VOM EEG 1.0 ZUM EEG 2.0 - DER WETTSTREIT UM DIE BESTEN IDEEN GEHT IN DIE NÄCHSTE RUNDE - WVGW
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AUSGABE 1 | März 2014 ISSN 2194 - 9751 www.greenfacts-magazin.de Das Magazin für die Energiewende! Titelthemen Vom EEG 1.0 zum EEG 2.0 Der Wettstreit um die besten Ideen geht in die nächste Runde Speichern statt transportieren Wie wir mit Power to Gas den Netzausbau verringern können Sonne, Wind und ganz viel Watt Auf der Nordseeinsel Pellworm ist die Energiewende schon weit voraus
Standpunkt Hat die Bundesregierung beim Emissionshandel die Chance verpasst, Herr Maubach? Ein Standpunkt von Klaus-Dieter Maubach Die neue Bundesregierung erklärt die Energiewende zu Effizienzvorgaben und einen vorgeschriebenen Anteil der einem zentralen Projekt und der zuständige Minister legt erneuerbaren Energien wird es nicht mehr geben. Die EU- zügig erste Eckpunkte für eine EEG-Reform vor. Das Kommission überlässt es den Mitgliedsstaaten, wie sie ihr Kabinett billigt seine Vorschläge und verständigt sich auf Ziel erreichen. Das kann über mehr Energieeffizienz, über einen Fahrplan – so stellt man sich eine handlungsfähige erneuerbare Energien oder über Strom aus Kernenergie Regierung vor. geschehen. Während sich die EU-Kommission auf das Das neue EEG wird mehr marktwirtschaftliche Ele- Subsidiaritätsprinzip beruft, kommt aus Deutschland mente und mehr staatliche Lenkung bedeuten. Die be- Protest. Man hätte sich ein zusätzliches, verbindliches absichtigte Vergütung über Selbstvermarktung plus eine Ziel für die erneuerbaren Energien gewünscht, heißt es zusätzliche Marktprämie sprechen für den Einzug der in regierungsnahen Kreisen. Berlin fordert mehr konkrete Marktwirtschaft. Die Ausbaukorridore, die der Staat jeweils Vorgaben aus Brüssel, auch so kann dies gelesen werden. für Wind-, Sonnen- und Biomasse-Anlagen festlegen will, Diese Vorgänge lassen nur eine Schlussfolgerung zu. Zur sprechen allerdings dagegen. Woher wissen Beamte, wie viel Reduktion der CO2- Emissionen setzt die EU-Kommission Megawatt von welcher Technologie jahresscharf zugebaut auf den Emissionshandel und die Bundesregierung auf das werden sollen? Das sieht eher nach Planwirtschaft aus. EEG. Der Koalitionsvertrag spricht sich gegen jede weitere Diese Reform wird kein großer Wurf, aber ein großer Intervention in den Emissionshandel aus. Das »Backloading« Schritt in die richtige Richtung. In seiner Wirkung wird wird gebilligt, aber zum Zeitpunkt dieser Entscheidung das neue EEG den Anstieg der EEG-Umlage bremsen. ist die Wirkungslosigkeit der Maßnahme schon bekannt. Insbesondere die Umverteilung der Lasten wird helfen, Der Emissionshandel wird damit für die nächsten Jahre dass die Umlage 2015 nicht weiter steigt. Kommt es so, auf einem Preisniveau nahe null bleiben und nicht die dann ist die Reform ein Erfolg – auch für den zustän- marktwirtschaftliche Lenkungswirkung entfalten, für die digen Minister. er ursprünglich vorgesehen war. Trotz des guten Starts der Bundesregierung markiert Neben dem Euro ist der Emissionshandel das zweite die EEG-Reform eine verpasste Chance. Fast zeitgleich große, wirtschaftliche Integrationsprojekt in Europa. Der eröffnet die EU-Kommission ein Beihilfeverfahren gegen Emissionshandel geht weiter am Stock und Deutschland ist Deutschland. Es wird vermutet, dass die Regeln, mit denen dafür mitverantwortlich. Bei allem geschuldeten Respekt sich Unternehmen von der Zahlung der EEG-Umlage be- für die zügige und zielgerichtete Reform des EEG: Die freien lassen können, gegen das europäische Beihilferecht Chance zu einer europäischeren Klima- und Energiepolitik verstoßen. Man fragt sich, warum das ausgerechnet jetzt hat Deutschland erst einmal verpasst. passiert. Die bestehenden Regeln sind nicht neu und die Bundesregierung hat angekündigt, diese zu überarbeiten. Zudem fordert die EU-Kommission die Bundesregie- Klaus-Dieter Maubach ist Honorarprofessor an der TU Clausthal, rung mit neuen klimapolitischen Zielen für 2030 her- Autor des Buches »Energiewende – Wege zu einer bezahlbaren aus. Ihre Vorschläge sehen eine verbindliche Reduktion Energieversorgung« und arbeitet derzeit als Berater. Bis Frühjahr der CO2-Emissionen vor. Diese sollen bis 2030 in jedem 2013 war er Mitglied des Vorstandes der E.ON AG. Mitgliedsstaat um 40 Prozent gegenüber 1990 sinken. 3
Impressum 1 | 2014 Herausgeber DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. Technisch-wissenschaftlicher Verein Josef-Wirmer-Straße 1-3 | 53123 Bonn Tel.: 0228 91 88 - 5 | Fax: 0228 91 88 - 990 E-Mail: info@dvgw.de | Internet: www.dvgw.de Verlag und Vertrieb wvgw Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH Geschäftsführer Stephan Maul M.A. Josef-Wirmer-Straße 3 | 53123 Bonn Tel.: 0228 91 91 - 40 | Fax: 0228 91 91 - 499 E-Mail: info@wvgw.de | Internet: www.wvgw-verlag.de Schriftleiter Dr.-Ing. Walter Thielen Chefredaktion Dipl.-Geogr. Heike Gruber (verantw.) Tel.: 0228 91 91 - 419 Redaktionsassistenz Hannah Thomas M.A. | Tel.: 0228 91 91 - 443 Redaktionsbeirat Prof. Jürgen-Friedrich Hake, Jülich Stephan Maul M.A., Bonn Dipl.-Ing. Heinrich Busch, Essen Dr.-Ing. Hartmut Krause, Freiberg Autoren dieser Ausgabe Daniel Wosnitzka, Heike Gruber, Dr. Susanne Hinz, Rosa Hemmers Erscheinungsweise 4 Ausgaben jährlich Gezeichnete Artikel stellen die Ansicht des Verfassers dar, nicht unbedingt die der Schriftleitung und der Redaktion. Industrieberichte unterliegen nicht der Verantwortung der Redaktion. Für unverlangt einge- sandte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, des auszugs- weisen Nachdrucks, der fototechnischen Wiedergabe und der Übersetzung, liegen beim Verlag. Titelfoto Dietmar Meinert, Düsseldorf Bankverbindung Sparkasse KölnBonn | BLZ 370 501 98 Kto.-Nr. 33 333 337 Commerzbank Bonn | BLZ 380 400 07 Kto.-Nr. 1 211 226 Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Gestaltung, Satz und Repro Cream . Büro für Gestaltung, Köln www.cream-design.de Druck Schaffrath DruckMedien GmbH & Co. KG, Geldern www.schaffrath.de 4
1 | 2014 Inhalt »Jago«, so heißt das gelbe Forschungstauchboot vom Forschungszentrum GEOMAR in Kiel, mit dem vor Spitzbergen in rund 400 Metern Tiefe auftretende Methanhydrat austritte erforscht wurden. Methanhydrat, das »brennende Eis« der Ozeane, könnte ein Energieträger der Zukunft sein, vorausgesetzt, es lässt sich gewinnen. Doch mit der zunehmenden Erderwärmung besteht auch die Sorge, dass die gefrorenen Gase instabil werden und entweichen – eine zusätzliche Belastung für das Klima. Vor Spitzbergen konnte vorerst Entwarnung gegeben werden. Die hier beobachtete Gasauflösung ist den Wissenschaftlern zufolge sehr wahrscheinlich natürlichen Ursprungs und nicht durch die Klimaerwärmung verursacht. Standpunkt 3 Hat die Bundesregierung beim Emissionshandel die Chance verpasst, Herr Maubach? Ein Standpunkt von Klaus-Dieter Maubach Wissenswert 6 Kurz gemeldet/Nachfrage für LED-Lampen steigt/Neue EU-Regelung zur Senkung klimaschädlicher F-Gase/Wachstumstrend für Energiegenossenschaften hält an 7 Weltweit: Wissen, wo auf der Welt was passiert 8 Kurz gemeldet/Europäische Energie-und Klimapolitik 9 Was macht eigentlich der EU-Emissionshandel? Im Porträt 12 Zukunft ist heute: In Berlin wird die Smart City von morgen erprobt Titelthemen 14 Vom EEG 1.0 zum EEG 2.0 Das Tauziehen um die Energiewende geht weiter 20 Infografik So funktioniert die EEG-Umlage 22 Interview Mit Power To Gas den Netzausbau reduzieren 28 Pellworm Grüne Nordseeinsel im Brennpunkt der Energiewende Rubriken 4 Impressum Foto: Jago-Team, GEOMAR 10 Welt der Energie 34 Medien 35 Schlusslicht 5
wissenswert 1 | 2014 kurz gemeldet 116 Offshore-Windenergieanlagen in Nord- und Ostsee speisten zum Jahresende 2013 mit einer Gesamt- leistung von 520,3 Megawatt Strom ins Netz ein. Das hat eine Datenerhebung der Deutsche WindGuard GmbH ergeben. Insgesamt wurden demnach 2013 48 Offshore- Windanlagen neu ans Netz angeschlossen, 41 davon wurden auch im Jahr 2013 neu errichtet. Mit dem Geothermieheizkraftwerk Sauerlach ist Ende Januar 2014 ein weiteres Projekt in der Metropol- region München in den Regelbetrieb gegangen. Die An- Neue EU-Regelung zur Senkung lage wird mit 140 Grad heißem Thermalwasser jährlich klimaschädlicher F-Gase 40 Millionen Kilowattstunden Strom und 4 Millionen Kilo- wattstunden Wärme erzeugen. 35.000 Tonnen CO2 wer- Der Umweltausschuss des Europäi- Luftverkehrs. Aktuelle Studien pro- den damit eingespart. Betrieben wird die architektonisch schen Parlaments billigte Ende Janu- gnostizieren ohne weitere Maßnah- anspruchsvolle Geothermieanlage von den Stadtwerken ar 2014 das Verhandlungsergebnis men einen erheblichen Anstieg des München (SWM). von Rat, Parlament und Kommission Einsatzes von F-Gasen. Internationa- zu einer neuen Verordnung, die den le Verhandlungen zu ihrer Eindäm- Einsatz von sogenannten F-Gasen mung verliefen bislang erfolglos. Die (Fluorierte Gase) bis 2030 um 80 Pro- neue EU-Verordnung soll nun dafür zent senken soll. Fluorierte Treib- sorgen, die Menge der F-Gase in Eu- hausgase werden unter anderem in ropa bis 2030 stufenweise um rund Kälte- und Klimaanlagen sowie Wär- 80 Prozent zu senken. Erreicht wer- mepumpen, aber auch als Treibmittel den soll dieses Ziel über eine Quotie- für Dämmschäume oder Löschmittel rung. Die Verordnung enthält zudem eingesetzt. Ihr Treibhauspotenzial einen konkreten Ausstiegsplan für liegt 100 bis 22.000 Mal höher als viele Produkte und Einrichtungen, das von CO2 . Der weltweite Beitrag die mit F-Gasen arbeiten. Nach dem der F-Gase zum Treibhauseffekt liegt Umweltausschuss müssen noch das derzeit bei 2 Prozent und entspricht Plenum des Europäischen Parlaments damit dem des gesamten globalen sowie der Rat offiziell zustimmen. Nachfrage für LED-Lampen steigt Wachstumstrend Eine aktuelle Marktanalyse der dena zeigt, dass der Absatz von LED-Lampen in Deutschland seit 2012 deutlich angestiegen ist. Gleichzeitig besteht weiteres für Energiegenossen- Potenzial für den Einsatz energieeffizienter Leuchtmit- tel. Während 2009 nur jede hundertste verkaufte Lam- schaften hält an pe auf LED-Technologie basierte, lag der Anteil im April 2013 bei rund 7 Prozent, so ein Ergebnis der Analyse. Im Energiegenossenschaften erfreuen sich bei den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin selben Zeitraum ist aber auch der Absatz von Halogen- großer Beliebtheit. Dies geht aus einer aktuellen Erhebung des Klaus Novy Instituts her- lampen deutlich angestiegen. Auch wenn Energiespar- vor. Ende 2013 engagierten sich demnach 888 Energiegenossenschaften für den Ausbau Fotos: chones - Fotolia.com; magann - Fotolia.com lampen und LEDs deutlich energieeffizientere und wirt- erneuerbarer Energien. Damit stieg der Bestand gegenüber 2012 um 142. »Im Durch- schaftlichere Alternativen sind, kommen sie aber noch schnitt wird jeden dritten Tag irgendwo in Deutschland eine Genossenschaft gegründet, nicht im möglichen Umfang zum Einsatz. Die Marktana- die den Bau und den Betrieb von Solar- und Windenergieanlagen oder von regenerati- lyse untersucht Entwicklungen bei der Produktgruppe ven Heizsystemen zum Ziel hat«, sagt Philipp Vohrer, Geschäftsführer der Agentur für »Allgemeine Beleuchtung« im Rahmen der europäischen Erneuerbare Energien (AEE). Die Erhebung untersucht auch die regionale Verteilung der Top-Runner-Strategie. Die Ergebnisse und weitere Infor- Energiegenossenschaften nach Bundesländern. Die dynamischste Entwicklung weist da- mationen können unter www.top-runner.info abgerufen bei Thüringen auf. Im Vergleich zu 2012 wuchs die Anzahl der Energiegenossenschaften werden. hier um 70 Prozent. 6
1 | 2014 weltweit Japan Schottland Vorreiterrolle beim weltweiten Ausbau der Solarenergie Revolution gegen Mit einer feierlichen Zeremonie wurde Anfang No- Verbrennungsmotoren vember in der südjapanischen Stadt Kagoshima das Mit ihrem Masterplan »Switched On Scotland: A mit einer Leistung von 70 Megawatt größte Foto- Roadmap to Widespread Adoption of Plug-in Vehic- voltaikkraftwerk des Landes eingeweiht. Nachdem les« leitet die Regierung in Edinburgh eine mobile das Land die Spitzenposition bei der Nutzung von Revolution ein. Geplant ist eine komplette Elektrifi- Fotovoltaik-Anlagen zwischenzeitlich an Deutsch- zierung des Straßenverkehrs bis 2050. Ab dann sol- land verloren hatte, übernimmt Japan damit wieder len nur noch Elektrofahrzeuge und sogenannte Plug- eine Vorreiterrolle beim weltweiten Ausbau der So- in-Hybride auf schottischen Straßen unterwegs sein. larenergie. Dabei ist seit 2012 bezüglich der Nut- Unterstützt wird der Wandel durch den Ausbau der zung der Fotovoltaik in Japan eine Veränderung von Infrastruktur, z. B. in Form öffentlicher Ladestationen, der privaten Nutzung auf Wohngebäuden hin zum sowie durch verschiedene Fördermaßnahmen, wel- Einsatz bei Stromversorgern feststellbar. Ein Um- che die neue Antriebstechnologie für breitere Ziel- denken, für das laut der Japan Photovoltaik Energy gruppen erschwinglicher machen sollen. Dafür, dass Indien Association (JPEA) der Klimawandel sowie das Re- der Umstieg auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge aktorunglück in Fukushima im März 2011 gesorgt auch ökologisch Sinn macht, sorgt ein weiterer Mas- Subkontinent plant Einstieg haben. Mittel- und langfristig scheint sich in der terplan der schottischen Regierung: Bis 2020 soll der in Offshore-Windenergiesektor »ehemaligen« Atomnation Japan ein Perspektiven- komplette Strombedarf des Landes aus regenerati- Mit mehr als 1,2 Milliarden Einwohnern ist Indien wechsel hin zu sicheren, effizienten und ökologi- ven Quellen stammen – vorzugsweise aus Windkraft. das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung der schen Möglichkeiten der Energieversorgung durch- Welt. Entsprechend groß ist der Energieverbrauch, gesetzt zu haben. Die Fotovoltaik spielt dabei eine Polen der durch die expandierende Wirtschaft des auf- zentrale Rolle, seit im Juni 2012 hohe Einspeisever- strebenden Schwellenlandes noch weiter wächst. gütungen für Solarstrom eingeführt wurden. Revival für Atomkraftwerke Die Energieversorgung kann jedoch mit dem schnell Gegen den Trend in Deutschland wird Polen nun wachsenden Verbrauch nicht mithalten, Strom- Österreich konkret beim Ausbau seines Atomenergieprogramms. ausfälle sind in Indien an der Tagesordnung. Wie Das polnische Wirtschaftsministerium hat jüngst Alpenrepublik kürzt ernst das Problem ist, zeigte sich im Sommer 2012, ein 150-seitiges Programm zum Bau zweier Atom- als das Land durch den bislang weltgrößten Black- Vergütungssätze für Ökostrom kraftwerke vorgelegt, deren Baukosten mit rund out – etwa 700 Millionen Menschen waren ohne Seit dem 1. Januar 2014 gelten in Österreich neue 12,5 Milliarden Euro beziffert werden. Bis 2016 Strom – von sich reden machte. Um seine Ener- Einspeisetarife für Ökostrom. Die von der Wirtschafts- will die Regierung in Warschau sich über einen gieprobleme zu lösen, setzte Indien bislang vor kammer Oberösterreich als »gelungener Kompromiss Standort geeinigt und die Verträge mit den Kraft- allem auf fossile Energieträger, in erster Linie auf zwischen dem Ausbau erneuerbarer Energien und werksbauern verhandelt haben. 2019 soll mit dem Kohle, und ist deshalb bereits heute einer der größ- einer moderaten Kostenbelastung für Haushalt, Ge- Bau des ersten Kraftwerkes begonnen werden, des- ten CO2-Emittenten der Welt. Als Ausweg aus der werbe und Industrie« bezeichnete neue Verordnung sen Fertigstellungsziel 2024 ist. Spätestens 2035 Energieknappheit, die nicht zuletzt auch ein nach- wird von den Branchenverbänden erwartungsgemäß soll dann der Bau des zweiten Atomkraftwerkes haltiges Wirtschaftswachstum des Landes gefährdet, mit mehr Skepsis betrachtet. Kritisiert werden vor starten. Begründet wird der Ausbau des Atomener- hat die indische Regierung nun das Potenzial erneu- allem die Tarifstruktur sowie die Tarifmodelle im Be- gieprogramms mit den abermals verschärften CO2- erbarer Energien für sich erkannt. Zwar fehlt es noch reich der Kleinwasserkraft, bei der Fotovoltaik und Emissionszielen der EU und mit der notwendigen an einheitlichen energiepolitischen Zielen, aber ein bei Biogas. Diese hätten laut des Dachverbandes Er- Abschaltung veralteter Kraftwerke. Der alternative erster Anfang ist gemacht: Die indische Regierung neuerbare Energie Österreich (EEÖ) deutlich ambiti- Ausbau erneuerbarer Energien genießt bei der Re- plant den Einstieg in den Offshore-Windenergiesek- onierter ausfallen können und würden zudem den gierung in Warschau derzeit keine Priorität. Das seit tor und damit verbunden den Aufbau einer natio- wirtschaftlichen Spielraum für Neuanlagen einengen. über drei Jahren in Aussicht gestellte EE-Gesetz nalen Offshore-Agentur. Diese soll dann das Wind- Über mehr Klarheit bei den Einspeisetarifen freut sich soll zwar noch dieses Jahr kommen, große Förder- energie-Potenzial an möglichen Offshore-Standorten dagegen die Windkraftindustrie. Dort wurden die Ta- möglichkeiten für die Nutzung alternativer Energie- des Subkontinentes erheben und entsprechende rife erstmalig seit Bestehen des Ökostromgesetzes träger sind jedoch nach dem Motto »so viel wie Empfehlungen aussprechen. gleich für zwei volle Jahre am Stück festgesetzt. nötig, so wenig wie möglich« nicht zu erwarten. 7
wissenswert 1 | 2014 Europäische der Anteil der erneuerbaren Energien EU -weit kurz gemeldet 27 Prozent betragen. Von einer Aufteilung in nationale Ziele durch EU-Rechtsvorschriften soll Energie- und Bis 2030 könnte der Anteil der er- allerdings abgesehen werden. Die Mitgliedstaaten neuerbaren Energien auf 30 Prozent sollen, so die Begründung, über die notwendige steigen. Dies geht aus einer aktuellen Flexibilität verfügen, um ihr jeweiliges Energie- Klimapolitik Studie der Internationalen Agentur für system den nationalen Präferenzen und Gege- Erneuerbare Energien (IRENA) hervor. benheiten entsprechend umbauen zu können. In der Studie wurden 26 Länder ana- Für eine dritte wesentliche Säule der euro- lysiert, die zusammen für drei Viertel päischen Energie- und Klimapolitik, die Ener- des weltweiten Energieverbrauches gieeffizienz, werden in dem Papier noch keine »Wenn alle Weltregionen vergleichbar hohe Ziele stehen. Gesamtwirtschaftlich betrach- klaren Ziele definiert. Die Rolle der Energieef- beim Klimaschutz verfolgen würden, ginge es tet, entstehen laut IRENA durch eine fizienz bis 2030 soll erst bei der Überprüfung der Welt heute sehr viel besser«, so die für Kli- Verdopplung des Anteils der erneu- der Energieeffizienz-Richtlinie, deren Abschluss mapolitik zuständige EU -Kommissarin Connie erbaren Energien keine zusätzlichen für 2014 geplant ist, näher betrachtet werden. Hedegaard zu der Ende Januar von der EU- Kosten. Dies liegt daran, dass externe Komission vorgelegten europäischen Mitteilung Kosten vermieden werden können, Neue Zielvorgaben bis 2030 für die Energie- und Klimapolitik bis 2030. Dem- weil Umwelt- und Gesundheitsschä- sind ein Rückschritt nach sollen die Treibhausgasemissionen der EU den verringert werden können. Gleich- bis 2030 um 40 Prozent gegenüber dem Stand Umwelt- und Klimaschützer sowie Ökostrom- zeitig könnte der Anteil der weltweit in von 1990 sinken. Dies soll ausschließlich durch anbieter kritisieren die Vorschläge als unzurei- diesem Sektor arbeitenden Menschen EU-interne Maßnahmen erreicht werden, bei- chend und sehen darin einen deutlichen Rück- Fotos: Jeweils Fotolia: graphicsdunia4u, Gina Sanders, Kara, Doin Oakenhelm auf gut 16 Millionen Beschäftigte ver- spielsweise den EU -Emissionshandel. Dazu soll schritt gegenüber den noch bis 2020 geltenden dreifacht werden. die jährliche Senkung der Obergrenze (»Cap«) für 20-20-20 -Zielen. Denn die einfache Senkung die Emissionen aus den unter das EU-Emissions- der CO2-Emissionen lässt sich sowohl durch handelssystem fallenden Wirtschaftszweigen von einen Ausbau der Erneuerbaren als auch durch derzeit 1,74 Prozent auf 2,2 Prozent für die Zeit Atomkraft erreichen. Länder wie Großbritannien, nach 2020 angehoben werden. Die Emissionen die ohnehin auf Atomkraft setzen, dürften sich aus nicht unter das EU -Emissionshandelssystem angesichts der neuen EU -Vorgaben freuen. Auch fallenden Wirtschaftszweigen müssten um 30 das Kohleland Polen denkt mittlerweile konkret Prozent unter den Stand von 2005 gesenkt wer- über Ausbaupläne der Atomkraft nach und Spa- den, wobei diese Anstrengungen gerecht auf die nien erwägt Medienberichten zufolge eine Lauf- Mitgliedstaaten verteilt werden sollen. zeitverlängerung seiner Kernkraftwerke. »Eine Darüber hinaus möchte die EU-Komission ein klimafreundliche, sichere und ressourcenscho- verbindliches, EU-weites Ausbauziel für erneuer- nende Energieversorgung kann aber nur auf Basis bare Energien festlegen. Bis zum Jahr 2030 soll der erneuerbaren Energien funktionieren«, sagt 8
1 | 2014 wissenswert Was macht eigentlich …? Der EU-Emissionshandel In Ausgabe 2/2013 haben wir über den europäischen Emissionshandel berichtet. Europas wichtigstes Instru- ment für den Klimaschutz setzt aufgrund der niedrigen Zertifikatspreise nicht die gewünschten Anreize zur Emissionsminderung. Um das Emissionshandelssystem zu stärken, war geplant, die am Markt verfügbaren CO2- Zertifikate zeitweise zu beschränken (»Backloading«). Mitte April 2013 war diese Reform des Emissionshan- delssystems vom EU-Parlament abgelehnt worden. Im Juli 2013 hat sich das EU-Parlament in einem zweiten Anlauf dann doch noch für eine zeitweise Verknappung der Zertifikate für den Ausstoß von Treibhausgasen ausgesprochen. Anfang November 2013, wenige Tage vor der Weltklimakonferenz in Warschau, stimmten auch die ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel dem »Backloading« zu. Statt zwischen 2014 und 2016 werden 900 Millionen CO2-Zertifikate nun erst in den Jahren 2019 und 2020 auf den Markt kommen. Die Gesamtzahl der Zertifikate bleibt somit unverän- arcel Keiffenheim, Leiter Energie- M einigen Bereichen sogar die Führung dert. Die EU-Komission erhofft sich jedoch, dass das politik bei Greenpeace Energy. übernommen haben: Demnach erzie- »Backloading« starken Preisschwankungen beim Handel Auch beim Thema Energieeffizi- len mittlerweile insbesondere viele mit Verschmutzungsrechten entgegenwirkt. enz melden sich kritische Stimmen Länder Asiens und die USA mit einer zu Wort. »30 Prozent mehr Ener- aktiven Energie- und Klimapolitik gieeffizienz bis 2030 wären eine wich- deutliche Erfolge, investieren zuneh- tige, notwendige und wirtschaftlich mend in erneuerbare Energien, er- sinnvolle Vorgabe«, betonte Stephan schließen Energieeffizienzpotenziale Kohler, Vorsitzender der dena-Ge- in Industrie, Gebäuden und Verkehr schäftsführung. »Wer Klimaschutz und unterstützen die Reduzierung effizient erreichen möchte, muss von Treibhausgasen durch Kohlen- immer zuerst an Energieeffizienz stoffpreise. Der Studie zufolge fand denken. Denn jede eingesparte Ki- der größte Zubau von Windkraft- lowattstunde rechnet sich für die anlagen in den vergangenen Jahren Investoren oft schon nach wenigen in China und den USA statt, auch Jahren und sorgt gleichzeitig dafür, das Wachstum der Fotovoltaik ist dass weniger CO2 ausgestoßen wird, außerhalb Europas am größten. weniger Energie erzeugt werden muss Japan bildet mit den USA die Spitze und regionale Wertschöpfung und der Elektromobilität und setzt den Arbeitsplätze geschaffen werden. weltweit strengsten Standard für den Wenn Brüssel die Energieeffizienz Kraftstoffverbrauch von Neuwagen. Im Januar 2014 hat die EU-Komission in ihrer Mitteilung vernachlässigt, wäre das ein völlig Emissionshandelssysteme existieren zu den klima- und energiepolitischen Zielen bis 2030 falsches Signal.« in Bundesstaaten der USA und Ka- nun eine weitere Reform des Emissionshandelssystems nada, Australien, Neuseeland und vorgeschlagen. Ab 2021 soll es demnach möglich sein, Europa sollte seine Vorreiterrolle Korea, wichtigen Provinzen Chinas bei einem großen Überschuss an Verschmutzungsrechten nicht abgeben sowie in Tokio, andere Länder der einige davon nach festen Regeln durch eine sogenannte Auch Europas Vorreiterrolle hin- Welt führen sie ein. In insgesamt 66 Marktstabilitätsreserve vom Markt zu nehmen. Da- sichtlich Energie- und Klimapolitik Ländern der Erde werden Einspeise- durch soll einem anhalten Überschuss und einem damit könnte gefährdet werden, wenn man vergütungen für erneuerbare Energien einhergehenden Preisverfall der Zertifikate dauerhaft sich nicht auf ambitioniertere Ziele gezahlt. Die europäische Wirtschaft entgegengewirkt werden. Außerdem soll die jährliche einigen kann. Eine aktuelle Studie zieht ihre Stärke den Forschern zu- Senkung der Obergrenze (»Cap«) für die Emissionen des Europäischen Forschungsnetz- folge vor allem aus ihrer Innovati- aus den unter das EU-Emissionshandelssystem fallenden werkes Climate Strategies zeigt, onsfähigkeit und könnte deswegen Wirtschaftszweigen von derzeit 1,74 Prozent auf 2,2 dass andere Regionen und Länder besonders profitieren, wenn Europa Prozent für die Zeit nach 2020 angehoben werden. mittlerweile rasant aufholen und in in der Vorreitergruppe bleibt. 9
Welt der Energie 1 | 2014 Kraft im FuSS Viele tausend Mal werden ab Mitte Juni 2014 Fußbälle durch die brasilianischen WM-Stadien sausen. Kräftige Torschüsse erreichen Foto: beachboyx10 - Fotolia.com dabei Geschwindigkeiten von über 100 km/h. Die Stoßenergie, welche das inzwischen überwiegend aus Kunststoff gefertigte Sportgerät dabei auf seine Flugbahn zwingt, würde ausreichen, umgerechnet bis zu drei 8-Watt-Energiesparlampen rund 10 Sekunden lang zu erleuchten. 10
1 | 2014 Welt der Energie Wind sei dank Zugvögel legen bei Flügen zu wechselnden Quartieren große Distanzen zurück. Mehr als 4.000 Kilometer können es bei manchen Arten schon werden, um den jahreszeitenbedingten Flugmarathon zu bewerkstelligen. Das Fliegen in aerodynamischer V-Formation hilft diesen Ausdauerkünstlern dabei, Energie zu sparen. Windschatten von vorn sowie eine bessere Nutzung von Auf- und Abwinden sorgen dafür, den Kräftehaushalt der Tiere zu schonen. Foto: Martina Berg - Fotolia.com 11
Im Porträt 1 | 2014 Zukunft ist heute – In Berlin wird die smart city von morgen erprobt Der EUREF-Campus im verdichteten Berliner Westen ist ein Vorzeigeprojekt nachhaltiger Stadtentwicklung. Über ein komplexes Netzwerk sollen Gebäude miteinander kommunizieren – und regenerative Energie genau dorthin fließen, wo sie jeweils gebraucht wird. Das sei visionär, meinen Wohlgesinnte, »heiße Luft«, urteilen Kritiker. Ein Beitrag von Daniel Wosnitzka, DVGW, Berlin Berlin-Schöneberg – weit weg vom coolen waren. Über 400 Immobilien-Projekte in Berlin und den Chic der urbanen Mitte. Noch weiter weg neuen Bundesländern hat Müller mittlerweile in seinem die gediegene Bürgerlichkeit des alten West- Portfolio. Dieses jedoch soll sein Meisterstück werden. Berlin. Hier, am Rande eines schier endlosen Gewirrs aus Bahngleisen, Hauptverkehrs- Vision »Intelligente Stadt« straßen und Autobahnauffahrten soll er »Begonnen hat alles 2007, als wir das 55.000 Quadratmeter entstehen: der Prototyp der intelligenten große Gelände in Schöneberg von der GASAG erworben Stadt von morgen. haben. Die Entscheidung fiel nicht explizit für den Be- Es soll hoch hinausgehen mit dem Eu- zirk. Vielmehr war für mich das Potenzial des Gasometer- ropäischen Energieforum (EUREF). Bis Areals ausschlaggebend. Seine Nähe zum Zentrum und zum Endausbau 2018 soll das historische zur Stadtautobahn, die Signalwirkung des Gasometers Industriegelände rund um den denkmalge- und die vorhandenen Freiflächen haben mich überzeugt.« schützten Gasometer 165.000 Quadratme- Müller hat eine Vision. Und für die versteht er es, immer ter hochmoderne Geschossfläche umfassen. mal wieder medienwirksam Funken zu schlagen. Zahl- Das Investitionsvolumen beläuft sich auf reiche Fototermine mit bundes- und landespolitischer 600 Millionen Euro. Versorgt mit lokal Prominenz zeugen von Müllers Geschick, erfolgreich für erzeugter, nahezu CO2-neutraler Energie, seine Ideen zu werben. So eröffnete zuletzt Frank-Walter soll der Standort zu einer der Topadressen Steinmeier drei Masterstudiengänge zum Themenkomplex in Europa werden. Gelingen soll das durch »Stadt und Energie« der Technischen Universität Berlin die »interdisziplinäre Verdichtung von Wis- auf dem EUREF-Campus. Das Quartier lasse erahnen, senschaft, Forschung und Praxis«, wie es in welches Potenzial in der industriellen und energetischen einem Werbeprospekt heißt. Mastermind Erneuerung stecke, so der SPD-Politiker wohlwollend. dieser ambitionierten Pläne ist EUREF- »Wir wollen die Vision einer intelligenten Stadt für Vorstand Reinhard Müller. Seit 35 Jah- Arbeiten, Forschen, Bildung und Wohnen konsequent ent- Grüne neue Welt – So soll ren entwickelt der umtriebige Architekt wickeln und umsetzen«, sagt Müller. Das ambitionierte der EUREF-Campus 2018 Immobilien-Projekte, bei denen Nachhal- Ziel: den EUREF-Campus mit seinem Miteinander von einmal aussehen tigkeit und Energieeffizienz stets Leitideen Forschungseinrichtungen, Unternehmen und universitärer 12
1 | 2014 Im Porträt Lehre zu einem innovativen Think Tank und Modellpro- Das EUREF-Gelände in jekt der Energiewende zu entwickeln. Auf dem EUREF- Berlin-Schöneberg mit dem Campus sind alle dezentralen Stromquellen, Energiespeicher alten Gasometer im Hinter- und Verbraucher durch ein intelligentes Stromnetz, ein so grund: Energiewende und genanntes Micro Smart Grid, vernetzt. »Die benötigte Polit-Talk unter einem Dach Energie wird durch Windkraft- und Fotovoltaikanlagen, zahlreiche Wärmepumpen mit Kraft-Wärme-Kopplung sowie ein Biogas-Blockheizkraftwerk produziert. Schon bald werden wir auch Tiefengeothermie nutzen. Zudem können an 30 Elektro-Ladestationen Elektro-Fahrzeuge aufgeladen werden«, erklärt der EUREF-Chef. Autarkie auf der »Roten Insel« Gerade erst hat Müller mit dem GASAG-Vorstandsvorsit- zenden Stefan Grützmacher einen Vertrag zur CO2-neutralen Energieversorgung des EUREF-Campus unterzeichnet. Ein gearbeitet. »Wir erforschen, wie Städte sparsamer und sauberer werden zukunftsweisendes Projekt, das die Energiewende konkret können, wie die unterschiedlichen Mosaiksteine zusammenpassen und umsetze und dazu beitrage, das Quartier mittelfristig völlig die Energiewende praktikabel und bezahlbar gestaltet werden kann«, autark zu machen, lobt Müller. Die GASAG baut für rund sagt Müller. Hier sollen Innovationen und Arbeitsplätze in Zukunfts- acht Millionen Euro ein Kraftwerk, das nach und nach alle branchen geschaffen werden. Zu Beginn der Quartiersentwicklung 2007 25 Gebäude auf dem EUREF-Gelände mit Wärme, Kälte arbeiteten etwa 115 Mitarbeiter auf dem Gelände. Heute sind es mehr und Strom versorgen soll. Der Energieträger Biomethan als 1.300, beim Endausbau 2018 sollen es nicht weniger als 6.000 sein, stammt aus eigenen Biogasanlagen der GASAG im Bran- vornehmlich in nachhaltigen Zukunftsbranchen. denburger Umland. 5.700 Tonnen Kohlendioxid im Jahr würden durch dieses zukunftsweisende Energiemanage- Kritiker sehen Luftschlösser am Gasometer Fotos: EUREF AG; Kai Abresch/InnoZ ment eingespart, so Jörn Heilemann, Geschäftsführer der Ambitionierte Pläne dieser Art, noch dazu, wenn es um die Entwicklung GASAG Contracting GmbH, die die Anlage betreiben wird. historisch gewachsener Nachbarschaften geht, rufen in Berlin fast zwangs- Inmitten der »Roten Insel«, wie der Volksmund das läufig Kritiker auf den Plan. Müller wurde vorgehalten, Anspruch und zwischen mehreren Bahngleisen eingeschlossene Arbei- Wirklichkeit klafften bei ihm recht weit auseinander. Es werde vornehmlich terviertel seit jeher nennt, ist die Energiewende nicht bloß »heiße Luft« produziert, gifteten böse Zungen. Kritisiert wurde vor allem, graue Theorie. Hier wird an der energiewissenschaftli- dass Altbestandsanierung und Neubauprojekte zu Beginn nur sehr sto- chen Blaupause für die Stadtentwicklung der Zukunft ckend umgesetzt wurden. Auch das Zusammenschnurren des akademischen Bildungsprogramms auf nunmehr lediglich drei Masterstudiengänge wurde bisweilen hämisch kommentiert. Müller reagiert ge- lassen auf solche Anwürfe, die Zeit habe ihm Recht gegeben. »Meine Kritiker von damals sollen sich am besten das Projekt heutzutage vor Ort anschauen. Jetzt haben wir zahlreiche Gebäude saniert und einen voll vermieteten Neubau. Was bisher nach einem visionären Konzept aussah, ist bereits Realität.« Realität auf dem EUREF-Campus ist auch, dass neben der nachhaltigen Wissen- schaft und der wertegebundenen Wirtschaft vor gut zwei Jahren auch ein Anflug von Glamour auf der »Roten Insel« Einzug ge- halten hat. Günther Jauch sendet aus der Veranstaltungskuppel des Gasometer sonn- täglich seine gleichnamige Polit-Talkshow. Damit ist das Schöneberger Industriedenkmal zumindest fernsehvisuell in die Top-Liga der semipolitischen Ikonografie des Landes auf- gerückt. Den erfolgsverwöhnten Reinhard Müller freut es. Denn je häufiger sein bau- liches Aushängeschild als Bildmarke durch die bundesdeutschen Wohnstuben flimmert, desto zügiger scheint seine Vision für die Stadt von morgen Wirklichkeit werden zu können. 13
Titelthema 1 | 2014 Vom EEG 1.0 zum EEG 2.0 Das Tauziehen um die Energiewende geht weiter Foto: Tom Bayer - Fotolia.com 14
1 | 2014 Energiewende-Update Viele Wege führen ins grüne Energiezeitalter – oder eben auch nicht. Was für den einen der Schritt in die richtige Richtung, ist für den anderen ein teurer Irrweg. Ob sich Politik, Energiewirtschaft und die diversen Interessenverbände in Sachen Energiewende irgendwann einmal in die gleiche Richtung bewegen wer- den, ist zurzeit schwer vorstellbar. Vielleicht muss dafür aber auch erst einmal die eine große Frage beantwortet werden: Wie zentral und wie dezentral soll unsere Energiewende umgesetzt werden? Ein Beitrag von Heike Gruber StrommiX in Deutschland 2013 Wer sich derzeit ein Bild davon machen möchte, wie Kernenergie 15,4 % (15,8) es mit der Energiewende am besten weitergehen sollte, der kann schon mal verzweifeln. Die Eckpunktepapiere Braunkohle 25,8 % (25,5) sprießen wie Pilze aus dem Boden, für jeden Vorschlag, Steinkohle 19,7 % (18,5) sei er nun von Umweltverbänden, Politik oder Wirt- schaft, hagelt es Kritik. Wohltuende Einigkeit herrscht Wind 7,9 % (8,0) lediglich in einem Punkt: Mit der Energiewende soll es Wasser 3,4 % (3,5) weitergehen. Das war es dann aber auch schon mit der Gemeinsamkeit, denn über das Wie und Wann hat jeder Fotovoltaik 4,5 % (4,2) seine ganz eigenen Vorstellungen. Sonstige Erneuerbare 7,6 % (7,1) Zurzeit dreht sich alles um das Erneuerbare-Energien- Gesetz, kurz EEG. Das EEG ist eines der erfolgreichs- Erdgas 10,5 % (12,1) ten politischen Instrumente der vergangenen 14 Jahre. Sonstige 5,2 % (5,3) Vorjahr in Klammern Im Jahr 2000 als Nachfolger des Stromeinspeisegesetz Grafik-Datenquelle: AG Energiebilanzen e. V. von 1991 in Kraft getreten, führte es dazu, dass sich die erneuerbaren Energien dank Einspeisevorrang und garantierter Einspeisevergütung von einem Nischenpro- Der Strompreis steigt – und jetzt? dukt zur Nummer 2 unter unseren Stromlieferanten Doch in den letzten Jahren ist das EEG zunehmend in die entwickeln konnten. Ihr Anteil an der Stromversorgung Kritik geraten. Es ist von »Wildwuchs« der erneuerbaren liegt heute bei rund 25 Prozent, Tendenz weiter steigend. Energien die Rede und davon, dass die Energiewende Neue Technologien zur Wind- und Sonnenstromerzeu- viel zu teuer wird, wenn wir die Erneuerbaren weiter gung wurden erfolgreich weiterentwickelt, zusätzliche fördern wie bisher. Auslöser ist vor allem der steigende Arbeitsplätze geschaffen, ein neuer florierender Wirt- Strompreis. Der ist seit dem EEG-Einführungsjahr 2000 schaftszweig ist entstanden. Zahlreiche europäische von 13,94 Cent pro Kilowattstunde auf 28,73 Cent/ und auch außereuropäische Länder haben das Modell kWh im Jahr 2013 tüchtig gestiegen1. ›› zur Förderung der erneuerbaren Energien inzwischen adaptiert – das EEG »made in Germany« ist ein echter 1 Durchschnittlicher Strompreis eines Drei-Personen-Haushaltes bei einem Exportschlager. Jahresverbrauch von 3.500 kWh. Quelle: BDEW 4/2013 15
Titelthema 1 | 2014 ›› Schuld an diesem Anstieg ist nicht allein das EEG, aber es ist Fakt, dass die im EEG festgelegte Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien ihren Anteil daran hat. Der Strompreis setzt sich aus zahlreichen Keine gute Idee, finden Ökostromanbieter wie zum Bei- spiel Greenpeace Energy, Naturstrom und die Elekt- rizitätswerke Schönau und bemängeln unter anderem eine geschmälerte Investitionssicherheit, insbesondere Einzelkomponenten zusammen, eine davon ist eben die für Bürgerenergiegenossenschaften und mittelständische EEG-Umlage. Diese wird aus der Differenz zwischen Unternehmen. Durch die enge Frist – das EEG 2.0 soll der Einspeisevergütung für Betreiber von Anlagen zur nach Gabriels Willen schon zum 1. August 2014 in Kraft Erzeugung erneuerbarer Energien und dem an der Strom- treten – würde vielen Projekten, die in der Planung bereits börse erzielten Preis gebildet (siehe Infografik S.20 ). Da sehr weit fortgeschritten sind, die Investitionsgrundlage immer mehr Grünstrom erzeugt wird, sinkt der Preis entzogen. Unterstützung bekommen die Grünstroman- an der Strombörse, während die Vergütungszahlungen bieter vom Bundesverband für Erneuerbare Energien, steigen, in der Folge steigt auch die EEG-Umlage. Aktuell BEE. »Direktvermarktung ist für kleinere Stromerzeuger entfallen 6,24 Cent pro Kilowattstunde (kWh) auf die ökonomischer Unsinn«, kritisiert BEE-Geschäftsführer EEG-Umlage, das sind etwas mehr als 18 Prozent des Dr. Hermann Falk. Nach seiner Auffassung ist es au- Strompreises, im Jahr 2000 waren es noch 0,20 Cent/ ßerdem völlig falsch, den Ausbau der Windkraft an kWh oder rund 1,5 Prozent (siehe Grafik S.17) Land und Fotovoltaik künstlich zu beschränken. »Mit diesen Techniken wird der kostengünstigste Ökostrom So setzt sich der Strompreis zusammen hergestellt«, so Falk. Nettonetzentgeld 19,8 % Vernünftig und begrüßenswert hingegen finden einige Wirtschaftsverbände Gabriels Vorschlag, mit Abrechnung, Messung, Messstellenbetrieb 2,4 % Verweis auf eine notwendige Synchronisation mit dem Steuern (Strom- und Umsatzsteuer) 22,9 % Netzausbau. »Mehr Verlässlichkeit und Planbarkeit beim Erneuerbaren-Zubau ist zwingend notwendig«, Konzessionssabgabe 5,7 % sagt zum Beispiel Hildegard Müller, Vorsitzende der Umlage nach EEG 18 % BDEW-Hauptgeschäftsführung, und ergänzt: »Heute erwarten wir von den Erneuerbaren nur, dass sie ökolo- Umlage nach KWKG 0,4 % gisch Strom produzieren. Künftig müssen sie dies aber Umlage nach §19 Strom-NEV 1,1 % auch zuverlässig und ökonomisch tun.« Umlage Offshore-Haftung 0,9 % Befreiungsregeln neu gestalten Energiebeschaffung 21,3 % Anstelle von Vergütungskürzungen und Mengenbe- grenzungen beim Zubau der Erneuerbaren setzen grüne Vertrieb (inkl. Marge) 7,5 % Politiker, Ökostromanbieter und Umweltverbände auf Grafik-Datenquelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2013 das Auflösen des Börsenparadox und den Abbau von Industrierabatten. Laut einer Studie des Öko-Instituts Diese Kostendynamik will Energieminister Gabriel im Auftrag der Agora Energiewende könnte die EEG- nun mit der Reform des EEG stoppen. Dafür will er bei Umlage um 1,2 Cent/kWh (das entspricht 20 Prozent) auf Neuanlagen die Vergütungszahlungen für die Einspei- 5 Cent/kWh sinken, wenn das Volumen der Industrie- sung von Ökostrom reduzieren und den Zubau neuer Ausnahmen von derzeit 96 Prozent auf 90 Prozent gesenkt Anlagen deckeln. Für Windkraftanlagen an Land und und Eigenerzeuger stärker am Umlagemechanismus des für Solaranlagen sieht Gabriels »Eckpunktepapier für EEG beteiligt würden. »Wir sehen heute eine nicht mehr die Reform des EEG« einen jährlichen Zuwachs von vertretbare Ungleichbehandlung der Stromverbraucher«, jeweils 2,5 Gigawatt vor, für die Windenergie auf See erläutert Verena Graichen, Wissenschaftlerin und Ener- 6,5 Gigawatt bis 2020 und 15 Gigawatt bis 2035. Au- gieexpertin am Öko-Institut. »Die großen Verbraucher ßerdem sollen nicht mehr wie bisher die Netzbetreiber werden im EEG entlastet; zusätzlich haben sich deren den grünen Strom an der Börse verkaufen, sondern die direkte Stromkosten durch die sinkenden Börsenstrom- Produzenten des Ökostroms sollen diesen in Zukunft preise deutlich verringert. Zukünftig müssen sich alle zunehmend selbst vermarkten. Verbraucher angemessen an den Kosten des EEG be- 16
1 | 2014 Energiewende-Update EEG-Umlage: 0,2 2000 13,94 Strompreis für 2001 14,32 2002 16,11 Haushalte 2003 17,19 Durchschnittliche Strompreise eines Drei-Personen-Haushaltes in ct/kWh 2004 17,96 Jahresverbrauch von 3.500 kWh 2005 18,66 Erzeugung, transport, Vertrieb 2006 19,46 Mehrwertsteuer 2007 20,64 Konzessionssabgabe EEG-Umlage 2008 21,65 KWK-Aufschlag 2009 23,21 §-19-Umlage 2010 23,69 Offshore-Haftungsumlage Stromsteuer 2011 25,23 2012 25,89 Grafik-Datenquelle: 2013 28,73 BDEW, Stand 4/2013 EEG-Umlage: 5,28 teiligen.« Von der EEG-Umlage befreit werden sollten lich.« Ballhausen befürchtet, dass der Markteintritt der dem Öko-Institut nach deshalb nur noch die Indus- Brennstoffzelle scheitern könnte, und fordert vielmehr trieunternehmen, die bereits in den Regelungen der EU ein Technologieeinführungsprogramm für die innovative zum Emissionshandel als besonders strompreissensitiv Technologie, die »schwerpunktmäßig von der interna- eingestuft werden und die tatsächlich im internatio- tional starken deutschen Heizungsindustrie angeboten nalen Wettbewerb stehen. Dies würde dann nur noch wird«. Mit seiner Meinung steht auch er nicht allein etwa 15 stromintensive Branchen treffen, wie etwa die da. Der Verbund der Energieintensiven Industrien in Aluminium-, Stahl-, Chemikalien- oder Papierindustrie. Deutschland, EID, sieht in der Belastung der Stromei- Außerdem schlägt das Öko-Institut vor, dass zukünftig generzeugung zum Beispiel einen »unüberwindlichen auch auf den Verbrauch von selbst produziertem Strom Stolperstein«, der für die Branche nicht hinnehmbar sei. – dieser ist bislang komplett von der Ökostromumlage ausgenommen – eine geringe EEG-Umlage fällig wird. Wettstreit um die besten Ideen Auch das Eckpunktepapier von Sigmar Gabriel sieht Es scheint, als ob das Dickicht aus Meinungen, Inter- eine solche Beteiligung der Eigenstromerzeugung vor. essen und daraus resultierenden Konzepten immer un- Damit kommen wieder neue Interessen ins Spiel. Wenig durchdringlicher wird. Von den Wünschen der einzelnen begeistert von dieser Idee zeigt sich beispielsweise die Bundesländer mal ganz abgesehen. Die Energiewende Initiative Brennstoffzelle (IBZ): »Die Bundesregierung entwickelt sich immer mehr zu einem Tauziehen um sollte sich klar zu ihrem gesetzlichen KWK1-Ausbauziel die wirtschaftlichen Interessen einzelner Branchen und und der Markteinführung von Brennstoffzellen beken- Akteure. Und letzten Endes geht es dabei eigentlich im- nen«, fordert IBZ-Sprecher Andreas Ballhausen. »Die mer um die Frage, wie zentral und wie dezentral unsere Anwendung der EEG-Umlage auf die Eigenstromerzeu- Energiewende umgesetzt werden soll. Die meisten Wirt- gung bei KWK-Anlagen führt zu Mehrbelastungen und schaftsverbände und Großunternehmen setzen eher auf ›› macht Brennstoffzellen in vielen Fällen unwirtschaft- Zentralität, Umweltverbände, Ökostromanbieter und Energiegenossenschaften eher auf Dezentralität. Am Ende 1 Kraft-Wärme-Kopplung zählt jedoch, welche Maßnahmen am ehesten geeignet 17
Titelthema 1 | 2014 ›› erscheinen, die Ziele der Energiewende zu erreichen. Diese, so scheint es, werden im Getöse der Diskussionen manches Mal nicht mehr gehört. Die Energiewende sollte einmal Deutschlands wich- Emissionshandel als Ursache ins Spiel gebracht. Es ist ja auch durchaus bequem, die Schuld einem anderen, nämlich Europa, in die Schuhe schieben zu können. Die Versuche der Bundesregierung, dieses Instrument tigster Beitrag zum Klimaschutz sein. Wir wollten au- wieder zum Laufen zu bringen, erscheinen jedenfalls ßerdem unabhängiger von fossilen Ressourcen und nur halbherzig. Das könnte auch daran liegen, dass Energieimporten werden und wir wollten auf deutlich einflussreiche Stimmen, wie beispielsweise Nordrhein- weniger risikoreiche Energieträger setzen als auf die Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, auf Atomkraft. die Unverzichtbarkeit der heimischen Braunkohle für Der zunehmende Anteil der erneuerbaren Energien Systemstabilität und Versorgungssicherheit pochen. So ist auf jeden Fall gut fürs Klima. Die Gleichung scheint lange die Braunkohle politisch noch gewollt ist, wird doch auch ganz einfach: Je mehr Strom aus Wind und es jedoch schwer sein, die klimapolitischen Ziele zu Sonne wir erzeugen, desto geringer werden unsere kli- erreichen. maschädigenden Emissionen. Deshalb wäre es durchaus Ein weiteres, ganz wesentliches Ziel, der Verzicht auf logisch, den Zuwachs der Erneuerbaren möglichst wenig die Atomkraft, ist gesellschaftlich fest zementiert – noch. auszubremsen und das rasche Wachstum der vergangenen Das Reaktorunglück in Fukushima ist nun ziemlich Jahre weiter zu fördern. Allerdings, das haben wir in genau drei Jahre her. Wie lange wird der Schrecken den letzten Monaten gemerkt, hat die Sache doch einen von damals noch anhalten, der die Energiewende in gewaltigen Haken: Anstelle der Kohlekraft hat der Strom Deutschland erst so richtig ins Rollen gebracht hat? aus Wind und Sonne die umweltschonenderen Gaskraft- Wenn die Strompreise weiter steigen und weiterhin Ne- werke vom Markt verdrängt. Es entsteht ein Problem, gativnachrichten wie die der steigenden CO2-Emissionen mit dem wir nicht gerechnet haben: Obwohl rund ein die Schlagzeilen beherrschen, könnte die Stimmung Viertel unseres Stroms heute aus erneuerbaren Energien irgendwann kippen. stammt, steigen unsere CO2-Emissionen. Gerne wird an dieser Stelle der nicht funktionierende europäische Planungssicherheit ist aus Investoren- sicht unerlässlich Ein Kommentar von Michael Riechel, Mitglied des Vorstands der Thüga Aktiengesellschaft, Geschäftsführer der Thüga Erneuerbaren Energien GmbH&Co. KG und Vizepräsident des DVGW. Wir begrüßen die schnelle Vorla- Eine klare Mengensteuerung für den Zubau von Erneuerba- ge des EEG-Eckpunktepapiers. Pla- ren mit einem Korridor von 2,4 bis 2,6 Gigawatt pro Jahr halten nungssicherheit ist aus Investo- wir für sinnvoll. Den atmenden Deckel sehen wir jedoch aufgrund rensicht unerlässlich. Wesentliche der langen Projektentwicklungszeiträume bei der Windkraft eher Aspekte der EEG-Novelle – wie die kritisch. Wir sind für eine Verlängerung der Geltungsdauer der Direktvermarktung und das klare Einspeisevergütung für neue Windanlagen auf 24 Monate. Der Bekenntnis zu Windkraft onshore – Vergütungszeitraum beim neuen Referenzertragsmodell ist aus sehen wir positiv. Weiter befürwor- unserer Sicht besonders bei windstarken Standorten zu stark ten wir, die Förderhöhe erneuerbarer verkürzt. Windstarke Standorte werden hiernach unwirtschaft- Energien künftig durch Ausschreibungen im Wettbewerb zu er- lich. Dieser Effekt kann so nicht gewollt sein. Sichergestellt sein mitteln. Der Erfolg dieses neuen Instrumentes wird jedoch stark sollte auch, dass Standorte mit einer Standortqualität von unter von der konkreten Ausgestaltung abhängen. Es ist aus unserer 77,5 Prozent 20 Jahre die Anfangsvergütung des EEG erhalten. Sicht sinnvoll, Windkraft-Investoren hier frühzeitig in den Ge- Hier ist die Formulierung im Eckpunktepapier zumindest missver- setzgebungsprozess mit einzubinden. Wir plädieren weiterhin ständlich. Anstatt den Repowering-Bonus ersatzlos zu streichen, dafür, generell neue Windanlagen, die bis Ende 2014 in Betrieb ist es unserer Ansicht nach notwendig, ökologisch und volkswirt- gehen, nach dem EEG 1.0. zu fördern und vom geplanten Frist- schaftlich sinnvolle Projekte noch für eine Übergangszeit in mo- ende für den Bestandsschutz am 22. Januar 2014 abzusehen. difizierter Form zu fördern. 18
1 | 2014 Energiewende-Update Ein Kommentar von Dr. Utz Tillmann, trag zugesagten Vertrauensschutz in Frage. Jene Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemie-Unternehmen, die ihren Strom in eigenen Chemischen Industrie e. V. (VCI) Kraftwerken durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) mit optimaler Energieausbeute herstellen, hätten Die Bundesregierung muss die Belastung Mehrkosten von über 130 Millionen Euro im Jahr. beim Eigenstrom zurücknehmen Dies würde Bestandsanlagen unrentabel und neu- en Investitionen den Garaus machen. Bis heute ist die Energiewende nicht Die Bundesregierung muss die Belastung beim nachhaltig aufgestellt: Das EEG verur- Eigenstrom zurücknehmen und für das EEG eine sacht 2014 Kosten von 23 Milliarden Lösung finden, die der Wettbewerbsfähigkeit der Euro für Wirtschaft und Verbraucher energieintensiven Industrie nicht schadet. Daran und gefährdet Netzstabilität und Ver- hängen Investitionen und Arbeitsplätze, und auch sorgungssicherheit durch den unge- der Erfolg der Energiewende: Ohne die Produkte hemmten Ausbau erneuerbarer Energi- und Vorleistungen der energieintensiven Unter- en. Mit ihrem Eckpunktepapier hat die nehmen dreht sich kein Windrad, funktioniert kei- Bundesregierung versucht, die Kosten- ne Solarzelle, fährt kein Elektro-Auto. explosion in den Griff zu bekommen. Die EEG-Reform muss zudem mit den Vorga- Die Vorschläge packen das Problem jedoch nicht an der Wurzel. Die ben der EU kompatibel sein. Die besondere Aus- Ausbaugeschwindigkeit bei den Erneuerbaren wird begrenzt, ist gleichsregelung im EEG steht in Brüssel auf dem aber zum Beispiel beim teuren Offshore-Wind noch so hoch, dass Prüfstand. Hier besteht keinerlei Spielraum für die Kostenbremse nicht wirkungsvoll greift. eine weitere Kostenbelastung. Industrie und Bun- Das Eckpunktepapier bringt ein neues Problem für die Chemie: desregierung müssen daher gemeinsam dafür Die Bundesregierung will künftig auch die Eigenstromerzeugung be- eintreten, dass die EU-Kommission ihre einschrän- lasten, sogar für bestehende Anlagen. Diese – auch aus umweltpoli- kenden Vorgaben zur Entlastung der Industrie tischer Sicht – fragwürdige Verschärfung stellt den im Koalitionsver- wettbewerbsfreundlicher ausgestaltet. Ein Kommentar von Thorben Becker, Aber mit der Windenergie an Land droht ausge- Leiter Energiepolitik beim Bund für Umwelt- und rechnet die kostengünstigste erneuerbare Energie Naturschutz Deutschland (BUND) ausgebremst zu werden. Ziel einer Überarbeitung der Förderung muss ein dynamischer Windenergie- EEG 2.0. darf Energiewende in Bürger- ausbau in ganz Deutschland sein und eben gera- hand nicht ausbremsen! de keine Beschränkung auf die »guten« Standorte. Damit droht der verbrauchsnahe Ausbau der Wind- Die Ausbauziele der Bundesregierung energie in Süddeutschland zum Erliegen zu kom- sind deutlich zu niedrig und bedeuten men. Gefährlich ist auch die Ankündigung, schon ein Ausbremsen der realen Ausbaudy- im April länderspezifische Regeln über Mindestab- namik. Der BUND fordert, ein Ziel von stände zur Wohnbebauung zu ermöglichen. Es be- mindestens 45 Prozent bis 2020 ins steht dann die Gefahr, dass einzelne Länder, wie EEG zu schreiben. z. B. Bayern oder Sachsen, dies zu einer Verhinde- Umgesetzt werden soll der Aus- rungsplanung nutzen. baukorridor nach den Eckpunkten von Sehr problematisch ist der für spätestens 2017 Sigmar Gabriel durch sogenannte »at- vorgesehene Wechsel der Förderung der Erneuer- mende Deckel« für Wind-Onshore und baren. Dann soll die Förderhöhe durch Ausschrei- Fotovoltaik von je 2.500 MW pro Jahr. Wie jeder Deckel wäre so eine bungen festgelegt werden. Zwar betont der Ko- Regelung Gift für die Investitionssicherheit und damit ein Problem alitionsvertrag zu Recht das Ziel einer breiten für die Ausbaudynamik insgesamt, aber vor allem ein Problem für Beteiligung der Bürger und das Fortbestehen einer Bürgerprojekte ohne Risikokapital. Vernünftig ist es, die Ausbauzie- breiten Vielfalt der Akteure am Ausbau der erneu- le der Offshore-Windenergie der Realität anzupassen und den wei- erbaren Energien. Ausschreibungen bevorzugen teren Ausbau der Biomasse überwiegend auf Abfall- und Reststoffe jedoch große Investoren mit ausreichend Risiko- zu begrenzen. Aber: Gerade wer diese richtigen Begrenzungen vor- Kapital. Alle Ausschreibungsmodelle in anderen nimmt, der muss einen dynamischen Ausbau von Wind-Onshore und Ländern haben zu höheren Kosten als das deut- Fotovoltaik ermöglichen. sche EEG geführt. 19
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