Vernetzte Sicherheit und Rekolonialisierung - Christoph Marischka
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Christoph Marischka Nr. 15, Juni 2018 Vernetzte Sicherheit und Rekolonialisierung Die EU-Missionen und die Militarisierung Nordafrikas und des Sahels Informationen zu Politik und Gesellschaft Nachrichten, Berichte und Analysen aus dem Europäischen Parlament. Herausgegeben von Sabine Lösing, MEP. Vereinte Europäische Linke • Nordische Grüne Linke FRAKTION IM EUROPÄISCHEN PARLAMENT www.guengl.eu
Sabine Lösing, MEP Europäisches Parlament Sabine Lösing, MEP Rue Wiertz WIB 03M023 1047 Brussels Belgien Telefon: +32 2284 7894 Fax: +32 2284 9894 Email: sabine.loesing@europarl.europa.eu Mitarbeiterinnen: Ota Jaksch, Anne Labinski Lokalbüros: Europabüro Sabine Lösing Goseriede 8 30159 Hannover Telefon: +49 511 4500 8852 Email: hannover@sabine-loesing.de Mitarbeiter: Daniel Josten, Michael Kuhlendahl Europabüro Sabine Lösing Lange Geismarstraße 2 37073 Göttingen Telefon: +49 551 5076 6823 Email: europabuero-loesing@web.de Mitarbeiter: Fritz Hellmer www.sabine-loesing.de Titel: MINUSMA Peacekeeper Patrols Airstrip in Kidal, Northern Mali (UN Photo/Marco Dormino)
Vereinte Europäische Linke • Nordische Grüne Linke FRAKTION IM EUROPÄISCHEN PARLAMENT www.guengl.eu Vernetzte Sicherheit und Rekolonialisierung Die EU-Missionen und die Militarisierung Nordafrikas und des Sahels Herausgeber der Broschüre sind Sabine Lösing, MEP und die Fraktion GUE/NGL im Europäischen Parlament. Redaktionelle Bearbeitung erfolgte durch: Informationsstelle Militarisierung e.V., Hechinger Straße 203, 72072 Tübingen, www.imi-online.de Erscheinungsdatum: Juni 2018 (Layout: Daniel Josten) 1. Auflage: 1.000
Inhalt Vorwort ................................................................................................................................................................................................ 5 1. Einleitung: Ein Füllhorn der Instrumente .................................................................................................................................... 6 2. Eine kurze Geschichte der Militarisierung des Sahels............................................................................................................... 7 3. Die EU in Nordafrika....................................................................................................................................................................... 8 3.1. Stunde Null in Libyen..............................................................................................................................................................................8 3.2. Tunesien: Neoliberale Zurichtung und Krieg gegen den Terror..............................................................................................................10 3.3. Algerien und Marokko: konkurrierende Aufrüstung in eigener Regie....................................................................................................12 3.4. Regionale Vernetzung und Einflusssphären..........................................................................................................................................13 4. Die EU und die G5-Sahel..............................................................................................................................................................16 4.1. Diagnose: Schwache Staatlichkeit........................................................................................................................................................16 4.2. Die Sahel-Strategie des neu gegründeten EAD.....................................................................................................................................16 4.3. Unified Protector und Serval: Interventionen als Türöffner...................................................................................................................17 4.4. Krieg in Mali und darüber hinaus..........................................................................................................................................................19 4.5. Die G5-Sahel als Einsatzraum und Strategie der Rekolonialisierung.....................................................................................................20 5. EU-Missionen in der Region.........................................................................................................................................................23 5.1. Von EUFOR zu EUCAP und EUTM..........................................................................................................................................................23 5.2. Das Netzwerk der EU-Missionen...........................................................................................................................................................24 5.2.1. EUNAVFOR MED................................................................................................................................................................................24 5.2.2. EUBAM Libya.....................................................................................................................................................................................25 5.2.3. EUCAP Sahel Niger............................................................................................................................................................................26 5.2.4. EUCAP Sahel Mali und EUSTAMS......................................................................................................................................................27 5.2.5. EUTM Mali.........................................................................................................................................................................................28 6. Rekolonialisierung im Teufelskreis der Aufrüstung..................................................................................................................30 4
Vorwort Ohne den Libyenkrieg von 2011 und die rorismus in der Sahelzone und in Westafrika französische Intervention 2013 in Mali wäre ein Drama. Fatal ist es jedoch wenn diese die EU heute nicht dasselbe politische Gebil- Entwicklung lediglich als Legitimierung de, das sie ist. Mittlerweile verfügt die EU in eines militarisierten Politikansatzes dient, Nord- und Westafrika über ein Netzwerk von ohne dem komplexen Bedingungsgefüge des Militärbasen und diplomatischen Missionen, Terrorismus Rechnung zu tragen. über die sie tief in die Politikgestaltung der betreffenden Staaten eingreift. Dies Die vorliegende Studie unternimmt den bildet sich auch im Institutionengefüge des Versuch einer kritischen Reflexion des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) Politikfeldes „state building“ der EU. Sie ab, der kurz vor dem Libyenkrieg seine orientiert sich an den fünf „zivilen“ und Arbeit aufnahm und mit der im März 2011 militärischen Missionen vor der Küste und veröffentlichten Sahel-Strategie erstmals in Libyen, in Mali und in Niger. Es zeigt sich, mit einem regionalen Gesamtansatz in dass die Eskalation der Konfliktlagen und Erscheinung trat. Regelmäßig bereisen auch die regionale Ausweitung EUropäischer seitdem Vertreter*innen des EAD die Region Polizei- und Militärmissionen nicht einfach zwischen Tunis, Bamako und Niamey. Fast Folgen einer schlechten Umsetzung der täglich besprechen Diplomat*innen und Missionen sind, sondern sowohl in der Eu- Bürokrat*innen der EU Gesetzesvorhaben ropäischen Sicherheitsstrategie von 2003, der dortigen Regierungen, Operationspläne in der Sahel-Strategie von 2011 und der und die Programmierung von Finanzmitteln EU-Globalstrategie von 2016 angelegt sind. mit Bezug auf Nordafrika und den Sahel. Die Dynamik westlicher interessengeleiteter Interventionen, die auf den Sicherheitssek- Evaluierungen des Engagements in die- tor fokussiert sind, und die Eskalation nega- sen Regionen haben zumeist das Maß der tiver Entwicklungen wird auf den folgenden Umsetzung des „vernetzten Ansatzes“ im Seiten umfangreich dargestellt. Fokus. Damit sind die Abstimmung und Die vorliegende Studie unternimmt den das Ineinandergreifen der außenpolitischen Versuch einer kritischen Reflexion des Instrumente sowohl der Union als auch Politikfeldes „state building“ der EU. Sie ihrer Mitgliedstaaten gemeint. Das gilt von orientiert sich an den fünf „zivilen“ und Maßnahmen der humanitären Hilfe, der militärischen Missionen vor der Küste und Entwicklungszusammenarbeit bis hin zu in Libyen, in Mali und in Niger. Es zeigt sich, Polizei- und Militärmissionen. Obwohl als dass die Eskalation der Konfliktlagen und Ziele all dieser Interventionen die vielfältige auch die regionale Ausweitung EUropäischer Stabilisierung und die Verbesserung der Polizei- und Militärmissionen nicht einfach wirtschaftlichen Entwicklung der entspre- Folgen einer schlechten Umsetzung der chenden Länder definiert sind, werden Missionen sind, sondern sowohl in der Eu- mögliche negative Auswirkungen auf diese ropäischen Sicherheitsstrategie von 2003, Entwicklungen nicht in Erwägung gezogen, in der Sahel-Strategie von 2011 und der oder tatsächlich erfolgte negative Entwick- EU-Globalstrategie von 2016 angelegt sind. lungen nicht in die Evaluierung einbezogen. Die Dynamik westlicher interessengeleiteter Solch eine negative Entwicklung ist auch die Interventionen, die auf den Sicherheitssek- Verstärkung autoritärer Führungsstile durch tor fokussiert sind, und die Eskalation nega- die zunehmende Militarisierung der Region. tiver Entwicklungen wird auf den folgenden In der Tat ist die fatale Entwicklung des Ter- Seiten umfangreich dargestellt. 5
1. Einleitung: Ein Füllhorn der Instrumente Unter dem Titel „Migrationsprofiteure?“ reicht. In wenigen Regionen kommen die – die negativen Folgen oder zumindest hat die regierungsnahe deutsche Stiftung verschiedenen Instrumente dieses „vernetz- die Wirkungslosigkeit der sicherheitszen- Wissenschaft und Politik (SWP) im März ten Ansatzes“ so fokussiert zum Einsatz, trierten Ansätze deutlich werden, ist eine 2018 einen kleinen Sammelband zur „exter- wie gegenwärtig in Nordafrika und der sog. Trendwende gegenwärtig unwahrscheinlich. nen Migrationspolitik [der EU] in afrikani- G5-Sahel-Region (Mauretanien, Mali, Niger, Denn es zeigt sich, dass die Instrumente schen Staaten“ und deren Auswirkungen Burkina Faso, Tschad). Die 2011 veröffent- der EU-Außenpolitik nicht nur parallel zur auf „autoritäre Regime“ veröffentlicht.1 Hin- lichte Sahel-Strategie der EU formuliert das Eskalation in der Region entwickelt wurden, sichtlich der Vielzahl „migrationspolitischer gemeinsame Ziel dieser Politiken unter den sondern den sicherheitszentrierten Ansatz Kooperationsinstrumente der EU“ wird be- Schlagwörtern „Sicherheit und Entwick- geradezu in sich tragen. Obwohl sich ein reits in der Einleitung von einem „Füllhorn“ lung“ und stellt bereits einleitend klar, dass Großteil der EU-Maßnahmen unter dem gesprochen, „das sich über afrikanische Sicherheit die Vorbedingung für Entwick- Begriff des Staatsaufbaus subsumieren Staaten ergießt.“ Die Frage „ob und inwie- lung sei. Ebenfalls klar wird, dass unter lassen, führen sie in der Praxis eher zum fern gerade autoritäre Herrscher von dieser Sicherheit v.a. auch die Sicherheit Europas Gegenteil: zur Fragmentierung und Auf- Zusammenarbeit profitieren“, wird dabei und ökonomische Interessen zu verstehen lösung staatlicher Souveränität und zu erfrischend klar beantwortet. So zeige „ein sind. Formen einer komplexen, kleinteiligen Blick in die afrikanischen Partnerländer, Rekolonialisierung. dass die dortigen Eliten die europäischen Zu Frieden und Stabilität hat die massive Angebote häufig zu ihrem eigenen Vorteil Aufrüstung der Region jedenfalls bislang 1. Anne Koch, Annette Weber, Isabelle zu nutzen wissen“ und „Machterhaltungs- – erwartungsgemäß – nicht beigetragen. Werenfels (Hg.): Migrationsprofiteure? interessen und Legitimationsstrategien der Ende April 2018 wird von wechselseitigen Autoritäre Staaten in Afrika und das Eliten ... für die Reaktion auf Kooperations- Massakern im Osten Malis berichtet, europäische Migrationsmanagement, angebote eine prägende Rolle“ spielen. jenseits der Grenze zu Niger sind einige SWP-Studie 3 (April 2018). In diesem Zusammenhang wird auch darauf Monate zuvor vier US-Spezialkräfte in einen hingewiesen, dass ich sich „Mittel oder Hinterhalt geraten und in stundenlangen Überwachungstechnologien, die eigentlich Gefechten gefallen. Schon davor hatte zum Aufbau migrationspolitischer Kapazi- die UN-Truppe MINUSMA weitgehend die täten gedacht sind, [auch] zu repressiven Kontrolleüber das (geografische) Zentrum Zwecken missbrauchen“ lassen. Malis verloren und ihre Nachschubwege zunehmend in den Niger verlegt. Auch Was hier allein für die externe Migrations- Burkina Faso, dessen Militär gelegentlich politik festgestellt wird, lässt sich jedoch gemeinsame Operationen mit der mali- auf weitere Bereiche des EU-Außenhan- schen Armee durchführt, bei denen Zivi- delns verallgemeinern und erhält dort noch listen misshandelt und getötet wurden, ist eine ganz andere Brisanz. Denn auch wenn zunehmend Ziel von Attacken und Terroran- die „Bekämpfung der illegalen Migration“ schlägen. oder die „Bekämpfung von Fluchtursa- chen“ gegenwärtig fast in jedem außen- Deshalb werden im Folgenden die auf politischen Dokument als Ziel aufgeführt „Staatsaufbau“ und „Sicherheitssektor- werden, bildet das Politikfeld Migration reformen“ zielenden Komponenten der nur einen Teil inhaltlich und methodisch EU-Außenpolitik in der Sahel-Region und vergleichbarer Maßnahmen der EU ab, die Nordafrika dargestellt. Der räumliche auf die „Reform des Sicherheitssektors“ Schwerpunkt der Darstellung wird dabei in Drittstaaten hinauslaufen. Auch die von fünf GSVP-Missionen abgesteckt: die EU-Strategie zur Terrorismusbekämpfung Mission EUNAVFOR Med vor der libyschen und die nach wie vor im Aufbau befindliche Küste und EUBAM Libya, die gegenwär- EU-Verteidigungs-politik, die europäische tig von Tunesien aus operiert, die beiden Entwicklungszusammenarbeit und sogar „Kapazitätsaufbau-Missionen“ EUCAP die humanitäre Hilfe haben sich Ziele wie Sahel Niger und EUCAP Sahel Mali sowie „verbessertes Grenzmanagement“ und den die militärische Ausbildungsmission EUTM „Kapazitätsaufbau“ in den juristischen, Mali, die zukünftig auf die Nachbarstaaten, nachrichtendienstlichen, (grenz-)polizei- die sog. G5-Sahel ausgeweitet werden lichen und militärischen Strukturen von soll. Die erklärten Prinzipien der „vernetz- Drittstaaten gesetzt. Zusammen ergeben ten S icherheit“ und der Regionalisierung sie ein Spektrum außenpolitischen Han- machen es jedoch notwendig, dabei auch delns, das von der Bekämpfung der Jugend- andere Akteure und Staaten zumindest am arbeitslosigkeit und der humanitären Hilfe Rande einzubeziehen. für Flüchtlinge über den Aufbau geheim- dienstlicher Netzwerke und biometrischer Obwohl die Warnungen vor einer weiteren Datenbanken bis hin zu Ausbildungsmissi- Versicherheitlichung bzw. Militarisierung onen am Rande von Bürgerkriegsszenarien der Region zunehmen und – je nach Lesart 6
2. Eine kurze Geschichte der Militarisierung des Sahels In den vergangenen fünfzehn Jahren rückte afrikanischen Binnengrenzen beikommen zu nischen Union (AU) standen, de facto aber die Sahelregion zwischen der afrikanischen müssen. Da gerade in der Sahelregion die von Frankreich geführt und der EU bezahlt Westküste (Westsahara, Mauretanien, Grenzen jedoch oft sehr abstrakter Natur wurden (AFISMA). Deutschland übernahm Senegal) und dem Sudan im Osten Afrikas sind und durch periphere Gebiete verlaufen, vom Senegal aus die Luftbetankung der zunehmend in den Fokus westlicher Si- in denen die jeweiligen Staaten nach westli- französischen Kampfflugzeuge und die cherheitspolitik und Strategie. Den Anfang chen Maßstäben keine ausreichende Kont- Truppentransporte der afrikanischen Ver- machten die USA, die nach den Anschlägen rolle ausüben, galt es letztlich, die betref- bündeten, die EU beschloss eine Ausbil- vom 11. September 2001 auch hier den fenden Staaten umfassend zu reformieren dungsmission für die malischen Streitkräfte „Krieg gegen den Terror“ implementierten bzw. von Grund auf neu zu strukturieren. nahe der Hauptstadt Bamako (EUTM Mali). und mit ihrer Pan-Sahel-Initiative (PSI) ihr militärisches Engagement in Afrika erstmals Startschuss hierfür war der NATO-Krieg Bereits kurz nach der Einrichtung der nach dem Debakel in Somalia während der gegen Libyen 2011 und die damit einher- EUTM Mali im Frühjahr 2013 wurde eine frühen 1990er Jahren wieder ausweiteten. gehende Destabilisierung der gesamten weitere EU-Mission zur Unterstützung Doch auch für die im Entstehen begriffene Region. Während Libyen bombardiert der Grenzsicherung (EUBAM) in Libyen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der wurde, finanzierte die EU aus ihrem beschlossen, die sich jedoch zunächst EU gewann die Region an Bedeutung und „Instrument für Stabilität“ ein Programm lange darauf beschränkte, Kontakte mit entwickelte sich zunehmend zu einem Ex- „zur Wiederherstellung einer effektiven libyschen Milizen und ihrer politischen perimentierfeld neuer außenpolitischer Ins- Präsenz und Autorität des Staates“ im Führung aufzunehmen. Weitere EU-Mis- trumente. Triebfeder war dabei v.a. die Mig- Norden Malis.2 Dort wurden Polizei- und sionen zum Aufbau „ziviler“ Sicherheits- rationspolitik und der vorverlagerte „Schutz Militärstützpunkte sowie Gefängnisse kräfte (Gendarmerie, Polizei) wurden in der Außengrenzen“, die den europäischen Zugriff auf die Region intensivierten. 2004 wurden die Europäische Grenz- schutzagentur Frontex und das AENEAS- Programm „zur finanziellen und techni- schen Unterstützung von Drittstaaten im Bereich Migration und Asyl“ ins Leben gerufen. Ihre Aktivitäten ermöglichten es den rapide wachsenden Institutionen der EU-Außen- und Sicherheitspolitik, diplo- matische Kontakte mit den Regierungen vor Ort aufzubauen und dort wissenschaft- liche, zivilgesellschaftliche, polizeiliche, geheimdienstliche und militärische Akteure miteinander zu vernetzen. Zugleich wurden diese Netzwerke mit den in Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten erarbeiteten Problemdefinitionen und „Lösungsansätzen“ vertraut gemacht. Ein weiteres Ergebnis dieser Aktivitäten war ein Militärinterventionen und -missionen im Sahel Wissen über Migration, das diese primär errichtet. Tuareg-Gruppen, die traditionell Mali und Niger eingerichtet. Zur Versor- in „Strömen“ und „Transitrouten“ konzepti- grenzüberschreitend zwischen Mali, Niger gung ihrer Truppen in Mali baute auch die onalisiert, die es bereits weit jenseits der und Libyen siedelten und Handel trieben, Bundeswehr einen Luftwaffenstützpunkt Außengrenzen zu unterbrechen gelte. verloren damit zugleich eine Schutzmacht im benachbarten Niger auf. Im August in Libyen und ihre Autonomie im Norden 2014 wurde die französische Anti-Terror- Die autoritär geführten nordafrikanischen Malis. Sie organisierten sich als „Nationale Operation Serval in Barkhane umbenannt Staaten Marokko, Algerien, Tunesien und Bewegung für die Befreiung des Azawad“ und auf die gesamte Region (Mauretanien, Ägypten ließen sich recht schnell davon (MNLA) und zogen mit Waffen aus dem Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad) überzeugen, die Durchreise von Drittstaa- libyschen Krieg über den Norden des Niger ausgedehnt. Die entsprechenden afrikani- tenangehörigen und auch die Ausreise nach Mali, wo sie die neu errichteten Stütz- schen Staaten hatten – unter Vermittlung eigener Staatsbürger*innen weitgehend punkte der malischen Armee angriffen. Frankreichs und der EU – zuvor unter dem und durch tw. tödliche Maßnahmen zu Daraufhin putschte im Süden die malische Namen G5-Sahel eine Sicherheitskoopera- unterbinden. Dass die lebensgefährlichen Armee und Islamisten übernahmen die tion vereinbart, die u.a. den Aufbau einer Überfahrten übers Mittelmeer zwischen Kontrolle in den Städten im Norden. Anfang multinationalen und grenzüberschreiten- 2006 und 2011 fast nur noch von Libyen 2013 folgte eine massive Intervention der den Eingreiftruppe (FC-G5S) beinhaltete, ausgingen, darunter jedoch so gut wie französischen Armee (Operation Serval), die überwiegend von der EU finanziert keine libyschen Staatsangehörige waren, die schnell von Truppen anderer afrika- wird und zumindest zunächst ebenfalls de verstärkte die Wahrnehmung, dem Problem nischer Staaten unterstützt wurde, die facto unter französischer Führung agiert. der „illegalen Migration“ durch Kontrolle der offiziell unter dem Kommando der Afrika- 7
EU sind auch die USA umfangreich in der Region aktiv, veranstalten jährlich grenz- überschreitende Großmanöver zur Terroris- musbekämpfung, haben umfangreich in den Ausbau der Geheimdienste vor Ort inves- tiert und unterhalten Beratungs- und Aus- bildungsmissionen in den meisten Staaten der Region. Gegenwärtig sind etwa 800 bis 1.000 US-Militärs im Niger stationiert, die meisten von ihnen angeblich zum Aufbau einer Drohnenbasis bei Agadez, tatsächlich jedoch wurde u.a. bei Gefechten im Okto- ber 2017 im Westen des Landes, bei denen vier US-Soldaten fielen, klar, dass die USA auch an Kampfeinsätzen und Patrouillen be- teiligt sind. Neben den USA unterhält auch Frankreich in der Großregion zahlreiche Drohnenbasen. Auch Deutschland hat in Gao im Norden Malis den Flughafen ausge- baut und dort Aufklärungsdrohnen vom Typ Heron I stationiert. Mittlerweile sprechen Niederländischer Soldat der MINUSMA (Niederländisches Verteidigungsministerium) auch regierungsnahe Thinktanks von einer Die formal afrikanisch geführte Mission der G5-Truppe zunächst auf zusätzlichen „Militarisierung“ der Region und verglei- AFISMA war bereits Mitte 2013 in die Stützpunkten in Mali und zukünftig auch chen die „schnelle Ausweitung internationa- UN-Mission MINUSMA überführt worden, in den Nachbarstaaten zu übernehmen. ler Truppenpräsenz“ mit einem „Verkehrs- an der sich u.a. 1.000 deutsche Soldaten stau“.3 Dass damit wesentliche Elemente – insbesondere im Bereich der Aufklärung Somit ist in der Region ein engmaschiges der Dekolonialisierung rückgängig gemacht und der medizinischen Evakuierung – betei- Netz von Militärbasen und EU-Missionen werden und neue geopolitische Konflikte ligen. Da es sich bei der G5-Eingreiftruppe unter unterschiedlichen, aber überlappen- vorprogrammiert sind, liegt auf der Hand. v.a. um Kampfeinheiten handelt, ist diese den Mandaten entstanden, zwischen denen neben der finanziellen auch von techni- sich eine grenzüberschreitende militäri- scher und logistischer Unterstützung durch sche Logistik entspinnt. Mit der Operation Barkhane und MINUSMA abhängig. So Barkhane und den G5-Sahel hat Frankreich sollen Pioniereinheiten der MINUSMA den die Staaten auf dem Gebiet seiner ehema- Aufbau der Stützpunkte der FC-G5S in Mali ligen Kolonien bzw. in seiner klassischen 2. Europäische Kommission: 2011 unterstützen und die MINUSMA Logistik Einflusssphäre neu zusammengefasst, tw. Annual Report on the Instrument for und Verwundetentransport für die G5- die Kontrolle über deren Truppen übernom- Stability (COM(2012) 405 final). Truppe übernehmen, die außerhalb Malis men und sich eine grenzüberschreitende 3. Jennifer G. Cooke, Boris Toucas: wesentlich auf die Stützpunkte der franzö- militärische Mobilität in der gesamten Understanding the G5 Sahel Joint Force sischen Barkhane abgestützt ist. Auch die Region verschafft, wobei es auch auf die - Fighting Terror, Building Regional EU-Ausbildungsmission EUTM Mali wurde Stützpunkte der EU und der MINUSMA Security?, Center for Strategic and dahingehend ausgeweitet, die Ausbildung zurückgreift. Neben Frankreich bzw. der International Studies (CSIS) 2017. 3. Die EU in Nordafrika 3.1. Stunde Null in Libyen diplomatischen Verbindungen zur amtie- einer Zivilgesellschaft zu unterstützen“.5 renden Regierung gekappt worden waren, Dem Verbindungsbüro wurden Experten Obwohl im Frühjahr 2011 unter den EU- entsandte die EU-Kommission zunächst für den Grenzschutz beigestellt und dem Mitgliedsstaaten kein Konsens über eine „Zivilschutzteams“ ins „befreite“ Bengasi, Übergangsrat 30 Mio. Euro für seinen un- militärische Intervention zum Sturz Gadda- wo die damalige EU-Außenbeauftragte mittelbaren Stabilisierungsbedarf und den fis bestand, hat der Europäische Rat bereits Catherine Ashton am 22. Mai ein Verbin- Kapazitätsaufbau zugesagt. Sobald auch am 11. März – eine Woche vor Beginn der dungsbüro der EU zu den aufständischen die Hauptstadt Tripolis von den NATO-Ver- Luftangriffe – der libyschen Regierung unter Kräften des Nationalen Übergangsrates bündeten erobert wurde, baute die EU auch Gadaffi jede Legitimität abgesprochen einweihte, der von Frankreich und Italien hier ein Verbindungsbüro auf, das noch vor und stattdessen den sechs Tage zuvor bereits offiziell als Regierung anerkannt Ende des Jahres 2011 zu einer der ersten gegründeten Nationalen Übergangsrat als worden war. Ziel der Zusammenarbeit Delegationen des neu geschaffenen Europä- primären Gesprächspartner anerkannt.4 sei es, das „aufkeimende demokratische ischen Auswärtigen Dienstes ausgebaut Bereits am 28. Februar hatte der Rat Libyen beim Grenzmanagement, der Reform wurde. Noch bevor Gaddafi im Oktober von Sanktionen gegen das Regime verhängt des Sicherheitssektors, der Wirtschaft, der den Aufständischen getötet wurde und der und am 10. März verschärft. Nachdem die Gesundheit, der Bildung und beim Aufbau NATO-Einsatz endete, gab die EU auf der 8
Pariser Konferenz am 1. September 2011 Milizen übernommen. Die Behörden und fensoldaten begonnen und zwei Offizieren die eingefrorenen Konten zugunsten des Ministerien wären noch nicht in der Lage, ein einjähriges Stipendium am Verteidi- Nationalen Übergangsrates frei. Zugleich ihre Funktionen zu erfüllen und der Weg gungskolleg finanziert; Malta hatte bereits wurde dort unter den internationalen Akteu- zum Aufbau einer verfassungsgebenden im März 2012 ein mobiles Ausbildungsteam ren eine Arbeitsteilung vereinbart. Dem- Versammlung war noch unklar. Ein „mit nach Libyen geschickt, um den Aufbau nach übernahm die EU die Verantwortung internationaler Hilfe erstellter“ Entwurf einer libyschen Küstenwache anzustoßen beim Wiederaufbau im Bereich der Medien, für eine Verteidigungsstrategie läge zwar und für diese zahlreiche Kurse durchge- der Zivilgesellschaft und des Grenzmanage- bereits vor, sei jedoch noch nicht beschlos- führt; Großbritannien hatte den Aufbau ments, wofür sie zunächst weitere 50 Mio. sen worden. 240.000 „Freiheitskämpfer“ des libyschen Verteidigungsministeriums Euro bereitstellte und wiederum Experten- erhofften sich nun „Belohnung“ u.a. mit einem Beratungsteam unterstützt. teams ins Land entsandte.6 Internationaler durch die Integration in den Sicherheits- Am umfangreichsten werden jedoch die Währungsfonds und Weltbank sollten sich sektor, dessen Personal nach dem Sturz italienischen Maßnahmen dargestellt, dar- um den öffentlichen Haushalt und den Gaddafi in großer Zahl geflohen sei.8 unter die bereits erfolgte Lieferung von 20 wirtschaftlichen Wiederaufbau bemühen Ungeachtet der vielen offenen Fragen listet Schützenpanzern Puma und Uniformen im und die UN-Mission vor Ort (UNSMIL) um der Operationsplan auch eine geradezu Wert von 500.000€ und umfangreiche Aus- den sozialen und den Sicherheitssektor. unübersehbare Zahl bilateraler Maßnahmen bildungsprogramme durch die Carabinieri Unmittelbar nach dem Beginn der NATO- der EU-Mitgliedsstaaten auf, die bereits (für insg. 540 Kräfte) und das italienische Intervention waren auch die militärischen erfolgt waren oder kurz vor der Umsetzung Heer (ca. 150) sowie in kleinerem Umfang Strukturen der EU im Hinblick auf Libyen standen. Die Aufstellung umfasst gut 30 durch die Luftwaffe und die Marine. Im aktiv geworden. Bereits am 24. März billigte Seiten und nennt u.a. 18 maltesische, elf Verantwortungsbereich des Innenministeri- der Rat ein Krisenmanagement-Konzept und französische, sieben britische und fünf ums hatte Italien bereits sieben Lehrgänge beschloss am 1. April eine entsprechende deutsche Projekte. Frankreich hatte u.a. mit über 100 Teilnehmenden – u.a. zu EU-Militärmission (EUFOR Libya) mitsamt einen Experten des Verteidigungsminis- gefälschten Papieren und Grenzschutzope- Hauptquartier, Befehlskette und einem Bud- teriums in das Kommando der libyschen rationen – durchgeführt. Jenseits der EU- get in Höhe von 7,9 Mio. Euro für zunächst Marine entsandt, mit der Ausbildung von 72 Mitgliedstaaten werden Kurse der Türkei für vier Monate. Inhalt der Mission sollte die libyschen Minentauchern und 30 Luftwaf- über 900 libysche Sicherheitskräfte, neun logistische Unterstützung humanitärer Hilfe sein, es war jedoch auch im Gespräch, eine der sog. Battlegroups nach Libyen zu entsenden. Mit Ägypten und Tunesien waren bereits Verhandlungen wegen der Stationierung von Truppen aufgenommen worden. Zwar war die Mission damit bereits formal beschlossen, ihr Zustandekommen wurde jedoch von einer entsprechenden Anfrage des Amts zur Koordinierung hu- manitärer Angelegenheiten der UN (OCHA) abhängig gemacht, die nicht erfolgte.7 Nach dem Ende der NATO-Intervention konzentrierte die EU ihr Engagement auf den Aufbau eines „Integrierten Grenzma- nagements“ und entsandte hierzu zunächst von Anfang März bis Ende Juni Erkun- dungsmissionen nach Libyen, welche die Situation an den Grenzen und Ansatzpunkte für Unterstützung durch die EU erfassen sollten. Hierauf aufbauend wurde eine „Be- darfsanalyse“ für den Grenzschutz erstellt, jedoch wegen der unklaren Lage zunächst nicht weiter entwickelt. Weitere entspre- chende Missionen folgten im November 2012 und im März 2013. Auf der Grund- lage dieser Erkenntnisse wurde im April 2013 der Operationsplan für eine „zivile“ EU-Mission zum Aufbau des Grenzmanage- ments in Libyen (EUBAM Libya) entworfen. Darin wird u.a. festgestellt, dass Libyen nach dem Sturz des alten Regimes sowohl strukturell, als auch territorial und hinsicht- lich seiner Bevölkerung „fragmentiert“ sei. Die Aufgaben der Sicherheitskräfte hätten 9
Kurse der Vereinigten Arabischen Emirate und politischen Körperschaften … transak- internationale Investitionen zu begünsti- und nicht näher ausgeführte Ausbildungs- tional und transitional“ und die Regierung gen, zu deren finanzieller Unterstützung und Ausrüstungsmaßnahmen Katars und habe bislang keine Liste an bewaffneten umfassende Subventionsprogramme Jordaniens benannt. Auch die USA hatten Gruppen vorgelegt, die ihrer Kontrolle aufgelegt und zugänglich gemacht werden. sich zunächst umfangreich in die Grenz- unterstehen. Entsprechend wird auch die sicherung eingebracht, ihre offiziellen Ausbildung der libyschen Küstenwache im Das zivilgesellschaftliche Engagement zielt Programme jedoch nach dem Anschlag auf Rahmen der EU-Marinemission EUNAVFOR zwar oberflächlich auf Themen wie Inklusi- die Botschaft in Bengasi am 11. September MED seit Mitte 2016 angesprochen. Die on und Menschen- bzw. insbesondere Frau- 2012 jedoch weitgehend eingestellt.9 entsprechenden Kräfte seien nicht als der enrechte, trägt aber de facto wesentlich zur Regierung unterstehend registriert und ihr Marginalisierung religiöser Kräfte bei, die Das war der Stand Anfang 2013. Obwohl zugeordnete Kräfte seien für „lebensgefähr- bei den ersten freien Wahlen nach der Re- bereits hier eingestanden wurde, dass sich liche“ Übergriffe, Menschrechtsverletzun- volution (knapp) die meisten Stimmen auf die Situation auf einigen Ebenen seit dem gen und den Transfer aufgegriffener Mig- sich vereinigen konnten, 2014 jedoch u.a. Krieg sogar verschlechtert habe, wirkt rantinnen in Zwangsarbeit verantwortlich.10 auf internationalen Druck aus der Regierung die damalige Situationsbeschreibung aus ausschieden. Seitdem verschärft sich eine heutiger Sicht geradezu optimistisch. In 3.2. Tunesien: Neoliberale Zurichtung dramatische Polarisierung des politischen den folgenden Monaten setzte das ein, was und Krieg gegen den Terror Lagers: säkulare Organisationen, die tradi- auch als „zweiter libyscher Bürgerkrieg“ tionell Widerstand gegen Privatisierungen bezeichnet wird: Der im Grunde bis heute Anders als in Libyen haben in Tunesien seit und neoliberale Reformen geleistet haben, anhaltende Konflikt zwischen konkurrieren- dem Umsturz 2010/2011 wiederholt freie rücken in der Distanzierung von religiösen den Regierungen und mit diesen verbunde- Wahlen stattgefunden und sich ein funk- Strömungen näher an die neoliberalen nen Milizenverbänden. EUBAM Libya wurde tionierendes politisches System etabliert. Kräfte, während der Widerstand gegen die 2013 zwar tatsächlich beschlossen, aber Trotzdem ist auch hier die zukünftige international geforderten Reformen von den aufgrund der schlechten Sicherheitslage Ausrichtung der Politik keineswegs aus- in der staatlichen Politik zunehmend margi- deutlich verkleinert nach Tunesien ver- gemacht: Die Forderungen der zunächst nalisierten religiösen Kräften monopolisiert legt. 2015 begann die EU-Marinemission erfolgreichen Revolution sind weiterhin wird, die stets im Verdacht stehen, Terro- EUNAVFOR MED vor der libyschen Küste, in lebendig, es existieren handlungsfähige rismus zu befördern oder zu unterstützen. deren Rahmen seit 2016 auch die liby- Gewerkschaftsverbände und es bestehen sche Küstenwache ausgebildet wird. Das weiterhin starke Vorbehalte u.a. gegen Neben der ökonomischen und zivilge- UN-Expertenkomitee zur Überwachung Privatisierungen. Die Arbeitslosigkeit und sellschaftlichen Einflussnahme der EU des Sanktionsregimes gegen Libyen fasst auch Armut in den peripheren Regionen ist verankert sie in der Zusammenarbeit in seinem Abschlussbericht vom Juli 2017 weiterhin hoch und führt immer wieder zu mit Tunesien jedoch auch die Themen zusammen, dass „weiterhin regelmäßig Protesten und Blockaden, geringe Staats- Migration und Terrorismusbekämpfung, Waffen auf illegalem Wege von und nach einnahmen und Verschuldung beschränken wobei sich der Austritt der religiösen Libyen transportiert werden“ und dass jedoch die Spielräume der Politik.11 Auch Ennahda-Partei aus der Regierung und zwei „das Material, das nach Libyen gelangt, hier versucht die EU das Land an sich zu spektakuläre Anschläge auf ein Museum technisch zunehmend anspruchsvoll“ sei. binden und dessen Politik nach eigenen und ein Hotel (März und Juni 2015) als Gemeint ist damit v.a. die Lieferung von Vorstellungen auszurichten. Im Gegensatz wirksame Katalysatoren erwiesen.13 Kampfhubschraubern und Flugzeugen: zu Libyen setzt die sie hierbei v.a. auf mak- „Mindestens zwei der bewaffneten Gruppen roökonomischer und zivilgesellschaftlicher Als wesentliche Errungenschaft der Revo- verfügen über wachsende Luftstreitkräf- Ebene an. So berichtet die Europäische lution von 2011 wird anerkannt, dass die te, die bei Angriffen auf andere Gruppen Kommission in ihrem Factsheet über die berüchtigte Abteilung für Staatssicherheit und gegeneinander eingesetzt werden“. Beziehungen zwischen der EU und Tunesi- als Schaltstelle der Geheimdienste und So wurde u.a. die „Libyan National Army“, en, dass sie das Land zwischen 2011 und Polizeibehörden aufgelöst wurde und das die nicht der international anerkannten 2017 mit etwa 3,5 Mrd. Euro unterstützt Militär nicht in innere Angelegenheiten Regierung untersteht, von den Vereinigten habe.12 Allerdings handelt es sich dabei zu eingreifen sollte. Sehr bald jedoch wurde Arabischen Emiraten mit „für die Aufstands- einem großen Teil um Kredite, die die Schul- von westlicher Seite ein Mangel an ge- bekämpfung und den Grenzschutz umge- denkrise des Landes tendenziell verschär- heimdienstlichen Strukturen und effizien- rüsteten“ Flugzeugen aus den USA und fen. Die Bewilligung weiterer Kredite ist an ter Vernetzung der Sicherheitsbehörden Kampfhubschraubern aus Belarus beliefert. wirtschaftspolitische Reformen gebunden, beklagt und eine stärkere Rolle des Militärs Bei dem Absturz eines dieser Hubschrauber die wiederum das Potential für Proteste in der Inneren Sicherheit eingefordert. So habe sich herausgestellt, dass sich fran- erhöhen. Als eines von sieben Ländern ging die International Crisis Group bereits zösische Spezialkräfte an Bord befanden. beteiligt sich Tunesien am „Compact for Ende 2013 davon aus, dass es „essentiell“ Insgesamt habe „die externe Unterstützung Africa“, einem im Rahmen der deutschen sei, eine nationale Behörde zu schaffen, die für bewaffnete Gruppen in Form direkter G20-Präsidentschaft ausgearbeiteten nachrichtendienstliche Tätigkeiten und auf Beihilfe, Ausbildung und technischer Unter- Programm, bei dem Expert*innen u.a. die Terrorbekämpfung ausgerichtete Kräfte stützung … zugenommen“. Zwar erlaube das der Weltbank und des Internationalen in einer gemeinsamen Struktur vereint, Sanktionsregime mittlerweile die Lieferung Währungsfonds „Hindernisse“ bei der die Reaktionsfähigkeiten der Antiterror- „nicht-tödlicher militärischer Ausrüstung“ wirtschaftlichen Entwicklung identifizieren Brigaden und die Koordination zwischen an „Sicherheitskräfte der Regierung der und Reformpakete entwickeln sollen, bei den Sicherheitsbehörden zu verbessern. nationalen Einheit“, jedoch bleibe das „Ver- deren Umsetzung die jeweiligen Regierun- Außerdem schlug sie gemeinsame Patrouil- hältnis zwischen den bewaffneten Gruppen gen dann „unterstützt“ werden. Ziel ist es, len von Militär, Polizei, Zoll und National- 10
vier verschiedenen Herstellern vorgeführt und in deren Technik eingewiesen wurde. Die Bundespolizei „unterstützt“ bereits seit 2012 wieder die „tunesischen Sicher- heitskräfte ... im Rahmen der bilateralen Ausbildungs- und Ausstattungshilfe“.21 Nach den Anschlägen von 2015 hat die Bun- despolizei darüber hinaus „ein Projektbüro in Tunis eingerichtet und ihr Engagement zur Unterstützung der tunesischen Si- cherheitskräfte an der algerischen Grenze intensiviert. Die Unterstützung umfasst Maßnahmen in den Bereichen Grenz- überwachung, Dokumenten- und Urkun- densicherheit, maritime Sicherheit sowie Aus- und Fortbildung. Darüber hinaus soll die Mobilität tunesischer Sicherheitskräfte zur libyschen Grenze durch die Beschaf- fung von Mannschaftswagen und mittels HESCO-Schutzsystemen für die Posten der Nationalgarde gestärkt werden“.22 Treffen der Taskforce EU-Tunesien nach dem Umsturz 2011 (Flickr/EEAS) Bei der Reorganisation der „Koordination der Sicherheitspolitik“ spielte neben der garde sowie eine gemeinsame Ausbildung meinsame Erklärung, in der sie die „Unter- EU die Gruppe G7+6 eine zentrale Rolle von Militär und Nationalgarde vor.14 stützung des Übergangsprozesses in Tune- – das sind neben den „sieben führenden sien“ als „strategische Priorität für die EU“ Industrienationen“ (DEU, FRA, ITA, UK, Im Dezember 2013 hatten 13 „Sicherheits- definierten. Darin sprachen sich Parlament USA, CAN, JAP) Spanien, Belgien, Schweiz, experten“ aus den EU-Mitgliedstaaten eine und Rat u.a. für die Fortführung des o.g. Türkei, die EU und das UN-Büro für Drogen- Beurteilung des tunesischen Sicherheits- Programms zur Unterstützung des Sicher- und Verbrechensbekämpfung (UNODC). sektors vorgelegt, der anschließend der heitssektors und zum Kapazitätsaufbau aus Innerhalb dieses Zusammenhangs haben tunesischen Übergangsregierung übermit- und kündigte weitere Unterstützung „bei sich einzelne Länder(gruppen) auf die telt wurde und nach den Anschlägen auf der Umsetzung von Sicherheitsstrategien“ Unterstützung spezifischer Fähigkeiten das Bardo-Museum und ein Hotel in Sousse und „bei der Bekämpfung von Terrorismus in Tunesien konzentriert. Frankreich hat im September 2015 zu einem ersten „ver- und Radikalisierung“ an, „insbesondere im – auch wegen seiner „historischen Verbin- stärkten politischen Dialog über Sicherheit Einklang mit dem Projektpaket, das Tune- dungen“ zu Tunesien – die Führung bei der und Terrorismusbekämpfung“ zwischen der sien im März 2016 vorgelegt wurde“. Anzu- direkten Zusammenarbeit mit den tunesi- tunesischen Regierung und EU-Vertretern streben sei ferner eine engere „Zusammen- schen Sicherheitsbehörden übernommen führte. Hierbei bot die EU den „Austausch arbeit mit den relevanten Agenturen und und deren Spezialkräfte mit Aufklärung an Erfahrung und Expertise“ in der Bekämp- Einrichtungen der EU“, darunter „Europol, und Ausrüstung unterstützt. Italien hat den fung des Terrorismus an sowie die Unter- die Europäische Polizeiakademie, Eurojust, Kampf gegen illegale Migration und seine stützung der tunesischen Behörden bei Frontex sowie das Europäische Sicherheits- Schnittstellen zur Terrorismusbekämpfung der Erarbeitung einer Anti-Terrorstrategie und Verteidigungskolleg und das EU-Exzel- in den Mittelpunkt der Zusammenarbeit und der Reform des Sicherheitssektors im lenzzentrum im Rahmen des Aufklärungs- gestellt und u.a. Patrouillenboote geliefert. Bereich der Terrorbekämpfung und der ge- netzwerks gegen Radikalisierung“.18 Bereits Gemeinsam mit den USA hat Deutsch- heimdienstlichen Aufklärung.15 Im Novem- seit Ende 2012 führt die EU außerdem ein land die Unterstützung im Bereich des ber unterzeichnete die tunesische Regie- Projekt zur Reform des Justizwesens (PARJ) Grenzmanagements übernommen.23 Im rung ein Abkommen über die von der EU durch,19 in dessen ersten beiden Phasen Rahmen seiner Ertüchtigungsinitiative hat mit 23 Mio. Euro unterstützte Reform des zunächst 40 Mio. Euro u.a. für die Reno- Deutschland daraufhin die Lieferung von tunesischen Sicherheitssektors, das u.a. vierung von fünf Gefängnissen und vier mobilen Bodenradaren, Nachtsichtgeräten „die Entsendung mehrerer Experten [vor- Gerichtsgebäuden genutzt wurden. Beim und militärischen (Ziel-)Fernrohren an das sah], die der tunesischen Regierung bei der sechsten Treffen des Lenkungsausschusses tunesische Militär durch die Firma Hensoldt Entwicklung und Umsetzung eines umfas- des Programms gab die Vertreterin der EU- (früher: Airbus) organisiert und finanziert. senden CT[Terrorismusbekämpfungs]-Kon- Delegation bekannt, dass die EU eine dritte Vorgesehen ist deren „Einsatz entlang zepts helfen sollen“.16 Im Juni 2016 unter- Phase mit 60 Mio. Euro unterstützen wird.20 des südlichen Abschnittes des tunesisch- zeichnete sie ein weiteres Abkommen, das libyschen Grenzverlaufes“. Ergänzend die Lieferung von Ausrüstung und die „Wie- Deutschland lud zuletzt im November 2017 zu diesen mobilen Anteilen unterstützen derherstellung der technischen Infrastruk- eine „tunesische Delegation des Innen- und Deutschland und die USA „den stationären tur“ für die Sicherheitskräfte umfasste.17 Transportministeriums zu einem Informati- Aufbau eines nationalen elektronischen onsaustausch zu Sicherheitsscannern mit Grenzüberwachungssystems entlang der Im September 2016 veröffentlichten das der Bundespolizei nach Deutschland“ ein, Grenze zu Libyen“. Hierzu ist geplant, den Europäische Parlament und der Rat eine ge- bei dem sechs sog. „Nacktscanner“ von „Ausbau der stationären elektronischen 11
Grenzüberwachung mit einem zweistelligen Standort auch in die US-amerikanische und pflegen stattdessen ihre tradierten, Millionenbetrag weiter voranzutreiben“, Großübung Flintlock 2018 eingebunden, die oft informellen bilateralen Beziehungen zu um das Ziel einer „durchgängigen elek- laut Africom mit etwa „1.500 Soldaten … einzelnen EU-Staaten und den USA – die tronischen Überwachung von Ras Jedir im Schwerpunktland Niger und in weite- gleichwohl im Zuge der allgemeinen Milita- bis Borj Al Khadra“ zu verwirklichen.24 ren Ländern, darunter die Länder Senegal risierung der Region ausgebaut wurden. und Burkina Faso, geplant war“ und die Dabei handelt es sich letztlich um die Bekämpfung terroristischer Gruppen zum Algerien und Marokko verstehen sich technische Umsetzung einer bereits 2013 Inhalt hatte. Auf eine parlamentarische beide als Regionalmächte und befinden von der tunesischen Regierung veranlass- Anfrage nach der deutschen Beteiligung sich u.a. wegen der Westsahara-Frage28 ten Maßnahme, mit der große Gebiete an der Übung gab die Bundesregierung an, in einem latenten Konflikt, weshalb die in Grenznähe zu Libyen und Algerien zu die Bundeswehr sei „in Niger in Oual- Grenze zwischen beiden Ländern bereits einer „militarisierten Puffer-Zone“ erklärt lam [mit] 11 Soldatinnen und Soldaten seit vielen Jahren als militarisierte Zone wurden, deren Betreten nur nach vorheriger sowie [mit] 65 Soldatinnen und Soldaten wahrgenommen, nun aber mit moderner Antragsstellung und Genehmigung zulässig in Tunesien im Raum Bizerte“ beteiligt Technik aufgerüstet wird. Bewegten sich ist, während die Grenze selbst durch Sand- gewesen.27 Es liegt daher nahe, dass die die Rüstungsexporte nach Marokko in den wälle und Wassergräben verstärkt wurde. USA die Basis in Tunesien zumindest auch Jahren 2000-2009 bei durchschnittlich Nach Angaben des European Council on zur Terrorbekämpfung im Sahel nutzen. knapp 60 Mio. TIV29, schnellten sie im Jahr Foreign Relations (ECFR) wird diese Grenze 2010 auf über 300 Mio. und 2011 auf 1,4 auch von „durch die USA bereitgestellte 3.3. Algerien und Marokko: Mrd. TIV nach oben. Wichtigste Lieferanten Drohnen“ überwacht.25 Tatsächlich erhielt Konkurrierende Aufrüstung waren die USA und Frankreich, wobei sich Tunesien nach Angaben des US-Africom in eigener Regie die USA zunehmend durchsetzten. Ende nach den Anschlägen von 2015 militärische 2017 meldete der Middle East Monitor, Unterstützung in Höhe von 250 Mio. US$; Aufrüstung und Militarisierung der Grenzen dass Marokko 2016 96% und 2015 gar geliefert wurden u.a. Aufklärungsflugzeu- setzen sich auch in Algerien und Marokko 100% seiner Rüstungsgüter aus den USA ge und Drohnen. Die Washington Post fort, jedoch unter anderen Vorzeichen. bezogen hätte und damit wichtigster Markt berichtete im Herbst 2016, dass die USA Hier handelt es sich nicht um bürgerkriegs- der US-Rüstungsindustrie in Nordafrika außerdem seit Juni selbst eine tunesische ähnliche Zustände wie in Libyen oder die sei. Zwischen 2011 und 2015 hatte Marok- Luftwaffenbasis (vermutlich den Stützpunkt Transition in Folge einer Revolution, in der ko 6,2 Mrd. US$ für Rüstung ausgegeben Sidi Ahmed bei Bizerte im Norden des die Sicherheitsapparate ihre Legitimation und war zugleich fünftgrößter Abnehmer Landes) für den Einsatz (bislang) unbewaff- (vorübergehend) eingebüßt haben. Im französischer und zweitgrößter Abnehmer neter Reaper-Drohnen nutzten, wozu dort Gegenteil strotzen die entsprechenden Be- spanischer Rüstungsexporte gewesen.30 etwa 60 US-Militärs stationiert seien. Nach hörden in Marokko und Algerien geradezu Aus den USA importiert wurden u.a. 220 Angaben der USA sollten diese vorwie- vor Selbstvertrauen, nachdem der „Ara- Panzer vom Typ M1A1 Abrams. Nach gend Aufklärungsergebnisse über den IS bische Frühling“ hier zu keinen größeren Angaben von Al-Monitor beschloss die in Libyen liefern, Vertreter der tunesischen Umbrüchen geführt hat. Entsprechend US-Regierung im Herbst 2017, Marokko Regierung, die sich hierzu weitgehend entziehen sich die jeweiligen Sicherheits- überschüssige militärische Ausrüstung im bedeckt hält, nennen als Zweck hingegen behörden beider Staaten viel mehr einer Wert von 115 Mio. US$ zu überlassen. Die die Ausbildung tunesischer Kräfte und die Durchdringung und Restrukturierung durch jährlichen Militärhilfen der USA für Marokko Grenzüberwachung.26 Offenbar war der die EU und andere internationale Akteure beliefen sich demnach auf 15 Mio. US$.31 In Algerien stellt sich die Lage anders dar. Hier beliefen sich die durchschnittlichen Rüstungsimporte 2000-2009 auf etwa 525 Mio. TIV und stiegen 2010-2016 auf durchschnittlich etwa 1 Mrd. TIV. Die Ten- denz ist damit ähnlich, wenn auch weniger ausgeprägt als in Marokko. Bemerkenswer- ter ist jedoch eine Verschiebung bei den wichtigsten Lieferanten: Während bis heute Russland wichtigster Lieferant ist und die USA nahezu keine Rüstungsgüter liefern, exportieren seit 2010 zunehmend auch westeuropäische Staaten Rüstungsgüter nach Algerien – allen voran Deutschland. Im Juli 2011 titelte das Handelsblatt: „Grenz- sicherung: Grünes Licht für Rüstungsdeals mit Algerien“. Der Bundessicherheitsrat habe vier Vorhaben mit einem Volumen von zehn Milliarden Euro auf zehn Jahre grundsätzlich bewilligt, so die Zeitung Amerikanische M109A5 Panzerhaubitzen der königlich marokkanischen Armee. weiter. Dabei handelte es sich u.a. um (Wikimedia commons/US Army Africa, CC-BY-SA 2.0) den Export einer Produktionsstätte für 12
Fuchs-Transportpanzer durch die tet werden, ein Überschwappen des Konzerne Rheinmetall und MAN, die bewaffneten Konflikts aus Libyen gemeinsame Produktion von Last- nach Tunesien zu verhindern, nutzt und Geländewagen durch Daimler, die Europäische Union Tunesien als Fregatten und Marineausbildung Brückenkopf für ihre Aktivitäten in durch Thyssenkrupp und „Verteidi- Libyen. So organisiert die Mission gungs- und Sicherheitselektronik für EUBAM Libya ihre Ausbildungsein- den Grenzschutz“ durch Rohde und sätze für libysche Sicherheitskräfte Schwarz, Cassidian und Carl Zeiss32 und ihre Beratungstätigkeiten für – letztere beiden mittlerweile in die dortigen Behörden bislang von Hensoldt aufgegangen. Tatsächlich Tunesien aus. Im Juli 2014 wurde weist die Datenbank der Campaign auch die EU-Delegation aus Tripolis Against Arms Trade (CAAT) einen evakuiert und stattdessen in Tunis rasanten Anstieg der bewilligten stationiert. Zu ihr gehörte bereits da- Exportlizenzen aus Deutschland mals auch ein „Experte für Terroris- nach Algerien auf. Hatte sich deren musbekämpfung“, der „Kontakte ... Gesamtwert in den zehn vorange- insbesondere zur Präsidialgarde und gangenen Jahren stets unter 20 Mio. zu verschiedenen Sicherheits- und Euro bewegt, stieg er 2011 auf 217 Justizbehörden“ Libyens pflegt und Mio. Euro an und erreichte 2016 für die „Koordinierung der Zusam- über 1,4 Mrd. Euro. Der Gesamtwert menarbeit der EU-Mitgliedstaaten der Exportlizenzen aus der EU nach im Bereich Terrorismusbekämpfung, Algerien belief sich 2016 auf über Analyse und Berichterstattung zur 2 Mrd. Euro – deutlich mehr als Sicherheitspolitik in Libyen mit in den Jahren 2001-2009 zusam- Schwerpunkt Terrorismusbekämp- men. 2014 wurden in Algerien fung“ zuständig ist und „Unterstüt- drei Fabriken für Transportpanzer, zung bei der Identifizierung und Geländewagen und Überwachungs- Implementierung von EU-Aktivitäten elektronik – jeweils mit Beteiligung Abschlusszeremonie für im Rahmen der EUBAM ausgebildeten im Bereich Terrorismusbekämp- Grenzschützern. (Flickr/EEAS) deutscher Firmen und des algeri- fung“ leisten soll.34 Ende 2017 schen Verteidigungsministerium – eröff- dienen soll (Algerien hingegen vermutet, befanden sich auch die EU-Marinemission net. In letzterer werden u.a. Bodenradare dass auch das eigene Staatsgebiet Ziel EUNAVFOR MED in Verhandlungen mit der produziert, wie sie Deutschland kostenlos der Überwachung sein könnte). Algerien, tunesischen Regierung über ein „techni- an Tunesien liefern ließ. Für den Lizenz- das bereits seit 2002 v.a. mit russischer sches Abkommen“, das u.a. „den raschen inhaber Hensoldt hat sich das offenbar Unterstützung mehrere Beobachtungssatel- Zugang und die Nutzbarkeit des Militär- gelohnt. Am 4. Mai 2017 veröffentlichte liten in den Orbit geschickt hatte, startete krankenhauses in Tunis für Personal von die Firma eine Pressemitteilung unter nur wenige Tage später seinen ersten EUNAVFOR MED“ sicherstellen soll.35 dem Titel „Spexer Radare von Hensoldt Kommunikationssatelliten mit chinesischer erobern den Weltmarkt“: „Die Produktfa- Hilfe und beschrieb dies als Auftakt einer Seit den Anschlägen von 2015 gilt Tune- milie ‘Spexer’ von Hensoldt, der früheren umfassenden und strategischen Zusam- sien bei der Zusammenarbeit mit der EU Elektronik-Sparte von Airbus Defence and menarbeit mit China bei der Weltraumtech- als Vorbild in Nordafrika. Zentraler Akteur Space, wird ein echter Export-Schlager. nologie. Zwar existieren Gerüchte, dass die ist hierbei der EU-Koordinator für die Seit dem Beginn des Jahres wurden etwa USA von einer Luftwaffenbasis im Süden Terrorismusbekämpfung. Die Staats- und 50 Einheiten des Spexer 2000 Bodenüber- Marokkos (bei Guelmim) Aufklärungsflüge Regierungschefs der EU hatten nach ihrem wachungsradars im Wert von etwa 40 Mio. durchführen würden und dass sie sich informellen Treffen am 15. Februar 2015 Euro durch die Länder des Mittleren Ostens intensiv bemüht hätten, Drohnen auf einem eine knappe Erklärung zur Terrorismusbe- und Nordafrikas (MENA-Region) bestellt“.33 Luftwaffenstützpunkt im Süden Algeriens kämpfung veröffentlicht. Darin heißt es im (bei Tamanrasset) stationieren zu dürfen. dritten von drei Punkten unter dem Titel Anders als in Tunesien, wo Rüstungsgüter Tatsächlich ist jedoch davon auszuge- „Zusammenarbeit mit unseren internati- kostenlos unter dem paternalistischen hen, dass in beiden Ländern weder eine onalen Partnern“: „Auch die Außenbezie- Begriff der „Ertüchtigung“ geliefert werden, französische, noch eine US-amerikanische hungen der EU müssen der Bekämpfung kaufen sich Marokko und Algerien mili- Drohnenbasis existiert, womit sie geradezu der terroristischen Bedrohung dienen“. Die tärische Technologie als Ergänzung und eine Anomalie in der Region darstellen. EU müsse „in Sicherheitsfragen und bei Modernisierung eigener Produktion ein und Stattdessen haben sich beide Länder in der Terrorismusbekämpfung stärker mit spielen dabei internationale, um Einfluss den vergangenen Jahren selbst umfang- Drittstaaten zusammenarbeiten, insbeson- konkurrierende Akteure gegeneinander reich Drohnen beschafft und entwickelt. dere im Nahen und Mittleren Osten und aus. Ähnliches gilt für Aufklärungssatelliten in Nordafrika und in der Sahel-Region ... und Drohnen: Im November 2017 startete 3.4. Regionale Vernetzung auch durch neue Kapazitätsaufbauprojekte Marokko seinen ersten Militär-Satelliten und Einflusssphären (z.B. Grenzkontrollen) mit den Partnern aus deutsch-französischer Produktion, und durch eine gezieltere EU-Hilfe.“36 Am der angeblichen in erster Linie der Über- Während die Grenzen zwischen Libyen und 10. Juni 2016 wurde präzisiert: Vorgesehen wachung der Grenzen und der Küstenlinie Tunesien v.a. mit dem Argument hochgerüs- sei ein „zielgerichteter und verbesserter 13
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