VERZEICHNIS DER NEUEN DEUTSCHEN MEDIEN-MACHER*INNEN (NDM) - NEUE DEUTSCHE MEDIENMACHER
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NdM-Glossar Wörter- verzeichnis der Neuen deutschen Medien- macher*innen (NdM) mit Formulierungs- hilfen, Erläuterungen und alternativen Begriffen für die Be- richterstattung in der → Einwanderungs- gesellschaft. Stand 1. Januar 2022 glossar.neuemedienmacher.de
Der Neue deutsche Medienmacher*innen e.V. (NdM) ist ein gemeinnütziger Verein. Wir engagieren uns bundesweit mit zahlreichen Projekten für mehr inhaltliche und personelle Vielfalt in den Medien. Wir freuen uns über die Unterstützung unserer Arbeit durch eine Mitgliedschaft, eine Spende oder aktive Mitarbeit. Infos unter www.neuemedienmacher.de Das Glossar der Neuen deutschen Medienmacher*innen ist für Journalist*innen und unsere Vereinsmitglieder kosten- frei erhältlich. Die Inhalte werden von den NdM größtenteils ehrenamtlich erstellt. Danke Die Neuen deutschen Medienmacher*innen danken allen beteiligten Wissen- schaftler*innen, Expert*innen und Fachjournalist*innen sehr herzlich für ihre Hilfsbereitschaft und die fachliche Unterstützung bei der Erstellung des Glossars. Unser Dank geht an: Fatih Abay, Prof. Dr. Handan Aksünger, Prof. Dr. Iman Attia, Thomas Baumann, Anna Brausam, Claudia Dantschke, Merfin Demir, Christina Dinar, Prof. Dr. Naika Foroutan, Prof. Eric Anton Heuser, Amelie Hoffmann, Gilda Horvath, Anetta Kahane, Bernd Knopf, Thomas Krüppner, Robert Lüdecke, Viktoria Morasch Yassin Musharbash, Prof. Dr. Werner Nell, Miltiadis Oulios, Sergej Prokopkin, Timo Reinfrank, Jan Riebe, Jana Sauer, Dr. Susanne Schmidt, Ulrich Werner Schulze, Sana Shah, Dr. Yasemin Shooman, Prof. Dr. Riem Spielhaus, Dr. Stefan Vogt, Irene Wachtel, Artur Weigandt, Andrea Wierich, Melek Yildiz und viele andere.
Inhaltsverzeichnis Wozu Formulierungshilfen? 4 Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«? 6 Migration 16 Kriminalitätsberichterstattung 21 Juden*Jüdinnen 25 Muslim*innen 32 Schwarze Menschen 41 Sinti*zze und Rom*nja 50 Flucht und Asyl 56 Rechtspopulismus, Rechtsradikale und -extreme 66 Index 74
Wozu Formulierungshilfen? 4 Als Journalist*innen1 arbeiten wir jeden Tag mit unserem Handwerkszeug, der Sprache. Unsere Berichte sollten möglichst wertfrei, korrekt und präzise die Sach- verhalte wiedergeben. Nicht selten passiert es aber, dass beispielsweise Begriffe wie »Zuwanderung« und »Einwanderung« in einem Beitrag als Synonyme ver- wendet werden. Worin sie sich jedoch unterscheiden und bei welchen weiteren Themen ungenau formuliert wird, erläutern wir in diesem Glossar. Alle Inhalte gibt es auch online mit komfortabler Suchfunktion unter www.glossar.neuemedienmacher.de. Die Alternativen, die wir hier anbieten, sollen als Hilfestellung für die tägliche Redaktionsarbeit dienen. Wir haben sie gemeinsam mit Fachleuten und Prakti- ker*innen entwickelt. Weil sich Sprache aber ständig verändert und auch wir dazu lernen, wird das Glossar regelmäßig aktualisiert und erweitert. Die Vorschläge sind unser Beitrag zu einer laufenden Debatte. Wir stellen sie gern zur Diskussion und freuen uns über eine Einladung zum Redaktionsgespräch, zur Blatt- oder Sendungskritik – von Kolleg*in zu Kolleg*in. Und wir freuen uns über Hinweise oder Kritik: info@neuemedienmacher.de. 1 Obwohl es in den meisten Medien nicht zur gängigen Praxis gehört, gendern wir im NdM-Glossar mit Sternchen *.
Legende 5 → Begriff mit Erläuterung mpfohlener E Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«? 6 Die deutsche Gesellschaft hat sich verändert, sie ist vielfältiger geworden. Das sollte sich in der Berichterstattung wiederfinden. Gleichzeitig müssen Journa- list*innen oft vereinfachen, um komplizierte Sachverhalte kurz und verständlich darzustellen. Manchmal führt das zu einem Dilemma: Wie beschreibe ich die Gruppe, der jemand angehört? Wie beschreibe ich die anderen? Und wo ist diese Trennung wirklich nötig? Zunächst ist es sinnvoll, die Protagonist*innen zu fragen, wie sie sich selbst nennen würden. Das ist allerdings nicht immer möglich. Zudem kann man bei der Beschreibung von Gruppen nicht davon ausgehen, dass alle dieselbe Präferenz haben. Bei einer allgemeinen Bezeichnung für Eingewanderte und ihre Nachkommen läuft man Gefahr, das Bild einer homogenen Gruppe zu erzeugen. Menschen mit Migrationsgeschichte sind jedoch keineswegs homogen: Aussiedler*innen haben in der Regel mit Geflüchteten aus dem Libanon so wenig gemeinsam wie kemalis- tische Türk*innen mit kurdischen Feminist*innen. Dennoch ist es in der Bericht- erstattung manchmal nötig, eine Gruppe pauschal zu benennen. Die vorliegenden Erläuterungen dienen der Präzisierung von Begriffen und bieten praktische Vor- schläge für die differenzierte Bezeichnung von Minderheiten, der Mehrheit und natürlich auch von beiden. Allochthone (griech.) wird in den Antislawischer Rassismus bezeich- Sozialwissenschaften als Bezeichnung net die strukturelle Diskriminierung von Menschen oder Gruppen mit ge- von Menschen, die vermeintlich oder bietsfremder Herkunft verwendet. selbstgewählt zur sozial-konstruierten In den Niederlanden wird der Begriff Gruppe der Slaw*innen gehören, z. B. zur Beschreibung von Menschen ver- → Russlanddeutsche oder jüdische wendet, die selbst oder deren Eltern → Kontingentflüchtlinge. Diese Dis- eingewandert sind. Allochthone ist kriminierungsform kann sich auch das Gegenteil von → Autochthone. pauschal gegen die Bevölkerung von Ländern wie Polen, Russland, Ukraine, Ally (engl. Alliierte*r) ist im politischen Serbien, Bulgarien usw. richten oder und aktivistischen Sinn eine Person, die gegen Menschen, denen die nationale sich für die Interessen von diskriminier- oder ethnische Zugehörigkeit zu einem ten Gruppen einsetzt, zu denen sie selbst dieser Länder zugeschrieben wird. Im nicht gehört. Gleichgesinnte weiße Nationalsozialismus diente der Antisla- Verbündete können Allys sein – al- wismus und die rassistische Zuordnung lerdings nur, wenn diejenigen, die unter- zu einer »slawischen Rasse« der Ab- stützt werden, sie als solche betrachten. wertung und Entmenschlichung sowie → Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
als Begründung für deutsche Kriegs- und Siedlungspolitik. Antislawischer meinende, jedoch widersprüch- liche Bezeichnung für Men- 7 Rassismus ging und geht auch deshalb schen verwendet, die seit vielen häufig mit → Antisemitismus, Antibol- Jahren hier leben und voraus- schewismus und Antikommunismus sichtlich bleiben werden. Soll die nicht- einher. deutsche Staatsbürgerschaft betont werden, ist ausländische*r Bürger*in Asiatische Deutsche wird als politische passender, da bei »Mit-Bürger*in« ein Selbstbezeichnung von vielen asiatisch unnötiges »Othering« stattfindet, d. h. wahrgenommenen Menschen verwen- ein*e Mitbürger*in ist damit scheinbar det. Der Begriff bezieht sich explizit anders als ein*e Bürger*in. nicht auf bestimmte Länder, Kulturen oder geografische Grenzen. Es ist ein Autochthone Deutsche autochthon Sammelbegriff, mit dem sich eine Viel- kommt aus dem Griechischen und be- zahl Asiatischer Deutscher gemein- deutet sinngemäß eingeboren, altein- sam positionieren und solidarisieren, gesessen. Autochthone Deutsche um gegen Rassismus und für gesell- könnte dazu dienen, → Deutsche schaftliche Teilhabe einzutreten. Der ohne Migrationshintergrund zu be- Antiasiatische Rassismus in Zeiten schreiben, hat allerdings als kaum der Corona-Pandemie zeigte dabei bekanntes Fremdwort wenig Aussicht, lediglich eine Facette existierender sich durchzusetzen (siehe auch Rassismen gegen Asiatisch Deutsche → Allochthone). Menschen auf. Als politische Selbstbe- zeichnung wird der Begriff Asiatische Bindestrich-Deutsche wird manch- Deutsche und das Adjektiv Asiatisch- mal als Selbstbezeichnung von Deutsch großgeschrieben. → Menschen mit internationaler Geschichte benutzt. Er spielt auf Be- Ausländer*in bezeichnet Einwoh- zeichnungen wie → Deutsch-Türk*in ner*innen ohne deutsche Staatsbürger- an, benennt einerseits ein Zugehörig- schaft. Als Synonym für → Einwan- keitsgefühl zu mehr als einer Kultur der*innen ist er dagegen falsch, da die und spiegelt andererseits die Unter- meisten → Eingewanderten und ihre stellung wider, dass eingewanderte Nachkommen keine Ausländer*in- Menschen keine »echten« → Deutschen nen mehr sind, sondern → Deutsche. seien. Siehe dazu → Standard- Grundsätzlich verortet »Ausländer« Deutsche. Menschen im Ausland und klingt nicht nach jemandem, der*die den Lebens- Biodeutsche wurde vor einigen Jahren mittelpunkt in Deutschland hat. von »Migrationshintergründler*innen« als Gegenentwurf mit scherzhaft-pro- Ausländische*r Mitbürger*in wird seit vokantem Unterton in die Debatte den 1970er Jahren als meistens wohl- gebracht und wird inzwischen aus Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«?
Mangel an Alternativen mitunter ernst- haft verwendet. Viele so Bezeichnete betonen, also Turko-Deutsche oder Türkei-Deutsche statt 8 lehnen den Begriff ab, weil in ihm die Deutsch-Türken, Greco-Deutsche Vorstellung von Genetik mitschwingt. statt Deutsch-Griechen, Spanisch- Die Deutung als Kürzel für Biografisch- Deutsche, Polnisch-Deutsche usw. Deutsche ist inzwischen verloren ge- Denn bei Wortzusammensetzungen im gangen. Deutschen steht die Hauptbedeutung immer am Ende (z. B. Hausschuh). Übri- Bundesrepublikaner*in kann als Be- gens empfinden sich auch → Einge- zeichnung für alle Bürger*innen in der wanderte ohne deutschen Pass oft als Bundesrepublik Deutschland verwendet Teil der deutschen Gesellschaft, also werden, denn auch diejenigen ohne z. B. als Turko-Deutsche, zudem sind Be- → deutsche Staatsangehörigkeit zeichnungen dieser Art gendergerecht. haben sich für ein Leben in der Bundes- republik entschieden. Drittstaatsangehörige wird in der Fachsprache verwendet, um Menschen Deutsche steht für → deutsche zu beschreiben, die keine Staatsange- Staatsangehörige. Als Adjektiv oder hörigkeit eines EU-Landes haben. So- Substantiv sollte der Begriff nicht dazu lange es rechtliche Unterscheidungen dienen, eine ethnische Zugehörigkeit für diese Gruppen gibt, ist der Begriff und damit nur die → standarddeutsche unvermeidbar. Beispiel: → Deutsche Bevölkerung zu beschreiben. Denn: haben allgemeines Wahlrecht, EU-Bür- Jede*r fünfte Deutsche hat einen ger*innen können in Deutschland bei → Migrationshintergrund. Und ihr Kommunalwahlen abstimmen, Anteil wächst: Seit dem Jahr 2000 Drittstaatsangehörige dürfen in bei- erhalten in Deutschland geborene den Fällen nicht mitwählen. Kinder von → Ausländer*innen (in der Regel automatisch die deutsche Einheimische erzeugt ein schiefes Bild, Staatsangehörigkeit.) weil viele → Eingewanderte und ihre Nachkommen hier längst heimisch Deutsche ohne Migrationshintergrund sind. Es weckt die Assoziation von ist der korrekte Gegensatz zu → Men- fremdländischen → Migrant*innen. In schen mit Migrationshintergrund. Ist einem lockeren Kontext könnte es mit nur von → Deutschen die Rede, sind dem Gegensatz verwendet werden: Ein- Deutsche mit Migrationshintergrund heimische und Mehrheimische. schließlich selten mitgemeint. Einwander*innen sind Menschen, die Deutsch-Türk*in usw. ist eine Möglich- nach Deutschland gekommen sind, um keit, die Internationalität von Menschen dauerhaft zu bleiben. Derzeit ist in die- zu beschreiben. Dabei ist es allerdings sem Kontext oft fälschlich die Rede von sinnvoll, ihren Lebensmittelpunkt zu → Zuwander*innen, Menschen mit Zu-
wanderungsgeschichte und ähnlichem. Fremdarbeiter*in ist eine Bezeichnung für Arbeits- 9 Eingewanderte und ihre (direkten) migrant*innen, die immer noch hin und Nachkommen wurde von der Fach- wieder in Boulevard-Medien auftaucht kommission Integrationsfähigkeit1 der – dann allerdings ohne Genderstern. Bundesregierung eingebracht, um den Sie ist seit der NS-Zeit historisch be- recht weit gefassten und inzwischen lastet und sollte nur mit einer entspre- stigmatisierenden Begriff »Migrations- chenden geschichtlichen Einordnung hintergrund« abzulösen. Eingewan- verwendet werden. Als Alternative derte und ihre Nachkommen sind dem eignen sich Arbeitseinwander*in, Vorschlag der Fachkommission nach migrantische*r Arbeiter*in oder nur Personen, die selbst nach Deutsch- arbeitsmarktbezogene Einwander*in- land eingewandert sind und ihre nen /Zuwander*innen (Fachsprache), Kinder, wenn beide Elternteile eigene siehe auch → Gastarbeiter. Einwanderungserfahrungen haben. Wie in anderen Einwanderungsländern üb- Gastarbeiter wurden männliche wie lich, soll ausschlaggebend sein, ob die weibliche Arbeitseinwander*innen Menschen tatsächlich eingewandert genannt, die seit den 1950er Jahren sind. Ihre Nationalität ist dabei nach- durch bilaterale Verträge zur Anwer- rangig (anders als bei → Menschen mit bung von Arbeitskräften aus dem Aus- Migrationshintergrund). land kamen. Im Wort »Gast« schwang mit, dass die → Eingewanderten nicht Ethnie wurde eingeführt als wissen- bleiben sollten. Der Begriff ist schaftlicher Sammelbegriff für Grup- inzwischen veraltet, wird manchmal pen, denen unter anderem eine ge- aber noch zur Selbstbezeichnung ge- meinsame Abstammung zugeschrieben braucht, z. B. als »Gastarbeiterkind«. wird. Häufig geht es um die Beschrei- Die wissenschaftliche Literatur ist da- bung von außereuropäischen Gruppen. zu übergegangen, ihn mit dem Zusatz Der Begriff fungiert umgangssprachlich »sogenannte Gastarbeiter« zu versehen. als Ersatz für veraltete rassistische Be- Siehe auch → Fremdarbeiter*in. griffe wie → Stamm oder → Rasse, meint aber dasselbe Konzept. Korrekter ist es, Herkunftsdeutsche ist umstritten. Wer konkret zu beschreiben, welche Gruppe allerdings »Deutsche mit türkischer gemeint ist, zum Beispiel die Hausa Herkunft« sagt, müsste konsequenter- aus Westafrika. Je nach Kontext kann weise auch Deutsche mit deutscher es auch um Communitys gehen oder Herkunft, sprich Herkunftsdeutsche beispielsweise die ghanaische sagen. → Diaspora. Vgl. → Kulturkreis. Indigene sind laut Definition der Vereinten Nationen die Nachfahren der Menschen, die ein Gebiet bereits Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«?
bewohnten, bevor sie von Gruppen aus anderen Teilen der Welt unterworfen, keinen historisch aufgeladenen Kontext und ist im öffentlichen 10 untergeordnet oder kolonialisiert wur- Diskurs meist humorvoll konnotiert. den oder ihr Gebiet Teil eines Staates Trotzdem wird der Begriff von manchen wurde. Bis heute sind sie nicht maß- als Beleidigung abgelehnt. Siehe auch geblich an den nationalen Regierungen → Kartoffel-Rassismus. der Länder beteiligt, in denen sie leben. Weltweit gibt es schätzungsweise etwa Kinder nichtdeutscher Herkunfts- 370 Millionen Indigene in mehr als 70 sprache (»ndH«) ist ein abstrakter Staaten. Indigene ist als übergeordne- Fachbegriff, der vor allem im Bildungs- tete Selbstbezeichung akzeptiert. Eben- bereich für Schüler*innen verwendet so kann in einem Bericht die bestimmte wird. Er ist der Versuch, bestimmte Gruppe beim Namen genannt werden, Förderbedürfnisse zu benennen, ohne z. B. Cherokee, Maya, Tuareg, Kinder einer Herkunftsgruppe zuzuord- Massai usw. Unangebracht sind Be- nen. Leider verbirgt sich dahinter ein griffe wie »Ureinwohner«, »Eingebore- defizitorientierter Blick: In der Schul- ne«, »Naturvolk«, »Indianer« etc. Siehe eingangsuntersuchung wird allein der auch BIPoC in → People of Color. Frage nachgegangen, ob das Kind als erste Sprache Deutsch gelernt hat. Ge- Kanak*in (polynesisch »Kanaka« = nauso geeignet und weniger abstrakt: Mensch) ist ein Schimpfwort, wird Mehrsprachige Kinder oder Kinder jedoch manchmal (mit sarkastischem mit internationaler Geschichte. Unterton) als Selbstzuschreibung ver- wendet. Wenn Protagonist*innen sie Latinx (sprich: La-tí-nex) ist eine Selbst- für sich selbst verwenden, kann die bezeichnung von Menschen lateiname- Selbstbezeichnung in Medienberichten rikanischer Herkunft. Der Begriff hat übernommen werden, sollte aber als sich als inklusive und geschlechterge- solche erkennbar sein. rechte Alternative für Latino / Latina im englischsprachigen Raum entwickelt. Kartoffel ist ein ironischer, umgangs- sprachlicher Begriff für → Deutsche Menschen aus eingewanderten ohne Migrationshintergrund und ist aus Familien beschreibt keine statistische der Annahme entstanden, in Deutsch- Größe, sondern das, worum es geht: um land würden besonders viele Kartof- Menschen und ihre Familien, die ein- feln verzehrt, was nur bedingt stimmt. gewandert sind. Populär wurde »Kartoffel« als Zuschrei- bung in der Jugendsprache und Popkul- Menschen mit internationaler Ge- tur seit den frühen 00er Jahren. Mittler- schichte ist eine weitere Alternativ- weile haben sich den Begriff vor allem formulierung, die im Workshop »Was deutsche Rapper als ironische Selbst- heißt hier Migrationshintergrund?« bezeichnung angeeignet. Kartoffel hat beim Diversity-Day 2014 von Heidel-
berger*innen zusammen mit den NdM entwickelt wurde. Der Begriff berück- Migrant*innen werden vom Statistischen Bundesamt als 11 sichtigt, dass nicht alle Menschen mit Menschen definiert, die nicht auf dem ihren Familien eingewandert sind. Er Gebiet der heutigen Bundesrepublik, ist umgekehrt auch verwendbar für sondern im Ausland geboren sind. Rund → Standard-Deutsche, also Menschen die Hälfte davon sind → Deutsche, die ohne internationale Geschichte. andere Hälfte hat eine ausländische Staatsangehörigkeit. Im Diskurs wird Menschen mit Migrationshintergrund dieser Begriff häufig irrtümlich als sind nach statistischer Definition Synonym für → Menschen mit Migra- • i n Deutschland lebende tionshintergrund verwendet. → Rechts- Ausländer*innen, radikale und → Rechtsextreme nutzen • e ingebürgerte Deutsche, den Begriff »Migranten« anstatt von • i n Deutschland geborene Kinder mit → Geflüchteten zu sprechen. Damit deutschem Pass, bei denen sich der soll suggeriert werden, dass Schutzsu- Migrationshintergrund von mindes- chende nicht nach Deutschland fliehen, tens einem Elternteil ableitet, sondern aufgrund einer angeblich • → Spätaussiedler*innen und ihre freien Entscheidung nach Deutschland Nachkommen. kommen, also migrieren. Zunächst wurde »Personen mit Migra- tionshintergrund« in der Verwaltungs- Migrationsvordergrund eine meist und Wissenschaftssprache verwendet. augenzwinkernd gemeinte Selbst- Doch als durch Einbürgerungen und bezeichnung von Menschen, deren das neue Staatsangehörigkeitsrecht → Migrationshintergrund sichtbar ist. von 2000 der Begriff → Ausländer*in- nen nicht mehr zutraf, um → Einge- Mischling ist als Bezeichnung dem wanderte und ihre Nachkommen zu Tierreich entlehnt und beruht auf der beschreiben, ging die Formulierung Rassentheorie. Der Begriff sollte nicht auch in die Umgangssprache ein (siehe auf Menschen übertragen werden. auch → Einbürgerung und → Doppelte Ist die Information relevant, kann die Staatsbürgerschaft). Heute wird der Herkunft der Eltern konkret benannt Begriff oft als stigmatisierend empfun- werden. »Mischling« ist nicht gleichbe- den, weil damit mittlerweile vor allem deutend mit → mixed. vermeintliche (muslimische) »Prob- lemgruppen« assoziiert werden. Das Neubürger*in klingt nach soeben ein- Statistische Bundesamt erwägt 2022 gewanderten Menschen. Als Synonym eine neue Kategorie und Bezeichnung für Eingebürgerte ist der Begriff eher einzuführen. Weitere Alternativen: verwirrend, da er keine Verwurzelung → Menschen aus eingewanderten in Deutschland vermuten lässt. Familien oder → Menschen mit inter- nationaler Geschichte. Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«?
Neue Deutsche taucht immer häufiger auf und wird unterschiedlich ver- Rasse ist seit dem Nationalso- zialismus (»Rassengesetze«) ein 12 wendet: Manche gebrauchen den Unwort in Deutschland, das im Sprach- Begriff synonym für → Menschen mit gebrauch nicht mehr üblich ist. Den- Migrationshintergrund. Als Selbst- noch existiert es noch in zahlreichen bezeichnung von → Menschen aus Gesetzestexten wie dem Grundgesetz eingewanderten Familien soll er den (»Niemand darf wegen ... seiner Rasse ... Anspruch auf Zugehörigkeit deutlich benachteiligt oder bevorzugt werden.«). machen. Der Begriff kann aber auch für Derzeit wird in der Politik debattiert, eine Haltung stehen statt für eine her- den Begriff »Rasse« aus dem Grund- kunftsbezogene Kategorisierung: Zu den gesetz zu streichen. In der Bericht- Neuen Deutschen zählen dann alle erstattung taucht er mitunter auf, wenn Menschen (mit und ohne Migrationshin- Rassismus-Debatten aus den USA tergrund), die positiv zur Pluralisierung wiedergegeben werden. Doch Begriffe der Gesellschaft stehen. wie »Rassenunruhen« (race oder ethnic riots) oder »Rassenbeziehungen« (race People of Color (PoC) ist eine Selbst- relations) sollten nicht wortwörtlich bezeichnung von Menschen mit übersetzt werden, weil der Begriff Rassismuserfahrung, die nicht als → race in den USA anders als »Rasse« → weiß, deutsch und westlich wahrge- in Deutschland einen Bedeutungswan- nommen werden und sich selbst nicht del durchlaufen hat. Alternativen wären so definieren. PoC (Singular Person auch Rassismus-Unruhen oder Un- of Color) sind nicht unbedingt Teil der ruhen wegen Rassismus-Vorwurf u. ä. afrikanischen Diaspora – ursprünglich ist der Begriff u. a. zur Solidarisierung Russlanddeutsche sind als → Aus- mit → Schwarzen Menschen ent- siedler*innen / Spätaussiedler*innen standen. Schwarz, → weiß und PoC sind von 1950 bis heute nach Deutschland dabei politische Begriffe. Es geht nicht eingewanderte Menschen aus den um Hautfarben, sondern um die Benen- Nachfolgestaaten der UdSSR. Ihre Vor- nung von → Rassismus und den Macht- fahren sind deutsche Siedler*innen, verhältnissen in einer mehrheitlich deshalb können sie eine Statusdeut- weißen Gesellschaft. Inzwischen wird scheneigenschaft bekommen und wer- häufiger von → BPoC (Black and People den damit → deutschen Staatsangehö- of Color) gesprochen. Etwas seltener rigen formal gleichgestellt. Dennoch kommt hierzulande die Erweiterung sind sie häufig von → antislawischem BIPoC ( Black, Indigenous and Peo- Rassismus betroffen. Mit 2,49 Millionen2 ple of Color) vor, die explizit auch → in- Menschen mit eigener Wanderungser- digene Menschen mit einbeziehen soll. fahrung sind sie die zweitgrößte Gruppe Diese Begriffe werden teils kritisiert, von → Eingewanderten in Deutsch- weil damit sehr große und unterschied- land. Bezeichnungen wie Deutsch- liche Gruppen vermengt werden. Russen, Russisch- bzw.
Kasachischstämmige sind für Russ- landdeutsche inkorrekt und werden oft → Deutsche mit Migrations- hintergrund vermeintlich ab- 13 als diskriminierend wahrgenommen. weichen. Der Begriff wurde durch den Noch im Etablierungsprozess ist die Migrationspädagogen Paul Mecheril in Selbstbezeichnung PostOst für Men- die Debatte eingebracht3, der auch den schen, die selbst oder deren Vorfahren Begriff Copyright-Deutsche prägte. aus Staaten kommen, die in Deutsch- land pauschal als sog. »Ostblock« be- Südländer*in ist ein aus der Mode zeichnet wurden und werden. gekommener Begriff, aber in der Be- schreibung »südländisches Aussehen« Schwarz ist eine Eigenbezeichnung, die in manchen Medien noch zu finden. viele afrodiasporische Menschen und Hier stellt sich die Frage: Was genau Initiativen verwenden. Sie kommt aus ist gemeint? Geografisch ist der Begriff dem englischsprachigen Rassismusdis- unspezifisch und verortet Menschen kurs (»Black«). Auch hier geht es nicht außerhalb von Deutschland, obwohl sie um Hautfarbe, sondern um den Gegen- hier geboren und aufgewachsen sein satz zu → weiß (vgl. → PoC). Als politi- könnten. Der Begriff wird auch von sche Selbstbezeichnung wird Schwarz → rechtsradikalen und → rechts- groß geschrieben – auch von immer extremen Medien verwendet. mehr Medien. Seit Juli 2020 hat bspw. die New York Times die Großschreibung Türkischstämmige (Bürger*innen) von »Black« in ihren redaktionellen Stil- ersetzt inzwischen die früher gängige vorschriften festgelegt. Die spezifische Bezeichnung »Türken« und soll berück- Rassismuserfahrung, die Schwarze sichtigen, dass fast die Hälfte von ihnen Menschen machen, wird als → Anti- inzwischen deutsche Staatsbürger*in- Schwarzer Rassismus bezeichnet. Siehe nen sind. Die Alternative → Türkei- auch im Kapitel »Schwarze Menschen« stämmige drückt aus, dass → Ein- ab Seite 41. gewanderte aus der Türkei auch Kurd*innen oder Angehörige anderer Secondos (f: Secondas) ist in der Minderheiten sind, die sich nicht als deutschsprachigen Schweiz die gängi- »türkisch« verstehen. Einige von ihnen ge Selbstbezeichnung von → Menschen lehnen diese verbale Verbindung mit aus eingewanderten Familien, die ab der Türkei jedoch gänzlich ab. der zweiten Generation in der Schweiz leben. Singular: Secondo (m), Se- Weiß Geht es um Zugehörigkeit, Teil- conda (f). habe und Rassismus, ist immer öfter von Weißen die Rede. Häufig herrscht Standard-Deutsche beschreibt das Missverständnis, es ginge dabei um → Deutsche ohne Migrationshinter- eine Hautfarbe. Tatsächlich meint grund und macht aufmerksam auf eine weiß eine gesellschaftspolitische Normvorstellung, von der Norm und Machtposition und wird Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«?
deshalb in wissenschaftlichen Texten oft klein und kursiv geschrieben. Der Zeit vor allem in der Politik genutzt, um Deutschland 14 Begriff wird als Gegensatz zu → People nicht als → Einwanderungsgesellschaft of Color und → Schwarzen Menschen zu benennen, sondern nur von (zeitlich verwendet. Dabei müssen sich z. B. begrenzter) Zuwanderung zu sprechen. weiße Deutsche nicht selbst als weiß Sprachlich unterstreicht die Vorsilbe oder privilegiert fühlen. »zu« eher die Nicht-Zugehörigkeit, ähnlich wie bei beim abgewandelten Wir kann missverständlich wirken, »Neuzuwanderer«. Menschen, die eine wenn beispielsweise von »wir Deut- längere Zeit hier leben, sind schlicht schen« die Rede ist, aber nur → Deut- → Einwander*innen. sche ohne Migrationshintergrund gemeint sind. Als Alternative kann Mehrheitsbevölkerung passender sein – allerdings nicht überall, in Frank- furt am Main sind → Menschen mit Migrationshintergrund bereits in der Mehrheit (siehe auch → Mehrheits- gesellschaft, → Aufnahmegesell- schaft). Wurzeln, mit griechischen etc. wird oft verwendet, um die Herkunft von → Menschen mit internationaler Geschichte zu beschreiben. Weil damit keine Verortung in Deutschland, son- dern vielmehr eine Entwurzelung von → Eingewanderten und ihren Nach- kommen mitschwingt, wird die Be- schreibung teilweise kritisch gesehen. Alternativ kann z. B. die (ehemalige) Nationalität der Eltern genannt werden, sofern es wirklich nötig ist. Zuwander*innen sind zunächst alle Menschen, die nach Deutschland ziehen. Statistisch zählen dazu auch diejenigen, die nach kurzer Zeit wieder fortziehen (Abwander*innen). Die Ab- sicht zu bleiben ist bei Zuwander*innen nicht gegeben. Der Begriff wurde lange
15 1 Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2016 (Tabelle1 (Personen_mit_Migrationshintergrund), Zeile 97, Spalte X) 2 Bericht der Fachkommission zu den Rahmen- bedingungen der Integrationsfähigkeit »Gemeinsam die Einwanderungsgesellschaft gestalten«, 2021, S. 218 ff.: https://www.fachkommission- integrationsfaehigkeit.de/fk-int 3 Mecheril, Paul und Thomas Teo (1997, Hrsg.), Psychologie und Rassismus, Hamburg
Migration 16 Debatten um die deutsche Einwanderungsgesellschaft haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die Begriffe, die wir dabei benutzen und ihre Bedeu- tung wandeln sich im Laufe der Zeit. So war »Migration« ursprünglich ein Wort aus der Zoologie (Meyers Konversationslexikon, 1906). Zum Teil verändert auch die Gesetzgebung unsere Sprache: Nach der Staatsangehörigkeitsreform von 2000 ist deutsche*r Staatsbürger*in, wer hier geboren ist, nicht mehr nur wer von Deut- schen abstammt. Im Folgenden werden alte und neue Begriffe und Regelungen im Einwanderungs- land Deutschland erläutert. Wo es möglich oder nötig ist, werden alternative For- mulierungen angeboten, um eine unbewusst negative Konnotation der Sprache in der Berichterstattung zu vermeiden. Armutszuwander*in wird in der männ- klärender Zusatz, wie multikulturelle lichen Form oft als abfällige Bezeich- oder plurale Aufnahmegesellschaft nung für Menschen aus Südosteuropa wäre sinnvoll, damit deutlich wird: Es verwendet, teils auch als Synonym für sind die rund 83 Millionen1 Bürger*in- → Rom*nja, die im Zuge der EU-Frei- nen in Deutschland gemeint. zügigkeit nach Deutschland kommen. Die große Mehrheit der Menschen, Aussiedler*innen / Spätaussiedler*in- die aus den EU-Mitgliedsstaaten nen sind deutsche »Volkszugehörige« → Bulgarien und → Rumänien einge- und mit etwa 4,5 Millionen Menschen wandert sind, geht jedoch einer Arbeit die größte eingewanderte Gruppe in der nach oder studiert. Es handelt sich Bundesrepublik. Laut Definition des In- daher überwiegend um eine – für nenministeriums handelt es sich bei ih- Deutschland profitable – Arbeitsein- nen um »Personen deutscher Herkunft, wanderung bzw. Arbeitszuwanderung. die in Ost- und Südosteuropa sowie in Bei »Armutsmigration« wird vor allem der Sowjetunion unter den Folgen des eine vermeintliche Einwanderung in Zweiten Weltkrieges gelitten haben die Sozialsysteme betont, die gesetzlich (und die) noch Jahrzehnte nach Kriegs- aber ausgeschlossen ist. ende aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit massiv verfolgt« wurden. In der Bun- Aufnahmegesellschaft wird häufig als desrepublik können sie die »Statusdeut- Synonym für → Deutsche ohne Migrati- scheneigenschaft« bekommen, werden onshintergrund verwendet, wirkt dann damit → deutschen Staatsangehörigen jedoch ausgrenzend, da → Eingewan- gleichgestellt und sind keine → Auslän- derte und ihre Nachkommen auch zu der*innen (siehe auch → Vertriebene, den Aufnehmenden gehören. Ein → Russlanddeutsche). → Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
Deutsche Staatsangehörigkeit erwer- ben Menschen mit der Geburt entweder Abstammungsprinzip auto- matisch die unterschiedlichen 17 nach dem Abstammungsprinzip, wenn Staatsangehörigkeiten beider Eltern- sie also als Kind deutscher Eltern ge- teile erhält. Bei → Einbürgerungen in boren werden, oder seit 2000 auch Deutschland soll Mehrstaatigkeit ver- nach dem Geburtsortprinzip. Das heißt, mieden werden, es gibt allerdings viele auch Kinder, deren Eltern keine deut- Ausnahmen: z. B. für EU-Bürger*innen, sche Staatsangehörigkeit besitzen, Schweizer*innen, US-Amerikaner*in- erhalten seither in der Regel die deut- nen, Argentinier*innen etc. Seit 2000 sche Staatsbürgerschaft, wenn sie in erhalten auch in Deutschland geborene Deutschland geboren sind (siehe Kinder von → Ausländer*innen neben → doppelte Staatsangehörigkeit, der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern → Optionspflicht). Unter bestimmten die deutsche (siehe → Optionspflicht). Voraussetzungen (u. a. achtjähriger Um Menschen mit doppelter Staats- Aufenthalt) kann man durch → Ein- bürgerschaft zu benennen, ist es bürgerung deutsche*r Staatsbürger*in sinnvoll, ihren Lebensmittelpunkt zu werden. betonen, also z. B. Turko-Deutsche, oder Türkei-Deutsche statt Deutsch- Displaced Persons (DPs) engl. für Ver- Türk*innen, Greco-Deutsche, statt triebene. Die UN bezeichnen Personen Deutsch-Griech*innen etc. ähnlich wie als displaced people, die wegen bei Russlanddeutschen (siehe bewaffneter Auseinandersetzungen, → Deutsch-Türk*in). Menschenrechtsverletzungen, natür- licher oder menschlich verursachter Einbürgerung ist der Prozess zur Er- Katastrophen gezwungen wurden, ihren langung der deutschen Staatsbürger- Heimatort zu verlassen, aber keine schaft. Unterschieden wird zwischen international anerkannte Staatsgren- Anspruchseinbürgerung und Ermes- ze überschritten haben; im Sinne der senseinbürgerung. Anspruch auf eine UN sind DPs Binnenflüchtlinge. Als Einbürgerung hat, wer die gesetz- historischer Begriff in der deutschen lichen Voraussetzungen dafür erfüllt Geschichte bezieht er sich vor allem auf (z. B. mindestens acht Jahre Aufent- ehemalige KZ-Häftlinge, Kriegsgefan- halt, Lebensunterhaltssicherung ohne gene und Zwangsarbeiter*innen nach Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II, seit dem Zweiten Weltkrieg (siehe auch 2020 auch eine »Einordnung in deut- → Heimatlose Flüchtlinge). sche Lebensverhältnisse«). Sind nicht alle Voraussetzungen gegeben, kann Doppelte Staatsangehörigkeit Das eine Einbürgerungsbehörde trotzdem Fachwort dafür ist Mehrstaatigkeit die deutsche Staatsbürgerschaft verge- und beschreibt den Besitz von zwei ben, wenn z. B. ein öffentliches Interes- oder mehr Staatsangehörigkeiten. Dazu se an der Einbürgerung besteht (bspw. kommt es z. B., wenn ein Kind nach dem bei Profi-Sportler*innen) und einige Migration
Mindestanforderungen erfüllt sind (siehe auch → doppelte Staatsbürger- Berichterstattung kommen oft Formulierungen wie → geschei- 18 schaft und → deutsche Staatsangehö- terte oder »gelungene« Integration vor; rigkeit). ebenso wie bei der Übertragung auf Personen (→ Integrationsverweiger*in) Einwanderungsgesellschaft beschreibt werden gesellschaftliche Probleme Deutschland als Einwanderungsland: dadurch individualisiert und kulturali- Menschen wandern ein und werden siert. Alternativen: Teilhabe, Teil der heimischen Bevölkerung. Da Chancengleichheit. aber längst nicht alle, die kommen, ihr Leben lang bleiben (wollen) und außer- Integrationsverweiger*in steht für die dem viele Deutsche ins Ausland ziehen, diffuse Vorstellung, dass → Eingewan- kann auch von einer Migrationsge- derte die deutsche Gesellschaft, ihre sellschaft gesprochen werden. Siehe Werte und Gesetze ablehnen würden. auch → Zuwander*innen. War früher noch die Rede von Men- schen mit »Integrationsbedarf« und Gescheiterte Integration wird häufig »Integrationsproblemen«, wurden dar- als Ursache für Jugendkriminalität aus später »Integrationsunfähige« oder und andere Probleme genannt. Dabei »Integrationsunwillige« und danach wird oft unterstellt, dass zum Beispiel »Integrationsverweiger*innen«. Daran Verstöße gegen Gesetze und Normen wird deutlich, dass → Menschen aus begangen werden, weil die deutsche eingewanderten Familien oft eine wil- Gesellschaftsordnung abgelehnt und lentliche und aktive Abgrenzung unter- stattdessen einer vermeintlich archai- stellt wird, was jedoch sehr selten der schen Einwandererkultur mit eigenen Fall ist. Studien verweisen dagegen auf Regeln gefolgt wird. Meist sind jedoch einen Mangel an Chancengleichheit, andere Ursachen zu finden, wie man- Bildungsgerechtigkeit und fehlende gelnde Chancengleichheit oder oder erschwerte Möglichkeiten zur Bildungsgerechtigkeit, soziale Be- Partizipation. nachteiligung etc. Mehrheitsgesellschaft ist ein gängiger Integration ist ein Begriff, der oft im Begriff, der missverständlich ist. Eigent- Zusammenhang mit → Migrant*innen lich müsste es heißen: Mehrheits- fällt und als Bringschuld der Ein- bevölkerung, also die von knapp 60 wander*innen gemeint ist. Wissen- Millionen2 → Deutschen ohne Migra- schaftler*innen dagegen verwenden tionshintergrund. In einem faktischen ihn, um Sachverhalte zu beschreiben, Einwanderungsland funktionieren wie Teilhabe und Zugang zu Arbeit Bezeichnungen wie »die deutsche Ge- oder Bildung. In diesem Sinn ist bspw. sellschaft« oder »die Gesellschaft in von Integrationspolitik oder Integra- Deutschland« nicht als Synonym für tionsprojekten die Rede. In Politik und → Deutsche ohne Einwanderungsbezug.
Mischehe beruht als Begriff auf der Ras- sentheorie und wurde vor allem im hohen Anteil von Einwan- der*innen in manchen Stadt- 19 Zuge der »Rassenhygiene« zur Zeit des teilen oft eher der Wohnungsmarkt Nationalsozialismus verwendet. Gute ursächlich als ein Hang zu innerethni- Alternativen sind binationale oder schen Nachbarschaften. ggf. interreligiöse Ehe, vgl. → mixed. Postmigrantisch wurde von der Berli- Optionspflicht Seit 2000 erhalten in ner Theaterintendantin Shermin Lang- Deutschland geborene Kinder von hoff geprägt und setzt sich zunehmend → Ausländer*innen neben der ausländi- durch. Postmigrantisch steht für den schen Staatsangehörigkeit in der Regel Prozess, die Gesellschaft nach erfolgter auch die deutsche. Dabei wurde jedoch Einwanderung mitzugestalten. Wird für die Kinder von → Drittstaatsange- Deutschland als → Einwanderungs- hörigen die Optionspflicht eingeführt: gesellschaft akzeptiert, werden Katego- Zwischen dem 18. und dem 23. Geburts- rien wie → deutsch / nicht-deutsch be- tag mussten sie sich für eine der beiden deutungslos. Es gilt, die herrschenden Staatsangehörigkeiten entscheiden. Mit (Miss-)Verhältnisse gemeinsam neu zu der Reform des Staatsangehörigkeits- verhandeln. gesetzes von 2014 entfällt dieser Ent- scheidungszwang für junge Leute mit Vertriebene sind deutsche Staats- → doppelter Staatsangehörigkeit, die angehörige oder sog. deutsche mindestens acht Jahre in Deutschland »Volkszugehörige« (jur. Bezeichnung, gelebt haben, oder sechs Jahre hier zur Bundesvertriebenengesetz) und ihre Schule gingen oder einen Schul- oder Nachkommen, die ihren Wohnsitz im Berufsabschluss in Deutschland ge- Zusammenhang mit dem Zweiten macht haben. Es bleibt also kompliziert. Weltkrieg verloren haben. Auch → Aus- siedler*innen gelten gesetzlich als Parallelgesellschaft ist ein Schlagwort, Vertriebene. Beide Gruppen haben, das Anfang der 2000er Jahre in der ebenso wie → Spätaussiedler*innen Debatte um → Muslim*innen in Deutsch- einen rechtlichen Anspruch darauf, aus land populär wurde. Der Begriff ist Ländern des ehemaligen Ostblocks in inhaltlich diffus und wird verbunden Deutschland aufgenommen zu werden. mit vermeintlich → gescheiterter Inte- In der Bundesrepublik bekommen sie in gration. Er zeichnet ein Bild homogener der Regel automatisch die sog. Status- Minderheiten, die sich räumlich, sozial deutscheneigenschaft und sind somit und kulturell von der → Mehrheits- keine → Ausländer*innen. gesellschaft abschotten3. Ihnen wird »Integrationsunwilligkeit« unterstellt, Willkommenskultur ist zur Standard- ohne zu berücksichtigen, dass für vokabel in Asyldebatten geworden. → Integration die gesamte Gesellschaft Gemeint ist meistens das Engagement verantwortlich ist. Zudem ist für einen der vielen Ehrenamtlichen, die sich Migration
für → Geflüchtete einsetzen und damit eine Willkommenskultur schaffen. Vor- 20 her war Willkommenskultur eher ein politisches Leitbild für die multikulturelle Aufnahmegesell- schaft in der Integrationspolitik. So wurden z. B. in Hamburg oder Stuttgart städtische »Welcome-Center« für Ein- wander*innen eröffnet. Kritisiert wurde der Begriff in diesem Zusammenhang z. B. vom Medienwissenschaftler Alex- ander Kissler, der darauf verwies, dass sich das Wort »Willkommen« nur auf den kurzen Vorgang des Kommens be- ziehe, also keinen sich verstetigenden Zustand bezeichnen könne (siehe auch → Einwanderungsgesellschaft, → Aufnahmegesellschaft). Xenophilie ist das Gegenteil von → Xenophobie und beschreibt eine Neigung für fremde Dinge oder Men- schen. Beides setzt eine Kategorisie- rung in »fremd« und »nicht fremd« voraus. Xenophobie (griech. xeno, fremd) bezeichnet die ablehnende Haltung 1 Bevölkerungsstand lt. Statistischem Bundesamt gegenüber einer Gruppe, die als fremd (Stand: Juni 2019): https://www.destatis.de/DE/ wahrgenommen wird, aber nicht auto- Presse/Pressemitteilungen/2019/06/ matisch fremd sein muss, wie zum Bei- PD19_244_12411.html 2 Statistisches Bundesamt: Bevölkerung mit Mig- spiel → Afrodeutsche oder → deutsche rationshintergrund. Ergebnisse des Mikrozensus Muslim*innen. Xenophobie ist eine 2020 (Stand 2022): https://www.destatis.de/DE/ Form der gruppenbezogenen Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Mig- Menschenfeindlichkeit (siehe auch ration-Integration/Publikationen/_publikationen- → Fremdenfeindlichkeit, → Rassis- innen-migrationshintergrund.html mus). 3 Vgl. »Zuwanderung wird als Bedrohung emp- funden«: Interview mit Klaus J. Bade mit Spiegel Online vom 24.11.2014 https://www.spiegel.de/ kultur/gesellschaft/leitkultur-debatte- zuwanderung-wird-als-bedrohung-empfunden- a-329285.html
Kriminalitätsberichterstattung 1 21 Die Berichterstattung über Straftaten nimmt in den meisten Medien viel Raum ein. Dabei herrscht immer noch das Vorurteil, Geflüchtete oder Eingewanderte würden häufiger straffällig als biografisch Deutsche und ihre Herkunft hätte ursächlich da- mit zu tun. Die folgenden Erläuterungen und Empfehlungen sollen dazu beitragen, differenziert und diskriminierungskritisch über Straftaten zu berichten. Ausländerhass, Fremdenfeindlichkeit Banden wird in der Kriminalitätsbe- sind als Synonyme für → Rassismus richterstattung häufig als Schlagwort und rassistische Tatmotive ungenau, verwendet, um mit dem Zusatz »aus da es selten um tatsächliche Fremde Südosteuropa« einen Hinweis auf wie etwa Tourist*innen geht. Von der → Rom*nja zu implizieren. Der Begriff vermeintlichen »Ausländerfeindlich- sollte aber nur verwendet werden, wenn keit« sind oft deutsche Staatsangehöri- er juristisch angebracht ist. So definiert ge betroffen. Wer Angriffe auf → BPoC der Bundesgerichtshof eine Bande als als »Fremdenfeindlichkeit« oder »Aus- »Zusammenschluss von mindestens länderhass« bezeichnet, übernimmt die drei Personen, die sich mit dem Willen rassistische Sichtweise der Täter*in- verbunden haben, künftig für eine ge- nen. Präziser ist es, die Straftaten und wisse Dauer mehrere selbständige, im Motive als rassistisch, rassistisch Einzelnen noch ungewisse Diebes- oder motiviert, rechtsextrem, rechts- Raubtaten zu begehen«. Siehe auch terroristisch oder neonazistisch zu → Clan. bezeichnen (siehe → Hassverbrechen, Hasskriminalität). Blutrache bezeichnet ausschließlich schwere Gewalttaten oder Morde zur Ausländerkriminalität sollte nicht als Vergeltung der Tötung von Familien- eine Bezeichnung für alle Straftaten mitgliedern. Mitunter wird Blutrache verwendet werden, die von → Auslän- zur Beschreibung anderer Straftaten der*innen begangen werden, sondern verwendet, die von → Eingewanderten als Oberbegriff für Verstöße, die nur und ihren Nachkommen begangen von Ausländer*innen begangen werden werden. Dabei handelt es sich aber in können, wie z. B. Visavergehen oder vielen Fällen schlicht um Rache oder Verstöße gegen Asylgesetze. Alle an- Racheakte. deren Straftaten können konkret be- nannt werden – schließlich ist bei Clan gehört zu den Begriffen, die eben- Delikten, die Ausländer*innen so wie die Schlagworte »Großfamilie« seltener begehen (z. B. Steuerflucht) oder »Sippe« auch ohne einen Hinweis auch nicht von »Deutschen-Kriminali- auf die Herkunft implizieren, dass es tät« die Rede. in einem Bericht um → Eingewanderte → Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
und ihre Nachkommen oder → Rom*nja geht. Weniger kulturalistisch und chen Berichten ist es meist auf- schlussreicher zu erfahren, ob 22 konkreter ist der Begriff kriminelle Behrouz F. in einem Arbeiterkiez oder Bande, wenn es sich tatsächlich um Nobelviertel wohnt. Formulierungen eine solche handelt. Siehe → Banden, wie »der Iraner Behrouz F. aus Köln« → Clan-Kriminalität. oder »der iranischstämmige Behrouz F.« hingegen machen eher deutlich, Clan-Kriminalität ist ein stigmatisie- dass Behrouz F. weder »echter« Kölner render Begriff, weil damit ganze Fami- noch → Deutscher ist oder sein kann. lien, auch Kinder, Großeltern und an- dere Verwandte zu Kriminellen erklärt Der türkischstämmige Tatverdäch- werden. Häufig knüpft er an kulturras- tige (siehe auch: → türkischstämmig) sistische Vorstellungen an, etwa, dass Grundsätzlich sollte die Herkunft von alle → Clan-Mitglieder in archaischen Straftäter*innen oder Verdächtigen nur Familienstrukturen leben. Alternativ dann genannt werden, wenn ein Bezug kann man von → organisierter Krimi- zur Tat besteht und die Information nalität oder von einer kriminellen zum Verständnis notwendig ist. Das → Bande sprechen, sofern die fachli- wäre etwa der Fall, wenn ein kultu- chen Kriterien dafür tatsächlich erfüllt reller oder religiöser Hintergrund bei sind. der Entscheidung in einem Gerichts- verfahren berücksichtigt wird. Gibt es Der*die Gesuchte spricht Deutsch mit keinen sachlichen Bezug zum Tather- türkischem Akzent ist in fast allen Fäl- gang, wird durch die explizite Nennung len eine vage Vermutung. Es ist schwer der Herkunft von Straftäter*innen oder unterscheidbar, ob ein Mensch einen Verdächtigen in der Nachricht ein ver- türkischen, kurdischen, persischen, meintlich ursächlicher Zusammenhang berberischen oder anderen Akzent hergestellt. Zum Vergleich: Es ist auch hat. Entsprechend kann in Meldungen nicht üblich, von deutschstämmigen zur Fahndungshilfe wahrheitsgemäß Täter*innen zu sprechen. formuliert werden spricht Deutsch mit Akzent oder sprach Deutsch mit Ehrenmord definieren Expert*innen für einem Akzent, der vom Zeugen als das Bundeskriminalamt so: »Tötungs- türkisch eingeschätzt wurde. delikte, die im Kontext patriarchalisch geprägter Familienverbände oder Ge- Der Kölner Behrouz F. bei der Nen- sellschaften vorrangig von Männern nung von Namen oder Alias-Namen in an Frauen verübt werden, um die aus Berichten ist eine Verbindung mit dem Tätersicht verletzte Ehre der Familie Wohnort zu empfehlen. Auch eine Nen- oder des Mannes wiederherzustellen«2. nung des Wohnbezirks kann sinnvoll Teils wird die Bezeichnung jedoch all- sein, weil sie oft mehr Aussagekraft hat gemein verwendet, zum Beispiel wenn als die Herkunft. Vor allem in ausführli- ein türkeistämmiger Mann seine Frau
umbringt. In vielen Fällen würde die gleiche Tat, begangen in einem → stan- Wissenschaftlich formuliert wäre das Motiv gruppenbe- 23 darddeutschen Umfeld, Familientra- zogene Menschenfeindlichkeit. gödie oder Beziehungstat genannt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Ideologien der Ungleichwertigkeit verwendet für solche Taten den Begriff sind Weltanschauungen, in denen die Femizid. Alternative: Frauenmord Gleichwertigkeit und Gleichberech- (siehe → Mord im Namen einer ver- tigung aller Menschen grundlegend meintlichen Ehre). abgelehnt werden. Ideologien der Un- gleichwertigkeit sind u. a. → Rassismus, Extremismus bezeichnet laut Poli- → Antisemitismus, Sexismus, Sozialdar- zei und Verfassungsschutz extreme winismus, Chauvinismus oder Homo- politische Haltungen, mit dem Ziel, und Transfeindlichkeit. Sie können sich sie gegen die freiheitlich-demokrati- in → Hasskriminalität äußern. sche Grundordnung durchzusetzen. Extremist*innen handeln verfassungs- Messereinwanderung ist ein propa- feindlich, oft auch gewaltsam. Der gandistischer Begriff, den die AfD-Bun- Begriff ist umstritten, weil er undiffe- destagsfraktion 2018 aufgebracht hat renziert ist und voraussetzt, dass es und der von einigen Boulevard-Medien nur einen extremen linken und rechten (»Messer-Angst!«) aufgenommen wurde. Rand gibt. → Ideologien der Ungleich- Für die Behauptung, Gewalttaten von wertigkeit und die Ablehnung der → Migranten*innen mit Messern seien Demokratie finden sich jedoch auch in bundesweit stark angestiegen, gibt es der Mitte der Gesellschaft. Umgangs- keine seriösen statistischen Belege, sprachlich wird Extremismus oft irr- u. a. weil Landesbehörden solche Straf- tümlich mit → Radikalismus gleichge- taten auf sehr unterschiedliche Weise setzt. Siehe auch → Rechtsextremismus. erfassen. Hasskriminalität, Hassverbrechen Mord im Namen einer vermeintlichen deutsch für Hate-Crime, bezeichnet Ehre / Mord im Namen eines altherge- Gewalt- und Straftaten, die z. B. durch brachten Begriffs von Ehre sind reflek- → Rassismus, religiöse Intoleranz, tierte Alternativen für → Ehrenmord, Trans- oder Homofeindlichkeit und wenn man sich in der Berichterstattung Ähnlichem motiviert sind. Hasskrimi- vom Motiv der Täter*innen distanzieren nalität ist sinnvoll zur Benennung von will. Die Weltgesundheitsorganisation Straftaten, wenn die Betroffenen von (WHO) verwendet für solche Morde den den Täter*innen als »anders« und nicht politischen Begriff Femizide. Handelt als gleichwertige Menschen angesehen es sich eindeutig um einen Mord im werden. In der Kriminologie werden die Namen einer vermeintlichen Ehre, kann Fachbegriffe Vorurteilskriminalität man der Idee der Istanbuler Initiative und Vorurteilsverbrechen benutzt. »Kadın Cinayetlerini Durduracagız« Kriminalitätsberichterstattung
folgen: Die Frauenrechtlerinnen plä- dieren für den Begriff Frauenmord dabei aber noch innerhalb der Grenzen der Verfassung. »Ra- 24 als Synonym, da er die Betroffenen dikale politische Auffassungen haben und die Tat in den Fokus rückt. Aller- in unserer pluralistischen Gesellschaft dings zählen zu den Opfern manchmal ihren Platz«, heißt es laut Verfassungs- auch Männer, die am vermeintlichen schutz3. »Ehrbruch« beteiligt waren oder nicht heterosexuell sind. Opfer ist in der Kriminalitätsbericht- erstattung gängig als Bezeichnung für Betroffene von Gewalt oder Diskrimi- nierung. Mit dem Begriff werden aller- dings Eigenschaften wie Hilflosigkeit oder Versagen assoziiert. Eine mögliche Alternative ist: Betroffene. Osteuropäischer Herkunft, arabisch- stämmig etc. sind meist mutmaßliche Beschreibungen und sollten mit Be- dacht verwendet werden. Grundsätzlich sind in Fahndungshilfen nur Formulie- rungen zu empfehlen, die auf Tatsachen beruhen und wirklich hilfreich sind. 1 Teile der Erläuterungen im Glossar zur Kriminalitäts- Die Zuordnung eines Menschen zu berichterstattung sind dem Beitrag entnommen großen Regionen, wie Arabien, Ost- »... denn sie wissen nicht, was sie tun. Wie Journalis- mus die Integrationsdebatte beeinflusst«, Konstanti- europa, Asien etc. sind kaum nützlich na Vassiliou-Enz, in »Vielfältiges Deutschland«, für die Fahndung, dafür aber stark Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), 2014 verallgemeinernd (siehe → der*die Ge- (www.neuemedienmacher.de/denn-sie- suchte spricht Deutsch mit türkischem wissen- nicht-was-sie-tun-wie-journalismus-die- Akzent). integrationsdebatte-beeinflusst/) 2 Studie »Ehrenmorde in Deutschland 1996 bis 2005« von der Kriminologischen Abteilung des Max-Planck- Radikalismus beschreibt radikale Instituts im Auftrag des Bundeskriminalamts. Inter- politisch-ideologische Positionen, die view von 2014 dazu: https://mediendienst- die Grundwerte unserer freiheitlichen integration.de/artikel/von-einem-islamrabatt-kann- Demokratie nicht generell in Frage stel- nicht-die-rede-sein.html len. Man kann Radikalismus als eine 3 Bundesamt für Verfassungsschutz, 2015, Glossar Vgl. Manjana Sold, Radikalisierung und Deradika- Art legale Vorstufe zum → Extremismus lisiterung, Bundeszentrale für politische Bildung betrachten. Radikale haben zum Ziel, (https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/ unsere Gesellschaftsordnung grund- bewegtbild-und-politische-bildung/reflect-your- legend zu verändern, bewegen sich past/313952/radikalisierung-und-deradikalisierung/)
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