Verlag W. Kohlhammer 89. Jahrgang 2014
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Zeitschrift für Naturschutz und Landschaftspflege Holger Meinig, Axel Buschmann, Tobias Erik Reiners, Melanie Neukirchen, Sandra Balzer und Ruth Petermann Der Status des Feldhamsters (Cricetus cricetus) in Deutschland The status of the Common Hamster (Cricetus cricetus) in Germany Seiten 338-343 Die Situation des Feldhamsters in Deutschland wird anhand The article sets out the situation of the European or der Bestandsentwicklung sowie der Veränderung des Common Hamster (Cricetus cricetus) in terms of population Verbreitungsgebiets und der hierin vorhandenen development and status, habitat quality, range and Vorkommen dargestellt. Als Art, die landwirtschaftlich distribution in Germany. As a species dwelling in arable land genutzte Flächen besiedelt, wurde der Feldhamster lange it was persecuted for a long time. Nowadays, despite being Zeit als 'Schädling' verfolgt. Mittlerweile durch europäisches strictly protected by European and national law, an und nationales Recht streng geschützt, verzeichnet die Art enormous decline of populations has been found in weiterhin starke Rückgänge der Population und des Germany and across Europe. This is mainly due to Verbreitungsgebiets. Dies ist vor allem auf intensivierte intensified agricultural practices. The current National landwirtschaftliche Bewirtschaftungsweisen zurückzuführen. Report pursuant to Art. 17 of the Habitats Directive finds the Im aktuellen nationalen FFH-Bericht wird der status of various evaluation parameters as well as the Erhaltungszustand der Art in den biogeographischen overall conservation status to be 'insufficient-bad' for the Regionen Deutschlands als 'ungünstig-schlecht' bewertet, in European Hamster. To halt the decline, immediate der deutschen Roten Liste wird der Feldhamster als 'vom measures need to be taken. Aussterben bedroht' eingestuft. Um den weiteren Rückgang zu stoppen, müssen umgehend Maßnahmen ergriffen werden. Verlag W. Kohlhammer 89. Jahrgang 2014 Heft 8
Der Status des Feldhamsters (Cricetus cricetus) in Deutschland The status of the Common Hamster (Cricetus cricetus) in Germany Holger Meinig, Axel Buschmann, Tobias Erik Reiners, Melanie Neukirchen, Sandra Balzer und Ruth Petermann Zusammenfassung Die Situation des Feldhamsters in Deutschland wird anhand der Bestandsentwicklung sowie der Veränderung des Verbreitungs gebiets und der hierin vorhandenen Vorkommen dargestellt. Als Art, die landwirtschaftlich genutzte Flächen besiedelt, wurde der Feldhamster lange Zeit als „Schädling“ verfolgt. Mittlerweile durch europäisches und nationales Recht streng geschützt, verzeichnet die Art weiterhin starke Rückgänge der Population und des Verbreitungsgebiets. Dies ist vor allem auf intensivierte landwirtschaft liche Bewirtschaftungsweisen zurückzuführen. Im aktuellen nationalen FFH-Bericht wird der Erhaltungszustand der Art in den bio geographischen Regionen Deutschlands als „ungünstig– schlecht“ bewertet, in der deutschen Roten Liste wird der Feldhamster als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Um den weiteren Rückgang zu stoppen, müssen umgehend Maßnahmen ergriffen werden. 1 Verbreitung handen, nachfolgend vereinfachend als Mitteldeutschland, Rhein-Main-Gebiet, Kasten 1: Schwarze Feldhamster in Das Verbreitungsgebiet des Feldhams Franken sowie südwestliches Nord Thüringen ters erstreckt sich vom westlichen Sibi rhein-Westfalen bezeichnet (vgl. Abb. 1). Box 1: Black Common Hamsters in rien und Nordchina bis nach Westeuropa Das größte Verbreitungsareal in Mittel Thuringia (Niethammer 1982; Mitchell-Jones et al. deutschland erstreckt sich über große 1999). Die westlichsten Vorkommen der Teile Sachsen-Anhalts, Zentralthüringen Art liegen in Ostfrankreich, Ostbelgien, und das südöstliche Niedersachsen. Im Der Feldhamster gilt zu Recht als das bun teste einheimische Säugetier. In Thürin Limburg (südliche Niederlande) und Osten beginnt dieses zusammenhän gen treten aber auch nahezu vollkommen im westlichen Deutschland. Die weites gende Areal bei Leipzig, reicht über die schwarze Hamster auf, nur Schnauze, Vor te Verbreitung hatte die ursprüngliche Magdeburger Börde nach Westen bis in der- und Hinterpfoten sowie manchmal Steppenart während der Warmzeiten die Braunschweiger und Hildesheimer ein Brustfleck sind weiß. Schwarze Hams ter sind außer aus Thüringen auch aus der des Pleistozäns (Weinhold u. Kayser Börde sowie das Thüringer Becken (Kas Ukraine und dem Ural bekannt. Da die 2006). Nach der letzten Eiszeit wander ten 1). Ein isoliertes Restvorkommen ist Schwarzfärbung auf eine Mutation mit do te der Feldhamster entlang der großen im Südosten Sachsens in der Grenzre minantem Erbgang zurückgeht (Petzsch u. Flusstäler wieder nach Westeuropa ein gion zu Tschechien/Polen vorhanden. Petzsch 1956), konnten kleinräumig bereits Anteile von bis zu 80 % schwarzer Hamster (Schröder et al. 2013). Durch die Ro Im Rhein-Main-Gebiet erstreckt sich in Thüringen beobachtet werden (Zimmer- dung von Waldbeständen und die die Verbreitung von Mittelhessen bei mann 2008). nachfolgende ackerbauliche Nutzung Gießen über die Wetterau bis nach Karls schuf der Mensch dauerhaft von der Art ruhe. Große Vorkommen sind im Main besiedelbare Lebensräume (z. B. Spit- zer Becken, in der Wetterau und der zenberger 2001). Der Feldhamster ist Main-Kinzig-Region vorhanden. Einzel in Mitteleuropa Kulturfolger. Seine be ne isolierte Restvorkommen reichen vorzugten Habitate liegen in der Ebene vom nordöstlichen Baden-Württemberg unter 400 m ü. NN und weisen gut grab bis nach Bayern sowie vom westlichen fähige Löss- und Lehmböden mit einem Hessen bei Limburg bis in das nördliche Grundwasserflurabstand von mindes- Rheinland-Pfalz. tens 1,20 m auf (Grulich 1981). Sein Vor Innerhalb des Verbreitungsschwer kommen, zumindest im europäischen punkts Franken erstrecken sich die Vor Teilareal, ist daher nicht flächendeckend, kommen über Unter-, Mittel- und Ober sondern inselartig. Der Feldhamster franken etwa auf den Bereich zwischen bevorzugt warme und nicht zu nieder Würzburg und Schweinfurt. schlagsreiche Regionen (Reiners et al. Die Vorkommen im südlichen Nord © 2014 W. Kohlhammer, Stuttgart 2011). Daher tritt die Art insbesondere rhein-Westfalen markieren nur noch in der kontinentalen biogeographischen Reste eines ehemals größeren Verbrei Region (BGR) Deutschlands auf. Nur im tungsgebiets. Einzelne isolierte Vorkom südwestlichen Nordrhein-Westfalen und men finden sich noch bei Neuss/Rom In Thüringen erreichen schwarze, melanistische im südöstlichen Niedersachsen kommt merskirchen sowie bei Zülpich. Ganz im Hamster einen hohen Populationsanteil (Foto: Matthias Wilberg) die Art auch in der atlantischen BGR vor. Westen schließen sich die dortigen Vor In Thuringia black, melanistic Common Hamsters make In Deutschland sind aktuell vier kommen an das niederländische Verbrei up a large proportion of the population große Verbreitungsschwerpunkte vor tungsgebiet an. Aktuell liegen seit 2012 338 — 89. Jahrgang (2014) — Heft 8
Status des Feldhamsters (Cricetus cricetus) in Deutschland Kasten 2: Der Feldhamster Nordrhein- Westfalens Box 2: The hamsters of North-Rhine/ Westphalia Die Feldhamster in Nordrhein-Westfalen werden nach morphologischen und gene tischen Untersuchungen als eigene phylo geographische Linie angesehen (Schröder et al. 2014). Die lange Zeit vermutete Son derstellung der Tiere in diesem Gebiet (z. B. Boye et al. 1998; Meinig 2004) wurde damit bestätigt. Derzeit existiert nur noch eine kleine frei lebende Population dieser Form in NRW. Eine hamsterverträgliche Landwirt schaft (siehe BfN 2013) im Vorkommensge biet dieser kurz vor dem Aussterben ste henden Population ist von hoher Priorität. In den Niederlanden, wo die gleiche Form vorkam, ist diese 2002 im Freiland ausge storben, wird derzeit aber aufwändig wie der angesiedelt (La Haye et al. 2010). gleichsweise weniger Vorkommen zu Rückgängen des Verbreitungsgebiets. Die Veränderungen des Verbreitungs gebiets spiegeln sich auch in den ent sprechenden Zahlenangaben und Be wertungen der nationalen FFH-Berichte der Jahre 2007 (BfN u. BMU 2007) und 2013 (BfN u. BMUB 2013) wider (Tab., S. 340). Für die atlantische BGR zeigt sich ein überaus deutlicher Rückgang im Verbreitungsgebiet von ca. 38 %. Die daraus resultierende schlechte Flächenbi lanz von „Aktuellem Verbreitungsgebiet“ (AV) zum aus Expertensicht „Günstigen Verbreitungsgebiet“ (GV) für die lang fristige Sicherung der Bestände führte in der Erhaltungszustandsbewertung des FFH-Berichts 2013 zur Bewertung des Verbreitungsgebiets als „ungüns Abb. 1: Vorkommen und Verbreitung des Feldhamsters in Deutschland im Vergleich der tig – schlecht“ (U2). Aus der Aggregation nationalen FFH-Berichte (NB) 2007 und 2013 (Quellen: Bundesamt für Naturschutz 2014, der Länderangaben ergab sich bereits nach Angaben der Bundesländer; Geobasisdaten © GeoBasis-DE/BKG) im Bericht 2007 ein „abnehmend“ für Fig. 1: Comparison of the occurrence and distribution of the Common Hamster in Germany den Kurzzeit-Trend, was als Gesamtein according to the 2007 and 2013 national reports on implementation of the Habitats stufung zum Verbreitungsgebiet zu U1 Directive (Sources: Federal Agency for Nature Conservation 2014, information from the federal states, („ungünstig – unzureichend“) führte. Geobasisdaten ©GeoBasis-DE/BKG) Mit Blick auf die Flächenbilanzen ist anzumerken, dass bereits in der Zeit vor nur noch für eines dieser Verbreitungs liegende Teile des Verbreitungsgebiets Einführung der FFH-Berichte das Ver gebiete Nachweise vor (Kasten 2). verloren gegangen (z. B. in Brandenburg, breitungsgebiet des Feldhamsters stark In Brandenburg sowie in Mecklen im nördlichen Sachsen-Anhalt und in geschrumpft war (vgl. Feldhamsterbe burg-Vorpommern gilt der Feldhamster Sachsen). Größere Verluste lassen sich im richt Deutschlands im Rahmen der Ber inzwischen als verschollen und ist wahr mitteldeutschen Teil des Verbreitungsge ner Konvention, Weinhold 2008a) und scheinlich bereits ausgestorben (Meinig biets (zum einen im Dreieck Südostnie die Festsetzung des „Günstigen Verbrei et al. 2013). dersachsen, Nordthüringen und west tungsgebiets“ im Rahmen der Erstellung Neben dem räumlichen Muster der liches Sachsen-Anhalt, zum anderen im des Nationalen Berichts 2007 für die at Verbreitung zeigt die kombinierte Vor östlichen Sachsen-Anhalt), am Ostrand lantische BGR mit 100 % und die konti kommens- und Verbreitungskarte in des Rhein-Main-Gebiets sowie im süd nentale BGR mit 107 % daher kritisch zu © 2014 W. Kohlhammer, Stuttgart Abb. 1 die Verluste auf, welche sich für lichen Nordrhein-Westfalen feststellen. betrachten ist. das deutsche Verbreitungsgebiet des Die Verluste, insbesondere im südlichen In der kontinentalen BGR liegt, bezo Feldhamsters im Vergleich der Natio Nordrhein-Westfalen, werden in Abb. 1 gen auf die absoluten Zahlen, ein noch nalen FFH-Berichte 2007 (Daten aus dem außerordentlich deutlich und gehen deutlicherer Verlust am Verbreitungsge Zeitschnitt 1990 –2006) und 2013 (Daten dort mit zahlreichen realen Einbußen an biet des Feldhamsters vor als in der at aus dem Zeitschnitt 2006 – 2012) ergeben Vorkommen einher. In Mitteldeutsch lantischen BGR (zu berücksichtigen sind haben. So sind zahlreiche kleine, iso land führt auf Grund der Abgrenzungs die o. g. methodischen Hinweise). Trotz liert von den Hauptverbreitungsarealen methodik z. T. bereits der Wegfall ver einzelner neuer Nachweise (vgl. Abb. 1) — 89. Jahrgang (2014) — Heft 8 339
Status des Feldhamsters (Cricetus cricetus) in Deutschland Bewertungen zum Verbreitungsgebiet des Feldhamsters im Vergleich der nationalen FFH-Berichte 2007 und 2013 für die atlantische (oben) und die kontinentale (unten) BGR Comparison of evaluations of the range of the Common Hamster according to the 2007 and 2013 national reports for the Atlantic (top) and Cont- inental (below) biogeographic regions Atlantische BGR FFH-Bericht Aktuelles Verbreitungsgebiet (AV) [km2] Günstiges Verbreitungsgebiet (GV) [km2] Flächenbilanz AV/GV Kurzzeit-Trend (12 Jahre) Gesamtergebnis 2007 9 262 9 262 100,0 % abnehmend U1 2013 5 780 9 262 62,4 % unbekannt U2 Kontinentale BGR 2007 37 437 40 064 93,4 % stark abnehmend U2 2013 28 357 40 064 70,8 % abnehmend U2 waren in der kontinentalen BGR die der 1970er-Jahre haben sich folgende Kurzzeit-Trends für die zurückliegen Kasten 3: Gesetzlicher Schutz und lo Faktoren herausgestellt: verfrühte Ern den zwei Berichtsperioden „stark abneh kale Population tezeitpunkte, die Anlage großflächiger mend“ bzw. „abnehmend“ und führten Box 3: Statutory protection and lo- Monokulturen (etwa durch fehlende in Kombination mit den Flächenbilanzen cal population Deckung und damit nach der Ernte jeweils zur Gesamteinstufung U2 für das „Auslieferung“ an die Prädatoren), ein Verbreitungsgebiet. verändertes Spektrum der angebauten Als Art des Anhangs IV der FFH-Richtlinie ist Feldfrüchte, eine immer verlustfreier der Feldhamster in Deutschland eine streng geschützte Art. Er ist auch in Anhang II der arbeitende Erntetechnik mit nachfol 2 Geschichtliche Entwicklung Berner Konvention gelistet, woraus sich ähn gendem schnellem Umbruch (z. B. keine liche Verpflichtungen wie aus der FFH-Richt ausreichende Zeit und nicht genügend Lange Zeit wurde der Feldhamster als linie ergeben: Die Art darf weder gestört noch Nahrung zum Eintrag von Wintervorrat) gefangen, getötet oder gehandelt werden. Schädling angesehen und vom Men Obwohl für den Feldhamster keine beson und der Anlage auch chemisch herbeige schen bekämpft, weil den Bauern durch deren Schutzgebiete ausgewiesen werden führter Schwarzbrachen sowie der ver das Eintragen seiner Wintervorräte, das müssen, resultiert aus § 44 Abs. 4 des Bun mehrte Einsatz von Düngemitteln und sprichwörtliche Hamstern, ein Teil der desnaturschutzgesetzes, dass durch land-, Pestiziden, Bewässerungen und Flurbe forst- oder fischereiwirtschaftliche Aktivitä Ernte verloren ging. Da die Art ein ho reinigungen (z. B. Backbier et al. 1998; ten die lokalen Populationen der Art nicht hes Reproduktionspotenzial aufweist (in beeinträchtigt werden dürfen. Der Begriff Kayser u. Stubbe 2003; Out et al. 2011; Mitteleuropa bringt ein Weibchen meist der „lokalen Population“ muss artspezifisch Meinig et al. 2013). Nicht zuletzt dürfte zwei Würfe pro Jahr mit durchschnitt basierend auf den ökologischen Bedürfnissen auch der Einsatz primär gegen die Feld lich 3 –10 Jungen zur Welt) und z. B. in einer Art und ihrem spezifischen Raum-Zeit- maus (Microtus arvalis) eingesetzter Gifte System definiert werden. Für den Feldhamster der Slowakei während einer Massenver wird die lokale Population über die Vorkom eine direkte oder indirekte (erhöhter Prä mehrung noch in den Jahren 1971/1972 menssituation im jeweiligen Landschaftsraum dationsdruck auf den Feldhamster nach Dichten zwischen 200 und 300 Tieren definiert (Meinig et al. 2013). Zwar nutzen Ausfall der Feldmaus als Nahrung für pro Hektar erreichte (Weinhold u. Kay- Feldhamster ihren Lebensraum meist nur Beutegreifer) Rolle spielen (Kasten 3). kleinräumig (mittlerer Aktionsraum: Männ ser 2006), konnten die wirtschaftlichen chen 1–2 ha, Weibchen 0,1–0,4 ha, Weinhold Der extreme Rückgang des Feld Schäden durch Fraß während der Vege u. Kayser 2006), jedoch müssen für die lang hamsters ist in allen Bundesländern (mit tationsperiode und die Einlagerung der fristige Sicherung von Feldhamsterbeständen Ausnahme Bayerns), in denen die Art Wintervorräte erheblich werden. Der Art bei Weitem größere Räume zur Verfügung ehemals vorkam oder aktuell noch vor stehen. Die jeweils angebauten Feldfrüchte wurde mit Gift, Fallen und durch Aus sind unterschiedlich gut vom Hamster ver kommt, gut dokumentiert (Weidling u. graben nachgestellt (z. B. Adler u. Zim- wertbar, die Tiere müssen also entsprechend Stubbe 1997 [MV]; Pott-Dörfer u. He- mermann 2013). In der DDR wurden die des kleinräumigen Nahrungsangebots die ckenroth 1994 [NI]; Teubner et al. 1996 Felle des Feldhamsters noch bis in die Möglichkeit haben, zwischen Teilflächen [BB]; Hutterer u. Geiger-Roswora 1997 in einem Vorkommensgebiet zu wechseln. 1980er-Jahre wirtschaftlich verwertet, in- [NW]; Godmann 1998 [HE]; Kayser u. Basierend auf Fang-Wiederfang- und Tele dem sie zumeist zu Mantelfutter verarbei metriestudien, in denen individuell maximal Stubbe 2003 [ST]; Lux u. Görner 2009 tet wurden. Bekämpfungsaktionen fan- zurückgelegte Entfernungen von bis zu 1 km [TH]; Thiele 1998 [RP]; Meyer 2009 den in der DDR bis 1989 und in den (durchschnittlich 366 m) festgestellt wurden [SN]; Weinhold u. Kayser 2006 [BW]). westdeutschen Bundesländern bis 1982 (Weinhold 2008 b; Weidling 1996; Weidling u. Dies führte in der Roten Liste der gefähr Stubbe 1997; Kayser 2002), wird die lokale Po statt (Weinhold u. Kayser 2006). pulation mit einem Radius von 500 m um den deten Tiere Deutschlands im Jahr 1998 Bau bzw. die Baue abgegrenzt („dynamische (Boye et al. 1998) zu einer Einstufung Abgrenzung der lokalen Population“). Dies des Feldhamsters in die Kategorie „stark 3 Vorkommens- und bedeutet, dass bei einer maximalen Entfer gefährdet“ und in der aktuell gültigen nung von 1 000 m Ansiedlungen des Feld Habitatsituation hamsters noch zu einer lokalen Population deutschen Roten Liste (Meinig et al. zählen, soweit keine Barrieren wie Straßen 2009) zur Einstufung „vom Aussterben Die landwirtschaftliche Tätigkeit des mit drei und mehr Spuren, Siedlungsräume, bedroht“. Sowohl im langfristigen (die Menschen brachte in der Vergangenheit geschlossene Wälder, Schienenwege, Flüsse, letzten 150 Jahre) als auch im kurzfristi Kanäle mit verspundeten Ufern und Was eine Ausdehnung der vom Feldhamster gen Bestandstrend (die letzten 10–15 Jah- © 2014 W. Kohlhammer, Stuttgart serstraßen ihre Ausdehnung beschränken. besiedelbaren Lebensräume mit sich. re) zeigt die Art einen sehr starken Rück Inzwischen sind es die nicht mehr an gang, der sich bis heute unvermindert die sich während zehntausenden von fortsetzt. Jahren herausgebildeten, naturverträg geführt haben. Diese sind auch weiterhin Ferner liefert der nationale FFH-Be lichen Ernteintervalle angepassten, in für den Rückgang der noch verbliebenen richt 2013 (BfN u. BMUB 2013) eindeu dustriellen landwirtschaftlichen Produk Restbestände verantwortlich. Als beson tige Nachweise für den zudem überaus tionsmethoden, die zu einem drasti ders bedeutsam beim Zusammenbruch schlechten Zustand der verbliebenen schen Bestandszusammenbruch der Art der Hamsterpopulationen seit Beginn Populationen. In der atlantischen BGR 340 — 89. Jahrgang (2014) — Heft 8
Status des Feldhamsters (Cricetus cricetus) in Deutschland führen der Kurzzeit-Trend „stark ab nehmend“ und zusätzlich das erstmals verfügbare Ergebnis des bundeswei ten FFH-Monitorings (der Zustand von über 80 % der untersuchten Vorkommen wird als schlecht bewertet) zur eindeuti gen Einstufung des Populationszustands in die schlechteste Kategorie „ungüns tig – schlecht“ (U2). Der Bericht 2007 (BfN u. BMU 2007) hatte auf Grund des bereits damals als „stark abnehmend“ eingestuften Kurzzeit-Trends ebenfalls das Ergebnis U2 geliefert. Das gleiche Ge samtresultat zeigen beide Berichte auch für die kontinentale BGR mit ebenfalls „stark abnehmenden“ Kurzzeit-Trends und dem 2013 zudem erfassten sehr ho hen Anteil an Vorkommen in schlechtem Zustand. Das FFH-Monitoring bringt somit, ergänzend zu den Einschätzun gen zur Vorkommensanzahl, den quali tativen Aspekt des Populationszustands ein, der den Handlungsbedarf zum Schutz des Feldhamsters noch klarer Abb. 2: Aktuelles Vorkommen des Feldhamsters in Mittel- und Osteuropa; oben links das verdeutlicht. natürliche Verbreitungsgebiet des Feldhamsters in Europa (Quelle für Deutschland Obwohl der Rückgang des Feld 2000–2012: BfN 2014; Quelle für übrige Staaten 2008–2012: Reiners, T. E. et al. nach persön- licher Mitteilung, Angaben von NGOs, Auswertung offizieller Angaben und wissenschaftli- hamsters in Deutschland gut doku cher Publikationen) mentiert ist und die Gründe für den Fig. 2: Current distribution of the Common Hamster in Central and Eastern Europe; in the left Rückgang dieses Kulturfolgers hinrei corner the natural range of the Common Hamster in Europe (Source for Germany 2000–2012: chend bekannt sind, ist es bisher nicht BfN 2014; source for other countries 2008–2012: Reiners, T. E. et al. according to pers. communications, gelungen, der anhaltenden negativen communications from NGOs, evaluation of official information and scientific publications) Bestandsentwicklung der Art entge genzuwirken. Dies zeigt auch der aktu sowie den im Bericht 2013 zudem doku resultierte in beiden Berichten ebenso elle Statusbericht zum Feldhamster in mentierten sehr hohen Anteilen von Ha für beide BGR die Einstufung „ungüns Deutschland (BfN 2014) auf. bitaten in schlechtem Zustand aus dem tig – schlecht“. Diese Ergebnisse, die Ein Die Entwicklung der Feldhamsterbe FFH-Monitoring (atlantische BGR: 76 %, stufung der Art als „vom Aussterben stände ist über Deutschland hinaus auch kontinentale BGR: 100 %) begründet. Im bedroht“ in der Roten Liste, der Status in den angrenzenden Staaten stark rück Rahmen des FFH-Monitorings wurden bericht zum Feldhamster von 2014 sowie läufig. In den Niederlanden und Belgien im Berichtszeitraum 2007– 2012 deutsch zahlreiche weitere Einzeluntersuchungen (Kuiters et al. 2010) sowie in Frankreich landweit die Habitate von 77 Vorkom verdeutlichen die äußerst kritische Situ (Losinger u. Poter 2008; Reiners et al. men bewertet. Die schlechte Bewertung ation des Feldhamsters in Deutschland 2013) sind die autochthonen Bestände der Habitate resultierte dabei größten und die Notwendigkeit, umfangreiche bereits stark dezimiert oder erloschen teils aus dem sehr geringen Anteil (< 5 %) Maßnahmen zu seinem Schutz und zur und können nur durch Erhaltungszuch von Rückzugshabitaten wie Ackerrand Erhaltung seiner Lebensräume durchzu ten und umfangreiche Wiederansied streifen, jungen Brachen und mehrjäh führen und diese zu koordinieren. Die lung aufrechterhalten werden. In den rigen Feldfutterschlägen auf den Mo Ansatzpunkte für einen wirksamen Feld östlichen europäischen Staaten ist durch nitoringflächen und dem Umbruch der hamsterschutz liegen in der Erhaltung aktuelle Studien belegt, dass der Feld Stoppeläcker überwiegend direkt nach bzw. in der Wiederherstellung geeigne hamster auch in Tschechien (Tkadlec der Ernte. Als stärkste Beeinträchtigung ter Habitate sowie deren Vernetzung. et al. 2012), Polen (Ziomek u. Banaszek wurde im Rahmen des FFH-Monitorings Entsprechende Erhaltungsmaßnahmen, 2007) und der Ukraine (Rusin et al. 2013) die Zerschneidung der Habitate durch insbesondere mit Blick auf die landwirt immense Bestandseinbrüche erfahren Straßen genannt. schaftliche Nutzung, sind in Meinig et al. hat, die sich in den vielfach nur noch (2013) und Köhler et al. 2014 (in diesem zersplitterten Restvorkommen in Abb. 2 Heft, S. 344 ff.) beschrieben. Darüber hin zeigen. Diese Auswertung zeigt, dass 4 Erhaltungsmaßnahmen und aus wurden im Rahmen eines nationalen Deutschland eine besondere Verantwor Schutz des Feldhamsters Expertentreffens entsprechende Empfeh tung für die Erhaltung des Feldhamsters lungen und Forderungen zur konsequen trägt, da, wie meist nicht angenommen, Entsprechend der Bewertungen zu Ver ten Umsetzung des Feldhamsterschutzes der Feldhamster auch im Osten gefähr breitungsgebiet, Population und Habi erarbeitet (vgl. Empfehlungen und Forde det ist. tat und nicht zuletzt auf Grund der zu rungen des nationalen Expertentreffens © 2014 W. Kohlhammer, Stuttgart In den nationalen Berichten gemäß diesen Parametern angegebenen, stark zum Schutz des Feldhamsters in Deutsch FFH-Richtlinie wurde 2007 und 2013 für negativen Trends wurden die Zukunfts land vom 4. bis 7. 11. 2012 auf der Insel Deutschland auch die Habitatsituation aussichten des Feldhamsters in beiden Vilm (BfN 2013). Diese Empfehlungen jeweils mit „ungünstig – schlecht“ bewer BGR in den FFH-Berichten 2007 und 2013 sind – gemeinsam mit den Hinweisen in tet. Dies gilt für die atlantische wie auch als „ungünstig – schlecht“ eingestuft. Für den Beiträgen dieses Schwerpunkthefts – die kontinentale BGR und liegt jeweils den Gesamterhaltungszustand, der sich den Vorgaben eines nationalen Arten- in den durchgehend als „stark abneh aus den Bewertungen der vier vorste Aktionsplans bzw. Artenhilfsprogramms mend“ eingeschätzten Kurzzeit- Trends hend genannten Einzelparameter ergibt, gleichzusetzen. — 89. Jahrgang (2014) — Heft 8 341
Status des Feldhamsters (Cricetus cricetus) in Deutschland 5 Summary u. Ber. Westf. Mus. Naturkunde, Münster, 59 (3): (Cricetus cricetus) in the Netherlands. Säugetier 71–82. kdl. Inf. 8 (42): 37–49. The article sets out the situation of the Kayser, A. (2002): Populationsökologische Stu Petzsch, H. u. Petzsch, H. (1956): Zum Problem European or Common Hamster (Cricetus dien zum Feldhamster Cricetus cricetus (L. 1758) des Vererbungsmodus für Melanismus bei dem cricetus) in terms of population develop in Sachsen-Anhalt. Dissertation, Martin-Luther- gemeinen Hamster (Cricetus cricetus L.) im Hin Univ. Halle-Wittenberg. 101 S. blick auf die Evolution. Zool. Garten 22 (1/3): ment and status, habitat quality, range 119–154. and distribution in Germany. As a spe Kayser, A. u. Stubbe, M. (2003): Untersuchungen cies dwelling in arable land it was perse zum Einfluss unterschiedlicher Bewirtschaftung Pott-Dörfer, B. u. Heckenroth, H. 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Art. 17 of the Habitats Directive finds the tur und Landschaft 89 (8): 344–349. Reiners, T. E.; Eidenschenk, J.; Neumann, K. u. status of various evaluation parameters Kuiters, A. T.; La Haye, M. J. J., Müskens, Nowak, C. (2013): Preservation of genetic diver as well as the overall conservation status G. J. D. M. u. Van Kats, R. J. M. (2010): Perspec sity in a wild and captive population of a rapidly to be ‘insufficient – bad’ for the European tieven voor een duurzame bescherming van de declining mammal, the Common hamster of the hamster in Nederland. Alterra-rapport 2022. Wa French Alsace region. Mammalian Biology. DOI: Hamster. To halt the decline, immediate geningen. 80 S. j.mambio.2013.10.004. measures need to be taken. La Haye, M. J. J.; Muskens, G. J. D. M.; Van Kats, Rusin, M. Y., Banaszek, A. u. Mishta, A. V. R. J. M.; Kuiters, A. T. u. Siepel, H. 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