum, Universität Hildes- Werden die Werkzeuge nicht oder nur unsachgemäß an- heim, Institut für Informationswissenschaft und Sprachtechnologie, gewendet, können Nutzende möglicherweise durch Tra- Universitätsplatz 1, 31141 Hildesheim, cker verfolgt und detaillierte Profile von ihnen erstellt E-Mail: griesbau@uni-hildesheim.de werden, die sensible Informationen wie ihre politische Marvin Hubert, web-netz GmbH, Bleckeder Landstraße 39, Gesinnnung, ihren Gesundheitszustand oder ihren finan- 21337 Lüneburg, E-Mail: marvin-hubert@web.de Prof. Dr. Christa Womser-Hacker, Universität Hildesheim, Institut ziellen Status beinhalten und zudem das Risiko einer für Informationswissenschaft und Sprachtechnologie, Universitäts- missbräuchlichen Verwendung bergen. Inwieweit Brow- platz 1, 31141 Hildesheim, E-Mail: womser@uni-hildesheim.de sererweiterungen zum Schutz vor Tracking tatsächlich
96 Marvin Hubert, Joachim Griesbaum und Christa Womser-Hacker, Usability von Browsererweiterungen benutzerfreundlich sind, stellt den Ausgangspunkt und nü-Design und die Erläuterungen zu geblockten Trackern die Motivation der vorliegenden Arbeit dar. Ziel ist es, ein (u. a. Privacy Badger). aktuelles Bild zur Usability populärer Browsererweiterun- Leon et al. (2012) führten eine Laborstudie mit 45 Erst- gen zu gewinnen. nutzerinnen und -nutzern durch. Mit Hilfe voneinander un- abhängiger Stichproben wurde die Usability von insgesamt neun Privacy Tools untersucht. Die Probanden wurden da- Forschung im Themenfeld zu angehalten, mit einem ihnen zufällig zugewiesenen Tool Aufgaben zur Installation, Konfiguration und Feinein- Der folgende Abschnitt gibt eine grobe Übersicht zu Studi- stellung bzw. Problemlösung der Tools zu absolvieren. Ne- en im Forschungsfeld usable privacy and security. Die Li- ben Performanz-Messungen wurden auch Fragebögen zur teraturrecherche erfolgte mithilfe der ACM Digital Library, Datengewinnung verwendet. Die Ergebnisse der Studie der IEEE Xplore Digital Library, ResearchGate und Google deuten zunächst auf einen allgemein unkomplizierten In- Scholar. Es zeigt sich, dass bislang insbesondere Unter- stallationsvorgang hin. Bei der Konfiguration der Tools er- suchungen zur Effektivität vorhandener Blocking-Mecha- wiesen sich jedoch insbesondere ein verwirrender Jargon nismen vorliegen (vgl. u. a. Balebako et al. 2012, Garimella der Benutzerschnittstelle und auf Nutzerseite ein fehlendes et al. 2017, Merzdovnik et al. 2017, Traverso et al. 2017). Verständnis für die Funktionsweise der Werkzeuge als pro- Dagegen wird die Usability von Browsererweiterungen blematisch. Leon et al. (2012) kommen zu dem Schluss, zum Schutz vor Webtracking bisher nur in geringem Aus- dass keines der neun getesteten Tools dazu befähigt, Tra- maß erforscht. Bereits in den 1970er Jahren verdeutlichen cking effektiv und nach persönlichen Bedürfnissen ent- Saltzer und Schroeder (1975) das Risiko, dass aus Bedien- sprechend zu kontrollieren, weil sie den Erwartungen und fehlern Sicherheitslücken resultieren können. Fähigkeiten der Nutzenden nicht gerecht werden. Whitten & Tygar (1999) und Ruoti et al. (2015) unter- Im Ergebnis schlagen die Autoren folgende Verbes- suchten mittels Nutzertests die Usability einer Verschlüsse- serungen der Browsererweiterungen vor: a) eine Untertei- lungssoftware und konnten erhebliche Usability-Mängel lung der Tracker in Kategorien, b) die Aktivierung des Tra- feststellen. Insbesondere die mangelnde Verständlichkeit ckingschutzes bereits in den Standardeinstellungen, c) ei- der Software und die fehlende Unterstützung der Nutzen- ne klare, einfache und verständlich gehaltene Gestaltung den wurden als problematisch eingeschätzt. Cranor et al. der Benutzerschnittstelle, d) Bereitstellen von kontinuier- (2016) stellten bei der Evaluierung des P3P User Agents Pri- lichem Feedback in der Interaktion sowie von Erklärungs- vacy Bird Optimierungspotential im Hinblick auf die Wort- hilfen. Die Studie von Leon et al. (2012) kann als die bis- wahl der Benutzerschnittstelle und die Sichtbarkeit be- lang elaborierteste Untersuchung eingeschätzt werden. stimmter Mechanismen fest. Schaub et al. (2016) führten Aus diesem Grund dient sie für die nachfolgende Unter- eine Laborstudie mit 24 Probanden zu Browser Extensions‘ suchung methodisch als Bezugspunkt und Orientierung. Impact on User Privacy Awareness and Concern durch. Auf Basis ihrer Ergebnisse empfehlen die Autoren eine relevan- te, zugängliche und verständliche Gestaltung der bereit- gestellten Informationen, um Verwirrung, Misstrauen und Forschungsfragen und Skepsis gegenüber den Werkzeugen vorzubeugen. methodischer Ansatz Die Stiftung Warentest (2017) untersuchte mittels ei- ner Expertenevaluation neun Browser Add-ons zum In der vorliegenden Untersuchung stehen zwei For- Schutz vor Webtracking. Der Fokus lag auf dem Installati- schungsfragen im Fokus. onsvorgang, der Konfiguration sowie dem täglichen Ge- (1) Wie ist die Usability von Browsererweiterungen zum brauch der Add-ons. Die Ergebnisse zeigen ein sehr unter- Schutz vor Tracking einzuschätzen? schiedliches Bild. Einige Tools hoben sich durch eine (2) Welche Maßnahmen sind aus Sicht der Nutzer loh- leichte Handhabung und viele Einstellungsmöglichkeiten nenswert, um die Usability von Browsererweiterun- (u. a. uBlock Origin, Ghostery, Adblock Plus), geringe Funk- gen zu verbessern? tionsverluste auf Webseiten (u. a. uBlock Origin) oder auch durch viele hilfreiche Erläuterungen und Erklärungshilfen Forschungsfrage 1 zielt auf eine Bestandsaufnahme. Hier (u. a. Ghostery) positiv hervor. Andere Werkzeuge wiesen soll die Untersuchung Einsichten liefern, inwieweit die hingegen nur wenige Einstellungsmöglichkeiten für erfah- Werkzeuge für normale Webnutzende (Nichtexperten) rene Nutzende auf (u. a. Privacy Badger, Adblock Plus) zielführend zu gebrauchen sind und ob sich die Browser- oder zeigten Verbesserungsbedarf im Hinblick auf das Me- erweiterungen seit der Studie von Leon et al. (2012) we-
Marvin Hubert, Joachim Griesbaum und Christa Womser-Hacker, Usability von Browsererweiterungen 97 sentlich verbessert haben. Obwohl die Untersuchung sich Tabelle 1: (fortgesetzt). im Detail durchaus von der Studie von Leon et al. (2012) unterscheidet und somit im engeren Sinne keine Replika- Add-on Verbreitungsgrad Typ Regelsatz (Mozilla Foundation 2018; tionsstudie darstellt, erweitert und aktualisiert sie die bis- Google LLC 2018) lang eher spärliche Datenlage im Themenfeld. Forschungsfrage 2 weist eine konstruktive Pragmatik uBlock >15 Mio. Nutzende Content-Blocker community- Origin (Firefox/Chrome) driven auf und zielt im Sinne einer eher formativen Evaluation Ghostery ~ 4 Mio. Nutzende Tracker-Blocker centralized auf konkrete Gestaltungsempfehlungen zur weiteren Ver- (Firefox/Chrome) besserung der Browsererweiterungen. Privacy ~ 1,5 Mio. Nutzende Tracker-Blocker algorithmic Badger (Firefox/Chrome) Untersuchungsdesign Abbildung 1 zeigt den Startbildschirm der jeweiligen Insgesamt lässt sich die Untersuchung als ein exploratives Werkzeuge in der Übersicht. Um Lerneffekte auszuschlie- auf Nutzertests beruhendes Feldexperiment bezeichnen. ßen, wird ein between-subjects-Design gewählt, d. h. jede Nachfolgend werden das Testdesign, die Stichprobengrö- Testperson wird zufällig einem der vier Werkzeuge zuge- ße, die Nutzergruppe, die Testaufgaben, der Testablauf, wiesen und absolviert dann die jeweiligen Aufgaben nur die Bewertungsmaße sowie die Pretests und deren Ergeb- mit dem zugewiesenen Tool. nisse dargelegt. Stichprobengröße Methode und Untersuchungsgegenstand Für eine statistisch aussagekräftige vergleichende Per- Um die Usability der Browsererweiterungen möglichst formanzanalyse aller vier Werkzeuge wären insgesamt 76 realistisch prüfen zu können, werden Benutzertests als Testpersonen erforderlich (Effektstärke f = (0,40), α-Ni- Methode gewählt. Diese werden bei den Probanden zu veau von fünf Prozent, Teststärke (1-β = 0,8)). Da Benut- Hause durchgeführt, um möglichst realistische Bedingun- zertests sehr aufwendig sind, wird eine derartig große gen zu schaffen und Stressfaktoren zu minimieren (vgl. Stichprobe für unrealistisch gehalten. Daher wird ein pro- Sarodnick & Brau 2011: 239). Dabei wird ihnen ein Laptop blemidentifizierender Ansatz, wie er bei performativen mit Windows-Betriebssystem zur Verfügung gestellt und Studien zum Einsatz kommt, verfolgt (Sauro & Lewis 2016: sie können selbst entscheiden, welchen der beiden vor- Kap.7). Geht man hier von einer Auftretenswahrschein- installierten Browser („Google Chrome“ und „Mozilla Fire- lichkeit eines Usability-Fehlers von 20 Prozent (für einen fox“) sie verwenden. einzelnen Testdurchlauf) aus, so tritt der Fehler bei 7,2 Testdurchläufen mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Pro- zent auf. D. h. ein Testsample von acht Personen pro Testdesign Browsererweiterung scheint hinreichend, um ein grund- sätzliches Bild zu den Usability-Problemen der Werkzeuge Aus Aufwandserwägungen wird die Untersuchung auf die zu gewinnen. Statistische Analysen, die auf Basis von Analyse von vier Browserweiterungen beschränkt. Primä- Performanzmaßen die Werkzeuge miteinander verglei- res Auswahlkriterium stellt die Popularität der Browser- chen, können ergänzend vorgenommen werden. Auf- erweiterung dar. Somit werden Adblock Plus, uBlock Ori- grund der beschränkten Anzahl an Teilnehmenden ist gin, Ghostery und Privacy Badger ausgewählt. Tabelle 1 aber die Teststärke sehr gering (unter 50 %), d. h. solche stellt die Werkzeuge in einer Übersicht vor. Analysen sind als tentativ einzuschätzen. Tabelle 1: Übersicht der untersuchten Add-ons. Nutzergruppe Add-on Verbreitungsgrad Typ Regelsatz (Mozilla Foundation 2018; Die Zielgruppenauswahl unterliegt keinen Einschränkun- Google LLC 2018) gen. Die Teilnehmenden sollen „normale Nutzerinnen Adblock >20 Mio. Nutzende Werbeblocker community- und Nutzer“ widerspiegeln (vgl. Sarodnick & Brau 2011: Plus (Firefox/Chrome) driven 167). Bei den rekrutierten Probanden handelte es sich wei-
98 Marvin Hubert, Joachim Griesbaum und Christa Womser-Hacker, Usability von Browsererweiterungen Abbildung 1: Screenshots der Startbildschirme der vier evaluierten Add-ons. terhin um Erstnutzer des ihnen zugewiesenen Tools. Auf- Videos verhindern). Diese Probleme sollten dann je- grund der Tatsache, dass sich die Browsererweiterungen, weils gelöst werden. Die Aufgabenstellungen zum Instal- trotz zum Teil identischer zugrundeliegender Blocking- lationsvorgang (Aufgabe 1) und den Feineinstellungen Ansätze, doch erheblich in ihrer Funktionalität und Hand- (Aufgabe 3.1.–3.3.) sind für alle Systeme soweit möglich habung unterscheiden, werden mögliche Erfahrungen, identisch. Die Aufgabenstellungen zum Konfigurations- die aus der Nutzung anderer Browsererweiterungen zum vorgang (Aufgabe 2) werden aufgrund der unterschiedli- Schutz vor Tracking resultieren und damit verbundene chen Funktionalität der Browsererweiterungen für jedes Lerneffekte als eher gering eingeschätzt. Daher werden Werkzeug individuell angepasst. In Summe betrachtet Probanden, die bereits andere Browsererweiterungen zum sollen die Testaufgaben in ihrer Sequenz näherungsweise Schutz vor Tracking verwendet haben, nicht vom Experi- einen typischen Nutzungsverlauf abbilden. Die Bewer- ment ausgeschlossen. tung des Erfolgs der Aufgabenbewältigung wird auf Basis vorab definierter Bewertungskriterien, die sowohl eine Ideallösung als auch – wenn vorhanden – weitere Testaufgaben Lösungsmöglichkeiten abbilden, festgelegt. Die beiden nachfolgenden Tabellen geben einen Überblick über die Die Testaufgaben sind das zentrale Element des Unter- Testaufgaben. suchungsdesigns. Sie determinieren die Gegenstands- Die für jede Browsererweiterung individuellen Auf- bereiche und den Ablauf der Untersuchung in hohem Ma- gabenstellungen für die zweite Aufgabe können Tabelle 3 ße. Es werden insgesamt fünf Testaufgaben erstellt. Diese entnommen werden. behandeln sowohl den Installations- und Konfigurations- vorgang der Browsererweiterungen als auch die Vornah- me von Feineinstellungen im jeweiligen Tool (vgl. Leon Testablauf et al. 2012: 591). Im Hinblick auf die zu tätigenden Fein- einstellungen wurden in den Browsererweiterungen vor Der Testablauf wird wie folgt festgelegt. der Aufgabenbearbeitung, wenn möglich, zusätzliche 1. Begrüßung und Einführung Blockingfunktionen aktiviert, die Probleme bei der Auf- 2. Vorbefragung und Schulung gabenbewältigung verursachen (z. B. das Abspielen eines 3. Aufgabenbearbeitung: Bearbeitung der Testaufgaben
Marvin Hubert, Joachim Griesbaum und Christa Womser-Hacker, Usability von Browsererweiterungen 99 Tabelle 2: Übersicht Aufgabenstellungen (1, 3.1., 3.2., 3.3.). Aufgabe 1: Installation und Aufgabe 3: Problemlösung durch Feineinstellung Erstkonfiguration Aufgabe 3.1. (facebook.com) Aufgabe 3.2. (gutefrage.net) Aufgabe 3.3. (haz.de) – Tool installieren und über die – In einen vorgegebenen Test- – Auf der Ratgeber-Plattform – Ein beliebiges Video auf der Funktionsweise informieren account bei Facebook ein- „gutefrage.net“ einen belie- Website der HAZ anschauen – Hilfe-/ Supportbereich auf- loggen und ein beliebiges/ bigen Beitrag zum Thema – Bei auftretenden Problemen / rufen und einen Überblick vorgegebenes (Privacy Badger) „Gesunde Ernährung“ Störungen Feineinstellungen verschaffen Spiel starten anschauen und sich einen im Tool vornehmen, um das – Eine erste, den persönlichen – Bei auftretenden Problemen / Überblick über die von der jeweilige Video abspielen zu Bedürfnissen entsprechende, Störungen Feineinstellungen Community gegebenen können Konfiguration durchführen im Tool vornehmen, um das Antworten verschaffen jeweilige Spiel ausführen zu – Bei auftretenden Problemen / können Störungen Feineinstellungen im Tool vornehmen, um den jeweiligen Beitrag bzw. die dazugehörigen Antworten sehen zu können Tabelle 3: Übersicht Aufgabenstellungen Aufgabe 2. Aufgabe 2: Konfiguration nach speziellen Vorgaben Adblock Plus uBlock Origin Ghostery Privacy Badger – Filterliste zum Schutz vor – Filterliste zum Schutz vor – Vorgegebene Tracking-Domains – Vorgegebene Tracking-Domains Tracking hinzufügen Tracking hinzufügen blockieren blockieren – Filterregel erstellen – Filterregel aktivieren – Vorgegebene Tracker-Kategorie – Cookies für einen, mit einem vollständig blockieren vorgegebenen Unternehmen – Benachrichtigungs-funktion verbundenen, Tracker blockieren aktivieren – Tracking über Social Media Symbole zulassen 4. Nachbefragung messen des Testleiters, die Bearbeitung einer Aufgabe ab- 5. Abschluss, Debriefing zubrechen, sollte er diese – trotz gegebener Hilfestellung – als nicht lösbar einschätzen. Zur Erhebung der Einstellung Die Benutzertests werden mithilfe der Software „Morae“ der Nutzenden werden Standardfragebögen (der After- aufgezeichnet. Der Untersuchungsleiter (der Erstautor die- Scenario Questionnaire (ASQ), die System Usability Scale ses Beitrags) führt die Testsitzungen durch. (SUS) (vgl. Sauro & Lewis 2016, Kap.8) und ein in Teilen selbstentwickelter Fragebogen zum Verständnis der Funk- tionen der geprüften Browsererweiterungen genutzt. Ta- Bewertungsmaße belle 4 gibt einen Überblick über die Bewertungsmaße. In der Untersuchung werden sowohl das Verhalten der Tabelle 4: Bewertungsmaße, Messwerte und Indikatoren. Probanden erfasst als auch deren subjektive Einschätzung erfragt. Zentrale Performanzindikatoren stellen die Er- Bewertungsmaß Messwerte und Indikatoren folgs- und Fehlerrate, die Anzahl der Abweichungen vom Erfolgsrate 100 %=Aufgabe vollständig gelöst Idealpfad und die Dauer der Aufgabenbearbeitung dar. In 50 %=Aufgabe teilweise gelöst, Bezug auf die Fehlerrate wird die Ausführung einer ande- bzw. mit Hilfestellung gelöst 0 %=Aufgabe nicht gelöst ren als der ursprünglich beabsichtigten Aktion (Slip) als Fehleranzahl Anzahl Fehler Fehler gewertet. Auch die Verfolgung eines für die aktuel- le Aufgabe ungeeigneten Ziels (Mistake) wird als Fehler Dauer der Aufgabenbearbeitung In Minuten eingestuft (vgl. Norman 2013: 121 f.). Für die Aufgaben- Nutzung Support und Erfolgsrate (0–1) bei Nutzung des bearbeitung wird kein Zeitlimit festgelegt. Es liegt im Er- Dokumentation Supports
100 Marvin Hubert, Joachim Griesbaum und Christa Womser-Hacker, Usability von Browsererweiterungen Tabelle 4: (fortgesetzt). Analyse Bewertungsmaß Messwerte und Indikatoren Übersicht über die Stichprobe Effektivität, Effizienz, After-Scenario Questionnaire Zufriedenheit (ASQ) Tabelle 5: Übersicht über die Zusammensetzung der Stichprobe Verständlichkeit und Fragebogen zum Verständnis (n = 32). Erlernbarkeit der Funktionen der Werkzeuge (vor und nach Aufgabe 3 mit sich Attribut Ausprägung wiederholenden Fragen) Anzahl Probanden 32 Gesamt-Usability Einschätzung System Usability Scale Geschlecht 37,50 % weiblich, 62,50 % männlich durch Testpersonen (SUS-Score) Alter ≤35 Jahre: 68,75 %, >35Jahre: 31,25 % Bildungsstand 62,50 % Hochschulabschluss, Ergänzend wurden mit Hilfe der Methode des Lauten Den- 37,50 % Abschluss Gymnasium/ kens und der Beobachtung der Interaktion das Auftreten Realschule konkreter Usability-Probleme im Test erfasst. IT-Hintergrund/Kenntnisse 37,50 % Webentwicklung vorhanden EDV-/Computerkenntnisse MW = 3,47 (SD = 1,00) Pretests (1 = keine Kenntnisse, 5 = sehr gute Kenntnisse) Zur Prüfung und Optimierung des Untersuchungsdesigns Bedeutung des Schutzes MW = 4,22 (SD = 0,78) wurden Pretests mit fünf Probanden durchgeführt. Die ge- der Privatsphäre im Internet (1 = gar nicht wichtig, wonnenen Erkenntnisse führten zu einer Reduzierung des 5 = äußerst wichtig) Aufgabenumfangs und einer Überarbeitung der Formulie- Akzeptanz gegenüber Web- MW = 2,19 (SD = 0,92) rung der Aufgabenstellungen. Zudem wurde deutlich, tracking (1 = sehr niedrig, dass eine manuelle Steuerung der Testsitzungen, die Vor- 5 = sehr hoch) lage der Aufgabenbeschreibungen in Papierform sowie Begriff Webtracking bekannt 62,50 % die Präsentation eines Informationsvideos zu Webtracking Maßnahmen zum Schutz vor 34,38 % vor Beginn einer Testsitzung sinnvoll sind. Webtracking ergriffen Rekrutierung und Testdurchführung Tabelle 5 gibt eine Übersicht über die Zusammensetzung der Stichprobe. Die Mehrheit der Teilnehmenden ist männ- Die Teilnehmenden wurden im universitären Umfeld so- lich, unter 35 Jahre, besitzt ein hohes Bildungsniveau und wie im erweiterten Bekanntenkreis des Testleiters rekru- betrachtet sich als computer- und internetaffin. Alle Pro- tiert, wobei eine heterogene Zusammensetzung der Test- banden stufen den Schutz ihrer Privatsphäre als wichtig gruppe angestrebt wurde (vgl. Rauterberg et al. 1994: 141). oder sehr wichtig ein. Die Akzeptanz von Webtracking lässt Bei den Probanden musste es sich um Erstnutzende der sich als niedrig einstufen. Rund ein Drittel kannte schon ihnen für die Studie zugewiesenen Browsererweiterung andere Maßnahmen zum Schutz vor Webtracking. Darun- handeln. Alle Tests wurden zwischen dem 11. Oktober und ter wurden am häufigsten vorhandene Browserfunktionali- dem 22. November 2018 durchgeführt. An den Tests nah- täten aufgeführt (Antitracking-Einstellung, Inkognito-Mo- men 32 Personen teil. Die durchschnittliche Sitzungsdauer dus). Vier Probanden nannten Browsererweiterungen zum betrug etwa 62 Minuten.1 Schutz vor Tracking (Adblock Plus, uBlock Origin, Ghoste- ry), jeweils einmal erschien „VPN Client“, „Spamfilter“ und „vorsichtiger Umgang mit Daten im Internet“. Ergebnisse 1 Die drei verwendeten Fragebögen: zur Erhebung der demographi- schen Daten der Probanden, zum Verständnis der Toolfunktionen (angelehnt an Leon et al. 2012) und zur Wahrnehmung der Toolfunk- Die nachfolgende Darstellung gibt zunächst eine Über- tionen (nach Leon et al. 2012) sind als Zusatzmaterial online unter sicht über die Performanz der Werkzeuge bei den Testauf- https://doi.org/10.1515/iwp-2020-2075 einzusehen. gaben. Nachfolgend wird die Einschätzung der Probanden
Marvin Hubert, Joachim Griesbaum und Christa Womser-Hacker, Usability von Browsererweiterungen 101 Tabelle 6: Gesamtansicht über Effektivität und Effizienz der Ad-Blocking-Tools bei den Testaufgaben. Adblock Plus uBlock Origin Ghostery Privacy Badger Aufgabe 1: Installation und Erstkonfiguration Erfolgsrate (in Prozent) 93,75 % (17,68) 31,25 %* (37,20) 93,75 % (17,68) 81,25 % (25,88) Fehleranzahl (absolut) 0,13 (0,35) 0,25 (0,46) 0,25 (0,46) 0,63 (0,74) Bearbeitungsdauer 15,03 (6,01) 15,20 (3,6) 12,41(4,31) (in Minuten) 13,35 (6,57) Aufgabe 2: Konfiguration nach speziellen Vorgaben Erfolgsrate (in Prozent) 56,25 % (17,68) 50 % (26,73) 81,25 % (25,88) 43,75 % (17,68) Fehleranzahl (absolut) 2,13 (0,99) 1,75 (1,39) 0,88 (0,99) 2,5 (1,2) Bearbeitungsdauer 19,61** (8,13) 7,67 (5,36) 11,76 (6,38) (in Minuten) 10,51 (2,54) Aufgabe 3: Problemlösung durch Feineinstellung 3.2 GuteFrage 3.1 Facebook 3.3 HAZ 3.1Facebook 3.3 HAZ 3.1 Facebook 3.3 HAZ Erfolgsrate (in Prozent) 93,75 % (17,68) 68,75 % (37,20) 87,50 % (35,36) 87,50 % (23,15) 93,75 % (17,68) 100 % (0,00) 87,50 % (23,15) Fehleranzahl (absolut) 0,25 (0,46) 0,57 (0,79) 0,86 (0,69) 0,38 (0,52) 0,38 (0,52) 0,00(0,0) 0,38 (0,74) Bearbeitungsdauer (in Minuten) 3,26 (0,86) 6,71** (2,24) 3,49 (1,43) 4,56 (2,04) 3,05 (1,81) 2,82 (0,71) 4,11(1,58) Alle Aufgaben Erfolgsrate (in Prozent) 81,25 % (21,65) 59,38 %(24,21) 89,06 % (5,98) 78,13 % (24,21) Fehleranzahl (absolut) 0,84 (1,12) 0,86 (0,65) 0,47 (0,28) 0,88 (1,11) Bearbeitungsdauer 11,21 (7,42) 7,62 (5,41) 7,78 (5,01) (in Minuten) 9,04 (5,20) Werte in Klammern stellen die Standardabweichung zu den jeweiligen Mittelwerten dar. * zeigt eine Tendenz (p < .10) gemäß des Kruskal- Wallis-Tests (paarweiser Vergleich mit Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test mit Alphafehler Adjustierung gemäß der Bonferroni-Holm-Prozedur). **zeigt einen signifikanten Unterschied (p < .05) gemäß einer einfaktoriellen Varianzanalyse (ANOVA) (paarweiser Vergleich mittels t-Tests mit Alphafehler Adjustierung gemäß der Holm-Prozedur). dargelegt. Darauf aufbauend werden die wesentlichen auch statistisch eine Tendenz (p
102 Marvin Hubert, Joachim Griesbaum und Christa Womser-Hacker, Usability von Browsererweiterungen sen, um sich in dem komplexen Werkzeug zurechtzufin- Tabelle 7: Mittelwert und der SUS-Score je Tool. * zeigt einen den. signifikanten Unterschied (p < .01) gemäß einer einfaktoriellen Differenziert man die Ergebnisse nach verschiedenen Varianzanalyse (ANOVA) (paarweiser Vergleich mittels t-Tests mit Alphafehler Adjustierung gemäß der Holm-Prozedur). Nutzertypen, so zeigt sich über alle Gruppen hinweg kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Probanden Adblock uBlock Ghostery Privacy mit und ohne IT-Kenntnissen (p=0.66, Mann-Whitney-U- Plus Origin Badger Test). Mittelwert 55,00 19,29* 71,56 62,19 (Standardabweichung) (26,52) (8,00) (18,66) (20,46) Einschätzung gemäß des Usability Einschätzung durch die amerikanischen Bewer- tungsschemas: A (85-100), Nutzenden B+ (80-84), B (70-79), B- (65-69), C+ (60-64), Die Einstufung der Probanden wurde zunächst mittels C (41-59), C- (35-40), D (15-34), F (0-14), After-Scenario Questionnaire (ASQ) bei den einzelnen Test- (vgl. Sauro & Lewis 2016: aufgaben erfasst. Hier zeigt sich Folgendes: Die durch- Tab.8.7). C D B C+ schnittliche Zufriedenheit der Nutzenden bzgl. der Auf- gabenerledigung, des Zeitaufwands sowie den Support- informationen der Tools liegt insgesamt im mittleren Der Wertebereich der Skala reicht von 0–100. Die Ergeb- Bereich. Die Zufriedenheit mit den Supportinformationen nisse zeigen hier eine große Spannweite, und es kann von fällt dabei am geringsten aus. Bei den Aufgaben ver- einer sehr niedrigen bis mittleren Usability der Werkzeuge ursacht die zweite Aufgabe (Konfiguration nach speziellen ausgegangen werden. Legt man gemäß Tabelle 7 die ame- Vorgaben) bei dem System uBlock Origin die größte Unzu- rikanische Notenskala zugrunde, so erreicht einzig Ghos- friedenheit. tery eine gute Bewertung, Privacy Badger und Adblock Eine Gesamteinschätzung der Werkzeuge wurde in Plus bewegen sich in einem befriedigenden Bereich. der Nachbefragung mittels des System Usability Scale-Fra- uBlock Origin ist bestenfalls ausreichend. Zum Vergleich: gebogens (SUS) ermittelt. Der Fragebogen besteht aus Google erreicht in Tests einen Wert von über 90, Amazon zehn Punkten. Folgende Abbildung zeigt die deutsche mehr als 80 und Excel 56,5 (vgl. Sauro & Lewis 2016: Übersetzung der System Usability Scale. Tab. 8.7). Die Varianzanalyse zeigt, dass uBlock Origin sig- 1. Ich denke, dass ich das System gerne häufig benutzen nifikant schlechter bewertet wird als die drei anderen würde. Browsererweiterungen. Zwischen Adblock Plus, Ghostery 2. Ich fand das System unnötig komplex. und Privacy Badger gibt es keine statistisch signifikanten 3. Ich fand das System einfach zu benutzen. Unterschiede. 4. Ich glaube, ich würde die Hilfe einer technisch versier- Weiterhin zeigt sich, dass die Usability-Bewertungen ten Person benötigen, um das System benutzen zu kön- in einem mittleren Ausmaß mit der Erfolgsrate korrelieren nen. (r=0,50, p
Marvin Hubert, Joachim Griesbaum und Christa Womser-Hacker, Usability von Browsererweiterungen 103 Adblock Plus festellungen und Feedbackmechanismen. Den Probanden fiel es beispielsweise schwer, die zu entsperrenden Tra- Ein wesentliches Problem stellt bei diesem Tool die Inkon- cker zu identifizieren, so dass sie dazu neigten, das Tool sistenz der Sprache dar. Obwohl Adblock Plus Optionen vollständig zu deaktivieren. zur Sprachauswahl beinhaltet, sind die auf externen Sei- ten befindlichen Hilfe-Bereiche oft nur in englischer Spra- che verfügbar (ABP_P2: „Erst auf Deutsch, dann klickt Ghostery man Hilfe an, dann ist es auf Englisch.“). Zudem wird die Software dem mentalen Modell und Wissen der Proban- Auch bei Ghostery konnten Usability-Mängel identifiziert den oftmals nicht gerecht und setzt beispielsweise die werden. Wie bei Adblock Plus stellt die Inkonsistenz der Kenntnis der URL einer Filterliste voraus. (ABP_P3: „Hier Sprache ein Problem dar. Obwohl Ghostery die Option der ist doch „Filterliste hinzufügen“. Dafür müsste ich aber Sprachauswahl anbietet, ist beispielsweise der auf einer doch die URL der Filterliste haben.“, ABP_P4: „Woher soll Unterseite befindliche Hilfe-Bereich nur in englischer ich jetzt wissen, was man da für eine URL eingibt.“). Eine Sprache verfügbar. Eine auffällig hohe Anzahl an Abwei- Übersicht, aus welcher Nutzende eine Liste abonnieren chungen vom Idealpfad bei der Bearbeitung der dritten können, ohne die dazugehörige URL zu kennen, ist erst Aufgabe lässt sich zudem darauf zurückführen, dass der durch Aufruf des Hyperlinks „Erfahre mehr“ in den Filter- Großteil der Probanden die Browsererweiterung bei einer listen-Optionen zu erreichen (ABP_P4: „Dieses „Erfahre Funktionsstörung vollständig deaktiviert. Für sie stellt die mehr“. Wieso schreibt man da nicht „Hier Filterlisten hin- vollständige Deaktivierung oft die einfachste und zufügen“ oder so.“). Die Probanden wünschen sich zudem schnellste Möglichkeit der Behebung der Funktionsstö- Feedback oder weitere Erklärungshilfen, beispielsweise rung dar, ohne dass sie durch das Tool über damit verbun- bei der Erstellung einer Filterregel (ABP_P5: „Irgendwie dene Risiken informiert werden (Gs_P5: „Ich konnte jetzt hab ich das jetzt hier hinzugefügt, aber der sagt mir nicht, schnell und einfach den Tracker entblocken.“). Die Mög- ob das auch funktioniert.“). Im Hinblick auf die Behebung lichkeit der individuellen bzw. kategorienbasierten Ent- von Funktionsstörungen im Rahmen der dritten Aufgabe sperrung der Tracker gestaltet sich als Herausforderung kann eine tiefergehende Analyse als obsolet betrachtet (Gs_P2: „Das finde ich jetzt aber schwierig zu bestimmen, werden, da Adblock Plus keine individuelle Verwaltung warum das jetzt nicht funktioniert hat.“). einzelner Tracker ermöglicht. Privacy Badger uBlock Origin Bei diesem Werkzeug stechen insbesondere die hohe Feh- Den Probanden dieses Tools bereiteten vor allem die kom- leranzahl sowie eine schlechtere Auffindbarkeit der Doku- plexen und zum Teil schwer verständlichen Funktionen mentation hervor. So wird ein Link zu den FAQs auf der Probleme (uB_P2: „Das was ich hier sehe, da gibt es jede Installationsseite vom Großteil der Probanden übersehen. Menge Punkte, wo ich nicht wüsste, was das sein soll.“). Von der Einführungsseite, auf welche Nutzende direkt Zudem waren der Supportbereich und die Dokumentation nach Installation des Tools weitergeleitet werden, sind der sowie auch einige Funktionen (z. B. Hinzufügen einer Fil- Hilfebereich und auch die Installationsseite hingegen terliste, erweitertes Kontroll-Panel) für einige Probanden nicht erreichbar. Ein integriertes Hilfe-Symbol suggeriert nur schwer auffindbar oder entsprachen nicht ihrem men- zudem eine Weiterleitung zum Hilfebereich, führt jedoch talen Modell. Besondere Schwierigkeiten bereitete das zur Einführungsseite. Des Weiteren scheint Privacy Badger ausschließlich in englischer oder chinesischer Sprache nicht dem mentalen Modell und dem oftmals eher gerin- verfügbare Wiki. Die Probanden kritisierten auch die In- gen Verständnis der Probanden für Tracking-Mechanis- konsistenz der Sprache, da die Browsererweiterung an men gerecht zu werden. So versuchten beispielsweise na- sich in deutscher Sprache, das im Tool verlinkte Forum hezu alle Probanden entweder die vorgegebenen zu blo- auf reddit.com oder das Wiki auf github.com hingegen nur ckierenden Tracker-URLs im Browser aufzurufen und in Englisch verfügbar sind (uB_P3: „ok, anscheinend, anschließend über das Tool zu blockieren oder aber die wenn man sich weiter informieren will, ist alles auf Eng- Tracker-URLs den „Deaktivierten Websites“ (Whitelist) im lisch und dann auch noch so formuliert, dass es für Laien Tool hinzuzufügen. Fehlende Erklärungshilfen sowie nicht verständlich ist.“). Einige der Probanden (uB_P2, Fachjargon führten zudem zu Verständnisproblemen. Im uB_P3, uB_P5) äußerten den Wunsch nach nützlichen Hil- Hinblick auf die Behebung von Funktionsstörungen hat-
104 Marvin Hubert, Joachim Griesbaum und Christa Womser-Hacker, Usability von Browsererweiterungen ten die Probanden Schwierigkeiten, unter den verschiede- krutierung im Umfeld des Testleiters, die Belastbarkeit nen Tracking-Domains zu unterscheiden und den jeweils und Repräsentativität der Ergebnisse eher gering ist und zu entsperrenden Tracker zu identifizieren (PB_P2: „Die diese somit als explorativ einzuschätzen sind. Domains, die jetzt hier blockiert werden, sagen mir Die Untersuchungsergebnisse basieren weiterhin auf nichts.“, PB_P6: „26 Domains...wäre gut zu wissen, wel- der einmaligen Verwendung der Browsererweiterungen cher jetzt dafür verantwortlich ist.“). durch die Probanden. D. h. es wurden initiale Nutzungs- hürden identifiziert. Die Ergebnisse sagen wenig darüber aus, wie gut nutzbar die Systeme für diejenigen sind, die damit vertraut sind und diese routiniert und dauerhaft Beantwortung der verwenden. Dessen ungeachtet kann argumentiert wer- Forschungsfragen den, dass die erstmalige Nutzung eines Systems maßgeb- lichen Einfluss darauf hat, ob dieses auch künftig verwen- Forschungsfrage 1 zielt auf die Frage, wie die Usability von det wird. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang Browsererweiterungen zum Schutz vor Tracking grund- auch, dass vier der 32 Probanden vor Durchführung der sätzlich einzuschätzen. Hier lässt sich ein eher nüchternes Studie bereits Erfahrungen mit einem der drei ihnen nicht Bild konstatieren. Die Usability ist sehr divers und bewegt zugewiesenen Tools sammeln konnten. Wie bereits ange- sich eher in einem niedrigen bis mittleren Bereich. Gerade führt, wurden diese nicht ausgeschlossen, da die Wahr- ein Werkzeug weist eine gute Usability auf. Dennoch ist scheinlichkeit für Lerneffekte, die sich auf die Erledigung der Einsatz der Werkzeuge oft effektiv. Das beste Werk- der Testaufgaben auswirken, für gering erachtet wird. Bei zeug, Ghostery, erreicht hier Erfolgsraten von rund 90 Pro- der nachlaufenden Analyse der Daten zeigt sich, dass Nut- zent bei den Testaufgaben, das schlechteste, uBlock Origin, zende, die schon andere derartige Browsererweiterungen eine Quote von rund 60 Prozent. Insgesamt verdeutlichen verwendet haben, am wenigsten Zeit für die Bewältigung die Ergebnisse, dass die Werkzeuge immer noch eine Viel- der ersten beiden Aufgaben benötigten. Zugleich sind die- zahl an gravierenden Usability-Problemen aufweisen und se Probanden aber bzgl. der Erfolgsraten bzw. der Fehler- sich diese größtenteils mit denen von Leon et al. im Jahr anzahl und den Usabilityeinschätzungen unauffällig, also 2012 identifizierten Mängeln decken. Kernprobleme stellen hinsichtlich der Effektivität der Interaktion, nicht syste- auch heute noch die mangelnde Verständlichkeit und feh- matisch abweichend von den Ergebnissen anderer Teil- lende Nutzerführung dar. Zugleich können im Vergleich nehmenden. Deshalb wurde auf eine nachträgliche Elimi- zur Untersuchung von Leon et al. (2012) Verbesserungen nierung verzichtet. Will man ein Verzerrungsrisiko grund- identifiziert werden. Diese zeigen sich vor allem in Form legend ausschließen, ist (etwa bei zukünftigen auf dieser einer kategorienbasierten Darstellung von Trackern (Ghos- Untersuchung aufbauende Studien) dennoch der Aus- tery) oder einem standardmäßig aktivierten Schutz vor schluss von Probanden mit entsprechender Tool-Erfah- Tracking (uBlock Origin, Ghostery, Privacy Badger). rung in Erwägung zu ziehen. Forschungsfrage 2 zielt auf sichtbare Optimierungs- In inhaltlicher Hinsicht bietet die Studie einen Ein- möglichkeiten. Hier lassen sich die größten Verbesse- blick in die Usability einer Gruppe von Werkzeugen zum rungspotentiale in Hinblick auf die Verständlichkeit der Schutz vor Tracking, die vergleichsweise populär sind und Tools identifizieren. Insbesondere eine konsistente tatsächlich von einer breiten Nutzerschaft verwendet wer- Sprachauswahl, ein übersichtliches und verständliches den. Insofern stellen die Ergebnisse der Untersuchung zu- Interface ohne Fachjargon und mit eindeutigen Funk- mindest potentiell einen wertvollen Beitrag zur Frage dar, tionsbenennungen, eine kompakte Dokumentation sowie wie sich Privatheit im Internet schützen lässt. Feedbackmechanismen und Erklärungshilfen könnten die Zugleich ist der Geltungsbereich wiederum deutlich Usability der Browsererweiterungen positiv beeinflussen. beschränkt. Denn bei den ausgewählten Browsererweite- Diesbezüglich lässt sich der Vergleichssieger Ghostery als rungen handelt es sich ausschließlich um Werkzeuge für derzeitiges Best-Practice-Beispiel einschätzen. Desktop-Browser. Der Bereich des Tracking-Schutzes für mobile Endgeräte wird nicht berücksichtigt, obwohl die- sem eine zunehmend wichtigere Bedeutung zukommt. Einordnung und Ausblick Mobile Endgeräte weisen mit Apps eine weitere Quelle für mögliche Informationsverluste auf. In Bezug auf die Aussagekraft der Untersuchungsergeb- Der aktuelle Stand der Forschung zeigt, dass im Be- nisse muss berücksichtigt werden, dass aufgrund der ins- reich der Effektivität von Werkzeugen zum Schutz vor gesamt eher geringen Anzahl an Probanden und der Re- Webtracking in der Vergangenheit viel Forschung betrie-
Marvin Hubert, Joachim Griesbaum und Christa Womser-Hacker, Usability von Browsererweiterungen 105 ben wurde. Diese Bemühungen sollten aufrecht gehalten Leon, P.G., Ur, B., Shay, R., Wang, Y., Balebako, R. & Cranor, L. F. und vorangetrieben werden. Gleichzeitig wurde der Usa- (2012): Why Johnny can't opt out: a usability evaluation of tools bility der Tools vergleichsweise wenig Beachtung ge- to limit online behavioral advertising. In: Proceedings of the SIGCHI Conference on Human Factors in Computing Systems schenkt. Es lässt sich mutmaßen, dass sich das im aktu- (CHI '12). New York: ACM, S. 589–598. ellen Zustand der Werkzeuge widerspiegelt. Wenngleich Merzdovnik, G., Huber, M., Buhov, D., Nikiforakis, N., Neuner, S., die Gestaltung nutzerfreundlicher Tools mit vielen He- Schmiedecker, M., Weippl, E. (2017): Block Me If You Can: A rausforderungen einhergeht, sollte sich die Forschung Large-Scale Study of Tracker-Blocking Tools. 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106 Marvin Hubert, Joachim Griesbaum und Christa Womser-Hacker, Usability von Browsererweiterungen Marvin Hubert Prof. Dr. Christa Womser-Hacker web-netz GmbH Universität Hildesheim Bleckeder Landstraße 39 Institut für Informationswissenschaft und 21337 Lüneburg Sprachtechnologie marvin-hubert@web.de Universitätsplatz 1 31141 Hildesheim womser@uni-hildesheim.de Marvin Hubert absolvierte den Masterstudiengang Internationales Prof. Dr. Christa Womser-Hacker ist Professorin für Informationswis- Informationsmanagement / Informationswissenschaft der Univer- senschaft an der Universität Hildesheim. Wissenschaftliche Arbeits- sität Hildesheim. Derzeit arbeitet er als Online Marketing Manager schwerpunkte stellen die Themenfelder Multilingualität und Inter- mit Schwerpunkt Suchmaschinenoptimierung und Conversion Rate kulturalität in Informationssystemen, Evaluierung von Information- Optimierung bei der web-netz GmbH in Lüneburg. Retrieval-Systemen und Usability/User Experience – Mensch-Ma- schine-Interaktion dar. Prof. Dr. Joachim Griesbaum Universität Hildesheim Institut für Informationswissenschaft und Sprachtechnologie Universitätsplatz 1 31141 Hildesheim griesbau@uni-hildesheim.de Prof. Dr. Joachim Griesbaum ist Professor für Informationswissen- schaft an der Universität Hildesheim. Forschungsschwerpunkte stel- len die Bereiche E-Learning, Informationsverhalten und Online Mar- keting dar.
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