Aufbau und Messungen am Teststrahl mit einem Prototyp des PANDA elektromagnetischen Kalorimeters
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Aufbau und Messungen am Teststrahl mit einem Prototyp des PANDA elektromagnetischen Kalorimeters Masterarbeit im Studiengang „Master of Science“ im Fach Physik an der Fakultät für Physik und Astronomie der Ruhr-Universität Bochum von Tobias Triffterer aus Herten Bochum, im Wintersemester 2011/2012
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 1.1 Kern- und Teilchenphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 PANDA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Physikalische Grundlagen 3 2.1 Das Standardmodell der Teilchenphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2.1.1 Quarks, Leptonen und Bosonen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2.1.2 Vier grundlegende Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . 4 2.2 Quantenchromodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.2.1 Kopplungskonstanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.2.2 Positronium und Charmonium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2.3 Exotische Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.3 Antimaterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.3.1 Gegenstück der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.3.2 Annihilation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3 Das PANDA-Experiment 9 3.1 Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3.2 Facility for Antiproton and Ion Research . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3.3 Der PANDA-Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3.3.1 Das Target . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3.3.2 Das Target-Spektrometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3.3.3 Das Vorwärts-Spektrometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3.4 Die Vorwärtsendkappe des EMC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.4.1 Grundlegender Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.4.2 Der Proto192 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.5 Ultradünne Temperatursensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 4 Teststrahlzeiten mit dem Proto192 24 4.1 Messaufbau am SPS (CERN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4.2 Ergebnisse der Messung am SPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4.3 Cosmic-Messung in Bochum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4.4 Messaufbau an ELSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4.5 Messprogramm an ELSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4.6 Ergebnisse der Messungen an ELSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 5 Analyse der Messergebnisse 31 5.1 Rohdaten von der DAQ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 5.2 Von den Rohdaten zum Spektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 ii
Inhaltsverzeichnis 5.3 Fitten der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 5.3.1 Die Novosibirsk-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 5.3.2 Durchführung der Fits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 5.4 Auswertung der Ratenfestigkeitstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 6 Untersuchung der APD-Amplitudenschwankungen 38 6.1 Messaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 6.2 Reproduzierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 6.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 7 Die Proto192-Kanal-Datenbank 43 7.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 7.2 Struktur der Datenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 7.2.1 Entity-Relationsship-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 7.2.2 Kanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 7.2.3 Detektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 7.2.4 Subdetektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 7.2.5 Temperatursensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 7.2.6 Detektor- und Subdetektor-Typen . . . . . . . . . . . . . . . . 46 7.2.7 Archivsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 7.2.8 Überblick über die Datenbankstruktur . . . . . . . . . . . . . 48 7.3 Sicherheit der Webanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 7.3.1 „Never trust your clients“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 7.3.2 Gegenmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 8 Analyse-Framework 51 8.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 8.2 Selektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 8.3 Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 8.3.1 Histogramme füllen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 8.3.2 Peaks fitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 8.3.3 Automatische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 9 Fazit und Ausblick 56 Literaturverzeichnis 58 Tabellenverzeichnis 60 Abbildungsverzeichnis 61 iii
1 Einleitung Wir können noch nicht einmal exakte Lösungen für die Bewegung dreier Körper in Newtons Gravitationstheorie finden und die Schwierigkeiten wachsen mit der Zahl der Körper und der Komplexität der Theorie. (Stephen William Hawking) 1.1 Kern- und Teilchenphysik Seit Jahrtausenden erforscht der Mensch das Universum, in dem er lebt. Insbeson- dere im letzten Jahrhundert gab es zahlreiche bahnbrechende Entdeckungen und Er- findungen. Trotzdem geht die Suche nach weiterem Wissen und neuen Erkenntnissen ungebremst weiter, denn eine „Weltformel“ zur Erklärung des gesamten Universums gibt es noch nicht. Ziel der Kern- und Teilchenphysik ist es, den Aufbau der Materie auf Ebene ihrer elementaren Bestandteile zu erklären und die Wechselwirkungen zwischen ih- nen zu erforschen. Sie verfolgt somit die alte Frage, „was die Welt Im Innersten zusammenhält“ [Goe08]. Die aktuellen Theorien der Kern- und Teilchenphysik, dar- unter insbesondere das Standardmodell, beschreiben die experimentellen Resultate mit zuvor unerreichter Präzision. Nichtsdestotrotz liefern die Experimente immer deutlichere Hinweis auf Physik „ jenseits des Standardmodells“. Aus diesem Grund werden weltweit neue Experimente geplant und gebaut, die nicht nur die Grenze der bekannten Physik neu abstecken, sondern auch die Grenze des technisch Machbaren weiter hinausschieben. 1.2 PANDA Diese Arbeit wurde im Rahmen eines dieser Experimente verfasst, dem PANDA- Experiment (Antiproton Annihilation at Darmstadt). Dieses soll in den nächsten Jahren an dem neu gegründeten Forschungszentrum FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research) in Darmstadt aufgebaut werden. Ziel des Experimentes ist das bessere Verständnis der starken Wechselwirkung. Dazu wird die Hadronenspektro- skopie, insbesondere im Charmonium-Bereich, weiter präzisiert. Darüber hinaus zäh- len exotische Materie wie Gluonenbälle und Hyperkerne zu den Untersuchungsfel- dern. Kapitel 2 führt die physikalischen Grundlagen ein, die dem Experiment zu- grunde liegen. In Kapitel 3 wird das PANDA-Experiment vorgestellt. Das Institut für Experimentalphysik I der Ruhr-Universität Bochum ist feder- führend an der Entwicklung der Endkappe des elektromagnetischen Kalorimeters beteiligt. Hierzu wurde ein Prototyp entwickelt, an dem die Technologie der End- 1
1 Einleitung 1.2 PANDA kappe getestet werden soll. Die Endkappe und ihr Prototyp werden in Abschnitt 3.4 vorgestellt. Mit dem Prototypen wurden im Rahmen des Jahres, in dem diese Arbeit angefer- tigt wurde, zwei Teststrahlzeiten durchgeführt. In Kapitel 4 werden die Bedingungen bei diesen Teststrahlzeiten erläutert. Diese Arbeit konzentriert sich hauptsächlich auf die zweite Strahlzeit am ELSA-Beschleuniger in Bonn. In Kapitel 5 werden die Messdaten dieser ELSA-Strahlzeit analysiert, um die im Prototypen genutzen Pho- todetektoren auf ihre Ratenfestigkeit zu überprüfen. Bei einem Detektortyp, den Avalanche-Photodioden, wurden bei dieser Untersuchung Probleme festgestellt. Ka- pitel 6 zeigt, wie diese Probleme weiter untersucht und behoben wurden. Allerdings wurden in dem Jahr nicht nur Messungen durchgeführt und Messdaten analysiert. Im Rahmen dieser Arbeit wurden auch Detektorkomponenten weiter- entwickelt. In Abschnitt 3.5 wird das überarbeitete Verfahren zur Herstellung der Temperatursensoren für den Prototypen vorgestellt. Darüber hinaus wurde im Rah- men dieser Arbeit Software für den Prototypen entwickelt. Kapitel 7 beschreibt die Proto192-Kanal-Datenbank, in der Daten zu den verbauten Komponenten und zur Konfiguration des Prototypen gespeichert werden. Kapitel 8 zeigt schließlich das zur Auswertung der Messdaten des Prototypen entwickelte Analyse-Framework. 2
2 Physikalische Grundlagen 2.1 Das Standardmodell der Teilchenphysik Das Standardmodell der Teilchenphysik basiert auf der Quantenfeldtheorie und ist die derzeit beste theoretische Beschreibung der Erkenntnisse der Kern- und Teil- chenphysik. Seine Vorhersagen sind vielfach in Experimenten bestätigt worden. Von den Teilchen, die das Modell vorhersagt, wurde bis jetzt nur das Higgs-Boson noch nicht nachgewiesen. Allerdings sind Physiker aus aller Welt dem Higgs-Teilchen mit dem Large Hadron Collider (LHC) am europäischen Kernforschungszentrum CERN auf der Spur. Aber selbst wenn das Higgs-Teilchen gefunden würde, so wäre die Teilchenphysik damit noch nicht „abgeschlossen“. Das Standardmodell benötigt die Massen und Eigenschaften der Teilchen als „Eingabeparameter“. Es erklärt nicht, warum diese Parameter gerade diesen Wert annehmen oder warum es gerade drei Teilchen-Generationen gibt und nicht zwei oder vier. Physiker vermuten daher, dass eine noch grundlegendere Theorie zu den elementaren Bausteinen der Materie for- muliert werden kann. Es existieren verschiedene Ansätze für so eine neue Theorie, aber ohne neue experimentelle Erkenntnisse bleiben sie Gedankenspiele. 2.1.1 Quarks, Leptonen und Bosonen Unser Universum besteht aus Fermionen und Bosonen. Einige dieser Teilchen haben eine Substruktur, bestehen also aus weiteren, elementareren Teilchen. Die Teilchen, bei denen keine Substruktur mehr nachgewiesen werden kann, heißen Elementar- teilchen. Diese lassen sich in folgende Kategorien einteilen: Fermionen haben einen halbzahligen Spin und sind die Bausteine der Materie. Bosonen haben einen ganzzah- ligen Spin und übertragen die vier Grundkräfte der Natur. Eine Ausnahme sind die Tabelle 2.1: Übersicht über die Quarks [Nak10] mit: Q = Ladung, Y = Hyperladung, I = Isospin, T = schwacher Isospin, Gen. = Generation, QZ = Quantenzahl Quark Symbol Q [e] Y Flavour-QZ Tz Masse [ MeV c2 ] Gen. 2 1 1 1 Up u +3 +3 Iz = + 2 +2 1,7 − 3,3 1 Down d − 13 + 31 Iz = − 21 − 12 4,1 − 5,8 1 2 4 1 +70 Charm c +3 +3 C = +1 +2 1270−90 2 1 2 1 +29 Strange s −3 −3 S = −1 −2 101−21 2 Top t + 23 + 34 T = +1 + 12 172000 ± 2400 3 1 2 1 +180 Bottom b −3 −3 B = −1 −2 4190−60 3 3
2 Physikalische Grundlagen 2.1 Das Standardmodell der Teilchenphysik Tabelle 2.2: Übersicht über die Leptonen [Nak10] mit: L = Leptonenzahl, Li = Leptonfamilienzahl, T = schwacher Isospin, Gen. = Generation Lepton Symbol Q [e] L L1 L2 L3 Tz Masse [ MeV c2 ] Gen. − 1 Elektron e −1 +1 +1 0 0 −2 0,511 1 e-Neutrino νe 0 +1 +1 0 0 + 21 < 2 · 10−6 1 1 Myon µ −1 +1 0 +1 0 − 2 105,66 2 1 µ-Neutrino νµ 0 +1 0 +1 0 + 2 < 0,19 2 Tauon τ −1 +1 0 0 +1 − 21 1777 3 1 τ -Neutrino ντ 0 +1 0 0 +1 + 2 < 18,2 3 Photonen (s.u.), die darüber hinaus auch elektromagnetische Felder übertragen. Die Fermionen werden nach ihrem Gewicht weiter aufgeteilt, in Leptonen (ursprüngl. für „leichte Teilchen“) und Quarks. Nicht-elementare Teilchen können nach ihrem Spin jedoch auch als Fermionen oder Bosonen identifiziert werden. Beide Gruppen enthalten jeweils sechs Teilchen, die in drei Generationen aufgeteilt werden. Alle sechs Leptonen kommen einzeln in der Natur vor und sind beobachtet worden. Dies ist bei den Quarks nicht möglich. Aufgrund des „Confinements“ (siehe Abschnitt 2.1.2) können nur gebundene Zustände aus mehreren Quarks beobachtet werden. Dies sind die Mesonen (ursprüngl. für „mittelschwere Teilchen“), die aus einem Quark-Antiquark-Paar bestehen, und die Baryonen (ursprüngl. für „schwere Teilchen“), die aus drei Quarks bestehen. Theoretisch sind auch Teilchen mit mehr als 3 Quarks möglich (z. B. das Tetraquark qqqq oder das Pentaquark qqqqq), diese wurden bis jetzt aber noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen [Nak10]. Mesonen, Ba- ryonen und alle theoretisch möglichen Teilchen mit mehr Quarks werden unter dem Sammelbegriff „Hadronen“ zusammengefasst. Tabelle 2.1 enthält eine Übersicht der Quarks, Tabelle 2.2 eine Übersicht der Leptonen. 2.1.2 Vier grundlegende Wechselwirkungen Die Physik kennt derzeit vier grundlegende Wechselwirkungen („Kräfte“), auf die alle anderen Kräfte und Wechselwirkungen im Universum zurückgeführt werden können, so basiert beispielsweise die Lorentz-Kraft auf der elektromagnetischen Wechselwir- kung. Diese Wechselwirkungen sind im Einzelnen: Die elektromagnetische Wechselwirkung Die elektromagnetische Wechselwirkung bietet eine einheitliche Beschreibung der Phänomene der Elektrizität und des Magnetismus. Sie vermittelt die Anziehungs- und Abstoßungseffekte zwischen elektrisch geladenen Teilchen sowie die Effekte durch elektrische und magnetische Felder. Elektromagnetische Wellen sind schließ- lich der physikalische Hintergrund des Lichts und aller Funk-Techniken. Die ma- kroskopischen Eigenschaften elektrischer und magnetischer Felder werden durch die vier Maxwell-Gleichungen beschrieben. Die quantenmechanisch korrekte Beschrei- bung (auf Basis der Quantenfeldtheorie) ist die Quantenelektrodynamik (QED). In 4
2 Physikalische Grundlagen 2.1 Das Standardmodell der Teilchenphysik dieser übermittelt ein Eichboson die Wechselwirkung, das Photon (γ). Das Photon selbst ist elektrisch neutral und hat eine Ruhemasse von 0, bewegt sich also mit Lichtgeschwindigkeit, die elektromagnetische Wechselwirkung hat eine unbegrenzte Reichweite. Experimentell kann zurzeit 6 · 10−17 eV als obere Massengrenze für das Photon angegeben werden [Ams07]. Die starke Wechselwirkung Die starke Wechselwirkung ist der „Kleber“, der die Protonen und Neutronen im Atomkern zusammenhält, die sich eigentlich elektrisch abstoßen würden. Dar- über hinaus bindet sie die Quarks im Nukleon an- einander. Die starke Wechselwirkung ist daher um ei- nige Größenordnungen stärker als die elektromagneti- sche Wechselwirkung. Abbildung 2.1 zeigt eine künst- Abbildung 2.1: Ein Nukleon lerische Darstellung eines Nukleons, in der die star- [PAN12b] ke Wechselwirkung durch die Federn zwischen den Quarks symbolisiert wird. Die Theorie, die die starke Wechselwirkung beschreibt, ist die Quantenchromodynamik (siehe Abschnitt 2.2). Analog zur elektrischen Ladung (positiv und negativ) kann man auch eine Ladung für die starke Wechselwirkung definieren. Diese hat aber die drei verschiedenen Ausprägungen rot (r), grün (g) und blau (b) mit den entsprechenden Gegenstücken antirot (r), antigrün (g) und antiblau (b). Alle Quarks tragen eine Farbladung, Leptonen unterliegen nicht der starken Wechselwirkung und haben daher keine Farbladung. Die starke Wechsel- wirkung wird durch das Gluon (g) vermittelt. Im Gegensatz zum Photon trägt das Gluon aber selbst die Ladung, deren Kraft es vermittelt. Ein Gluon trägt immer eine Farbe und eine Antifarbe. Daher können Gluonen auch untereinander wechselwirken, was bei Photonen so nicht möglich ist. Die Farben als Namen für die Ladungszutän- de der starken Wechselwirkung wurden im Hinblick auf die additive Farbmischung, die zum Beispiel bei Computermonitoren genutzt wird, gewählt. Rot plus grün plus blau ergibt weiß, d.h. ein aus Sicht der Farbladung ungeladenes Teilchen [HM84]. Ein weiteres Phänomen der starken Wechselwirkung ist das Confinement. Dieses besagt, dass alle Hadronen nach außen hin als „weiße“ Teilchen erscheinen. Da- her müssen die Farbladungen von Quarks und Gluonen in einen Hadron so zusam- menwirken, dass sich ihre Farbladungen immer gegenseitig aufheben. Die Reich- weite der starken Wechselwirkung ist somit auf den typischen Hadronenradius von 10−15 m = 1 fm beschränkt [HM84]. Außerdem schließt das Confinement die Be- obachtung eines einzelnen freien Quarks aus, denn dieses wäre nicht farblos. Das Gluon tritt somit in acht verschiedene Varianten auf. Theoretisch wäre eine neunte Variante denkbar, allerdings wäre diese farblos und das Gluon somit nicht an das Confinement gebunden. Solche freien weißen Gluonen könnten, wenn sie existieren, nicht beobachtet werden, da sie mit der von uns beobachtbaren Materie nicht wech- selwirken können. Obwohl die starke Wechselwirkung eine beschränkte Reichweite hat, ist ihr Austauschteilchen, das Gluon, der Theorie nach masselos. Experimentell kann eine Masse von einigen MeV jedoch nicht ausgeschlossen werden [Nak10]. 5
2 Physikalische Grundlagen 2.2 Quantenchromodynamik Die schwache Wechselwirkung Die schwache Wechselwirkung ist die einzige Wechselwirkung, die es ermöglicht, die Art („Flavour“) eines Quarks oder Leptons zu ändern. Sie ist somit auch für den radioaktiven Beta-Zerfall verantwortlich [Dem04]. Die schwache Wechselwir- kung wird durch drei Bosonen übertragen: Das W + , das W − und das Z 0 -Boson. Da diese Bosonen eine Ruhemasse von (80.399 ± 23) MeV c2 im Falle der W ± bzw. MeV (91.187,6 ± 2,1) c2 im Falle des Z 0 ist die Reichweite der schwachen Wechselwir- kung auf etwa 10−18 m = 1 am beschränkt [Nak10]. Die Bosonen existieren bei den Wechselwirkungsprozessen nur als virtuelle Teilchen, ihre Ruheenergie kann für den kurzen Zeitraum ihrer Existenz aufgrund der heisenbergschen Unschärferelation dem Vakuum entnommen werden („Vakuumfluktuation“) [HM84]. Die Gravitation Die Gravitation ist im Vergleich zu den anderen drei Kräften extrem schwach. Auf- grund dessen und aufgrund der geringen Massen der beteiligten Teilchen spielt die Gravitation in der Teilchenphysik keine Rolle. Auf großen Skalen ist es jedoch die Gravitation, die das Universum dominiert, da starke und schwache Wechselwirkung auf sehr kleine Skalen beschränkt sind (s. o.) und makroskopische Objekte im Allge- meinen elektrisch neutral sind, so dass die elektromagnetische Wechselwirkung auch keine Rolle spielt. Auf mikroskopischer Ebene müsste jedoch ein Teilchen wie ein Quark eine Ruhemasse von etwa 1020 GeV · c−2 haben, damit die Gravitation so stark wäre wie die starke Wechselwirkung [Ams07]. Die Unterschiede liegen jedoch nicht nur auf experimenteller Ebene vor. Auch in der Theorie ist bis jetzt eine Vereinigung zwischen den Theorien der Quantenme- chanik und der Gravitation (allgemeine Relativitätstheorie) noch nicht gelungen. Als Austauschteilchen der Gravitation wurde das Graviton postuliert, ein masselo- ses Boson mit Spin 2. Dieses ist bis jetzt jedoch noch nicht nachgewiesen worden [Nak10]. 2.2 Quantenchromodynamik 2.2.1 Kopplungskonstanten Die Quantenchromodynamik (QCD) ist die Theorie der starken Wechselwirkung. Sie beschreibt die Wechselwirkung der Quarks und Gluonen auf Basis der Farbladung (siehe 2.1.2). Im Gegensatz zur QED ist die QCD zu großen Teilen noch nicht verstanden. In der QED nimmt die Kopplungskonstante α (Feinstrukturkonstante) den Wert e2 1 α= ≈ (2.1) 2cε0 h 137,036 an. Da dies sehr viel kleiner als 1 ist, kann die QED mit Hilfe der Störungstheorie beschrieben werden. In der QCD nimmt die Kopplungskonstante der starken Wech- selwirkung αs keinen festen Wert an, sie ist vom Abstand der wechselwirkenden Teilchen abhängig. Sie nimmt dabei auch Werte an, die in der Größenordnung von 1 6
2 Physikalische Grundlagen 2.2 Quantenchromodynamik oder darüber liegen. Somit ist die Störungstheorie nicht mehr anwendbar. Daher sind wesentlich aufwendigere Methoden wie die Gittereichtheorien nötig, die aufwändige Computersimulationen erfordern. Dies ist einer der Gründe, warum die QCD noch nicht so gut verstanden ist wie die QED. Mathematisch basiert die QCD auf der dreidimensionalen speziellen unitären Gruppe (SU (3)) [HM84, Dem04]. 2.2.2 Positronium und Charmonium Ein gebundener Zustand aus einem Elektron und seinem Antiteilchen (siehe Ab- schnitt 2.3), dem Positron, wird als Positronium bezeichnet. Analog dazu wird ein gebundener Zustand aus einem Quark und seinem Antiquark als Quarkonium be- zeichnet. Handelt es sich bei dem Quark um ein Charm, so wird der Zustand cc als Charmonium bezeichnet. Durch die Untersuchung von Charmonium-Zuständen und dem Vergleich mit Untersuchungen von Positronium können Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der elektromagnetischen und der starken Wechselwirkung ge- funden werden. Ein Vergleich der Spektren zeigt bei niedrigen Ener- gien große Übereinstimmungen, so dass man anneh- men kann, dass die Gluonen wie die Photonen ein r−1 - Potential erzeugen. Bei größeren Energien zeigen sich jedoch deutliche Abweichungen, so dass bei der QCD ein weiterer Effekt hinzukommen muss, der in der QED nicht existiert. Derzeit wird ein linear mit dem Ab- stand steigender Anteil angenommen, so dass sich für das effektive Potential der QCD folgende Gleichung ergibt: 4 αs (r)~c V (r) = − +k·r (2.2) 3 r In dieser Gleichung gibt die Proportionalitätskonstan- te k die Feldenergie pro Länge an und wird als „string tension“ bezeichnet. In dieser Gleichung findet sich auch die Erklärung Abbildung 2.2: Illustration für das bereits erwähnte „confinement“ in der QCD. des Confinements, hier das Wenn man versucht, ein Quark aus einem Hadron zu Trennen von zwei Quarks entfernen um es isoliert zu untersuchen, so steigt die [PAN12b] potentielle Energie mit wachsender Entfernung an. Wenn die Energie die Schwelle 2mq c2 für den Quarkflavour q erreicht, kann ein Quark-Antiquark-Paar dieses Fla- vours gebildet werden. Eines davon bleibt Konstituent des Hadrons, eines bildet mit dem Quark, dessen Isolierung man versucht, ein Meson. Somit ist die Isolie- rung des Quarks nicht möglich [Ams07, HM84]. Abbildung 2.2 zeigt eine graphische Darstellung dieses Vorgangs. 2.2.3 Exotische Materie Wie in Abschnitt 2.1.2 erwähnt, tragen Gluonen eine Farbladung und können somit auch mit sich anderen Gluonen wechselwirken und nicht nur mit Quarks. Daher 7
2 Physikalische Grundlagen 2.3 Antimaterie sind auch Hadronen denkbar, die an Stelle eines Quarks ein Gluon als Konstituent enthalten. Dies kann bis zu den so genannten „Gluonenbällen“ gesteigert werden, die gar keine Quarks enthalten, sondern ausschließlich aus Gluonen bestehen. Derarti- ge Zustände sind laut der QCD erlaubt, wurden bis jetzt aber noch nicht definitiv nachgewiesen. Es zeigten sich jedoch bei einigen Experimenten Kandidaten für der- artige Zustände. Diese zeichnen sich durch „exotische“ Quantenzahlen aus. Dies sind Kombinationen aus Quantenzahlen wie Gesamtspin, Parität und Ladungskonjuga- tion, die bei Teilchen, die nur aus zwei oder drei Quarks bestehen, nicht vorkommen können. Tetra- oder Pentaquarks, wie in Abschnitt 2.1.1 erwähnt, hätten ebenfalls Eigenschaften, wie sie bei den bis jetzt sicher nachgewiesenen Teilchen nicht vor- kommen können [Nak10]. 2.3 Antimaterie 2.3.1 Gegenstück der Materie Alle Quarks und die Leptonen besitzen ein Gegenstück in Form eines Antiteilchens. Dieses stimmt mit dem jeweiligen Teilchen in Masse, Spin und magnetischem Mo- ment überein, die additiven Quantenzahlen wie Ladung, Leptonenzahl, Baryonen- zahl etc. haben jedoch das entgegengesetze Vorzeichen. Die Existenz von Antiteil- chen wurde bereits vor ihrer Entdeckung aus der Dirac-Gleichung abgeleitet. Diese sagt für jeden Zustand mit der Energie +E einen zusätzlichen Zustand mit der Ener- gie −E voraus. Da eine „negative Energie“ unphysikalisch ist, wurde dieses Ergebnis als Gegenstück mit entgegengesetzer Ladung interpretiert, was durch die Entdeckung des Positrons bestätigt wurde. Teilchen, die aus mehreren Quarks zusammengesetzt sind, können ihr eigenes Antiteilchen sein, wenn alle additiven Quantenzahlen 0 sind. Dies trifft beispielsweise auf das π 0 zu. Auch einige der Eichbosonen sind ihr eige- nes Antiteilchen wie das γ und das Z 0 . Bei den Neutrinos werden in der Theorie derzeit Neutrinos und Antineutrinos wie bei den anderen Leptonen unterschieden. Allerdings ist es im Gegensatz zu diesen experimentell noch nicht erwiesen, dass Neutrinos und Antineutrinos tatsächlich verschieden sind. Es ist theoretisch auch möglich, dass Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen sind [Nak10]. 2.3.2 Annihilation Schießt man ein Teilchen und sein Antiteilchen aufeinander, so können diese an- nihilieren, das heißt sich gegenseitig vernichten. In diesem Fall steht die gesamte Ruheenergie beider Teilchen zuzüglich der kinetischen Energie vor der Kollision, also E = 2mc2 + Ekin , zur Erzeugung neuer Teilchen zur Verfügung [Dem04]. Da sich die additiven Quantenzahlen im Eingangskanal dieser Reaktion immer zu null addieren können im Ausgangskanal Teilchen gebildet werden, deren Erzeugung bei einer Teilchen-Teilchen-Kollision durch verbotene Übergänge unterdrückt wäre. Bei einer pp-Annihilation können dagegen Teilchen mit exotischen Quantenzahlen direkt erzeugt werden [Ern09]. 8
3 Das PANDA-Experiment 3.1 Ziele Das PANDA-Experiment (Antiproton Annihilation at Darmstadt) befindet sich derzeit in der Planungsphase und soll in den nächsten Jahren am Beschleunigerzen- trum FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research) in Darmstadt aufgebaut wer- den. Die PANDA-Kollaboration ist ein internationaler Verbund von 55 Institutionen mit mehr als 450 Wissenschaftlern. Ziel des Experimentes ist die Untersuchung von Proton-Antiproton-Kollisionen. Hierdurch eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten zur Untersuchung der in Kapitel 2 vorgestellten physikalischen Grundlagen und einen tieferen Einblick in noch nicht (vollständig) geklärte Bereiche der Teilchenphysik zu erhalten. pp-Kollisionen sind dafür besonders interessant, da sich alle Quanten- zustände direkt erzeugen lassen. Bei e− e+ -Kollisionen ist dies nicht möglich, da in diesem Fall die Quantenzahlen aufgrund des beteiligten virtuellen Photons auf J P C = 1−− festgelegt sind. PANDA soll unter anderem die Charmonium- und Open- Charm-Spektroskopie, D und Ds -Zustände sowie Hyperkerne untersuchen und die Existenz von Gluebällen und Hybriden wenn möglich verifizieren [Ern09]. 3.2 Facility for Antiproton and Ion Research Die Beschleunigeranlage FAIR wird die Antiprotonenstrahlen für das PANDA-Expe- riment zur Verfügung stellen. PANDA wird am HESR (High Energy Storage Ring) stehen. Dieser soll Antiprotonenstrahlen mit Energien von 1,5 GeV bis 15 GeV zur Verfügung stellen. Neben dem Energiebereich stellt das PANDA-Experiment hohe Anforderungen an den Beschleuniger, der Strahlen mit einer geringen Unschärfe bei gleichzeitig hoher Intensität liefern muss. Der HESR ermöglicht hierzu zwei ver- schiedene Betriebsmodi. Der eine bietet eine Luminosität von 1031 cm−2 s−1 bei einer Impulsunschärfe von ∆p · p−1 = 10−5 , der andere eine höhere Luminosität von 1032 cm−2 s−1 bei einer erhöhten Impulsunschärfe von ∆p · p−1 = 10−4 [Fac12]. 3.3 Der PANDA-Detektor PANDA ist ein Fixed-Target-Experiment, die Antiprotonen aus dem HESR-Strahl treffen also auf (nahezu) ruhende Protonen. Abbildung 3.2 zeigt einen Überblick über den Aufbau des Detektors, der in den folgenden Abschnitten näher erläutert wird. Um die im Physikprogramm genannten Ziele zu erreichen, muss der PANDA- Detektor folgende Kriterien erfüllen: • Nahezu 4π Raumwinkelabdeckung 9
3 Das PANDA-Experiment 3.3 Der PANDA-Detektor Abbildung 3.1: Übersicht der bestehenden (blau) und geplaten (rot) Einrichtungen von GSI und FAIR [Fac12] • Hohe Winkelauflösung für geladene und ungeladene Teilchen • Hohe Energieauflösung • Gute Möglichkeiten zur Identifikation vieler verschiedener Teilchen (Photonen, Leptonen, Kaonen usw.) • Kompatibilität mit den Ereignisraten von etwa 107 s−1 Zusätzlich soll der gesamte Detektor aus Gründen der Kosteneffizienz möglichst kompakt sein. Da PANDA ein Fixed-Target-Experiment ist, haben die Reaktionsprodukte eine Vorzugsrichtung (Boost) in Strahlrichtung, die deshalb auch Vorwärtsrichtung ge- nannt wird. Um der Asymmetrie Rechnung zu tragen ist der PANDA-Detektor in ein Target- und ein Vorwärtsspektrometer eingeteilt. 3.3.1 Das Target Für das Protonen-Target werden verschiedene Möglichkeiten in Betracht gezogen, eventuell wird es am fertigen Detektor auch möglich sein, das Target auszutauschen, um den Anforderungen verschiedener Messprogramme gerecht zu werden. 10
3 Das PANDA-Experiment 3.3 Der PANDA-Detektor Abbildung 3.2: Überblick des PANDA-Detektors [PAN12b] Cluster-Jet-Target Bei einem ClusterJet-Target wird ein gekühltes Gas durch eine Düse mit einem Durchmesser von wenigen Mikrometern in das Strahlrohr geleitet und in der Düse zusätzlich gekühlt. Beim Austritt erreicht das Gas Überschallgeschwindigkeit. Bei richtiger Wahl des Gases und seiner Parameter (Temperatur, Druck etc.) kondensiert das Gas und es bilden sich Nanopartikel, die etwa 103 bis 105 Atome enthalten. Ein Cluster-Jet-Target bietet eine homogene Anzahldichte der Nanoteilchen, eine scharfe Abgrenzung des von ihnen ausgefüllten Volumens und eine konstate Winkelvertei- lung. Somit wird eine Zeitstruktur in der Dichte und damit eine Zeitstruktur in der Luminosität in erster Ordnung vermieden. Als Gas für das Cluster-Jet-Target wird Wasserstoff erprobt, allerdings ist die Verwendung von Deuterium ebenso möglich [PAN12a]. Pellet-Target Bei einem Pellet-Target werden zunächst kleine Kugeln, genannt Pellets, aus gefro- renem Wasserstoff erzeugt, deren Durchmesser etwa 20 µm bis 40 µm beträgt. Die Produktion der Pellets findet außerhalb des Detektorvolumens statt. Die fertigen Pellets fallen dann durch ein senkrechtes Rohr in das Strahlrohr, wo sie den Strahl durchqueren und unten hinausgeführt und aufgefangen werden. Der Pellet-Strom hat eine kleine Winkelverteilung, so dass der Interaktionspunkt zwischen Pellet und Strahlteilchen mit einer Genauigkeit von ±1 mm bestimmt werden kann. Die Pel- lets haben eine Fallgeschwindigkeit von 60 ms bei einer Pellet-Rate von 10.000 Pellets pro Sekunde. Der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pellets beträgt somit 11
3 Das PANDA-Experiment 3.3 Der PANDA-Detektor Abbildung 3.3: PANDA-Strahlrohr mit dem Pellet-Target, die übrigen Detektor- Kompinenten sind ausgeblendet [PAN12a] wenige Millimeter. In einem Pellet finden während seiner Durchquerung des Strahls etwa 100 Teilchenkollisionen statt [PAN12a]. 3.3.2 Das Target-Spektrometer Mikrovertexdetektor Den inneren Teil des Target-Spektrometers bildet der Mikrovertexdetektor (MVD). Dieser besteht aus strahlenharten Silizium-Pixel und Silizium-Streifen-Detektoren mit einer schnellen Ausleseelektronik. Designziele waren eine maximale Akzeptanz Abbildung 3.4: Schema-Zeichnung des Mikrovertexdetektors [PAN12a] (Teile mit Pixel-Detektoren in rot) 12
3 Das PANDA-Experiment 3.3 Der PANDA-Detektor Abbildung 3.5: Schema-Zeichnung des Straw-Tube-Trackers [PAN12a] nah am Interaktionspunkt sowie eine gute Rekonstruierbarkeit der Sekundärvertizes bei D-Meson- und Hyperon-Zerfällen. Derzeit wird an einer Ausleseelektronik gear- beitet, die es ermöglicht, die Daten des MVD kontinuierlich ohne externen Trigger aufzunehmen [Ern09]. Der MVD besteht aus vier zylinderförmigen Schichten („barrel“) um den Inter- aktionspunkt sowie sechs Scheiben in Vorwärtsrichtung (siehe Abbildung 3.4). Die beiden inneren Zylinder und alle sechs Scheiben sind mit Silizium-Pixel-Detektoren ausgestattet, die beiden äußeren Scheiben jedoch nur teilweise. Die verbleibenden Teile des MVD sind mit doppelseitigen Silizium-Streifen-Detekoren instrumentiert. Abbildung 3.4 zeigt eine Schemazeichnung des MVD, anhand derer die beidem In- strumentierungsbereiche unterschieden werden können. Es wird eine Vertexauflösung besser als 100 µm angestrebt [Ern11]. Central Tracker Um den Mikrovertexdetektor herum befindet sich ein Straw-Tube-Tracker (siehe Ab- bildung 3.5). Dieser besteht aus mit einer Argon-Kohlenstoffdioxid-Mischung gefüll- ten Röhren mit einem Durchmesser von 10 mm. In der Mitte dieser Röhre befindet sich ein Draht, an den eine Hochspannung von mehreren Kilovolt angelegt wird. Wenn ein Teilchen das Gasvolumen durchquert so ionisiert es Gasatome. Die Ionen driften daraufhin zur Wand, die Elektronen werden zum Draht beschleunigt. Wenn sie, beschleunigt von der Hochspannung, eine ausreichende Geschwindigkeit errei- chen, können sie weitere Atome ionisieren. Dies führt zu einem Lawineneffekt, der das Signal verstärkt und messbar macht. Der Straw-Tube-Tracker besteht aus vielen dieser Röhren, so dass aus den zusammengefassten Informationen der Einzelröhren die Spur des Teilchens rekonstruiert werden kann. 13
3 Das PANDA-Experiment 3.3 Der PANDA-Detektor (a) DIRC (b) TOF Abbildung 3.6: CAD-Zeichnung des DIRC- und TOF-Systems (die TOF-Zeichnung zeigt auch Teile des Vorwärts-Spektrometers, vgl. Abschnitt 3.3.3) [PAN12a] Teilchenidentifikation Zur Teilchenidentifikation kommt im Target-Spektrometer ein DIRC-Detektor (De- tection of Internally Reflected Cherenkov light) zum Einsatz (siehe Abbildung 3.6). Dieser besteht aus 1,7 cm dicken Quartz-Platten mit einem Brechungsindex von n = 1,47, in denen Teilchen mit lokaler Überlichtgeschwindigkeit1 unter einem cha- rakteristischen Winkel Licht abgeben, die Čerenkov-Strahlung. Dieses Licht wird innerhalb der Quartz-Platten durch Totalreflexion weitergeleitet und so aus dem Barrel herausgeführt. Am Ende sitzen Photomultiplier-Einheiten, die das Licht de- tektieren [PAN12a]. Da aus der Messung des Emissionswinkels des Čerenkov-Lichtes die Geschwindigkeit des Teilchens berechnet werden kann, ist die Berechnung der Teilchenmasse möglich, da sich aus der Krümmung der Spur im Magnetfeld, die von den Tracking-Detektoren aufgenommen wird, der Impuls der Teilchen ergibt. Aus der Masse des Teilchens kann auf seine Art (Elektron, Pion, Kaon etc.) geschlossen werden. Für Teilchen, die die Čerenkov-Grenzgeschwindigkeit unterschreiten, muss eine alternative Möglichkeit zur Geschwindigkeitsmessung gefunden werden. Dies wird über eine Messung der Flugzeit („time of flight“, kurz TOF) erreicht. Daher sind im Barrel reine Time-Of-Flight-Detektoren aus Szintillatorstreifen für langsame Teil- chen geplant. Diese müssen eine Zeitauflösung im Bereich von 50 ps haben. Da es keinen Detektor gibt, der ein Startsignal für die Flugzeitmessung geben kann, müs- sen Zeitdifferenzen zwischen mindestens zwei Teilchen gemessen werden [Ern09]. Elekromagnetisches Kalorimeter An den Central Tracker schließt sich das elektromagnetische Kalorimeter (EMC) an. Dieses besteht aus dem Fass (Barrel) sowie der Vorwärts- und der Rückwärtsendkap- 1 Lokale Überlichtgeschwindigkeit bezeichnet eine Geschwindigkeit über der Lichtgeschwindigkeit in dem jeweiligen Medium c · n−1 , jedoch unter der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c 14
3 Das PANDA-Experiment 3.3 Der PANDA-Detektor Tabelle 3.1: Eigenschaften der Bleiwolframat-Kristalle für das EMC [Ern08] Dichte % 8,28 g · cm−3 Strahlungslänge X0 0,89 cm Molière-Radius RM 2,00 cm Abklingzeit τdecay 6,5 ns Emissions-Wellenlänge λmax 420 nm Relative Lichtausbeute (vergl. mit NaI) LY 0,6% (T = 20 ◦ C) 2,5% (T = −25 ◦ C) Energieverlust minimalion. Teilchen dE/dx 10,2 MeV · cm−1 Temperaturabh. der Lichtausbeute dLY/dT −3,0% · ◦ C−1 (T = 20 ◦ C) pe. Abbildung 3.7 zeigt eine schematische Übersicht, in der die Rückwärtsendkappe jedoch nicht eingezeichnet ist. Das EMC dient dazu, die Teilchen abzubremsen bzw. zu stoppen und die im Kalorimeter deponierte Energie zu messen. Dies gilt insbe- sondere für den Nachweis von Elektronen, Positronen und Photonen, die aufgrund der Kristalllänge in nahezu jedem Fall vollständig gestoppt werden können. Dazu ist das EMC mit Szintillatoren ausgestattet, welche die deponierte Energie in Licht umwandeln, was dann mit Photodetektoren gemessen werden kann. Beim EMC des PANDA-Detektors wird Bleiwolframat (PbWO4 ) als Szintillationsmaterial verwen- det. Bleiwolframat zeichnet sich durch eine schnelle Abklingzeit von weniger als 6,5 ns aus. Aufgrund der kompakten Bauweise des EMC und der zu erwartenden Ereignisraten bei PANDA ist eine derart geringe Abklingzeit erforderlich, um Pile- up zu minimieren. Des Weiteren zeichnet sich Bleiwolframat durch eine hohe Strah- lenhärte aus. Die Lichtausbeute von Bleiwolframat ist jedoch gering, sie beträgt nur etwa 2,5% der Lichtausbeute von Natriumiodid bei einer Temperatur von −25 ◦ C. Tabelle 3.1 zeigt eine Übersicht der Eigenschaften des Materials Bleiwolframat, wie es bei den Kristallen für das PANDA-Kalorimeter zum Einsatz kommt. [Ern08] Die Vorwärtsendkappe wird in Abschnitt 3.4 noch ausführlicher beschrieben, da diese Arbeit im Rahmen der Entwicklung eines Prototypen für die Vorwärtsendkappe an der Ruhr-Universität Bochum entstanden ist. Die bisher beschriebenen Bauteile vom MVD bis zum EMC werden von einem supraleitenden Solenoid-Magneten umfasst. Dieser erzeugt ein Feld von 2 T, dass im Bereich des MVD und Central Tracker bis auf 2% homogen ist. 3.3.3 Das Vorwärts-Spektrometer Das Vorwärts-Spektrometer ergänzt die Detektoren des Target-Spektrometers für Teilchen, die unter einem Winkel von weniger als 22◦ zur Strahlachse emittiert wer- den. Diesen Bereich kann das Target-Spektrometer nicht abdecken, da das Strahlrohr diesen Bereich einnimmt. Zu den Detektoren im Target-Spektrometer findet sich je ein Pendant im Vorwärts-Spektromter, mit Ausnahme des Mikro-Vertex-Detektors. Das Tracking der Teilchen wird hier durch Drahtkammern realisert. An Stelle eines Solenoiden reicht im Vorwärts-Bereich ein einfacher Dipol-Magnet aus. Zur 15
3 Das PANDA-Experiment 3.4 Die Vorwärtsendkappe des EMC Abbildung 3.7: CAD-Zeichnung des elektromagnetischen Kalorimeters [Ern08] Die Rückwärtsendkappe ist in dieser Ansicht ausgeblendet. Die Zeichnung gibt den Planungsstand von 2008 wieder, die aktuelle Pla- nung für die Vorwärtsendkappe zeigt Abb. 3.8 [PAN12a]. Teilchenidentifikation wird ein RICH-Detektor aufgebaut. Zur Flugzeitmessung wer- den vor und hinter dem Dipol-Magnet Wände aus Plastik-Szintillatoren aufgestellt. Das Vorwärts-Spektrometer enthält ebenfalls ein elektromagnetisches Kalorimeter, in diesem Fall ein Schaschlik-Kalorimeter, dass aus Blei-Szintillator-Schichten be- steht. 3.4 Die Vorwärtsendkappe des EMC 3.4.1 Grundlegender Aufbau Im Folgenden wird nur die Vorwärtsendkappe des elektromagnetischen Kalorimeters im Target-Spektrometer behandelt, da das Vorwärts-Spektrometer in dieser Arbeit nicht untersucht wurde. Der aktuelle Planungsstand der Endkappe ist in Abbildung 3.8 gezeigt. Wie im Abschnitt 3.3.2 erläutert, nutzt das EMC Bleiwolframat als Szintillatormaterial. Dieses liegt in Form von Einkristallen vor, Tabelle 3.2 gibt eine Übersicht über ihre Eigenschaften. Die Kristalle sind in den so genannten Alveolen gelagert. Diese bestehen aus Karbonfasern und haben die äußere Form eines Pyra- midenstumpfes. Eine Alveole beherbergt 16 Kristalle. In der Alveole befinden sich 16
3 Das PANDA-Experiment 3.4 Die Vorwärtsendkappe des EMC Abbildung 3.8: CAD-Zeichnung der Vorwärtsendkappe des EMC [PAN12b] Trennwände, die ebenfalls aus Karbonfasern bestehen und die Alveole in 16 Fächer für die Kristalle aufteilen. An der Rückseite, d.h. der dem Interaktionspunkt ab- gewandten Seite, sind Aluminiumbauteile in die Alveole eingeklebt. Diese werden als „interface pieces“ bezeichnet und nehmen die Photodetektoren auf. Die Photo- detektoren werden durch die „mount plate“ fixiert. Die gesamte Subunit wird dann mit Hilfe der eingeklebten Bauteile an die zentrale Konstruktion der Vorwärtsend- kappe, die Backplate, angeschraubt. Die Backplate trägt das gesamte Gewicht und enthält Leitungen für das Kühlmittel. Auf der Rückseite der Backplate werden die Versorgungs- und Signalleitungen verlegt und über Durchführungen in einem PVC- Rahmen nach außen geführt. Nach Vorne werden die Alveolen von der Fronthülle umschlossen, die ebenfalls an der Backplate befestigt wird. Hinten wird der Detektor mit einem Deckel abgeschlossen. Innerhalb des Detektors entsteht somit ein von der Außenwelt isoliertes Volumen. Dieses wird auf −25 ◦ C gekühlt, was die Lichtausbeu- te der PbWO4 -Kristalle um den Faktor 4 erhöht [Ern09]. Um die Bildung von Eis zu vermeiden muss das Detektorvolumen luftdicht verschlossen sein und die Luft in dem Volumen getrocknet werden. 3.4.2 Der Proto192 Um die Realisierbarkeit der geplanten Vorwärtsendkappe des EMC zu beweisen, wurde am Lehrstuhl für experimentelle Hadronenphysik der Ruhr-Universität Bo- chum ein Prototyp aufgebaut, der als Proto192 bezeichnet wird. Dieser entspricht 17
3 Das PANDA-Experiment 3.4 Die Vorwärtsendkappe des EMC Tabelle 3.2: Eigenschaften der Bleiwolframat-Kristalle der Vorwärtsendkappe des EMC [Ern08] Abmessungen l·b·h 200 · 20 · 20 mm3 Lichtausbeute LY 18 bis 20 Photonen pro MeV (T = 18 ◦ C) Dicke d ca. 22 · X0 Transmittivität T ≥ 35% bei λ = 360 nm ≥ 60% bei λ = 420 nm ≥ 70% bei λ = 620 nm einem Ausschnitt aus der geplanten Endkappe direkt an der inneren Aussparung für das Strahlrohr und enthält 216 Kristalle aus Bleiwolframat. Der Ausschnitt, der für den Proto192 gewählt wurde, liegt direkt an der Strahlrohrdurchführung der End- kappe. Dies wird in Abbildung 3.10 illustriert, bei der die aus Aluminium gefertigte Backplate (s.u.) des Proto auf einem Holzmodell der Endkappen-Backplate liegt. Abbildung 3.9 zeigt eine CAD-Zeichnung des Proto192 mit Aufhängung und Kühl- system. Derzeit existieren 4 verschiedene Typen von Photodetektoren, die bezüglich ihrer Eignung für die Verwendung im PANDA-Detektor untersucht werden: • Vakuum-Phototrioden (VPTs) von Hamamatsu Photonics • Vakuum-Phototetroden (VPTTs) von Hamamatsu Photonics • Vakuum-Phototetroden von Research Institute Electro (RIE) • Avalanche-Photodioden (APDs) von Hamamatsu Photonics Der Proto192 dient der Untersuchung dieser Photodetektoren mit dem Ziel, eine begründete Entscheidung über die Photodetektoren treffen zu können, die in die Endkappe eingebaut werden. Darüber hinaus dient der Proto192 dem Test des Kühl- systems, der Temperaturüberwachung sowie der gesamten Versorgungs- und Ausle- seelektronik: Die Lichtausbeute von Bleiwolframat ist stark von der Temperatur der Kristalle abhängig. Aus diesem Grund soll die Temperatur in der Endkappe auf ±0,5 ◦ C kon- stant gehalten werden [Ern08]. Um dies zu kontrollieren sind Temperatursensoren an den Kristallen befestigt, die eigens für diesen Zweck an der Ruhr-Universität Bo- chum entwickelt wurden. Die Temperatur wird über den temperaturempfindlichen Widerstand eines Platin-Drahtes im 4-Draht-Verfahren gemessen. Die Sensoren mit dem Platindraht und den Kupfer-Zuleitungen sowie beidseitgen Folien zur Isolierung haben eine Dicke von weniger als 0,1 mm und passen so in den kleinen Zwischen- raum zwischen PbWO4 -Kristall und Alveolenwand. In Abschnitt 3.5 werden diese Temperatursensoren näher beschrieben. Die Leitungen der Sensoren werden auf da- für entwickelten Platinen durch die Isolierung des Proto192 geführt und außen über Flachbandkabel an einen THMP angeschlossen. Der THMP (Temperature and Hu- midity Monitoring for PANDA) ist ein an der Ruhr-Universität Bochum entwickeltes Gerät zur Auslese der Sensoren im Proto192, das auch in der Endkappe zum Einsatz kommen soll. Vom THMP werden die digitalisierten Daten über einen CAN-Bus zu einem Computer übertragen und dort in Temperaturen umgerechnet. 18
3 Das PANDA-Experiment 3.4 Die Vorwärtsendkappe des EMC Abbildung 3.9: CAD-Zeichnung des Proto192 [PAN12b] Das Kühlsystem, dass die Temperatur innerhalb des Proto192 auf ±0,01 ◦ C kon- stant halten muss, besteht aus drei Kühlkreisläufen: Der erste Kühlkreislauf, genannt Hauptkühlung, kühlt die Backplate. Dazu wur- den in die Backplate Leitungen gebohrt, in denen das Kühlmittel zirkuliert. Ober- halb der Backplate befindet sich ein Verteiler, der das Kühlmittel auf die Vorläufe verteilt und die Rückläufe wieder zusammenfasst. Unten in der Backplate sind Vor- und Rücklauf über U-Stücke verbunden. Vom Verteiler aus wird das Kühlmittel über isolierte Schläuche zu dem Kühlaggregat vom Typ Julabo LH47 geleitet. Als Kühlmittel kommt ein 1 : 1-Gemisch von Methanol und Wasser zum Einsatz. Der zweite Kühlkreislauf, genannt Frontkühlung, kühlt die Vorderseite der Front- hülle. Hierzu wurden dort ein Plastikschlauch verlegt, der von außen wiederum über isolierte Schläuche an ein zweites Kühlaggregat angeschlossen ist. Bei dem dritten Kühlkreislauf handelt es sich um die Luftkühlung. Hierzu wir Druckluft zunächst gereinigt und getrocknet. Dann durchströmt sie einen Wärme- 19
3 Das PANDA-Experiment 3.4 Die Vorwärtsendkappe des EMC Abbildung 3.10: Backplate des Proto192 als Ausschnitt aus der Backplate der End- kappe [PAN12b] tauscher, der sich im Bad eines dritten Kühlaggregates befindet. Dort wird sie eben- falls auf die Zieltemperatur abgekühlt und dann in einem Schlauch zum Prototypen geleitet. Damit die Luft sich während des Weges nicht wieder aufheizt, verläuft der Luftschlauch innerhalb eines mit Methanol-Wasser-Gemisch gefüllten Schlau- ches, das ebenfalls vom Luftkühler gekühlt wird. Im Proto192 wird die Luft auf die Rückseite der Backplate geleitet. Dann strömt sie zwischen den Alveolen und Kris- tallen durch nach vorne, wo sich eine Öffnung befindet, die zum Luftauslass führt. Der Luftstrom kann mit Magnetventilen im Ein- und Auslass gesteuert werden. Die Luftkühlung dient nicht nur der Kühlung, sondern auch der Trocknung des Innen- raums. Dies ist zum Erreichen einer Temperatur von −25 ◦ C zwingend erforderlich. Andernfalls würde sich die Luftfeuchtigkeit als Eis im Detektor niederschlagen und zu Problemen führen. Insbesondere könnte das beim Aufwärmen wieder zu Wasser gewordene Eis Kurzschlüsse auslösen. Die Signale der Photodetektoren gelangen von dem Detektor zunächst in einen Vorverstärker, der direkt hinter dem Detektor montiert ist. Diese Vorverstärker wur- den von der Gruppe für experimentelle Teilchenphysik der Universität Basel für das PANDA-Experiment entwickelt. Designziel war unter anderem ein möglichst rausch- 20
3 Das PANDA-Experiment 3.5 Ultradünne Temperatursensoren armer Vorverstärker. Von dem Vorverstärker werden die Signale über die Signalpla- tinen aus dem isolierten Volumen herausgeführt. Diese Platinen wurden ebenfalls an der Ruhr-Universität Bochum entwickelt und sind so gestaltet, dass die Signale wie in einem 50Ω-Koaxialkabel weitergeleitet werden. Nach dem Verlassen der Iso- lierung werden die Signal mit Koaxialkabeln zum Shaper weitergeleitet. Die Shaper verfügen über zwei Ausgänge zu jedem Eingang. Der eine Eingang („x1“ oder „low gain“) gibt das geshapte Signal unverändert aus, am zweiten Ausgang („x16“ oder „high gain“) wird dieses Signal um einen Faktor von etwa 16 verstärkt ausgegeben. Durch produktionsbedingte Unsicherheiten sind die beiden Faktoren nicht bei al- len Shaper-Kanälen gleich und müssen im Rahmen der Kalibration für jeden Kanal individuell bestimmt werden. Diese Shaper wurden am am Kernfysisch Versneller In- stituut (KVI) der Universität Groningen (Niederlande) für das PANDA-Experiment entwickelt. Zum Schluss gelangen die Signale zum Analog-Digital-Konverter (ADC) vom Typ Wiener AVM16, wo sie digitalisiert werden. Diese ADCs wurden an der Universität Uppsala entwickelt, es handelt sich ebenfalls um eine Entwicklung spe- ziell für das PANDA-Experiment. 3.5 Ultradünne Temperatursensoren Eine besondere Herausforderung beim Proto192 stellt die Überwachung der Kris- talltemperatur dar. Zwischen den Kristallen und der Alveolenwand ist nur ein sehr kleiner Zwischenraum. Unnötige Luft muss an dieser Stelle vermieden werden, um einen guten Wärmeübergang vom Kristall zur Alveole und zum Insert zu gewährleis- ten. Dies ist notwendig, um Wärme aus dem Kristall über die Kühlung abführen zu können und den Kristall somit auf die Zieltemperatur abkühlen zu können. Die ver- wendeten Sensoren sind eine Eigenentwicklung der Ruhr-Universität Bochum und haben eine Dicke von weniger als 0,1 mm. Im Rahmen dieser Master-Arbeit wurde das Herstellungsverfahren überarbeitet und verbessert: Ausgangsmaterial für die Sensor-Rohlinge ist eine mit Kupfer beschichtete Po- lyimid-Folie2 . Hieraus werden in einem nasschemischen Verfahren die Zuleitungen und Kontaktpads der Sensoren hergestellt. Dazu werden die Leitungen und Pads aufgezeichnet und auf eine Folie im Format DIN A3 gedruckt. Wichtig ist hierbei der Druck im Negativ-Verfahren, d.h. an der Stelle der Leiterbahnen ist die Folie durchsichtig, andernfalls schwarz. Auf ein passend zugeschnittenes Stück der kupfer- beschichteten Polyimid-Folie wird ein lichtempfindlicher Lack aufgetragen. Danach ist die Folie bis zum Abschluss der Entwicklung so wenig wie möglich dem Umge- bungslicht auszusetzen. An den Stellen, an denen später Leiterbahnen entstehen sollen, wird der licht- empfindliche Lack nun photochemisch ausgehärtet. Dazu wird die Folie mit den Leiterbahnen aufgelegt und der Folienstapel für einige Minuten mit ultraviolettem Licht bestrahlt. Die Leiterbahnen und Kontaktpads sind danach auf der beschichte- ten Kapton-Folie deutlich zu erkennen. Im nächsten Arbeitsschritt muss der ungehärtete Lack, der sich unter den schwar- zen Stellen der Folievorlage befand, von der Polyimid-Folie entfernt werden. Als 2 Polyimid ist auch unter dem Handlesnamen „Kapton“ bekannt 21
3 Das PANDA-Experiment 3.5 Ultradünne Temperatursensoren Entwickler kommt die Chemikalie Natriumcarbonat (Na2 CO3 ) zum Einsatz, von der 10 g in 1 L Wasser aufgelöst werden. Die Polyimid-Folie wird in ein Bad aus Na- triumcarbonatlösung eingelegt, nach einigen Minuten kann der Lack mit der Hand einfach abgerieben werden. Dieser Vorgang ist dann abgeschlossen, wenn neben den Leiterbahnen überall blankes, glänzendes Kupfer zu sehen ist, dass keinen blauen Schimmer mehr trägt. Die Polyimid-Folie muss danach gründlich mit Wasser gespült werden, um alle Reste der Entwicklerchemikalie zu entfernen. Im folgenden Schritt wird alles Kupfer außerhalb der Leiterbahnen entfernt, so dass nur diese übrig bleiben. Hierzu kommt ein Ätzbad aus einer Natriumperoxodi- sulfat-Lösung3 (Na2 S2 O8 ) von 250 g auf 1 L Wasser zum Einsatz. Gegenüber dem üblicherweise in der Platinenherstellung verwendeten Eisen(III)chlorid (FeCl3 ) hat es den Vorteil, dass es ein feineres Ätzergebnis erzeugt. Im Rahmen der Arbeiten an den Temperatursensoren wurde festgestellt, dass Eisen(III)chlorid zu ihrer Herstellung nicht geeignet ist. Das Ätzbad ist auf etwa 50 ◦ C bis 55 ◦ C aufzuheizen. An der Ablösung des Kupfers ist dabei nur das Säurerestion S2 O2−1 8 beteiligt, die Natriumionen Na+ sind für die Reaktion irrelevant. Das Säurerestion enthält Sauer- stoff in der instabilen Oxidationsstufe −1, wodurch es zum starken Oxidationsmittel wird. Diese Sauerstoffatome entziehen im Rahmen der Reaktion den Kupferatomen Elektronen, wodurch das Kupfer oxidiert wird und sich als Cu2+ -Ion im Wasser löst. Die vollständige Reaktionsgleichung lautet: S2 O2− 2− 2+ 8 (aq) + Cu(s) −→ 2 SO4 (aq) + Cu(aq) [JSFS81] Nachdem alles Kupfer außerhalb der Leiterbahnen entfernt wurde, kann die Folie aus dem Ätzbad entnommen werden. Das Ätzergebnis sollte umgehend optisch über- prüft werden. Falls an einigen Stellen Kupfer nicht entfernt wurde, so wurde dort möglicherweise der Lack bei der Entwicklung nicht vollständig entfernt. In diesem Fall ist es möglich, die Folie „nachzuentwickeln“. Dazu wird sie gründlich mit Wasser gespült und nochmals in das Entwicklerbad gelegt. Nach einer nochmaligen Spülung mit Wasser kann sie noch einmal in das Ätzbad gelegt werden, um das überflüssige Kupfer nun zu entfernen. Nach dem Ätzen wird die Polyimid- Folie mit Wasser gespült und getrock- net. Zum Schluss ist noch der Lack auf den Leiterbahnen und Kontaktpads zu entfernen. Dazu wird die Folie in ein Bad aus Ethanol (C2 H5 OH) oder 2- Propanol4 (C3 H8 O) gelegt, bis der Lack sich ablöst. Danach können die einzel- nen Sensor-Rohlinge aus der Polyimid- Folie ausgeschnitten werden. Die Kon- taktpads der Sensor-Rohlinge werden nun durch Galvanisierung vergoldet. Abbildung 3.11: Ein fertiger Temperatur- Die Temperaturmessung der Sensoren sensor [PAN12b] 3 Beim Umgang mit Natriumperoxodisulfat sollten Schutzhandschuhe aus Nitril getragen werden. Gewöhnliche Latex-Handschuhe werden von der Chemikalie durchdrungen. 4 2-Propanol ist auch bekannt als Isopropanol. 22
3 Das PANDA-Experiment 3.5 Ultradünne Temperatursensoren erfolgt über die temperaturabhängige Änderung des Widerstandes eines Platin-Drahtes. Hierzu wird ein Stück Polyimid- Klebeband, das eine Dicke von 55 µm hat, auf eine speziell angefertigte Pfostenleiste gesteckt und Platindraht mit einem Durchmesser von 25 µm entlang der Pfosten ge- wickelt. Schlussendlich erhält man so die Sensorfläche mit zwei abgehenden Leitun- gen. Nun werden die vergoldeten Sensorpads des Sensor-Rohlings mit Silberleitkleber bestrichen und das Klebeband mit dem Platindraht auf den Sensor-Rohling geklebt, so dass die beiden abgehenden Drähte mit den Kontaktpads verbunden werden. Abschließend werden die freiliegenden Leiterbahnen zur elektrischen Isolierung mit Polyimid-Klebeband überklebt. Die Produktion des Sensors ist somit abgeschlos- sen. Da der Produktionsprozess nicht exakt reproduzierbar ist, muss jeder Sensor anschließend individuell kalibriert werden. Bei der Entsorgung der Ätzabfälle ist zu beachten, dass Kupfer nicht in das Abwas- ser gelangen darf, da es sehr giftig für Wasserorganismen ist (Wassergefährdungs- klasse 2). Natriumperoxodisulfat sollte, in Wasser gelöst, nicht in verschlossenen Behältern gelagert werden, da es dort unter Abgabe von Sauerstoff in Natriumhy- drogensulfat zerfällt (Na2 S2 O8 + H2 O −→ 2 NaHSO4 + O) und das freigesetzte Gas das Platzen des Behälters verursachen kann [JSFS81]. 23
Sie können auch lesen